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. Beherrschen wir die Sprache oder beherrscht sie uns? Betrachtungen zu einem Machtverhältnis aus der Sicht der Sprachtypologie Vortrag von Mag. Dr. Hans Christian Luschützky Montag, 23. November 2015, 19 Uhr Eintritt frei Jan III Sobieski-Saal Polnische Akademie der Wissenschaften Wissenschaftliches Zentrum in Wien Boerhaavegasse 25, 1030 Wien 71 Kleistgasse Rennweg Anmeldung erbeten unter: [email protected] Von Roman Jakobson stammt der Aphorismus, dass sich Sprachen weniger dadurch voneinander unterscheiden, was sie ausdrücken können, als vielmehr dadurch, was sie ausdrücken müssen. Die Angehörigen von Sprachgemeinschaften sind den Kategorien ihres jeweiligen Sprachsystems hilflos ausgeliefert, da sie durch den unbewussten Prozess des Erstspracherwerbs in ein tradiertes System hineingewachsen sind, an dessen Zustandekommen und Gestaltung sie nicht beteiligt waren. Die Unterwerfung unter das blinde Diktat einer abstrakten und mental autonomen Instanz, die arbiträre Einteilungen vorgibt, wird von den Betroffenen jedoch nur in den seltensten Fällen als störend empfunden, denn auf Grund der unbewussten Natur des Erwerbsprozesses ist für die Sprechenden und Hörenden die Struktur und Systemhaftigkeit des Werkzeugs, dessen sie sich in der verbalen Kommunikation bedienen, nicht erkennbar. Bewusste Reflexion über die Natur und Funktion sprachlicher Kodierungen setzt erst dort ein, wo empfunden wird, dass eine Kategorie sich mit den kommunikativen Erfordernissen der gesellschaftlichen Lebenswelt nicht in Einklang befindet. Dieser Zustand der kategorialen Defizienz ist im Fall der Kategorie “Genus” in den letzten Jahrzehnten zunehmend spürbar geworden. Das Streben nach Sichtbarmachung der Äquivalenz weiblicher und männlicher Exemplare der Spezies Homo sapiens führt zu markanten Eingriffen in Form und Gebrauch sprachlicher Ausdrucksmittel, die unter dem Sammelbegriff “Gendern” in weiten Kreisen der Bevölkerung kontroversiell beurteilt werden. In dem Vortrag wird versucht, abseits der ideologisch und emotional belasteten Diktion von Leitartikeln, Leserbriefen und sonstigen medialen Manifestationen öffentlicher Debatten, das Phänomen der kategorialen Defizienz in einem linguistisch breiter gesteckten Rahmen darzustellen. Mag. Dr. Hans Christian , Jahrgang 1959, lehrt und forscht Luschützky nach Studien der Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft als Assistenzprofessor am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Längere Auslandsaufenthalte führten ihn als wissenschaftlichen Mitarbeiter an das Institut für Maschinelle Sprachverarbeitung der Universität Stuttgart und als Lehrstuhlvertreter an das Institut für Phonetik und Vergleichende Sprachwissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Gastvorträge hielt er an Universitäten in Deutschland, Dänemark, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Italien und Irland. Als Autor von Artikeln in Fachzeitschriften und Handbüchern sowie Mitherausgeber von Sammelbänden widmet er sich den Themen Phonetik, Phonologie, Morphologie, Sprachwandel, Sprachkontakt und Sprachtypologie. Eine kurz gefasste Einführung in die Sprachtypologie erschien zunächst auf Deutsch (Wien, 1999) und in der Folge auch auf Tschechisch (Prag, 2003) und auf Polnisch (Zarys typologii języków, Krakau, 2005). Eine erweiterte Fassung der polnischen Ausgabe befindet sich in Vorbereitung.

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Beherrschen wir die Sprache

oder beherrscht sie uns? Betrachtungen zu einem Machtverhältnis

aus der Sicht der Sprachtypologie

Vortrag von Mag. Dr. Hans Christian Luschützky

Montag, 23. November 2015, 19 Uhr

Eintritt frei

Jan III Sobieski-Saal Polnische Akademie der Wissenschaften

Wissenschaftliches Zentrum in Wien Boerhaavegasse 25, 1030 Wien

71 Kleistgasse Rennweg

Anmeldung erbeten unter: [email protected]

Von Roman Jakobson stammt der Aphorismus, dass sich Sprachen weniger dadurch voneinander unterscheiden, was sie ausdrücken können, als vielmehr dadurch, was sie ausdrücken müssen. Die Angehörigen von Sprachgemeinschaften sind den Kategorien ihres jeweiligen Sprachsystems hilflos ausgeliefert, da sie durch den unbewussten Prozess des Erstspracherwerbs in ein tradiertes System hineingewachsen sind, an dessen Zustandekommen und Gestaltung sie nicht beteiligt waren. Die Unterwerfung unter das blinde Diktat einer abstrakten und mental autonomen Instanz, die arbiträre Einteilungen vorgibt, wird von den Betroffenen jedoch nur in den seltensten Fällen als störend empfunden, denn auf Grund der unbewussten Natur des Erwerbsprozesses ist für die Sprechenden und Hörenden die Struktur und Systemhaftigkeit des Werkzeugs, dessen sie sich in der verbalen Kommunikation bedienen, nicht erkennbar. Bewusste Reflexion über die Natur und Funktion sprachlicher Kodierungen setzt erst dort ein, wo empfunden wird, dass eine Kategorie sich mit den kommunikativen Erfordernissen der gesellschaftlichen Lebenswelt nicht in Einklang befindet. Dieser Zustand der kategorialen Defizienz ist im Fall der Kategorie “Genus” in den letzten Jahrzehnten zunehmend spürbar geworden. Das Streben nach Sichtbarmachung der Äquivalenz weiblicher und männlicher Exemplare der Spezies Homo sapiens führt zu markanten Eingriffen in Form und Gebrauch sprachlicher Ausdrucksmittel, die unter dem Sammelbegriff “Gendern” in weiten Kreisen der Bevölkerung kontroversiell beurteilt werden. In dem Vortrag wird versucht, abseits der ideologisch und emotional belasteten Diktion von Leitartikeln, Leserbriefen und sonstigen medialen Manifestationen öffentlicher Debatten, das Phänomen der kategorialen Defizienz in einem linguistisch breiter gesteckten Rahmen darzustellen.

