Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um...

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1 Akademie Solidarische Ökonomie Stand 21.1. 2015 Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die Wachstumsökonomie überwinden – zur Gleichgewichtsökonomie finden Neufassung Bernd Winkelmann; Koautoren Klaus Simon, Harald Bender Der hier vorgestellte Text baut auf den engere, auf die ökonomischen Fragen konzentrierte Arbeiten zum Wirtschaftswachstum auf (Fassung Klaus Simon). Dieses Arbeitspapier versucht darüber hinausgehend das Thema „Wachstum“ im Gesamtzusammenhang der zivilisatorischen Entwicklung der heutigen Menschheit zu betrachten. Es werden die zivilisatorischen Not- wendigkeiten für eine Überwindung der Wachstumsökonomie aufgezeigt und die Möglichkeiten einer Gleichgewichtsökonomie skizziert. Verschiedene, hier nicht weiter ausgeführte Teilaspekte sind im Zusammenhang umfassenderer Modellent- würfe einer postkapitalistischen Ökonomie zu verstehen, wie sie in den Büchern der Akademie Solidarische Ökonomie und in verschiedenen Einzelbausteinen veröffentlicht wurden. 1 Gliederung 1. Einordnung: Zivilisatorische Entwicklung, Wertschöpfung, Wachstum, Wachstumskrise 2. Die Wachstumsirrtümer unserer Zeit 3. Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsökonomie 4. Ursachen und Wachstumstreiber 5. Die Notwendigkeit einer Postwachstumsökonomie 6. Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsökonomie -------------------------------------------- 1. Einordnung: Zivilisatorische Entwicklung, Wertschöpfung, Wachstum, Wachstumskrise Das Menschsein und die menschliche Zivilisation gibt es nicht ohne eine fortschreitende Entwick- lung menschlichen und zivilisatorischen Lebens. Und Entwicklung gibt es nicht ohne Wertschöp- fung. Wertschöpfung wird hier allerdings pointiert nicht nur als materielle ökonomische Wert- schöpfung verstanden, sondern als ein umfassendes Finden und Erarbeiten von Werten, die menschliches Leben lebensfähiger, reicher, erfüllter und glücklicher machen. Diese Wertschöpfung hat zwei Seiten: a) die ideelle kulturelle Wertschöpfung, also Wertschöpfung auf geistigem, emotionalem, ethi- schem, spirituellem, kulturellem, sozialem Gebiet z.B. durch Wahrheits- und Sinnerfahrung, durch Schönheits-, Kunst- und Kulturerfahrungen, durch Gemeinschafts-, Solidaritäts- und Lie- beserfahrung, durch spirituelle bzw. religiöse Erfahrungen u.ä.; 1 Harald Bender, Nobert Bernholt, Bernd Winkelmann: „Kapitalismus und dann? Systemwandel und Perspektiven ge- sellschaftlicher Transformation“ 2012; Harald Bender, Norbert Bernholt, Klaus Simon: „Das dienende Geld. Die Be- freiung der Wirtschaft vom Wachstumszwang“ 2014; Klaus Simon: „Zwickmühle Kapitalismus. Auswüchse und Aus- wege“ 2014; verschiedene Einzelbausteine unter www.akademie-solidarische-oekonomie.de und www.winkelmann- adelsborn.de

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Akademie Solidarische Oumlkonomie Stand 211 2015

Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2

Die Wachstumsoumlkonomie uumlberwinden ndash zur Gleichgewichtsoumlkonomie finden

Neufassung Bernd Winkelmann Koautoren Klaus Simon Harald Bender

Der hier vorgestellte Text baut auf den engere auf die oumlkonomischen Fragen konzentrierte Arbeiten zum Wirtschaftswachstum auf (Fassung Klaus Simon) Dieses Arbeitspapier versucht daruumlber hinausgehend das Thema bdquoWachstumldquo im Gesamtzusammenhang der zivilisatorischen Entwicklung der heutigen Menschheit zu betrachten Es werden die zivilisatorischen Not-wendigkeiten fuumlr eine Uumlberwindung der Wachstumsoumlkonomie aufgezeigt und die Moumlglichkeiten einer Gleichgewichtsoumlkonomie skizziertVerschiedene hier nicht weiter ausgefuumlhrte Teilaspekte sind im Zusammenhang umfassenderer Modellent-wuumlrfe einer postkapitalistischen Oumlkonomie zu verstehen wie sie in den Buumlchern der Akademie Solidarische Oumlkonomie und in verschiedenen Einzelbausteinen veroumlffentlicht wurden1

Gliederung1 Einordnung Zivilisatorische Entwicklung Wertschoumlpfung Wachstum Wachstumskrise2 Die Wachstumsirrtuumlmer unserer Zeit3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlkonomie4 Ursachen und Wachstumstreiber5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

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1 Einordnung Zivilisatorische Entwicklung Wertschoumlpfung Wachstum Wachstumskrise

Das Menschsein und die menschliche Zivilisation gibt es nicht ohne eine fortschreitende Entwick-lung menschlichen und zivilisatorischen Lebens Und Entwicklung gibt es nicht ohne Wertschoumlp-fung Wertschoumlpfung wird hier allerdings pointiert nicht nur als materielle oumlkonomische Wert-schoumlpfung verstanden sondern als ein umfassendes Finden und Erarbeiten von Werten die menschliches Leben lebensfaumlhiger reicher erfuumlllter und gluumlcklicher machen

Diese Wertschoumlpfung hat zwei Seiten

a) die ideelle kulturelle Wertschoumlpfung also Wertschoumlpfung auf geistigem emotionalem ethi-schem spirituellem kulturellem sozialem Gebiet zB durch Wahrheits- und Sinnerfahrung durch Schoumlnheits- Kunst- und Kulturerfahrungen durch Gemeinschafts- Solidaritaumlts- und Lie-beserfahrung durch spirituelle bzw religioumlse Erfahrungen uauml

1 Harald Bender Nobert Bernholt Bernd Winkelmann bdquoKapitalismus und dann Systemwandel und Perspektiven ge-sellschaftlicher Transformationldquo 2012 Harald Bender Norbert Bernholt Klaus Simon bdquoDas dienende Geld Die Be-freiung der Wirtschaft vom Wachstumszwangldquo 2014 Klaus Simon bdquoZwickmuumlhle Kapitalismus Auswuumlchse und Aus-wegeldquo 2014 verschiedene Einzelbausteine unter wwwakademie-solidarische-oekonomiede und wwwwinkelmann-adelsbornde

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b) die materielle Wertschoumlpfung zB im Ernten von Fruumlchten Nutzen von Bodenschaumltzen Her-stellen von Guumltern Werkzeugen Lebensmitteln Dienstleistungen ndash auch das Verdienen von Geld gehoumlrt sekundaumlr hierzu

Beide Seiten wirken in vielen Bereichen zusammen zB kann eine kulturelle oder soziale Wert-schoumlpfung zugleich mit einer bdquomaterielleldquo (Geld-)Wertschoumlpfung verbunden sein und umgekehrt

Ein Wachsen in diesen Wertschoumlpfungen ist nur dann lebensfoumlrderlich wenn es drei Kriterien er-fuumlllt1 wenn beide Seiten der Wertschoumlpfung zusammengehalten werden also nicht das eine auf Kosten

der anderen vernachlaumlssigt wird zB reich werden bei gleichzeitigem geistigen und ethischen Verfall oder geistige Bluumlte ohne materielle Lebenssicherung

2 wenn die Teilhabe a l l e r Menschen als selbstverstaumlndliches sozialethische Gebot angesehenwird und als Grundlage des sozialen Friedens gegeben ist

3 wenn die oumlkologischen Ressourcen als Lebensgrundlage allen Lebens nicht zerstoumlrt werden

Die Wachstumstendenzen unserer gegenwaumlrtigen Epoche sind durch drei Schluumlsselfaktoren ge-kennzeichnet

bull Die materielle Wertschoumlpfung ist in den letzten beiden Jahrhunderten gemessen an fruumlheren um das Vielhundertfache gestiegen das Wirtschaftswachstum ist enorm angestiegen zB ist von 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen hat sich der Welthandel verdreifacht der Energiekonsum verdoppelt2

bull Die Teilhabe an der Wertschoumlpfung ist extrem ungleich zB verfuumlgen die reichsten 10 der Weltbevoumllkerung uumlber 85 des Weltvermoumlgens die aumlrmeren 50 der Weltbevoumllkerung verfuuml-gen uumlber 1 des weltweiten Vermoumlgens Oder eine ganz andere Zahl Die 85 reichsten Men-schen der Welt besaszligen 2014 zusammen so viel wie die gesamte aumlrmere Haumllfte der Weltbevoumllke-rung3

bull Der Umweltverbrauch (Oumlkologischer Fuszligabdruck) der Menschheit hat das fuumlr unsere Erde ver-traumlgliche Maszlig empfindlich uumlberschritten er liegt heute im weltweiten Durchschnitt mit 50 uumlber dem vertraumlglichen Maszlig4

Die beiden letzten Aspekte werden weiter unten (S 7) ausfuumlhrlicher erlaumlutert

Erste Schlussfolgerung Die heutige Wachstumskrise besteht n i c h t in einem vermeintlich zu geringen Wirtschaftswachstum sondern in einer Wirtschaftsweise die ihr quantitatives auf rein materielle Wertschoumlpfung bezogenes Wachstum so forciert dass sie in Gefahr ist ihre eigenen oumlko-logischen und sozialen Grundlagen zu zerstoumlren

2 Jan Ziegler in Weltsozialbericht nach taz vom 2110 20053 Studie Hilfsorganisation Oxfam Januar 2014 2016 werden 1 der Weltbevoumllkerung so viel besitzen wie der ganze Rest (wwwoxfamde)4 Zukunftsfaumlhiges Deutschland Studie des Wuppertalinstituts 2008 S 121

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2 Die Wachstumsirrtuumlmer unserer Zeit

Die Behauptung dass unsere Wirtschaftsweise von groszligen Wachstumsirrtuumlmern gekennzeichnet ist mag vermessen klingen Und doch lassen sich auf drei Ebenen groszlige Unklarheiten und Verwechs-lungen im Verstaumlndnis dessen was Wirtschaftswachstum eigentlich ist und wie es funktioniert auf-zeigen

(1) Die Verwechslung von Wirtschaftsleistung und Wirtschaftswachstum

Die vorherrschende Meinung in Politik Wirtschaft und Bevoumllkerung besagt dass die Wirtschafts-leistung eines Landes am Wirtschaftswachstum abzulesen sei Dass es in den Nachkriegsjahren in Deutschland ein Wachstum von 8-10 des Bruttoinlandprodukts (BIP) gab und heute in China und anderen Entwicklungsstaaten ebenfalls ein Wachstum von 5-10 gibt wird als groszlige Wirtschafts-leistung gewertet Dass dagegen heute in Deutschland und in anderen hochentwickelten Industrie-staaten das Wachstum auf 1-2 abgesunken ist wird als Wachstumsabschwaumlchung und Nieder-gang gewertet Darum das bdquoWachstumsbeschleunigungsgesetzldquo der Bundesregierung darum die Zielvorgabe der EU wieder auf 3 Wachstum zu kommen und der Wunsch der Wirtschaft moumlg-lichst ein jaumlhrliches Wachsen von 3 - 4 und mehr zu erreichen

Der Irrtum besteht darin dass das Sinken der Wachstumsrate mit einem Ruumlckgang an Wirtschafts-leistung gleichgesetzt wird Dem ist aber uumlberhaupt nicht so Um das zu verstehen muss zwischen Wachstums-Rate und Wachstums-Groumlszlige unterschieden wer-den die Wachstumsgroumlszlige gibt den Betrag des Wachstums in absoluter Zahl an (zB Stuumlckzahl) die Wachstumsrate gibt den Wachstumsanstieg die Zunahme des Wachstums in Prozent an Und es muumlssen drei Wachstumsarten unterschieden werden

a) Lineares Wachstum ist ein gleichmaumlszligiges Wachsen immer um den gleichen Betrag (Stuumlckzahl) Beispiel Die PKW-Produktion waumlchst von 1 Million ausgehend jaumlhrlich um 100000 nach 10 Jahren gibt es 2 Millionen nach 20 Jahren 3 Mil PKWb) Exponentielles Wachstum ist ein ansteigendes Wachs-tum bei dem der Bestand um einen bestimmten Prozent-satz zunimmt und die Zuwaumlchse in den jeweils neuen So-ckelbetrag eingehen Beispiel Die PKW-Produktion waumlchst von 1 Million ausgehend jaumlhrlich um 10 nach 7Jahren gibt es reichlich 2 Millionen nach 20 Jahren 673Millionen PKW (Verdopplungsformel 72)c) Natuumlrliches Wachstum ist ein Vorgang wie ihn die Natur vorgibt Ein Baum eine Pflanze waumlchst anfangs mit steigenden Zuwaumlchsen (exponentiell) dann in gleichen Zuwaumlchsen (linear) er houmlrt bei einem Optimum auf zu wachsen geht in eine Reife- bzw Fruchtphase uumlber baut sich dann wieder ab stirbt und sich damit der naumlchsten Generation als neue Lebensgrundlage

Dass ein Sinken der Wachstumsrate immer ein Ruumlckgang an Wirtschaftsleistung sein muss wi-derlegt zB die Entwicklung in Deutschland

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bull In Deutschland ist die Wachstumsrate von 1951 bis 2011 von etwa 8-10 auf etwa 1-2 gesunken Doch ist die Wirtschaftsleistunglinear stetig gestiegen das BIP lag 1951 um-gerechnet bei etwa 250 Mrd euro um 2011 bei etwa 2500 Mrd euro Die Wirtschaftsleistung ist bei fallender Wachstumsrate um das Zehnfa-che gestiegen5

Weder in der Natur noch in Gesellschaft Kultur und Wirtschaft (noch im gesamten Kosmos)gibt es ein unendliches exponentielles oder auch nur lineares Wachstum Jedes Wachstum geht ir-gendwann in die Bewegung des natuumlrlichen Wachstums uumlber

Der amerikanische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E Boulding stellt fest bdquoJeder der glaubt dass exponentielles Wachstum fuumlr immer weitergehen kann in einer endlichen Welt ist entweder ein Verruumlckter oder ein Oumlkonomldquo 6 ndash ein bdquoverruumlckterldquo Oumlkonom oder Politiker weil er in einem irregeleiteten Wachstumsverstaumlndnis gefangen ist und gegen das Gebot wissenschaftlichen Arbeit die eigenen Denkvoraussetzungen nicht hinterfragt

(2) Das Nichtverstehen begrenzter Wachstumsfelder

Wirtschaftswachstum gibt es idealtypisch nicht ohne offene Wachstumsfelder Zunahme der Bevoumll-kerung ungesaumlttigte Maumlrkte neue Aufbauphasen unbegrenzte Ressourcen Sind diese Felder offen kann es ein notwendiges und vertraumlgliches Wachsen geben zB beim Aufbau im Nachkriegs-deutschland oder in den Entwicklungslaumlndern

Sind diese Wachstumsfelder zunehmend erschoumlpft oder gesaumlttigt muumlssen richtigerweise das Wachstum und damit die Zunahme an Guumltern und Dienstleistungen stagnieren Da das aber dasheute vorherrschende Wachstumstreben nicht ertragen kann sondern die staumlndige Steigerung des Wachstums als Kriterium fuumlr das Wohlergehen einer Gesellschaft ansieht versucht es wie wir wei-ter unten sehen werden (S6) mit allen Mitteln die sich erschoumlpfenden Wachstumsfelder aufzurei-szligen Doch ein Akzeptieren dieser Wachstumsgrenzen wuumlrde uumlberhaupt nicht das Ende oder den Niedergang von Entwicklung und Wertschoumlpfung bedeuten vielmehr wuumlrde sich die Wirtschafts-entwicklung auf ein vertraumlgliches Maszlig einpendeln Es kaumlme im Mittelwert zu einem bdquoNullwachs-tumldquo Hier wird im Prinzip nur der Verbrauch oder Verlust an Guumltern reproduziert Wie wir im letz-ten Abschnitt genauer sehen werden (S15f) geht so eine Wachstumsoumlkonomie in eine Postwachs-

