„Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der...

29
»Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten zum Werk von Martin Walser WOLFGANG HERLES SIEGMUND KOPITZKI (HG.)

Transcript of „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der...

Page 1: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

»Der erste unserer Sprach menschen«

Neue Einsichten zum Werk von Martin Walser

»Der

ers

te u

nser

er S

prac

h men

sche

n«N

eue

Ein

sich

ten

zu

m W

erk

von

Mar

tin

Wal

ser

WOL F G A N G H E R L E S S I E G M U N D KOPI T Z K I ( HG . )

HE

RL

ES

KO

PIT

ZK

I (H

G.)„Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache,

hätte es mich nicht gegeben.“ MARTIN WALSER

Schreiben ist für Martin Walser, den Formulie-rungskünstler und Jahrhundertschriftsteller vom Bodensee, Lebensart. Das Schönste, was es für ihn gibt.

Fünf Walserversteher, Walsererklärer, Walserbewunderer widmen sich wortgewaltig und profund dem Leben und Schaffen dieses „ersten unserer Sprachmenschen“. Und Walser-freund Arnold Stadler, ausdruckssüchtig wie Walser selbst, feiert seinen Wahlverwandten mit einer poetischen Liebeserklärung.

Eine einzigartige Sammlung eindrucksvoller Texte, die Martin Walser, den unvergleich-lichen Sprachvirtuosen, geistreich wie berüh-rend ehren.

Page 2: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017.

»Der erste unserer Sprach menschen«

Neue Einsichten zum Werk von Martin Walser

WOL F G A N G H E R L E S / S I E G M U N D KOPI T Z K I ( HG . )

© D

orot

hea

Cre

mer

-Sch

ach

t

Page 3: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

Inhalt

Wolfgang Herles und Siegmund KopitzkiVorwort

7

Bilderbogen

Kolloquium am 18. März 2017

in der Städtischen Galerie, Überlingen,

und im historischen Rathaussaal, Überlingen

23

Anton Philipp Knittel„Heimat ist immer das Verlorene.“

Skizzen einer produktiven Beziehung im Werk

Martin Walsers

34

Peter BlickleSiebzig Jahre einer schwierigen Liebe:

Martin Walser und Amerika

56

Andreas Meier„Zuflucht Sprache“.

Martin Walser zwischen Dichtung und Diskurs

78

Stefan Neuhaus„Wer kennt sich schon“.

Martin Walsers Aphorismen und Gedichte

100

Jörg Magenau„Nichts mehr wissen, nur noch sein.“

Über Kritik und Zustimmung bei Martin Walser

132

Arnold Stadler„Das Leben ist schön“.

Martin Walsers 90. Sonnenumrundung

156

Anhang 169

Anmerkungen 170

Die Herausgeber 186

Die Beiträger 187

Dank 190

Page 4: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

7

Vorwort

Martin Walser ist nicht da. Der Patron fehlt und ist doch

anwesend. Geradezu magisch präsent. Walsergesättigter

kann die Atmosphäre nicht sein. Walser einatmen, Walser

ausatmen. Jeder Atemzug gilt einzig ihm. Jeder Satz, der

fällt, ist seinen Sätzen angefügt. Alle Worte kreisen allein

um seine Wortmächtigkeit. Alle Silben haben nur den ei-

nen Sinn, ihn zu umwehen, umweben, umwähnen. Sein

Schreiben zu fassen, wo es doch unfassbar scheint.

Martin Walser ist nicht da. Doch er hat das Nötige sei-

nem Vertreter überlassen. Der hat uns gleich empfangen

und durch die Festtage begleitet. Er ist ja mehr als bloß

sein Vertreter. Schon eher sein Alter Ego: der See. Aufge-

kratzt wirkt er. Gleich nach Ankunft ein Wetterumschwung,

dem man zusehen kann. Fortwährend wechselt der See die

Farbe. Von Flaschengrün bis Fliedergrau. Kein Zustand,

der länger als eine Sekunde dauern mag.

Wenn Jörg Magenau Recht hat, der beobachtet hat, dass

Walser dem Bodensee immer ähnlicher werde, je länger er

an seinen Ufern saß, dann muss auch die Umkehrung des

Satzes gelten. Der See wurde ihm immer ähnlicher, je län-

ger er, der See, in unserer Vorstellung Walsersee ist. Beide

ändern sich unentwegt und bleiben doch immer Walser

und/oder der See. Ein Gewässer, das fortwährend die Farbe,

die Struktur der Wellen wechselt und dabei unergründlich

bleibt. Eine aufgeraute Fläche, die Walser zurückwirft, so

wie sich in Martin Walsers Werk immer der See spiegelt.

Wo sonst also sollte der Kongress der Walserversteher,

Walsererklärer, Walserflüsterer, Walserbewunderer, Walser-

Page 5: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

98

geschöpfe sich zusammenrotten, wenn nicht am Überlin-

ger See. Wo Walsers Alter Ego ihnen in allen Gemütsschat-

tierungen zufunkelt. Wo Heimatkunde und Walserkunde

ineinander verschwimmen. Wo Walser und sein See, der

große Gedankenverflüssiger, sie, also uns, in einen Zu-

stand versetzt, der sich dem des Sees zunehmend anver-

wandelt.

Eine Prozession zum Seeuferbesitzer hätte dazu ge-

passt. Eine Wallfahrt „Zum Hecht“ im Überlinger Ortsteil

Nußdorf. Dort wohnt, dort lebt er. Stattdessen: „Zum

Faulen Pelz“! Die Städtische Galerie mit freiem Seeblick.

Und am Nachmittag, einige Kretzerfilets und Viertele

später, im historischen Rathaussaal. Spätgotik mit Schnit-

zereien von Jakob Russ. Schöner geht’s nicht. Man stelle

sich vor, der Patron wäre im „Faulen Pelz“ oder im Ratssaal

in der ersten Reihe gesessen oder in der siebenten. Am bes-

ten inkognito. Ein Inkognito-Walser wäre bei aller sesshaf-

ten und seehaften Chamäleonartigkeit eine Unmöglichkeit.

Ein Ton genügte, und jeder hört ihn, den Walserton

überhaupt, so wie man den Schubertton oder Bruckner-

ton sofort hört. Also, falls er da gesessen wäre, unüberseh-

bar – was hätte der unvermeidliche Originalton mit uns

gemacht? Selbst, wenn er tonlos geblieben wäre.

Es ist gut so. Der Patron schwebt als Phänomen unter

dem dunklen Balkengewölbe. Bewegt die Gedanken, statt

sie durch Leibhaftigkeit erstarren zu lassen. Der Meister

gibt uns die Ehre seiner Abwesenheit, die nichts anderes

ist als gesteigerte Anwesenheit. Wir alle spüren es. Er ist

der See. Mal mild, mal mit gekrauster Stirn.

Natürlich weiß der Meister Bescheid. Seine Tochter ist

da. Käthe, seine Frau, fehlt auch. Aber Johanna wird be-

richten. Und schließlich wird sein Grußwort verlesen.

Martin Walser war nicht da. Es war vielleicht naiv zu glau-

ben, dass sich der Schriftsteller den Seemenschen, die ihn

einige Tage vor seinem 90. Geburtstag am 24. März 2017

in Überlingen feierten, selbst zeigt. Auch die fröhlichen

Messen, die ihm zuliebe in diesen trüben Tagen des Mär-

zes in Meersburg, Friedrichshafen und in seinem Geburts-

ort Wasserburg gesungen wurden, ließ der Patron aus.

Aber eigentlich wussten es alle. Walser erträgt viel,

aber keine öffentliche Geburtstagsfeier, Goldenes Buch

und so … Und schon gar nicht vor seiner Haustür. Er braucht’s

nicht mehr. Es gibt Zahlen, wie wir wissen, die ihm nicht

mehr über die Lippen kommen. Das Alter, sein Alter ge-

hört dazu.

Was nicht heißt, dass ihn das Thema kalt lässt. Auch er

ist nur ein Mensch. Je älter er werde, so klagt er, desto öfter

werde er nach seinem Verhältnis zum Alter gefragt. Die

Antworten fallen unterschiedlich aus. In den zentralen

Aussagen aber gleichen sie sich: Verdrängen hilft, Arbeit

hilft, die Schreibarbeit. Was sonst! „Als ich 30 Jahre alt

war, habe ich gesagt: ‚Was du mit 50 nicht geschrieben

hast, das muss nicht mehr geschrieben werden.‘ So bor-

niert war ich damals. Jetzt sage ich: Ich schreibe etwas,

was ich damals nicht hätte schreiben können …“

Das sagte er mit 85. Andere Schriftsteller werfen hin.

Können in diesem Alter, sofern sie es überhaupt erreicht

haben, kaum noch den eigenen Namen buchstabieren. Er

schreibt und publiziert. Auch mit 90 plus. Während dieses

Vorwort entsteht, erscheint sein Gesprächsbuch mit Jakob

Augstein. Das Leben wortwörtlich darf als nachgetragener

Liebesbeweis gelten; in dem Dialog mit seinem Sohn aus

der Beziehung mit der Übersetzerin Maria Carlsson er-

zählt Walser sein Leben neu oder besser: anders. Und aus

Page 6: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

1110

einem einfachen Grund: Weil er nie eine Autobiografie

schreiben würde, weil „das zwingt zu einer mir unange-

nehmen Art der Lüge. Die Lüge im Roman ist wunderbar.

