Behandlungsbedürftige Abhängigkeit von Opioidanalgetika ... · Pharma Report Buprenorphin...

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Pharma Report © Springer-Verlag GmbH Impressum Symposium „Wo Schmerz zur Sucht wird“ anlässlich des Deutschen Schmerzkongres- ses, Mannheim, Oktober 2015 Berichterstattung: Abdol Ameri, Weidenstetten Corporate Publishing (verantwortlich): Ulrike Hafner, Dr. Michael Brysch, Dr. Katharina Finis, Dr. Friederike Holthausen, Sabine Jost, Ann Köbler, Dr. Claudia Krekeler, Inge Kunzenbacher, Dr. Christine Leist, Dr. Sabine Lohrengel, Dr. Ulrike Maronde, Dr. Monika Prinoth, Dr. Annette Schilling, Yvonne Schönfelder, Dr. Petra Stawinski, François Werner, Teresa Windelen Report in „Der Schmerz“ Band 30, Heft 1, Februar 2016 Mit freundlicher Unterstützung der Indivior, RB Pharmaceuticals Deutsch- land GmbH, Mannheim Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik. Springer Medizin Springer-Verlag GmbH Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science + Business Media © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Zeitschrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetz- gebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Behandlungsbedürftige Abhängigkeit von Opioidanalgetika Effektive Substitutionstherapie mit Buprenorphin und Naloxon Patienten mit chronischen Schmerzen können unter Behandlung mit Opioidanalgetika ein behand- lungsbedürftiges Abhängigkeitssyndrom entwickeln. Die Substitutionstherapie mit der Fixkombination aus dem partiellen Opioidagonisten Buprenorphin und dem Antagonisten Naloxon bietet eine effektive Möglichkeit, opioidabhängige Schmerzpatienten schnell zu stabilisieren und ihnen den Weg aus der Opioidanalgetika-Abhängigkeit zu bahnen. Aufgrund seiner besonderen Re- zeptoreigenschaften hat Buprenor- phin ein günstiges Sicherheitsprofil mit einem im Vergleich zu Opioid- vollagonisten geringeren Risiko für Atemdepression, Euphorie und Se- dierung. Schon nach den ersten Ta- gen lässt das Substanzverlangen spürbar nach. Opioidanalgetika sind der Gold- standard für die Therapie von Tumorschmerzen wie auch von starken chronischen, nicht-tumor- bedingten Schmerzen. Der kli- nische Nutzen einer suffizien- ten Opioidtherapie in der Analge- sie und Anästhesie ist unbestrit- ten – zumindest bei adäquater An- wendung. Allerdings habe sich in den letzten Jahren vermehrt ge- zeigt, dass ein langfristiger Ein- satz hochdosierter Opioidanalge- tika auch Schattenseiten habe, be- richtete Prof. Dr. Justus Benrath, Mannheim. Viele Patienten kön- nen nach anfänglich guter Kon- trolle der Schmerzen trotz steigen- der Dosierung keine ausreichen- de Analgesie erreichen oder ver- spüren nach plötzlichem Absetzen der Opioidanalgetika eine erhöhte Schmerzintensität. In seltenen Fäl- len und bei nicht sachgemäßer An- wendung können Opioidanalge- tika bei Patienten mit chronischen Schmerzen auch zu Abhängigkeit und Sucht führen. Die Entwicklung von opioidinduzierter Toleranz und Hyperalgesie sowie Opioidabhän- gigkeit sind die wesentlichen He- rausforderungen, die sich für Arzt und Patient bei einer Langzeitthe- rapie chronischer Schmerzen erge- ben können. Diese Probleme sind vor allem auf die hohe Komplexi- tät des nozizeptiven Systems zu- rückzuführen. Auf zellulärer Ebe- ne besteht der antinozizeptive Ef- fekt von Opioiden aus drei Kom- ponenten: Im Hinterhorn des Rü- ckenmarks bewirken sie zum einen über eine agonistische Wirkung an µ-Opioidrezeptoren eine prä- sy-naptische Hemmung der Glu- tamatfreisetzung. Zum ande- ren führen sie auf indirektem Weg zu einer verringerten Aktivität von postsynaptischen α-Amino- 3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazol- Propionsäure (AMPA)-Rezeptoren. Weiterhin induzieren Opioide einen Kaliumeinstrom in die postsynap- tische Zelle, die dadurch hyper- polarisiert und somit weniger stark erregbar wird. Toleranz und Hyperalgesie Allerdings zeige die klinische Erfah- rung, dass es schon nach wenigen Tagen aufgrund einer Toleranzent- wicklung zu einer Abnahme der Wirkung komme, so Benrath. Um die ursprüngliche Wirksamkeit zu erreichen, müsse die Dosis erhöht werden. Ursache der Toleranzent- wicklung sei eine Internalisierung von µ- und κ-Opioidrezeptoren. Dieses Abtauchen der Rezeptoren in die Zelle und damit das Risiko für eine akute Toleranzentwicklung sei ligandenspezifisch. Im Unterschied zur Toleranzentwicklung hande- le es sich bei der Opioid-induzier- ten Hyperalgesie um eine Absen- kung der Schmerzschwelle. Ursa- che sei eine langanhaltende ver- stärkte Erregungsübertragung und Aktivierung spinaler N-Methyl-D- Aspartat (NMDA)-Rezeptoren im Rückenmark, erklärte der Experte. Dadurch können zentrale Sensibi- lisierungsprozesse und anhaltende Schmerzzustände ausgelöst wer- den. Die Schmerzen werden diffu- ser und sind von hoher Intensität. Im Gegensatz zur Opioidtoleranz kann durch eine Dosiserhöhung keine Besserung erreicht werden. Das Risiko für beide Phäno- mene – Toleranz und Hyperalge- sie – steigt mit der Therapiedauer und der Dosis der Opioide und ist bei verschiedenen Opioidanalge- tika unterschiedlich hoch. So hat Abb. 1 Schnelle Einstellung auf Buprenorphin/Naloxon in der Behandlung opioidabhängiger Schmerzpatienten modifiziert nach [11, 12] Buprenorphin (mit oder ohne Naloxon) mg 16 mg 24 mg 16 mg ≥24 h 0 ≥12 h >24 h 72 h 1. Spürbar nachlassende Opioidwirkung beim Patienten Wartezeit bis zur 1. Einnahme kurzwirkende Opioide (4–6 h Wirkdauer) langwirkende Opioide (8–24 h Wirkdauer) 2. Einstellungsphase Startdosis 2–4 mg, nach 1–2 h Aufdosierung anhand des klinischen Bildes des Patienten bis max. 8 mg am 1. Tag 3. Stabilisierungsphase Bei ausreichender Dosierung (16 mg) werden die μ-Opioid- Rezeptoren bis zu 95 % belegt.

