Barbara Leicht Die sieben Gemeinden der Offenbarung D · Erd beben 17 nC zerstört und mithilfe des...

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D ie sieben Städte mit christ- lichen Gemeinden gehören zu den bedeutendsten der römi- schen Provinz Asia. Drei von ihnen – Pergamon, Smyrna und Ephesus – war der Titel Neokoros verliehen worden. Ihn erhielten Städte wegen besonderer Verdienste um den Kultus und die Durchführung von Spielen. Das Provinzparlament tagte abwechselnd in einer dieser Städte; im vierten Jahr wurde der Tagungsort aus den vier Städten gewählt, die einen Kaisertempel besaßen, unter ih- nen Laodicea, Philadelphia und Sardes. Un- klar ist, warum Kolossä nicht unter den Ge- meinden ist, die einen Brief des Johannes er- halten. Ebenso unsicher ist, ob die sieben Gemeinden direkte Nachfolgerinnen von paulinischen Gemeinden waren. Pergamon (Bergama) Langjährige Ausgrabungen ermöglichen ein gutes Bild von der antiken Stadt auf dem oberen und unteren Burgberg und dem Hei- ligtum des Asklepios. Die Stadt erscheint erstmals beim griechischen Geschichts- schreiber Xenophon (430–354 vC). Er berich- tet von Verhandlungen zwischen Persien und Sparta, die in Pergamon stattgefunden hätten. In hellenistischer Zeit entstehen in Pergamon zahlreiche Bauten, u.a. der mo- numentale Zeusaltar, dessen Reste in Berlin aufgebaut wurden, sowie ein Tempel der Athene, an dessen Nordseite die berühmte Bibliothek stand. Pergamon wird zur Dreh- scheibe des Handels und des Wirtschafts- lebens in Kleinasien und wetteifert zeitwei- se in Literatur und Wissenschaft mit Ale - xandrien. Als die Ägypter deshalb die Papy- ruslieferungen einstellen, soll man in Pergamon aus ungegerbten tierischen Häu- ten „Papier aus Pergamon“ hergestellt ha- ben, das „Pergament-Papier“. 133 vC kommt Pergamon unter römische Herrschaft, um 160 000 Einwohner sollen hier gelebt haben. 29 vC wird in Pergamon der erste Tempel zu Ehren eines römischen Kaisers erbaut. Außerhalb der Stadt lag der heilige Bezirk des Asklepios, eine Heilstätte mit einer Quel- le. Der Kult bestand seit Anfang des 4. Jh. vC, die Blütezeit fällt in die Mitte des 2. Jh. nC. Thyatira (Akhisar) Thyatira lag an der Straße von Pergamon nach Sardes und wurde bereits im 7./6. Jh. vC durch die Lyder gegründet. In der Römi- schen Kaiserzeit wird Thyatira zu einer blü- henden Handels- und Industriestadt, be- deutend vor allem durch seine Textilher- stellung, den Handel mit Wolle und dem Luxusartikel Purpur. Antike Aufzeichnun- gen belegen die Zunft der Wollhändler und sprechen davon, dass Thyatira und Sardes in Konkurrenz standen mit Hierapolis, Lao- dizea und Kolossä. Freigelegt wurden in Thyatira u.a. Reste eines Tempels sowie ein Gebäude mit einer Apsis, dessen Grundriss an eine Basilika erinnert. Seine Funktion ist unklar, es kann ebenso Markthalle, Bör- se, Gericht oder Kirche gewesen sein. Sardes (Sart) Die Blütezeit von Sardes lag in vorrömischer Zeit. Im 7./6. Jh. war Sardes Hauptstadt des Lyderreiches, später Residenz der persischen Satrapen. Durch Sardes verlief die persische Heute ist wenig vom antiken Thyatira zu sehen, hier Überreste der antiken Straße. Die sieben Gemeinden der Offenbarung Blick auf den Platz des monumentalen Zeusaltars von Pergamon. © Welt und Umwelt der Bibel 2/2009 "Apokalypse - Die Offenbarung des Johannes"

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Die sieben Städte mit christ -lichen Gemeinden gehören zuden be deutendsten der römi -schen Provinz Asia. Drei vonihnen – Pergamon, Smyrnaund Ephesus – war der Titel

Neokoros ver liehen worden. Ihn erhieltenStädte wegen be sonderer Verdienste um denKultus und die Durchführung von Spielen.Das Provinz parlament tagte ab wechselnd ineiner dieser Städte; im vierten Jahr wurdeder Tagungsort aus den vier Städten gewählt,die einen Kaiser tempel besaßen, unter ih-nen Laodicea, Phila del phia und Sardes. Un-klar ist, warum Kolo ssä nicht unter den Ge-meinden ist, die einen Brief des Johannes er-halten. Ebenso unsicher ist, ob die siebenGemeinden direkte Nachfolger innen vonpaulinischen Gemein den waren.

