Ba Gua Nei Gong - Band 3

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Ba Gua Nei Gong - Band 3 - Zwölf Stehende Haltungen

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Ba Gua Nei Gong - Band 3 -

Zwölf Stehende Haltungen

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Tom Bisio

Ba Gua Nei Gong

Band 3

Zwölf Stehende Haltungen

übersetzt und herausgegeben von Wolfgang Schwalenberg

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Weder Autor, Verlag oder Herausgeber können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus dem Befolgen der Anweisungen oder dem Ausführen der Übungen dieses Buches resultieren könnten, Haftung übernehmen. Die in diesem Buch beschriebenen Aktivitäten, körperlich oder anderweitig, können für bestimmte Einzelpersonen zu anstrengend oder gefährlich sein. Vor dem Beginn jedweder in diesem Buch beschriebenen körperlichen Aktivitäten sollte der/die Leser/in einen Arzt zu seiner/ihrer Eignung zur Durchführung dieser Aktivitäten konsultieren.

© 2017 Tom Bisio Herausgeber: Wolfgang Schwalenberg Autor: Tom Bisio Umschlaggestaltung, Illustration: Wolfgang Schwalenberg Übersetzung: Wolfgang Schwalenberg Verlag: tredition GmbH, Hamburg 978-3-7439-0735-5 (Paperback) 978-3-7439-0736-2 (Hardcover) Printed in Germany Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-wertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Über-setzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deut-schen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Inhalt

Einleitung .................................................................................................... 11

Über das Nei Gong der Zwölf Stehenden Haltungen ........................ 16 Sinn und Zweck des Trainings von Zhan Zhuang ........................................... 16 Die vier fundamentalen Kräfte ausgleichen ...................................................... 17 Über das Üben der Zwölf Stehenden Haltungen .............................................. 18 Zhan Zhuang und die „Sehnenkraft“ ................................................................. 19

Die Zwölf Stehenden Haltungen ............................................................ 24 Die grundsätzliche Ausrichtung aller zwölf Haltungen .................................. 24

Haltung 1: San Ti Shi - 三體式 ............................................................................ 25

Haltung 2: Einhakender Schritt – Kou Bu - 釦步 ............................................... 30

Haltung 3: Schwingender Schritt – Bai Bu - 擺步 .............................................. 32

Haltung 4: Falkenschritt – Ying Bu - 鷹步 .......................................................... 35

Haltung 5: Sitzender Schritt – Zuo Bu - 坐步 ..................................................... 37

Haltung 6: Ruhender Schritt – Xie Bu - 歇步 ..................................................... 39

Haltung 7: Balanceschritt – Ping Heng Bu - 平衡步 .......................................... 41

Haltung 8: Einbeiniger Schritt – Du Li Bu - 獨立步 .......................................... 43

Haltung 9: Kauernder (Fallender) Schritt – Pu Bu - 仆步................................. 45

Haltung 10: Bogenschritt – Gong Bu - 弓步 ....................................................... 47

Haltung 11: Pferdeschritt – Ma Bu - 馬步 ........................................................... 49

Haltung 12: Leerer Schritt – Xu Bu - 虛步 .......................................................... 51

Das Verbinden der Zwölf Stehenden Haltungen................................ 56

Zhan Zhuang zum Einfachen Handwechsel......................................... 74

Haltung 1: San Ti Shi - 三體式 ............................................................................ 74

Haltung 2: Einhakender Schritt – Kou Bu - 釦步 ............................................... 75

Haltung 3: Den Mühlstein schiebende Hand - Tui Mo Zhang - 推磨掌 ........ 76

Seitenwechsel ......................................................................................................... 78

Die Zwölf Stehenden Haltungen und ihre Verbindung mit den Meridianen .................................................................................................. 84

Glossar für Ba Gua Nei Gong & Ba Gua Zhang ................................ 105

Über den Autor sowie den Herausgeber ............................................. 129

