Bücherprinz erzählt, wie der Beat nach Westfalen kam ...

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Bücherprinz erzählt, wie der Beat nach Westfalen kam Ruprecht Frieling tritt am 29. Juni im Haus Nottbeck auf © Malte Klauck Anlässlich der Ausstellung »We want to make a Revolution – Der Herforder Jaguar-Club« im Kulturgut Nottbeck erzählt und liest der Oelder Autor Ruprecht Frieling. Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 29. Juni um 20.00 Uhr im Kulturgut Haus Nottbeck statt. Das Museum für Westfälische Literatur befindet sich in der Landrat-Predeick-Allee 1, 59302 Oelde.

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Bücherprinz erzählt, wie der Beatnach Westfalen kam

Ruprecht Frieling tritt am 29. Juni im Haus Nottbeck auf © Malte Klauck

Anlässlich der Ausstellung »We want to make a Revolution – DerHerforder Jaguar-Club« im Kulturgut Nottbeck erzählt und liest derOelder Autor Ruprecht Frieling. Die Veranstaltung findet am Donnerstag,29. Juni um 20.00 Uhr im Kulturgut Haus Nottbeck statt. Das Museum fürWestfälische Literatur befindet sich in der Landrat-Predeick-Allee 1,59302 Oelde.

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Jimi Hendrix lockte am 28. Mai 1967hunderte Jugendl iche in denHerforder »Jaguar-Club«©Kommunalarchiv Herford

An dem Abend erzählt Frieling, wie der Beat in den 60er Jahren diewestfälische Provinz eroberte und den Generationenkonflikt schürte. Er erinnertan die damalige Szene, deren Einfluss viele Jugendliche zu einem Bruch mit denverstaubten Konventionen der noch vom Nazireich geprägten Elterngenerationbewegte. Es erlebte eine Zeit, in der die als »Negermusik« kritisierte Beatmusikdie Jugend elektrisierte und viele Eltern und Pädagogen in die Verzweiflung trieb.

In Oelde aufgewachsen zählte Ruprecht Frieling zu den jungen Leuten, diejeden Pfennig sparten, um die Idole der damaligen Zeit live zu erleben. ImHerforder »Jaguar-Club« traf er vor einem halben Jahrhundert internationale Top-Stars. Dort sah er ab 1966 legendäre Konzerte von »The Cream«, »Jimi HendrixExperience«, »Casey Jones and The Governors«, »The Remo Four«, »TheLiverbirds«, »Spencer Davis Group«, »The Small Faces«, »The Who« und vielenanderen Weltklassemusikern. Er hörte die berühmten deutschen Gruppen jenerwilden, exzessiven Zeit von »The Rattles« über »The Scorpions« und »TheGerman Bonds« bis hin zu »The Jaguars«, den Namenspatronen des Clubs.

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Mit einer Rolleiflex seines Großvaters lichteteFrieling viele der Auftritte ab und bezahlte mit denFotos den Eintritt zu den Konzerten. Seinedamaligen Aufnahmen gingen in den Besitz desJaguar-Clubs über, der sie später in Ausstellungenzeigte. In seinem späteren Beruf als Verlegerberiet er die Inhaberin des Clubs, Carola Frauli,bei der Herausgabe ihres Buches »Musikszene der60/70er Jahre«.

Ruprecht Frieling aka »Prinz Rupi« ist Autor, Verleger und Produzent. DerOelder lebt seit 1968 in Berlin. Der Mann mit dem Hippie-Herzen liebt Bücher,Blues, Bach, Richard Wagner, Dada und Surrealismus. In seinem Buch »DerBücherprinz« zeichnet der Autor mit herzerwärmender Aufrichtigkeit seinenLebensweg als langhaariger Beatles-Fan, trampendes Blumenkind,ausschweifender Kommunarde, le idenschaft l icher Journal ist ,experimentierfreudiger Chefredakteur und Hofnarr der Kulturszene zuminnovativen Verlagsgründer.

Der »Bücherprinz« wirft ein gleißendes Licht aufjene zügellosen Protestjahre, wo Haartracht, Outfitund Musik ein komplett neues Lebensgefühldokumentierten. Mit schwarzem Humor und vielSelbstkritik schildert der Autor das verzweifelteAufbegehren einer von Beatmusik, Drogen und langenHaaren e lektr i s ier ten Jugend gegen denKonservatismus der Adenauer-Ära, das sich in der vielzitierten Revolte der »68er« entlud. Er wirbt aber auchum Verständnis für die damalige Elterngeneration, diein ihrer Hilflosigkeit und aufgrund medialerErpressung kaum anders reagieren konnte, alsunangepasste Jugendliche zu reglementieren und in die Jugendpsychiatrie zusperren.

