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Für einen Standort an einem Autohof gelten eigene Gesetze. Vatter nutzt insbesondere die Konditoreikompetenz, um sich von den Wett- bewerbern zu differenzieren. Die Speisenangebote besitzen – wenn möglich – Anlehnung ans Bäckersortiment und sind besonders entwickelt. Herzhafte Gerichte dürfen nicht fehlen. Pause an der Autobahn Die Bäckerei Vatter hat in Buchholz mit Hilfe von Korte Einrichtungen einen ganz besonderen Produktionsladen eingerichtet. B eim Schmökern in alten Back Journal-Ausgaben sind wir kürzlich auf einen interessanten Beitrag gestoßen. Es ging um die Idee, angeschlossen an die Produktion, doch gleich einen schönen Laden zu er- öffnen. Die Idee ist jetzt nicht so neu, sondern bekanntlich das Geschäftsmodell des Bäckerhandwerks seit vielen tau- send Jahren. Nur wurde sie vor gut zehn Jahren von Filia- listen wieder entdeckt, die eine Produktion auf der grünen Wiese gebaut hatten. Seitdem gibt es sicher viele Beispiele von schönen Backstubencafés. Was die Bäckerei Vatter aus Bucholz mit Unterstützung von Korte Einrichtungen aus Kürten umgesetzt hat, hebt sich allerdings sicher von „nor- 56 Back Journal 12/2010 FOOD SERVICE / KONZEPTE Reportage Foto: Back Journal

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Page 1: Autobahn · Food Service / Konzepte Reportage Foto: Back ournal. malen“ Produktionscafés ab. Schließlich zeigen Eckehard und Cornelia Vatter damit, dass mit dem richtigen Konzept

Für einen Standort an einem Autohof gelten eigene Gesetze. Vatter nutzt insbesondere die Konditoreikompetenz, um sich von den Wett-

bewerbern zu differenzieren. Die Speisenangebote besitzen – wenn möglich – Anlehnung ans Bäckersortiment und sind besonders

entwickelt. Herzhafte Gerichte dürfen nicht fehlen.

Pause an der Autobahn

Die Bäckerei Vatter hat in Buchholz mit Hilfe von Korte Einrichtungen einen ganz besonderen

Produktionsladen eingerichtet.

Beim Schmökern in alten Back Journal-Ausgaben sind wir kürzlich auf einen interessanten Beitrag gestoßen. Es ging um die Idee, angeschlossen an

die Produktion, doch gleich einen schönen Laden zu er-öffnen. Die Idee ist jetzt nicht so neu, sondern bekanntlich das Geschäftsmodell des Bäckerhandwerks seit vielen tau-

send Jahren. Nur wurde sie vor gut zehn Jahren von Filia-listen wieder entdeckt, die eine Produktion auf der grünen Wiese gebaut hatten. Seitdem gibt es sicher viele Beispiele von schönen Backstubencafés. Was die Bäckerei Vatter aus Bucholz mit Unterstützung von Korte Einrichtungen aus Kürten umgesetzt hat, hebt sich allerdings sicher von „nor-

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malen“ Produktionscafés ab. Schließlich zeigen Eckehard und Cornelia Vatter damit, dass mit dem richtigen Konzept Bäcker auch neben McDonald‘s an einem Autohof bestehen können. Interessanterweise muss sich der Bäcker dazu gar nicht so von seinen Kernkompetenzen entfernen, wie man vielleicht zuerst denken würde.