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Danksagung

Mein endloser Dank richtet sich an meine Ehefrau Valerie Ghent, die mir

stets als meiner Partnerin zur Seite steht, sowohl im Leben als auch beim Un-terrichten und Lernen. Sie hat mich auf nahezu allen meinen Reisen nach China begleitet und ihre Lebensfreude, Charme und Begeisterung haben Tü-ren geöffnet und meinen Geist davor bewahrt, ins Wanken zu geraten. Vale-ries laufende Zusammenarbeit mit mir an Büchern, Fotos, Videos und Arti-keln über Ba Gua Zhang, Xing Yi Quan, Nei Gong und daoistischen Praktiken ist unschätzbar. Sie hat einige der Aufnahmen für dieses Buch gemacht, hat mich beim Korrekturlesen und so vielen anderen kleinen Details unterstützt. Valerie, vielen Dank für deine Liebe und Unterstützung.

Vielen Dank an meine Schüler bei New York Internal Arts (NYIA), welche

mit viel Mühe und Sorgfalt an den von mir sowie den anderen NYIA-In-struktoren unterrichteten Materialien arbeiten. Ihr Feedback und ihre Hin-gabe haben die Gestaltung und den Inhalt dieses und der anderen Bücher der Ba Gua Nei Gong Serie maßgeblich beeinflusst.

Mein Dank geht auch an Huang Guo Qi dafür, ein wundervoller Freund

zu sein sowie seine Führungen und Übersetzungen auf so vielen Reisen nach China während der letzten 20 Jahre. Die Übersetzungen Huangs sowie seine Fähigkeit, Nachforschungen anzustellen und Antworten auf geheimnisvolle Fragen über Nei Gong und die Nei Jia zu finden, haben dieses Buch, sowie die meisten meiner vorangegangenen Bücher, erst möglich gemacht. Danke Huang, für deinen unermüdlichen Geist und dafür, dass Du immer für mich da bist.

Weiterhin möchte ich mich bei Finbar McGrath, Adam Wasserman, Thad

Wong, Michael Mulligan, Marcus DeGrazia, Wes Tasker und Howard Mor-haim für ihre Unterstützung beim Realisieren dieser Buchserie bedanken. Fin-bar hat viele der Aufnahmen gemacht und hat beim Korrekturlesen geholfen. Jeder der vorgenannten Herren hat entweder Entwürfe Korrektur gelesen, Feedback gegeben oder auf andere Weise zu diesem Buch und den anderen der Ba Gua Nei Gong Serie beigetragen. Ohne sie wäre die Veröffentlichung dieser Bücher außerordentlich schwierig gewesen.

Mein Dank geht ebenfalls an Mohammed Saïah für seine Hilfe bei der Er-

stellung und Betreuung der Webseite von Internal Arts International (IAI), wo einige dieser Materialien zum ersten Mal als Artikel veröffentlicht wurden.

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Die kontinuierliche Betreuung einer Webseite ist eine schwierige und oftmals undankbare Aufgabe; Mohammed jedoch hat seine treue und loyale Freund-schaft sowohl auf diesem als auch so vielen anderen Wegen bewiesen.

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Vorwort zur deutschen Ausgabe

Ba Gua Zhang ist eine Kunst von unergründlicher Tiefe, deren Geheim-nisse schwierig zu erfassen sind. Selbst nach 25 Jahren der Praxis habe ich immer noch das Gefühl, nur an der Oberfläche dieser tiefgründigen Kunst gekratzt zu haben.

