Beitragsband: 20. Forschungskolloquium 2018 · f h b l f. REFLEXION DER FORSCHUNG ZUM DIGITALEN...
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F R A U N H O F E R - I N S T I T U T F Ü R F A B R I K B E T R I E B U N D - A U T O M AT I S I E R U N G I F F, M A G D E B U R G
20. FORSCHUNGSKOLLOQUIUM AM FRAUNHOFER IFF 2018
INDUSTRIE 4.0 – (R)EVOLUTION DER PRODUKTION
20. Forschungskolloquium am Fraunhofer IFF
Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult. Michael Schenk
In Kooperation mit:
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult. Michael Schenk,
Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Marlene Eisenträger M. Sc., Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Virtual Engineering
Dipl.-Ing. Marc Gebauer, Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg,
Lehrstuhl für Produktionswirtschaft
Fadi Georges B. Sc., Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Logistik- und Fabriksysteme
Alinde Keller M. A., Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Mess- und Prüftechnik
Niels Schmidtke M. Sc., Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Geschäftsstelle Fraunhofer-Verbund Produktion
Maik Groneberg B. Sc., Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Thomas Depner M. Eng., Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
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Den Referentinnen und Referenten
gratuliere ich zu ihrem Selbstbewusst-
sein, ihre Projekte und Ideen im Rahmen
des Forschungskolloquiums vorzustel-
len, und zu ihrer Offenheit für kritische
Fragen und Anregungen.
Den Teilnehmenden möchte ich an die-
ser Stelle für ihr Engagement, ihre Neu-
gier und die rege Beteiligung danken.
Auch in Zukunft planen das Fraunhofer
IFF, die Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg und andere Partnerinstitu-
tionen dieses Format fortzusetzen und
damit junge und erfahrene Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern
zu vernetzen. Deshalb freuen wir uns
auch auf das nächste, dann 21. For-
schungskolloquium, bei dem es wieder
die Möglichkeit geben wird, Forschungs-
ergebnisse verschiedener Nachwuchs-
wissenschaftlerinnen und Nachwuchs-
wissenschaftler gemeinsamen zu
diskutieren und zu interpretieren.
Und nun lassen Sie sich selbst von den
verschiedenen Blickwinkeln unserer
jungen Expertinnen und Experten inspi-
rieren.
Ihr
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E.h.
Dr. h.c. mult. Michael Schenk,
Institutsleiter des Fraunhofer IFF
VORWORT
5
Liebe Nachwuchswissenschaftlerinnen,
liebe Nachwuchswissenschaftler,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verschiedene Aus- und Weiterbildungen,
persönliche Interessen und Kompeten-
zen lassen jeden von uns einen persön-
lichen Beitrag zu der »(R)Evolution« der
Industrie 4.0 leisten. Dass dafür trotz,
oder gerade wegen dieser unterschied-
lichen Professionalitäten eine gemein-
same Arbeit von großer Bedeutung ist,
zeigt uns unser Arbeits- und Forschungs-
alltag.
Denn erst das wissenschaftliche Vernet-
zen macht interdisziplinäre Innovationen
möglich. Um digitale Logistikräume zu
entwickeln, brauchen wir beispielsweise
nicht nur Kenntnisse über die Bauele-
mente, sondern auch über Datenver-
arbeitung, Integration der einzelnen
Prozesse und den Menschen, der mit
und in diesem Raum agiert.
Für das Implementieren, Umsetzen und
Verbessern solcher Innovationen brau-
chen wir gegenseitiges Verständnis.
Hierfür müssen die fachlichen Inhalte an
den Hochschulen entsprechend moder-
nisiert und erweitert werden. Die neuen
der zukünftigen Ingenieurinnen und
Ingenieure fordern aber auch überfach-
liche Fähigkeiten wie Team-, Lern- und
Anpassungsfähigkeit und ein verstärktes
System- und Prozessdenken. Der Nach-
wuchs muss in der Lage sein, Sichtwei-
sen anderer Disziplinen bei ihrer Arbeit
zu berücksichtigen.
Natürlich ist es ebenso wichtig, dass
auch die erfahrenen Kolleginnen und
Kollegen an dem offenen Austausch
teilhaben und ihre langjährige Erfahrung
teilen.
Das Fraunhofer IFF und die Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg fördern
diese Zusammenarbeit aktiv – durch
gemeinsame Projekte und das regelmä-
ßige Austauschen über Forschungser-
gebnisse.
So teilten beim diesjährigen 20. For-
schungskolloquium sieben junge Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler
ihre Arbeit mit ihren Kolleginnen und
Kollegen. Von verschiedenen Stand-
punkten aus wurde dabei das Thema
»Industrie 4.0 – (R)Evolution der Produk-
tion« beleuchtet und mit allen Teilneh-
menden diskutiert.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h.
Dr. h. c. mult. Michael Schenk,
Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für
Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF.
Foto: Fraunhofer IFF, V. Kühne
Ihr
f h b l f
REFLEXION DER FORSCHUNG ZUM DIGITALEN ZWILLING AUS DER GESCHÄFTSMODELLPERSPEKTIVE
Marlene Eisenträger M. Sc.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Virtual Engineering
Dipl.-Ing. (FH) Sebastian Möser M. Sc.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Virtual Engineering
Sergii Skrytutskyi M. Sc.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Virtual Engineering
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9
REFLEXION DER FORSCHUNG ZUM DIGITALEN ZWILLING AUS DER GESCHÄFTSMODELL- PERSPEKTIVE
Das Thema dieses Beitrags ist die Anwendung einer Methode
-
dellperspektive durch eine Adaption der Szenariotechnik. Die
Betrachtung und Ergebnisdarstellung erfolgt für die Forschung
zum digitalen Zwilling von Anlagen aus Sicht des Anlagen-
baus. Im Folgenden wird die zugrundeliegende Motivation
beschrieben und die einleitend umrissene Zielstellung abgelei-
tet und detailliert.
Im Kontext des Zukunftsbilds Industrie 4.0 wird das For-
schungsfeld der digitalen Produktion bedeutender, da Daten
zu einer wichtigen Ressource für den zukünftigen Unterneh-
menserfolg werden [1, 2]. Dies betrifft insbesondere Anlagen-
daten, die digital bereitgestellt und verarbeitet werden. Dafür
ist eine digitale Begleitung von Produktionsanlagen erforder-
und für den Anlagenbetrieb geeignet bereitgestellt werden
muss [3]. In diesem Zusammenhang ist der digitale Zwilling
einer Anlage ein zentrales Forschungsfeld am Fraunhofer IFF.
Inzwischen hat sich dieses Forschungsthema in der deutschen
und internationalen Technologieforschung etabliert, verein-
zelt wird der digitale Zwilling auch bereits in der Industrie
eingesetzt. Aus Perspektive der Anwender sind zielgerichtete
Forschungsbestrebungen erforderlich, um eine breite prakti-
zu etablieren und aufbauend Wertschöpfungspotentiale zu
heben.
Der anwendungsorientierten Forschung ist natürlich stets
daran gelegen, die richtigen, d.h. aus Anwendersicht relevan-
ten und zukunftsfähigen, Forschungsfragen zu untersuchen.
Der digitale Zwilling ist jedoch kein allgemein realisierbares
Konzept, er benötigt eine hohe Individualisierung bei der
Umsetzung abhängig vom angestrebten Erkenntnisgewinn [4].
Dies stellt eine besondere Herausforderung für die praxisori-
entierte Forschung dar, da eine große Unsicherheit über die
Anwendungsszenarien in der Zukunft und damit auch über die
Forschungsziele besteht. Konventionell werden Forschungsbe-
-
wendung von aktuellen Technologien. Anschließend werden
daraus Technologieinnovationen entwickelt. So werden auch
mögliche Geschäftsmodelle für den Einsatz der innovativen
-
die Bedarfsanalyse und die weitere Technologieforschung ein.
Der neue Ansatz, die Perspektive der Geschäftsmodellinno-
früheren, methodischen Prognose neuer Forschungsbedarfe.
Zusätzlich wird durch die wirtschaftliche Perspektive eine
zielführendere Technologieentwicklung sowie eine kombinierte
Etablierung von Technologie- und Geschäftsmodell am Markt
unterstützt. Daher stellt sich die folgende Forschungsfrage
für den konkreten Anwendungsfall: Welche Forschungsbe-
darfe zum digitalen Zwilling im Anlagenbau können aus der
Perspektive der Geschäftsmodellinnovation abgeleitet werden?
Diese Branche wurde gewählt, da hier die Erstellungsaufwän-
de im Engineering sowie die Aktualisierungsaufwände für den
digitalen Zwilling zum Tragen kommen, die einem wirtschaftli-
chen Mehrwert gegenüberstehen müssen.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird eine strukturierte
Methodik eingesetzt, die sich am Vorgehen der Szenario-
technik orientiert. So wird der Unsicherheit bezüglich der
zukünftigen Entwicklungen im Anwendungsbereich Rechnung
getragen. Im Ergebnis werden konkrete Bedarfe für die ange-
wandte Forschung zum Thema digitaler Zwilling benannt, die
aus wirtschaftlicher Sicht für eine Etablierung des Konzepts im
Anlagenbau erforderlich sind. Im Folgenden werden zunächst
der Stand der Technik für die angeschnittenen Themen digi-
taler Zwilling und Geschäftsmodelle dargestellt. Aufbauend
werden die methodische Vorgehensweise und die Ergebnisse
Im Anlagenbau werden eine Vielzahl der Anlagen als kun-
denindividuelle Unikate oder Kleinserien entwickelt. Zudem
werden die Produktionssysteme hochgradig automatisiert und
10
gekennzeichnet. Dies stellt neue Anforderungen an Entwickler,
Bediener und weitere Prozessbeteiligte [5]. Diesem Trend liegt
Industrie 4.0 zugrunde [6]. Technische Realisierungsgrundlage
ist der Aufbau der Anlagen aus sogenannten cyber-physischen
Systemen (CPS) auf der Ebene von Komponenten und Modu-
len. CPS verknüpfen reale (physische) mit informationsverar-
beitenden (virtuellen) Objekten und benötigen eine intelligente
Datenverarbeitung sowie Kommunikationsmechanismen
zur Interaktion miteinander [5]. Voraussetzungen dafür sind
sowie eine digitale Informationsbasis, z.B. über den aktuellen
Zustand des Systems. Hierfür bietet der digitale Zwilling eine
-
misches Modell eines realen Objektes oder Prozesses und er
beinhaltet digitale Dokumente und Strukturinformationen (Le-
benslaufakte) über den Lebenszyklus und bildet reale Zustände
in Echtzeit ab. Zielstellung ist stets der Erkenntnisgewinn [4].
Wie in der Motivation aufgezeigt, ist der digitale Zwilling
daher in der Umsetzung keine Universallösung, sondern am
angestrebten Wissenszuwachs ausgerichtet. Das Konzept des
digitalen Zwillings geht auf die NASA zurück. In den Folgejah-
ren verbreitete es sich in der Forschung [7] und zumindest der
Begriff ist inzwischen auch im praktischen Sprachgebrauch
etabliert.
Der digitale Zwilling ist einem Objekt zugeordnet und daher
prinzipiell unternehmensübergreifend zu verstehen, da er
den Anlagenlebenszyklus durchgängig begleiten soll. Dies
erfordert eine integrierte Erstellung im Engineering und eine
betriebsbegleitende Nutzung sowie Aktualisierung. Hierfür
werden neben dem Betreiber der Anlage auch die Informa-
tionen von weiteren Akteuren wie Instandhaltungsdienst-
leister und Teilelieferanten benötigt. Außerdem können die
Informationen allen Prozessbeteiligten Mehrwerte bieten,
z.B. Such- und Wegezeiten verringern, da die Daten direkt
an der Anlage verfügbar sind, und den Instandhaltungsauf-
wand infolge Datenauswertungen und angepasste Planungen
minimieren. Dies wirkt sich erheblich auf die Wertschöpfungs-
systeme aus [8]. In diesem Zusammenhang lassen sich die
Softwareanwendungen, die für die Erstellung und Nutzung
des digitalen Zwillings genutzt werden, als digitale Kollabora-
tionstechnologien charakterisieren. Sie bringen Informationen
verschiedenster Fachbereiche objektbezogen zusammen und
stellen neue Kommunikationswege zur Verfügung: Neben der
direkten, analoge Kommunikation, bei der die Informationen
der Systeme von allen Partnern gleichzeitig betrachtet werden,
erlauben die Systeme auch eine indirekte Kommunikation über
den digitalen Informationsaustausch. Der zweite Kommuni-
Informationserfassung wahrgenommen, ohne dass sie die
Weiternutzung durch andere Fachbereiche und Unternehmen
im Blick haben. Die Technologien ermöglichen und erfordern
somit eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche
und teilweise sogar Unternehmen. Die Beteiligten haben
dabei unterschiedliche Sichten, Rollen und Berechtigungen zur
Handhabung dieser Datenbasis und stehen in einem wechsel-
seitigen Abhängigkeitsverhältnis bezüglich der Informationsbe-
reitstellung und -verarbeitung. Zugleich sind die Informationen
und sich daraus ergebende Entscheidungen zentral für die
wertschöpfenden Handlungen im Zusammenhang mit dem
betreffenden Produktionssystem. Aufgrund dieses Zusammen-
spiels der Unternehmen und der damit verbundenen Auf-
wände hat die Geschäftsmodellperspektive hohe Relevanz im
Zusammenhang mit dem digitalen Zwilling.
