Bedeutung der zellulären Selbstorganisation für die Tumorbiologie

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NATUR WISSENSCHAFTE oo Bedeutung der zellul iren Selbstorganisation fiir die Tumorbiologie Bernhard Wolf und Michael Kraus AG Medizinische Physik und Elektronenmikroskopie, Institut flit Immunbiologie der Universit~it, D-79104 Freiburg i. Br. A cell is a complex system working far from thermodynamic equilibrium. The prediction of cellular functions based exclusively on the molecular basis is yet impossible because of the many degrees of freedom of the microsystem cell. In contrast, the system cell displays only a surprisingly small spectrum of macroscopic observable degrees of freedom, the number of which changes during the cell cycle and neoplastic growth. Illustrated by image analytical and cell biological data we attempt to describe these phenomena of cellular self-organization. B etrachtet man eine Zelle im Elektronenmikro- skop, so ist man zun~ichst fiber die mSgliche Vielfalt der ultrastrukturellen Muster und das hohe Ma8 an struktureller Kompartimentierung erstaunt (Fig. 1). Auch sind zahlreiche zeitlich periodi- sche Vorg~inge zu beobachten, wenn die Dynamik tier verschiedenen Botenstoffe in der Zelle detektiert wird; z.B. regelmfiSige Oszillationen der intrazellul~iren Ca2+-Konzentration [1,2]. All diese r~iumlich und zeit- lich geordneten Strukturen deuten darauf hin, dab in der Zelle Selbstorganisationsmechanismen am Werke sind, die sich bislang nicht allein aus genetischen und molekularbiologischen Kenntnissen zwingend ableiten lassen. Wegen der grogen Anzahl von Molekfilen, aus denen eine Zelle besteht, wird sich dies in absehbarer Zeit wohl nur unwesentlich ~indern. Alternativ zur reduktionistischen Betrachtungsweise, die eigentlich die Kenntnis der Dynamik s~imtlicher Molekfile der Zelle erfordern wtirde, soll bier versucht werden, die zellul~ire Selbstorganisation aufgrund makroskopisch beobachtbarer Ordnungsparameter zu beschreiben. Hierbei kann auf die Theorie der Synerge- tik [3] - also der Lehre vom Zusammenwirken - zurfick- gegriffen werden. Nach einigen kurzen physikalischen Vorbemerkungen wird am Beispiel Zellzyklus und neoplastisches Wachs- tum zellul~ire Selbstorganisation in Analogie zu physi- kalischen Phasenfiberg~ingen diskutiert. Basierend auf diesen Ergebnissen, soll zuletzt eine synergistische Erki~irung der Vorg~inge beim neoplastischen Wachstum gewagt werden. Physikalische Pr~iliminarien Physikalisch handelt es sich bei einer Zelle um ein System, das fernab vom thermodynamischen Gleichge- wicht arbeitet. Nur durch st~indige Zufuhr yon chemi- scher Energie kann die Zelle raumzeitliche Ordnungs- strukturen, die ihr das Uberleben erm6glichen, auf- Naturwissenschaften 80, 343-352 (1993) © Springer-Verlag 1993 343

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NATUR WISSENSCHAFTE

oo

Bedeutung der zellul iren Selbstorganisation fiir die Tumorbiologie

Bernhard Wolf und Michael Kraus

AG Medizinische Physik und Elektronenmikroskopie, Institut flit Immunbiologie der Universit~it, D-79104 Freiburg i. Br.

A cell is a complex system working far from thermodynamic equilibrium. The prediction of cellular functions based exclusively on the molecular basis is yet impossible because of the many degrees of freedom of the microsystem cell. In contrast, the system cell displays only a surprisingly small spectrum of macroscopic observable degrees of freedom, the number of which changes during the cell cycle and neoplastic growth. Illustrated by image analytical and cell biological data we attempt to describe these phenomena of cellular self-organization.

B etrachtet man eine Zelle im Elektronenmikro- skop, so ist man zun~ichst fiber die mSgliche Vielfalt der ultrastrukturellen Muster und das

hohe Ma8 an struktureller Kompartimentierung erstaunt (Fig. 1). Auch sind zahlreiche zeitlich periodi- sche Vorg~inge zu beobachten, wenn die Dynamik tier verschiedenen Botenstoffe in der Zelle detektiert wird; z.B. regelmfiSige Oszillationen der intrazellul~iren Ca2+-Konzentration [1,2]. All diese r~iumlich und zeit- lich geordneten Strukturen deuten darauf hin, dab in der Zelle Selbstorganisationsmechanismen am Werke sind, die sich bislang nicht allein aus genetischen und molekularbiologischen Kenntnissen zwingend ableiten lassen. Wegen der grogen Anzahl von Molekfilen, aus denen eine Zelle besteht, wird sich dies in absehbarer Zeit wohl nur unwesentlich ~indern. Alternativ zur reduktionistischen Betrachtungsweise, die eigentlich die Kenntnis der Dynamik s~imtlicher Molekfile der Zelle erfordern wtirde, soll bier versucht werden, die zellul~ire Selbstorganisation aufgrund makroskopisch beobachtbarer Ordnungsparameter zu beschreiben. Hierbei kann auf die Theorie der Synerge- tik [3] - also der Lehre vom Zusammenwirken - zurfick- gegriffen werden. Nach einigen kurzen physikalischen Vorbemerkungen wird am Beispiel Zellzyklus und neoplastisches Wachs- tum zellul~ire Selbstorganisation in Analogie zu physi- kalischen Phasenfiberg~ingen diskutiert. Basierend auf diesen Ergebnissen, soll zuletzt eine synergistische Erki~irung der Vorg~inge beim neoplastischen Wachstum gewagt werden.