Die Grundlagenübungen, internen Körperstrukturen und Methoden des

Nei Gong sind der Schlüssel zu wirklichen Errungenschaften im Ba Gua Zhang. Diese Elemente der Kunst müssen von Anfang an gründlich und prä-zise trainiert werden, mit dem Augenmerk auch auf die kleinsten Details. Kleine Fehler in den grundlegenden Übungen, Haltungen und Bewegungen führen zu größeren Fehlern in den Formen und Methoden. Der Körper muss sich nach und nach an die inneren Veränderungen anpassen, welche durch die Grundlagenübungen und das Nei Gong erzeugt werden. Ohne diese in-neren Veränderungen gibt es keine wirklichen Errungenschaften (kein Gong Fu) und ohne sie sind die Formen und Methoden nur leer.

Aus Erfahrung weiß ich, dass Fehler, welche in den frühen Phasen des

Trainings gemacht werden nur dadurch behoben werden können, wieder von vorne zu beginnen, zum Anfang zurückzukehren und die Grundlagenübun-gen intensiv den Regeln und Standards dieser Trainingsmethoden folgend zu trainieren.

Die sechs Bände der Ba Gua Nei Gong Serie wurden geschrieben, um Schü-

ler durch detaillierte Beschreibungen derjenigen Grundlagenübungen, wel-che für die Entwicklung von echten Fähigkeiten im Ba Gua Zhang entschei-dend sind, zu unterstützen. Es ist meine Hoffnung, dass diese Bücher den Lernprozess von jetzigen und künftigen Schülern des Ba Gua Zhang be-schleunigen und es ihnen hierdurch möglich wird, tief in diese Kunst einzu-tauchen.

Die deutschsprachige Ausgabe der Ba Gua Nei Gong Serie wurde gewis-

senhaft von Wolfgang Schwalenberg übersetzt. Wolfgang hat seine Heimat in Hamburg verlassen, um drei Jahre lang intensiv Xing Yi und Ba Gua in New York zu trainieren. Selten habe ich einen ernsthafteren und engagierteren Schüler getroffen. Niemand ist qualifizierter, diese Bücher für den deutschen Leser zu übersetzen. Ich bin von Wolfgangs Leidenschaft und Hingabe für die Kunst des Ba Gua Zhang sehr beeindruckt.

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Ich hoffe, dass Sie diese Bücher für ihr eigenes Training als hilfreich erach-ten, ganz gleich, welchen Stil des Ba Gua Zhang oder welche Kampfkunst Sie betreiben. Tom Bisio New York, im Dezember 2016

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Dieses Buch ist Wang Shi Tong gewidmet

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Einleitung

ieses Buch ist eines aus einer ganzen Reihe zum Thema Ba Gua Nei Gong. Eingebettet in die Kampfkunst Ba Gua Zhang ist ein komplet-tes System von inneren Übungen, welche Selbstheilung und Langle-

bigkeit fördern und das Bewusstsein wandeln. Ba Gua Nei Gong besteht aus neun kraftvollen und tiefgreifenden Methoden der inneren Arbeit und Selbst-kultivierung oder auf Chinesisch Nei Gong. Auch wenn diese Buchreihe eher als ergänzendes Begleitmaterial zum Unterricht gedacht ist, kann sie jedoch ebenso gut auch in Verbindung mit einem Online-Trainingskurs sowie als ei-genständiges Unterrichtsmaterial zum Selbststudium genutzt werden.

Die neun Methoden des Ba Gua Nei Gong erreichen ihren Höhepunkt in

den daoistischen Meditationspraktiken, welche dem gesamten System zu-grunde liegen. Es besteht eine gewisse Überschneidung zwischen den unter-schiedlichen Methoden. Zum Beispiel sind daoistische Meditationspraktiken ein Teil der Übungen zur Qi-Kultivierung und verschiedene Formen von Zhan Zhuang (Stehen wie ein Pfahl) werden in mehreren der neun Methoden verwendet. Dennoch hat jede Methode eine ihr eigene Qualität oder Ge-schmack und konzentriert sich auf die Entwicklung verschiedener innerer Fä-higkeiten und Qualitäten.