-
prinzip, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt
und erfasst« [9]. Zur detaillierten Beschreibung von Geschäfts-
modellen und ihren Elementen dient u.a. die Methode des
Business Model Canvas, welche ein Geschäftsmodell inhaltlich
in Elemente unterteilt und diese in Beziehung zueinander
setzt. Neben der Finanzperspektive (Kostenstruktur und Ein-
nahmequellen) umfasst die Darstellungsform die Kunden, ihre
Beziehung und die Kanäle zum Unternehmen, das Angebot
für diese Kunden sowie die zugrundeliegende Infrastruktur des
Unternehmens (Partner, Aktivitäten und Ressourcen) [9]. Im
Kontrast zu dieser detaillierten Darstellung sind Geschäftsmo-
dellmuster darauf ausgerichtet, die Übertragbarkeit typischer
Eigenschaften verbreiteter Geschäftsmodelle aufzuzeigen. Als
eine praktische Methode, die dieses Prinzip nutzt, hat sich
der Business Model Navigator der Universität Sankt Gallen
etabliert [10].
-
menhang mit Technologieveränderungen im Unternehmen
oder sogar im gesamten Markt. Nach Baden-Fuller und
-
rator zwischen dem Technologieeinsatz und dem Unterneh-
menserfolg, wie in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung 1: Zusammenhang von Technologie und Geschäftsmodell
11
Die Wertschöpfungsstrukturen, die sich aus dem Geschäfts-
modell des Unternehmens ergeben, stellen somit den Rah-
men für die Vermittlung einer technologischen Innovation
in den (letzten Endes wirtschaftlich bemessenen) Erfolg des
Unternehmens. Denn Technologien unterstützen zwar bei
der Realisierung des Erfolgs, sie sind aber nicht der einzige
sich aus dem angestrebten Unternehmenserfolg in Verbindung
mit der Anwendersicht die wesentlichen Innovationsbedarfe.
Außerdem kann die Technologie ein Befähiger zur Realisierung
neuer Geschäftsmodelle sein. Daher bietet sich die Geschäfts-
relevanter Technologieinnovationen zu verwenden.
-
perspektive wird bezweckt, dass Forschungsbedarfe früher
anwendungsbezogen begründet werden können. Das dafür
entwickelte Vorgehen baut auf den Prinzipien des Business
Model Navigators [10] der Universität Sankt Gallen auf und
integriert zentrale Aspekte der Szenariotechnik nach Reibnitz
[12] zur Zukunftsprognose. Abbildung 2 stellt das methodi-
sche Vorgehen im Überblick dar.
(1) Informationen sammeln
Das Vorgehen benötigt grundlegend eine ausreichende Infor-
mationsbasis über den Anwendungsfall sowie die Sicht der
Akteure in der Branche, insbesondere von Führungskräften,
welche sich mit Geschäftsmodellinnovationen in ihrem Unter-
nehmen auseinandersetzen. Neben Recherchen zum Stand der
Forschung und Technik sollte hierbei primär die Anwendersicht
zum Thema Geschäftsmodellinnovation im Anlagenbau wur-
den daher Trends und Herausforderungen sowie Anforderun-
gen an neue Geschäftsmodelle ermittelt.
(2) Bewertungskriterien ableiten
Auf Basis der gesammelten Informationen können anschlie-
ßend Bewertungskriterien abgeleitet werden. Diese dienen
dazu, zukunftsfähige Geschäftsmodelle für den Anwendungs-
fall auszuwählen.
(3) Zukunftsprognose erstellen
Entsprechend der Vorgaben der Szenariotechnik nach Reibnitz
[12] werden qualitative Zukunftsszenarien entwickelt, die als
inhaltlicher Rahmen für die Hinterfragung der zukünftigen
Umsetzung verschiedener Geschäftsmodelle dienen. Dazu
werden zunächst Eigenschaften zur Beschreibung der Zukunft
-
Als Grundlage für die spätere Auswahl werden Geschäftsmo-
dellmuster gesammelt, die auf den Anwendungsfall übertrag-
bar sind. In diesem Schritt werden verschiedene Geschäftsmo-
-
fall ergeben (z.B. Produktart).
(5) Geschäftsmodellmuster bewerten
Die qualitative Bewertung zur Auswahl passender Geschäfts-
modellmuster erfolgt zum einen über die (szenarienunab-
hängigen) Bewertungskriterien und zum anderen über ihre
Eignung für die einzelnen Zukunftsszenarien. Muster, die in
allen Szenarien sowie bei den Bewertungskriterien vergleichs-
weise hoch abschneiden, werden ausgewählt und im Folgen-
den detaillierter betrachtet.
(6) Geschäftsmodelle analysieren
Für die Analyse werden die ausgewählten Muster zunächst
auf den Anwendungsfall übertragen. Hierzu bietet sich eine
Detaillierung mithilfe des Business Model Canvas an, um das
Muster zu einem Geschäftsmodell für ein typisiertes Unter-
nehmen auszugestalten. Im Rahmen der Detaillierung der
Geschäftsmodelle wird zuvor noch das aktuelle Geschäftsmo-
dell des typisierten Unternehmens aufgestellt. Um aufbau-
end die Forschungsbedarfe zu ermitteln, werden die neuen
Geschäftsmodelle mit dieser Ausgangsvariante verglichen und
die wesentlichen Unterschiede herausgearbeitet.
(7) Forschungsbedarfe ableiten
Aus dem Vergleich wird auf weitere Forschungsbedarfe
Unterschieden Lücken zum aktuellen Stand von Technik und
Forschung bestehen. Diese Form der Herleitung ist zugleich
die Argumentationsgrundlage für aufbauende Forschungs-
projekte.
der Geschäftsmodellperspektive, eigene Darstellung.
12
aufbauend auf dem aktuellen Geschäftsmodell eines typisier-
ten, mittelständischen Anlagenbauers mit einem hohen Anteil
an kundenindividuellen Entwicklungsleistungen. Das primäre
Angebot ist der Verkauf individualisierter Produktionsanlagen.
Das Geschäftsmodellmuster der garantierten Anlagenverfüg-
barkeit ergänzt das Wertangebot um eine umfassende Service-
dienstleistung, wie das Business Model Canvas in Abbildung
4 illustriert. Dies wirkt sich auf die Vertragsgestaltung aus,
bei der zum Anlagenverkauf eine regelmäßige Servicegebühr
hinzukommt. Die Anlagenverfügbarkeit zielt auf das Bedürfnis
im Kundenunternehmen ab, das Produktionsrisiko zu minimie-
ren. Dabei unterstützt ihn der Anlagenentwickler in diesem
Geschäftsmodell durch einen Instandhaltungsservice, der mit
der Datenbasis des digitalen Zwillings agiert. Als Grundvoraus-
setzung ist ein tiefgreifendes Wissen beim Anlagenbauer über
die individualisierten Anlagen erforderlich. Daher können diese
nicht als reine Unikate entwickelt werden. Stattdessen muss
sich der Anlagenbauer auf eine Branche mit passender Modu-
larisierung dieser Anlagen spezialisieren. Deren Betriebsdaten
lassen sich dadurch so auswerten, dass Informationen zu einer
Anlage auch auf andere Anlagen übertragbar sind. Dafür sind
das digitale Engineering und die datenseitige Begleitung des
Anlagenlebenszyklus zentral und müssen konsequent umge-
setzt werden. Aus diesem beispielhaften Szenario ergeben sich
zahlreiche Ansätze für aufbauende Forschungsfragen, auf die
im nächsten Abschnitt eingegangen wird.
Als wesentliche Grundlage des Geschäftsmodells wurde
die durchgängige Datenhaltung über den gesamten Anla-
Aktivität im Anlagenbauunternehmen darin bestehen, die
benötigte Datenbasis in der Entwicklungsphase zu erstellen,
integriert in den bestehenden Prozessen und ohne erhebliche
Zusatzaufwände. Dafür ist insbesondere eine weiterführende
Einbettung des digitalen Zwillings in bestehende Entwick-
lungsphilosophien erforderlich, als sie der Stand von Technik
und Forschung erfüllt: Die Modularisierung und Skalierbarkeit
digitaler Zwillinge durch eine entsprechende Datenstruktur ist
erforderlich. Nur durch eine entwicklungsintegrierte Erstellung
des digitalen Zwillings ist sichergestellt, dass die Datenqualität
als Grundlage für spätere Auswertungen zur Sicherstellung der
Anlagenverfügbarkeit ausreichend ist und die Erstellung dieser
der Verfügbarkeit individualisierter Anlagen nötig, dass Wissen
infolge der Modularisierung zu Anlagenmodulen und -kompo-
nenten von verschiedenen Anlagen übertragbar und gemein-
sam auswertbar ist.
Aufbauend auf einer quantitativen Umfrage zur Geschäftsmo-
dellinnovation mit 4.0 Anlagenbauunternehmen sowie einer
entsprechenden Literaturrecherche wurden neun branchen-
-
entierung, kooperative Ökosysteme und individualisierte Leis-
tungsangebote. Die Anforderungen aus der Praxis orientieren
sich an heutigen Erfolgsfaktoren für die Geschäftstätigkeit
im Anlagenbau. Außerdem zeigt die Befragung beim Thema
Trends deutlich eine technologische statt einer wirtschaftlichen
Fokussierung, denn die Bedeutung technischer Trends wie der
digitale Zwilling wurde höher eingeschätzt. Auf dieser Grund-
lage wurden zwei Extremszenarien für das Jahr 2025 beschrie-
ben, ein konservatives und ein progressives Szenario. So wurde
für die Eigenschaft »Verbreitung des digitalen Zwillings« die
Annahme getroffen, dass sich im konservativen Szenario das
Konzept nur punktuell durchsetzt, während das progressive
Szenario von einem verbreiteten Marktstandard ausgeht.
Anhand der Szenarien werden die Geschäftsmodellmuster
bewertet. Für den Anwendungsfall wurden solche Muster
ausgewählt, die für die Investitionsgüterindustrie geeignet
sind. Insgesamt wurden 33 Muster aus dem Business Model
Navigator sowie der erweiterten Business Model Pattern Da-
tabase [13] einbezogen. Die Muster wurden zunächst anhand
der Bewertungskriterien szenarienunabhängig eingeschätzt.
Dafür wurde für jedes erfüllte Kriterium ein Punkt vergeben.
Anschließend wurde die Eignung der Muster in jedem Szena-
rio mit 0, 1 oder 2 bewertet (nicht, partiell oder voll geeignet).
Zur Visualisierung wurde eine einfache Matrix verwendet, wie
sie in der folgenden Abbildung für das konservative Szenario
dargestellt ist:
Als eines der geeigneten Geschäftsmodellmuster mit hohen
Bewertungen in beiden Szenarien sowie den Kriterien wurde
die »garantierte Anlagenverfügbarkeit« (engl. guaranteed
Hinterlegung der geeigneten Geschäftsmodellmuster, eigene Dar-
stellung.
13
Es stellen sich somit folgende Fragen: Wie ist ein entsprechen-
des Austauschformat für modulare, skalierbare digitale Zwillin-
ge zu gestalten? Welche Anwendungen und Funktionen sind
dafür erforderlich, um solche digitalen Zwillinge zu erstellen,
auszutauschen und zu integrieren?
Damit einher geht der Bedarf nach passenden Entwicklungs-
prozessen im Anlagenbau. Mit der Forderung nach einem
digitalen Zwilling wird eine Qualitätsanforderung an die
digitale Unterstützung der Anlage formuliert, die sich inhaltlich
aus dem angestrebten Erkenntnisgewinn in der Betriebsphase
ergibt. Diese Vorverlagerung der betrieblichen Anforderungen
muss den Ingenieuren aller Fachbereiche bewusst sein und
fehlen jedoch konkrete Gestaltungsempfehlungen. Zugleich ist
es für die Menschen kaum möglich, die durch die Technologie
angeregten Veränderungen zu antizipieren und im Gegenzug
Entwicklungsprozesse mit digitalem Zwilling gestaltet wer-
den? Wie lassen sich sichten integrierte, also interdisziplinäre
Anlagenmodelle im Engineering Prozess erstellen, die für
Menschen und Computer verständlich sind?
Im Anlagenbetrieb ist die Datenbasis weiterzuführen, da für
die Auswertung der Verfügbarkeit natürlich aktuelle und
korrekte Daten erforderlich sind. Dabei ist ein zentraler Bedarf,
klare Prozesse für die Aktualisierung des digitalen Zwillings zu
gestalten, mit deren Hilfe eine aktuelle Datenbasis sicherge-
stellt werden kann. Neben den benötigten Rollenstrukturen
ist auch erforderlich, weitestgehend technische Methoden zur
Konsistenzprüfung zwischen digitaler und realer Anlage zu
entwickeln. Die Menschen benötigten außerdem ein Verständ-
nis der Zusammenhänge der Unternehmen und der Prozesse,
damit sie die Daten zur Aktualisierung richtig aufnehmen und
den passenden Prozess auswählen. Zusammengefasst ergeben
sich folgende Fragestellungen: Wie kann die Konsistenz von
digitalem Zwilling und Anlage sichergestellt werden, metho-
disch wie auch technisch? Wie laufen (unternehmensübergrei-
fende) Aktualisierungsprozesse in Wertschöpfungsnetzwerken
ab?
Als Grundlage für die Aktualisierung ist eine geeignete Zusam-
menarbeit der Unternehmen rund um die Anlage erforderlich.