Sie ist eine Variation der Wahrheit.“

Schreiben ist für den Meister vom Bodensee Lebensart.

Das Schönste, was es für ihn gibt. Dabei spielt Alter keine

Rolle. Auch der Tod nicht. Fürchtet Euch nicht! Geistige

Vorbereitung nützt da im Übrigen wenig. Also drauflosle-

ben? Aber auch der Katholik Walser, der keine Altersfröm-

migkeit kennt, eher ein wachsendes Interesse an

Glaubensfragen, kann ohne Jenseitsvorstellung nicht sein.

Er fasst diese unser aller Hoffnung in den knienden Satz:

„Wir glauben mehr, als wir wissen …“ Gott sei Dank.

Auch sonst beschäftigen ihn die Themen „Alter“, „Glau-

ben“ und „Tod“. In den „Meßmer“-Bänden, in seiner Trilo-

gie der Selbst- und Welterkundung, in den Tagebüchern,

die er seit ewigen Zeiten führt, zuletzt wohl weniger obses-

siv und sowieso in den großen Romanen. Die letzten Veröf-

fentlichungen führen das endliche Thema mehr oder

weniger im Titel. So der von Iris Radisch in der Zeit als „wun-

derbar verwildert“ gepriesene Altersroman Ein sterbender Mann (2017), in dem Walser die tolldreistesten Männerfan-

tasien zelebriert; oder Statt etwas oder der letzte Rank (2017),

eine Autofiktion als Roman, der keiner mehr sein will, der

alles Handlungshafte hinter sich lässt und nur noch eines

ist: Sprache. Sprache, sein Terrain. Von Anfang an.

Walserianer wissen auch: kein Walser-Buch, in dem

nicht geliebt wird – selten allerdings, bis der Tod die lei-

denden Liebenden scheidet. Liebe ist ihm der Quell für

Poesie. Ein Abenteuer, das nie aufhört. Auch nicht mit

90 plus. Allerdings macht nun der Altersunterschied

zwischen Mann und Geliebter den kleinen Unterschied

aus. In dem schamlos offenen Roman Angstblüte (2006)

gerät ein alternder Investmentbanker in die Fänge jünge-

rer Frauen. Ein Traum? Ein Alptraum. „Angstblüte“ nennt

man das letzte, verzweifelte, oft prachtvolle Aufblühen

eines alten Baumes, bevor er stirbt. In Ein liebender Mann

(2010) wächst der Altersunterschied zwischen dem alten

Mann und dem Mädchen auf mehr als fünfzig Jahre an. In

dem Buch schlüpft Walser in die Haut des 74-jährigen Goe-

the, der – vergeblich, versteht sich – um den Teenager

Ulrike wirbt. Man liest das gerne. Aber mit gemischten

Gefühlen.

Im April 2018 soll ein neuer Roman folgen, Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte. Sein Inhalt, der spre-

chende Titel deutet es mehr als an, ein Gespräch über

Liebe: Tag und Nacht liegt er, Justus Mall, ein ehemaliger

Oberregierungsrat, im Streit mit den Umständen, zu de-

nen er es als Liebender hat kommen lassen: „Ist es viel-

leicht leichter, keine Frau zu haben als nur eine? Er

jedenfalls liebt zwei, und weil das nicht gehen kann, be-

ginnt er, einen Blog zu schreiben – auf der Suche nach

einem Menschen, der genau das ist, was ihm fehlt“, lesen

wir im Ankündigungstext seines Verlags Rowohlt. Er

bleibt sich treu. Kein Oder. Wenn Walsers Romane seine

Memoiren sind, wie so oft gesagt wird, dann geht die Wal-

ser-Saga weiter. Immer weiter. Wir dürfen Walser einat-

men. Walser ausatmen.

Doch damit nicht genug. Ebenfalls im April dieses Jah-

res kommen seine großen Interviews aus vierzig Jahren

auf den Buchmarkt. „Ich würde heute ungern sterben“, so

der listige Titel der Sammlung. Das ist – auch beim Wieder-

lesen – intellektuell brillant, weitsichtig und, wenig ver-

wunderlich, streitlustig.

Page 7: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

1312

Walser, der sehr alte Walser, gratulierte Gerrit Bartels dem

90-Jährigen in einem hymnischen Wörterstrauß in der

Süddeutschen Zeitung, betreibe das Bücherschreiben zuneh-

mend als Privatprojekt, bei dem wir ihm zuschauen dür-

fen, aber bitte nicht mehr stören sollen … Da ist was dran.

Er darf Rücksicht verlangen, die ihm nicht immer gewährt

wurde. Das war mitunter selbstverschuldet. Lange Zeit

suchte er die Auseinandersetzung nicht nur in der Liebe,

sondern auch in der Politik – was ihn nicht zwangsläufig

zum politischen Schriftsteller macht. Ein Mensch allein

kann keinen Roman schreiben, die ganze Welt muss lie-

fern. Und sie liefert. Walser nimmt die Welt mit, wie er sie

sieht, wenn er schreibt. Er schreibt mit der Hand, weil er

den unmittelbaren stofflichen Kontakt braucht. Auch von

Anfang an.

Walsers Werk umspannt mehr als sechs Jahrzehnte.

Wer kann hierzulande mitbieten? Sein erster Roman Ehen in Philippsburg erschien 1957. Das kaum verschlüsselte Sit-

tenbild der Stuttgarter Society, das auch als dramatisierte

Fassung vorliegt, gilt dem Nachgeborenen Florian Illies als

„bestes Buch der jungen Bundesrepublik“. Gut so. Das Ro-

mandebüt darf als Auftakt verstanden werden für Walsers

„Kristlein“-Trilogie, bestehend aus den Bänden Halbzeit (1960), Das Einhorn (1966) und Der Sturz (1973). Die Trilogie,

benannt nach dem Helden der Romane, einem sympathi-

schen Ehe- und Berufsversager, brachte seinem Autor Kri-

tikerlob und Kritikertadel ein. Friedrich Sieburg, seinerzeit

Literarturchef der FAZ, vereinte beide Fronten: Er nannte

den Autor der Halbzeit einerseits „ein Genie der deutschen

Sprache“, andererseits mäkelte er: „Das Buch kommt nicht

recht vom Fleck, und warum das Buch überhaupt aufhört,

habe ich immer noch nicht begriffen.“

Es bringt nichts, über Sieburgs angebliche Begriffsstutzig-

keit zu spekulieren. Der junge Walser schreibt anders als

andere davor. Nach dem Kulturbruch „Drittes Reich“ ist

das nicht verwunderlich. Eher erwartbar. Er tritt als „Dif-

ferenzierungskünstler der Innenwelten“ auf und wird

über Nacht zum Sprecher des kollektiven Unbewussten,

notiert Magenau. Der junge Walser schreibt ungeschönt,

auch wenn er das Schöne aufs Schönste beschreibt. Dieser

Epiker des Alltags, den der Mangel interessiert, nicht die

falsche Pracht, schreibt nicht nur sprachkühn und „ohne

moralischen Zwischenfilter“; er schreibt auch Texte von

einer Virtuosität, die manchen Kritiker ratlos macht, be-

griffsstutzig.

Apropos Kritiker: Walsers Fehden mit Marcel Reich-

Ranicki sind legendär. Sie sorgten für Verwundungen –

auf beiden Seiten. Walsers Roman Tod eines Kritikers (2002),

in dessen Held André Ehrl-König viele Reich-Ranicki zu

erkennen glaubten, brachte ihm den Vorwurf des Antise-

mitismus ein. Absurd. Schon Walsers Sonntagsrede (1998)

bei der Verleihung des Friedenspreises hatten seine Kriti-

ker zum Anlass genommen, ihn in die braune Ecke zu stel-

len. Absurd noch mal. Es galt und gilt das 1979 geschriebene

Wort des Frankfurter Prozessbeobachters Walser: „Seit

Auschwitz ist noch kein Tag vergangen.“

Aber auch das gehört zu einem langen Schriftstellerle-

ben: Niederlagen und Verrisse einzustecken. Walser kaute

schwer daran. Volker Hage spricht im Spiegel von „Trauma“.

Nach dem Totalverriss seines Angestellten-Romans Jenseits der Liebe (1976) durch Reich-Ranicki fürchtete Walser um

seine materielle Existenz. Der Schriftsteller hatte Frau

und vier Töchter zu ernähren. Es ist die vielfach verfilmte

Novelle Ein fliehendes Pferd (1978), die Rettung bringt, die

Page 8: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

1514

am Walser see angesiedelte Liebesgeschichte. Plötzlich war

der Seismograf der Bundesrepublik, das Sprachrohr der

Intellektuellen ein Bestseller-Autor. Mit den Einnahmen

konnte Walser sein Haus abzahlen.

Aber die Zeit – besser: das Alter – heilt Wunden. Im

Rank heißt es zum Tod von Reich-Ranicki versöhnlich: „Auf

einmal sehe ich, ich hätte mich nicht über ihn ärgern

müssen, weil seine temperamentsbedingte Art, auf mich

zu reagieren, immer genauso viel über ihn gesagt hat wie

über mich.“ Souverän. Ihm ist zum Umarmen keiner zu

schrecklich. Reich-Ranicki hätt’s gerne gelesen.

Aber das ist nicht alles, was auf den Meister einstürzte.