Die neun Methoden des Ba Gua Nei Gong sind: 1. Yin Yang-Leitbahnenmassage 2. Dao Yin Nei Gong – führende und lenkende Übungen zur Lebens-

pflege 3. Qi-Kultivierung und grundlegendes Stehen 4. Das Nei Gong der zwölf Stehenden Haltungen des Ba Gua 5. Ji Ben Nei Gong 6. Kreisgehen und Öffnen der Meridiane 7. Tian Gan (Himmlischer Stamm) Nei Gong 8. Nei Gong zur Waschung des Knochenmarks 9. Nei Gong der Rückkehr der goldenen Flüssigkeit zum Dantian und

daoistische Meditation

Obwohl man idealerweise diese neun Methoden in der angegebenen Rei-henfolge durcharbeitet, sozusagen als eine Folge von Stufen, so wählt der Leh-rer in der Praxis oftmals diejenige Trainingssequenz aus, welche für den indi-viduellen Schüler geeignet ist. Selbst wenn dem Verlauf dieser neun Stufen

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gefolgt wird, wird die Dauer, die jeder einzelne Schüler in den verschiedenen Phasen verweilt, variieren. Und um ehrlich zu sein, spielen Gelegenheit und Umstände auch oft eine Rolle, wo jemand beginnt. Oft übt ein Schüler meh-rere der Nei Gong-Methoden zur gleichen Zeit oder auch auf eine verbundene Art und Weise.

Diese neun Methoden können eigenständig als innere Übungen mit dem

Ziel geübt werden, die Gesundheit zu fördern und das Leben zu pflegen. Den-noch sind sie ebenfalls direkt mit den kämpferischen Methoden des Ba Gua Zhang und auch den daoistischen Übungen der inneren Alchemie verbunden. Die Übung des Ba Gua Nei Gong liefert in verschiedenen Phasen des Trai-nings den Schlüssel zu den Grundlagen der kämpferischen Methoden des Ba Gua. Zum Beispiel beinhalten die ersten sechs Übungen in der o.g. Liste ei-gentlich das Grundlagenlevel des Kampftrainings und das Tian Gan Nei Gong wird üblicherweise zusammen mit den Lao Ba Zhang (den acht alten Händen) gelehrt, welche das Herz der Wechsel und Techniken des Ba Gua Zhang darstellen. Die Nei Gong-Übungen stellen zudem eine Balance und ei-nen Kontrast zu den Kampfübungen dar, in dem sie den Körper harmonisie-ren und beruhigen und der Schüler daran erinnert wird, Leere, Stille und in-nere Verbundenheit an Stelle bloßer aggressiver Körperkraft zu nutzen.

Die gesamte Praxis des Ba Gua Nei Gong wird in den folgenden acht Bü-

chern dargestellt: 1. Ba Gua Nei Gong Band 1: Yin Yang-Leitbahnenmassage & Dao Yin-

Übungen 2. Ba Gua Nei Gong Band 2: Übungen zur Qi-Kultivierung & Stehende

Meditation 3. Ba Gua Nei Gong Band 3: Zwölf Stehende Haltungen 4. Ba Gua Nei Gong Band 4: Ji Ben Gong – Grundlagentraining für den

Körper 5. Ba Gua Nei Gong Band 5: Tian Gan Nei Gong 6. Ba Gua Nei Gong Band 6: Nei Gong zur Waschung des Knochenmarks 7. Ba Gua Circle Walking Nei Gong: The Meridian Opening Palms of Ba

Gua Zhang 8. Decoding The Dao: Nine Lessons in Daoist Meditation

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Das Nei Gong der Zwölf Stehenden Haltungen des Ba Gua Ba Gua Zhang ist bekannt für das Gehen im Kreis, die schnelle Fußarbeit

und die rasanten Wechsel der Haltungen und Hände. Allerdings ist ein wich-tiger und wesentlicher Teil der Trainingsmethodik des Ba Gua die Übung von stehenden Haltungen. Zhan Zhuang, wörtlich „Pfahlstehen“ oder „Stehen wie ein Pfosten“, stellt ein ausgewogenes Gegengewicht zu den bewegten Ding Shi-Haltungen sowie den acht grundlegenden Handwechseln dar.