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Impressum

Symposium „Wo Schmerz zur Sucht wird“anlässlich des Deutschen Schmerzkongres-ses, Mannheim, Oktober 2015

Berichterstattung:Abdol Ameri, Weidenstetten

Corporate Publishing (verantwortlich):Ulrike Hafner, Dr. Michael Brysch, Dr. Katharina Finis, Dr. Friederike Holthausen, Sabine Jost, Ann Köbler, Dr. Claudia Krekeler, Inge Kunzenbacher, Dr. Christine Leist, Dr. Sabine Lohrengel, Dr. Ulrike Maronde, Dr. Monika Prinoth, Dr. Annette Schilling, Yvonne Schönfelder, Dr. Petra Stawinski, François Werner, Teresa Windelen

Report in „Der Schmerz“Band 30, Heft 1, Februar 2016

Mit freundlicher Unterstützung der Indivior, RB Pharmaceuticals Deutsch-land GmbH, Mannheim

Die Herausgeber der Zeitschrift übernehmen keine Verantwortung für diese Rubrik.

Springer Medizin Springer-Verlag GmbHTiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg

Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science + Business Media

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Zeitschrift berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetz-gebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Behandlungsbedürftige Abhängigkeit von Opioidanalgetika

Effektive Substitutionstherapie mit Buprenorphin und Naloxon

Patienten mit chronischen Schmerzen können unter Behandlung mit Opioidanalgetika ein behand-lungsbedürftiges Abhängigkeitssyndrom entwickeln. Die Substitutionstherapie mit der Fixkombination aus dem partiellen Opioidagonisten Buprenorphin und dem Antagonisten Naloxon bietet eine effektive Möglichkeit, opioidabhängige Schmerzpatienten schnell zu stabilisieren und ihnen den Weg aus der Opioidanalgetika-Abhängigkeit zu bahnen.

Aufgrund seiner besonderen Re-zeptoreigenschaften hat Buprenor-phin ein günstiges Sicherheitsprofil mit einem im Vergleich zu Opioid-vollagonisten geringeren Risiko für Atemdepression, Euphorie und Se-dierung. Schon nach den ersten Ta-gen lässt das Substanzverlangen spürbar nach.