Erste Forschungserkenntnisse zur datenbasierten Kooperation
in der Produktion [8] weisen auf einen erheblichen Struktur-
wandel hin. Im Zusammenhang mit dem digitalen Zwilling sind
solche Kooperationen noch nicht praktisch umgesetzt. Ent-
sprechend ergeben sich zahlreiche Fragen: Welche Eigenschaf-
ten müssen kooperative, auf Anlagen mit digitalen Zwillingen
bezogene Unternehmensnetzwerke aufweisen? Wie gelingt
ihr Aufbau und die langfristige Aufrechterhaltung sowie ein
geeigneter Auftritt am Markt (Netzwerkgeschäftsmodelle)?
benötigt? Wie lassen sich Informationen in einem solchen
Kooperationsszenario bewerten? Wie erreichen die Mitarbeiter
selbst ein unternehmens- und prozessübergreifendes Ver-
ständnis der Wirkzusammenhänge im kooperativen Wert-
schöpfungssystem?
Außerdem ergeben sich breite Forschungsbedarfe im Bereich
der Datennutzung und -auswertung. So ist für die Erhöhung
der Anlagenverfügbarkeit wesentlich, die störungsbedingte
Stillstandszeit von Anlagen zu minimieren. Diesem Zweck
dient auch die vorausschauende Instandhaltung, wozu sich
folgende Fragestellungen ergeben: Wie muss der digitale Zwil-
ling aufgebaut sein, dass er die richtige Informationsgrundlage
Abbildung 4: Business Model Canvas für die garantierte Anlagenver-
fügbarkeit (dunkel), als Erweiterung des Basisgeschäftsmodell eines
typisierten Unternehmens im Anlagenbau (hell), eigene Darstellung.
14
wie die Rollen und Aufgabenverteilung bei der Kooperation
und die Nutzung des digitalen Zwillings zur betriebsbegleiten-
den Optimierung betrachtet. Mit diesen Projekten werden die
Technologien des digitalen Engineerings am Fraunhofer IFF
weiterentwickelt und zugleich die Anwendungsbedingungen
hinsichtlich Mensch und Organisation integriert erforscht und
gestaltet.
6 Literatur
[1] Bitkom (Hrsg.) (2017): Geschäftsmodelle in der Industrie
4.0 : Chancen und Potentiale nutzen und aktiv gestalten. In:
https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Faktenpapier-
zu-Geschaeftsmodellen-in-der-Industrie-40.html. Stand: 15.
Januar 2019.
[2] Gregorzik, Stefan (2017): Wertschöpfung im Internet der
Dinge : Konzeption und Technik zukunftsfähiger Geschäftsmo-
delle. In: ProduktDaten Journal Jg. 24, 2017, Nr. 1, S. 30–33.
[3] Schmucker, Ulrich; Haase, Tina; Schumann, Marco (2015):
Digital Engineering and Operation. In: Schenk, Michael (Hrsg.):
Produktion und Logistik mit Zukunft : Digital Engineering and
Operation. Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg, S. 283–377.
[4] Eisenträger, Marlene; Adler, Simon; Kennel, Matthias;
Möser, Sebastian (2018): Changeability in Engineering :
Symbioses of Agile Methodologies and Virtual Engineering. In:
Conference Proceedings ICE/IEEE ITMC 2018: 24th Internati-
onal Conference on Engineering, Technology and Innovation,
Stuttgart, S. 28–35.
[5] Reinhart, Gunther et al. (2013): Cyber-Physische Produk-
tions-systeme : Produktivitäts- und Flexibilitätssteigerung
durch die Vernetzung intelligenter Systeme in der Fabrik, at
– Automatisierungstechnik Methoden und Anwendungen der
Steuerungs-, Regelungs- und Informationstechnik Jg. 103, Nr.
10, S. 84–89.
[6] Geisberger, Eva; Broy, Manfred (2012): > agendaCPS :
Integrierte Forschungsagende Cyber-Physical Systems acatech
STUDIE. München: acatech – Deutsche Akademie der Technik-
wissenschaften.
[7] Negri, Elisa; Fumagalli, Luca; Macchi, Marco (2017): A
Review of the Roles of Digital Twin in CPS-based Production
Systems. In: Procedia Manufacturing Jg. 11, S. 939–948.
[8] Löwen, Ulrich et al. (2018): Zusätzliche Wertschöpfung mit
digitalem Modell : Neue Rollen im Anlagenlebenszyklus. In:
atp Magazin (06–07), S. 58–68.
für die vorausschauende Instandhaltung – insbesondere für
individualisierte Anlagen – darstellt? Wie lässt sich Erfahrungs-
wissen aufbereiten und zusammen mit den Anlagendaten auf
andere Anwendungsfälle, Anlagen oder Module übertragen?
Außerdem ist für die Realisierung einer hohen Anlagenverfüg-
barkeit eine regelmäßige Optimierung der Anlage ein ertrag-
reiches Zusatzangebot. Neben konstruktiven Dienstleistungen
könnte dies auch mit einer betriebsbegleitenden Prognose der
Anlagenauslastung in Verbindung mit einer automatisierten
Adaption der Anlagenfunktion zielführend unterstützt werden.
Solche Anwendungen des digitalen Zwillings zählen zum
aktuellen technologischen Forschungsbedarf. Dabei ist jedoch
auch der Anwender im Fokus, da solche fortgeschrittenen
Technologien hohe Anforderungen an die Mitarbeiter stellen,
hinsichtlich Bedienung, Verständnis der dargestellten Infor-
Frage, welche Methoden sich zur Darstellung und Erfassung
von Wirkzusammenhängen in Anlagen eignen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die angestrebte
entwickelt wurde und für den Anwendungsfall »Digitaler
Zwilling im Anlagenbau« prototypisch umgesetzt wurde. Eine
Übertragbarkeit der Methode auf andere Anwendungsfälle
wird aufgrund der dargestellten Adaption etablierter Metho-
den postuliert, wurde jedoch bisher nicht getestet.
Bei der Betrachtung der Forschungsbedarfe zeigt sich ein
breites Bild vernetzter Forschungsfragen. Die einzelnen Fra-
gestellungen sind dabei integrativ auf Mensch, Technik und
Organisation ausgerichtet und stehen miteinander im engen
Zusammenhang. Dieses Gesamtbild zeigt sich besonders deut-
lich aufgrund der gewählten Geschäftsmodellperspektive und
ist daher der entwickelten Methode zuzurechnen.
wurden bereits zwei Projekte zu Ausschreibungen des BMBF
konzipiert und erfolgreich beantragt. Das Vorhaben »DAVID«
(Designansatz zur Strukturierung verteilter digitaler Zwillinge)
strebt die Entwicklung eines integrierten Austauschformats
für digitale Zwillinge an. Es adressiert primär die Forschungs-
bedarfe zur Skalierbarkeit und Modularisierung digitaler
Zwillinge sowie die Methoden zur Integration und Aktualisie-
rung. Außerdem wird mit dem Vorhaben »NedZ« (Gestaltung
unternehmensübergreifender Kooperationsnetzwerke mit dem
digitalen Zwilling) untersucht, wie unternehmensübergreifen-
de Nutzungsszenarien technologisch und arbeitsgestalterisch
umgesetzt werden können. Dabei werden Forschungsbedarfe
15
[9] Osterwalder, Alexander; Pigneur, Yves (2011): Business Mo-
del Generation : Ein Handbuch für Visionäre, Spielveränderer
und Herausforderer. Frankfurt, New York: Campus Verlag.
[10] Gassmann, Oliver; Frankenberger, Karolin; Csik, Michaela
(2017): Geschäftsmodelle entwickeln : 55 innovative Konzepte
-
chen: Hanser Verlag.
Models and Technological Innovation. In: Long Range Planning
46. Jg. (6), S. 419–426.
[12] Reibnitz, Ute von (1992): Szenario-Technik : Instrumente
für die unternehmerische und persönliche Erfolgsplanung.
Wiesbaden: Gabler Verlag.
[13] Remane, Gerrit; Hanelt, Andre; Tesch, Jan; Kolbe, Lutz
(2017): The Business Model Pattern Database – A Tool For
Systematic Business Model Innovation. In: International Journal
of Innovation Management Jg. 21 (01), S. 1750004-1 –
1720004-61.
16
17
LEBENSZYKLUSORIENTIERTE BETRACHTUNG VON TECHNOLO-GIEBASIERTEN GESCHÄFTS- MODELLINNOVATIONEN AM BEISPIEL EINER INDUSTRIELLEN WÄSCHEREI
Dipl.-Ing. Marc Gebauer,
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Lehrstuhl für Produktionswirtschaft
Dr.-Ing. Martin Busse,
Berendsen GmbH Nordost
Dipl.-Ing. Marlon Lehmann,
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Lehrstuhl für Automatisierungstechnik
Univ. Prof. Dr. habil. Herwig Winkler,
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Lehrstuhl für Produktionswirtschaft
Univ. Prof. Dr.-Ing. Ulrich Berger,
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg
Lehrstuhl für Automatisierungstechnik
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LEBENSZYKLUSORIENTIERTE BETRACHTUNG VON TECHNOLOGIEBASIERTEN GESCHÄFTSMODELL- INNOVATIONEN AM BEISPIEL EINER INDUSTRIELLEN WÄSCHEREI
Industrielle Wäschereien spielen in der Volkswirtschaft
Deutschlands eine bedeutende Rolle. Im Jahr 2014 gab es
noch 4700 Wäschereibetriebe mit knapp 70.000 Mitarbeitern.
Diese Unternehmen erwirtschafteten einen Jahresumsatz von
etwa drei Milliarden Euro. Sie unterstützen Krankenhäuser,
Hotels und Gastronomieunternehmen, Handwerk und Handel,
die Reinigung von Wäsche bzw. durch die Bereitstellung sau-
berer Wäsche [1].
Ein Blick in die Statistik offenbart kontinuierlich sinkende
Unternehmenszahlen. Parallel steigt jedoch der Umsatz der
Konsolidierung statt. Aus dem Konsolidierungsdruck resul-
tiert für die einzelnen Unternehmen die Notwendigkeit von
Innovationen. Zur Konkretisierung und Differenzierung der
Notwendigkeit von Innovation wird ein Lebenszyklusansatz für
das Geschäftsmodell einer Wäscherei exemplarisch verwendet.
Anschließend erläutern die Autoren das Forschungsprojekt
PickClothBot, welches primär auf eine Prozessinnovation
abzielt.
Prozessinnovationen stellen neben anderen Innovationsarten
nur eine Möglichkeit für notwendige Veränderungen dar. Zu
den weiteren Innovationsarten gehört die Geschäftsmodel-
linnovation. Deren Bedeutung für den Unternehmenserfolg
betont bspw. Chesbrough mit »… a mediocre technology per-
sued with a great business model may be more valueable than
a great technology exploited via a mediocre business model«
[4] S. 354. Die These der Wirksamkeit von Geschäftsmodellin-
novationen auf den Unternehmenserfolg erhält Unterstützung
aus der hervorgeht, dass Unternehmen, die sich auf Ge-
schäftsmodellinnovationen fokussieren, besonders erfolgreich
sind [5].
Zusätzlich zu der Erfolgswirkung der tatsächlichen Umsetzung
von Geschäftsmodellinnovationen unterstützt der Umgang
mit Geschäftsmodellen und Geschäftsmodellinnovationen
die Planung sowie Durchführung strategischer Maßnahmen
methodisch.
Die Projektion strategischer Optionen auf die Geschäftsmodell-
Perspektive ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung der
strategischen Maßnahmen für die Logik der unternehmeri-
schen Tätigkeit [6].
Im vorliegenden Artikel wird ein Innovationsprojekt dargestellt,
welches vornehmlich auf eine Prozessinnovation mit dem Ziel
abzielt. Die ganzheitliche Betrachtung der Umsetzung der
angestrebten Prozessinnovation aus der Geschäftsmodell-
die Umsetzung der Prozessinnovation in einer evolutionären
Geschäftsmodellinnovation resultiert, welche sich in der
Änderung der Lebenszyklusphase des Geschäftsmodells der
umsetzenden Wäscherei zeigt.
Geschäftsmodelle stellen für Manager und Wissenschaftler
einen bedeutenden und seit Mitte der 90er Jahre mit zuneh-
mender Intensität diskutierten Betrachtungsgegenstand der
Wirtschaftswissenschaften dar [6]. Innovative Geschäftsmodel-
le sind bis heute die Grundlage des Erfolges weltweit bekann-
ter Unternehmen, wie Dell [8], [9], IBM [4] oder auch Apple
[10] und Amazon [11].
Trotzdem sich die Forschung zu Geschäftsmodellen in unter-
schiedliche Richtungen entwickelt hat [12] und eine Vielzahl
business strategy and business processes …« [13] S. 9 oder »A
business model constists of [...] elements, that, taken together,
create and deliver value.« [10] S. 52 entwickelt wurden, orien-
tiert sich mittlerweile ein Großteil von Wissenschaftlern an der
-
tion, delivery, and capture mechanisms …« [14] S. 172 [7].
bei dem aktuellen Verständnis des Begriffs Geschäftsmodell
um die ganzheitliche Logik der Wertschöpfung sowie der Er-
tragserzielung von Unternehmen handelt, die als umgesetzte
Strategie zu verstehen ist. Die besagte Logik lässt sich wiede-
rum mit unterschiedlichen Kombinationen von Geschäfts-
modellelementen beschreiben. Mögliche Kombinationen von
20
Geschäftsmodellelementen lassen sich aus generischen Ge-
schäftsmodellen entnehmen, die den Umgang mit Geschäfts-
modellen bzgl. des Erfassens, Verstehens, Analysierens, Kom-
munizierens, Enwickelns und Änderns unterstützen [6],[15].