In diesem Buch werden die dem Ba Gua eigenen Zwölf Stehenden Haltun-

gen vorgestellt. Im Gegensatz zur grundlegenden Standpraxis, bei welcher das Körpergewicht ausgewogen auf beiden Beinen ruht, sind diese zwölf Hal-tungen ein Mix aus Beinstellungen mit nach hinten oder vorne verlagertem Körpergewicht sowie einbeinigen Stellungen. Diese Haltungen, oder „Stel-lungen“, sind in gewisser Hinsicht eingefrorene Momente des Bewegungs-übergangs von einer Haltung zur nächsten. Durch das Halten eines solchen Moments – in welchem sich der Körperschwerpunkt gerade noch bewegt hat und nun kurz davor ist, sich erneut in Bewegung zu versetzen – hat man Zeit, die inneren Dynamiken eines Bewegungsabschnitts wahrzunehmen. Gleich-zeitig kann man auch die innere energetische Konfiguration dieses bestimm-ten Moments erfühlen. Äußerlich lernt man, „Stellungen“ zu halten und stimmt sich auf die spiralförmigen Kraftkonfigurationen ein, die diese Stel-lungen beinhalten. Das Halten der zwölf Stände stärkt den Körper und ver-bessert bedeutend die bewegte Übungspraxis, welche später folgt.

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Über das Nei Gong

der zwölf Stehenden Haltungen

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Über das Nei Gong der Zwölf Stehenden Haltungen Ba Gua Zhang Shi Er Shi Zhan Zhuang 八卦十二式站桩

in für das Training in den inneren Kampfkünsten elementares Prinzip ist es, dass Yin und Yang ausgewogen sein sollen. Ein Aspekt dieses Prinzips ist, dass das Training sowohl Yang in Form von aktiver Bewe-

gung (Dong 动) als auch Yin in Form von ruhiger oder stiller Bewegung (Jing

静) beinhaltet. Jing wird oftmals als „Stille“ beschrieben, dennoch ist man tat-

sächlich beim Training des Jing – sei es nun in den Stehenden Haltungen oder während der sitzenden Meditation – nicht gänzlich still. Äußerlich erscheint man still, während im Inneren eine verborgene Bewegung wirkt, die nicht ge-sehen, aber gefühlt werden kann.

Sinn und Zweck des Trainings von Zhan Zhuang

Ba Gua Zhang ist bekannt für das Gehen im Kreis, die schnelle Fußarbeit

und die rasanten Wechsel der Haltungen und Hände. Allerdings ist ein wich-tiger und wesentlicher Teil der Trainingsmethodik des Ba Gua die Übung von stehenden Haltungen. Zhan Zhuang, wörtlich „Pfahlstehen“ oder „Stehen wie ein Pfosten“, stellt ein ausgewogenes Gegengewicht zu den bewegten Ding Shi-Haltungen sowie den acht grundlegenden Handwechseln dar. Zhan 站 be-

deutet „stehen“, „stehenbleiben“ oder „anhalten“. Zhuang 桩 bedeutet „Pfos-

ten“, „Pfahl“ oder „Pflock“. Daher wird Zhan Zhuang üblicherweise als „Pfahlstehen“, „Stehen wie ein Pfosten“ , „stehender Pflock“ oder auch „Ste-hende Säule“ übersetzt.