Opioidanalgetika sind der Gold-standard für die Therapie von Tumorschmerzen wie auch von starken chronischen, nicht-tumor-bedingten Schmerzen. Der kli-nische Nutzen einer suffizien-ten Opioidtherapie in der Analge-sie und Anästhesie ist unbestrit-ten – zumindest bei adäquater An-wendung. Allerdings habe sich in den letzten Jahren vermehrt ge-zeigt, dass ein langfristiger Ein-satz hochdosierter Opioidanalge-tika auch Schattenseiten habe, be-richtete Prof. Dr. Justus Benrath, Mannheim. Viele Patienten kön-nen nach anfänglich guter Kon-trolle der Schmerzen trotz steigen-der Dosierung keine ausreichen-de Analgesie erreichen oder ver-spüren nach plötzlichem Absetzen der Opioidanalgetika eine erhöhte Schmerzintensität. In seltenen Fäl-len und bei nicht sachgemäßer An-wendung können Opioidanalge-tika bei Patienten mit chronischen Schmerzen auch zu Abhängigkeit und Sucht führen. Die Entwicklung von opioidinduzierter Toleranz und Hyperalgesie sowie Opioidabhän-gigkeit sind die wesentlichen He-rausforderungen, die sich für Arzt und Patient bei einer Langzeitthe-rapie chronischer Schmerzen erge-ben können. Diese Probleme sind vor allem auf die hohe Komplexi-tät des nozizeptiven Systems zu-

rückzuführen. Auf zellulärer Ebe-ne besteht der antinozizeptive Ef-fekt von Opioiden aus drei Kom-ponenten: Im Hinterhorn des Rü-ckenmarks bewirken sie zum einen über eine agonistische Wirkung an µ-Opioidrezeptoren eine prä-sy-naptische Hemmung der Glu-tamatfreisetzung. Zum ande-ren führen sie auf indirektem Weg zu einer verringerten Aktivität von postsynaptischen α-Amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazol-Propionsäure (AMPA)-Rezeptoren. Weiterhin induzieren Opioide einen Kaliumeinstrom in die postsynap-tische Zelle, die dadurch hyper-polarisiert und somit weniger stark erregbar wird.

Toleranz und HyperalgesieAllerdings zeige die klinische Erfah-rung, dass es schon nach wenigen Tagen aufgrund einer Toleranzent-wicklung zu einer Abnahme der Wirkung komme, so Benrath. Um die ursprüngliche Wirksamkeit zu erreichen, müsse die Dosis erhöht werden. Ursache der Toleranzent-

wicklung sei eine Internalisierung von µ- und κ-Opioidrezeptoren. Dieses Abtauchen der Rezeptoren in die Zelle und damit das Risiko für eine akute Toleranzentwicklung sei ligandenspezifisch. Im Unterschied zur Toleranzentwicklung hande-le es sich bei der Opioid-induzier-ten Hyperalgesie um eine Absen-kung der Schmerzschwelle. Ursa-che sei eine langanhaltende ver-stärkte Erregungsübertragung und Aktivierung spinaler N-Methyl-D-Aspartat (NMDA)-Rezeptoren im Rückenmark, erklärte der Experte. Dadurch können zentrale Sensibi-lisierungsprozesse und anhaltende Schmerzzustände ausgelöst wer-den. Die Schmerzen werden diffu-ser und sind von hoher Intensität. Im Gegensatz zur Opioidtoleranz kann durch eine Dosiserhöhung keine Besserung erreicht werden.

Das Risiko für beide Phäno-mene – Toleranz und Hyperalge-sie – steigt mit der Therapiedauer und der Dosis der Opioide und ist bei verschiedenen Opioidanalge-tika unterschiedlich hoch. So hat

Abb. 1 Schnelle Einstellung auf Buprenorphin/Naloxon in der Behandlung opioidabhängiger Schmerzpatienten

modifiziert nach [11, 12]

Buprenorphin

(mit oder ohne Naloxon)

mg

16 mg

24 mg

16 mg

≥24 h 0≥12 h >24 h 72 h

1. SpürbarnachlassendeOpioidwirkungbeim Patienten

Wartezeit bis zur 1. Einnahme

kurzwirkendeOpioide(4–6 h Wirkdauer)

langwirkendeOpioide(8–24 h Wirkdauer)

2. EinstellungsphaseStartdosis 2–4 mg,nach 1–2 h Aufdosierunganhand des klinischenBildes des Patientenbis max. 8 mg am 1. Tag

3. StabilisierungsphaseBei ausreichender Dosierung(16 mg) werden die µ-Opioid-Rezeptoren bis zu 95 % belegt.

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Pharma Report

Buprenorphin aufgrund seiner partialagonistischen Wirkung an µ-Opioidrezeptoren sogar eine an-tihyperalgesische Wirkung [1, 2].