Physikalische Pr~iliminarien

Physikalisch handelt es sich bei einer Zelle um ein System, das fernab vom thermodynamischen Gleichge- wicht arbeitet. Nur durch st~indige Zufuhr yon chemi- scher Energie kann die Zelle raumzeitliche Ordnungs- strukturen, die ihr das Uberleben erm6glichen, auf-

Naturwissenschaften 80, 343-352 (1993) © Springer-Verlag 1993 343

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Fig. l. Die elektronenmikroskopische Aufnahrne einer Epithelzelle aus dem Colon zeigt das hohe Ausmal3 an Kompartimentierung und die Vielfalt ultrastruktureller Muster × 8500

bauen und erhalten. Diese makroskopische Ordnung, die sich dutch vergleichsweise wenige Ordnungspara- meter beschreiben l~igt, basiert letztendlich auf einer Unzahl von sub-mikroskopischen Reaktionsschritten, die durch den standigen Flug von Energie und Materie durch die Zelle angetrieben werden 1.

Man betrachte einen Automotor: Hier wird die ungeordnete Mole- ktilbewegung des Kraftstoff-Luft-Gemisches in eine geordnete Bewe- gung des Kolbens umgesetzt, der wiederum das Auto in eine bestimmte Richtung bewegt. Insgesamt werden die unz~thligen mikro- skopischen Freiheitsgrade der Molekfilbewegung auf den einen makroskopischen Freiheitsgrad der Fortbewegung konzentriert.

Worauf ist diese zellul~ire Selbstorganisation zurfickzuffih- ten? Prinzipiell, wenn auch bisher nur flit die Dynamik von kleinen zellularen Subsystemen gezeigt (z.B. [4~5]), kann eine Zelle als ein dynamisches System aus interagierenden Molekiilen aufgefal3t werden (Fig. 2a). Das raumzeitliche Verhalten dieses Systems l~il3t sich mathematisch durch einen Satz yon gekoppelten Differen- tialgleichungen [7] oder dutch stochastische Konzepte [5,8,9] beschreiben. Ein wesentliches Charakteristikum dieser Gleichungen ist ihre hochgradige Nichtlinearit~t, die die Tatsache widerspiegelt, dal3 biochemische Reaktionen meistens kooperativ ablaufen und oft auch viele verschie- dene Partner an einer Reaktion beteiligt sind. Obwohl die explizite Berechnung der Dynamik des Systems Zelle aus praktischen Grtinden scheitert, ktin-

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Membran

Ionen

IntrazeUul~.rraum a

Hormone

Hormone

GMF

!!! !!!) b

C

Fig. 2. Die Mitose-relevante intrazellul~ire Signalverarbeitung. a) Ionen, Hormone und wachstumsmodulierende Faktoren (GMF, growth modulating factors) im extrazelluRiren Medium sind fiber sekund~ire Botenstoffe an intrazellulgre Effektorensysteme (E) gekop- pelt. Zusgtzlich werden Ionen - far die Mitosesteuerung am bedeu- tendsten sind Ca ~÷ und H ÷ - mittels Ionenkanglen (D ins Cytosol der Zelle transportiert, wo sie durch kooperative Aktivierung oder Hem- mung ihre Effektoren regulieren. Die Signalfibertragang durch Ionen ist besonders dann vorteilhaft, wenn sie schnell sein soll. AUerdings sind die Ionensignale eher yon kurzer Dauer. Ein weiterer intrazellul~i- rer Signalweg wird durch Hormone reguliert, die an spezielle Rezepto- ren (R) der Plasmamembran binden. Die dadurch initiierten Signale werden in einem zweiten Schritt durch G-Proteine (Codierungs- System, C) codiert. G-Proteine kiSnnen attBerdem Hormonsignale yon verschiedenen Rezeptorsystemen integrieren. Die aktivierten G-Pro- teine regulieren ihrerseits Enzyme, die sekund~ire Botenstoffe produ- zieren, oder sie regulieren Ionenkanale in der Plasmamembran. In eukaryontischen Zellen gibt es mindestens zwei Hormon-aktivierte Signalwege, die zur Proliferationskontrolle beitragen. Der erste Signalweg iibermittelt seine Signale durch den sekund~iren Botenstoff cyclisches Adenosinmonophosphat (cAMP) [43]. Als wichtigsten Effektor aktiviert cAMP die Proteinkinase A [44]. Dutch eine andere Klasse yon G-Proteinen vermittelt der zweite wichtige Hormon- gekoppelte Signalweg die Regulation der Botenstoffe Ca 2+ und Di- acylglycerol. Als wichtigen Effektor aktiviert dieser Signalweg die Pro- teinkinase C (PKC) [45,46]. Sowohl die PKA als auch die PKC phos- phorylieren ihre Substratproteine an Serin- und Threonin-Sequenzen. Langzeiteffekte, vermittelt durch die Phosphorylierung von Tyrosinre- sten, werden durch einen weiteren Signalweg vermittelt: Wachstums- faktoren [47] binden an spezielle Transmembranrezeptoren, die auf ihrer cytoplasmatischen Seite eine intrinsische Tyrosinkinase-Aktivitat (TK) besitzen [48]. Das Gleichgewicht zwischen Phosphorylierung und Dephosphorylierung wird durch bestimmte Phosphatasen modu- liert, die selbst wieder durch das Andocken yon wachstumsmodulie- renden Faktoren an spezielle Rezeptoren aktiviert werden k6nnen. Das Schema enth~ilt nicht die starke Vernetzung der einzelnen Signal- wege sowie die Vielzahl von positiven und negativen Rtickkopplungs- strecken, die das zelluRire Signalnetzwerk regulieren. Auch die