5 Grafik nach Institut fuumlr Wachstumsstudien6 nach Kenneths S Deffeyes in taz vom 2411 2005 S12

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tums- und Gleichgewichtsoumlkonomie uumlber in der sich Wohlfahrt und Lebensqualitaumlt durchaus und besser als in einer zwanghaften Wachstumsoumlkonomie weiterentwickeln koumlnnen

(3) Die Untauglichkeit des BIP zur Bemessung der Wohlfahrt

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsaumltze an Guumltern und Dienstleistungen (minus Vorleistungen und Importe) in Geldwerten Dies kann die tatsaumlchlichen Zuwaumlchse messen Das Paradoxe aber ist dass das BIP auch durch Naturkatastrophen und Kriege waumlchst sofern es hier zu neuen Aufbauhandlungen kommt obwohl tatsaumlchlich keinerlei reales Wachstum an Lebensqualitaumlt gegenuumlber dem urspruumlnglichen Zustand erreicht wurde Dagegen misst das BIP eine oumlkologisch sinnvolle material- und energiesparende Effizienz als ruumlcklaumlufiges Wachstum zB die Produktion eines material- und energiesparenden AutosUnd vor allem wird die qualitative Entwicklung des Lebens und der Gesellschaft nicht mit dem BIP erfasst Viele Studien der Gluumlcksforschung der Sozialpsychologie ua zeigen dass die Lebenszu-friedenheit nicht mit dem BIP zusammenlaumluft Ein steigendes BIP bedeutet weder automatisch die Steigerung des materiellen Wohlstands aller noch eine Zunahme der Lebenszufriedenheit Diese nimmt nach dem Erreichen eines mittleren Einkommens in der Regel nicht zu Sie ist vielmehr von anderen Faktoren wie Gesundheit sozialen Beziehungen Sinnfindung gesunder Umwelt usw ab-haumlngig

So hat sich in Deutschland die Lebenszufriedenheit im Verhaumlltnis zum Wirtschaftswachstum deut-lich auseinanderentwickelt7

Die Lebenszufriedenheit ist in Laumlndern wie Costa Rica Daumlnemark Skandinavien Island ua houmlher als in bestimmten Laumlndern mit einem houmlheren BIP wie in den USA und in Deutschland Seit 1990 werden von der UNO und seit 2013 von der Enquetekommission der BRD bdquoWachstum Wohlstand Lebensqualitaumltldquo neue Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren gefordert die nicht nur das BIP sondern auch die sozialen kulturellen und oumlkologischen Faktoren einbeziehen (zB mit einem Nationaler Wohlfahrtsindex Human Development Index Happy-Planet-Index Brutto-Sozialindex ua)8 Doch Politik und Wirtschaft starren nach wie vor auf das BIP und sind so unfauml-

7 Grafik Zentrum fuumlr gesellschaftlichen Fortschritt 2012 wwwstifterverbanddeoekonomie8 Ausfuumlhrlich in bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 112ff vgl wwwgluecksforschung de

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hig einen qualitativen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex als Leitschnur allen Wirtschaftens durchzu-setzen

3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlko-nomie

In den hochentwickelten Volkswirtschaften sind die Wachstumsfelder in der Tendenz nahezu er-schoumlpft oder mindestens sehr eng geworden es gibt kein Bevoumllkerungswachstum die groszligen Auf-bauphasen sind bewaumlltigt die Maumlrkte sind weitgehend gesaumlttigt In Deutschland und aumlhnlichen Wohlstandslaumlndern leben wir eher in einer Uumlberfluss- und Wegwerfgesellschaft in der ein staumlndiges weiteres Wachstum an Guumltern regelrecht absurd ist ndash zumal wir mit unserer Produktion und Le-bensweise die Belastbarkeit des Oumlkosystem weit uumlberschritten haben und in vielen Bereichen auf Kosten anderer Laumlnder unsere Wohlstand sichern Die Entwicklung einer Erhaltungswirtschaft die nur den Verbrauch reproduziert und die Uumlberlastung der Ressourcen beendet waumlre noumltig und moumlg-lich

Da aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise systemisch bedingt ohne Wachstum nicht leben kannversucht sie mit allen erdenklichen Mitteln die begrenzten Wachstumsfelder neu aufzubrechen Dies geschieht durch verschiedene Strategien durch Wachstumsoffensiven nach innen und nach auszligen

Nach innen geschieht es vor allem durch

bull Entsaumlttigung der annaumlhernd gesaumlttigten Maumlrkte durch das Einsuggerieren neuer und groumlszligerer Beduumlrfnisse mittels psychologisch raffiniert eingesetzter zum Kaufen verfuumlhrender Werbungund Konsummarketing die zur Werteverirrung des Konsumismus fuumlhren 9

bull Produktivitaumltssteigerung Rationalisierung Arbeitsplatzabbau (bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo) Draumlngen in Niedrigstloumlhne und nichtregulaumlre Arbeitsplaumltze (Zeitarbeit uauml) um durch billigere Produkte zum weiteren Kaufen zu animieren und zugleich Konkurrenten auszuschalten

bull Externalisieren (Abschieben) von oumlkonomisch verursachten sozialen und oumlkologischen Kosten auf die Allgemeinheit den Staat den Steuerzahler bdquoGewinne privatisieren Kosten sozialisie-renldquo ndash dies vor allem durch das Sozialsystem des Staates So werden mit Harz IV und anderen sozialen Subventionen die Kaufkraft wieder erhoumlht und Maumlrkte offen gehalten Aumlhnliches ge-schah zB mit der Abwrackpraumlmie fuumlr Autos oder mit der Rettung systemrelevanter Banken und Unternehmen

bull Aufnehmen von Staatsverschuldung fuumlr Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Das Offenhalten der Wachstumsfelder geschieht heute vor allem nach auszligen durch die neoliberale Globalisierung der Wirtschaft

bull Durch Eroberung neuer Maumlrkte in weniger entwickelten Laumlndern so wurden 2012 41 des BIP oder jeder 4 Arbeitsplatz in Deutschland durch Exporte erzeugt10

bull Durch Verlagerung von Produktion und Arbeitsplaumltzen in bdquoBilliglohnlaumlnderldquo in denen die sozia-len und oumlkologischen Standards wesentlich niedriger sind und teils unter sklavenartigen Arbeits-bedingungen sehr billig produziert wird

9 Dies sehr aufschlussreich dargestellt in Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 199510 Statistisches Bundesamt Internet unter bdquoExportquoteldquo Bundeszentrale politische Bildung unter bdquoAuszligenhandelldquo ZahrntSeidl bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo S168

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

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4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 2: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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b) die materielle Wertschoumlpfung zB im Ernten von Fruumlchten Nutzen von Bodenschaumltzen Her-stellen von Guumltern Werkzeugen Lebensmitteln Dienstleistungen ndash auch das Verdienen von Geld gehoumlrt sekundaumlr hierzu

Beide Seiten wirken in vielen Bereichen zusammen zB kann eine kulturelle oder soziale Wert-schoumlpfung zugleich mit einer bdquomaterielleldquo (Geld-)Wertschoumlpfung verbunden sein und umgekehrt

Ein Wachsen in diesen Wertschoumlpfungen ist nur dann lebensfoumlrderlich wenn es drei Kriterien er-fuumlllt1 wenn beide Seiten der Wertschoumlpfung zusammengehalten werden also nicht das eine auf Kosten

der anderen vernachlaumlssigt wird zB reich werden bei gleichzeitigem geistigen und ethischen Verfall oder geistige Bluumlte ohne materielle Lebenssicherung

2 wenn die Teilhabe a l l e r Menschen als selbstverstaumlndliches sozialethische Gebot angesehenwird und als Grundlage des sozialen Friedens gegeben ist

3 wenn die oumlkologischen Ressourcen als Lebensgrundlage allen Lebens nicht zerstoumlrt werden

Die Wachstumstendenzen unserer gegenwaumlrtigen Epoche sind durch drei Schluumlsselfaktoren ge-kennzeichnet

bull Die materielle Wertschoumlpfung ist in den letzten beiden Jahrhunderten gemessen an fruumlheren um das Vielhundertfache gestiegen das Wirtschaftswachstum ist enorm angestiegen zB ist von 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen hat sich der Welthandel verdreifacht der Energiekonsum verdoppelt2

bull Die Teilhabe an der Wertschoumlpfung ist extrem ungleich zB verfuumlgen die reichsten 10 der Weltbevoumllkerung uumlber 85 des Weltvermoumlgens die aumlrmeren 50 der Weltbevoumllkerung verfuuml-gen uumlber 1 des weltweiten Vermoumlgens Oder eine ganz andere Zahl Die 85 reichsten Men-schen der Welt besaszligen 2014 zusammen so viel wie die gesamte aumlrmere Haumllfte der Weltbevoumllke-rung3

bull Der Umweltverbrauch (Oumlkologischer Fuszligabdruck) der Menschheit hat das fuumlr unsere Erde ver-traumlgliche Maszlig empfindlich uumlberschritten er liegt heute im weltweiten Durchschnitt mit 50 uumlber dem vertraumlglichen Maszlig4

Die beiden letzten Aspekte werden weiter unten (S 7) ausfuumlhrlicher erlaumlutert

Erste Schlussfolgerung Die heutige Wachstumskrise besteht n i c h t in einem vermeintlich zu geringen Wirtschaftswachstum sondern in einer Wirtschaftsweise die ihr quantitatives auf rein materielle Wertschoumlpfung bezogenes Wachstum so forciert dass sie in Gefahr ist ihre eigenen oumlko-logischen und sozialen Grundlagen zu zerstoumlren

2 Jan Ziegler in Weltsozialbericht nach taz vom 2110 20053 Studie Hilfsorganisation Oxfam Januar 2014 2016 werden 1 der Weltbevoumllkerung so viel besitzen wie der ganze Rest (wwwoxfamde)4 Zukunftsfaumlhiges Deutschland Studie des Wuppertalinstituts 2008 S 121

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2 Die Wachstumsirrtuumlmer unserer Zeit

Die Behauptung dass unsere Wirtschaftsweise von groszligen Wachstumsirrtuumlmern gekennzeichnet ist mag vermessen klingen Und doch lassen sich auf drei Ebenen groszlige Unklarheiten und Verwechs-lungen im Verstaumlndnis dessen was Wirtschaftswachstum eigentlich ist und wie es funktioniert auf-zeigen

(1) Die Verwechslung von Wirtschaftsleistung und Wirtschaftswachstum

Die vorherrschende Meinung in Politik Wirtschaft und Bevoumllkerung besagt dass die Wirtschafts-leistung eines Landes am Wirtschaftswachstum abzulesen sei Dass es in den Nachkriegsjahren in Deutschland ein Wachstum von 8-10 des Bruttoinlandprodukts (BIP) gab und heute in China und anderen Entwicklungsstaaten ebenfalls ein Wachstum von 5-10 gibt wird als groszlige Wirtschafts-leistung gewertet Dass dagegen heute in Deutschland und in anderen hochentwickelten Industrie-staaten das Wachstum auf 1-2 abgesunken ist wird als Wachstumsabschwaumlchung und Nieder-gang gewertet Darum das bdquoWachstumsbeschleunigungsgesetzldquo der Bundesregierung darum die Zielvorgabe der EU wieder auf 3 Wachstum zu kommen und der Wunsch der Wirtschaft moumlg-lichst ein jaumlhrliches Wachsen von 3 - 4 und mehr zu erreichen

Der Irrtum besteht darin dass das Sinken der Wachstumsrate mit einem Ruumlckgang an Wirtschafts-leistung gleichgesetzt wird Dem ist aber uumlberhaupt nicht so Um das zu verstehen muss zwischen Wachstums-Rate und Wachstums-Groumlszlige unterschieden wer-den die Wachstumsgroumlszlige gibt den Betrag des Wachstums in absoluter Zahl an (zB Stuumlckzahl) die Wachstumsrate gibt den Wachstumsanstieg die Zunahme des Wachstums in Prozent an Und es muumlssen drei Wachstumsarten unterschieden werden

a) Lineares Wachstum ist ein gleichmaumlszligiges Wachsen immer um den gleichen Betrag (Stuumlckzahl) Beispiel Die PKW-Produktion waumlchst von 1 Million ausgehend jaumlhrlich um 100000 nach 10 Jahren gibt es 2 Millionen nach 20 Jahren 3 Mil PKWb) Exponentielles Wachstum ist ein ansteigendes Wachs-tum bei dem der Bestand um einen bestimmten Prozent-satz zunimmt und die Zuwaumlchse in den jeweils neuen So-ckelbetrag eingehen Beispiel Die PKW-Produktion waumlchst von 1 Million ausgehend jaumlhrlich um 10 nach 7Jahren gibt es reichlich 2 Millionen nach 20 Jahren 673Millionen PKW (Verdopplungsformel 72)c) Natuumlrliches Wachstum ist ein Vorgang wie ihn die Natur vorgibt Ein Baum eine Pflanze waumlchst anfangs mit steigenden Zuwaumlchsen (exponentiell) dann in gleichen Zuwaumlchsen (linear) er houmlrt bei einem Optimum auf zu wachsen geht in eine Reife- bzw Fruchtphase uumlber baut sich dann wieder ab stirbt und sich damit der naumlchsten Generation als neue Lebensgrundlage

Dass ein Sinken der Wachstumsrate immer ein Ruumlckgang an Wirtschaftsleistung sein muss wi-derlegt zB die Entwicklung in Deutschland

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bull In Deutschland ist die Wachstumsrate von 1951 bis 2011 von etwa 8-10 auf etwa 1-2 gesunken Doch ist die Wirtschaftsleistunglinear stetig gestiegen das BIP lag 1951 um-gerechnet bei etwa 250 Mrd euro um 2011 bei etwa 2500 Mrd euro Die Wirtschaftsleistung ist bei fallender Wachstumsrate um das Zehnfa-che gestiegen5

Weder in der Natur noch in Gesellschaft Kultur und Wirtschaft (noch im gesamten Kosmos)gibt es ein unendliches exponentielles oder auch nur lineares Wachstum Jedes Wachstum geht ir-gendwann in die Bewegung des natuumlrlichen Wachstums uumlber

Der amerikanische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E Boulding stellt fest bdquoJeder der glaubt dass exponentielles Wachstum fuumlr immer weitergehen kann in einer endlichen Welt ist entweder ein Verruumlckter oder ein Oumlkonomldquo 6 ndash ein bdquoverruumlckterldquo Oumlkonom oder Politiker weil er in einem irregeleiteten Wachstumsverstaumlndnis gefangen ist und gegen das Gebot wissenschaftlichen Arbeit die eigenen Denkvoraussetzungen nicht hinterfragt

(2) Das Nichtverstehen begrenzter Wachstumsfelder

Wirtschaftswachstum gibt es idealtypisch nicht ohne offene Wachstumsfelder Zunahme der Bevoumll-kerung ungesaumlttigte Maumlrkte neue Aufbauphasen unbegrenzte Ressourcen Sind diese Felder offen kann es ein notwendiges und vertraumlgliches Wachsen geben zB beim Aufbau im Nachkriegs-deutschland oder in den Entwicklungslaumlndern