Pergamon (Bergama)Langjährige Ausgrabungen ermöglichen eingutes Bild von der antiken Stadt auf demoberen und unteren Burgberg und dem Hei-ligtum des Askle pios. Die Stadt erscheinterstmals beim griechischen Geschichts-schreiber Xeno phon (430–354 vC). Er berich-tet von Verhandlungen zwischen Persienund Sparta, die in Pergamon stattgefundenhätten. In hellenistischer Zeit entstehen inPergamon zahlreiche Bauten, u.a. der mo-numentale Zeusaltar, dessen Reste in Berlinaufgebaut wurden, sowie ein Tempel derAthene, an dessen Nordseite die berühmteBibliothek stand. Pergamon wird zur Dreh-scheibe des Handels und des Wirtschafts -lebens in Klein asien und wetteifert zeitwei-se in Literatur und Wissenschaft mit Ale -xandrien. Als die Ägypter deshalb die Papy-ruslieferungen einstellen, soll man inPergamon aus ungegerbten tierischen Häu-ten „Papier aus Pergamon“ hergestellt ha-ben, das „Pergament-Papier“. 133 vC kommtPergamon unter römische Herr schaft, um160 000 Einwohner sollen hier gelebt haben.29 vC wird in Pergamon der erste Tempel zuEhren eines römischen Kaisers erbaut.

Außerhalb der Stadt lag der heilige Bezirkdes Asklepios, eine Heilstätte mit einer Quel-le. Der Kult bestand seit Anfang des 4. Jh. vC,die Blütezeit fällt in die Mitte des 2. Jh. nC.

Thyatira (Akhisar)Thyatira lag an der Straße von Pergamonnach Sardes und wurde bereits im 7./6. Jh.vC durch die Lyder gegründet. In der Römi-schen Kaiserzeit wird Thyatira zu einer blü-henden Handels- und Industriestadt, be-deutend vor allem durch seine Textilher-stellung, den Handel mit Wolle und demLuxusartikel Purpur. Antike Aufzeichnun-gen belegen die Zunft der Wollhändler undsprechen davon, dass Thyatira und Sardesin Konkurrenz standen mit Hierapolis, Lao-

dizea und Kolossä. Freigelegt wurden inThyatira u.a. Reste eines Tempels sowie einGebäude mit einer Apsis, dessen Grundrissan eine Basilika erinnert. Seine Funktionist unklar, es kann ebenso Markt halle, Bör-se, Gericht oder Kirche gewesen sein.

Sardes (Sart)Die Blütezeit von Sardes lag in vorrömischerZeit. Im 7./6. Jh. war Sardes Hauptstadt desLyderreiches, später Residenz der per sischenSatrapen. Durch Sardes verlief die persische

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Heute ist wenig vom antiken Thyatira zu sehen, hier Überreste der antiken Straße.

Die sieben Gemeinden der OffenbarungBarbara Leicht

Blick auf den Platz des monumentalenZeus altars von Pergamon.

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Königsstraße nach Susa. Die Ge winnungvon Edelmetallen und die Ferti gung vonWolle machen Sardes in lydischer Zeit zu ei-ner wohl habenden Stadt. Später ist die Stadtdann Ge richtssitz des römischen Statthal-ters. Wie Phila delphia wird Sardes durch einErd beben 17 nC zerstört und mithilfe des Tiberius wieder aufgebaut. Erhalten habensich u.a. Reste der großen Königsstraße, derThermen, des Theaters, des Artemistempelsund des Gymnasiums mit einer prunkvollenSäulen fassade. An jüdische Bewohner erin-nert eine wiedererrichtete Synagoge ausdem 4. Jh. nC.