Signale, die durch cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) vermit- telt werden, sind nicht gezeigt. Wie dutch die gepunkteten Pfeile ange- deutet, werden die Signale der einzelnen Effektorsysteme (E) m6gli- cherweise durch einen bisher nicht vollst~indig verstandenen Mecha- nismus (&) verrechnet. Es ist denkbar, dab die einzelnen Signale gewichtet und integriert werden. Vermutlich werden Kontroll- und Arretierungspunkte im Zellzyklus fiberschritten, wenn eine kritische Signalst~irke des integrierten Signals erreicht ist. b) Signaltransduktion in ,,normalen" Zellen: Wie in einem technischen System zur Nachrich- teniabertragung kann die Stimulation eines Zellmembranrezeptors durch einen Liganden als Bet~itigung eines Schalters verstanden wer- den. Das Signal wird verst~irkt (Codierungssystem C in 2a) und mittels sekundarer Botenstoffe in das Zellinnere und zum Kern tibertragen, c) Dutch den EinfluB einiger Onkogenprodukte kann sowohl die M6g- lichkeit zur Abschaltung des Aktivierungssystems als auch die Abh~in- gigkeit von extrazelluRiren Liganden stark reduziert werden. Dadurch kommt es zu einer gef~hrlichen Daueraktivierung der Zelle

nen a l le in au fg rund f u n d a m e n t a l e r p h y s i k a l i s c h e r Gese tzm~ig igke i t en [3,10,11] aus den g e n a n n t e n Fes t - s t e l lungen w e i t r e i c h e n d e Schlt isse g e z o g e n w e r d e n : (1) D i e n i ch t l i nea re S t r u k t u r des o f f e ne n Sys tems Z e l l e ist h i n r e i c h e n d , u m d u t c h S e l b s t o r g a n i s a t i o n g e o r d n e t e S t r u k t u r e n in R a u m ( K o m p a r t i m e n t i e r u n g ) u n d Z e i t (z .B . intrazellul~ire CaZ+-Oszi l la t ionen) h e r v o r z u b r i n - gen , d ie sich mi t , ,wenigen" (was i m m e r das im Fal l d e r Z e l l e h e i g e n mag) O r d n u n g s p a r a m e t e r n b e s c h r e i b e n lassen 2.

(2) D i e N a t u r d i e se r g e o r d n e t e n S t r u k t u r e n ist dyna - misch ( M o d e n k o n z e p t [3]). I h r e S tab i l i t~ t wi rd z u m e i n e n du rch d ie s t~ndige E n e r g i e z u f u h r v o n aul3en (in e i n e m a b g e s c h l o s s e n e n S y s t e m mtiBte d ie E n t r o p i e st~indig z u n e h m e n ) , z u m a n d e r e n du rch Se lb s to rgan i s a - t ionsvorg~inge im S y s t e m se lbs t a u f r e c h t e r h a l t e n . (3) D i e Va r i a t i on von zel lul f i ren P a r a m e t e r n k a n n zu Phasen t iberg~ingen zwischen v e r s c h i e d e n e n M o d e n f t ihren. H i e r d u r c h ~indern sich d ie Z a h l d e r F re ihe i t s - g r a d e des Sys tems u n d d a m i t auch d ie m a k r o s k o p i s c h e n E i g e n s c h a f t e n in c ha r a k t e r i s t i s c he r Weise 3.