Für die nächste Generation. Vatter betreibt im 40 Ki-lometer-Umkreis um Bucholz 28 Filialen. Die Entfernungen sind gut zu bewältigen, weil die Straßenanbindung speziell an die neue Produktionsstätte gut ist. Gebaut wurde die im Jahr 2008. Die alte Backstube stammte aus dem Jahr 1993, angesichts des Wachstums des Unternehmens drohten hier aber schon Platzprobleme. Da sich zeigte, dass die nächste Generation das Unternehmen fortführen will, entschlossen sich Eckehard und Cornelia Vatter zum Neubau. Sehens-wert ist nicht nur das Café, sondern auch die Produktion und die Verwaltung. Vatter hat sich hier einen Traum er-füllt – wer so viel Zeit seines Lebens mit Arbeit verbringt, darf sich die Umgebung auch schön gestalten. Die hohe, gläserne Produktion freut aber nicht nur die Menschen, die hier arbeiten müssen. Sie erfüllt gleichzeitig eine wich-tige Marketingfunktion. Die Kunden muss Vatter nämlich erst einmal zu sich locken. Sind es keine Stammkunden, haben sie die Autobahn oft verlassen, weil sie vom gro-ßen McDonald‘s-Schild angelockt wurden. Das McDonald‘s nebst McCafé ist auch das erste, was sie nach der Auto-bahnabfahrt sehen. Vatter muss die Autofahrer jetzt dazu bringen, den angepeilten Parkplatz des Bulettenbraters links liegen zu lassen und den Bäcker anzusteuern. Die Außenwerbung besitzt also große Bedeutung und das hohe Gebäude und das große Wandgemälde sind deshalb kein Selbstzweck. Das Filialportfolio der Bäckerei ist auf Unab-hängigkeit ausgelegt. Neben eigenständigen Cafés finden sich Vorkassenzonen bei drei Handelspartnern. Die mei-sten Vorkassenzonen (sechs) befinden sich in Jibi-Märk-ten, einem familiengeführten Handelsunternehmen, das bewusst die Partnerschaft mit guten regionalen Bäckern

Gemütlich geht es zu im Café an der Backstube. Korte Einrichtungen hat hier dem Anspruch Rechnung getragen, dass als Kernzielgruppe Familien, Geschäftsleute und Fernfahrer angesprochen werden sollen. Außerdem muss das Ambiente zu allen Tageszeiten passen.

sucht und die dann auch ihr Geschäft machen lässt – Jibi verzichtet auf Backstationen. Beim Thema Bäckergastro und Café verfügen Eckehard und Cornelia Vatter durchaus über Erfahrungen, immerhin ist gut die Hälfte der Filialen entsprechend ausgebaut. Das Backstuben Café war für die Vatters allerdings Neuland. In den klassischen Cafés wird am Platz bedient, aber das Konzept war für den Standort an der Autobahn, wo es auf Schnelligkeit ankommt, nicht anwendbar. Und natürlich musste auch das Angebot zum Teil überarbeitet werden, speziell was die Zielgruppe Fern-fahrer angeht.

Keine Angst vor großen Namen. Jürgen Weise, Geschäftsführer des Korte-Kooperationspartners Adler & Partner, überarbeitete deshalb zusammen mit dem Ehepaar Vatter das Gastroangebot für den Standort. An Klassikern wie „Frikadelle mit Bratkartoffeln“ oder „Bratkartoffeln mit Bauernsülze“ kommt man hier nicht vorbei. Grundsätzlich wurde aber darauf geachtet, den Bezug zum Bäckerhand-werk zu behalten. Beispiel für so ein Produkt ist der „Mist-haufen“, frisches Landbrot mit Hähnchenschnitzel und Champignons. Diese Gerichte fallen samt und sonders un-

Wichtiges Marketinginstrumet: Das Wandgemälde lockt die Kunden an.

In KürzeBäckerei VatterAn der Autobahn 429690 Buchholz / AllerTelefon (05071) 98 07 - 0Fax: (05071) 98 07 20Inhaber: Eckehard und Cornelia VatterGegründet: 1955Filialen: 28Besuchter Standort: Backstuben Café an der A7Grundfläche: 250 m²Sitzplätze: 100Sortimentsbeispiele:• Misthaufen (Landbrot mit Hähn-chenschnitzel): 5,55 Euro• Kraftpaket: (Bauernbrot, Rührei, Schinken): 4,95 Euro• Frühstück: ab 2,80 Euro

Vatters Produktionsladen hält mit Au-tobahnraststätten locker mit.