Sind diese Wachstumsfelder zunehmend erschoumlpft oder gesaumlttigt muumlssen richtigerweise das Wachstum und damit die Zunahme an Guumltern und Dienstleistungen stagnieren Da das aber dasheute vorherrschende Wachstumstreben nicht ertragen kann sondern die staumlndige Steigerung des Wachstums als Kriterium fuumlr das Wohlergehen einer Gesellschaft ansieht versucht es wie wir wei-ter unten sehen werden (S6) mit allen Mitteln die sich erschoumlpfenden Wachstumsfelder aufzurei-szligen Doch ein Akzeptieren dieser Wachstumsgrenzen wuumlrde uumlberhaupt nicht das Ende oder den Niedergang von Entwicklung und Wertschoumlpfung bedeuten vielmehr wuumlrde sich die Wirtschafts-entwicklung auf ein vertraumlgliches Maszlig einpendeln Es kaumlme im Mittelwert zu einem bdquoNullwachs-tumldquo Hier wird im Prinzip nur der Verbrauch oder Verlust an Guumltern reproduziert Wie wir im letz-ten Abschnitt genauer sehen werden (S15f) geht so eine Wachstumsoumlkonomie in eine Postwachs-

5 Grafik nach Institut fuumlr Wachstumsstudien6 nach Kenneths S Deffeyes in taz vom 2411 2005 S12

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tums- und Gleichgewichtsoumlkonomie uumlber in der sich Wohlfahrt und Lebensqualitaumlt durchaus und besser als in einer zwanghaften Wachstumsoumlkonomie weiterentwickeln koumlnnen

(3) Die Untauglichkeit des BIP zur Bemessung der Wohlfahrt

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsaumltze an Guumltern und Dienstleistungen (minus Vorleistungen und Importe) in Geldwerten Dies kann die tatsaumlchlichen Zuwaumlchse messen Das Paradoxe aber ist dass das BIP auch durch Naturkatastrophen und Kriege waumlchst sofern es hier zu neuen Aufbauhandlungen kommt obwohl tatsaumlchlich keinerlei reales Wachstum an Lebensqualitaumlt gegenuumlber dem urspruumlnglichen Zustand erreicht wurde Dagegen misst das BIP eine oumlkologisch sinnvolle material- und energiesparende Effizienz als ruumlcklaumlufiges Wachstum zB die Produktion eines material- und energiesparenden AutosUnd vor allem wird die qualitative Entwicklung des Lebens und der Gesellschaft nicht mit dem BIP erfasst Viele Studien der Gluumlcksforschung der Sozialpsychologie ua zeigen dass die Lebenszu-friedenheit nicht mit dem BIP zusammenlaumluft Ein steigendes BIP bedeutet weder automatisch die Steigerung des materiellen Wohlstands aller noch eine Zunahme der Lebenszufriedenheit Diese nimmt nach dem Erreichen eines mittleren Einkommens in der Regel nicht zu Sie ist vielmehr von anderen Faktoren wie Gesundheit sozialen Beziehungen Sinnfindung gesunder Umwelt usw ab-haumlngig

So hat sich in Deutschland die Lebenszufriedenheit im Verhaumlltnis zum Wirtschaftswachstum deut-lich auseinanderentwickelt7

Die Lebenszufriedenheit ist in Laumlndern wie Costa Rica Daumlnemark Skandinavien Island ua houmlher als in bestimmten Laumlndern mit einem houmlheren BIP wie in den USA und in Deutschland Seit 1990 werden von der UNO und seit 2013 von der Enquetekommission der BRD bdquoWachstum Wohlstand Lebensqualitaumltldquo neue Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren gefordert die nicht nur das BIP sondern auch die sozialen kulturellen und oumlkologischen Faktoren einbeziehen (zB mit einem Nationaler Wohlfahrtsindex Human Development Index Happy-Planet-Index Brutto-Sozialindex ua)8 Doch Politik und Wirtschaft starren nach wie vor auf das BIP und sind so unfauml-

7 Grafik Zentrum fuumlr gesellschaftlichen Fortschritt 2012 wwwstifterverbanddeoekonomie8 Ausfuumlhrlich in bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 112ff vgl wwwgluecksforschung de

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hig einen qualitativen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex als Leitschnur allen Wirtschaftens durchzu-setzen

3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlko-nomie

In den hochentwickelten Volkswirtschaften sind die Wachstumsfelder in der Tendenz nahezu er-schoumlpft oder mindestens sehr eng geworden es gibt kein Bevoumllkerungswachstum die groszligen Auf-bauphasen sind bewaumlltigt die Maumlrkte sind weitgehend gesaumlttigt In Deutschland und aumlhnlichen Wohlstandslaumlndern leben wir eher in einer Uumlberfluss- und Wegwerfgesellschaft in der ein staumlndiges weiteres Wachstum an Guumltern regelrecht absurd ist ndash zumal wir mit unserer Produktion und Le-bensweise die Belastbarkeit des Oumlkosystem weit uumlberschritten haben und in vielen Bereichen auf Kosten anderer Laumlnder unsere Wohlstand sichern Die Entwicklung einer Erhaltungswirtschaft die nur den Verbrauch reproduziert und die Uumlberlastung der Ressourcen beendet waumlre noumltig und moumlg-lich

Da aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise systemisch bedingt ohne Wachstum nicht leben kannversucht sie mit allen erdenklichen Mitteln die begrenzten Wachstumsfelder neu aufzubrechen Dies geschieht durch verschiedene Strategien durch Wachstumsoffensiven nach innen und nach auszligen

Nach innen geschieht es vor allem durch

bull Entsaumlttigung der annaumlhernd gesaumlttigten Maumlrkte durch das Einsuggerieren neuer und groumlszligerer Beduumlrfnisse mittels psychologisch raffiniert eingesetzter zum Kaufen verfuumlhrender Werbungund Konsummarketing die zur Werteverirrung des Konsumismus fuumlhren 9

bull Produktivitaumltssteigerung Rationalisierung Arbeitsplatzabbau (bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo) Draumlngen in Niedrigstloumlhne und nichtregulaumlre Arbeitsplaumltze (Zeitarbeit uauml) um durch billigere Produkte zum weiteren Kaufen zu animieren und zugleich Konkurrenten auszuschalten

bull Externalisieren (Abschieben) von oumlkonomisch verursachten sozialen und oumlkologischen Kosten auf die Allgemeinheit den Staat den Steuerzahler bdquoGewinne privatisieren Kosten sozialisie-renldquo ndash dies vor allem durch das Sozialsystem des Staates So werden mit Harz IV und anderen sozialen Subventionen die Kaufkraft wieder erhoumlht und Maumlrkte offen gehalten Aumlhnliches ge-schah zB mit der Abwrackpraumlmie fuumlr Autos oder mit der Rettung systemrelevanter Banken und Unternehmen

bull Aufnehmen von Staatsverschuldung fuumlr Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Das Offenhalten der Wachstumsfelder geschieht heute vor allem nach auszligen durch die neoliberale Globalisierung der Wirtschaft

bull Durch Eroberung neuer Maumlrkte in weniger entwickelten Laumlndern so wurden 2012 41 des BIP oder jeder 4 Arbeitsplatz in Deutschland durch Exporte erzeugt10

bull Durch Verlagerung von Produktion und Arbeitsplaumltzen in bdquoBilliglohnlaumlnderldquo in denen die sozia-len und oumlkologischen Standards wesentlich niedriger sind und teils unter sklavenartigen Arbeits-bedingungen sehr billig produziert wird

9 Dies sehr aufschlussreich dargestellt in Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 199510 Statistisches Bundesamt Internet unter bdquoExportquoteldquo Bundeszentrale politische Bildung unter bdquoAuszligenhandelldquo ZahrntSeidl bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo S168

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 3: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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2 Die Wachstumsirrtuumlmer unserer Zeit

Die Behauptung dass unsere Wirtschaftsweise von groszligen Wachstumsirrtuumlmern gekennzeichnet ist mag vermessen klingen Und doch lassen sich auf drei Ebenen groszlige Unklarheiten und Verwechs-lungen im Verstaumlndnis dessen was Wirtschaftswachstum eigentlich ist und wie es funktioniert auf-zeigen

(1) Die Verwechslung von Wirtschaftsleistung und Wirtschaftswachstum

Die vorherrschende Meinung in Politik Wirtschaft und Bevoumllkerung besagt dass die Wirtschafts-leistung eines Landes am Wirtschaftswachstum abzulesen sei Dass es in den Nachkriegsjahren in Deutschland ein Wachstum von 8-10 des Bruttoinlandprodukts (BIP) gab und heute in China und anderen Entwicklungsstaaten ebenfalls ein Wachstum von 5-10 gibt wird als groszlige Wirtschafts-leistung gewertet Dass dagegen heute in Deutschland und in anderen hochentwickelten Industrie-staaten das Wachstum auf 1-2 abgesunken ist wird als Wachstumsabschwaumlchung und Nieder-gang gewertet Darum das bdquoWachstumsbeschleunigungsgesetzldquo der Bundesregierung darum die Zielvorgabe der EU wieder auf 3 Wachstum zu kommen und der Wunsch der Wirtschaft moumlg-lichst ein jaumlhrliches Wachsen von 3 - 4 und mehr zu erreichen

Der Irrtum besteht darin dass das Sinken der Wachstumsrate mit einem Ruumlckgang an Wirtschafts-leistung gleichgesetzt wird Dem ist aber uumlberhaupt nicht so Um das zu verstehen muss zwischen Wachstums-Rate und Wachstums-Groumlszlige unterschieden wer-den die Wachstumsgroumlszlige gibt den Betrag des Wachstums in absoluter Zahl an (zB Stuumlckzahl) die Wachstumsrate gibt den Wachstumsanstieg die Zunahme des Wachstums in Prozent an Und es muumlssen drei Wachstumsarten unterschieden werden

a) Lineares Wachstum ist ein gleichmaumlszligiges Wachsen immer um den gleichen Betrag (Stuumlckzahl) Beispiel Die PKW-Produktion waumlchst von 1 Million ausgehend jaumlhrlich um 100000 nach 10 Jahren gibt es 2 Millionen nach 20 Jahren 3 Mil PKWb) Exponentielles Wachstum ist ein ansteigendes Wachs-tum bei dem der Bestand um einen bestimmten Prozent-satz zunimmt und die Zuwaumlchse in den jeweils neuen So-ckelbetrag eingehen Beispiel Die PKW-Produktion waumlchst von 1 Million ausgehend jaumlhrlich um 10 nach 7Jahren gibt es reichlich 2 Millionen nach 20 Jahren 673Millionen PKW (Verdopplungsformel 72)c) Natuumlrliches Wachstum ist ein Vorgang wie ihn die Natur vorgibt Ein Baum eine Pflanze waumlchst anfangs mit steigenden Zuwaumlchsen (exponentiell) dann in gleichen Zuwaumlchsen (linear) er houmlrt bei einem Optimum auf zu wachsen geht in eine Reife- bzw Fruchtphase uumlber baut sich dann wieder ab stirbt und sich damit der naumlchsten Generation als neue Lebensgrundlage

Dass ein Sinken der Wachstumsrate immer ein Ruumlckgang an Wirtschaftsleistung sein muss wi-derlegt zB die Entwicklung in Deutschland

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bull In Deutschland ist die Wachstumsrate von 1951 bis 2011 von etwa 8-10 auf etwa 1-2 gesunken Doch ist die Wirtschaftsleistunglinear stetig gestiegen das BIP lag 1951 um-gerechnet bei etwa 250 Mrd euro um 2011 bei etwa 2500 Mrd euro Die Wirtschaftsleistung ist bei fallender Wachstumsrate um das Zehnfa-che gestiegen5

Weder in der Natur noch in Gesellschaft Kultur und Wirtschaft (noch im gesamten Kosmos)gibt es ein unendliches exponentielles oder auch nur lineares Wachstum Jedes Wachstum geht ir-gendwann in die Bewegung des natuumlrlichen Wachstums uumlber

Der amerikanische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E Boulding stellt fest bdquoJeder der glaubt dass exponentielles Wachstum fuumlr immer weitergehen kann in einer endlichen Welt ist entweder ein Verruumlckter oder ein Oumlkonomldquo 6 ndash ein bdquoverruumlckterldquo Oumlkonom oder Politiker weil er in einem irregeleiteten Wachstumsverstaumlndnis gefangen ist und gegen das Gebot wissenschaftlichen Arbeit die eigenen Denkvoraussetzungen nicht hinterfragt

(2) Das Nichtverstehen begrenzter Wachstumsfelder

Wirtschaftswachstum gibt es idealtypisch nicht ohne offene Wachstumsfelder Zunahme der Bevoumll-kerung ungesaumlttigte Maumlrkte neue Aufbauphasen unbegrenzte Ressourcen Sind diese Felder offen kann es ein notwendiges und vertraumlgliches Wachsen geben zB beim Aufbau im Nachkriegs-deutschland oder in den Entwicklungslaumlndern

Sind diese Wachstumsfelder zunehmend erschoumlpft oder gesaumlttigt muumlssen richtigerweise das Wachstum und damit die Zunahme an Guumltern und Dienstleistungen stagnieren Da das aber dasheute vorherrschende Wachstumstreben nicht ertragen kann sondern die staumlndige Steigerung des Wachstums als Kriterium fuumlr das Wohlergehen einer Gesellschaft ansieht versucht es wie wir wei-ter unten sehen werden (S6) mit allen Mitteln die sich erschoumlpfenden Wachstumsfelder aufzurei-szligen Doch ein Akzeptieren dieser Wachstumsgrenzen wuumlrde uumlberhaupt nicht das Ende oder den Niedergang von Entwicklung und Wertschoumlpfung bedeuten vielmehr wuumlrde sich die Wirtschafts-entwicklung auf ein vertraumlgliches Maszlig einpendeln Es kaumlme im Mittelwert zu einem bdquoNullwachs-tumldquo Hier wird im Prinzip nur der Verbrauch oder Verlust an Guumltern reproduziert Wie wir im letz-ten Abschnitt genauer sehen werden (S15f) geht so eine Wachstumsoumlkonomie in eine Postwachs-

5 Grafik nach Institut fuumlr Wachstumsstudien6 nach Kenneths S Deffeyes in taz vom 2411 2005 S12

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tums- und Gleichgewichtsoumlkonomie uumlber in der sich Wohlfahrt und Lebensqualitaumlt durchaus und besser als in einer zwanghaften Wachstumsoumlkonomie weiterentwickeln koumlnnen

(3) Die Untauglichkeit des BIP zur Bemessung der Wohlfahrt

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsaumltze an Guumltern und Dienstleistungen (minus Vorleistungen und Importe) in Geldwerten Dies kann die tatsaumlchlichen Zuwaumlchse messen Das Paradoxe aber ist dass das BIP auch durch Naturkatastrophen und Kriege waumlchst sofern es hier zu neuen Aufbauhandlungen kommt obwohl tatsaumlchlich keinerlei reales Wachstum an Lebensqualitaumlt gegenuumlber dem urspruumlnglichen Zustand erreicht wurde Dagegen misst das BIP eine oumlkologisch sinnvolle material- und energiesparende Effizienz als ruumlcklaumlufiges Wachstum zB die Produktion eines material- und energiesparenden AutosUnd vor allem wird die qualitative Entwicklung des Lebens und der Gesellschaft nicht mit dem BIP erfasst Viele Studien der Gluumlcksforschung der Sozialpsychologie ua zeigen dass die Lebenszu-friedenheit nicht mit dem BIP zusammenlaumluft Ein steigendes BIP bedeutet weder automatisch die Steigerung des materiellen Wohlstands aller noch eine Zunahme der Lebenszufriedenheit Diese nimmt nach dem Erreichen eines mittleren Einkommens in der Regel nicht zu Sie ist vielmehr von anderen Faktoren wie Gesundheit sozialen Beziehungen Sinnfindung gesunder Umwelt usw ab-haumlngig

So hat sich in Deutschland die Lebenszufriedenheit im Verhaumlltnis zum Wirtschaftswachstum deut-lich auseinanderentwickelt7