Walser war einst der Linksaußen unter den deutschen

Schriftstellern. Den Amerikanern verzieh er nicht den

Krieg in Vietnam. Diese Stürmerei kam nicht überall gut

an. Der Vietnam-Redner Walser wurde mitunter ausge-

sperrt. Als sich der nahezu am letzten Zipfel Deutschlands

lebende Provokateur mit der deutschen Teilung nicht ab-

finden wollte und das bekundete – „Wir dürfen, sage ich

vor Kühnheit zitternd, die BRD so wenig anerkennen wie

die DDR“ –, wurde er zum Nationalisten gestempelt. Jurek

Becker, der als Kind den Holocaust überlebt hatte, schrieb

eine flammende Entgegnung – „Gedächtnis verloren – Ver-

stand verloren“ –, mit der er allerdings unter sein Niveau

fiel. Der DDR-Dissident missbilligte hartnäckig – wie übri-

gens Günter Grass, sein gleichaltriger Ruhmesgenosse,

Walter Jens und andere Linksintellektuelle – die Forde-

rung nach Wiedervereinigung.

Becker & Co machten die Rechnung ohne den Wirt –

das Volk. Walser, der den empfundenen Trennungsschmerz

literarisch in der Novelle Dorle und Wolf (1987) verarbeitete,

sollte Recht erhalten. Aber darum ging’s ihm nicht. Ums

Rechthabenwollen. Ums Rechthabenmüssen. Walsers öf-

fentliche Wortmeldungen aus sechs Jahrzehnten liegen

gebündelt in dem Band Ewig aktuell. Aus gegebenem Anlass (2017) vor.

Martin Walser, um dieses Kapitel abzuschließen, ist ein

Jahrhundertschriftsteller. Kein anderer Schriftsteller hat

die jüngste deutsche Seelengeschichte so überzeugend in

Literatur verwandelt wie er. Der Erzähler Walser, „auf-

brausend und zweifelnd, verletzlich und tapfer“ (Volker

Hage), ist unser klassischer Autor schlechthin.

Ihn feiern – ein Muss. Das sagten sich die Menschen, die am

See leben. Ihn beim Friseur in der Stadt treffen, beim Gang

mit dem Hund (früher), nach einer Lesung, bei Isolde im

„Löwen“ in Frickingen-Altheim, beim Konzert im Münster

St. Nikolaus oder am Bahnhof in Friedrichs hafen. Walser

lebt mit ihnen, den Menschen an seinem See. Er spricht

ihre Sprache. Ihren alemannischen Dialekt, von dem der

Sprachmensch sagt, dass der Dialekt empfindlicher gegen

Unwahrhaftigkeit sei als die Schriftsprache.

Eine Woche vor Walsers 90. setzten die Walserspiele am

Vierländersee Bodensee ein, mit Buchvorstellungen, Film-

retrospektiven, szenischen und noch anderen Lesungen.

Ein großer Programmpunkt war die vielstimmige Hom-

mage im Überlinger Kursaal. Bruno Epple, Christof Hamann,

Gaby Hauptmann, Zsuzsanna Ghase, Peter Renz und Arnold

Stadler laudierten Walser bühnenreif. Der erkrankte

Hermann Kinder sandte eine Grußadresse …

Der andere, schon erwähnte Programmteil: Fünf Wal-

serversteher, Walsererklärer, Walserflüsterer, Walserbe-

wunderer und Walsergeschöpfe machten sich in einem

Kolloquium über das Werk des Patrons her.

Page 9: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

1716

Den weitesten Weg hatte Peter Blickle zurückgelegt. Er

flog aus Amerika ein. Blickle ist Professor an der Michi gan-

University. Dennoch ist er ein Hiesiger geblieben. Der ge-

bürtige Oberschwabe ist vertraut mit Land und Leuten im

Allgemeinen und mit Walsers Kosmos im Besonderen, wie

ein anderer Kongressteilnehmer, Anton Philipp Knittel,

geboren in Meßkirch, aufgewachsen in Leibertingen. Der

zitierte Jörg Magenau, der erste, der eine ernstzuneh-

mende Walser-Biografie veröffentlichte, reiste aus Berlin

an. Das walserkundige Professorenpaar Stefan Neuhaus

aus Koblenz und Andreas Meier aus Wuppertal. Meier hat

seinem Walser schon an anderer Stelle gedient. Er ist wis-

senschaftlicher Herausgeber der 25-bändigen Gesamtaus-

gabe letzter Hand, die Heribert Tenschert, Büchernarr aus

Ramsen (Schweiz), seinem langjährigen Freund Walser

zum Geschenk machte. Welch eine Geste.

Eine Geste, Martin Walser nachgetragen, so will auch

diese Publikation verstanden werden. Sie enthält die Vor-

träge des Überlinger Kolloquiums. Ein Protokoll der Sitzun-

gen wurde nicht geführt. Das Buch ist allerdings mehr als

nur Ersatz. In den Band wurde zudem der luzide, an ande-

rer Stelle in gekürzter Fassung publizierte Geburtstagsgruß

von Arnold Stadler aufgenommen, dem sich der Titel dieser

Sammlung verdankt: „Der erste unserer Sprachmenschen“.

Dass der Patron neben den ganz großen auch den regiona-

len Dichtern beigestanden hat, ist bekannt. Die drei Dich-

terinnen Maria Beig, Maria Menz und Maria Müller-Gögler

werden meistens genannt. Aber auch Stadler steht auf die-

ser Liste. Gleich zweimal rühmte Walser den in Meßkirch

geborenen und in dem geliebten „Kuhdorf“ (A. Stadler) Rast

aufgewachsenen Empfindungspragmatiker im Spiegel. Über-

schrift: „Das ist ein Ton. Aufrufend, anrufend“.

Es sind Wahlverwandte. Stadler und Walser. Walser und

Stadler. Ausdruckssüchtige. Herzensmenschen im gegen-

seitigen Umgang. Dass nun der Sprachmensch Stadler

den Sprachmenschen Walser feiert, ist nur konsequent.

Beide Schriftsteller, deren Sätze bei ihren Lesern „Aha-

Detonationen“ auslösen, sind in eine Muttersprache hin-

eingeboren worden, die heute, wie Stadler notiert, „zum

Eingeborenenidiom geworden ist“. Und wenn der Patron

in Statt etwas oder Der letzte Rank schreibt: „Wenn du nicht

gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht gegeben“, so

sehen wir in dieser Beschreibung auch Stadler inbegriffen.

Seine unverwechselbare Sprache, die Verknüpfung auto-

biografischer und historischer Perspektiven und der „Ernst“

seines Humors haben ihn zu einem der wichtigsten

deutschsprachigen Literaten werden lassen – so lautete

auch die Begründung für den Kleist-Preis.

Für Stadler, dem das Hochdeutsche die erste Fremd-

sprache war, wie er einmal lakonisch anmerkte, ist der

Formulierungskünstler Walser nicht nur der erste unserer

Sprachmenschen, sondern „unsere erste Sprachschmerz-

instanz“, die aus ihrer Erinnerung eine „schmerzreiche

Gegenwart“ macht. Für den an Heideggers Schriften ge-

schulten Stadler ist der „Schmerz der Grundriss des Seins“.

Und Antrieb seines Schreibens. Die „schmerzreiche Gegen-

wart“ findet er auch in Walsers Altersroman Statt etwas oder Der letzte Rank. „Rank: Das Wort aus der Muttersprache“,

so Stadler, „verweist ins Herz. Rank: eine Kurve ist nichts

dagegen.“

Wohl wahr. Bei einer Lesung des Patrons in der Dreifal-

tigkeitskirche in Konstanz, nur Tage vor seinem Geburts-

tag – das Foto auf dem Deckblatt dieses Buchs ist dort

entstanden – sieht er „Einen hinaufgehen, ganz allein, als

Page 10: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

1918

der einsamste Mensch, den es in diesem Augenblick auf

der Welt gab und gibt …“. Dass einer, der auch als Diagnos-

tiker des Leidens und der Einsamkeit des modernen Indi-

viduums gilt, diese Phasen kennt, sie lebt, zumal im Alter,

wundert das? Dennoch liest Stadler in Walsers Werk „ein

großes Jasagen“. Der Romancier Stadler weiß: „Aus dem

Wort Nein entsteht kein Werk von diesem Format.“

Auch den Heimatkundler Walser hat Stadler, der seit

seiner Trilogie Ich war einmal (1989), Feuerland (1992) und

Mein Hund, meine Sau, mein Leben (1994) den schönen Ruf

eines Chronisten des oberschwäbischen „Fleckviehgaus“

weg hat, im fordernden Blick. Diesem weiten Feld wid-

mete sich Anton Philipp Knittel in seinem einfühlsamen

Vortrag. Er eröffnete damit den von Siegmund Kopitzki

initiierten und von Wolfgang Herles umsichtig geleiteten

Kongress im „Faulen Pelz“, der Städtischen Galerie von

Überlingen.