Eine Variante mit den drei Elementen Produkt-/Markt-Kombi-
stammt von Zollenkop. Generische Geschäftsmodelle stellen
eine methodische Grundlage für Geschäftsmodellinnovationen
dar. Geschäftsmodellinnovationen als neue Logik der Wert-
und Ertragsgenerierung bieten Chancen für Unternehmen,
sich vom Wettbewerb abzugrenzen und unternehmerisch
erfolgreich zu sein. So generiert das Unternehmen Nespresso
mit seinen Kaffeekapseln etwa das Fünffache an Umsatz pro
Volumeneinheit gegenüber konventionellen Angeboten der
Wettbewerber [16].
Analog zu den Geschäftsmodellen bestehen für den Begriff
-
nitionen und Betrachtungsweisen [12] sowie ein Mangel an
Methoden zur Umsetzung von Geschäftsmodellinnovationen
[17].
Foss/Saebi, die unter Geschäftsmodellinnovation »… de-
business model …« verstehen [12]. Geschäftsmodellinnova-
tionen bestehen in den Varianten evolutionäre und radikale
Geschäftsmodellinnovation [18]. Der methodische Mangel für
Geschäftsmodellinnovationen ist kritisch, da Unternehmen
regelmäßig ihr Geschäftsmodell hinterfragen sollten, um es
ggf. an neue Situationen anzupassen oder sich proaktiv vom
Wettbewerb abzuheben [19].
Ein Geschäftsmodelllebenszyklus trägt das Potenzial, den me-
thodischen Mangel im Feld der Geschäftsmodellinnovationen
zu verringern. Dies lässt sich mittels des Begriffsverständnisses
eines Lebenszyklus sowie Analogien zu anderen Lebenszyklen
als Basis für Lebenszyklusmanagementkonzepte begründen.
Ein Lebenszyklus unterstellt graduelle Entwicklungsstufen
eines Objektes, mit denen unterschiedliche und ggf. vorher-
sagbare Herausforderungen sowie Innovationsbedarfe für
die Erfolgssicherung verbunden sind [20]. Die Analogie zum
Produktlebenszyklus zeigt, dass die Kenntnis eines Lebens-
Verknüpfung mit geeigneten Methoden und Indikatoren,
steigert [21], [22].
Da bisher die Themenfelder Geschäftsmodell bzw. Geschäfts-
modellinnovation und Lebenszyklen weitestgehend getrennt
voneinander betrachtet wurden, ist zuerst ein Geschäftsmo-
delllebenszyklus zu charakterisieren. Zu diesem Zweck wurde
eine systematische Literaturrecherche mit den Begriffen
»business model« und »life cycle« am 30.01.2017 in Web
of Science durchgeführt. Im Ergebnis standen 58 Artikel aus
internationalen Fachzeitschriften, welche zwischen 1997 und
2017 veröffentlicht wurden. Die Charakteristika eines Lebens-
zyklus bestehen in dem betrachteten Lebenszyklusobjekt, der
Kurvenform, den Lebenszyklusphasen und der Dimension der
Y-Achse [23], [24]. Die meisten Artikel thematisieren Produk-
te als Lebenszyklusobjekt. Ein Geschäftsmodelllebenszyklus
kommt einmal vor. Als Kurvenform ist die S-Kurve mit vier
Lebenszyklusphasen vorherrschend. Als Dimension der Y-
Achse kommen unterschiedliche Erfolgs- und Kostengrößen in
Frage. Für Geschäftsmodelle lassen sich aus den untersuchten
Artikeln jedoch keine Empfehlungen ableiten. Weiterhin ist
festzustellen, dass die Phasenbestimmung i.d.R. anhand quali-
tativer Daten erfolgt.
Überträgt man diese Ergebnisse auf das Konzept eines Ge-
schäftsmodelllebenszyklus, erscheint der Ansatz von Zollenkop
geeignet. Er entwirft ein Lebenszykluskonzept für Geschäfts-
modelle in Form einer S-Kurve mit den vier zustandsorientier-
ten Phasen Entstehung, Wachstum, Reife und Niedergang. Für
die Geschäftsmodellelemente Produkt-/Markt-Kombination,
-
chiert Zollenkop 136 Indikatoren aus der Strategie- und
Innovationsliteratur. Des Weiteren gibt er bereits qualitative
Ausprägungen der Indikatoren für die Phasenzuordnung der
einzelnen Geschäftsmodellelemente an. Somit entwickelt er
ein bereits sehr detailliertes Konzept für einen Lebenszyklus,
welches auf das unternehmensindividuelle Geschäftsmodell
anzupassen ist. Bezogen auf den Lebenszyklus versteht man
eine Änderung der Phase als evolutionäre Geschäftsmodellin-
novation. Resultieren die Änderungen der Geschäftsmodelle
in einer neuen Logik der Wertschöpfung und Ertragserzielung,
beginnt ein neuer Lebenszyklus und eine radikale Geschäfts-
modellinnovation liegt vor.
Der Ansatz von Zollenkop für einen Geschäftsmodelllebens-
zyklus und der dazugehörigen Phasenbestimmung wird im
ersten Schritt verwendet, um den Innovationsdruck für das
Unternehmen bzw. dessen Geschäftsmodell einzuschätzen.
Des Weiteren dient die Möglichkeit der Phasenbestimmung
für Geschäftsmodelle in deren Lebenszyklus zur Prüfung des
Vorliegens einer evolutionären Geschäftsmodellinnovation im
Fall der Umsetzung der Projektergebnisse aus dem Innovati-
onsprojekt PickClothBot.
21
Da sich eine Geschäftsmodellinnovation über die Änderung
-
schrittige Vorgehensweise von Zollenkop, welche die Phasen-
bestimmung des Geschäftsmodelllebenszyklus anhand der
Geschäftsmodellelemente vorsieht, besonders.
Zuerst ist eine aussagekräftige Teilmenge von Indikatoren für
jedes Geschäftsmodellelement auszuwählen. Anschließend
sind qualitative oder quantitative Ausprägungen der Indikato-
ren als Schwellenwerte für die Phasen festzulegen. Letztend-
lich wird die Phasenzuordnung für die einzelnen Geschäfts-
modelle anhand der Indikatoren und ihrer Schwellenwerte
durchgeführt, um auf die Lebenszyklusposition des gesamten
Geschäftsmodells zu schließen [25].
Entsprechend des Vorschlages von Zollenkop erfolgt die Pha-
senbestimmung für den Lebenszyklus des Geschäftsmodells
in drei Schritten. Die Auswahl der für das Geschäftsmodell
geeigneten Indikatoren als erster Schritt erfolgt in einem
semistrukturierten Experteninterview mit dem Produktions-
leiter eines europaweit tätigen Wäschereikonzerns. Für die
Indikatorauswahl bestehen zwei Kriterien. Zum einen müssen
die Indikatoren relevant bzgl. der Unternehmensstrategie sein.
Zum anderen soll der Indikator durch die Umsetzung der Pro-
-
prägungen aus Sicht des Experten statt. Anschließend kommt
es im dritten Schritt zur Bestimmung der Lebenszyklusphase
des fokussierten Geschäftsmodells. Zu diesem Zweck dient die
Auszählung der Indikatorausprägungen pro Geschäftsmodel-
lelement. Im Falle eines uneindeutigen Ergebnisses wird der
Modalwert bestimmt und die Lebenszyklusphase an diesem
festgemacht.
Bei der betrachteten Wäscherei handelt es sich um ein euro-
paweit tätiges Unternehmen, welches Marktführer für den
Bereich Textil- und Hygienedienstleistungen ist. Die Leistungen
des Unternehmens bestehen in textilen, hygienischen, sicher-
heitsbezogenen Mietlösungen für die vier Geschäftsfelder Ge-
sundheitswesen, Hotellerie und Gastronomie, sowie Industrie
und Dienstleistungen. Im Geschäftsfeld Gesundheitswesen
bietet das Unternehmen bisher nur Mietwäsche, insbesondere
Bettwäsche und Bekleidung, für Krankenhäuser an.
Für das Geschäftsmodellelement Produkt-/Markt-Kombination
-
satz, Produktvariation, Anzahl der Anwendungsgebiete und
Sortiment Anwendung. Die Marktanteile der Unternehmen
konzentrieren sich aufgrund der Konsolidierung zunehmend
auf große Unternehmen und sind relativ stabil. Die Umsätze
des Unternehmens sinken ebenso wie die Produktvariationen.
Währenddessen ist die Anzahl der Anwendungsgebiete der
Bereinigung statt. Im Wettbewerbsvergleich handelt es sich
überwiegend um undifferenzierte Standartprodukte. Für das
Geschäftsmodellelement Produkt-/Markt-Kombination sind
drei Indikatoren der Lebenszyklusphase Niedergang zuzuord-
nen und zwei der Lebenszyklusphase Reife.
charakterisiert sich durch die Indikatoren Schlüsselaktivitäten,
Produktion und Kapazitätsauslastung. Die Schlüsselaktivitäten
bestehen in Rationalisierungsprozessen und Desinvestitio-
Fertigungssystem zu charakterisieren, bei dem die Kapazitäten
nicht vollausgelastet sind und teilweise abgebaut werden. Die
-
phase.
Der Ertragsmechanismus ist gekennzeichnet durch die
Indikatoren Umsatz und Deckungsbeitrag. Beide haben das
Maximum überschritten und sinken seitdem. Somit ist das
Geschäftsmodellelement Ertragsmechanismus ebenfalls der
Lebenszyklusphase Niedergang zuzuordnen. Da sich alle drei
Geschäftsmodellelemente und damit das gesamte Geschäfts-
Innovationen notwendig, um das Überleben des Unterneh-
mens zu sichern. Die Indikatorausprägungen der anzustreben-
den Lebenszyklusphasen unterstützen die Orientierung bei der
Ausgestaltung der umzusetzenden Innovationen.
Das ZIM-geförderte Forschungsprojekt PickClothBot zielt auf
werden vor allem Technologien der Robotik, Bilderkennung
und RFID verwendet. Der Roboter sortiert die Wäschestücke,
welche über RFID-Kennzeichnungen einen digitalen Zwilling
haben [26] und mittels der Bilderkennung in den Transportbo-
xen aufgefunden werden.
-
rung auf den Prozess der Wäschereien ab, der als Kernprozess
für weitere Prozessschritte weitreichende Verbesserungspoten-
ziale bietet.
22
Das Sortieren der Wäsche ist zeitaufwändig, weitestgehend
manuell und die Keimbelastung für die ausführenden Mit-
arbeiter ist an diesem Punkt der Wertschöpfungskette von
Wäschereien besonders hoch.
Die Projektpartner Brandenburgische Technische Universität
und pi4 robotics übernehmen in Abstimmung mit unterschied-
lichen Wäschereien die Konzeption sowie die Erstellung des
Demonstrators der Sortieranlage.
Im Projekt werden zuerst die Marktsituation der Wäscherei-
en in Deutschland sowie relevante Normen und Standards
erarbeitet. Es schließt sich die Erfassung und Priorisierung der
Anforderungen an, bevor die Demonstratoren geplant, konst-
ruiert und getestet werden.
Die Marktsituation ist geprägt durch einen starken Wett-
bewerb, der sich u.a. durch den Preisdruck bei niedrigen
Margen äußert. Die Nachfrage nach Dienstleistungen der
Wäschereien steigt jedoch u.a. im bisherigen Nischenmarkt für
trägerbezogene Kleidung und dem wachsenden Bereich der
-
lands in Kombination mit einer neuen Norm (RAL 992/4) für
kaum noch wirtschaftlich darstellbar. Zusammengefasst sind
die wichtigsten Anforderungen an die Sortieranlage für das
Projekt folgende:
– Keine Gefährdung für Mitarbeiter
– Sicherung des Datenschutzes
– Anschaffungspreis der Anlage < 120.000 €
– Sortierleistung > 250 Stk/h
– Einsatzmöglichkeit in unterschiedlichen Wäschereisegmen-
ten
– Keine Beschädigung und kein Verlust von Wäschestücken
– -
dung, im trägerbezogenen Bereich 4–5 kg und knapp 10
Kleidungsstücke
– Bulkreadingfähigkeit des RFID-Systems
– Prozessstabilität und Prozesssicherheit
Diese und weitere Anforderungen wurden über Literaturre-
cherchen und Expertengespräche mit Personen aus verschiede-
sich der Verschluss der Wäschesäcke als einer der wichtigsten
Diskussionspunkte für die Demonstrator Erstellung heraus.
Der Verschluss muss durch unterschiedliche Parteien, z.B. zu
sicher zu verwenden sein. Außerdem muss der Verschluss über
auf die unzureichende Durchspülbarkeit des zuvor favorisier-
ten Verschlusses mit einer zylinderförmigen Basisgeometrie
sorgte letztlich für die Substitution des eigentlichen Verschlus-
ses durch eine doppelt in den oberen Rand des Wäschesackes
gelegte Kordel, welche den Wäschesack über die Haftreibung
verschließt.
Im Ergebnis des Forschungsprojektes PickClothBot wird eine
roboter-basierte Wäschesortieranlage stehen die, neben der
Mitarbeiterentlastung sowie der Hygiene dient [27].