Bei heftigem Gegenwind schaffte es Frieling, erfolgreich gegen den Strom zu

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schwimmen und als »Business Punk« eine Garagenfirma zu starten. Dieseentwickelte er zu einem der fruchtbringendsten Unternehmen der deutschenVerlagswirtschaft. Er schuf unter dem Slogan »Verlag sucht Autoren« dasschrägste, originellste und individuellste Verlagsprogramm weit und breit undveröffentlichte die Werke von mehr als zehntausend Autoren, die ihn dafür zum»Bücherprinz« krönten.

Der bekannte österreichische Kultautor Thomas Bernhard urteilte über denEntwurf des Buches: »Der Bücherprinz« schildert einen ungewöhnlichenLebensweg. Er verführt den Leser, dem eigenen Stern zu folgen und sich dabeistets selbst treu zu bleiben.« Hendryk M. Broder schrieb im SPIEGEL: »Keinanderer Verleger hat so viele Autoren glücklich gemacht.« Und LiedermacherKonstantin Wecker meinte: »Es geht ums Tun und nicht ums Siegen!«

Oelder Geschichte undGeschichten

Das Bandlogo zierte das Schlagzeugder Sharks. Logo Norbert Löbbert

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Als der Beat nach Oelde kamAm Anfang der 1960er Jahre war die große Zeit des klassischen Rock´n´Roll allmählich vorüber. Vorbei war die Zeit der Petticoats undSchmalzlocken, von den sogenannten Halbstarken und der Musik von BillHaley (Rock around the clock), Fats Domino (Blueberry Hill), Buddy Holly(Rave on) und vieler anderer. Buddy Holly war bereits im Februar 1959gestorben; zusammen mit den Rock-Sängern Ritchie Valens und “The bigbopper” Richardson war er bei einem Flugzeugabsturz ums Lebengekommen. Elvis Presley, ein großartiger Sänger, der mit Sinnlichkeitund Aggressivität Millionen junger Leute verzauberte, wurde zumLeinwandhelden und machte sich später auf den Weg nach Las Vegas.

Die Zeit war reif für etwas Neues!

In England zählten zu dieser Zeit Cliff Richard, Bill Fury, Lonnie Donegan, HelenShapiro, Skiffle-Bands oder Instrumentalgruppen wie Spotnicks oder Shadows zuden Favoriten. Außerdem hatte sich zur gleichen Zeit eine blühende Rhythm andBlues-Bewegung entwickelt. Alexis Korner´s Blues Incorporated war eine ganzheiße Kiste, John Mayall und seine Bluesbreakers entstanden bald danach. In denVereinigten Staaten war Musik von Tony Bennett, Paul Anka, Peggy Lee, FrankSinatra und Connie Francis populär, in Deutschland dominierte Schlagermusikvon Nana Mouskouri, Gus Backus, Peter Kraus, Manuela und Freddy Quinn.

Und dann kam sie plötzlich aus England zu uns herüber geschwappt: die Beat-Welle! Tsunamiartig spülte sie alles fort und plötzlich waren sie da, die Beatles,Rolling Stones, Kinks, Small Faces, Troggs, Spencer Davis Group, Manfred Mann,Tremeloes, und, und, und …

Zwei der frühen und bekanntesten deutschen Beatbands waren The Lords (Poorboy. Shakin`all over) und The Rattles (Come on and sing. The witch).

Mit den Bands entstanden die Clubs, die angesagtesten in unserer Gegend warender Star-Club Hamm (früher Astoria), die Eisenhütte in Bielefeld, der Star-ClubBielefeld und der Jaguar-Club (ehemals Scala ) in Herford. Während zum Beispielim Star-Club Bielefeld Gruppen wie Remo Four, Pretty Things und Phantom

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Brothers gastierten, waren im Jaguar-Club, durch die Zusammenarbeit mit derFernsehsendung Beat-Club , alle wichtigen Bands jener Zeit wie Jimi Hendrix, TheWho, Cream, Troggs, Easybeats, Heard und zahlreiche andere zu sehen.

Überall, auch in den kleinen Städten, entstanden über Nacht neue Bands. InGaragen, Kellern und ehemaligen Hühnerställen wurde mit zum Teilabenteuerlichen Instrumenten und selbstgebauten Verstärkern musiziert. Für diemusikalische Ausrüstung sorgte damals vor allen Dingen die Firma Rost inBielefeld. Junge Leute mit wenig Geld konnten bei “Pappa” Rost auch schon malin Raten zahlen.