2 Ein einfaches Beispiel soil dies verdeutlichen: Versucht man die Dynamik yon Wasserdampf aus den mikroskopischen Gleichun- gen, die die Bewegung der einzelnen Wassermolektile beschrei- ben, explizit zu berechnen, so stellt man schnell fest, dab das System numerisch nicht mehr traktabel ist. Hingegen erlauben die ph~inomenologisch abgeleiteten Gesetze der Thermodynamik eine Charakterisierung mit Hilfe weniger makroskopischer Zustands- gr6Ben (Volumen, Druck, Temperatur). 3 Um beim Beispiel Wasser zu bleiben: Bei hohen Temperaturen bewegen sich die Wassermolektile frei und unkorreliert. Wird die Temperatur erniedrigt, bilden sich am Siedepunkt schlagartig Was- sertropfen. Durch diesen Phasentibergang verliert das System Freiheitsgrade (Symmetriebrechung), da die Molektile nun einen mittleren Abstand zueinander einhalten. SchlieBlich kristallisiert das Wasser am Gefrierpunkt. Nun sind die Molekiile in einer festen Ordnung aneinandergereiht. Ein Paradigma der Selbstorganisation in offenen Systemen fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht, das ausfiihrlich von H. Haken diskutiert wurde [3], ist der Laser.

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Genetik, M o l e k u l a r ~ Mikrosystem

biologie ~ ] Zelle • Sell~- : o r g a n i s a t i o n

SBM dynamisches .~ System l

Mala'osystcm ZeUe

Modenkvnzept

Zellbiologie, uitrastrukturdh

Morphologie, analytische

Mikroskopie, Biosensorik

Orduungs- parameter

Fig. 3. Das Modenkonzept (Erl~iuterungen im Text)

Fig. 3 zeigt zusammenfassend eine schematische Dar- stellung des selbstorganisierten Systems Zelle. Betrachtet man die Zelle als Mikrosystem, so kann die Informationsgewinnung fiber genetische und moleku- larbiologische Ans~itze erfolgen. Mathematisch wird die mikroskopische Systembetrachtung durch ein nichtlinea- res dynamisches System zum Ausdruck gebracht. Die systemtheoretische Analyse und nachfolgende Compu- tersimulation des Mikrosystems wird durch die von uns eingeffihrte Methode der Strukturierten Biologischen Modellierung (SBM) [4,5] wesentlich erleichtert. Die dutch SBM erreichbare systemanalytische und mathe- matische Pr~izisierung dient als Fundament ffir die syn- ergistische Betrachtung. Sie liefert die logische Ver- knfipfung zwischen dem Mikro- und dem Makrosystem Zelle. Eine durch die Theorie beschreibbare Herausbil- dung yon quasistabilen, selbstorganisierten Moden manifestiert sich makroskopisch in Form von experi- mentell beobachtbaren raumzeitlichen Mustern. Dadurch kOnnen charakteristische zellbiologische, ultrastrukturell-morphologische oder mikroanalytische Informationen als Ordnungsparameter des Makrosy- stems Zelle interpretiert werden. Diese fQberlegungen erm6glichen es nun, den Zellzy- klus und das neoplastische Wachstum im Licht der zel- lularen Selbstorganisation zu betrachten.

Phaseniiberg~inge im Zellzyklus und beim neoplastischen Wachstum

Der Zellzyklus wird fiblicherweise in vier Phasen - G1 (Gap) mit Ruhezustand Go, S (Synthese), G2 und D (Division) - unterteilt (zur 12Ibersicht [12]). Die G1-Phase ist die funktionelle Periode, w~ihrend der sich die Zelle auf die S-Phase vorbereitet. Das Eintreten der S-Phase ist durch die Synthese von DNA, Histonen und bestimmten Enzymen gekenn- zeichnet [13]. Zellbiologische und biochemische Stu- dien haben in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dab die G1-Phase bei den meisten post-embryonalen

Zellen die Dauer des Zellzyklus determiniert [14]. Ist die G1-Phase durchlaufen, so ist die Dauer der verblei- benden Phasen nahezu invariant. Die einzelnen G1- Subphasen werden entweder yon einem nicht-prolife- rierenden, ruhenden G0-Zustand aus oder nach einer vorangehenden Mitose direkt durchlaufen [12]. Ent- zieht man Zellen wichtige Wachstumsfaktoren (z.B. experimenteller Entzug von FCS in der Zellkultur) oder verhindert man ihre Anheftung an die extrazellu- lfire Matrix (z. B. Hydrophobisierung oder Neutralisie- rung der elektrostatischen Ladung von Kulturscha- len), so stellen sie nach der Mitose ihre Vermehrung ein und gehen in den G0-Ruhezustand fiber. Gibt man die Wachstumsfaktoren wieder zu, dauert es mehrere Stunden, bis die Zellen aus dem G0-Zustand in den Zellzyklus zurfickkehren [15]. Die post-embryonale Zellproliferation wird also von extrazellul~iren Fakto- ren zu einem Zeitpunkt vor dem Eintritt in die S- Phase reguliert. Nach dem Eintritt in die S-Phase wird der Zellzyklus weitgehend unabhfingig von extrazellu- l~iren Faktoren. Die Prozesse, die nach dem 121ber- schreiten dieses postulierten ,,Restriktionspunktes" [15] ablaufen, h~ngen maggeblich von intrazellulfiren Kontrollmechanismen wie dem Cyclin/MPF-Oszillator ab [16-21]. Somit ist in einer sich vermehrenden Zell- population das Passieren des ,,Restriktionspunktes" ein Alles-oder-Nichts-Ereignis, das mit einer bestimm- ten Wahrscheinlichkeit eintritt, die prim~ir von extra- zellulgren Faktoren abhfingt. In Analogie zur Physik bezeichnen wir das 121berschrei- ten des ,,Restriktionspunktes" als Phasenfibergang. Dutch diesen Zustandsfibergang verliert das System Zelle etliche Freiheitsgrade, z.B. die Beeinflul3barkeit durch extrazellulfire Faktoren. Das Dominieren einer neuen Mode drifckt sich auch darin aus, dab die Dauer der verbleibenden Phasen des Zellzyklus annfihernd invariant ist und primfir vom Zelltyp abh~ingt. Oft gehen Phasenfiberggnge im Zellzyklus mit pl6tzlichen Anderungen der Konzentration einiger intrazellul~irer Botenstoffe einher. So steigt z.B. die intrazellul~ire Ca2+-Konzentration zu bestimmten Zeitpunkten im Zellzyklus steil an [22-24].