Opioidabhängigkeit – ein unterschätztes RisikoDer Einsatz hochdosierter Opioi-de ist mit einem potenziellen Risiko einer physischen und psy-chischen Abhängigkeit verbun-den. Die Annahme, bei Schmerz-patienten – insbesondere bei Patienten mit Nichttumorschmer-zen – gebe es keine Abhängigkeits-entwicklung, sei nicht durch quali-tativ hochwertige Studien belegt und widerspreche der klinischen Erfahrung, erläuterte PD Dr. Ste-fan Wirz, Bad Honnef. Allerdings sei das Risiko für die Entwicklung einer Abhängigkeit bei indikations-gemäßem Einsatz von Opioidanal-getika äußerst gering. Nach den Er-gebnissen eines aktuellen systema-tischen Reviews liegen der Anteil chronischer Schmerzpatienten mit missbräuchlicher Anwendung von Opioidanalgetika zwischen 21 und 29 % und der Anteil von Patienten mit einer Abhängigkeit von Opioid-analgetika zwischen 8 und 12 % [3]. Dennoch werde das Problem einer Abhängigkeitsentwicklung im kli-nischen Alltag unterschätzt, be-mängelte der Experte und appel-lierte an seine Kollegen, bei chro-nischen Schmerzpatienten sorg-fältig auf die „Red Flags“ zu ach-ten [4]. Besondere Aufmerksam-keit gelte Patienten mit einer gene-tischen Vulnerabilität und psychi-schen Komorbiditäten wie Angst, Depression oder posttraumati-scher Belastungsstörung. Eine gro-ße prospektive Beobachtungsstu-die (n=15.160) identifizierte einen früheren Missbrauch von Nicht-Opioidanalgetika als den stärksten Prädiktor für Opioidabhängigkeit (Odds Ratio [OR]=2,34; p<0,001), gefolgt von psychischen Erkran-kungen OR=1,46; p=0,005) [5]. Da-her sei Vorsicht hinsichtlich einer Opioidgabe bei Patienten ange-sagt, die hohe Dosierungen von Ibuprofen einnehmen, mahnte Wirz. Bei Patienten, die unter einer adäquaten Opioiddosis keine aus-

reichende Schmerzlinderung er-fahren, sollte man frühzeitig an einen möglichen Fehlgebrauch bzw. an ein Abhängigkeitssyndrom denken.

Um das Risiko für die Entwick-lung einer iatrogenen Opioidab-hängigkeit in der Schmerzthera-pie zu minimieren, sollten bevor-zugt langwirksame Opioide ver-schrieben werden, riet Wirz. Der Einsatz von schnell freisetzenden und kurzwirksamen Substanzen sollte sich auf die Bedarfstherapie bei akuten Schmerzen beschrän-ken. Nach den Empfehlungen der LONTS-Leitlinie sollten Opioid- analgetika nicht bei Kopfschmer-zen, somatoformer Störung, Fibro-myalgiesyndrom und bei Schmer-zen als Ausdruck einer affektiven Erkrankung eingesetzt werden [6].

Was tun bei opioidabhängigen Schmerzpatienten?Bei diagnostizierter Abhängigkeit von Opioiden sei die substitutions-gestützte Behandlung die Thera-pie der ersten Wahl. „Das Ziel in der Behandlung opioidabhängiger Schmerzpatienten besteht darin, das Verlangen nach dem Schmerz-mittel zu behandeln“, berichtete Prof. Dr. Klaus Weckbecker, Bonn. „Sie behandeln nicht mehr Schmer-zen, Sie behandeln eine Abhängig-keit; d. h. Sie behandeln unter einer anderen Diagnose.“ Um das Verlan-gen nach dem Opioid zu dämpfen, seien im Vergleich zur Schmerzthe-rapie deutlich höhere Dosen erfor-derlich. In der Suchtbehandlung chronischer Schmerzpatienten mit einer Opioidanalgetika-Abhängig-keit hat sich die Fixkombination aus Buprenorphin und Naloxon (Suboxone®) als effektive und si-chere Therapieoption bewährt [7– 9]. In den Sublingualtablet-ten liegen die beiden Wirkstoffe in einem fixen Verhältnis von 4:1 vor.

