Beispiel Werkbrief - Stefanus Gemeinschaft

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2 † Manfred Scheuer, Bischof von Innsbruck »Familie, Familie, Familie.« Das war in der Samstagbeilage am 5. Juni 2004 der Tiroler Ta- geszeitung auf die Frage zu lesen: Ihre drei liebsten Freizeit- beschäftigungen? Ehe und Fa- milie stehen gleichermaßen für Hoffnungen und Ängste, für das Streben und Verlangen nach Glück ebenso wie für die Erfah- rung von Leid, Enttäuschung, Scheitern. Lob und Anklage mi- schen sich, Euphorie und Ver- teufelung ebenso. Die Familien sind Orte des Vertrauens, der Heimat, aber auch der Gewalt und der Entfremdung. Ehe und Familie sind denn auch von ei- nem weitestgehend unumstrit- tenen und dominanten Lebens- modell mittlerweile zu einem Lebensmodell neben anderen, alternativen Lebensmodellen geworden. Auf der einen Seite sind ihre äußeren, institutionel- len Grundlagen – wie etwa wirtschaftliche Notwendigkei- ten oder vorgegebene Rollen- muster – weitgehend wegge- brochen. Auf der anderen Seite gibt es offensichtlich eine im Menschen selbst wurzelnde Sehnsucht, die ihn immer wie- der in Partnerschaften und Lie- besbeziehungen hineintreibt. Das erste Wort darf die Freude an Gott und die Dankbarkeit für das Leben haben, das Ja zum Leben, das Ja zur Liebe. Es wur- de und wird in den Familien die Liebe dargestellt, es wird Le- bensraum eröffnet, es wird Hoffnung gelebt, es werden Kri- sen ausgehalten, es wird Mut gemacht, es werden Beziehun- gen in Ehe und Familie ge- stärkt. Das nimmt etwas vom Leistungszwang, vom Erwar- tungsdruck, von der Aufgeregt- heit und von der ständigen Be- schleunigung, nach der uns die Luft ausgeht. Wir brauchen bei den Ehen und Familien nicht ei- ne Leiche sezieren, sondern dür- fen einen lebendigen Organis- mus bewundern. Wir können das Leben in Ehe und Familie von Gott selbst her beleuchten. Das Leben Gottes ist nicht das eines großen fer- nen Einsamen, sondern das Ge- schehen gegenseitiger Bezie- hungen dreier unterschiedlicher Personen: Gemeinschaft. Jesus Christus ist der »Mensch für an- dere« (Dietrich Bonhoeffer). Dem Heiligen Geist wird die Kommunikation, die Liebe, die Freundschaft in Person nachge- sagt, er ist der Kuss der Liebe. Die Ur-Idee Gottes mit seiner Schöpfung heißt »Communio«, und zwar deshalb, weil Gott selbst Communio ist, einer als Communio, als engste Gemein- schaft der Liebe dreier Perso- nen. Die Schöpfung als Bild und Abglanz Gottes trägt com- munionale Züge und ist auf eine communionale Vollendung hin angelegt. Nur ein gemein- schaftsfähiger Mensch kann teilhaben am Leben Gottes, der selbst Gemeinschaft ist. Die Ehe als Sakrament und die Familie als Abbild des lebendi- gen Gottes können uns Christus zeigen und Christus bezeugen. Sie stellen das Leben, das »Sein in Christus« in besonderer Wei- se dar, sie sind auch eine beson- dere Gestalt der Teilnahme an Tod und Auferstehung Jesu Christi. Wird die eheliche Liebe unter dem österlichen Zeichen des Kreuzes gesehen, dann lebt sie vom Beschenken, vom Ver- geben und vom immer wieder BLICKpunkte Familie zum Leben zur Liebe als Abbild Gottes Nur ein gemeinschaftsfähiger Mensch kann teilhaben am Leben Gottes Ja

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»Familie, Familie, Familie.« Das war in der Samstagbeilage am 5. Juni 2004 der Tiroler Tageszeitung auf die Frage zu lesen: Ihre drei liebsten Freizeitbeschäftigungen? Ehe und Familie stehen gleichermaßen für Hoffnungen und Ängste, für das Streben und Verlangen nach Glück ebenso wie für die Erfahrung von Leid, Enttäuschung, Scheitern. Lob und Anklage mischen sich, Euphorie und Verteufelung ebenso. Die Familien sind Orte des Vertrauens, der Heimat, aber auch der Gewalt und der Entfremdung. Ehe und Familie sind denn auch von einem weitestgehend unumstrittenen und dominanten Lebensmodell mittlerweile zu einem Lebensmodell neben anderen, alternativen Lebensmodellen geworden....