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Tabelle 1. M6gliche Ordnungsparameter zur Charakterisierung des neoplastischen Wachstums. Die unterschiedliche Bedeutung und Zahl der Ordnungsparameter fiir Normalzellen und verschiedene Tumorstadien l~igt sich als Phasentibergang zwischen quasistation~iren Moden interpretieren. Die Symbole +, o oder - bezeichnen hohe, mittlere und niedrige Parameterwerte und stellen jeweils nur einen Trend dar. Oft variieren die Parameterwerte ftir verschiedene Zelltypen. FOr detailliertere Angaben zum Tumortyp sei auf die angege- bene Literatur verwiesen. CAM: Cell Adhesion Molecules, CEA: Carcinoembryonic Antigen, EELS: Electron Energy Loss Spectro- scopy, ER: Endoplasmatisches Retikulum, Mito: Mitochondrien, NMR: Nuclear Magnetic Resonance, n.u.: nicht untersucht, PME: Phosphomonoester

numerisch detektierbare Ordnungsparameter a

generalisierter Zelltyp Lit.

normal benigne maligne

Extrazelluliire Faktoren Umfang der Stimulierbarkeit durch Hormone u. Wachstumsfaktoren Abhangigkeit yon extrazellul~rer Matrix CAM pH~xt~m

Zell- Zell- Kommunikatio n Gap Junctions Desmosomen tumorassoziierte Antigene (z.B. CEA) Metastasierung

Intrazelluliire Signaliibertragung G1-Arretierung Differenzierung auto- und parakrine Stimulation

Uhrastrukturdaten aus elektronenmikro- skopischer Bildanalyse

A(Zelle)/V(Zelle) c A(Kern)/V(Kern) c V(Mito)/V(Zelle) c A(ER)/V(Zelle) c Topographie der Zellmembran: Zahl der ,,intra membrane particles"

Chemische Parameter mit Signalcharakter aus analytischer Elektronenmikroskopie

[P]/[C] im Kern und im Plasma [Ca]/[C] im Kern und im Plasma

Chemische Parameter aus NMR-Spektro- skopie und NMR-Mikroskopie

31p: [PME] 31p: [ATP] 1H: Methylen-Region (Peak-H6he u. T2)

+ o - [15,491 + + - [50-54] + o - [ 5 5 - 5 7 ]

o - - [58,59]

+ o - [60-62] o + - [ 2 8 1 - + + , o , - b [ 6 3 , 6 4 ]

- - + [ 6 5 1

+ - - [12,14,151 + o - [14] o o + [66]

o + o [25-27] o + o ,_b [25-28] 0 + - [25-28] 0 + ,0 - [251

o + - [6%701

o + o [33-35] o + _(+d) [34]

o n.u. + [71] o n.u. + [71] o n.u. + [71]

a Molekulargenetische Parameter (z. B. numerisch detektierbar fiber in-situ-Hybridisierung) mtissen hier aus Platzgrtinden unberticksich- tigt bleiben (s. hierzu [72,73]) b Abh~ingig vom Tumortyp c A(...)/V(...) bezeichnet das morphometrisch bestimmte Verh~iltnis zwischen Oberfl~iche und Volumen der entsprechenden Strukturen [entsprechend V(...)/V(...) das der VolumenverhNtnisse] d Evtl. Hinweis auf Metastasierung