Auch in Oelde entwickelte sich etwas. Leute, die Unterhaltungs- und Tanzmusikmachten, gab es bereits, aber zu den frühen Bands gehörten die Souls, Red Kinksund Little Sharks. The Souls übten und spielten mit veränderter Besetzung ineinem ehemaligen Brauereikeller. Ein Höhepunkt der Band bestand in einemAuftritt im Herforder Jaguar-Club, wo die Band als Vorgruppe der damals sehrbekannten Rivets auftrat. Theo Schmitz, damaliger Gitarrist der Souls, erinnertesich an diesen Auftritt.

Original- Logo angefertigt von Norbert Löbbert ca. 1967

Unser größter Auftritt war in der Scala in Herford, als Vorgruppe der Rivets.Wir spielten mit der Anlage der Rivets und hatten natürlich überhaupt keineErfahrung, wie man in einer so großen Halle die Anlage einstellt. Auf der Bühnewurden wir durch die Scheinwerfer so geblendet, dass man überhaupt keineZuschauer erkennen konnte. Wir begannen zu spielen und das Chaos auch! Ichhörte meine Gitarre nicht mehr und drehte den Verstärker auf. Ein Typ von denRivets sprang auf die Bühne und drehte die Lautstärke wieder runter. Dann rissmir bei einem Solo die E-Saite. Ich habe dann während des Stücks die Gitarremit unserem Rhythmusgitarristen getauscht. Zu guter Letzt packte unserenSänger noch das Lampenfieber und er verschwand von der Bühne. Charly

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sprang recht gut ein. Nachdem wir das Programm beendet hatten, trauten wiruns erst garnicht unter die Leute, weil wir dachten wir hätten total schlechtgespielt. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Die Rivets spielten schonlange und als wir uns in die angrenzende Kneipe geschlichen hatten, wurdenwir erkannt und den ganzen Abend von Menschen umringt, so dass man keinenFuß mehr auf den Boden bekam. Somit war unser Auftitt der absolute Knaller!

Die Sharks von links: Erich Lobemeier, Peter Lobemeier, BurkhardtHeringhof † (auch Haifisch genannt) und Uli Remfert Foto: © PeterLobemeier

The Little Sharks probten in der alten Wassermühle am Oelder Stadtpark. Einwunderbarer Ort, denn gegenüber befand sich die Gaststätte Kramers Mühle, woRobert, der “Hammer von Essen”, als Wirt leckeres Weissenburger Bier undHimbeergeist verabreichte. The Little Sharks waren viel unterwegs, die Konzertein Oelde und in der Umgebung waren immer gut besucht.

Mit dem Entstehen der Beat-Bewegung änderte sich auch unser Aussehen: dieHaare wurden länger und die Bekleidungsvorgaben unserer Eltern wurdenignoriert – ein Generationskonflikt bahnte sich an. Wir trugen Beatles-Stiefel in

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jeder Ausführung, Hosen mit Schlag und Falte, Armee-und Cordjacken, Blazer mitFellkragen sowie Parka, die mit Peace-Zeichen versehen wurden.

Musikalisch konnten wir uns damals, in einer Zeit ohne Computer, USB-Stick, CDoder Cassetten bei der Firma Holtkamp auf der Ruggestraße versorgen. Dieverfügten über ein überschaubares Sortiment von Beat- und Rock- Schallplattenund “Fräulein Holtkamp” war stets bemüht, den Geschmack der jungenKundschaft zu treffen. Unermüdlich legte sie Platten auf, die man mit Hilfe zweierHörer, die man sich an die Ohren presste, hören konnte.

Original- Zeichnung aus dem Buch “Ich dachtenur noch Wahnsinn” von Heinz Werner Drees

Auch in der Oelder Gaststätte “Zum blauen Täuber” traf man sich zuBeatkonzerten. Ansonsten gab es nicht allzu viele Möglichkeiten in unserer

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kleinen Stadt, man traf sich im Hahnenteller, Kupfergrill, bei “Stucki” und vorallen Dingen in der damaligen Eisdiele von Rina und Franco Molin.

Aber die Zeit der langweiligen Abende hatte schon bald ein Ende, denn 1968eröffnete die erste Oelder Disco, das Meranchito!

Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte!”

The Beat goes on …

Autoren: Heinz Werner Drees & Norbert Löbbert