„‚Heimat ist immer das Verlorene.‘ Skizzen einer pro-

duktiven Beziehung im Werk Martin Walsers“ lautet der

Titel des vielfach ausgewiesenen Literaturwissenschaft-

lers. Knittel geht in seinem Beitrag drei Momenten nach,

die mit dem Themenkreis „Heimat“ im Werk des Nußdor-

fers verknüpft sind: Da ist zum Ersten Walsers bereits in

den 1960er-Jahren beginnende Auseinandersetzung mit

dem Themenkomplex „Heimat“ in den Essays und in eini-

gen Prosawerken. Da ist zum Zweiten Walsers engagierte

Patronage – nicht nur – aber besonders auch für hiesige

Autorinnen wie die drei genannten oberschwäbischen

Marien Beig, Menz und Müller- Gögler und Autoren wie

Arnold Stadler, Andreas Beck oder Bruno Epp l e. Und da ist

zum Dritten die bei Walser schon früh immer wieder mit-

schwingende und thematisierte metaphysische Dimen-

sion von Heimat – ein Zug, der manchem erst nach der

Novelle Mein Jenseits beziehungsweise dem Roman Mutter­sohn (wieder) deutlich geworden ist.

Ausgehend von Walsers erster Reise nach Amerika als

Einunddreißigjähriger im Jahr 1958, wo Literatur und

Liebe zusammenkamen, geht Peter Blickles Aufsatz Siebzig Jahre einer schwierigen Liebe: Martin Walser und Amerika vor-

wärts und rückwärts im Leben des Patrons. Er zeigt, wie

in jeder Lebensphase Walsers die Beziehung zu Amerika

eine zutiefst persönliche und zugleich zentrale Rolle

spielt. Eine Rolle im Übrigen, die immer auf die eine oder

andere Weise mit Liebe verbunden ist (an der Hand des

Großvaters, im Banne Karl Mays, in Friedrich Schillers

Philadelphia, in der Befreiung Adalbert Stifters im Gefan-

genenlager, in der Weltöffnung auf der Überfahrt, in den

Aufenthalten in den endlosen Wäldern, im Überwältigt-

werden vom Pazifik, im angesichts des Todes sehnsüchti-

gen Mann und im angesichts des Todes sinnenden Mann).

Blickles Aufsatz zeigt uns die sich über Jahrzehnte ent-

wickelnde und nicht immer einfache Beziehungsenge

zwischen Martin Walser und Amerika – offenkundig steht

es mit Übersetzungen nicht zum Besten; immerhin wurde

2016 Walsers Selbstporträt Ein springender Brunnen, zu-

gleich Zeit-, Heimat- und Liebesroman ins Amerikanische

übertragen. Er zeigt uns in zahlreichen Beispielen, wie

und weshalb Amerika nach dem Bodensee den wichtigs-

ten geografischen und metaphorischen Bezugspunkt im

Leben und Werk Walsers darstellt.

Den Nachmittag im historischen Ratssaal leitete

Andreas Meier ein. Wortgewaltig. Inhaltsschwer. Und

doch: verstehbar. So kann Wissenschaft auch sein. Versteh-

bar und mit Tiefgang. Unter der auf Martin Walsers Essay

Page 11: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

2120

Ich vertraue. Querfeldein verweisenden Überschrift „Zuflucht

Sprache“ untersucht Meier, inwiefern für den Patron Spra-

che sowohl ein Individuationsmerkmal wie -mittel dar-

stellt. Als Resultat stellt sich die Erkenntnis ein, dass die

Poetizität literarischer Sprache zur Individualität persön-

licher Sprache korreliert und damit Kollisionen sowohl

einer individuellen Sprache wie der poetischen mit dem

öffentlichen Diskurs unvermeidbar sind, ja in der Kolli-

sion mit ihm gerade ihre höchste Charakteristik auf-

scheint. Sprache als das Medium, in welchem die Person

ihre eigene Geschichte erfährt, die erzählt, Erinnerungen

aufruft und verknüpft, trägt somit narrativ zur Identitäts-

findung bei und bedarf daher der literarischen Verteidi-

gung gegen die Zumutungen des alltäglichen Geschwätzes.

Stefan Neuhaus, der Meier folgte, stellte seinen Vortrag

unter die Fragestellung „Martin Walser als Lyriker, als

Aphoristiker“. Der Beitrag beleuchtet diese wenig be-

kannte Sparte seiner Produktion. In Walsers Lyrik und in

seinen Aphorismen werden die gleichen Themen verarbei-

tet, denen man auch in seinen Prosa- und Dramentexten

begegnet. Es sind die „Kleinbürger“, die ironisch und kri-

tisch, aber nicht ohne Verständnis gezeichnet werden,

denn Ironie ist ohne Selbstironie und Kritik oder Selbst-

kritik nicht denkbar, zumindest nicht in Walsers Werk.

Aphorismen ermöglichen eine sprachliche Verdichtung

und erzeugen eine besondere Prägnanz, wohl auch des-

halb hat Walser nicht nur selbst welche geschrieben, son-

dern auch solche aus der Literatur, die ihn besonders

beeindruckt haben, gesammelt und herausgegeben.

Für das schmale Gedichtwerk Walsers ist die seit Be-

ginn des Jahrhunderts weitgehend verbindliche Abwen-

dung vom Reim oder dessen spielerische, ironische Ver-

wendung kennzeichnend. „Statt Ideologien“ werden in der

Nachkriegs lyrik, auch bei Walser, „Bewusstseinsprozesse“

dargestellt (Heinz Piontek). Der gesteigerten „transzenden-

talen Obdachlosigkeit“ (Georg Lukács) durch existenzielle

Erfahrungen von Kontingenz begegnet Martin Walsers

aphoristisches und lyrisches Werk mit einer skrupulösen

Selbstbefragung und mit einem Spiel von möglichen Be-

deutungen, das großes intellektuelles Vergnügen bereitet.

Ein Missverständnis, so Jörg Magenau in seinem Refe-

rat „Nichts mehr wissen, nur noch sein.“ Über Kritik und Zustim­mung bei Martin Walser, das Walser hartnäckig begleitet,

besteht darin, ihn für einen gesellschaftskritischen Autor

zu halten, für einen engagierten Intellektuellen gar, der

sich politisch einmischt und lautstark seine Meinung

sagt. Daran ist er selbst nicht ganz unschuldig, da er dem

Drang, sich öffentlich zu äußern, nur zu oft und freudig

nachgegeben hat – er selbst sieht sich in der Rolle des „pro-

vozierten Zeitgenossen“. Er möchte auch lieber nach sei-

nen Romanen beurteilt werden als nach seinen politi-

schen Auftritten.

Dabei ist ihm das Prinzip der Kritik von Anfang an frag-

würdig und die Pflicht zum Kritisch-sein-Müssen immer

verdächtig vorgekommen. Er misstraute der Kritik, weil er

in ihr eine Methode der Selbsterhöhung einerseits, ein

gesellschaftliches Ritual anderseits erkannte. Die „Kritik

der Kritik“ zieht sich als ein zentraler Strang durch das

ganze Werk hindurch und führt schließlich zur Feier der

Zustimmung oder von der Verneinung zur Bejahung als

Motor der Weltveränderung.

Sein Schreibansatz lautet seither: Die Dinge schöner

machen, als sie wirklich sind, sodass sie einen weißen

Schatten werfen. Die Literatur zwingt sie dazu, ihre je-

Page 12: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

2322

Bilderbogen

Kolloquium am 18. März 2017 in der Städtischen Galerie, Überlingen, und im historischen Rathaussaal, Überlingen

Das Kolloquium fand statt im Rahmen der Gesamtveran-

staltung „Wer ein Jahr jünger ist, hat keine Ahnung“ – Hommage zum 90ten Geburtstag von Martin Walser

(16. bis 23. März 2017 in den Gemeinden Überlingen, Meers-

burg, Friedrichshafen und Wasserburg).

weils besten Möglichkeiten zu offenbaren. Das bedeutet,

den Dingen mit grundsätzlicher Zustimmung zu Leibe zu

rücken. Diesen Prozess zeichnet Magenau überzeugend

nach – vom Debütroman Ehen in Philippsburg bis zum

Alterswerk Statt etwas oder Der letzte Rank.

Zum Schluss: Unser Dank geht zuallererst an die fünf

Referenten Anton Philipp Knittel, Peter Blickle, Andreas

Meier, Stefan Neuhaus und Jörg Magenau, die den Wal-

ser-Kongress als Geschenk an Martin Walser verstanden

und mit Inhalt füllten. Zu Dank verpflichtet sind wir

Arnold Stadler, der für diese Publikation seinen Geburts-

tagsstrauß zur Verfügung stellte.

Bücher brauchen Leser, aber Sachbücher wie dieses

Sympathisanten. Die Herausgeber bedanken sich für ma-

terielle und ideelle Unterstützung bei Dr. Michael Brunner

(Kulturamt Überlingen), Oswald Burger (Forum Allmende),

Frank Hämmerle (Landratsamt Konstanz), Franz Hoben

(Stadt Friedrichshafen), Dr. Claus-Wilhelm Hoffmann (Lite-

raturstiftung Oberschwaben), Stiftung Ewald Marquardt

(Rietheim-Weilheim), Frank Schädler (Amt für Bildung

und Sport, Konstanz), Lothar Wölfle (Landratsamt Boden-

seekreis, aus Mitteln der OEW) sowie den Walserianern

Elke Gross (Gailingen) und Willy Berchtold (Überlingen).

Last but not least geht unser herzlicher Dank an Annette

Güthner vom Südverlag für ihr hervorragendes Lektorat,

aber auch für die Ermutigung, dieses Buch zu realisieren.

Wolfgang Herles und Siegmund KopitzkiBerlin / Konstanz / München, Januar 2018

Wolfgang Herles.

Page 13: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

2524

Städtische Galerie, Überlingen

Anton Philipp Knittel (oben); mit Wolfgang Herles (unten). Peter Blickle und Wolfgang Herles.