Zhan Zhuang ist eine wichtige Methode, um die natürlichen inneren Bewe-

gungen des Körpers sowie die innere Zirkulation von Qi und Atem zu spüren und sich mit diesen zu verbinden. Diese Übung ist ein Schlüsselelement für die Entwicklung kämpferischer Fähigkeiten in den inneren Kampfkünsten. Durch das Erfühlen des Zwischenspiels von Stille und Bewegung im eigenen Körper – da, wo Bewegung entsteht und aufhört; die Stille im Bewegungs-zentrum und die Bewegung in der Stille – wird es möglich, die gleichen Ver-änderungen im Gegner zu spüren und dadurch seine oder ihre Intention zu lesen.

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Viele Meister beschreiben Zhan Zhuang als „Stehen wie ein Baum“. Der Kopf und die Arme sind wie die Äste und Zweige dieses Baumes. Der Rumpf ist wie der Baumstamm, die Füße und Beine wie die Wurzeln, welche in den Boden gehen. Dies ist ein sehr nützliches Bild, welches Ihnen helfen kann, sich beim Stehen zu entspannen. Ein Baum benötigt keine Muskelkraft, um seine Äste nach oben zur Sonne zu heben oder seine Wurzeln tief in der Erde zu versenken. All dies geschieht natürlich und aufwandslos. In ähnlicher Weise nutzen wir die natürliche Architektur des Körpers, um die Stehenden Haltun-gen zu halten.

Durch Zhan Zhuang werden Balance und eine feste Verwurzelung entwi-

ckelt, in dem gegensätzliche aber ausgewogene und einander ergänzende in-nere Kräfte erzeugt werden. Die Ausrichtung von Kopf, Rumpf, Armen und Beinen passt sich bestimmten Mustern an. Sind diese Körpermuster äußerlich korrekt und werden sie mit konzentrierter Aufmerksamkeit und Intention kombiniert, erzeugen sie eine innere Verbindung, welche wiederrum eine korrekte und ausgewogene Zirkulation des Qi mit sich bringt. Hierdurch kön-nen Kraft und Stärke auf natürliche Weise ausgebaut werden.

Die richtige Ausrichtung des Körpers beim Halten jeder einzelnen der

Zwölf Stehenden Haltungen erlaubt es dem Qi und Atem, zum Dantian zu sinken und im Körper zu zirkulieren. Jede der Standhaltungen erzeugt ein anderes Muster von inneren Kräften und jede erzeugt feine Unterschiede in der inneren Zirkulation von Qi und Atem. Deshalb ist es wichtig, sich – sobald die äußeren Ausrichtungen korrekt sind – den inneren Phänomenen zu wid-men, welche durch jede Haltung hervorgerufen werden. Dies wird durch die „Nierenatmung“ unterstützt, während Sie die einzelnen Haltungen halten o-der von einer Haltung zur nächsten übergehen. Mit fortschreitender Übung kann man die verschiedenen Muster von innerer Qi-Zirkulation, einschließ-lich des kleinen und des großen himmlischen Kreislaufs (siehe Glossar), füh-len. Es ist nicht nötig, beim Üben der Zwölf stehenden Haltungen willentlich mit diesen Mustern der Qi-Zirkulation zu arbeiten, aber es ist wichtig, auf-merksam zu sein und zu fühlen, was innerlich vor sich geht.

Die vier fundamentalen Kräfte ausgleichen

Jede Haltung erzeugt verschiedene spiralförmige Spannungen oder Torsi-onsmuster, welche sich im ganzen Körper ausbreiten. Diese Kräfte sind aus-gewogen und ergänzen sich gegenseitig und können äußerst komplex sein. Dennoch sind sie im Grunde genommen Ausdruck vier elementarer Energien:

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1. Guo 裹 : „einbinden“, „schnüren“, „wickeln“, „einwickeln“ oder

„nach innen zusammenziehen“. 2. Zheng 爭: „um etwas kämpfen, wetteifern“, „streben“, „kämpfen,

bemühen“, „entgegengesetzt“. Dies kann auch als Fan 反 ausge-

drückt werden: „umdrehen“, „umkehren“, „die Richtung umkeh-ren“ wie in „umkrempeln“ oder „auf den Kopf gestellt“.