Die Lebenszufriedenheit ist in Laumlndern wie Costa Rica Daumlnemark Skandinavien Island ua houmlher als in bestimmten Laumlndern mit einem houmlheren BIP wie in den USA und in Deutschland Seit 1990 werden von der UNO und seit 2013 von der Enquetekommission der BRD bdquoWachstum Wohlstand Lebensqualitaumltldquo neue Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren gefordert die nicht nur das BIP sondern auch die sozialen kulturellen und oumlkologischen Faktoren einbeziehen (zB mit einem Nationaler Wohlfahrtsindex Human Development Index Happy-Planet-Index Brutto-Sozialindex ua)8 Doch Politik und Wirtschaft starren nach wie vor auf das BIP und sind so unfauml-

7 Grafik Zentrum fuumlr gesellschaftlichen Fortschritt 2012 wwwstifterverbanddeoekonomie8 Ausfuumlhrlich in bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 112ff vgl wwwgluecksforschung de

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hig einen qualitativen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex als Leitschnur allen Wirtschaftens durchzu-setzen

3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlko-nomie

In den hochentwickelten Volkswirtschaften sind die Wachstumsfelder in der Tendenz nahezu er-schoumlpft oder mindestens sehr eng geworden es gibt kein Bevoumllkerungswachstum die groszligen Auf-bauphasen sind bewaumlltigt die Maumlrkte sind weitgehend gesaumlttigt In Deutschland und aumlhnlichen Wohlstandslaumlndern leben wir eher in einer Uumlberfluss- und Wegwerfgesellschaft in der ein staumlndiges weiteres Wachstum an Guumltern regelrecht absurd ist ndash zumal wir mit unserer Produktion und Le-bensweise die Belastbarkeit des Oumlkosystem weit uumlberschritten haben und in vielen Bereichen auf Kosten anderer Laumlnder unsere Wohlstand sichern Die Entwicklung einer Erhaltungswirtschaft die nur den Verbrauch reproduziert und die Uumlberlastung der Ressourcen beendet waumlre noumltig und moumlg-lich

Da aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise systemisch bedingt ohne Wachstum nicht leben kannversucht sie mit allen erdenklichen Mitteln die begrenzten Wachstumsfelder neu aufzubrechen Dies geschieht durch verschiedene Strategien durch Wachstumsoffensiven nach innen und nach auszligen

Nach innen geschieht es vor allem durch

bull Entsaumlttigung der annaumlhernd gesaumlttigten Maumlrkte durch das Einsuggerieren neuer und groumlszligerer Beduumlrfnisse mittels psychologisch raffiniert eingesetzter zum Kaufen verfuumlhrender Werbungund Konsummarketing die zur Werteverirrung des Konsumismus fuumlhren 9

bull Produktivitaumltssteigerung Rationalisierung Arbeitsplatzabbau (bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo) Draumlngen in Niedrigstloumlhne und nichtregulaumlre Arbeitsplaumltze (Zeitarbeit uauml) um durch billigere Produkte zum weiteren Kaufen zu animieren und zugleich Konkurrenten auszuschalten

bull Externalisieren (Abschieben) von oumlkonomisch verursachten sozialen und oumlkologischen Kosten auf die Allgemeinheit den Staat den Steuerzahler bdquoGewinne privatisieren Kosten sozialisie-renldquo ndash dies vor allem durch das Sozialsystem des Staates So werden mit Harz IV und anderen sozialen Subventionen die Kaufkraft wieder erhoumlht und Maumlrkte offen gehalten Aumlhnliches ge-schah zB mit der Abwrackpraumlmie fuumlr Autos oder mit der Rettung systemrelevanter Banken und Unternehmen

bull Aufnehmen von Staatsverschuldung fuumlr Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Das Offenhalten der Wachstumsfelder geschieht heute vor allem nach auszligen durch die neoliberale Globalisierung der Wirtschaft

bull Durch Eroberung neuer Maumlrkte in weniger entwickelten Laumlndern so wurden 2012 41 des BIP oder jeder 4 Arbeitsplatz in Deutschland durch Exporte erzeugt10

bull Durch Verlagerung von Produktion und Arbeitsplaumltzen in bdquoBilliglohnlaumlnderldquo in denen die sozia-len und oumlkologischen Standards wesentlich niedriger sind und teils unter sklavenartigen Arbeits-bedingungen sehr billig produziert wird

9 Dies sehr aufschlussreich dargestellt in Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 199510 Statistisches Bundesamt Internet unter bdquoExportquoteldquo Bundeszentrale politische Bildung unter bdquoAuszligenhandelldquo ZahrntSeidl bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo S168

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 4: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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bull In Deutschland ist die Wachstumsrate von 1951 bis 2011 von etwa 8-10 auf etwa 1-2 gesunken Doch ist die Wirtschaftsleistunglinear stetig gestiegen das BIP lag 1951 um-gerechnet bei etwa 250 Mrd euro um 2011 bei etwa 2500 Mrd euro Die Wirtschaftsleistung ist bei fallender Wachstumsrate um das Zehnfa-che gestiegen5

Weder in der Natur noch in Gesellschaft Kultur und Wirtschaft (noch im gesamten Kosmos)gibt es ein unendliches exponentielles oder auch nur lineares Wachstum Jedes Wachstum geht ir-gendwann in die Bewegung des natuumlrlichen Wachstums uumlber

Der amerikanische Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Kenneth E Boulding stellt fest bdquoJeder der glaubt dass exponentielles Wachstum fuumlr immer weitergehen kann in einer endlichen Welt ist entweder ein Verruumlckter oder ein Oumlkonomldquo 6 ndash ein bdquoverruumlckterldquo Oumlkonom oder Politiker weil er in einem irregeleiteten Wachstumsverstaumlndnis gefangen ist und gegen das Gebot wissenschaftlichen Arbeit die eigenen Denkvoraussetzungen nicht hinterfragt

(2) Das Nichtverstehen begrenzter Wachstumsfelder

Wirtschaftswachstum gibt es idealtypisch nicht ohne offene Wachstumsfelder Zunahme der Bevoumll-kerung ungesaumlttigte Maumlrkte neue Aufbauphasen unbegrenzte Ressourcen Sind diese Felder offen kann es ein notwendiges und vertraumlgliches Wachsen geben zB beim Aufbau im Nachkriegs-deutschland oder in den Entwicklungslaumlndern

Sind diese Wachstumsfelder zunehmend erschoumlpft oder gesaumlttigt muumlssen richtigerweise das Wachstum und damit die Zunahme an Guumltern und Dienstleistungen stagnieren Da das aber dasheute vorherrschende Wachstumstreben nicht ertragen kann sondern die staumlndige Steigerung des Wachstums als Kriterium fuumlr das Wohlergehen einer Gesellschaft ansieht versucht es wie wir wei-ter unten sehen werden (S6) mit allen Mitteln die sich erschoumlpfenden Wachstumsfelder aufzurei-szligen Doch ein Akzeptieren dieser Wachstumsgrenzen wuumlrde uumlberhaupt nicht das Ende oder den Niedergang von Entwicklung und Wertschoumlpfung bedeuten vielmehr wuumlrde sich die Wirtschafts-entwicklung auf ein vertraumlgliches Maszlig einpendeln Es kaumlme im Mittelwert zu einem bdquoNullwachs-tumldquo Hier wird im Prinzip nur der Verbrauch oder Verlust an Guumltern reproduziert Wie wir im letz-ten Abschnitt genauer sehen werden (S15f) geht so eine Wachstumsoumlkonomie in eine Postwachs-

5 Grafik nach Institut fuumlr Wachstumsstudien6 nach Kenneths S Deffeyes in taz vom 2411 2005 S12

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tums- und Gleichgewichtsoumlkonomie uumlber in der sich Wohlfahrt und Lebensqualitaumlt durchaus und besser als in einer zwanghaften Wachstumsoumlkonomie weiterentwickeln koumlnnen

(3) Die Untauglichkeit des BIP zur Bemessung der Wohlfahrt

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsaumltze an Guumltern und Dienstleistungen (minus Vorleistungen und Importe) in Geldwerten Dies kann die tatsaumlchlichen Zuwaumlchse messen Das Paradoxe aber ist dass das BIP auch durch Naturkatastrophen und Kriege waumlchst sofern es hier zu neuen Aufbauhandlungen kommt obwohl tatsaumlchlich keinerlei reales Wachstum an Lebensqualitaumlt gegenuumlber dem urspruumlnglichen Zustand erreicht wurde Dagegen misst das BIP eine oumlkologisch sinnvolle material- und energiesparende Effizienz als ruumlcklaumlufiges Wachstum zB die Produktion eines material- und energiesparenden AutosUnd vor allem wird die qualitative Entwicklung des Lebens und der Gesellschaft nicht mit dem BIP erfasst Viele Studien der Gluumlcksforschung der Sozialpsychologie ua zeigen dass die Lebenszu-friedenheit nicht mit dem BIP zusammenlaumluft Ein steigendes BIP bedeutet weder automatisch die Steigerung des materiellen Wohlstands aller noch eine Zunahme der Lebenszufriedenheit Diese nimmt nach dem Erreichen eines mittleren Einkommens in der Regel nicht zu Sie ist vielmehr von anderen Faktoren wie Gesundheit sozialen Beziehungen Sinnfindung gesunder Umwelt usw ab-haumlngig

So hat sich in Deutschland die Lebenszufriedenheit im Verhaumlltnis zum Wirtschaftswachstum deut-lich auseinanderentwickelt7

Die Lebenszufriedenheit ist in Laumlndern wie Costa Rica Daumlnemark Skandinavien Island ua houmlher als in bestimmten Laumlndern mit einem houmlheren BIP wie in den USA und in Deutschland Seit 1990 werden von der UNO und seit 2013 von der Enquetekommission der BRD bdquoWachstum Wohlstand Lebensqualitaumltldquo neue Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren gefordert die nicht nur das BIP sondern auch die sozialen kulturellen und oumlkologischen Faktoren einbeziehen (zB mit einem Nationaler Wohlfahrtsindex Human Development Index Happy-Planet-Index Brutto-Sozialindex ua)8 Doch Politik und Wirtschaft starren nach wie vor auf das BIP und sind so unfauml-

7 Grafik Zentrum fuumlr gesellschaftlichen Fortschritt 2012 wwwstifterverbanddeoekonomie8 Ausfuumlhrlich in bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 112ff vgl wwwgluecksforschung de

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hig einen qualitativen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex als Leitschnur allen Wirtschaftens durchzu-setzen

3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlko-nomie

In den hochentwickelten Volkswirtschaften sind die Wachstumsfelder in der Tendenz nahezu er-schoumlpft oder mindestens sehr eng geworden es gibt kein Bevoumllkerungswachstum die groszligen Auf-bauphasen sind bewaumlltigt die Maumlrkte sind weitgehend gesaumlttigt In Deutschland und aumlhnlichen Wohlstandslaumlndern leben wir eher in einer Uumlberfluss- und Wegwerfgesellschaft in der ein staumlndiges weiteres Wachstum an Guumltern regelrecht absurd ist ndash zumal wir mit unserer Produktion und Le-bensweise die Belastbarkeit des Oumlkosystem weit uumlberschritten haben und in vielen Bereichen auf Kosten anderer Laumlnder unsere Wohlstand sichern Die Entwicklung einer Erhaltungswirtschaft die nur den Verbrauch reproduziert und die Uumlberlastung der Ressourcen beendet waumlre noumltig und moumlg-lich

Da aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise systemisch bedingt ohne Wachstum nicht leben kannversucht sie mit allen erdenklichen Mitteln die begrenzten Wachstumsfelder neu aufzubrechen Dies geschieht durch verschiedene Strategien durch Wachstumsoffensiven nach innen und nach auszligen

Nach innen geschieht es vor allem durch

bull Entsaumlttigung der annaumlhernd gesaumlttigten Maumlrkte durch das Einsuggerieren neuer und groumlszligerer Beduumlrfnisse mittels psychologisch raffiniert eingesetzter zum Kaufen verfuumlhrender Werbungund Konsummarketing die zur Werteverirrung des Konsumismus fuumlhren 9

bull Produktivitaumltssteigerung Rationalisierung Arbeitsplatzabbau (bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo) Draumlngen in Niedrigstloumlhne und nichtregulaumlre Arbeitsplaumltze (Zeitarbeit uauml) um durch billigere Produkte zum weiteren Kaufen zu animieren und zugleich Konkurrenten auszuschalten

bull Externalisieren (Abschieben) von oumlkonomisch verursachten sozialen und oumlkologischen Kosten auf die Allgemeinheit den Staat den Steuerzahler bdquoGewinne privatisieren Kosten sozialisie-renldquo ndash dies vor allem durch das Sozialsystem des Staates So werden mit Harz IV und anderen sozialen Subventionen die Kaufkraft wieder erhoumlht und Maumlrkte offen gehalten Aumlhnliches ge-schah zB mit der Abwrackpraumlmie fuumlr Autos oder mit der Rettung systemrelevanter Banken und Unternehmen

bull Aufnehmen von Staatsverschuldung fuumlr Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Das Offenhalten der Wachstumsfelder geschieht heute vor allem nach auszligen durch die neoliberale Globalisierung der Wirtschaft

bull Durch Eroberung neuer Maumlrkte in weniger entwickelten Laumlndern so wurden 2012 41 des BIP oder jeder 4 Arbeitsplatz in Deutschland durch Exporte erzeugt10

bull Durch Verlagerung von Produktion und Arbeitsplaumltzen in bdquoBilliglohnlaumlnderldquo in denen die sozia-len und oumlkologischen Standards wesentlich niedriger sind und teils unter sklavenartigen Arbeits-bedingungen sehr billig produziert wird

9 Dies sehr aufschlussreich dargestellt in Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 199510 Statistisches Bundesamt Internet unter bdquoExportquoteldquo Bundeszentrale politische Bildung unter bdquoAuszligenhandelldquo ZahrntSeidl bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo S168

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

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5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 5: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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tums- und Gleichgewichtsoumlkonomie uumlber in der sich Wohlfahrt und Lebensqualitaumlt durchaus und besser als in einer zwanghaften Wachstumsoumlkonomie weiterentwickeln koumlnnen

(3) Die Untauglichkeit des BIP zur Bemessung der Wohlfahrt

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) misst rein quantitativ die wirtschaftlichen Umsaumltze an Guumltern und Dienstleistungen (minus Vorleistungen und Importe) in Geldwerten Dies kann die tatsaumlchlichen Zuwaumlchse messen Das Paradoxe aber ist dass das BIP auch durch Naturkatastrophen und Kriege waumlchst sofern es hier zu neuen Aufbauhandlungen kommt obwohl tatsaumlchlich keinerlei reales Wachstum an Lebensqualitaumlt gegenuumlber dem urspruumlnglichen Zustand erreicht wurde Dagegen misst das BIP eine oumlkologisch sinnvolle material- und energiesparende Effizienz als ruumlcklaumlufiges Wachstum zB die Produktion eines material- und energiesparenden AutosUnd vor allem wird die qualitative Entwicklung des Lebens und der Gesellschaft nicht mit dem BIP erfasst Viele Studien der Gluumlcksforschung der Sozialpsychologie ua zeigen dass die Lebenszu-friedenheit nicht mit dem BIP zusammenlaumluft Ein steigendes BIP bedeutet weder automatisch die Steigerung des materiellen Wohlstands aller noch eine Zunahme der Lebenszufriedenheit Diese nimmt nach dem Erreichen eines mittleren Einkommens in der Regel nicht zu Sie ist vielmehr von anderen Faktoren wie Gesundheit sozialen Beziehungen Sinnfindung gesunder Umwelt usw ab-haumlngig