Page 14: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

2726

Städtische Galerie, Überlingen

Bildnachweis© Ariana Zustra: S. 23, 24, 25 (oben), 28, 29 (oben), 30, 31, 32 (oben), 33.© Siegmund Kopitzki: S. 25 (unten), 26, 27, 29 (unten), 32 (unten).

Aufmerksame Zuhörer bei der Vormittagsveranstaltung: u. a. Johanna Walser (links), Tochter des Patrons.

Mittagspause der Referenten.

Page 15: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

2928

Historischer Rathaussaal („Ratssaal“), Überlingen

Stefan Neuhaus (oben); mit Wolfgang Herles (unten). Andreas Meier (oben); Jörg Magenau (unten).

Page 16: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

3130Konzentrierte Atmosphäre bei der Nachmittagsveranstaltung in spätgotischem Ambiente:

Historischer Rathaussaal („Ratssaal“), Überlingen

u. a. Stefan Neuhaus, Peter Blickle, Jörg Magenau (v. li. n. re.) und Siegmund Kopitzki (Bildmitte).

Page 17: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

3332 Jörg Magenau (oben); Wolfgang Herles (unten). Pausengespräche vor dem spätgotischen Ratssaal.

Historischer Rathaussaal („Ratssaal“), Überlingen

Page 18: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

157

Arnold Stadler

„Das Leben ist schön“.Martin Walsers 90. Sonnenumrundung

Der Mensch ist kein Baum und hat auch keine Wurzeln,

sondern Vater und Mutter, die vor 90 Jahren einen Sohn

bekamen, den sie Johann Martin tauften. Das war in Was-

serburg. Vor 90 Jahren wurde noch der Namenstag, der

den Geburtstag mit der Taufe verbindet, gefeiert, ich weiß

es von ihm selbst. So war es überall in der katholischen

Welt vor der Happy-Birthday-Zeit. Heute feiern selbst

Päpste ihren „90.“, so im April Benedikt XVI. Heute singen

die Omas längst „Happy Birthday“. Wir leben in der Happy-

Birthday-Zeit. Die unverwechselbare Welt verschwindet so

langsam in der Globalisierungskelter.

Walser erblickte das Licht der Welt an einem See. So-

dass dieses Wasser, als wär’s ein Stück von ihm, Teil dieses

Lebens ist. Und als wäre es nicht genug, hieß der Ort auch

noch Wasserburg. Wasserburg gehörte schon spätestens

von 784 an zum Kloster Sankt Gallen. Erst 1826 wurde der

Weinzehnte eingestellt. War ja nun auch bayrisch. Wie

immer: Gefragt wurden die Menschen, die da lebten,

nicht. Napoleon hat auch am See derart in die Geschichte

eingegriffen wie seit den Karolingern keiner mehr.

Gebürtig von diesem See, und keinem anderen, seit

„Anbeginn“, seit Sankt Gallen und der Reichenau, ein Epi-

oder Herzzentrum der deutschen Sprache. Seuse oder

Arnold Stadler.Vor dem Geburtshaus Johann Peter Hebels. Am 250. Geburtstag des Dichters nach der Verleihung des Hebel-Preises.

© J

örg

Bro

de

Page 19: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

159158

Suso, wie Walsers zugewandter Kollege Bruno Epple, pictor et poeta, sagt, lebte an diesem Wasser im 14. Jahrhundert

als Kronzeuge der Sprache und bis dahin unerreichter

Sprach- wie Schmerzgipfel.

Unser Geburtstagskind wurde nicht in eine Sprach-

wüste hineingeboren, sondern in eine Muttersprache, die

heute fast schon zum Eingeborenenidiom geworden ist.

Doch der erste, der unserem Geburtstagskind die Sprache

als etwas Staunenswertes offenbarte, war jener Vater, der

Johann einen Wörterbaum errichtete. „Die Sprache ist ein

springender Brunnen“, heißt es da, und das ist der Grund,

warum wir heute diesem Geburtstagskind, und keinem

anderen, gratulieren dürfen.

Berühmt ist einer dann, wenn er gar nicht mehr alles

mitbekommt, was über ihn in der Zeitung steht. Oder in den

Radios und im TV gesendet wird. Und keine Zeit hat, das

alles zu sehen und zu lesen, was über ihn geschrieben wird.

Er wird jetzt gefeiert und zu Recht. Und das ist auch

etwas Schönes. Doch: Öffentlichkeit und „Licht der Welt“,

Rampenlicht und Heimat, das beißt sich irgendwie. Man-

ches Geburtstagskind überlegt sich, wohin es fliehen

könnte. Zu ihnen könnte auch Martin Walser gehören, der

heute in seiner Umlaufbahn zum 90. Mal die Sonne um-

rundet hat. „Wenn i bloß ge Amerika wär!“, vielleicht

dachte das Geburtstagskind im Zusammenhang mit die-

sen Feierlichkeiten an diesen Satz, den es neben seinem

Großvater hergehend hörte. Das ist ein Herzsatz aus Wal-

sers Leben. Später fuhr der, als wollte er für seinen Groß-

vater, dem das versagt war, nach Amerika. Martin Walser

war oftmals in Amerika, als hätte er stellvertretend für

seinen Großvater dessen Traum „Wenn i bloß ge Amerika

wär!“ realisieren wollen.

Martin Walser gehört zu jenen, von denen etwas mehr als

sonst gesagt werden darf, dass sie „das Licht der Welt“

erblickt haben. Das war 1927. Weimarer Republik, Krisen-

jahr. Ich sage aber lieber: Licht der Welt. Sonnenumrun-

dung. Frühjahr. Wasser, Licht und Leben. Als wäre es nicht

genug: Der Ort aber hieß Wasserburg. Paradox, auch für

mich: Am Wasser träume ich immer vom Bleiben, wohin-

gegen der harte Stein auf das Gehen verweist. Auch Walser

ist nicht als großer Wanderer zu Fuß bekannt, dem seine

Sätze im Gehen leicht bergauf kommen, wie etwa Hölder-

lin, Seume oder Handke, die er alle, darf ich sagen: liebt?

Es ist bei ihm eher wie bei den großen Schauenden, die

ihre Sätze auch aus dem Vorbeifließenden bilden können.

Nach außen hin Wohlfühlregion Nr. 1, der See, das

Land, die Nähe der Berge, für die meisten nun ein Tummel-

platz für Aktivitäten im Outdoorsegment. Walser ist selbst

Ski gefahren, hat Tennis gespielt und all das getan, was der

sogenannte „Bürger“, der es sich leisten kann, schwamm

und schwimmt in diesem See wie kein anderer. Und lebte

und atmete wie die anderen. Der Schmerz und die Sehn-

sucht kommen aber in den Wohlfühlstatistiken nicht vor.

Das erscheint dann in Walsers Büchern und Sätzen.

Aus dem See, vordem ein Zentrum, wurde eine Grenz-

region. Aber nicht in der Sprache. Martin Walser ist der

erste unserer Sprachmenschen. Für Sprachmenschen,

aber nur für die, ist es ein Schmerz, wenn der Sprache, die

gesprochen und gesungen wurde von den lebendigsten

Menschen unseres Lebens, das ist im Fall unseres Geburts-

tagskindes seine Mutter, Leides geschieht. Unsere Mutter-

sprache vielleicht schon untergegangen ist. Sodass es wohl

süßer Schall und Klang und Gesang ist, wenn wir unsere

ersten Menschen da erinnerungsweise sprechen hören.

Page 20: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

161160

Walser ist unsere erste Sprachschmerzinstanz. Und macht

aus seiner Erinnerung eine schmerzhafte, nein: schmerz-

reiche Gegenwart.

Über den Verlust jener Sprache, der Sprache der Mut-

ter, der Muttersprache, hat Walser Bücher geschrieben. Sie

aufleben lassen. Und sie schreibend wiedergewonnen, be-

reichert und gefüllt. Darum geht es auch von Heimatkunde

an in manchem Essay. Und in seinem Springenden Brunnen

hat Walser ihr ein bleibendes Denkmal gesetzt. Seine Spra-

che liebe ich. Und auch in Walsers Welt kann ich mich

hineinversetzen. Noch in meiner Volksschule, wo auch

mir vier Jahre lang zusammen mit sämtlichen Schülern

in einem einzigen Raum von einem einzigen Lehrer etwas

Lesen und Schreiben, Dazuzählen und Abziehen beige-

bracht wurde, gab es, wie schon in Wasserburg: Heimat-

kunde. Als Walsers schönnamige Heimatkunde erschien,

gab es noch keine sogenannten „Umgehungsstraßen“. Da

war ich, vom Hochland über dem See hinter Stockach, auf

Ministrantenausflug und mit dem Kirchenchor (die Aus-

flüge wurden zusammengelegt, weil sonst der Bus nicht

voll wurde) den ganzen See entlang durch Nußdorf und

Wasserburg unterwegs bis nach Damüls. Und gleich hinter

dem Schwackenreuter Wäldchen staunten wir über die

Größe der Welt.