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† Manfred Scheuer,Bischof von Innsbruck

»Familie, Familie, Familie.«Das war in der Samstagbeilageam 5. Juni 2004 der Tiroler Ta-geszeitung auf die Frage zu lesen: Ihre drei liebsten Freizeit-beschäftigungen? Ehe und Fa-milie stehen gleichermaßen fürHoffnungen und Ängste, für dasStreben und Verlangen nachGlück ebenso wie für die Erfah-rung von Leid, Enttäuschung,Scheitern. Lob und Anklage mi-schen sich, Euphorie und Ver-teufelung ebenso. Die Familiensind Orte des Vertrauens, derHeimat, aber auch der Gewaltund der Entfremdung. Ehe undFamilie sind denn auch von ei-nem weitestgehend unumstrit-tenen und dominanten Lebens-modell mittlerweile zu einemLebensmodell neben anderen,alternativen Lebensmodellengeworden. Auf der einen Seitesind ihre äußeren, institutionel-len Grundlagen – wie etwawirtschaftliche Notwendigkei-ten oder vorgegebene Rollen-

muster – weitgehend wegge-brochen. Auf der anderen Seitegibt es offensichtlich eine imMenschen selbst wurzelndeSehnsucht, die ihn immer wie-der in Partnerschaften und Lie-besbeziehungen hineintreibt.

Das erste Wort darf die Freudean Gott und die Dankbarkeit fürdas Leben haben, das Ja zumLeben, das Ja zur Liebe. Es wur-de und wird in den Familien dieLiebe dargestellt, es wird Le-bensraum eröffnet, es wirdHoffnung gelebt, es werden Kri-sen ausgehalten, es wird Mutgemacht, es werden Beziehun-gen in Ehe und Familie ge-stärkt. Das nimmt etwas vomLeistungszwang, vom Erwar-tungsdruck, von der Aufgeregt-heit und von der ständigen Be-schleunigung, nach der uns die

Luft ausgeht. Wir brauchen beiden Ehen und Familien nicht ei-ne Leiche sezieren, sondern dür-fen einen lebendigen Organis-mus bewundern.

Wir können das Leben in Eheund Familie von Gott selbst herbeleuchten. Das Leben Gottesist nicht das eines großen fer-nen Einsamen, sondern das Ge-schehen gegenseitiger Bezie-hungen dreier unterschiedlicherPersonen: Gemeinschaft. JesusChristus ist der »Mensch für an-dere« (Dietrich Bonhoeffer).Dem Heiligen Geist wird dieKommunikation, die Liebe, dieFreundschaft in Person nachge-sagt, er ist der Kuss der Liebe.Die Ur-Idee Gottes mit seinerSchöpfung heißt »Communio«,und zwar deshalb, weil Gottselbst Communio ist, einer alsCommunio, als engste Gemein-schaft der Liebe dreier Perso-nen. Die Schöpfung als Bild undAbglanz Gottes trägt com-munionale Züge und ist auf einecommunionale Vollendung hinangelegt. Nur ein gemein-schaftsfähiger Mensch kannteilhaben am Leben Gottes, derselbst Gemeinschaft ist.Die Ehe als Sakrament und dieFamilie als Abbild des lebendi-gen Gottes können uns Christuszeigen und Christus bezeugen.Sie stellen das Leben, das »Seinin Christus« in besonderer Wei-se dar, sie sind auch eine beson-dere Gestalt der Teilnahme anTod und Auferstehung JesuChristi. Wird die eheliche Liebeunter dem österlichen Zeichendes Kreuzes gesehen, dann lebtsie vom Beschenken, vom Ver-geben und vom immer wieder