Bislang wurde nur auf nicht en ta r te te Zel len eingegan- gen. In sbesonde re das neoplas t i sche Wachs tum l~iBt aber aufschlugre iche Phasen i ibergangsana log ien zu. Bei Tumorze l len ist die Prol i fera t ionskontrol le , beson- ders die Regu la t ion der Ga-Arre t ie rung, we i tgehend gest6r t [14]. N a c h e l ek t ronenop t i schen Un te r suchun- gen n immt mit z u n e h m e n d e r Malignit~it auch der sub- zellul~ire Di f fe renz ie rungsgrad ab [25-28]. Wie Tabelle 1 exemplar isch zeigt, l~iBt sich auch bei Tumorze l len das S tad ium der Ze l l en ta r tung anhand charakterist ischer, exper imente l l b e o b a c h t b a r e r Gr6- Ben - im fo lgenden als Ordnungspa ramete r bezeichnet - bes t immen. O r d n u n g s p a r a m e t e r kOnnen in verschie-

dene Klassen eingeteil t werden : Bi ldanalyt isch gewon- nene Pa rame te r fiber die Ul t ras t ruk tur (zur M e t h o d e s. [29,30]) geben AufschluB fiber ge~inderte funkt ionel le Zust~inde in der Zelle. Beispielsweise kann aus e iner Verg r6ge rung des Verh~ltnisses zwischen der Zel lober- fl~iche und dem Ze l lvo lumen - A ( Z e l l e ) / V ( Z e l l e ) - auf eine verstfirkte Transpor t - und Signalaktivit~it an der Z e l l m e m b r a n geschlossen werden. E l ek t ronenmik ro - skopische A u f n a h m e n von Epi the lze l len der weibl ichen Brust (Fig. 4-7) il lustrieren die drast ischen morpho log i - schen Unte r sch iede zwischen n o r m a l e n und mal ignen Zel len. Die Ve ra rmung an Ul t ras t ruk tu r und Kompar t i - men t i e rung bei invasiven Tumorze l len deute t darauf

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Fig. 4. Die folgenden elektronenmikroskopiscben Aufnahmen (Fig. 4- 7) zeigen Epithelzellen der weiblichen Brust mit gut- und b6sartigen Ver~inderungen. Solche Zellen wurden mittels Bildanalyse [29,30] numerisch klassifiziert und durch ein spezieIles Rechenprogramm [74] als typisch far die jeweilige Entartung charakterisiert; a) Obersichts- aufnahme eines normalen Drasenganges (× 3000), b) typische Epi- thelzelle aus obigem Prfiparat (× 12500)

hin, dab ihr gesamter Stoffwechsel nur noch auf die unkontrollierte Proliferation hin ausgerichtet ist. Damit einher geht auch die Beobachtung, dab mit zunehmen- der Margination der Ultrastruktur (und damit Verlust attackierbarer Targets) auch die Sensitivitfit sowohl gegenfiber klassischen Zytostatika als auch modernen Mitose-Inhibitoren auf der Basis von PKC- und Tyrosin- kinase-Inhibitoren abnimmt [31]. Chemische Parameter, die z.B. in situ an ultradfinnen Kryoschnitten (d. h. an nicht aufgeschlossenem Proben- material) ffir die Strukturuntersuchungen mittels der Elektronen-Energie-Verlust-Spektroskopie (Electron Energie Loss Spectroscopy, EELS, s. [32,33]) gewon- hen werden k6nnen, geben Aufschlug fiber dominie- rende biochemische Reaktionen in der Zelle. So kann fiber Ver~inderungen der Phosphorkonzentration (immer normiert auf das biologisch hfiufigste Element C) auf eine verst~irkte PhosphorylierungsaktivitSt in der Zelle geschlossen werden [34,35]. Besondere Bedeu- tung haben schlieglich die Parameter, die die Funktion intrazellulfirer Signalwege charakterisieren. Die Modu-

Fig. 5. a) Obersichtsaufnahme einer noch gutartigen VerSnderung (ductale Hyperplasie), × 1100), b) typische Zelle aus dem Pr~iparat in a) (x 10000)

lation des intrazellulfiren Signalnetzwerkes durch den EinfluB von Onkogenprodukten [36-38] ffihrt vor allem zu einer fehlerhaften Regulation der G1-Arretierung. AuBerdem ist bei Krebszellen auch der Mechanismus der Zellalterung auger Kraft gesetzt, sie k6nnen daher als potentiell unsterblich bezeichnet werden. Zudem scheinen aktivierte Onkogene Kurzschlfisse im intrazellulfiren Signalnetzwerk ausl6sen zu k6nnen. Beispielsweise codiert ras ffir ein G-Protein mit vermin- derter GTPase-Aktivit~it. Durch die verminderte Ffihig- keit zur Inaktivierung wird deshalb eine permanente, G-Protein-vermittelte Stimulation der Zelle vorge- t~uscht, ohne daB tats~ichlich erh6hte Hormon- oder Wachstumsfaktor-Konzentrationen im Extrazellulfir- raum vorliegen mfissen [39,40]. Auch andere Onkogen-