Mit der Einführung der Wäschesortieranlage erschließt sich für
Wäschereien die Möglichkeit, trägerbezogene Kleidung aus
weiterhin konzentrierten Marktanteile weniger stabil werden.
Die Umsätze würden über zusätzliche Dienstleistungen in dem
neuen Geschäftsfeld und Anwendungsgebiet für Wäsche aus
Mit dem neuen Geschäftsfeld geht eine Erweiterung des
Sortiments einher. Zwei von fünf Indikatoren zeigen eine
Verschiebung von der Reife- in die Wachstumsphase an und
die verbleibenden drei sprechen für eine Verschiebung von der
Niedergangs- in die Reifephase. Durch die Prozessinnovation
aus dem Projekt PickClothBot ergebe sich für die Wäscherei
eine Veränderung der Schlüsselaktivitäten von Rationalisierung
und Desinvestitionen hin zu Kundenorientierung mit zusätzli-
chen Leistungen. Die Produktion wäre stärker durch Automa-
tisierung gekennzeichnet und die Kapazitätsauslastung könnte
durch das zusätzliche und wachsende Kundensegment gestei-
gert werden. Für das Geschäftsmodellelement Wertkettenkon-
von der Niedergangs- in die Reifephase zu konstatieren. Der
Indikator Produktion spricht sogar für eine Verschiebung in die
Wachstumsphase.
Aufgrund der Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes
werden die Indikatoren Ertragsmechanik und Deckungsbei-
der Indikatoren für eine Verschiebung des Elements Ertrags-
mechanik von der Niedergangs- in die Reifephase sprechen.
Tabelle 1 zeigt die ausgewählten Indikatoren für den Ge-
schäftsmodelllebenszyklus. Die dunkelgrau gekennzeichneten
Ausprägungen treffen für die Wäscherei ohne die Umsetzung
der Ergebnisse aus dem Innovationsprojekt PickClothBot zu
und die hellgrau hinterlegten Ausprägungen sind der glei-
chen Wäscherei mit umgesetzter Prozessinnovation und der
23
resultierenden Geschäftsfelderweiterung zugeordnet. Die Be-
trachtung der Prozessinnovation aus dem Innovationsprojekt
PickClothBot aus der Geschäftsmodellperspektive zeigt, dass
direkt abzielt, auch die Geschäftsmodellelemente Produkt-/
Markt-Kombination und Ertragsmechanik ändern. Für alle drei
Geschäftsmodellelemente ergeben sich Phasenverschiebungen
im Geschäftsmodelllebenszyklus und es resultiert eine evolu-
tionäre Geschäftsmodellinnovation, welche der umsetzenden
neues Marktsegment, Differenzierungsvorteile und Steigerun-
gen in Marge und Umsatz bietet.
Zusammenfassend bestätigt der Lebenszyklusansatz für
Geschäftsmodelle die Notwendigkeit von Innovationen für
Wäschereien. Die Indikatorausprägungen der erstrebenswer-
element
Produkt-/Markt-
Kombination
Verteilung Markt-
anteileinstabil
Konzentration,
schwankend
Konzentration,
relativ stabil
weitere Konzen-
tration, stabil
Produkt-/Markt-
Kombination
Technologie-kate-
gorie
Schrittmachertech-
nologie
Schlüsseltechno-
logie Basistechnologie
veraltende Techno-
logie
Produkt-/Markt-
KombinationUmsatz geringes Wachstum hohes Wachstum Umsatzmaximum sinkend
Produkt-/Markt-
KombinationProduktvariation gering mehrere umfangreich sinkende Anzahl
Produkt-/Markt-
Kombination
Anzahl der Anwen-
dungsgebieteunbekannt zunehmend stabil abnehmend
Produkt-/Markt-
KombinationSortiment klein rasche Erweiterung
langsame bzw. ge-
ringe Erweiterung Bereinigung
Produkt-/Markt-
KombinationProdukte
unterschiedliche
oft kundenspezi-
mind. eine stabile
-
-
tem Produktionsvo-
lumen
überwiegend undifferenzierte
Standardprodukte
Wertketten- Schlüssel-
aktivitäten
Innovation, Investi-
tion, Marketing
Produktion,
Marketing
Kundenorientie-
rung, Zus. Leistung
Rationalisierung,
Desinvest
Wertketten- Produktion
Werkstatt-
fertigung Automatisierung
Wertketten- Kapazitäts-
auslastung
von Unter- zu Voll-
auslastung
Kapazitätsaufbau,
UnterauslastungVollauslastung
Unterauslastung,
Kapazitätsabbau
Ertragsmechanik Umsatz geringes Wachstum hohes Wachstum Umsatzmaximum sinkend
Ertragsmechanik Deckungsbeitrag negativ positiv erreicht Maximum positiv, sinkend
phasen der Geschäftsmodellelemente, eigene Darstellung in
24
ten Lebenszyklusphasen unterstützen die Differenzierung der
Lösungsansätze über die Zeitpunktbestimmung hinaus. Die
Geschäftsmodellperspektive offenbart, dass sich durch die Um-
setzung der im Innovationsprojekt PickClothBot angestrebten
-
reichende Änderungen der Wertschöpfungs- und Ertragslogik
ergeben, aus denen Wettbewerbsvorteile für die Wäscherei
eine Phasenverschiebung von der Niedergangs- in die Reife-
phase statt. Daraus ergibt sich eine evolutionäre Geschäfts-
modellinnovation. Die verwendete methodische Grundlage
für einen Geschäftsmodelllebenszyklus und die Phasenbestim-
mung bietet eine mit gängigen generischen Geschäftsmodel-
len vergleichbare Grundlage und eine Vielzahl von Indikatoren
für die drei Geschäftsmodellelemente. Die subjektiv geprägte
Auswahl der Indikatoren resultierte in einer praktikablen, aber
ungleich auf die Geschäftsmodellelemente auf die Geschäfts-
modellelemente verteilte Anzahl von Indikatoren. Weiteres
Potenzial für die Anpassung der Methode zur Phasenbestim-
mung bieten die Ausprägungen der Indikatoren, welche bspw.
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27
BLOCKCHAIN IN DER BAU- BRANCHE: BAUFORTSCHRITTS-KONTROLLE DURCH EIN BLOCK-CHAIN-BASIERTES SYSTEM
Fadi Georges B. Sc.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Logistik- und Fabriksysteme
Dipl.-Math. Stefanie Samtleben,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Logistik- und Fabriksysteme
29
BLOCKCHAIN IN DER BAUBRANCHE: BAUFORT-SCHRITTSKONTROLLE DURCH EIN BLOCKCHAIN- BASIERTES SYSTEM
Die Digitalisierung in Unternehmen ist die Herausforderung
der Gegenwart und Zukunft. Eine einfache »Digitalisierung«
der laufenden Prozesse ist nicht die Lösung. Um die Digitali-
sierung erfolgreich zu meistern, müssen Prozesse neu gedacht
werden. Vor allem sollen sie sicher und vertrauenswürdig sein.
Eine besondere Herausforderung bieten komplexe Geschäfts-
und Arbeitsprozesse, an denen viele Akteure beteiligt sind und
viele einzelne Aktionen koordiniert werden müssen. Damit
dies gelingt, ist Transparenz Voraussetzung. Die Blockchain-
Technologie verspricht im Digitalisierungskontext mehr
Fälschungssicherheit, mehr Transparenz und automatisierte
Prozesse. Um zu verstehen für welche Prozesse die Blockchain-
Technologie geeignet ist, wird sie in diesem Beitrag am Beispiel
der Baubranche kurz erläutert. Zusätzlich wird ein Entschei-
dungsprozess für oder gegen den Einsatz der Blockchain-
Technologie vorgestellt.
Die Baubranche koordiniert hochkomplexe Prozesse. Viele
verschiedene Akteure müssen zeitlich abgestimmt zusam-
menarbeiten, um ein Bauwerk zu realisieren. Jeder hat seinen
Aufgabenbereich und ist abhängig von anderen Aufgaben-
bereichen. Beispielsweise kann in einem Hochbauprojekt der
Rohbau nicht beginnen, wenn der Aushub für die Grundplatte
noch nicht erfolgt ist. Die Baustelle ist eine Produktionsstätte,
an der die Beteiligten temporär zusammenkommen, um ein
einmaliges Bauwerk zu errichten. Das bedeutet auch, dass alle
Logistikprozesse oft individuell und im Detail einmalig sind.
Durch die räumliche und zeitliche Varianz sowie die Art der
Prozessorganisation und -planung können in Fabriken etab-
lierte Rückmeldungs- und Steuerungssysteme nicht verwendet
werden. Benötigt wird ein neuer Ansatz.
Robuste, sichere und verteilte Systeme sind in der heutigen
Zeit nicht nur eine Notwendigkeit, sondern sollten die gesamte
Infrastruktur der Arbeitsprozesse eines Unternehmens unter-
verteilten Systeme haben derzeit eine Struktur, die dem Client-
Server-Modell folgt. Wobei der zentrale Knotenpunkt bzw. der
Server die Kontrolle der Rechenprozesse, sowie die Verwaltung
der Systeminfrastruktur übernimmt. Ein neues innovatives
Strukturkonzept eines verteilten Systems ohne Client-Server-
Modell wurde mit Erscheinen der Blockchain-Technologie prä-
sentiert. Die Blockchain-Technologie verzichtet auf die traditio-
nelle Funktionsweise sowie auf den traditionellen strukturellen
Systemaufbau. Sie bildet eine kompetente Systemstruktur, in
der die Prozesse bzw. die Transaktionen von keiner zentralen
Stelle, sondern von allen Beteiligten des Systems gleichmä-
ßig nach bestimmten Regelungen durchgeführt werden. Der
Einsatz der Blockchain-Technologie setzt allerdings eine große
Menge von Arbeitsknoten und Nutzergruppen voraus.
Die Ausführung von Bauprojekten ist geprägt durch das Zu-
sammenspiel einer Vielzahl von Fachdisziplinen und Interessen,
wie beispielweise dem Rohbau, der technischen Gebäudeaus-
rüstung, dem Heizungs- und Sanitärbau, aber auch dem Bau-
herrn und den Architekten. Daher wurde untersucht wie der
Ausführungsprozess von Bauprojekten mittels der Blockchain-
Technologie besser überwacht und gesteuert werden kann,
da durch die Komplexität und der Interdependenzen in den
-
rung besteht.
Die Blockchain-Technologie hat durch den Bitcoin große Be-
rühmtheit erfahren. Bitcoins sind eine virtuelle Währung. Diese
ist deshalb so interessant, weil sie unabhängig von einem Ban-
kensystem existiert. D.h. es gibt keine zentrale Instanz, die den
die Gemeinschaft, den sogenannten Konsens. Der Konsens
kann auf verschiedene Art und Weisen hergestellt werden,
die hier nicht von Belang sind [1]. Das Bitcoin Netzwerk ist ein
offenes Netzwerk. Offene Blockchain-Netzwerke schaffen Ver-
trauen über den Konsens über Entscheidungen. Das bedeutet,
dass eine neue Transaktion an alle dezentralen Nutzerrechner
gesendet wird. Diese prüfen anhand der Historie, ob der Trans-
fer korrekt ist. Hat eine Mehrheit der Teilnehmer bestätigt,
dass die Transaktion korrekt ist, wird sie ausgeführt. In der of-
fenen Blockchain sind die Teilnehmer nicht unbedingt bekannt
und vertrauenswürdig. Jeder Nutzer, der keine Erlaubnis hat,
kann die Daten lesen, erstellen oder beides. Die andere Art der
Blockchain-Technologie ist die private Blockchain. Die private
Variante beinhaltet Einschränkungen für die Teilnehmer. In der
privaten Blockchain müssen alle Teilnehmer bekannt und ver-
trauenswürdig sein. Der Zugriff ist begrenzt, d.h. nur bestimm-
te Nutzer können die Daten erstellen oder lesen [2].
30
Aufgrund des notwendigen Schutzes sensibler Daten, kommt
eine offene Blockchain nicht in Frage. Daher soll in diesem
Beitrag untersucht werden, inwiefern ein privates Blockchain-
Netzwerk geeignet ist, um die Supply Chain und damit einen
Teil des Baufortschritts zu überwachen.
Der Name »Blockchain« stammt aus der Speicherweise von
Daten innerhalb von Blöcken. Die Ereignisdaten werden in Blö-
cken gespeichert, die zu einer Kette verbunden sind. Je mehr
Ereignisdaten es gibt, umso mehr wächst die Blockchain. Ein
Block funktioniert wie ein Datencontainer für eine begrenzte
Anzahl an Ereignissen. Jeder Block in der Blockchain registriert
und bestätigt den Erstellungszeitpunkt und die Reihenfolge
der eigenen Ereignisse. In Abbildung 1 ist die Struktur der
Datenblöcke zu sehen. Jeder Block beinhaltet eine Hashnum-
mer bzw. einen eindeutigen Bezeichner, einen Zeitstempel des
letzten gültigen Ereignisses (Transaktion) und die Hashnummer
des vorherigen Blocks. Die Hashnummer des vorherigen Blocks
verbindet die Blöcke miteinander und behindert jede mögliche
Änderung in den Blöcken oder das Hinzufügen neuer Blöcke
zwischen den alten Blöcken. Jede Transaktion soll kryptogra-
phisch verschlüsselt werden und verfügt über eine bestimmte
Identitätsnummer und Zeitstempel [3].