Philadelphia (Alaşehir)An Stelle einer lydischen Siedlung wird un-ter dem pergamenischen König Attalos II.Philadelphos (159–138 vC) eine Makedonier -kolonie gegründet, die den Namen des Kö-nigs erhält. Mehrfach leidet die Stadt unterErdbeben, wird jedoch immer wieder aufge-baut, nach besonders schweren Beben imJahr 17 und 23 nC sogar mit kaiserlicher Hil-fe durch Tiberius.

Die christliche Gemeinde in Philadelphiabelegt auch ein Brief des Bischofs Ignatiosvon Antiochien an die Gemeinde, geschrie-ben zwischen 110 und 115.

Smyrna (8 km nordöstlich von �zmir)Seit der ersten Hälfte des 3. Jt. vC ist der Ortan der Westküste Kleinasiens besiedelt, abdem 11./10. Jh. vC entsteht eine befestigte

Handelsniederlassung, die aufgrund ihrerHafenlage zu Wohlstand kommt. 600 vCwird sie vom Lyderkönig Alyattes erobertund zerstört. Erst Alexander regt 334 vC eineNeugründung an, die sich rasch zu einer derblühendsten Städte Kleinasiens ent wickelt.Apollonios von Tyana nennt sie „die schöns-te unter allen Städten unter der Sonne“ undHomer soll dort geboren sein.

Von der frühen christlichen Gemeinde sindprominente Mitglieder bekannt: Bischof Poly-karp von Smyrna (69–155 oder 167) starb alsMärtyrer. Die Beschreibung seines Todeszählt zu den ältesten Märtyrerberichten derKirche. Sein Schüler Irenäus, später Bischofvon Lyon, wird um 140 in Smyrna geboren.

Ephesus (Selçuk bzw. Efes)Ephesus ist die Stadt der Artemis. Das Heiligtum der Göttin galt als eines der sie-ben Weltwunder und machte Ephesus zumviel besuchten Wallfahrtsort. Der Platz ander Mündung des Kaystros war früh be -siedelt, wurde jedoch auch mehrfach er-obert. Im 4. Jh. vC entwickelt sich eine be-deutende Hafenstadt. In hellenistischerZeit lässt Lysimachos Ephesus neu anle-gen, mit Plät zen, Märkten und rechtwinkligzueinan der verlaufenden Straßen (Aus -nahme Kureten straße). Die eigentlicheGlanz zeit der Stadt fällt in die RömischeKaiserzeit des 1./2. Jh. nC. Seit Augustus istEphesus Haupt stadt der Provinz Asia undwohlhabendes Handels zentrum.

Für den Apostel Paulus ist Ephesus dasZentrum seiner Missionstätigkeit. Sein Be-gleiter Timo theus wurde hier Bischof, wieEusebius von Cäsarea berichtet. Einer an-deren Tradition nach haben der Apostel Jo-hannes und Maria, die Mutter Jesu, in Ephe-sus gelebt.

Laodizea (Denizli)Nahe der Mündung des Lykos wird dieStadt 240 vC unter Antiochus II. gegründetund nach seiner Stiefschwester und Ge-mahlin Laodike benannt. Schnell entstehtein reiches Finanz- und Handelszentrummit bedeutender Woll- und Textilindustrie.Berühmt ist auch die Augenheilkunde. Auf-grund ihres Reichtums – den eine Notiz desGeschichtsschreibers Strabon (65 vC–26 nC)belegt – kann die Stadt nach einem verhee-renden Erdbeben 60 vC ohne fremde Hilfeschnell wieder aufgebaut werden. Zu sehensind heute noch die Überreste dreier Thea-ter, des 79 nC unter Tiberius erbauten Sta-dions, des Aquädukts, des Gymnasiumsund der Thermen.

Zwischen den christlichen Gemeinden inLaodizea und Kolossä bestanden offen-sicht lich enge Verbindungen. So schreibtPaulus den Kolossern, dass ihr Brief auch inLaodizea verlesen werden soll. Und um -gekehrt ist sein – leider verloren gegange-ner – Brief an die Laodizener auch für dieChristen in Kolossä gedacht und soll dortgelesen werden (Kol 4,16). ■

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Die Celsusbibliothek von Ephesus,erbaut um 120 nC.

Die Agora von Smyrna stammt ursprüng-lich aus hellenistischer Zeit und wurde unterMark Aurel erneuert.

Römische Thermen in Laodizea.

Vom antiken Philadelphia hat sich kaumetwas erhalten.

Vom 4. Jh. vC bis zum 2. Jh. nC wurde am Artemistempel von Sardes gebaut.

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