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Fig. 6. Ultrastruktur einer als noch gutartig eingestuften Velgnderung (ductale Hyperplasie). Es sind zwei Klassen von Zelltypen erkennbar: Der Epithelzelltyp A entspricht in seiner Ultrastruktur und den bild- analytischen Daten noch den typischen Zellen aus gutartigen Ver~inde- rungen (s. Fig. 5). Im Gegensatz dazu zeigt Zelltyp B bereits struktu- relle Ver~inderungen, wie sie ffir maligne Zellen charakteristisch sind, insbesondere die ftir b6sartige Zellen typische Margination des Kerns und des Zytoplasmas (s. Fig. 7, × 1100)

produkte reduzieren die Abhgngigkeit der Zelle von extrazellul~iren Faktoren. So codiert beispielsweise erb- B ftir einen aktivierten EGF-Rezeptor, der keinen Liganden mehr ben6tigt [37]. Die Reihe der Beispiele liege sich hier beliebig fortsetzen (s. hierzu Fig. 2b und c). An dieser Stelle soll die Feststellung genfigen, dab oft (sub-)mikroskopisch kleine Ver~inderungen von Systemkomponenten (etwa eine Punktmutat ion des ras-Gens) genfigen, um megbare Ver~inderungen makroskopischer Ordnungsparameter oder Zustands- gr6f3en zu induzieren.

Krebs ais zelluliire Seibstorganisation?

Wie kann nun Krebs als ein Vorgang zellul~irer Selbstor- ganisation interpretiert werden? Die Dynamik des Mikrosystems Zelle kann im Prinzip mathematisch als dynamisches System beschrieben werden. Aus der Theorie der Synergetik weiB man, dab die Nichtlineari- t~it des Systems in Verbindung mit st~indiger Energiezu- fuhr zur Herausbildung von quasi-stabilen Moden fiih- ten kann, die sich makroskopisch durch geeignete Ord- nungsparameter charakterisieren lassen. Alle nicht sta- bilen Zust~inde entsprechen Zellen, die nicht tiberle- bensf~ihig sind und automatisch yon der Natur ausge- sondert werden. Bei den verbleibenden lebensf~ihigen Zellen ftihrt die zellul~ire Selbstorganisation zu einer enormen Reduktion der Freiheitsgrade. Der Zustand einer Zelle kann (zumindest theoretisch) durch einen Satz von Ordnungsparametern eindeutig beschrieben werden. Ordnet man nun jedem Punkt im multidimensionalen Raum der Ordnungsparameter einen Potentialwert zu, so sind die stabilen (also iiberle-

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g.

Ordnungsparameter

Fig. 8. Das neoplastische Wachstum im Potentialbild. Der Zustand der Zelle (dargestellt durch die Kugel) ist bestrebt, ein lokales Minimum im Potential (fiber dem in Wirklichkeit multidimensionalen Raum der Ordnungsparameter) einzunehmen. Umgekehrt kann theoretisch jedem Tupel von Ordnungsparametern ein Potentialwert zugeordnet werden, a) Eine normale Zelle nimmt einen normalen Zustand mit minimalem Potentialwert an, der dutch einen Satz yon Ordnungspara- metern (Abzisse) charakterisiert werden kann. b) Kommt es zu (carci- nogenen) St6rungen im intrazellulfiren Signalnetzwerk, so wird der Normalzustand instabil. Es bilden sich dann (falls die Zelle nicht abstirbt) neue lokale Potentialminima, die initiierten oder transfor- mierten Zellen entsprechen. Oft reicht eine kleine externe St6rung - etwa durch einen Tumorpromotor -, um eine initiierte Zelle vollst~in- dig zu transformieren (anschaulich mug hierzu die Potentialbarriere zwischen initiiertem und transformiertem Zustand tiberwunden wet- den)

Fig. 7. a) Operationsprfiparat einer bOsartigen Ver~inderung der weibli- chen Brust (x 1100). Man beachte die starke Margination des Kerns und des Zytoplasmas mit dem nahezu vollst~ndigen Yerlust an Kompar- timentierung, b) VergrOBerung aus (a). Die Zelle zeigt noch Reste sub- zellul~rer Strukturen bei zusammengebrochener Ordnung (x 4000)

bensf~ihigen) makroskopischen Zustfinde der Zelle gerade die (lokalen) Potent ia lminima (Fig. 8a, die Kugel repr~isentiert den Zus tand der Zelle). Bei vollstfindiger Kenntnis des dynamischen Systems, das das Mikrosy- stem Zelle beschreibt, k6nnte die Potent ia l funkt ion prinzipiell aus diesem berechnet werden. Interessanter- weise kOnnen nun kleinste ) i .nderungen des Mikrosy- stems die Lage der Potent ia lminima stark ver~indern 4.