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ter die Rubrik „Preiswert, gut und reichlich“. Im Angebot befinden sich natürlich auch die klassischen Bäckersnacks. Ebenso demonstriert Vatter mit vielen Spezialitäten Kaf-feekompetenz und kann so auch gute Preise erzielen (2,50 Euro für die große Tasse Filterkaffe, 1,70 Euro für die Tasse Kaffee Creme). Der Filterkaffee, oft schon tot gesagt, spielt an solchen Standorten weiter eine große Rolle. Besonde-rer Trumpf ist nach der Erfahrung von Eckehard Vatter aber das gute Konditorei-Angebot der Bäckerei. Die Wett-bewerber – von McDonald‘s bis zum Truck Stop – können in diesem Punkt mit Vatter überhaupt nicht mithalten und so ist es auch gelungen, einen Kreis von Stammkunden auf-zubauen. Wo das Stichwort McDonald‘s gefallen ist: Der Wettbe-werber hat es trotz Einrichtung eines McCafés und Aufbau eines Frühstücksangebots schwer gegen den Bäcker. Dazu trägt sicher auch das besondere Ambiente bei, das die Gäste im Backstuben

Café erwartet. Das Café ist bis zu sechs Meter hoch – durchaus eine Herausforderung, was die Gestaltung angeht und Vatter hat mit Weise einige Optionen durchgespielt. Selbst die Einrichtung eines Wasserfalls war im Gespräch. Der realisierte Gestaltungs-vorschlag, erarbeitet und detailgetreu durch Innenarchitekt Jür-gen weise umgesetzt, stieß anfangs durch die hohen Räume auf Skepsis. Durch den aufwendigen Kulissenbau, der dem Raum die Höhe nimmt, ist es aber gelungen, Interesse zu wecken und zum Verbleiben einzuladen. Genau geachtet wurde auf die Akustik des Raums. Bei den Objekten einiger Kollegen störte den Bäcker die „Wartesaal-Geräuschkulisse“, in Buchholz geht es deshalb vom Lärmpegel her sehr dezent zu. Vatter beschreibt das grundsätz-liche Erfolgsrezept so: „Wir bieten einfach etwas anderes als das, was die Kunden oft an Autobahnraststätten erleben.“ Das betrifft nicht nur das Sortiment, sondern auch die Qualität. Conveni-ence-Teiglinge sind tabu in der Bäckerei ebenso wie Fettglasuren. Zusätzlich zur Vorteiganlage führt man in der Produktion fünf Sauerteige. In einem separaten Raum, ausgestattet mit moder-ner Tagungstechnik, können im Backstuben Café außerdem Ge-schäftstreffen oder Workshops abgehalten werden.

Und das Frühstück? Das Café an der Produktion hat übri-gens für Vatter noch eine weitere Funktion: Chefin und Chef sind dadurch wieder einfach näher am Verkauf und erleben so die Einführung neuer Produkte direkt mit. Die Auslastung des Cafés ist sehr gut, vom Morgen bis zum Nachmittag und oft ist nur schwer ein Platz im Café zu bekommen. Angesichts der Plan-übererfüllung steht demnächst auch noch eine Erweiterung der Vorbereitungsräume an. Wobei Vatter bei der Kernkompetenz des Bäckers, dem Frühstück, sogar noch etwas Potenzial nach oben sieht. Hier hat sich aber ein Wettbewerber einen Vorteil erarbeitet, gegen den auch die beste Bäckerei schwer ankommt: Beim Truck Stop gibt es für Fernfahrer, die ihre Lastwagen dort über Nacht gebührenpflichtig abgestellt haben, das Frühstück inzwischen zu Sonderkonditionen. Eckehard und Cornelia Vatter nehmen es sportlich: „Dagegen ist uns bisher tat-sächlich noch kein Rezept eingefallen.“ Dirk Waclawek

Eckehard und Cornelia Vatter führen die Bäckerei

seit 1985. Die nächste Generation steht bereit.

Bild links oben: An so einem Standort müssen sich herzhafte Speisen mit gutem Preis-Leistungsverhältnis im Angebot finden, um insbesondere die Fernfahrer anzuspre-chen. Vatter fährt aber natürlich auch die klassischen Bäckersnacks auf und bietet eine reiche Auswahl an Kaffeespezialitäten.

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