3. Zuan 鑽 : „in etwas eindringen“, „bohren“. Dies manifestiert sich

auch als Chuan 穿: „penetrieren“, „bohren“ oder „durch etwas ge-

hen“. 4. Gun 滚 : „rollen“ oder „wälzen“. Dies kann auch als Ning 擰

„schrauben“, „wringen“ oder „drehen“ verstanden werden. Die richtige Verhältnis dieser vier Kräfte ist nicht nur für die Ausführung

der Zwölf Stehenden Haltungen wichtig, es ist auch der Schlüssel zur Ent-wicklung von Verwurzelung, Kraft und Stärke.

Über das Üben der Zwölf Stehenden Haltungen

Beim Üben der Zwölf Stehenden Haltungen gibt es drei Aspekte, welche mit Sorgfalt beachtet werden müssen:

• Das Einnehmen jeder einzelnen Haltung bzw. der Übergang zwischen den einzelnen Haltungen.

• Die spezifischen äußeren Formen, damit jede einzelne Position richtig gehalten werden kann.

• Innere Ausrichtungen und Kräfte: Die inneren Bewegungen und die Zirkulation von Qi und Atem, welche durch jede einzelne Haltung er-zeugt werden.

Anfangs wird Ihre Aufmerksamkeit beim Üben der Zwölf Stehenden Hal-

tungen eher darauf gerichtet sein, wie Sie jede einzelne Haltung einnehmen und diese halten. Sobald Sie sich an diese Aspekte der Zhan Zhuang-Übung gewöhnt haben, wird sich Ihre Aufmerksamkeit automatisch auf die inneren Bewegungen und Empfindungen richten, welche durch die einzelnen Haltun-gen hervorgerufen werden. Vergessen Sie jedoch nicht, dass die inneren und äußeren Ausrichtungen von synergistischer Natur sind – beide beeinflussen sich gegenseitig und haben wechselseitige Auswirkungen aufeinander.

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Beginnen Sie, indem Sie jede Haltung für zwei bis drei Atemzüge halten. Erlernen Sie eine nach der anderen und beidseitig. So kann jede Haltung mehrmals während einer Übungsstunde gehalten werden. Wenn Sie alle zwölf Positionen erlernt haben, üben Sie das Halten aller zwölf in einer einzi-gen Session. Steigern Sie langsam die Zeit, die Sie in den einzelnen Haltungen verbringen, bis Sie sie für neun Atemzüge oder mehr halten können. Dies wird mit einigen Haltungen einfacher sein als mit anderen. Halten Sie immer die linke Seite einer Haltung genauso lange wie die rechte Seite. Versuchen Sie, jede Haltung mindestens zweimal auf beiden Seiten während einer Trai-ningseinheit zu halten.

Die zweite Übungsmethode ist das Verbinden der einzelnen Haltungen zu

einer Sequenz und hierbei geschmeidig von einer Haltung zur nächsten zu wechseln. Eine spezifische Sequenz wird später im Buch vorgestellt. Auch dies sollte in einer Trainingsstunde auf beiden Seiten gleichmäßig geübt wer-den. Die verbundene Sequenz kann auf zwei Weisen geübt werden:

1. Sobald Sie die erste Haltung komplett eingenommen haben pausie-

ren Sie und wechseln dann geschmeidig in die nächste Haltung. Dies erzeugt eine kontinuierliche Bewegungsfolge von einer Hal-tung zur nächsten, wobei die Übergangspunkte betont werden, also derjenige Moment, wenn eine Haltung aufhört und die nächste beginnt.

2. Halten Sie die erste Haltung für neun Atemzüge oder länger und wechseln Sie dann geschmeidig in die nächste Haltung und halten Sie diese ebenfalls für neun Atemzüge oder länger. Fahren Sie fort, bis Sie die gesamte Sequenz absolviert haben. Fahren Sie dann auf der anderen Seite fort. Eine verbreitete aber auch fordernde Übungseinheit besteht daraus, beide Seiten zwei bis drei Mal zu üben und jede Haltung für neun Atemzüge zu halten.