So hat sich in Deutschland die Lebenszufriedenheit im Verhaumlltnis zum Wirtschaftswachstum deut-lich auseinanderentwickelt7

Die Lebenszufriedenheit ist in Laumlndern wie Costa Rica Daumlnemark Skandinavien Island ua houmlher als in bestimmten Laumlndern mit einem houmlheren BIP wie in den USA und in Deutschland Seit 1990 werden von der UNO und seit 2013 von der Enquetekommission der BRD bdquoWachstum Wohlstand Lebensqualitaumltldquo neue Wohlstands- und Fortschrittsindikatoren gefordert die nicht nur das BIP sondern auch die sozialen kulturellen und oumlkologischen Faktoren einbeziehen (zB mit einem Nationaler Wohlfahrtsindex Human Development Index Happy-Planet-Index Brutto-Sozialindex ua)8 Doch Politik und Wirtschaft starren nach wie vor auf das BIP und sind so unfauml-

7 Grafik Zentrum fuumlr gesellschaftlichen Fortschritt 2012 wwwstifterverbanddeoekonomie8 Ausfuumlhrlich in bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 112ff vgl wwwgluecksforschung de

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hig einen qualitativen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex als Leitschnur allen Wirtschaftens durchzu-setzen

3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlko-nomie

In den hochentwickelten Volkswirtschaften sind die Wachstumsfelder in der Tendenz nahezu er-schoumlpft oder mindestens sehr eng geworden es gibt kein Bevoumllkerungswachstum die groszligen Auf-bauphasen sind bewaumlltigt die Maumlrkte sind weitgehend gesaumlttigt In Deutschland und aumlhnlichen Wohlstandslaumlndern leben wir eher in einer Uumlberfluss- und Wegwerfgesellschaft in der ein staumlndiges weiteres Wachstum an Guumltern regelrecht absurd ist ndash zumal wir mit unserer Produktion und Le-bensweise die Belastbarkeit des Oumlkosystem weit uumlberschritten haben und in vielen Bereichen auf Kosten anderer Laumlnder unsere Wohlstand sichern Die Entwicklung einer Erhaltungswirtschaft die nur den Verbrauch reproduziert und die Uumlberlastung der Ressourcen beendet waumlre noumltig und moumlg-lich

Da aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise systemisch bedingt ohne Wachstum nicht leben kannversucht sie mit allen erdenklichen Mitteln die begrenzten Wachstumsfelder neu aufzubrechen Dies geschieht durch verschiedene Strategien durch Wachstumsoffensiven nach innen und nach auszligen

Nach innen geschieht es vor allem durch

bull Entsaumlttigung der annaumlhernd gesaumlttigten Maumlrkte durch das Einsuggerieren neuer und groumlszligerer Beduumlrfnisse mittels psychologisch raffiniert eingesetzter zum Kaufen verfuumlhrender Werbungund Konsummarketing die zur Werteverirrung des Konsumismus fuumlhren 9

bull Produktivitaumltssteigerung Rationalisierung Arbeitsplatzabbau (bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo) Draumlngen in Niedrigstloumlhne und nichtregulaumlre Arbeitsplaumltze (Zeitarbeit uauml) um durch billigere Produkte zum weiteren Kaufen zu animieren und zugleich Konkurrenten auszuschalten

bull Externalisieren (Abschieben) von oumlkonomisch verursachten sozialen und oumlkologischen Kosten auf die Allgemeinheit den Staat den Steuerzahler bdquoGewinne privatisieren Kosten sozialisie-renldquo ndash dies vor allem durch das Sozialsystem des Staates So werden mit Harz IV und anderen sozialen Subventionen die Kaufkraft wieder erhoumlht und Maumlrkte offen gehalten Aumlhnliches ge-schah zB mit der Abwrackpraumlmie fuumlr Autos oder mit der Rettung systemrelevanter Banken und Unternehmen

bull Aufnehmen von Staatsverschuldung fuumlr Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Das Offenhalten der Wachstumsfelder geschieht heute vor allem nach auszligen durch die neoliberale Globalisierung der Wirtschaft

bull Durch Eroberung neuer Maumlrkte in weniger entwickelten Laumlndern so wurden 2012 41 des BIP oder jeder 4 Arbeitsplatz in Deutschland durch Exporte erzeugt10

bull Durch Verlagerung von Produktion und Arbeitsplaumltzen in bdquoBilliglohnlaumlnderldquo in denen die sozia-len und oumlkologischen Standards wesentlich niedriger sind und teils unter sklavenartigen Arbeits-bedingungen sehr billig produziert wird

9 Dies sehr aufschlussreich dargestellt in Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 199510 Statistisches Bundesamt Internet unter bdquoExportquoteldquo Bundeszentrale politische Bildung unter bdquoAuszligenhandelldquo ZahrntSeidl bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo S168

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 6: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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hig einen qualitativen ganzheitlichen Wohlfahrtsindex als Leitschnur allen Wirtschaftens durchzu-setzen

3 Die Krisenentwicklung und Sackgasse der kapitalistischen Wachstumsoumlko-nomie

In den hochentwickelten Volkswirtschaften sind die Wachstumsfelder in der Tendenz nahezu er-schoumlpft oder mindestens sehr eng geworden es gibt kein Bevoumllkerungswachstum die groszligen Auf-bauphasen sind bewaumlltigt die Maumlrkte sind weitgehend gesaumlttigt In Deutschland und aumlhnlichen Wohlstandslaumlndern leben wir eher in einer Uumlberfluss- und Wegwerfgesellschaft in der ein staumlndiges weiteres Wachstum an Guumltern regelrecht absurd ist ndash zumal wir mit unserer Produktion und Le-bensweise die Belastbarkeit des Oumlkosystem weit uumlberschritten haben und in vielen Bereichen auf Kosten anderer Laumlnder unsere Wohlstand sichern Die Entwicklung einer Erhaltungswirtschaft die nur den Verbrauch reproduziert und die Uumlberlastung der Ressourcen beendet waumlre noumltig und moumlg-lich

Da aber eine kapitalistische Wirtschaftsweise systemisch bedingt ohne Wachstum nicht leben kannversucht sie mit allen erdenklichen Mitteln die begrenzten Wachstumsfelder neu aufzubrechen Dies geschieht durch verschiedene Strategien durch Wachstumsoffensiven nach innen und nach auszligen

Nach innen geschieht es vor allem durch

bull Entsaumlttigung der annaumlhernd gesaumlttigten Maumlrkte durch das Einsuggerieren neuer und groumlszligerer Beduumlrfnisse mittels psychologisch raffiniert eingesetzter zum Kaufen verfuumlhrender Werbungund Konsummarketing die zur Werteverirrung des Konsumismus fuumlhren 9

bull Produktivitaumltssteigerung Rationalisierung Arbeitsplatzabbau (bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo) Draumlngen in Niedrigstloumlhne und nichtregulaumlre Arbeitsplaumltze (Zeitarbeit uauml) um durch billigere Produkte zum weiteren Kaufen zu animieren und zugleich Konkurrenten auszuschalten

bull Externalisieren (Abschieben) von oumlkonomisch verursachten sozialen und oumlkologischen Kosten auf die Allgemeinheit den Staat den Steuerzahler bdquoGewinne privatisieren Kosten sozialisie-renldquo ndash dies vor allem durch das Sozialsystem des Staates So werden mit Harz IV und anderen sozialen Subventionen die Kaufkraft wieder erhoumlht und Maumlrkte offen gehalten Aumlhnliches ge-schah zB mit der Abwrackpraumlmie fuumlr Autos oder mit der Rettung systemrelevanter Banken und Unternehmen

bull Aufnehmen von Staatsverschuldung fuumlr Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft

Das Offenhalten der Wachstumsfelder geschieht heute vor allem nach auszligen durch die neoliberale Globalisierung der Wirtschaft

bull Durch Eroberung neuer Maumlrkte in weniger entwickelten Laumlndern so wurden 2012 41 des BIP oder jeder 4 Arbeitsplatz in Deutschland durch Exporte erzeugt10

bull Durch Verlagerung von Produktion und Arbeitsplaumltzen in bdquoBilliglohnlaumlnderldquo in denen die sozia-len und oumlkologischen Standards wesentlich niedriger sind und teils unter sklavenartigen Arbeits-bedingungen sehr billig produziert wird

9 Dies sehr aufschlussreich dargestellt in Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 199510 Statistisches Bundesamt Internet unter bdquoExportquoteldquo Bundeszentrale politische Bildung unter bdquoAuszligenhandelldquo ZahrntSeidl bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo S168

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 7: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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bull Durch den Zusammenschluss Transnationaler Konzerne die kleinere Unternehmen vom Markt draumlngen und Politik und Wirtschaft in ihrem Sinn beherrschen koumlnnen

bull Durch eine internationale bdquoFinanzindustrieldquo die durch die spekulative Geldvermehrung und Geldabschoumlpfung die Realwirtschaft unter aumluszligersten Wachstumsdruck setzt

Dieses gewissermaszligen erzwungene Wachsen in immer engere Wachstumsfelder hinein bzw uumlber sie hinaus ist ein zerstoumlrerisches Wachsen Denn es fuumlhrt eben nicht zu einer nachhaltigen Wirt-schaft sondern in systemimmanente Krisen und Sackgassen

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung

Die oumlkologische Sackgassenentwicklung ist schon oben mit dem Hinweis auf das weltweite Uumlber-schreiten des oumlkologischen Fuszligabdrucks benannt worden

Erschreckend ist das Tempo dieser Grenzuumlberschreitung

bull Der oumlkologische Fuszligabdruck lag 1961 bei etwa 05 der Belastbarkeit unseres Planeten stieg bis 1987 auf 1 und bis 2011 auf 15 Er liegt also heute mit 50 uumlber der Belastbarkeitsgrenze11

bull In Deutschland liegt der oumlkologische Fuszligabdruck bei dem Drei- bis Vier-fachen in den USA bei dem Acht- bis Zehnfa-chen des fuumlr unsere Erde vertraumlglichen Maszliges

Das heiszligt Wenn alle Men-schen der Welt so leben wollten wie wir in Deutsch-land brauchten wir drei bis vier Erden

bull Soll das Zweigradziel eingehalten werden naumlmlich die Klimaerwaumlrmung nicht uumlber mehr als 2 Grad Celsius ansteigen zu lassen muumlsste der jaumlhrliche CO2 -Ausstoszlig der heute in Deutschland bei 11t pro Kopf liegt bis 2050 weltweit auf 2t pro Kopf gesenkt werden (in den USA liegt er heute bei 20t)

Entgegen dem Kyotoprotokoll und den Beschluumlssen verschiedener Folgekonferenzen ist der welt-weite CO2 -Ausstoszlig gegenuumlber 1990 nicht gesunken sondern steigt jaumlhrlich weiter an Wenn aber das Zweigradziel nicht eingehalten wird sondern die Erdtemperatur in den naumlchsten Jahrzehnten

11 Grafik nach bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschlandldquo S 121

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 8: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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um 4 bis 6 Grad ansteigt wuumlrde das nicht nur in oumlkologische Crashsituationen sondern auch in schwerwiegende oumlkonomische Zusammenbruumlche fuumlhren12

Mit und neben der drohenden Klimakatastrophe sind andere oumlkologische Zerstoumlrungen ebenso ge-faumlhrlich zB der Verlust von Waumlldern die den Sauerstoffgehalt unserer Atmosphaumlre produzieren Besonders dramatisch ist der immer raschere Verlust an Biodiversitaumlt der Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten

bull Nach dem Weltzustandsbericht des WWF von 2014 sind in den letzten 40 Jahren in den Tro-penwaumlldern der Erde uumlber 50 der Tier-und Pflanzenarten durch menschliche Einwirkungen ausgestorben Das ist das bdquoGroumlszligte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurierldquo13

Damit kommt es zu einem empfindlichen Ruumlckgang an Regenerationsfaumlhigkeiten der Natur und des Lebens

Immerhin wird in Politik Wissenschaft und Oumlffentlichkeit in Ansaumltzen erkannt dass diese Entwick-lung oumlkologisch und oumlkonomisch in eine Sackgasse fuumlhrt Dennoch werden keine durchschlagenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen man folgt weiter dem herrschenden Wachstums-dogma

Die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung

Weniger erkannt wird die sozialoumlkonomische Krisenentwicklung die durch das Festhalten am alten Wachstumspfad gerade nicht uumlberwunden sondern forciert wirdSchon an den oben geschilderten Wachstumsrettungsstrategien (S 6) ist erkennbar dass diese zu sozialen Erosionen fuumlhren

Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander prekaumlre Einkommensverhaumllt-nisse im unteren Drittel der Bevoumllkerung nehmen zu die der Sozialstaat nicht mehr auffangen kann

Durch Rationalisierung und bdquoEntlassungsproduktivitaumltldquo14 Globalisierung und Arbeitsplatzverlage-rung durch Absenken der Nettorealloumlhne kann zwar billiger und mehr produziert werden doch sinkt damit zugleich die Kaufkraft Es kommt zu einer negativen Ruumlckkopplung zwischen Uumlberpro-duktion sinkender Kaufkraft und gesaumlttigten Maumlrkten Damit kommt es zu einer Art bdquoWachstumsfalleldquo eine bestimmte Art des Wachstums untergraumlbt die eigene Basis Das ist mehr als die klassischen Zyklen von Kon-junktur und Rezession denn es gibt hier ei-nen uumlber die Zyklen hinausgehenden Prozess dem eine latente sozialoumlkonomische Crash-tendenz innewohnt

Dieser Prozess kann zwar bislang durch die Globalisierung immer wieder kompensiert oder verzoumlgert werden Dies geschieht zB in Deutschland auch durch die erwaumlhnten hohen Exportuumlberschuumlsse die durch Absaumltze im Ausland Wachstum und Arbeitsplaumltze im Inland schaffen die der eigene Markt nicht mehr hergeben Dies allerdings druumlckt Wachstum und Arbeitsplaumltz im Ausland Doch auf Dauer wird sich dieser negative Regelkreis durch diese Art des Wirtschaftens

12 So auch im neuen Weltklimabericht 201314 des IPCC siehe Internet unter bdquoWeltklimabericht 20ldquo13 Weltzustandsbericht des WWF bdquoLiving Planet Report 2014 nach FAZ vom 24102014 und epd vom 309 201414 Produktivitaumltssteigerung durch Entlassung von Arbeitskraumlften zT von Aktionaumlren gefordert

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 9: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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auch global nicht aufheben lassen Verschiedene Fachleute sprechen hier von einer bdquoGlobalisie-rungsfalleldquo das Engerwerden und die Endlichkeit auch des globalen Marktes mit seinen immanen-ten Antagonismen15

4 Ursachen und Wachstumstreiber

Warum wird die sehr hohe jaumlhrlich steigende Wertschoumlpfung nicht genutzt um die selbstzerstoumlreri-schen oumlkologischen und sozialoumlkonomischen Krisenentwicklungen zu uumlberwinden Was sind die Ursachen der Wachstumszwaumlnge und der Wachstumsmanie