Das Hauptprinzip der Blockchain-Technologie ist ein sogenann-
tes »Distributed Shared Ledger«. Dies ist eine Datenbankart, in
der die Datenbestände gemeinsam genutzt werden und jeder
Akteur eine vollständige Kopie erhält. Das Ledger wird in einer
verteilten Weise in dem Blockchain-Netzwerk verwaltet und
gespeichert. Dieses Ledger ermöglicht es, dem Blockchain-
Netzwerk aufeinanderfolgende digitale Ereignisse (Transaktio-
nen) zu erstellen und diese Ereignisketten zahlreichen Nutzern
verfügbar zu machen [5]. Die Blockchain und ihr Hauptprinzip
können als Datenspeicher bzw. Datencontainer betrachtet
werden. Die Blockchain-Infrastruktur ist ein Peer-to-Peer
Netzwerk, in dem bestimmte Nutzer bzw. Teilnehmer Daten
erstellen können [9]. Gleichzeitig können andere bestimmte
Nutzer in der privaten Blockchain die Daten nur lesen. Diese
Flexibilität im Umgang mit den Daten bietet die Blockchain-
Technologie in Echtzeit bereits [2, 4].
Eine der wichtigsten Konzepte in der Blockchain-Technologie
ist »Permissions«, welches in einer privaten Blockchain
eingesetzt wird. Jeder Teilnehmer in dem privaten Blockchain-
Netzwerk verfügt über eine eindeutige einmalige Identität.
Die Teilnahmeberechtigung der Nutzer kann verschiedene
Niveaus annehmen und wird durch einen sogenannten Regu-
vergeben [3]. Einige Teilnehmer sind berichtigt, nur bestimmte
Ereignisse (Transaktionen) anzusehen, während andere, wie
z.B. der Bauherr im Anwendungsfall einen Zugriff auf die
gesamte Kette erhält.
Das zweite Konzept der Blockchain-Technologie sind die intelli-
genten Verträge »Smart Contracts«. Smart Contracts sind
eine programmierte Vereinbarung zwischen den Blockchain-
Netzwerkteilnehmern. Ein Smart Contract wird in der Block-
chain gespeichert und automatisch ausgeführt, nachdem das
Ereignis (Transaktion) die Voraussetzungen bzw. Vorschriften
erfüllt hat.
Smart Contracts können an Stelle von traditionellen Verträgen
verwendet und teilweise oder vollständig automatisch ausge-
führt werden [2].
Es gibt derzeit Forschungsprojekte bzw. Anwendungsversuche
der Blockchain-Technologie in verschiedenen Branchen, die
einen hohen Bedarf an modernen Digitalisierungsmethoden
haben. Außer den Anwendungen in den Kryptowährungen
gibt es andere bestehende Anwendungsbeispiele der Block-
chain wie das Internet der Dinge, SmartHome, in Supply Chain
Abbildung 1: Detaillierte Darstellung von Shared Ledger, Block und
31
Management und weitere [2]. Die Blockchain-Technologie hat
viele Potenziale, welche in der Bauausführung genutzt werden
können. Unter Bauausführung werden vor allem die Ge-
schäfts- und Überwachungsprozesse zwischen den Bauherren
und Bauunternehmen verstanden. Zu den Bauunternehmen
gehören in dem betrachteten Anwendungsfall jene Unterneh-
men, die die Bauausführung koordinieren, die das Material
produzieren und die es liefern. Warum dieser Anwendungsfall
für den Einsatz der Blockchain-Technologie geeignet ist, wird
im Folgenden erläutert.
In Abbildung 2 ist ein Entscheidungsmodell zu sehen. Mithilfe
dieses Entscheidungsmodells wurde für die Bauausführung
ein privates Blockchain-Netzwerk ausgewählt. An dem ersten
Entscheidungsknoten wurde festgestellt, dass der Anwen-
dungsfall einen Speicherplatz für aktuelle Zustände des Bau-
materials verlangt. Da an der Lieferkette der Baumaterialien
viele Akteure beteiligt sind, wurde am zweiten Entscheidungs-
knoten festgelegt, dass die Anwendung für mehrere Akteure
bzw. Teilnehmer gleichzeitig verfügbar sein soll. Die dezentrale
Funktionsweise eines Systems verkürzt die Reaktionszeitinter-
valle, beseitigt die einzelnen Fehlerquellen und verhindert den
Ausfall des Systems [7].
In dem Anwendungsfall gibt es eine Vielzahl von Akteuren, die
zu unterschiedlichen Einrichtungen und Firmen gehören. Aus
diesem Grund wurde an dem dritten Entscheidungsknoten
festgelegt, dass die Anwendung auf Basis einer dezentralen
Funktionsweise aufgebaut werden soll. In dem Anwendungs-
fall sollen die abzuspeichernden Ereignisse sämtliche Daten
von Baumaterialien beinhalten. Einer oder mehrere Teilnehmer
können zeitversetzt, durch voneinander abhängige Ereignis-
se, den Zustand desselben Baumaterials aktualisieren. Die
Bauprozesse sind abhängig voneinander und müssen in einer
bestimmten Reihenfolge durchgeführt werden. Aus diesen
zwei Gründen wurde an dem vierten Entscheidungskno-
ten festgestellt, dass die durchzuführenden Transaktionen
abhängig voneinander sind. Der Anwendungsfall basiert auf
der klaren Identität und Bekanntheit aller Akteure. Im An-
wendungsfall soll das Hinzufügen neuer Akteure durch einen
Regulator organisiert werden.
All diese Faktoren und die obenstehenden Antworten führten
zu der Entscheidung, eine private Blockchain für den Anwen-
dungsfall zu verwenden. Die Anwendung dient der Live-
Verfolgbarkeit von Baumaterialen und so indirekt für einen Teil
des Baufortschritts. Zusätzlich werden die beiden Blockchain-
Konzepte (Smart-Contracts und Permissions) eingesetzt
32
In Abbildung 3 sind in der ersten Ebene die Teilnehmer des
Blockchain-Netzwerkes zu erkennen, welche sich von ei-
nem Netzwerkregulator hinzufügen lassen. Der Handwerker
erstellt beispielsweise einen elektronischen Auftrag durch eine
End-User-Anwendung (Webanwendung) im Rahmen einer
Transaktion. Die Transaktion wird zu einem Block hinzugefügt
mit den folgenden Daten: Transaktionsdatum, Transaktionsart,
Transaktion-ID und Transaktionsdetails. Der Auftrag wird im
Rahmen von neuen Transaktionen mit den vorher beschriebe-
nen Inhalten durch mehrere Teilnehmer bis zur Vereinbarung
und Materialbestellung aktualisiert. Der Bauleiter überprüft
die Bestellung und löst eine Transaktion zu demselben Auftrag
aus und nun wird das Shared-Ledger synchronisiert. Durch das
Smart-Contract sind der Bauherr und die externe Firma bei
der Bestellung an zuvor programmierte Restriktionen gebun-
den. Der Status des Baumaterials lässt sich durch die externen
Teilnehmer (externe Firma, Versanddienst oder Zulieferer) im
Rahmen von neuen Transaktionen aktualisieren. Die live-Kopie
der Blockchain (Shared-Ledger) wird gleichzeitig bei allen
Teilnehmern synchronisiert. Anschließend soll der Bauleiter
bestätigen, dass das Baumaterial die Qualitätsvorausset-
zungen und Anforderungen erfüllt hat. Wenn die gesamte
Aufgrund der Komplexität der Prozesse in Bauprojekten gibt
es zahlreiche Herausforderungen. Die Komplexität liegt in der
Vielzahl von Aktivitäten und ihrer Abhängigkeiten. Eine dieser
Aktivitäten ist die Materialbeschaffung für Baustellen. Die Ab-
noch über Papier. Durch die Fülle an benötigten Materialien,
ohne welche Bauleistungen nicht erfüllt werden können, kann
hier der Überblick schnell verloren gehen. Das Herstellen von
Transparenz und Sicherheit ist erschwert. Bei einer unzurei-
chenden Kommunikation zwischen den Akteuren kann es
leicht zu Verzögerungen kommen. Es besteht hier die Gefahr
der Manipulation.
Die Blockchain-Technologie ist zur Digitalisierung und Automa-
tisierung des beschriebenen Anwendungsbereiches geeignet.
Durch den Blockchain-Einsatz können die Transparenz und die
Rückverfolgbarkeit von Materialien gesteigert und Verwal-
tungskosten verringert werden [3, 8–10].
Verfolgbarkeit des Baumaterials, eigene Darstellung.
33
darunter führende Unternehmen aus den Bereichen Finanzen,
Bankwesen, Internet der Dinge, Lieferketten, Fertigung und
Technologie [11].
(End-User) wurden auf Basis einer Webanwendung erstellt.
verwendet, damit der Benutzer auf die API zugreifen kann.
Dieser Token wird verwendet, um auf die Informationen in der
Blockchain zuzugreifen. Sobald die Webanwendung gestar-
tet ist, sieht sie wie in Abbildung 4 aus. Wenn zur Historian
Record-Seite navigiert wird, ist eine Liste aller im Netzwerk
durchgeführten Transaktionen zu sehen. Die Liste hat die
Transaktionsart, die Transaktions-ID und Details.
Die Funktion des Transaktionsprozessors wartet auf die
Erfüllung der Zusagen, bevor die Transaktionen ausgeführt
werden. Wenn irgendwelche Zusagen versagen, schlagen
die Transaktionen fehl und der Prozess kann nicht ausgeführt
werden. In dem Code von Smart-Contract sind die folgenden
Einzelheiten zu beschreiben. Im Beispielszenario: Eine externe
Firma verkauft das bestellte Baumaterial. Sie verwendet den
-
ren, die ihn mit ihrem eigenen digitalen Schlüssel signieren.
Dieser Schlüssel wird im Blockchain-Netzwerk bereitgestellt.
Ein Auftrag zum Kauf von einem Baumaterial wird gestellt.
Der Bauherr unterschreibt den Vertrag mit seinem privaten
Ablaufkette reibungslos bis zum letzten Schritt kommt, lässt
sich das Smart-Contract ausführen. Wenn es möglich ist, auf
Kryptowährungen zuzugreifen, dann kann automatisiert ein
Zur Programmierung und Bereitstellung des Anwendungs-
falls wurden die Programmiertools und die Frameworks des
Hyperledger-Projektes von Linux Foundation benutzt. Diese
sind in Tabelle 1 zu sehen.
Hyperledger besteht aus Hyperledger Modular Umbrella-
Approach unter drei Ebenen: Infrastruktur, Frameworks und
Tools. Die Hyperledger-Infrastruktur besteht aus Systemen, die
eine offene Entwicklung und Akzeptanz beschleunigen. Das
Hyperledger-Framework heißt Fabric. Dies ist zum Erstellen der
Business-Anwendung und bietet eine Reihe von Vorgehens-
weisen und Richtlinien. Das Hyperledger-Tool heißt Composer.
Dieses Tool ist zum Erstellen von Business-Netzwerkanwen-
dung sowie zur Verwaltung des Chaincodes. Hyperledger
ist ein Open-Source-Projekt, das zur Entwicklung von Cross-
Industry-Blockchain-Lösungen dient. Es ist eine weltweite
Zusammenarbeit, die von Linux Foundation gehostet wird,
Infrastruktur
Framework Hyperledger-Fabric
Tools Hyperledger-Composer
Betriebssystem Ubuntu Linux 16.04 LTS
-
che unserer Anwendung, eigene Darstellung.
34
[7] Limoncelli, T. A. ; Hogan, C. J.; Chalup, S. R. (2014): The
practice of system and network administration. 2. Ausgabe.
Upper Saddle River, NJ: Addison-Wesley.
[8] Deloitte Development LLC (2017): Using blockchain to
drive supply chain innovation : A series exploring industry 4.0
technologies and their potential impact for enabling digital
supply networks.
[9] Francisco, D. S. K. (2018): The supply chain has no clothes
: Technology adoption of blockchain for supply chain manage-
ment. Department of marketing and logistics University of
north Florida, USA.
[10] Hofmann, E.; Strewe, U. M.; Bosia, N. (2018): Supply
Chain Finance and Blockchain Technology : The Case of Rever-
se Securitisation. Cham: Springer International Publishing.
[11] The Linux Foundation (2018): White Paper : Hyperledger
Architecture : Introduction to Hyperledger Business Blockchain
Design Philosophy, Volume 1. Online verfügbar unter: https://
www.hyperledger.org/resources/publications#white-papers.
Schlüssel und bestätigt den richtigen Abschluss des Prozesses.
Wenn der Bauleiter bestätigt, dass alle Bedingungen erfüllt
sind, wird das Eigentum des Baumaterials verschoben und
der neue Besitz automatisch in dem Bestandregister eingetra-
gen. Bald nach Erhalt des Materials ändert sich der Status der
Materiallieferung in »Arrived«. Wenn Material nicht rechtzeitig
eingeht, wird der Betrag nicht übertragen, und eine Meldung
zeigt eine verspätete Materiallieferung an.