Zhan Zhuang und die „Sehnenkraft“

Das Zwölf-Haltungen-Zhan Zhuang des Ba Gua stärkt die Sehnen, Bänder und Gelenke. Es ist eine Schlüsselübung zur Steigerung der Kraft der Sehnen (Jin 筋). Dies wird üblicherweise als „Sehnenkraft“ bezeichnet. Tatsächlich be-

inhaltet das Konzept von Sehnen in den inneren Kampfkünsten und der Tra-ditionellen Chinesischen Medizin sowohl Sehnen, Bänder, Bindegewebe und

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zu einem gewissen Grad auch die Knorpelsubstanz. In einigen Kreisen gibt es eine große Debatte darüber, was „Sehnenkraft“ denn nun wirklich bedeutet. Im Kontext der inneren Kampfkünste bezieht sich Sehnenkraft auf die Stärke und Dichte der Faszien – die Lagen oder Bänder aus faserigem Bindegewebe, welches Muskeln, Organe und andere weiche Körperstrukturen umhüllt, voneinander trennt bzw. miteinander verbindet. Auch wenn Bindegewebe als anatomischer Fachbegriff nicht genau das gleiche ist wie Muskeln, Sehnen und Bänder, so ist das Bindegewebe tatsächlich doch ein Kontinuum aus Haut, Muskulatur, Bändern, Sehnen, Nervenscheiden und Gelenkkapseln, Knorpel und Knochen. Es formt ebenfalls die biologischen Bausteine eben genau die-ser Strukturen.1

Das Halten von festen Positionen mit Intention und Fokus beteiligt ganz

direkt das Fasziengewebe, welches durch den Körper in kurvigen und spiral-förmigen Netzen verläuft. So wird die maximale Menge an Fasziengewebe auf die effizienteste Art und Weise in Anspruch genommen. Ba Gua Zhang-Meister Zhao Da Yuan erklärt mit der folgenden Theorie diese Idee:

„Wenn eine durchschnittliche Person einen Muskel kontrahiert, „feu-ern“ 45 bis 50 % der Muskelfasern. Ein trainierter Athlet oder eine Person, welche wiederholt bestimmte Muskelgruppen durch eine bestimmte Tätigkeit trainiert, kann ca. 70 % Muskelfasern eines bestimmten Muskels für einen be-stimmten Zweck kontrahieren.“ Seine Theorie ist, dass wenn der Übende eine feste Oberkörperhaltung mit fokussierter Konzentration für einen längeren Zeitraum hält, wie beispielsweise beim Kreisgehen, er oder sie in der Lage ist, die Fähigkeit zum gleichzeitigen Kontrahieren von mehr Muskelfasern für den gleichen Zweck zu entwickeln. Beim Halten einer statischen Haltung für einen längeren Zeitraum oder sehr langsamen Bewegungen wie beim Tai Ji Quan findet eine ganzheitlichere körperliche Entwicklung statt als bei Übungen, in denen der Körper schnell bewegt wird. Zweitrangige Muskulatur wird kondi-tioniert und der Körper lernt, auf eine integrierte und ganzheitliche Weise zu agieren.2

Praktisch gesprochen ist Zhan Zhuang eine hervorragende Übung, um

Kraft und Integrität in schwachen und instabilen Gelenken aufgrund Verlet-zungen, Missbrauch oder Atrophie wiederherzustellen. Viele Schüler mit in-

1 Ligamentous Articular Strain: Osteopathic Manipulative Techniques for the Body, Conrad A. Spence and William Thomas Crow. Seattle: Eastland Press, 2001, S. 28. 2 http://pakuachangjournal.com/circleWalk.php?page=6