(1) Systembedingte Wachstumstreiber

Schluumlsselursache ist das Leitprinzip des kapitalistischen Wirtschaftssystems Sinn und Ziel des Wirtschaftens sei die staumlndige Mehrung von Kapital und Rendite in Privatverfuumlgung Es geht also nicht um ein befriedigendes Genug nicht um den Gewinn geistiger ethischer sozialer kultureller Reichtuumlmer sondern um ein staumlndiges Mehr an Rendite Kapital Einkuumlnften Geld und Besitz ndash dies immer als Mehrung des Privateigentums im Behaupten gegen andere Aus dieser immanenten Logik kapitalistischen Wirtschaftens ergibt sich zwingend das Wachs-tumsprinzip - verbunden mit dem Verwertungsprinzip alles Natur Arbeitskraft Technik Kunst Kultur Sport Erholung bis hin zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Religion haben nicht ihren je eigenen Wert sondern sollen der staumlndigen Mehrung von Kapital dienen Dies ist wieder verbunden mit dem Konkurrenzprinzip Wirtschaft der houmlchstmoumlglichen Gewinne wegen im Gegeneinander im Verdraumlngen und Ausschalten anderer dies in einem staumlndigen Wachstumszwang und Wachstumswettlauf wer nicht mitwaumlchst oder schneller waumlchst geht unter Von daher kann der Wachstumspfad nicht aufgegeben werden das waumlre eine Aufgabe der essentiel-len Logik kapitalistischer Wirtschaftsweise bdquoEin Kapitalismus ohne Wachstum faumlllt um wie ein Fahrrad das nicht faumlhrtldquo Und darum stehen Wachstum und die Sicherung wirtschaftlicher Profite vor aller oumlkologischen und sozialen Vernunft

(2) Anthropologisch-kulturelle Wachstumstreiber

Doch den kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien liegt eine tiefere Ursache zu Grunde Es ist der seit Urzeiten bestehenden materialistischen Grundirrtum des Menschen gepaart mit dem sozialdar-winistischen Menschenbild der Neuzeit naumlmlich die Meinung dass Leben und Gluumlck im Haben und immer mehr haben im immer schneller schoumlner besser zu finden seien und der Mensch von Natur aus ein auf Egoismus Bereicherung Neid und Konkurrenz hin angelegtes Wesen sei und nur im Ausleben dieser Gaben uumlberleben koumlnne Die Weisheiten der Voumllker Religionen und Philoso-phen wissen zwar ebenso seit Urzeiten dass genau das nicht stimmt in aller Uumlberfuumllle materieller Guumlter kann das Innerste des Menschen leer und hohl bleiben und Leben im staumlndigen Gegeneinan-der macht den Menschen krank und gesellschaftsunfaumlhig16

Das menschheitsgeschichtlich Tragische liegt darin dass der materialistische Grundirrtum ver-bunden mit den kapitalistischen Ideologien und Praktiken heute zur Mainstream-Kultur und zum

15 Die Sackgassenentwicklung der neoliberalen Globalisierung zB in Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004 16 So zB in Erich Fromm bdquoHaben oder Seinldquo

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 10: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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bdquounausgesprochenen Staatszielldquo erhoben worden ist17 Die Gier das Streben nach immer mehr nach immer houmlheren Einkommen groumlszligerem Besitz nach dem bdquogroumlszligeren Stuumlck Kuchenldquo und sei es auf Kosten anderer ist zum Ungeist unserer vom kapitalistischem Denken vergifteten Kultur ge-worden Einige Geisteswissenschaftler sehen dass in diesem Kapitalismus eine bdquoneue weltum-spannende Religionldquo entstanden ist die vom bdquoMonotheismus des Kapitalsldquo und vom einem bdquovampirhaften Drang des Kapitalsldquo nach Vermehrung beherrscht wird18

Die Folge dieses Ungeistes ist eine Oumlkonomisierung des ganzen Lebens bdquoAlles muss sich rech-nenldquo muss Geld bringen bis in Kunst Kultur Sport Kirchen Familien und zwischenmenschliche Beziehungen hinein Der Mensch houmlrt auf ein bdquohomo sapiensldquo ein durch Weisheit geleitetes Wesen zu sein Er wird zum bdquohomo oeconomicusldquo zum bdquoverwirtschafteten Menschenldquo (Norbert Bluumlm) der fuumlr die Wirtschaft nur noch als Produktionsfaktor und als Konsument interessant ist der weitgehend nur noch im oumlkonomischen Zweckdenken denken und fuumlhlen kann und damit sein eigentliches bdquoHumanumldquo verliert Dieser schleichende Prozess hat sich in alle Bereiche der Gesellschaft und bis ins Unterbewusstsein des Menschen eingegraben und ist damit wohl zum staumlrksten kulturellen Wachstumstreiber unserer Kulturepoche geworden

(3) Strukturelle Wachstumstreiber

Mit diesen systemischen und kulturellen Wachstumstreibern haben sich strukturelle Wachstums-treiber entwickelt Diese sind in den Ordnungsstrukturen kapitalistischen Wirtschaftens ange-legt Vor allem ist das derzeitige Geldwesen mit seinem Zins- und Geldanlagesystem struktureller Wachstumstreiber die Zinsen die erbracht werden muumlssen muumlssen uumlber die Amortisierung der Investition hinaus zusaumltzlich erwirtschaftet werden Das geht neben dem Forcieren der Produktivitaumlt auch durch Ausweitung des Geschaumlfts Ebenso muumlssen die in Unternehmen angelegten Aktien Ren-dite erwirtschaften die uumlber dem eingebrachten Geldwert liegen19 Besonders die spekulativen Geldgeschaumlfte mit ihren Hedgefonds dem Derivatenhandel den Geldblasen usw treiben die Real-wirtschaft regelrecht vor sich her und zwingen sie zu exzessivem Wachstum

Aber auch alle anderen Ordnungsstrukturen kapitalistischer Wirtschaftsweise sind mindestens indi-rekt Wachstumstreiber

bull die Eigentumsordnung die Privateigentum an Grund und Boden und Immobilien nutzt um leistungslos die Leistung anderer abzuschoumlpfen und damit reicher zu werden

bull eine Unternehmensverfassung die die Mehrung von Kapital zum ersten Unternehmensziel erklaumlrt und Konkurrenz und Verdraumlngen zur Handlungsmaxime macht

bull Marktregeln die Wachstumswettlauf und verdraumlngende Konkurrenz forcieren

bull die Neoliberalisierung der Maumlrkte und die Macht der Transnationalen Groszligkonzerne die ein extrem ausbeuterisches Wirtschaften betreiben

bull ein Lohn- Steuer- und Sozialsystem das Spitzeneinkuumlnfte ermoumlglicht die jenseits des eigenen Leistungsvermoumlgens liegen andere in Armut abdraumlngt und nur durch weiteres Wachstum steigen koumlnnen

In all dem ist erkennbar dass diese Wachstumstreiber zugleich ausgesprochene Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsinstrumente kapitalistischen Wirtschaftens sind Sie

17 Walter Bauer in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo S199 und 214 18 Zitat Matthias Greffrath in bdquoGlaubenssagenldquo am 51 2015 in NDR-Kultur Interpretation des Kapitalismus als Religi-on bei Walter Benjamin bdquoKapitalismus als Religionldquo Max Weber bdquoDie protestantische Ethik und der Geist des Kapita-lismusldquo Erich Fromm bdquoHaben oder Sein Norbert Bolz und David Bossert bdquoKultmarketing Die neues Goumltter des Mark-tesldquo19 Detailliert untersucht von Hans Christoph Binswanger zB in bdquoDie Wachstumsspiraleldquo

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 11: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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schaufeln die unten und in der breiten Mitte erarbeiteten Reichtuumlmer von unten nach oben externa-lisieren Kosten auf das Gemeinwesen und auf die Natur und produzieren so die oben genannten sozialen und oumlkologischen Krisen- und Crashentwicklungen

(4) Vermeintliche Wachstumstreiber

Neben den tatsaumlchlichen Wachstumstreibern gibt es vermeintliche Wachstumstreiber dh Proble-me von denen man meint sie durch wirtschaftliches Wachstum beheben zu muumlssen die aber von den Ursachen her anders zu beheben sind

Einmal ist es die Arbeitslosigkeit Natuumlrlich kann man durch Ausweitung von wirtschaftlicher Tauml-tigkeit neue Arbeitsplaumltze schaffen Doch wie wir sahen (S6) erwaumlchst die heutige Arbeitslosigkeit in den hochentwickelten Volkswirtschaften systembedingt aus dem Kreislauf von steigender Ratio-nalisierung Produktivitaumltssteigerung und uumlberschuumlssigen Arbeitsplaumltzen Sinken der Kaufkraft neuem Rationalisierungsdruck usw

bull Um die derzeit vorhandenen Arbeitsplaumltze zu erhalten waumlre bei der gegenwaumlrtigen Steigerung der Arbeitsproduktivitaumlt von jaumlhrlich 21 ein Wirtschaftswachstum von 4 oder mehr erforder-lich Tatsaumlchlich waumlchst das BIP in den letzten Jahren im Schnitt aber nur um 1520

Die Behauptung dass technischer Fortschritt und Produktivitaumltszuwaumlchse nicht nur alte Arbeitsplaumlt-ze vernichten sondern neue schaffen hat sich weitgehend als Illusion erwiesen Es entsteht ein bdquoJobless Growthldquo ein durch rationalisierte Produktionsweise strukturell bedingtes Wachsen der Arbeitslosigkeit Wenn der Staat das nicht durch soziale Maszlignahmen auffaumlngt ndash und das kann er nicht auf Dauer ndash dann ist bei dem Engerwerden der Wachstumsfelder ein weiter erzwungenes Wachstum wie Benzin das man ins Feuer gieszligt Die systemisch bedingte Arbeitskrise ist nicht durch forciertes Wirtschaftswachstum sondern nur durch das Teilen des Arbeitsvolumens unter allen Erwerbstaumltigen und durch das Reduzieren der Regelarbeitszeit zu uumlberwinden21

Ein zweiter vermeintlicher Wachstumstreiber ist die Armut Die Armut soll zB in Deutschland durch verstaumlrktes Wachstum uumlberwunden werden Aber auch das ist genau mit den oben beschrie-benen Wachstumsstrategien nicht moumlglich Im Gegenteil diese verstaumlrken die Reichtums-Armutsschere

bull So ist in Deutschland das Nettovermoumlgen in nur 20 Jahren zwischen 1991 und 2011 um 54 von 54 auf 10 Bill euro gestiegen Doch dieser Reichtum ist extrem ungleich verteiltDie Grafik des Deutschen Institutes fuumlr Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt mit den Berechnungen von 2002 zu 2007 deutlich die Scherenentwicklung nur das obere Zehntel wurde reicher alle anderen Dezile haben verloren Nach der juumlngsten Berechnung des Sozio-oumlkonomischen Panel des DIW von 2012 verfuumlgen die oberen 10 der Be-

20 Manfred Linz bdquoWas wird aus der Wirtschaftldquo S1521 Ausfuumlhrlich im Baustein bdquoNeue Arbeitskulturldquo

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 12: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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voumllkerung bereits uumlber 66 des Nettovermoumlgens die reichsten 1 uumlber 23 die unteren 50 der Bevoumllkerung verfuumlgen uumlber 1 des gesamten Nettovermoumlgens unseres Landes22

Damit entpuppt sich die Annahme eines bdquoTrickle-down-Effektsldquo - das Hinuntertroumlpfeln von Reich-tum in die unteren Schichten - als eine Illusion oder Luumlge naumlmlich die Behauptung dass mit stei-gendem Reichtum oben auch der Reichtum unten wachse ndash wie bei einer steigenden Flut die kleins-ten wie die groumlszligten Schiffe nach oben getragen werden Das stimmt zwar relativ aber nicht absolut die extreme Armut konnte unten gemindert werden doch der Reichtum oben ist schneller gewach-sen Selbst wenn Einkommen in den unteren Schichten und in der Oberschicht um eine gleiche Rate von zB 3 wachsen wuumlrden wuumlrde auf Grund des disproportionalen Abstandsmechanismusder reale Zuwachs oben weit uumlber dem Zuwachs am unteren Ende liegen

bull Beispielrechung Bei jaumlhrlichem Einkommenszuwachs von 3 wuumlrde ein Monatseinkommen von 10000 euro nach 12 Jahren bei 15000 euro liegen bei einem Monatseinkommen von 1000 euro wuumlrde es nach 12 Jahren bei 1500 euro liegen der Einkommensabstand waumlre von 9000 euro auf 13500 euro gestiegen

Fazit Das soziale Netz kann bislang zwar schlimmste soziale Einbruumlche auffangen doch laumlsst sich Armut mit den kapitalistischen Wachstumsstrategien und deren Abschoumlpfungs- und Bereiche-rungsmechanismen nicht uumlberwinden sondern diese treiben die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander

Ebenso verhaumllt es sich mit einem weiteren vorgeblichen Wachstumstreiber Armut und Unterent-wicklung in den wenig entwickelten Volkswirtschaften Hier scheint ein nachholendes Wirt-schaftswachstum regelrecht geboten zu sein Wachstumsfelder auf der Bedarfsseite sind offen wachsende Bevoumllkerung Aufbauphasen ungesaumlttigte Maumlrkte sind gegeben Das Wirken globali-sierter Unternehmen bringt in diesen Laumlndern einen groszligen technologischen Entwicklungsschub und eine houmlhere Produktivitaumlt und damit insbesondere fuumlr eine kleine Ober- und Mittelschicht auch wachsenden Wohlstand Jedoch sind die oumlkologischen Ressourcen auf der Nutzungsseite damit zu-nehmend uumlberfordert Insbesondere durch das Bevoumllkerungswachstum erfaumlhrt das Problem oumlkologi-scher Grenzen enorme Verschaumlrfung Mit der steigenden Anzahl von Menschen ist fuumlr einen we-nigstens moderaten Anstieg des Wohlstandes ein immer steilerer Anstieg der Gesamt-Industrieproduktion erforderlich Experten sind sich einig Wenn Wachstum in den aufstrebenden Entwicklungslaumlndern sich zu einem Pro-Kopf Material- und Energiedurchsatz entwickelt wie ihn die Industriestaaten bis heute vorleben wird das Oumlkosystem unserer Erde in naher Zukunft zusam-menbrechen Die Annahme dass Wirtschaftswachstum in den Entwicklungslaumlndern die Armut uumlberwinden koumlnn-te ist durch das fortlaufende Auseinandergehen der Reichtums-Armutsschere widerlegt

bull 1960 hatte das reichste Fuumlnftel der Weltbevoumllkerung ein 30-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie das aumlrmste Fuumlnftel 1995 hatte das reichste Fuumlnftel ein 82-mal so hohes Pro-Kopf-Einkommen

bdquoDer 14fache Anstieg der Industrieproduktion seit 1930 hat zwar einige Menschen sehr reich ge-macht aber der Armut kein Ende gesetzt Es gibt keinen Grund fuumlr die Annahme dass eine weitere Zunahme um das 14fache (sofern dies innerhalb der Grenzen unserer Erde moumlglich waumlre) zu einem Ende der Armut fuumlhren wuumlrdeldquo 23 Der bdquoTrickle-down-Effektldquo hat sich auch hier als Illusion erwie-sen Sicher muss es in unterentwickelten Laumlndern ein relatives Wachstum geben vor allem in der Le-

22 Nach TAZ 199201223 Meadows bdquoGrenzen des Wachstums das 30-JahreUpdateldquo S 42

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 13: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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bensmitteproduktion dies aber unter Einhalten der oumlkologischen Grenzen Wichtiger als das Wach-sen des weltweiten Sozialprodukts ist eine gerechtere Teilhabe der Armen an der hohen Wertschoumlp-fung der Menschheit Nur diese kann Armut uumlberwinden

5 Die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Aus dem bisher Gesagten ist die Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie eigentlich schon deutlich Dennoch soll ihre Dringlichkeit mit einigen Differenzierungen in zwei Punkten zusam-mengefasst werden die oumlkologische die sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit

(1) Oumlkologische NotwendigkeitDer Philosoph Hans Jonas und der Energieexperte Hermann Scheer sprechen vom bdquoOumlkologischenImperativldquo24 Gemeint ist Die oumlkologischen Grundgesetze des Lebens erzwingen quasi diktato-risch um des Uumlberlebens willen eine grundlegende Aumlnderung menschlichen Wirtschaftens Konkret der Oumlkologische Fuszligabdruck muss fruumlhestmoumlglich wieder auf unter 1 der Belastbarkeitsgrenze ge-bracht werden Dies muss auf zwei Ebenen geschehen Einmal so dass die Schadstoffemissionen auf ein Maszlig abgesenkt werden das von der Natur ohne Schaden verarbeitet werden kann (oumlkologi-sches Senken) Zum anderen muss die Entnahme aller nicht nachwachsenden Ressourcen zB aller Bodenschaumltze drastisch gedrosselt werden Der bdquoPeak Oilldquo also der Punkt von dem an Oumll weniger neu erschlossen werden kann als verbraucht wird ist wahrscheinlich schon jetzt uumlberschritten Niko Paech spricht hier von einem bdquoPeak everythingldquo nicht nur die Oumllreserven sind in naher Zukunft erschoumlpft sondern grundsaumltzlich alle nicht nachwachsenden Rohstoffe wenn wir sie weiter so aus-beuten wie bisher25 Sie sind dann morgen nicht mehr da oder werden so teuer dass sie kaum noch genutzt werden koumlnnen Mit dem Verbrauch dieser Materialien heute berauben wir die Lebens-grundlage unserer Kinder Darum muss dieser Verbrauch so rasch wie moumlglich drastisch reduziert und theoretisch zu 100 eingestellt werden

Das Einhalten der bdquooumlkologischen Impe-rativeldquo kann mit der oben beschriebenen Wachstumsoumlkonomie nicht gelingen Das ist eigentlich fuumlr jeden einsichtig Doch hier gibt es eine Fiktion um den Wachstumspfad weiter zu beschreiten Man spricht von einer bdquoEntkopplungldquo von Wachstum und Umweltverbrauch Tatsaumlchlich ist eine bdquorelative Entkopp-lungldquo moumlglich und schon im Gang durch entsprechende effizientere Technologien kann das BIP schneller wachsen als der Umweltverbrauch und in Teilen kann der Umweltverbrauch auch sinken

bull So ist zB in der EU der Ressourcenverbrauch von 1970 bis 2000 bdquonurldquo um knapp 20 gestie-gen das BIP aber um uumlber 20026

24 In Hans Jonas bdquoDas Prinzip Verantwortungldquo 1979 bdquoHandle so dass die Wirkungen deiner Handlungen vertraumlglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erdenldquo Hermann Scheers bdquoErnerg-ethischer Imperativldquo im gleichnamigen Buch 201025 Niko Paech bdquoBefreiung vom Uumlberflussldquo S67ff und wwwpostwachstumsoumlkonomiede26 Studie Zukunftsfaumlhiges Deutschland 3 Auflage

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Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

18

Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

19

4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

20

Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 14: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

14

Allerdings ist eine bdquoabsolute Entkopplungldquo des Wirtschaftswachstums vom Umweltverbrauch bisher nicht gelungen und wohl kaum moumlglich

Hier wirkt der sogenannte bdquoRebound-Effektldquo (Ruumlckpralleffekt oder Bumerangeffekt) die Einspa-rung von Ressourcen durch houmlhere Effizienz wird durch die Zunahme der Produkte oder ihres Ge-brauchs wieder zunichte gemacht

bull Zum Beispiel verbrauchten Flugzeuge 1970 durchschnittlich 12 Liter Kerosin pro 100 Personen-kilometer ein Airbus A380-600 benoumltigte 2001 dagegen nur noch 4 Liter27 Das ist ein Effizi-enzgewinn von Faktor 3 Zugleich aber stieg das Luftverkehrsaufkommen in Deutschland 1970 bis 2000 von ca 7 auf rund 425 Mrd Personenkilometer also um das 6-fache Damit ist trotz Effizienzgewinn der Kerosinverbrauch auf das Doppelte angestiegen

Aumlhnlich verhaumllt es sich bei allen in ihrer Effizienz verbesserten Produkten den spritsparenden Au-tos den energiesparenden Kuumlhlschraumlnken und sonstigen Geraumlten Neben und mit diesem materiellen Rebound-Effekt wirkt der psychologische Rebound-Effekt das umweltschonende Auto beruhigt das Gewissen und wird haumlufiger benutzt Somit ist auch der bdquoGreen New Dealldquo eine Illusion wenn er nicht zu einer Oumlkonomie fuumlhrt in der der Verbrauch und die Belastung der Ressourcen absolut reduziert werden Nur eine Oumlkonomie die die bisherigen Wachstumsparadigmen und Wachstumspraktiken hinter sich laumlsst kann die Stabilitaumlt unseres Oumlkosystems erhalten

(2) Sozialoumlkonomische und zivilisatorische Notwendigkeit einer Postwachstumsoumlkonomie

Wie oben schon gezeigt provoziert eine Wachstumsoumlkonomie latente sozialoumlkonomische Crash-tendenzen in der Gesellschaft eben weil das Herauspressen eines immer Mehr in den immer enge-ren Wachstumsfeldern in Crashsituationen fuumlhrt (s S 7)

Daruumlber hinaus weisen die Wissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Pickett in ihren internatio-nalen Studien auf das Verhaumlltnis von sozial-oumlkonomischer Ungleichheit und sozial-psychologischen Verwerfungen hin Nach ihren Studien sind die sozialen Verwerfun-gen wie Mord und Selbstmord FettsuchtTeenager-Schwangerschaft Kinder-sterblichkeit psychische Krankheiten hohe Zahl der Inhaftierten geringer Bildungsstand mangeln-de soziale Mobilitaumlt mangelnde Anerkennung der Gleichwertigkeit der Frauen uauml in Laumlndern mit hoher Einkommens-

27 Vgl Umwelt- und Prognose-Institut eV Flugverkehr wwwupi-institutde 3102013

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

18

Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 15: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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ungleichheit und groszliger Reichtums-Armutsschere wie den USA Portugal England etwa 3 bis 10 mal houmlher als in Laumlndern mit geringen Ungleichheiten wie in den skandinavischen Laumlndern oder in der Schweiz 28

Deutlich ist die kapitalistische Wirtschaftsweise produziert wachsende sozial-oumlkonomische Un-gleichheit und damit wachsende sozial-psychologischen Verwerfungen Damit bedroht und zerstoumlrt sie die Zivilisationsfaumlhigkeit der Menschheit Denn die wichtigsten Potenzen und Werte von denen eine menschliche Zivilisation lebt sind in vier Faumlhigkeiten gegeben

1 In der technisch-wirtschaftlichen Innovationskraft mit der gute materielle Lebensvorausset-zungen geschaffen werden koumlnnen

2 In der Entwicklung einer Sozietaumlt ein Sozialwesen Staat Voumllkergemeinschaft in der Regel-werke zur Realisierung des Gemeinwohls entwickelt werden

3 In einer gelebten Solidaritaumlt dh in Verhaltensweisen in denen Schwaumlchere von Staumlrkeren mit getragen werden weil nur im gegenseitigen Beistehen Gemeinschaft tragend menschlich und stabil ist

4 In einer Spiritualitaumlt die Erfahrung von vorgegebenen geistig-seelischen Werten Wahrheiten Antrieb zum Gutsein Liebe religioumlse Tiefenbindung Sinnfindung ermoumlglicht

Die kapitalistischen Wirtschaftsprinzipien koumlnnen durchaus die technisch-wirtschaftlichen Innova-tionskraumlfte forcieren Doch sie untergraben mit ihrer privategoistischen Gier-Motivation nach einem immer Mehr die anderen drei Wertegrundlagen die Sozietaumlt die Solidaritaumlt und die Spiritualitaumlt Damit berauben sie der menschlichen Zivilisation genau deren Wertegrundlagen die fuumlr ihre Exis-tenz grundlegend sind und die sie zukunftsfaumlhig machen Diese Wertegrundlagen koumlnnen sich nur entwickeln wenn sich der Mensch aus der Engfuumlhrung des bdquohomo oeconomicusldquo befreien laumlsst zu einer ganzheitlichen Werteorientierung zuruumlckfindet und so wieder zum bdquohomo sapiensldquo zum mit bdquoWeisheitldquo begabten Wesen wird Hier erst entwickeln sich seine Gaben der zwischenmenschlichen und oumlkologischen Empathie der Solidaritaumlt und Gemeinwohlverantwortung der Muszlige und Kultur der Verzichtsfaumlhigkeit der Sinnsuche und der spirituellen Erfahrungen Erst so wird der Mensch wirklich Mensch Diese bdquoMenschwerdungldquo des Menschen und Zivilisierung der Gesellschaft ist aber nur moumlglich wenn sich unsere Gesellschaft von der beschriebenen Gier- und Wachstumsoumlko-nomie verabschiedet und eine solidarische Postwachstumsoumlkonomie entwickelt

In all dem bisher Gesagten wird deutlich Eine Postwachstumsoumlkonomie kann nur eine postkapita-listische Oumlkonomie sein ndash eine Oumlkonomie die die Leitvorstellungen das Menschenbild und die Mechanismen kapitalistischen Wirtschaftens hinter sich laumlsst

6 Auf dem Weg zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Was ist eine Gleichgewichtsoumlkonomie

Der Begriff bdquoPostwachstumsoumlkonomieldquo besagt dass es eine Oumlkonomie ohne Wachstumszwaumlnge geben muss29 Der Begriff bdquoGleichgewichtsoumlkonomieldquo sagt deutlicher worum es geht Es geht um

28 Kate Pickett und Richard Wilkinson bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle besser sindldquo Berlin 201029 Die Erkenntnis dass es zu einer Postwachstumsoumlkonomie kommen muss breitet sich es heute zunehmend aus Exemplarisch hierfuumlr sind die Schriften und Initiativen um Niko Paech das Buch von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt bdquoPostwachstumsgesellschaftldquo und das Buch von Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Be-freiungldquo Sie sind in vielen Ansaumltzen und Konkretionen den unsrigen aumlhnlich stellen aber bislang nicht so deutlich die Ursachen- und Systemfrage die Infragestellung des kapitalistischen Wirtschaftssystems

16

eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

17

so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 16: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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eine Wirtschaftsweise in der sich Wachstum und Entwicklung auf ein oumlkologisch und sozial ver-traumlgliches Maszlig einpendelt Konkret heiszligt das

bull Die Wirtschaft waumlchst quantitativ nur in besonderen Aufbauphasen und wenn alle Wachstums-felder offen sind

bull Bei Erreichen eines Saumlttigungsgrades geht das Wachsen zunehmend in qualitative Entwick-lung uumlber Qualitaumltsprodukte Wachsen kultu-reller Lebensqualitaumlten des oumlkonomisch sozia-len Gleichgewichts

bull Dies geschieht in einer staumlndigen dynamisch sich einpendelnden Wellenbewegung - so-wohl fuumlr einzelne Guumlter als auch fuumlr die ge-samtoumlkonomische Entwicklung Diese Entwick-lung bleibt unter dem maximal oumlkologisch-sozial vertraumlglichen Maszlig von Faktor 1 des oumlko-logischen Fuszligabdrucks

Der Uumlbergang von einer Wachstumsoumlkonomie zu einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird uumlber eine Schrumpfungsoumlkonomie gehen muumlssen dh der Material- und Energiedurchsatz muss drastisch gesenkt werden Wir muumlssten durch ein hundertprozentiges Recycling zu einem Nullverbrauch aller endlichen und nicht regenerierbaren Ressourcen kommen Praktisch ist das wegen der Entropie aller Stoffwechselprozesse nicht moumlglich Doch muss es um des Lebens unserer Kinder und Enkel willenin einem houmlchstmoumlglichen Maszlig angestrebt werden

Die Notwendigkeit einer Suffizienzstrategie

Einig sind sich alle Wirtschaftslehrer dass es zur Bewaumlltigung der oumlkologischen Krise ein Zusam-menwirken von Konsistenz- und Effizienzstrategie geben muss Konsistenzstrategie als konse-quente Ausrichtung allen Wirtschaftens der Technik und Produkte auf ihre oumlkologische Vertraumlg-lichkeit hin Effizienzstrategie mit dem Ziel houmlchstmoumlgliche Effizienz durch groumlszligtmoumlgliche Ein-sparung von Material und Energie mit hoher Produktivitaumlt zu erreichen (Entkopplungsstrategie)

Da der heutige Verbrauch auch bei houmlchster Effizient zu hoch ist und der Rebound-Effekt eine ab-solute Entkopplung aber immer wieder unterlaumluft muss unseres Erachtens unbedingt die Suffi-zienzstrategie dazu kommen bdquoMit weniger besser lebenldquoDas bedeutet erstens die oben erwaumlhnte Schrumpfungsoumlkonomie in allen Produktionsprozessenzu realisieren und zweitens in Lebensstil den Verbrauch aller materiellen Guumlter zu reduzieren mehr von nichtmateriellen geistigen kulturellen zwischenmenschlichen und spirituellen Guumltern zu leben Erst wenn die Suffizienzstrategie hinzukommt und die tragende Kraft ist koumlnnen die ersten beiden Strategien zielfuumlhrend sein da sonst der Rebound-Effekt die oumlkologischen Gewinne wieder zunichtemacht

Vorschlag eines Ressourcennutzungskontos30

Zur Foumlrderung der Suffizienzstrategie waumlre die Einrichtung von Ressourcennutzungskonten hilf-reich Diese koumlnnten den tatsaumlchlichen Ressourcenverbrauch eines jeden Gutes bewusst machen und

30 Dieser Vorschlag ist in seinen Grundzuumlgen schon in einer Umweltgruppe der DDR diskutiert worden Franz Groll entwickelt einen aumlhnlichen Vorschlag mit einem Energie-Ressourcengeld in bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesell-schaftldquo S35ff

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so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

18

Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

19

4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

20

Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 17: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

17

so zu Einsparungen anregen und zugleich fuumlr jeden eine gerechte und bezahlbare Anteilhabe si-chern Das koumlnnte in etwa so funktionieren

bullFachinstitute berechnen fuumlr die wichtigsten Guumlter des Lebens den jeweiligen bdquoOumlkologischen Rucksackldquo Aufwand und Belastung von Ressourcen und Energie die fuumlr Herstellung und Nutzen eines jeweiligen Gutes noumltig sind Diese werden in Ressourcen-Belastungspunkte umgerechnet

bull Jedem Buumlrger Haushalt Unternehmen werden je nach Groumlszlige und Aufgabe fuumlr die wichtigsten gebrauchten Ressourcen auf einem Ressourcennutzungskonto Nutzungspunkte gutgeschrieben (pro Jahr oder Monat)

bullBei der Bank bzw Sparkasse wird fuumlr jede Person (oder auch fuumlr einen gemeinsamen Haushalt) ein Ressourcennutzungskonto fuumlr vier Bereiche eingerichtet 1 fuumlr die Haushaltsenergie wie elekt-rischen Strom und Heizung 2 fuumlr Nahrungsmittel 3 fuumlr Anschaffung von Kleidung Geraumlten und Maschinen 4 fuumlr die Mobilitaumlt Richtzahlen fuumlr die Houmlhe des jeweiligen Ressourcendeputats wer-den vom Nationalen Wirtschaftsrat errechnet und in der Tendenz uumlber die Jahre langsam gesenkt

bull Jeder Kauf wird mit der uumlblichen Kreditkarte getaumltigt (mit Bargeld wird fast nicht mehr gekauft) Auf der Kreditkarte des Buumlrgers wird jedoch nicht nur sein aktueller finanzieller Kontostand ein-gelesen sondern auch der Stand seines Nutzungskontos Bei jedem Einkauf werden an der Kasse automatisch je nach gekauften Gegenstaumlnden entsprechende Ressourcennutzungspunkte abge-bucht Bewegt sich der Buumlrger innerhalb des Limits seines Nutzungskontos zahlt er einen relativ niedrigen Preis Uumlberschreitet der Buumlrger sein Nutzungskonto hat er 30 bis 50 mehr zu zahlen Fuumlr ressourcenaufwaumlndige Luxusguumlter gibt es kein preisguumlnstiges Nutzungskonto diese sind mit einer sehr hohen Mehrwertsteuer belegt

bullFuumlr Unternehmen oumlffentliche Einrichtungen Dienstleistungen wird ein aumlhnliches Ressourcennut-zungskonto eingerichtet Diese werden ihnen je nach Produkt Groumlszlige des Unternehmens und Um-fang der Produktion bzw der Dienstleitung zugeteilt Uumlberzieht ein Unternehmen seine Ressour-cenkonten wird das sehr teuer und druumlckt seine monetaumlren und oumlkologischen Bilanzpunkte (siehe Ausfuumlhrungen im Baustein bdquoPartizipatorische Unternehmensverfassungldquo)

bullBeispiel fuumlr einen Einkauf mit Ressourcennutzungskonto Anke kauft Brot Butter Gemuumlse Milch Kaumlse etwas Schinken Bier ua Kurz vor Weihnachten kauft sie auch ein Kilogramm Bananen An der Kasse gibt sie der Verkaumluferin ihre Kreditkarte mit der alles bezahlt wird Sie haumllt die Kreditkarte an die Ruumlckseite ihres Handys und ruft ihr Res-sourcenkonto auf Auf dem Display liest sie Lebensmittel regional gesamt 18 Belastungspunkte Bananen-Import 15 Belastungspunkte (Bananen bekommen durch Uumlberseetransport eine sehr ho-he oumlkologische Belastungspunktzahl) Auf dem Display ist zugleich zu lesen Stand 16 Dezem-ber bis Ende des Monats von insgesamt 450 Lebensmittelfreipunkten noch 220 offen Anke uumlber-legt ob und wie sie bis Ende des Monats unter dem angestrebten oumlkologischen und preisguumlnstigen Limit bleibt