Mag. Dr. Hans Christian , Jahrgang 1959, lehrt und forscht Luschützkynach Studien der Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft als Assistenzprofessor am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Längere Auslandsaufenthalte führten ihn als wissenschaftlichen Mitarbeiter an das Institut für Maschinelle Sprachverarbeitung der Universität Stuttgart und als Lehrstuhlvertreter an das Institut für Phonetik und Vergleichende Sprachwissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Gastvorträge hielt er an Universitäten in Deutschland, Dänemark, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Italien und Irland. Als Autor von Artikeln in Fachzeitschriften und Handbüchern sowie Mitherausgeber von Sammelbänden widmet er sich den Themen Phonetik, Phonologie, Morphologie, Sprachwandel, Sprachkontakt und Sprachtypologie. Eine kurz gefasste Einführung in die Sprachtypologie erschien zunächst auf Deutsch (Wien, 1999) und in der Folge auch auf Tschechisch (Prag, 2003) und auf Polnisch (Zarys typologii języków, Krakau, 2005). Eine erweiterte Fassung der polnischen Ausgabe befindet sich in Vorbereitung.

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Beherrschen wir die Sprache

oder beherrscht sie uns? Betrachtungen zu einem Machtverhältnis

aus der Sicht der Sprachtypologie

Vortrag von Mag. Dr. Hans Christian Luschützky

Montag, 23. November 2015, 19 Uhr

Eintritt frei

Jan III Sobieski-Saal Polnische Akademie der Wissenschaften

Wissenschaftliches Zentrum in Wien Boerhaavegasse 25, 1030 Wien

71 Kleistgasse Rennweg

Anmeldung erbeten unter: [email protected]

Von Roman Jakobson stammt der Aphorismus, dass sich Sprachen weniger dadurch voneinander unterscheiden, was sie ausdrücken können, als vielmehr dadurch, was sie ausdrücken müssen. Die Angehörigen von Sprachgemeinschaften sind den Kategorien ihres jeweiligen Sprachsystems hilflos ausgeliefert, da sie durch den unbewussten Prozess des Erstspracherwerbs in ein tradiertes System hineingewachsen sind, an dessen Zustandekommen und Gestaltung sie nicht beteiligt waren. Die Unterwerfung unter das blinde Diktat einer abstrakten und mental autonomen Instanz, die arbiträre Einteilungen vorgibt, wird von den Betroffenen jedoch nur in den seltensten Fällen als störend empfunden, denn auf Grund der unbewussten Natur des Erwerbsprozesses ist für die Sprechenden und Hörenden die Struktur und Systemhaftigkeit des Werkzeugs, dessen sie sich in der verbalen Kommunikation bedienen, nicht erkennbar. Bewusste Reflexion über die Natur und Funktion sprachlicher Kodierungen setzt erst dort ein, wo empfunden wird, dass eine Kategorie sich mit den kommunikativen Erfordernissen der gesellschaftlichen Lebenswelt nicht in Einklang befindet. Dieser Zustand der kategorialen Defizienz ist im Fall der Kategorie “Genus” in den letzten Jahrzehnten zunehmend spürbar geworden. Das Streben nach Sichtbarmachung der Äquivalenz weiblicher und männlicher Exemplare der Spezies Homo sapiens führt zu markanten Eingriffen in Form und Gebrauch sprachlicher Ausdrucksmittel, die unter dem Sammelbegriff “Gendern” in weiten Kreisen der Bevölkerung kontroversiell beurteilt werden. In dem Vortrag wird versucht, abseits der ideologisch und emotional belasteten Diktion von Leitartikeln, Leserbriefen und sonstigen medialen Manifestationen öffentlicher Debatten, das Phänomen der kategorialen Defizienz in einem linguistisch breiter gesteckten Rahmen darzustellen.

Mag. Dr. Hans Christian , Jahrgang 1959, lehrt und forscht Luschützkynach Studien der Allgemeinen und Vergleichenden Sprachwissenschaft als Assistenzprofessor am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Längere Auslandsaufenthalte führten ihn als wissenschaftlichen Mitarbeiter an das Institut für Maschinelle Sprachverarbeitung der Universität Stuttgart und als Lehrstuhlvertreter an das Institut für Phonetik und Vergleichende Sprachwissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Gastvorträge hielt er an Universitäten in Deutschland, Dänemark, Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Italien und Irland. Als Autor von Artikeln in Fachzeitschriften und Handbüchern sowie Mitherausgeber von Sammelbänden widmet er sich den Themen Phonetik, Phonologie, Morphologie, Sprachwandel, Sprachkontakt und Sprachtypologie. Eine kurz gefasste Einführung in die Sprachtypologie erschien zunächst auf Deutsch (Wien, 1999) und in der Folge auch auf Tschechisch (Prag, 2003) und auf Polnisch (Zarys typologii języków, Krakau, 2005). Eine erweiterte Fassung der polnischen Ausgabe befindet sich in Vorbereitung.