In dem vorliegenden Beitrag wurde die Blockchain-Technologie
anhand eines Anwendungsfalls für die Prozesse der Bauaus-
führung beschrieben. Die Erfolgsfaktoren eines Blockchain-Ein-
satzes sind abhängig von mehreren Voraussetzungen in dem
anzuwendenden Fall. Diese Voraussetzungen sind beispiels-
weise die große Anzahl von Nutzern bzw. Teilnehmern, Trans-
parenzniveau der Transaktionen und Automatisierungsmög-
lichkeiten gemäß bestimmten Vorschriften oder Gesetzen in
dem anzuwendenden Fall zu erfüllen. Dank der Funktionswei-
se dieser Technologie können die beiden im Anwendungsfall
implementierten Blockchain-Konzepte (Smart-Contract und
steigern und die Prozesskosten reduzieren, da viele Vorgänge
automatisiert werden können.
7 Literatur
[1] Burgwinkel, D. (2016): Blockchain Technology : Einführung
für Business- und IT Manager.
[2] Morbito, V. (2017): Business innovation through blockchain
: The B3 perspective. Cham: Springer International Publishing.
[3] Gupta, Manav (Hrsg.) (2017): Blockchain for Dummies® :
IBM Limited Edition. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons, Inc.
[4] Brühl, V. (2017): Bitcoins, Blockchain und Distributed
Ledgers. Wirtschaftsdienst, Vol. 97, No. 2, S. 135–142.
[5] d. IBM (Hrsg.) (2017): Blockchain Basics : Introduction to
distributed ledgers.
[6] Garcia-Alfaro, J.; Herrera-Joancomartí, J.; Livraga, G.; Rios,
R. (Hrsg.) (2018): Data Privacy Management, Cryptocurrenci-
es and Blockchain Technology : ESORICS 2018 International
Workshops. DPM 2018 and CBT 2018, Barcelona, Spain.
Proceedings. Cham: Springer International Publishing, S. 6–7.
KOGNITIVE ASSISTENZSYSTEME IN DER PROZESSINDUSTRIE – MITARBEITER WERDEN ZU MIT- GESTALTERN
Alinde Keller M. A.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Mess- und Prüftechnik
35
37
KOGNITIVE ASSISTENZSYSTEME IN DER PROZESSINDUSTRIE – MITARBEITER WERDEN ZU MITGESTALTERN
frage
-
tisierung führen zu Veränderungen in der Produktionsarbeit.
Mitarbeitern. Zum anderen entstehen durch die erhöhte
technologische Komplexität zunehmend anspruchsvolle
-
kompetenzen erfordern. Kognitive Assistenzsysteme sind ein
Lösungsansatz, um diesem Spannungsfeld zu begegnen [1].
Als informationstechnische Assistenz stellen sie den Arbeits-
personen über eine digitale Mensch-Maschine-Schnittstelle
Assistenzinhalte zur Verfügung. Sie sind Teil cyberphysischer
und situativ relevante Informationen. Die Assistenzinhalte
werden teilweise über virtuelle und erweiterte Realitäten dar-
gestellt. Vorarbeiten des Fraunhofer IFF zeigen das Potenzial
solcher kognitiven Assistenzsysteme in verschiedenen Anwen-
dungsfeldern (u. a. [2], [3]).
Kognitive Assistenzsysteme lassen sich nach dem Industrie-
soziologen Hirsch-Kreinsen (vgl. [4], [5]) in zwei Kategorien
einer technikzentrierten Sichtweise. Ein Beispiel dafür sind
Picking-Systeme in der Kommissionierung. Diese Form der
Assistenzlösung ist instruktional gestaltet und wird bei Tätig-
keiten mit geringerem Anforderungsniveau eingesetzt. Ein
Wissenssystem hingegen entspricht einer komplementären
Sichtweise [vgl. [4], [5]). Entscheidungen im Arbeitsprozess
werden sowohl vom Menschen als auch von der Technik
getroffen. Wissenssysteme werden bei eher anspruchsvol-
len Tätigkeiten eingesetzt. Ein Beispiel dafür sind kognitive
Assistenzsysteme in der Instandhaltung, die Erfahrungswissen
integrieren und Problemlösekompetenzen unterstützen. Diese
der Gestaltung von Assistenzlösungen. Im Folgenden wird der
Begriff Wissenssystem als Synonym für kognitive Assistenzsys-
teme genutzt.
Wissenssysteme unterscheiden sich von performance-orientier-
ten Systemen insbesondere durch zwei Eigenschaften. Zum ei-
nen werden bei Wissenssystemen die Assistenzinhalte sowohl
vom System als auch von den Arbeitspersonen generiert und
validiert. Dies hat zur Konsequenz, dass das Wissenssystem
nur funktionsfähig ist, wenn Arbeitspersonen Inhalte eingeben
von Wissenssystemen nicht nur auf eine Tätigkeit, wie es bei
einer instruktionalen Assistenzlösung der Fall ist, sondern auf
verschiedene Tätigkeiten und Arbeitssysteme. Die Konsequenz
ist, dass Arbeitspersonen das gleiche System mit jeweils ver-
schiedenen Zielstellungen und unterschiedlichem Bedarf nut-
zen. Aus den genannten Eigenschaften lassen sich folgende
Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einführungsprozess
von Wissenssystemen in Unternehmen ableiten:
–
bedarfsgerecht in das System ein. Dazu müssen sie den
eigenen Informationsbedarf sowie den von Kollegen
berücksichtigen.
– Voraussetzung 2: Bei der Gestaltung des Wissenssys-
werden. Arbeitspersonen verschiedener Funktionen und
Hierarchien müssen Anforderungen an die Assistenzlösung
aus ihrer Perspektive erarbeiten. Gleichzeitig sind die von
Assistenzsystem berührten Arbeitsprozesse anzupassen.
Zusammenfassend ist der Einbezug der Mitarbeiter als Mitge-
stalter der Inhalte, des Systems und der Arbeitsprozesse ein
notwendiger Bestandteil im Einführungsprozess der Assistenz-
lösung.
um
Zur Erfüllung der genannten Voraussetzungen trägt ein
ganzheitliches Prozessverständnis der Arbeitspersonen für die
unternehmensindividuellen Auswirkungen des Wissenssystems
bei. Zu dieser These führen zum einen eigene Erfahrungen aus
der betrieblichen Praxis und zum anderen aktuelle Studien aus
der der Automobil- sowie Metall- und Elektroindustrie (vgl.
38
[6], [7]). Die Auswirkungen des Wissenssystems erstrecken sich
über Tätigkeiten, Arbeitssysteme und Unternehmen (Abbil-
dung 1). Diese sollten für die Arbeitspersonen transparent
sein, damit diese den Informationsbedarf ihrer Kollegen verste-
hen, Inhalte bedarfsgerecht in das System eingeben sowie das
System und davon betroffene Arbeitsprozesse mitgestalten
können. Ein ganzheitliches Prozessverständnis befähigt die
Arbeitspersonen außerdem zum selbstorganisierten Umgang
mit dem Wissenssystem und dient letztendlich der Realisierung
-
dernde Arbeit [5] im Unternehmen.
Basierend auf dieser These stellt sich die Frage, wie sich ein
ganzheitliches Prozessverständnis der Arbeitspersonen im
Einführungsprozess eines Wissenssystems erreichen lässt.
Zur Beantwortung dieser Frage werden im Folgenden erste
Erkenntnisse anhand einer methodischen Umsetzung in einem
praktischen Beispiel als Feldzugang geschildert, um darauf auf-
bauend weiterführende Forschungsvorhaben abzuleiten.
Im Forschungsprojekt CPPSProcessAssist (FKZ: 02P14B084)
wurde für vier klein- und mittelständische Unternehmen
(KMU) der Prozessindustrie ein modulares und mobiles Assis-
tenzsystem zur Unterstützung von Instandhaltungstätigkeiten
entwickelt. Es wird beispielsweise für die Instandhaltung mo-
biler Gascontainer genutzt oder bei Anlagen zur Herstellung
von Granulaten eingesetzt. Die Lösung integriert die unterneh-
Entwicklung und Evaluation des Systems erfolgte in drei aufei-
nander aufbauenden Prototypen mit den folgenden Zielen:
– Reduzierung ungeplanter technisch bedingter Stillstand-
zeiten
– Integration von Erfahrungswissen
– Flexible Anbindung des Assistenzsystems an unterschiedli-
che prozesstechnische Anlagen
Die im Abschnitt 2.2 beschriebenen Methoden wurden in
den Teilaufgaben des Projekts eingesetzt. Diese umfassen die
Evaluation und die organisationale Einbettung des Wissenssys-
tems sowie die didaktische Gestaltung der Assistenzinhalte.
Das im Projekt entwickelte modulare Assistenzsystem bildet
die unternehmensübergreifenden Anforderungen ab und ist
an die vorhandene IT-Infrastruktur anpassbar. Die browser-
basierte Funktionsweise ermöglicht einen niederschwelligen
Zugang über die Nutzung auf mobilen Geräten.
Im Folgenden werden ausgewählte Funktionen des Assistenz-
systems skizziert.
– BMK abrufen: Jedes Bauteil einer Anlage erhält eine ein-
deutige Betriebsmittelkennzeichnung (BMK), welche im di-
gitalen Zwilling der Anlage hinterlegt ist. Über die Eingabe
einer BMK im Assistenzsystem kann der Instandhalter auf
verknüpfte Informationen zugreifen, wie z. B. Dokumente,
Meldungen, Handlungsempfehlungen oder Sensordaten.
Voraussetzung ist, dass die logischen Verknüpfungen im
System hinterlegt wurden. Das Abrufen einer BMK erfolgt
über das Einlesen von QR-Codes.
– Signale: Über diese Funktion können Arbeitspersonen auf
– Meldung verfassen: Im Stil einer Twitter-Nachricht ver-
fassen Arbeitspersonen Beobachtungen und Hinweise zu
einem Fehler oder deren Problemlösung. Optional ver-
knüpfen sie diese mit einer BMK und fügen Fotos hinzu.
Aus Meldungen können Aufgaben erstellt werden. Häufen
sich Meldungen zu einem ähnlichen Störungsbild, kann
über einen Redaktionsprozess eine Handlungsempfehlung
erstellt werden.
– Handlungsempfehlungen: In einem Autorentool werden
Entscheidungsbäume oder Checklisten erstellt. In der
mobilen Ansicht, etwa auf einem Tablet, werden den
Arbeitspersonen die einzelnen, zur Fehlerbehebung erfor-
derlichen, Schritte angezeigt. Optional kann die Empfeh-
lung vom Nutzer kommentiert und bewertet werden. Die
Handlungsempfehlung kann sowohl mit einer BMK als
auch mit einem Fehlercode verknüpft sein. In diesem Fall
erscheint im Display eine Fehlermeldung. Mit einem Klick
auf diese Meldung kann die Arbeitsperson die Handlungs-
empfehlung abrufen.
Abbildung 1: Die Einführung von Wissenssystemen erfordert ein
39
Das Konzept des systemischen Wirkungsmonitorings [11]
basiert auf systemtheoretischen Prinzipien und wird etwa im
Management komplexer Projekte mit einem hohen Gewicht
sozialer Zielstellungen und einer hohen Anzahl an Stakehol-
dern, z.B. in der Entwicklungspolitik, eingesetzt. Charakte-
ristisch ist, dass zwischen dem direkten und dem indirekten
Nutzen einer Maßnahme unterschieden wird (Abbildung 3).
Während der direkte Nutzen in unmittelbarem Zusammen-
hang mit einer erbrachten Leistung steht, beschreibt der
indirekte Nutzen Wirkungen, die keiner linearen Ursache-
Wirkungs-Beziehung zugeordnet werden und nicht eindeutig
bewiesen werden können. Letztere können jedoch in einen
plausiblen Zusammenhang mit der Maßnahme gebracht und
daher ebenfalls berücksichtigt werden. Ein weiterer Anspruch
des Konzeptes ist es, die Komplexität einer Maßnahme zu er-
fassen, indem Wirklogiken zwischen dem ursächlichen Bedarf,
den daraus abgeleiteten Zielen, den eingesetzten Mitteln, der
realisierten Aktivität und der damit erbrachten Leistung sowie
der Nutzung durch die Zielgruppe erarbeitet werden. Diese
Wirklogiken werden im Verlauf eines Projektes partizipativ und
unerwartet auftretende Entwicklungen reagieren zu können
[11].
Jedes KMU setzt andere Schwerpunkte und sieht andere Po-
tenziale im Einsatz der Assistenzlösung. Um die erforderlichen
des Systems ganzheitlich zu erarbeiten, erfolgte die Gestaltung
des Systems aus einer soziotechnischen Perspektive an den
Schnittstellen zwischen Mensch-Technik, Technik-Organisation
und Mensch-Organisation. Im Projektverlauf wurden zur Ge-
staltung und Evaluation des Systems entsprechende Methoden
und Instrumente eingesetzt, u.a. das szenariobasierte Design
nach Benyon [9], Fragebögen und ein Workshopkonzept nach
DIN EN ISO 9241-210 [10] oder leitfadengestützte Interviews
(vgl. [8]).
Um die prozessübergreifenden Auswirkungen des Wissens-
Methoden und Instrumente mit dem Ansatz des systemischen
Wirkungsmonitorings [11] kombiniert. Dabei entschlüsseln
Endnutzer verschiedener Funktionen und Hierarchien der KMU
sowie Forscher aus der Verfahrenstechnik, Informatik und
Pädagogik den direkten Nutzen und die indirekte Wirkung des
Assistenzsystems.
eigene Darstellung.