Struktureller Umbau der oumlkonomischen Handlungsfelder

Um von den strukturellen Ursachen her die sozialen und oumlkologischen Fehlentwicklungen unserer Wirtschaft zu uumlberwinden sind aus ihren Handlungsfeldern ihre wachstumstreibende Funktion und ihre Abschoumlpfungs- Bereicherungs- und Externalisierungsmechanismen herauszunehmen Wie das geschehen kann ist in verschiedenen Arbeitspapieren der Akademie Solidarische Oumlkono-mie und in den Buumlchern der Akademie 31 ausfuumlhrlich dargestellt worden Hier sollen nur in einigen

31 Siehe Anmerkung 1 auf S1

18

Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

19

4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 18: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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Stichworten die wichtigsten Ordnungselemente einer postkapitalistischen Oumlkonomie benannt werden

bullEntwicklung einer Finanzordnung in der das Zinssystem durch ein Kreditgebuumlhrensystem abge-loumlst der spekulative Geldhandel verboten und das Bankensystem auf seine reine Dienstleistungs-funktion im Gemeinwohlinteresse zuruumlckgefuumlhrt wird

bullEntwicklung einer Eigentumsordnung in der Eigentum nicht mehr zur leistungslosen Abschoumlp-fung fremder Leistung genutzt werden kann in der Grund und Boden und die Oumlffentlichen Guumlter wieder in Gemeineigentum uumlbergehen (moderne Allmende Commons-Oumlkonomie)

bullEntwicklung einer partizipatorischen Unternehmensverfassung in der neben der monetaumlren eine oumlkologische und soziale Bilanzrechnung in den Unternehmen eingefuumlhrt eine konsequente Mitbe-stimmung aller am Unternehmen Beteiligten realisiert und moumlgliche Gewinne Betriebseigentum werden

bullEntwicklung von Marktregeln die einen kooperativen Wettbewerb ermoumlglichen und eine Vor-machtstellung von Groszligunternehmen unterbinden

bullEntwicklung eines leistungsgerechten und solidarischen Lohnsystems in dem Einkommen weit uumlber jedes eigene Leistungsvermoumlgen abgeschafft werden jede Erwerbstaumltigkeit nach Tarifen mit bis zu dem 5-fachen (max 10-fachen) der Durchschnittsloumlhne entlohnt wird und Mindesteinkom-men gewaumlhrleistet werden

bullEntwicklung einer Arbeitskultur in der durch Arbeitszeitverkuumlrzung (zB 30-Stundenwoche) das Arbeitsvolumen so geteilt wird dass jeder Arbeitsfaumlhige Erwerbsarbeit findet und sich neben der abgesenkten Erwerbsarbeit Eigen- und Familienarbeit Gemeinwohlarbeit Zeitwohlstand und Muszlige umfangreicher und kreativer entfalten koumlnnen

bullEntwicklung eines solidarisches Steuer- und Sozialsystem in dem von allen Einkuumlnften von al-len Buumlrgern solidarisch-progressive Beitraumlge erhoben werden und ein bedingungsloses Grundein-kommen fuumlr jeden Buumlrger gewaumlhrleistet wird

bullEntwicklung einer oumlkosozialen Globalisierung Entmachtung Transnationaler Konzerne Durch-setzung fairer Handelsbedingungen und internationaler Standards Oumlkologisierung der gesamten Wirtschaft Schutz und Staumlrkung der Regionalwirtschaft Foumlrderung einer regionalen Subsistenz-wirtschaft (Selbstversorgung der Regionen)

Voraussetzungen einer Gleichgewichtsoumlkonomie

Die Realisierung einer Gleichgewichtsoumlkonomie wird nur gelingen wenn sich der im Gang befind-liche Paradigmenwechsel in fuumlnf Bereichen durchsetzt

1 Erkenntnis und Mut die Ursachenfrage wirklich bdquoradikalldquo dh an die Wurzeln gehend zu stellen und mit ihr an der bisher tabuisierte Systemfrage zu arbeiten

2 Neubesinnung auf die tragenden Werte unseres Menschseins auf Kooperation und Solidari-taumlt auf ein demokratisches Gemeinwesen auf Spiritualitaumlt und Sinnfindung ndash somit Befreiung vom sozialdarwinistischen Menschenbild vom materialistischen Grundirrtum und dem Streben nach immer mehr

3 Neubesinnung auf die eigentliche Zielstellung des Wirtschaftens Nicht Renditenmaximie-rung Kapitalanhaumlufung in der Hand weniger und Bereicherungswettkampf aller gegen alle kann Sinn und Ziel humanen Wirtschaftens sein sondern die heute aumluszligerst hohe Wertschoumlpfung der Menschheit so einzusetzen dass sich erstens die Reichtums-Armuts-Schere zugunsten einer ge-rechten Teilhabe der Armgemachten wieder schlieszligt und dass zweitens der Oumlkologische Fuszligab-druck wieder auf unter 1 sinkt Dem haben auch alle wirtschaftlichen Innovationen zu dienen

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

20

Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 19: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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4 Mut sich von diesen Erkenntnissen her von den Leitvorstellungen und Strukturen kapitalisti-scher Wirtschaftsweise zu trennen und unser Wirtschaftsystem grundlegend umzubauen

5 Schnellstmoumlglich Loumlsung von BIP als Indikator fuumlr das Bemessen der Wohlfahrt Einfuumlhrung einer Bemessensgrundlage in der neben dem BIP andere Indikatoren wie oumlkologische Daten Einkommensgerechtigkeit soziale Teilhabe Bildung Kultur Gesundheit uauml hinzutreten (Sozi-aloumlkologischer Wohlfahrtsindex sS5)

6 In all dem wird es in den reichen Laumlndern die Bereitschaft geben muumlssen materiell aumlrmer zu leben dh fuumlr uns in Deutschland zB mit einem Wohlstandsniveau der 60ziger oder 70ziger Jahre des letzten Jahrhunderts zu leben Wenn dies mit einem hohen sozial-oumlkonomischen Gleichheitsniveau mit einer intakten Umwelt und gesunden Lebensweise verbunden ist wird das zu einer groumlszligeren Lebenszufriedenheit fuumlhren

Frage der UmsetzbarkeitAuf die Frage der Anschlussfaumlhigkeit und Umsetzbarkeit einer Gleichgewichtsoumlkonomie gibt es eine scheinbar widerspruumlchliche Antwort Einerseits sind die Gewohnheiten Kraumlfte und Profiteure des Bisherigen so stark dass eine tiefgreifende Aumlnderung unseres Wirtschaftsystem kaum vorstell-bar ist Andererseits sind verschiedene Elemente eines neuen Wirtschaftens im Keim schon ange-dacht einmal in verschiedenen Regelsystemen der sozialen Marktwirtschaft wie Tarifgesetze Mit-bestimmung oumlkologische Auflagen Kartellgesetze ua zum anderen in vielen schon vorhandenen Ansaumltzen alternativen Wirtschaftens Entscheidend wird das Erstarken der vielen Alternativbewegungen sein Ihre Arbeit muss auf fuumlnf Ebenen weiterentwickelt und miteinander verbunden werden 1 auf der Ebene der Erkenntnisbildung diese Krise durchschauen Leben und Wirtschaft neu

begreifen2 im Erarbeiten alternativer Systementwuumlrfe wie sie zB in der Akademie Solidarische Oumlkono-

mie in der Gemeinwohloumlkonomie in der Postwachstumsinitiative entworfen werden 3 auf der Ebene des Lebensstiles und neuer Werteerfahrungen bdquoMit weniger besser lebenldquo4 auf der Ebene von Pionierprojekten wie gemeinwohlorientierte Unternehmen Regionalgeldini-

tiativen Einkommens-Verbraucher-Gemeinschaften Kommunitaumlten uauml5 auf der Ebene politischer Bewegungsarbeit zivilgesellschaftlicher Kraumlfte die in Protestaktio-

nen Demos Vernetzungen zur gegebenen Zeit auch Massen bewegen koumlnnen

Die Erkenntnis dass die alte Wachstums- Abschoumlpfungs- und Bereicherungsoumlkonomie so nicht fortgesetzt werden kann teilen uumlber 80 der Menschen in unserem Land32 Und die Erkenntnis der Notwendigkeit einer bdquoGroszligen Transformationldquo unserer Gesellschaft breitet sich auch in einigen Koumlpfen der etablierten Kraumlfte unseres Landes aus

Ob es hier einen sich positiv entwickelnden Prozess oder eher krisenhafte Zusammenbruumlche geben wird kann nicht vorher gesehen werden Gewiss aber ist dass sowohl in den genannten Ansaumltzen und Bewegungen wie im ethischen Potential des Menschen die Moumlglichkeiten einer postkapitalisti-schen lebensdienlichen solidarischen und zukunftsfaumlhigen Wirtschaftsweise gegeben sind einer Wirtschaft die mit ihrer enorm hohen Wertschoumlpfung ein befriedigendes Genug fuumlr alle ermoumlglicht und zu einem befreiten naturverbundenen geistigen und kulturell reichen und friedensfaumlhigen Le-ben verhelfen kann

32 Vgl Emnid-Umfrage der Bertelsmann-Stiftung von 2010

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin

Page 20: Baustein Wirtschaftswachstum Variante 2 Die ... · 1991 bis 2005 das Welt-Bruttosozialprodukt um mehr als das zweifache gestiegen, hat sich der Welthandel verdreifacht, der Energiekonsum

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Literaturhinweise

1 Afheldt Horst bdquoWirtschaft die arm machtldquo Muumlnchen 2003

2 Bauer Walter in bdquoPrinzip Menschlichkeit Warum wir von Natur aus kooperierenldquo 2016

3 Walter BenjaminbdquoKapitalismus als Religionldquo

4 Bolz Norbert Bossart David bdquoKultmarketing Die neuen Goumltter des Marktesldquo 1995

5 Binswanger Hans Christoph bdquoDie Wachstumsspiraleldquo Marburg 2006

6 BUND und Brot fuumlr die Welt bdquoZukunftsfaumlhiges Deutschland in einer globalisierten Welt Ein Anstoszlig zur gesellschaftlichen Debatteldquo Eine Studie des Wuppertal Instituts 2008

7 Bundesregierung Armut- und Reichtumsbericht Deutschland 2004 und 2008 und 2012

8 Duchrow Ulrich Hinkelammer Franz Josef bdquoLeben ist mehr als Kapital Alternativen zur globalen Diktatur des Eigentumsldquo 2002

9 Ducommun Gil bdquoNach dem Kapitalismus Wirtschaftsordnung einer integralen Gesellschaftldquo 2005

10 Felber Christian bdquoNeue Werte fuumlr die Wirtschaft Eine Alternative zu Kommunismus und Kapitalis-musldquo 2008

11 Felber Christian bdquoGemeinwohloumlkonomie Das Wirtschaftsmodell der Zukunftldquo 2010

12 Fromm Erich bdquoHaben oder Seinldquo 1988

13 Goeudevert Daniel bdquoDas Seerosen-Prinzip Wie uns die Gier ruiniertldquo 2008

14 Franz Groll bdquoDer Weg zur zukunftsfaumlhigen Gesellschaft Die solidarische Wirtschafts- und Gesell-schaftsordnung als Alternative zum Kapitalismusldquo 2013

15 Jakubowicz Dan bdquoGenuss und Nachhaltigkeit Handbuch zur Veraumlnderung des persoumlnlichen Lebens-stilsldquo 2002

16 Kessler Wolfgang bdquoWeltbeben Auswege aus der Globalisierungsfalleldquo 2004

17 Keynes Maynard bdquoAllgemeine Theorie der Beschaumlftigung des Zins und des Geldesldquo 1936

18 Keynes Maynard bdquoDas Langzeitproblem der Vollbeschaumlftigungldquo 1934

19 Reiner Klingholz bdquoSklaven des Wachstums Die Geschichte einer Befreiungldquo 2014

20 Linz Manfred bdquoWas wird dann aus der Wirtschaft Uumlber Suffizienz Wirtschaftswachstum und Arbeits-losigkeitldquo 2006

21 Martin Hans Peter Schumann Harald bdquoDie Globalisierungsfalle Der Angriff auf Demokratie und Wohlstandldquo 1997

22 Meadows Dennis Meadows Donella Joumlrgen Randers bdquoGrenzen des Wachstums Das 30-JahreUpdate Signal zum Kurswechselldquo 20042009

23 Miegel Meinhard bdquoExit Wohlstand ohne Wachstumldquo 2010

24 Paech Nico bdquoNachhaltiges Wirtschaften jenseits von Innovationsorientierung und Wachstum Eine un-ternehmensbezogene Transformationstheorieldquo Metropolis Verlag 2005

25 Paech Nico bdquoBefreiung vom Uumlberfluss Auf dem Weg in die Postwachstumsoumlkonomieldquo 2012

26 Pickett Kate Wilkinson Richard bdquoGleichheit ist Gluumlck ndash Warum gerechtere Gesellschaften fuumlr alle bes-ser sindldquo Berlin 2010

27 Rademacher Franz Josef bdquoBalance oder Zerstoumlrung Oumlkosoziale Marktwirtschaft als Schluumlssel zu einer weltweiten nachhaltigen Entwicklungldquo 2005

28 Raumltz Werner Paternoge Dagmar Mahler Herrmann bdquoSolidarisch aus der Krise wirtschaften Jenseits des Wachstumsldquo 2014

29 Reheis Fritz bdquoEntschleunigung Abschied vom Turbokapitalismusldquo 2004

30 Zahrnt Angelika Seidl Irmi (Hg) bdquoPostwachstumsgesellschaft Konzepte fuumlr die Zukunftldquo Metropo-lis Marburg

31 von Weizsaumlcker Ernst Ulrich bdquoFaktor Fuumlnf Die Formel fuumlr nachhaltiges Wachstumldquo 2010

32 Zinn Karl Georg bdquoSaumlttigung oder zwei Grenzen des Wachstumsldquo in bdquoMonde diplomatiqueldquo Nr 8931 2009 Berlin