Als partieller µ-Rezeptoragonist hat Buprenorphin einen starken analgetischen Effekt bei einem im Vergleich zu µ-Vollagonisten deut-lich geringerem Risiko für Atem-depression und Euphorie. Die Sub-stanz bindet mit hoher Affinität an die µ-Rezeptoren und verdrängt

dabei andere Opioide. So können die typischen Entzugssymptome vermieden und die Vigilanz des Pa-tienten erhalten werden. Bei aus-reichender Dosierung (16 mg) be-setzt Buprenorphin bis zu 95 % der µ-Rezeptoren [10]. Da der Wirk-stoff am κ-Rezeptor antagonistisch wirkt, induziert er weder Sedierung noch Dysphorie [9]. Der µ- und κ-R-ezeptorantagonist Naloxon hat bei ordnungsgemäßer sublingualer Einnahme keinen klinischen Effekt, vermindert aber das Missbrauchs-risiko und trägt somit zur Sicher-heit bei.

Praktisches Vorgehen bei der SubstitutionEtwa 12 bis 24 Stunden vor der Ein-stellung auf die Fixkombination Bu-prenorphin/Naloxon sollte die letz-te Opioideinahme ausgesetzt wer-den (Abb. 1). Mit dieser Pause soll erreicht werden, dass möglichst viele µ-Rezeptoren frei sind, bevor Buprenorphin bindet. Falls die Re-zeptoren noch durch einen Voll-agonisten belegt seien, werde die-ser durch Buprenorphin verdrängt und es komme zu Entzugserschei-nungen, erklärte Weckbecker. Wenn Buprenorphin aber an den freien µ-Rezeptor binde, verspü-re der Patient sofortige Besserung. Während der Therapiepause lässt die Wirkung der Opioide spürbar nach. „Wenn der Patient zu Ihnen in die Praxis kommt, sollte er entzügig sein; er sollte leicht tachykard und unruhig sein und etwas schwitzen“, so der Experte. Vor Therapiebeginn sollten schmerzmittelabhängige Patienten über die zu erwartenden Symptome informiert werden.

Anders als bei einer Methadon-gestützten Substitution kann die Fixkombination Buprenorphin/Na-loxon bereits in der Einstellungs-phase in einer relativ hohen Dosie-rung eingenommen werden. Als Startdosis werden 2 bis 4 mg emp-fohlen [11, 12]. Abhängig vom kli-nischen Bild des Patienten können laut Weckbecker an Tag 1 durchaus auch 8 mg gegeben werden. In der Stabilisierungsphase sind die meis-ten opioidabhängigen Schmerzpa-tienten mit einer Dosis von 16 mg

gut eingestellt und beschwerdefrei. In Bezug auf die Dauer der Substi-tutionstherapie bei Schmerzpatien-ten mit Opioidabhängigkeit gibt es keine Daten. Nach den Erfahrungen des Bonner Suchtmediziners sollte die Behandlung mit Buprenorphin/Naloxon mindestens ein halbes bis ein Jahr fortgesetzt werden. Letz-tendlich müsse die Entscheidung aber individuell getroffen werden.

Rechtliche Aspekte der SubstitutionstherapieIn Deutschland seien die recht-lichen Vorgaben in der Behand-lung von Suchtkranken sehr res-triktiv, bemängelte Weckbecker. Die Durchführung einer Substitu-tionstherapie setzt eine spezielle suchtmedizinische Zusatzqualifika-tion voraus. Zudem sind die Betäu-bungsmittel-Vergabeverordnung zu beachten und die Richtlinien der Bundesärztekammer genaues-tens zu befolgen. Darüber hinaus ist eine anonymisierte Anmeldung des Patienten im Substitutionsre-gister der Bundesopiumstelle erfor-derlich. Für Ärzte ohne suchtmedi-zinische Zusatzausbildung besteht die Möglichkeit einer Konsiliarrege-lung. Hierbei können unter konsili-arischer Therapiebegleitung durch einen Suchtmediziner bis zu drei Patienten behandelt werden. „Da-mit haben Sie einen Kollegen mit entsprechender Erfahrungen in den rechtlichen Aspekten an Ihrer Seite“, so Weckbecker. Literatur

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