4 Ein einfaches Beispiel kann dies verdeutlichen: Ein Ferroma- gnet besteht aus sehr vielen atomaren Elementarmagneten. Bei einer Temperatur, die hOher als die kritische Temperatur T~ ist, weisen diese Magneten in zuf~illige Richtungen. Wird nun die Temperatur T erniedrigt, so richtet sieh bei T = T~ plOtzlich eine makroskopische Anzahl dieser Elementarmagnete aus. Man spricht dann yon spontaner Magnetisierung. Auch bei diesem

U b e r t r a g e n auf den Vorgang des neoplas t i schen Wachs- turns bedeu te t dies: E ine kleine St6rung im intrazellulfi- ren Signalnetzwerk - e twa ein durch die Akt iv ie rung eines O n k o g e n p r o d u k t e s ve rursach te r Signal-, ,Kurz- schluB" - ftihrt aufgrund nicht l inearer Wechselwirkun- gen im System z um Ins tabi lwerden der bislang dominie- r enden Mode , die den Zus t a nd der n o r m a l e n Zelle reprfisentiert . Dieser Phasent~bergang kann zweierlei Fo lgen haben: (1) Die St6rung f~hrt dazu, dab sich kein neue r stabiler Zus t and bi lden kann. Die Zelle stirbt. (2) Eine neue, bisher instabile M o d e , ,versklavt" die alte Mode . Es stellt sich ein neuer quasi-stabiler Zus t and ein, der w iede rum durch einen Satz makrosko- pischer O r d n u n g s p a r a m e t e r charakter is ier t ist. I m Potent ia lbi ld k o m m t es durch die mikroskopische St6- rung zu einer D e f o r m a t i o n des Potentials , die dazu fiihrt, dab sich an andere r Stelle ein lokales Min imu m herausbi ldet (Fig. 8b). Sind, wie in Fig. 8b ffir den initi- ier ten und den t rans formier ten Zus t and angedeu te t ,

Phasenfibergang ~indert sich die Gr6Be eines Ordnungsparameters (Magnetisierung) schlagartig, obwohl der Systemparameter Tem- peratur nur minimal variiert wird.

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Page 9: Bedeutung der zellulären Selbstorganisation für die Tumorbiologie

lokale Potentialminima nur durch eine kleine Barriere voneinander getrennt, so reicht eine kleine St6rung (etwa die nachfolgende Wirkung eines Tumorpromo- tors) aus, um eine Zelle entarten zu lassen. Meistens geht ein solcher Phaseniibergang mit einer Reduktion von Freiheitsgraden einher. Dies zeigt sich u.a. daran, dab hochmaligne Tumorzellen ihren ganzen Stoffwechsel auf eine unkontrollierte Proliferation kon- zentrieren und beinahe jegliche Ffihigkeit zur Differen- zierung verloren haben. Obwohl das Konzept der zellul~iren Selbstorganisation bei Krebs erst in seinen Anf~ingen steckt, lassen sich schon jetzt verschiedene - auch therapeutisch bedeut- same - Schlugfolgerungen ziehen: (1) Ein Tumorgrading anhand yon Ordnungsparame- tern mug mOglich sein. Erste vielversprechende Ans~itze hierzu beruhen auf der bildanalytischen und elektronenstrahlmikroanalytischen Klassifizierung von Tumoren [25-28,34]. Zur Verbesserung des Tumorgra- dings ware die quantitative Erfassung relevanter Ord- nungsparameter in Form einer Datenbank vorteilhaft. (2) Viele Tumorzellen zeigen Therapie-Resistenz gegen eine Zytostatika-Therapie. Oft kommt es auch zu ,,mul- tidrug resistence (mdr)"-Phfinomenen. Wiederum scheint die Therapieresistenz mit kleinen Anderungen im intrazellul~iren Signalnetzwerk einherzugehen. Bei- spielsweise zeigen ras-transformierte Fibroblasten ver- st~irkte Resistenz gegen eine Cisplatin-Therapie [41]. Zumeist zeigen therapieresistente Zellen einen anderen Ph~inotyp als nicht-resistente [42]. In der Interpretation des Modenkonzeptes handelt es sich hierbei wieder um einen Phasentibergang - verbunden mit verfinderten makroskopischen Ordnungsparametern (z.B. dem Ph~i- notyp) - vom nicht-resistenten Zustand in den therapie- resistenten. (3) Bei der Krebstherapie sind Ans~ttze zu bevorzugen, die sowohl das Mikro- als auch das Makrosystem Zelle im Au- ge haben. Das ausschliel31ich reduktionistische Vorgehen fahrt in eine Sackgasse, weil die ftir die zellul~ire Selbst- organisation ausschlaggebende Vernetzung von Subsyste- men nicht hinreichend berticksichtigt wird. (4) Positiv ausgedr~ickt heif3t dies aber auch, dab die Lokalisation von Schlt~sselsubstanzen im intrazellul~iren Signalnetzwerk die gezielte therapeutische Beeinflus- sung einer entarteten Zelle erlauben wfirde. Eine wich- tige Voraussetzung hierzu ist ein verbessertes system- theoretisches und synergistisches Verstfindnis der Zelle.

Wir danken unseren Mitarbeitern W. Baumann, V. Dinger, R. Ehret, A. Frey, I. Heilmbauer, R. Riedl, A. Schwinde, T. Severin und C. Weiler ft~r hilfreiche und kritische Diskussionen sowie ftir experimentelle Unterstfitzung.

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