BLICKpunkte

Familie

zum Lebenzur Liebe

als Abbild Gottes

Nur ein gemeinschaftsfähiger Menschkann teilhaben am Leben Gottes

Ja

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neuen Anfangen. So wie Chri-stus die Kirche auch als die Kir-che der Sünder liebt, reinigt undheiligt, so werden sich auch dieEheleute mit allen entstehendenKonflikten, in all ihrem Ungenü-gen und ihrer Schuld immerwieder annehmen müssen. Einsolches Wachsen und ein sol-cher Wandel der Liebe ist denEheleuten möglich, weil sie dar-auf vertrauen dürfen, dass ihremenschliche Liebe und Treueimmer schon überholt ist durchden österlichen Sieg der LiebeGottes über alle Untreue undLieblosigkeit der Menschen.»Das Pferd macht den Mist indem Stall, und obgleich derMist Unsauberkeit und üblenGeruch an sich hat, so ziehtdoch dasselbe Pferd denselbenMist mit großer Mühe auf dasFeld; und daraus wächst der ed-le schöne Weizen und der edlesüße Wein, der niemals sowüchse, wäre der Mist nicht da.Nun, dein Mist, das sind deineeigenen Mängel, die du nichtbeseitigen, nicht überwindennoch ablegen kannst, die tragemit Mühe und Fleiß auf denAcker des liebreichen Willens

Gottes in rechter Gelassenheitdeiner selbst. Streue deinenMist auf dieses edle Feld, dar-aus sprießt ohne Zweifel indemütiger Gelassenheit edle,wonnigliche Frucht auf.«(Johannes Tauler)

Ich bitte die Familien und diePfarrgemeinden, den Glaubenzu leben, zu feiern und weiter-zugeben. Glaube wird konkretin unserem Verhalten. Grund-haltungen, wie Achtung derWürde jedes Mitglieds der Fa-milie, auch des noch nicht gebo-renen Kindes, sind Verwirkli-chung des Gebotes Jesu »dusollst deinen Nächsten liebenwie dich selbst« (Mt 22,40) Da-zu gehören weiters, die Bereit-schaft Verantwortung fürein-ander zu übernehmen oder inKonflikten fair und achtsammiteinander umzugehen.

Unseren Glauben drücken wiraus in sinnlich erlebbaren Sym-

bolen. Ich lade die Familien ein,in ihrer Wohnung religiösenSymbolen einen besonderenPlatz zu geben. Das können einKreuz in der Wohnung, die Hei-lige Schrift, ein Weihwasser-becken oder eine Osterkerze zuOstern und die Krippe zu Weih-nachten sein. Solche Symbolesind Ausdruck Ihres Glaubensund lassen Kinder nach derenBedeutung fragen.

Eine ganz besondere Bedeu-tung kommt religiösen Ritualenzu, die den Tages-, Wochen- undJahresrhythmus prägen. Die ge-meinsame Mahlzeit mit einemkurzen Gebet zu beginnen, istAusdruck der Dankbarkeit fürdie tägliche Nahrung. Die Kin-der mit einem Kreuzeichen aufdie Stirn zu segnen, ist ein star-kes Zeichen des Wohlwollens,Vertrauens und der Bitte umGottes Schutz. Rituale ermögli-chen Gemeinschaft, schaffenIdentität, geben Sicherheit,bringen Ordnung in die manch-mal beunruhigende Vielfalt un-seres Lebens. Oft sind esschlichte Gesten, die sich tief indie Seele des Kindes einprägenund ein Leben lang Halt geben.

Neben dem Ausdruck des Glau-bens im Tun, durch Symbole undRituale wollen Kinder jeden Al-ters auch Auskunft von den El-tern über das, was ihr Lebenträgt. In vielen Familien lesendie Eltern am Abend den Kin-dern Geschichten vor. Warumnicht neben Geschichten, wieder Räuber Hotzenplotz, auchvon Jesus erzählen? Wagen wirdas Gespräch mit den Kindernund Jugendlichen auch überIhren Glauben.

Glauben lebenin der Familie