Hochdeutsch gab es da noch lange nicht. Unten am See

wurden wir für Waldmenschen gehalten. Als wir damals

mit dem Bus unterwegs nach Damüls waren, und noch

durch ganz Überlingen und dann Nußdorf fuhren, um de Ranke a S’Walsers Haus vebei, wusste ich noch nichts von

diesem Geburtstagskind, und schon gar nicht, dass Martin

und Käthe da gerade in ein Haus eingezogen waren, das

mir zu einem der liebsten wurde. Und dass in diesem nun

so berühmten Haus sie vielleicht gerade beim Morgenes-

sen waren oder auch noch schliefen, denn wir waren sehr

früh aufgebrochen.

In jener Zeit, da „das Heu noch nach der Liebe des Him-

mels zur Erde roch“, fuhren wir also an Martin Walsers

Lebenssee vorbei. Und auf der Fensterseite das Walserhaus,

und dann die Birnau. Es war vielleicht 1968, am 14. Mai.

Da lese ich im Tagebuch: „Besuch von Tina Sinatra und

Micha Pfleghar“. Als ich, gar nicht lange her, das Geburts-

tagskind nach den Vermissten seines Lebens fragte, nannte

es mir diesen Namen, Michael Pfleghar, aus der Morgen-

frühe von Walsers Leben als Pionier beim neugegründeten

SDR. Und Helmut Jedele nannte er mir da auch noch.

Weiß nicht, welcher berühmte Journalist der vergan-

genen fünfzig Jahre nicht in Nußdorf gewesen wäre. Frei-

lich auch Freunde darunter. Und solche, die zu dem

wurden, was man der Einfachheit halber „Freunde“ nennt.

Und dann zum ersten Mal die Berge, die wir auch von Rast

aus sahen. Zu guter Letzt Damüls, das Walserdorf, noch

unversehrt. Und ich dachte mir, wie schön etwas sein

könnte, das nicht vergeht.

Ganz bestimmt unter den Vermisstesten unseres Ge-

burtstagskindes ist Michael Felder, der schon als Kind Fe-

rien bei den Walsers gemacht hat. Dann Priester geworden.

In der schönsten Bibliothek der Welt, das ist für mich

Schussenried, hat er, der auch Musiker war, nach der Buch-

präsentation von Muttersohn noch auf dem Flügel gespielt,

und ich hörte es auch. Starb nach einer Bergmesse am Mat-

terhorn, im Pfarrhaus von Zermatt, kaum über vierzig

Jahre alt. Als Theologieprofessor hat Felder auch Martin

Walser einen Weg gezeigt, der bis nach Rom führte. Und in

die Mitte von Walsers Büchern, spätestens seit Mein Jenseits.

Page 21: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

163162

Welt. Nicht Provinz. Walsers Schreiben ist ein großes Jasa-

gen. Jeder hat eine Wunde, aus der es weiterblutet, die bei

einem Dichter wie Walser zur Sprache geworden ist. Aus

dem Wort „Nein“ entsteht kein Werk von diesem Format.

Sagt Einer Nein, muss er nicht schreiben.

Bei Walsers Schreiben ist ein Wesentliches sein Rüh-

men. Auch Sportlern wie Boris Becker, Gestaltern der Po-

litik wie Erwin Teufel, den Martin Walser überaus schätzt,

und dem Vater des Euro, Theo Waigel, den wir einmal ge-

meinsam besucht haben, hat er ganze Seiten gewidmet.

Fasziniert vom tatsächlichen Glücken und dem Erfolg im

Leben von Tag zu Tag: Und selbst Angela Merkel gehört

zum Kreis der Bewunderten. Über andere schrieb er ganze

Seiten im Wirtschaftsteil der FAZ, so über den langjähri-

gen Chef von Aesculap, Michael Ungethüm aus Tuttlin-

gen, der Stadt des Heilens, und von Johann Peter Hebels

Kannitverstan.

In Walsers Romanen sind es aber oftmals jene, die „es“

nicht geschafft haben, sich im Leben zu behaupten. Es

glückt Walser aufs Schönste, das Scheitern und den

Schmerz zur Sprache zu bringen. Er würde es für Zeitver-

schwendung halten, sich zu etwas zu äußern, was ihn

nicht bewegt.

In Walsers Lebensroman des Andreas Beck las ich: „Kein

Buch, dessen Held nichts Schreckliches mitmacht, ist

schön. Kein Buch, bei dem das Schreckliche schließlich

triumphiert, ist schön.“ Die schönste Eigenschaft von Mar-

tin Walser als Leser ist wohl sein Rühmungsvermögen. Das

macht ihm so leicht keiner nach. Und schreibend zeigt er

ihnen und uns dann den Meister. Wie vielen Kollegen er

weitergeholfen hat? Es sind mehr, als ich wissen kann. Von

den drei Marien weiß ich aber. Und auch von Ambramo-

witsch bis Andreas Beck. Niemals zu vergessen: Bruno

Epple. Und ich denke nun daran, wie schön es ist, im Leben

einem solchen Martin begegnet zu sein, der als Virtuose

des Rühmens seinen Schreib-Mantel über uns gehalten

hat. Und gerade mich. So etwas vergisst man nicht. Sodass

es zum Vergelt’s Gott!-Sagen ist. Mögen die Anderen von ih-

rem Glück sprechen.

In Mein Jenseits wie auch im übergeordneten Roman

Muttersohn, in das Mein Jenseits eingegangen ist, nimmt

Walsers Erzählen die schönste Richtung: die Himmelsrich-

tung. Da geht es um einen Menschen und Psychiater na-

mens „Feinlein“, der das Heilige vor dem Zugriff einer

utilitaristischen Welt, deren Epizentrum die Anstaltswelt

von Scherblingen ist, retten möchte: die Heiligblutreli-

quie. Und dafür für verrückt erklärt wird zu Beginn des

3. Jahrtausends. Heiligblutreliquie und Schutzmantelma-

donna: Mit solchen Wörtern kann der funktionierende

Mensch nichts mehr anfangen. Das Weltbild der Stiftung

Warentest, der Mensch als Verbraucher. Vom Sehnsuchts-

schmerz zu Fit for Fun. Der Utilitarismus, selbst beim Hei-

len, bei den Heilungsversuchen der vom herrschenden

Mainstream sogenannten „psychisch Kranken“, scheint

die Signatur unserer Zeit zu sein: Das Heilige ist in die

Psychopathologie verwiesen. Aber Walsers Professor Fein-

lein ist ein wunderbarer Rettungsversuch ins Glück der

Literatur. Am Jenseits mag ein utilitaristischer Psychiater

scheitern, nicht aber dieser Held namens „Feinlein“. Und

schon gar nicht scheitert der Schriftsteller mit seinen Sät-

zen und seiner Sprache. Doch der Unglaube ist auch ein

Glaube. Wie Walser sagt, ist der Glaube aber schöner.

In Kreuzlingen und anderswo am See gibt es ja nun

sogenannte „psychiatrische“ und auch „Herzzentren“. Mir

Page 22: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

165164

fällt aber beim Wort „Herzzentrum“ immer als Erstes die

Sprache Martin Walsers ein. Mich schmerzt dein Schmerz.

Das ist wohl der cantus firmus: die durchgehaltene Stimme

oder, darf ich das sagen: der Walserton.

„Ich gebe den Schmerz nicht her, weil ich sonst das

Göttliche hergeben müsste.“ Dieser Satz von Adalbert Stif-

ter, der jener war, mit dem Walser aus dem Zweiten Welt-

krieg zurückkehrte nach Wasserburg, passt wie ein

Gefährte zum Leben und Schreiben unseres Geburtstags-

kindes. Walser las Stifter im Eisstadion von Garmisch als

Kriegsgefangener. So kehrte er aus dem Krieg zurück. Wal-

sers Kronzeuge des Schmerzes im 20. Jahrhundert ist

Kafka. Und dann schrieb er selbst. Und Walser wurde zu

Walser. Von da ist es ein Weites, vom Lesen und Schreiben

ganz für sich allein im Stillen zu dieser Öffentlichkeit, die

ihn feiert.

„Oh, dass ich einsam ward, so früh am Tage schon.“ Da

hat Einer einen Leidensvorsprung. So ist es bei jenem Ge-

burtstagskind, das ich meine. Und am meisten wird das

schreibweise und satzweise konkret: eine Wunde, aus der

es weiterblutet. Keine Schmerzroutine, sondern Vergegen-

wärtigung. Das sang er dann so, wie der Stromableser Karl

Erb aus Ravensburg „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“

sang, so steht es in Walsers Ein springender Brunnen.

Kann man sich vorstellen, dass er die Restauration

übernommen hätte? Walser hat es auf seine Weise aber

doch getan, so wie der Stromableser Karl Erb die Herzen

erwärmen konnte, hat auch der Kohlenausfahrer etwas

ins Haus gebracht. Ja, so etwas wie Lebensmittel. Kohle

und Strom und Bücher gehören nicht nur dazu, sie gehö-

ren ins Herzzentrum des Lebens. Und: „Wenn du es begrif-

fen hast, ist es nicht Gott.“

Gerade las ich zu Füßen des schönen, schönnamigen Kili-

mandscharo, dessen Menschen nach dem Welt-Glück-

Bericht 2017 am unglücklichsten sein sollen, in Statt etwas oder Der letzte Rank: „Die Welt will alles sein, aber nicht

sinnlos.“ Dann Konstanz, vor ein paar Tagen: In scharfer

Form wandte sich Walser gegen die Belletristik: „Das ist

da, wo man Tee trinkt, und dann kommt die Polizei“ und

nannte in diesem Zusammenhang seine Ehen in Philipps­burg zur Verteidigung seiner Gegenwart. Und das wäre ja

auch gar nicht nötig gewesen in der Eintracht der Dreifal-

tigkeitskirche zu Konstanz. Dass es etwas Großes war, Der letzte Rank, vernahmen wir auch so. Ob Roman oder nicht.

Rank: Das Wort aus der Muttersprache verweist ins

Herz. Rank: Eine Kurve ist nichts dagegen. Auf dem Weg

zur Lesung von Statt etwas oder Der letzte Rank in der über-

füllten Dreifaltigkeitskirche zu Konstanz sah ich Einen

hinaufgehen, ganz allein, als der einsamste Mensch, den

es in diesem Augenblick auf der Welt gab und gibt. Aber

nicht wie ein Schauspieler. Sondern so, wie ich es auf der

Stele für Paracelsus in seinem Geburtsort Kloster Einsie-

deln las: „Allein, und fremd und anders“, Satz aus einem

Leben. Und wenn uns der Roman über etwas informieren

möchte, dann darüber, dass der „Schmerz der Grund-Riss

des Seins“ ist.

Nicht dass er die Leute nicht gewöhnt wäre, d’ Leit – von

der Restauration an. Aber das Fremdeln, wie es Kindern

zugesprochen wird, mag bei ihm der erste Eindruck vor

jedem öffentlichen Auftritt und Kontakt sein.

Wenn er hereinkommt, habe ich jedes Mal die Empfin-

dung, hier komme der einsamste Mensch auf der Welt. So

ist es ja vielleicht auch. Gewissermaßen der Stellvertreter

unserer Einsamkeit. Vom Einsamen ist es laut Robert

Page 23: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

167166

Walser „ungewiss, ob er sitzt oder steht“. Aber gerade

dann ist es gerade der, auf den wir gewartet hatten, um

wie einst sagen zu können: „Jetzt sind wir vollzählig.“

Dann schaut er in die Welt, als wäre er ein anderer. Nicht

wie die anderen. Eher so, als wäre er in diesem Augenblick

der einzige Mensch auf der Welt und ist er ja auch, wie

jene Frau in Kafkas Galerie.

Bei allem Trubel und aller Präsenz: Da steht er dann

und schaut erst einmal in den Saal hinein, als wäre es ins

Nichts, aber ein solches Nichts, wo alles und nichts zusam-

menfallen. Immer mit einem Anflug von Schwermut. In

der überfüllten Kirche ganz allein. Und mit einem Gesicht

wie beim Hören von Bruckners Dritter in Walsers Meister-

werk Meßmers Gedanken. Aber dann!

So sehen wir ihn ein Leben lang hereinkommen. Aber

mit den eingenähten Wörtern seines Wamses und Lebens,

bei Pascal war es das Wort „Feuer“.

In seinen Büchern, die er, und kein anderer, geschrie-

ben hat, fand ich, einer der selbst schreibt und liest, Ei-

nen, dem es schreibend glückte, trotz allem Ja zu sagen.

Und das ist doch das Entscheidende und das Schönste, was

man als Lebender und Lesender und Schreibender sagen

kann.

Wie schön es sein kann zu danken, auch dafür, zeigt

die Ausgabe, die Heribert Tenschert uns zu Walsers Ge-

burtstag schenkt. Und gerade hier ist das Wort „atemrau-

bend“ das naheliegendste. Das ist ein Lieblingswort

Walsers, im Rank kommt es viermal vor. Einmal sagte ich

„atemberaubend“. Welche Enttäuschung: Jetzt sagst auch

du so. Es heißt aber „atemraubend“! Diesen Dank, mit

dem Heribert Tenschert, der ja als Leser zu Walser kam,

seinem Freund aufwartet, kann nicht jeder bringen. Der

gewöhnliche Walserfreund wird einem wie ihm vielleicht

am besten danken, indem man ihn liest.

Zum Schönsten beim Schreiben eines Buches gehört

doch, dorthin zu gelangen, wo einer noch nie gewesen ist

oder niemals hinkommen wird.

„Die Sprache, dachte Johann, ist ein springender Brun-

nen.“ Ich dachte dies auch. Walser schreibt wahrschein-

lich für solche, die den Schmerz, der sich einstellt im

Leben, niemals zur Routine werden lassen können, denen

alles wie am ersten Tag ist. Er ist tausendfach fotografiert,

zusammen mit dem Bodensee, als wären sie eins.

Dass das Leben schön ist, und schön sein könnte, auch

das weiß ich von Martin Walser. Trotz allem. Wo das eine

Glück mit dem einen Schmerz verschmolzen ist, den man

singen kann. Das ist die Sprache von Martin Walser. Wie

schön es sein kann, Ja zu sagen. Selbst noch zum Schmerz,

der hätte leicht zu einem Nein werden können. Wenn et-

was nichts als schön ist, dann fehlt ihm das Entschei-

dende: jener Hoffnungsschmerz, der aus uns ein Ganzes

macht.

Siegmund Kopitzki, dem wir auch das Walserfest von

Überlingen als Anreger und Organisator verdanken, hat

mich ja damals, vor über 25 Jahren nach Überlingen mit-

genommen, wo Walser aus der Verteidigung der Kindheit las,

als wäre es ein Präludium gewesen. Nachher nahm uns

Walser nach Nußdorf mit. Und seither ist die Welt eine

andere.

Martin Walser war ein Kind, das das Glück hatte, einen

solchen Vater zu haben, der ihm, statt etwas (anderem),

einen Wörterbaum errichtete, der bis zum heutigen Tag

seine Früchte trägt, und ich möchte aus Psalm 1 ergänzen:

UT PALMA FLOREBIT. Er wird wie ein Palmbaum blühen.

Page 24: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

168

Eines der Bücher, die Walser noch schreiben wird, könnte

von da auch „Ein blühender Mann“ heißen.

Als Kinder haben wir unseren ersten Menschen einst

so gratuliert, wie ich es auch diesem Martin, und keinem

anderen, nun tun möchte. Also nicht „Happy Birthday“.

Sondern wie in jener Zeit, damals, einst, als ich auf Minis-

trantenausflug unterwegs und durch Nußdorf den Ranken

hinauf zur Birnau nahm: Li­ebe Mardtin! I gradelierder zum Gebordtsdag, dassde lang lebbeschd, gsund bliibschd und in Himml kunschd! Aber bis dahin noch viele schöne Sonnen-

umrundungen. Und von Sankt Gallen her, dem Wasser-

burg ja über die Jahrtausende und die Zeiten zugehörte,

kommt noch ein: MULTOS AD ANNOS FELICITER.

Anhang

Page 25: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

187186

Die Herausgeber

Der Schriftsteller und Journalist WOLFGANG HERLES wurde 1950 in Tittling bei Passau geboren und ist in Lindau am Boden-see aufgewachsen. Er studierte Literaturwissenschaften, Ge-schichte und Psychologie in München, absolvierte dort die Deut-sche Journalistenschule und wurde mit einer Arbeit über den „Beziehungswandel zwischen Mensch und Natur“ in der zeitge-nössischen Literatur promoviert. Vierzig Jahre lang, zunächst beim Bayerischen Rundfunk, dann beim ZDF, moderierte Herles Magazine, Talkshows und zuletzt die Literatursendung Das Blaue Sofa. Als Autor und Regisseur gestaltete er Dutzende Dokumen-tationen. Er porträtierte Persönlichkeiten wie Bill Gates und Jo-seph Ratzinger, in mehrteiligen politischen Reisereportagen auch den Atlantik und den Pazifik. Als Redaktionsleiter verant-wortete er u. a. zehn Jahre lang das Kulturmagazin aspekte und das Studio Bonn. Herles schrieb fünf gesellschaftskritische Ro-mane, zuletzt Susanna im Bade (S. Fischer 2014), sowie zahlreiche politische Sachbücher. Er lebt in München und Berlin.

SIEGMUND KOPITZKI wurde 1951 in Lauenburg/Polen geboren. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Politik ar-beitete er als Lehrer, danach als freier Journalist. Von 1985 bis Sommer 2017 war er als Redakteur beim Medienhaus Südkurier tätig. Verschiedene Beiträge in Büchern, Katalogen und Lexika. Eigene Buchveröffentlichungen, zuletzt gemeinsam mit Wal-traut Liebl Die Gans ist noch nicht gebraten. Ein Lesebuch zum Kons­tanzer Konzil (2014) und Rilke in Konstanz (2015). Kopitzki ist Mit-glied in der Jury des Alemannischen Literaturpreises sowie des Bodensee-Literaturpreises der Stadt Überlingen.

Die Beiträger

PET ER BLICK LE, geb. 1961 in Ravensburg, aufgewachsen im oberschwäbischen Wilhelmsdorf, Studium der Medizin, Altspra-chen und Germanistik, Professor für deutschsprachige Literatur und Gender and Women’s Studies an der Western Michigan University in Kalamazoo/USA. Mitherausgeber des fünfbändi-gen Gesamtwerkes von Maria Beig. Verfasser verschiedener Romane, zuletzt Die Grammatik der Männer (2014), und wissen-schaftlicher Monografien (u. a. Maria Beig und die Kunst der schein­baren Kunstlosigkeit). Ausgezeichnet mit dem Michigan Gover-nor’s Award. Preisträger beim Irseer Pegasus. Mitglied im PEN International.

A N TON PHILIPP K NIT TEL , geb. 1961 in Meßkirch, aufgewach-sen in Leibertingen, Studium der Germanistik und Katholischen Theologie in Tübingen und in Wien. Nach Stationen als wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Geistes- und Sozialwissenschaftli-chen Forschungszentrum der Universität Tübingen, als Assistent am Deutschen Seminar der Universität Tübingen und als Persön-licher Referent des Rektors der Universität Konstanz sowie als Wissenschaftlicher Angestellter am Kleist-Archiv Sembdner der Stadt Heilbronn derzeit Stellvertretender Pressesprecher der Stadt Heilbronn. Publikationen u. a.: Erzählte Bilder der Gewalt. Die Stellung der „Ästhetik des Widerstands“ im Prosawerk von Peter Weiss. Kons tanz 1996; Zwischen Idylle und Tabu. Die Autobiographien von Carl Gustav Carus, Wilhelm von Kügelgen und Ludwig Richter. Dresden 2003 (= Diss.). Mitherausgeber einer zweibändigen Edition der Briefe, Tagebücher und Reiseschriften Wilhelm von Kügelgens (1994, 1995; 2. Aufl. 1996) sowie mehrerer Publikationen zu Hein-rich von Kleist, zuletzt zusammen mit Inka Kording Heinrich von Kleist. Neue Wege der Forschung. Darmstadt 2003, 2. Aufl. 2009; Herausgeber des Bandes Unterhaltender Prediger und gelehrter Stoff­lieferant – Abraham a Sancta Clara (1644 –1709) – Beiträge eines Sympo­sions anlässlich seines 300. Todestages, Eggingen 2012; zahlreiche Beiträge zur Literatur des 17. bis 21. Jahrhunderts.

Page 26: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

189188

JÖRG M AGENAU, geb. 1961 in Ludwigsburg, studierte Philoso-phie und Germanistik an der FU Berlin. Als Literaturkritiker und freier Autor arbeitet er u. a. für den Deutschlandfunk Kultur und die Süddeutsche Zeitung. Er schrieb mehrere Biografien, darunter Martin Walser. Eine Biographie (Rowohlt, 2008). Zuletzt erschien von ihm Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47 (Klett-Cotta, 2016). Im Februar 2018 erschien Bestseller. Bücher, die wir liebten und was sie über uns verraten (Hoffmann und Campe).

A NDR EAS MEIER promovierte 1988 über Faustlibretti – Geschichte des Fauststoffs auf der europäischen Musikbühne und veröffentlichte danach mehrere Editionen zur Geschichte des deutschen Liedes, u. a. in der Reihe Das Erbe deutscher Musik. Seine Habilitation wid-mete er 1997 dem Goethe-Schwager und Erfinder der deutschen Trivialliteratur Vulpius: Christian August Vulpius in seiner Korres­pondenz mit Goethe und anderen Zeitgenossen. Seit 2004 als außeror-dentlicher Professor an der Bergischen Universität Wuppertal tätig, liegen seine Arbeitsschwerpunkte im Bereich der Kultur der Goethezeit, Literatur der Klassischen Moderne und der Ge-genwartsliteratur. Er ist Leiter der Else Lasker-Schüler-Arbeits-stelle sowie Herausgeber des Martin Walser­Werkverzeichnisses (Berlin 2016) und der Martin Walser­Gesamtausgabe letzter Hand (Bibermühle 2017).

STEFA N NEUH AUS, geb. 1965. Studium der Germanistik in Bam-berg und Leeds. 1996 Promotion, 2001 Habilitation, 2005 Ehren-doktorwürde der Universität Göteborg. Professuren an den Uni-versitäten Oldenburg und Innsbruck. Seit 2012 Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Koblenz-Landau, Standort Koblenz. Monografien in Auswahl: Freiheit, Ungleichheit, Selbstsucht? Fontane und Großbritannien (1996); Das verschwiegene Werk. Erich Kästners Mitarbeit an Theaterstücken unter Pseudonym (2000); Literatur und nationale Einheit in Deutschland (2002); Das Spiel mit dem Leser. Wilhelm Hauff: Werk und Wirkung (2002); Sexualität im Diskurs der Literatur (2002); Literaturkritik (2004); Martin Walsers Roman „Tod eines Kritikers“ und seine Vorgeschichte(n) (2004); Litera­turvermittlung (2009); Märchen (2. Aufl. 2017); Grundriss der Litera­

turwissenschaft (5. Aufl. 2017); Grundriss der Neueren deutschsprachi­gen Literaturgeschichte (2017). Zahlreiche (Mit-)Herausgeberschaften z. B. der Werke Ernst Tollers (seit 2015 im Wallstein-Verlag Göt-tingen) oder verschiedener Reihen, etwa Studien zu Literatur und Film der Gegenwart im Tectum-Verlag Marburg und, gemeinsam mit Oliver Jahraus, Film – Medium – Diskurs bei Königshausen & Neumann, Würzburg.

A R NOLD STA DLER, geb. 1954, ist ein Schriftstellerfreund von Martin Walser. Er studierte katholische Theologie in München, Rom und Freiburg, anschließend Literaturwissenschaft in Frei-burg, Bonn und Köln. Promotion. Seit 2000 lebt Arnold Stadler in Sallahn/Wendland und vom ersten Tag an in seinem Elternhaus, einem Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert, in Rast über Meß-kirch. Er erhielt zahlreiche bedeutende Literaturpreise, darunter den Georg-Büchner-Preis und den Johann-Peter-Hebel-Preis. Zu-letzt erschienen Komm, gehen wir, Salvatore, Einmal auf der Welt. Und dann so, New York machen wir das nächste Mal und Rauschzeit. Stadlers Geburtstagsstrauß „Das Leben ist schön“ ist am 24. 3. 2017 in einer stark gekürzten Fassung im SÜDKURIER (Konstanz) er-schienen.

Page 27: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

191190

Dank

Der Südverlag dankt den Herausgebern, Herrn Dr. Wolfgang Herles und Herrn Siegmund Kopitzki, für ihr würdiges Vorwort. Ein besonderer Dank gilt Herrn Siegmund Kopitzki eigens für seinen unermüdlichen Einsatz für dieses Buchprojekt.

Herzlicher Dank geht an die geschätzten Beiträger für ihre pro-funden Texte – in alphabetischer Reihenfolge: Herrn Prof. Dr. Peter Blickle, Herrn Dr. Anton Philipp Knittel, Herrn Jörg Magenau, Herrn Prof. Dr. Andreas Meier, Herrn Prof. Dr. Stefan Neuhaus, Herrn Dr. Dr. h. c. Arnold Stadler.

Der Südverlag dankt den folgenden Damen und Herren sowie Institutionen herzlich für die finanzielle Unterstützung zur Drucklegung dieses Buchprojektes:Herrn Dr. Michael Brunner (Kulturamt Überlingen), Herrn Oswald Burger (Forum Allmende), Frau Elke Gross (Gailingen),Herrn Frank Hämmerle (Landratsamt Konstanz), Herrn Franz Hoben (Kulturbüro Friedrichshafen), Herrn Dr. Claus-Wilhelm Hoffmann (Literaturstiftung Ober-schwaben), Herrn Ewald Marquardt (Private Stiftung Ewald Marquardt, Rietheim-Weilheim), Herrn Frank Schädler (Amt für Bildung und Sport, Konstanz),Herrn Lothar Wölfle (Landratsamt Bodenseekreis, aus Mitteln der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke OEW).

Herzlich bedankt seien Frau Dorothea Cremer-Schacht und Frau Ariana Zustra sowie Herr Jörg Brode und Herr Siegmund Kopitzki für die freundliche Überlassung der Fotografien.

Page 28: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-87800-114-0

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche-rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© Südverlag GmbH, Konstanz 2018Umschlag, Layout, Satz und Seitengestaltung: Silke Nalbach, MannheimUmschlagabbildung: © Dorothea Cremer-Schacht, KonstanzDruck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Südverlag GmbHSchützenstr. 24, 78462 KonstanzTel. 07531-9053-0, Fax: 07531-9053-98www.suedverlag.de

Page 29: „Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache, hätte es mich nicht ......Martin Walser in der Dreifaltigkeitskirche Konstanz, März 2017. »Der erste unserer Sprachmenschen« Neue Einsichten

»Der erste unserer Sprach menschen«

Neue Einsichten zum Werk von Martin Walser

»Der

ers

te u

nser

er S

prac

h men

sche

n«N

eue

Ein

sich

ten

zu

m W

erk

von

Mar

tin

Wal

ser

WOL F G A N G H E R L E S S I E G M U N D KOPI T Z K I ( HG . )

HE

RL

ES

KO

PIT

ZK

I (H

G.)„Wenn du nicht gewesen wärst, Sprache,

hätte es mich nicht gegeben.“ MARTIN WALSER

Schreiben ist für Martin Walser, den Formulie-rungskünstler und Jahrhundertschriftsteller vom Bodensee, Lebensart. Das Schönste, was es für ihn gibt.

Fünf Walserversteher, Walsererklärer, Walserbewunderer widmen sich wortgewaltig und profund dem Leben und Schaffen dieses „ersten unserer Sprachmenschen“. Und Walser-freund Arnold Stadler, ausdruckssüchtig wie Walser selbst, feiert seinen Wahlverwandten mit einer poetischen Liebeserklärung.

Eine einzigartige Sammlung eindrucksvoller Texte, die Martin Walser, den unvergleich-lichen Sprachvirtuosen, geistreich wie berüh-rend ehren.