40
Das systemische Wirkungsmonitoring wurde beispielsweise bei
Start-Workshops am Anfang des Projekts eingesetzt. In dem
Workshop wurde das Konzept auf den Kontext des Projektes
CPPSProcessAssist übertragen, wie in Abbildung 2 anhand
der hervorgehobenen Felder dargestellt. Einer Zielstellung aus
dem Lastenheft wurden die dafür relevante Assistenzfunktion
zugeordnet. Diese Kombination wurde wiederum mit den
verschiedenen Tätigkeiten und Aufgaben sowie Rollen der
Arbeitspersonen abgeglichen und jeweils der erwartete direkte
-
Beispielsweise wurde bei einem der Anwendungspartner,
ausgehend von der Zielstellung im Lastenheft »vor Ort Zugriff
auf Handlungsempfehlung zur Behebung bekannter Feh-
lermeldungen«, die Funktion der Handlungsempfehlung im
Einsatz bei einer Tätigkeit zur Störungsbehebung für verschie-
dene Rollen betrachtet. Ein erfahrener Instandhalter nannte
dabei als direkten Nutzen: »Mehr Ruhe und Freizeit für mich«.
Ein indirekter Mehrwert sei für ihn darüber hinaus: »Meine
Kollegen lernen die Anlage besser kennen«. Ein nicht so
erfahrener Kollege hingegen erwartete als direkten Nutzen vor
allem eine »erhöhte Sicherheit« bei der Störungsbehebung
und als indirekten Nutzen eine »Zeitreduzierung bei der Feh-
lersuche«. Diese Aussagen deckten bereits in der frühen Phase
des Projekts den auf verschiedene Tätigkeiten und Arbeitssys-
teme verteilten Nutzen des Assistenzsystems auf. Auf Basis
dieser Einschätzungen konnten unternehmensindividuelle und
-
ckelt werden. Im weiteren Verlauf des Projekts wurden die
und teilweise angepasst. Ein weiterer Mehrwert der Methode
bestand darin, dass bei allen Beteiligten frühzeitig ein gemein-
sames Problemverständnis entstand, sowie ein Zukunftsden-
ken gefördert wurde. Zudem wurden Gestaltungsoptionen
abgeleitet: Beispielsweise entwickelten Mitarbeiter eines
Unternehmens den Wunsch, Handlungsempfehlungen mit der
Vergabe von Sternchen bewerten zu können.
Bei mehreren Evaluationseinheiten in den folgenden Monaten
wurden die in den Start-Workshops erarbeiteten Wirklogi-
ken und Evaluationskriterien angewendet. Dies diente der
iterativen Weiterentwicklung des Systems und der betroffenen
Arbeitsprozesse in den Unternehmen. Die Ergebnisse werden
im Folgenden anhand des Beispiels skizziert.
Bei einem Anwendungspartner wurden zunächst Tätigkeits-
der größte Teil der Arbeitszeit (ca. 30 Prozent) auf Wartungs-
und Reinigungstätigkeiten entfällt. Auf Basis dieses Ergebnis-
ses wurde in der folgenden Evaluationseinheit das Assistenz-
system bei der Wartung eines Gasregeldruckgeräts getestet.
Außerdem wurden dabei leitfadengestützte Interviews durch-
geführt, die mit dem Konzept des systemischen Wirkungsmo-
nitorings kombiniert wurden. Die Kombination erfolgte durch
die Einbindung der anfänglich erarbeiteten Wirklogiken (siehe
Abschnitt 2.1) in den Interview-Leitfaden.
Die Ergebnisse zeigen einen hohen Aufwand zur Erstellung
der Handlungsempfehlungen. Bei der Wartung des Gasregel-
druckgeräts stellte sich heraus, dass der Experte der Wartungs-
-
41
Auch entwickeln sie unternehmensindividuelle Evaluationskri-
terien, die sie selbst mittragen. Dabei werden den Mitarbei-
tern die Herausforderungen und Potenziale einer vernetzten
betrieblichen Informationspraxis mit dem Assistenzsystem
bewusst, wie z.B. die Bindung von Ressourcen für die Eingabe
von Assistenzinhalten.
Die Ergebnisse verdeutlichen außerdem, dass die Befragten
den verteilten Nutzen der Assistenzinhalte für ihr Unter-
selbstorganisierten Umgang mit dem System zu fördern und
realisieren.
Es besteht weiterer Forschungsbedarf, auf welche Weise das
Erstellen und Aktualisieren von Inhalten im System verstetigt
werden kann. Auch die technische Realisierung zusätzlicher
nutzeradaptiver Funktionen ist ein weiteres Forschungsgebiet.
Weiterhin ist zu untersuchen, wie die Mitarbeiter für die Ent-
werden können. Darüber hinaus ist die gewählte Vorgehens-
weise zur Einführung und Gestaltung von Wissenssystemen
aus der Perspektive der strategischen Organisationsentwick-
lung zu systematisieren. Diese kann in zukünftigen Projekten
in weiteren Industriebranchen eingesetzt und validiert werden.
4 Literatur
[1] Schlick, C.; Bruder, H.; Luczak, H. (2018): Arbeitswissen-
schaft. Berlin: Springer Vieweg.
[2] Schenk, M.; Berndt, D. (2016): Zentrum für Kognitive Au-
tonome Arbeitssysteme für den Anlagen- und Sondermaschi-
nenbau, Magdeburg. Industrie 4.0 Management 32(4):62–63.
Link: https://www.iff.fraunhofer.de/
content/dam/iff/de/dokumente/messtechnik/IM-kognitive-
autonome-arbeitssysteme-IFF-IM-16-4.pdf (Abrufdatum:
05.10.2018).
[3] Haase, T. (2017): Industrie 4.0 : Technologiebasierte
Lern- und Assistenzsysteme für die Instandhaltung. Bielefeld:
Bertelsmann.
[4] Hirsch-Kreinsen, H. (2018): Arbeitswelt im Wandel. Vortrag
gehalten auf der AFI-Tagung: Arbeit 4.0, Bozen, 16. Januar
Hirsch-Kreinsen-Arbeitswelt-im-Wandel.pdf (Abrufdatum:
15.10.2018).
aufgabe ohne Assistenzsystem schneller ist, zur Erstellung der
Handlungsempfehlung jedoch 7 Stunden Zeit brauchte. Ein
weiterer sachkundiger Instandhalter hingegen, der Novize bei
der Durchführung der Wartungsaufgabe war, führte die War-
tung in 2,5 Stunden selbstständig durch. Seine Einschätzung
war, dass er dies ohne Assistenzsystem nicht bewältigt hätte.
Besonders hilfreich waren für ihn Tipps und Tricks, die der
Experte in der Handlungsempfehlung hinterlegt hatte.
Die Auswertung der Interviews zeigte außerdem, dass durch
den Einsatz des Assistenzsystems im Gegensatz zum Projekt-
-
wartet wurde. Vielmehr rückte die Veränderung von Tätigkeits-
feldern durch die Bindung von Ressourcen bei der Erstellung
von Assistenzinhalten in den Fokus der Aufmerksamkeit der
Arbeitspersonen, wie auch die Aussicht, langfristig Tätigkeiten
auf mehreren Schultern zu verteilen.
Interviews und Workshops den Informationsbedarf anderer
Kollegen sowie den prozesshaften Charakter der Handlungs-
empfehlungen. Es brauche, so z. B. die Einschätzung eines
erfahrenen Instandhalters, ca. 50 Durchläufe, bis eine Emp-
fehlung ausreichend validiert sei. Dabei sei immer zu fragen,
ob die Formulierungen erklärbar und verständlich seien.
Mitarbeitern, wie auch Entscheidungsträgern der KMU, wurde
bewusst, dass bereits der Prozess zur Erstellung der Hand-
lungsempfehlung ein Lernprozess ist, der einen Mehrwert
für das Unternehmen darstellt. Zusammenfassend führte der
Einsatz des systemischen Wirkungsmonitorings in den Evalua-
tionseinheiten dazu, dass der direkte und indirekte Nutzen des
Assistenzsystems sichtbar wurde.
Durch den Einsatz des systemischen Wirkungsmonitorings im
Projekt CPPSProcessAssist konnten erste Erkenntnisse gewon-
nen werden, inwiefern sich ein ganzheitliches Prozessverständ-
nis der Arbeitspersonen im Einführungsprozess eines Wissens-
systems erreichen lässt.
Die unternehmensübergreifende Infrastruktur des entwickel-
ten Assistenzsystems bildet die Anforderungen von Instand-
haltungstätigkeiten in der Prozessindustrie grundsätzlich ab.
Sie ist jedoch für den Einsatz im Unternehmen individuell
anzupassen. Dabei unterstützt der Einsatz des systemischen
Wirkungsmonitorings ein ganzheitliches Prozessverständnis
der Arbeitspersonen. Diese nehmen funktions- und prozess-
übergreifende Perspektiven ein und entwickeln eigene Ideen
bei der Eingabe von Inhalten.
42
[5] Hirsch-Kreinsen, H. (2019): Entwicklung und Gestaltung
digitaler Arbeit. In: Tagungsband zur 20. gtw-Konferenz 2018
»Digitalisierung – Fachkräftesicherung – Lehrerbildung«. Arti-
kel zur Veröffentlichung angenommen.
[6] bayme vbm Studie (2016): Industrie 4.0 – Auswirkungen
auf Aus- und Weiterbildung in der M+E Industrie. Studie
herausgegeben von bayme vbm: Die bayerischen Metall- und
Elektro-Arbeitgeber. Link: http://baymevbm.de/industrie4.0
(Abrufdatum: 07.07.2018).
[7] Zinke, G.; Renger, P.; Feirer, S.; Padur, T. (2017): Berufsaus-
bildung und Digitalisierung – ein Beispiel aus der Automobilin-
dustrie. Wissenschaftliche Diskussionspapiere, Heft 186. Bonn:
Bundesinstitut für Berufsbildung.
[8] Keller, A.; Adler, S.; Jachmann, D.; Haase, T. (2017): Assis-
tenzsysteme für die Prozessindustrie : Ein partizipativer Gestal-
tungsansatz. In: Gesellschaft für Arbeitswissenschaften (Hrsg)
Soziotechnische Gestaltung des digitalen Wandels. Kreativ,
innovativ, sinnhaft. Dortmund: GfA-Press.
[9] Benyon, D. (2010): Designing Interactive Systems : A
Comprehensive Guide to HCI and Interaction Design. Harlow:
Addison Wesley.
[10] DIN EN ISO 9241 – 210 (2010): Ergonomie der Mensch-
System-Interaktion – Teil 210: Prozess zur Gestaltung
gebrauchstauglicher interaktiver Systeme. Berlin: Beuth.
[11] Baumfeld, L.; Hummelbrunner, R.; Lukesch, R. (2012):
Instrumente systemischen Handelns. Stuttgart: Rosenberg.
Dieser Betrag wurde durch das Bundesministerium für Bildung und
-
-
INTELLIGENTE LOGISTIKRÄUME – KONZEPT ZUR BEWÄLTIGUNG DER STEIGENDEN ANFORDERUNGEN DER INDUSTRIELLEN LOGISTIK VON MORGEN
Niels Schmidtke M. Sc.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Geschäftsstelle Fraunhofer-Verbund Produktion
Prof. Dr.-Ing. Fabian Behrendt,
SRH Fernhochschule
43
45
INTELLIGENTE LOGISTIKRÄUME – KONZEPT ZUR BEWÄLTIGUNG DER STEIGENDEN ANFORDERUNGEN DER INDUSTRIELLEN LOGISTIK VON MORGEN
Die digitale Transformation der Industrie hat samt ihren tech-
nologischen Komponenten und Paradigmen einen direkten
Produktionswirtschaft in Deutschland [1]. In Kombination
mit der Entwicklung und Einführung neuer Technologien
starrer Unternehmensstrukturen und Steuerungsarchitektu-
ren vollzieht die Logistik eine vergleichbare Entwicklung. Die
Vision einer Logistik 4.0 reicht von Netzwerken aus modularer
Förder- und Lagertechnik, im Sinne von dezentral gesteuerten
und in Echtzeit kommunizierenden cyber-physischen Systemen
(CPS) bis hin zur Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI)
und naturanalogen Verfahren [2]. Es besteht die Anforderung
steuern und deren Zustände zu erfassen, um ein zielorientier-
tes Zusammenwirken im Sinne einer ganzheitlichen Vernet-
zung zu bewerkstelligen. Für die Umsetzung ist es erforderlich,
geeignete Technologiekonzepte und Methoden zu entwickeln
und zu nutzen, sodass anforderungsgerechte und situative
Logistikprozesse ermöglicht werden.
Die Unternehmen stehen in diesem Zusammenhang hohen
Investitionskosten gegenüber, wodurch eine vollständige In-
tegration von Technologiekonzepten i.d.R. nicht in einem Zug
die bestehenden Anlagen und Prozesse sukzessiv ergänzen
oder ersetzen. Dadurch kommt es zu einer schrittweisen Um-
setzung und Auswirkung der technologischen Konzepte und
Paradigmen. Die Folge ist ein Zusammenschluss unterschied-
licher Automatisierungs- und Digitalisierungsgrade, sodass
agentenbasierte autonome Transporteinheiten neben manuel-
len, nicht mit Sensorik ausgestatten Gabelstablern oder Rou-
tenzügen im innerbetrieblichen Materialtransport zum Einsatz
kommen. Durch den damit verknüpften Paradigmenwechsel
besteht die Notwendigkeit die singulären Lösungen zusam-
menzubringen und aus methodischer Sicht die Wirkungswei-
sen für das Gesamtsystem zu analysieren. An dieser Stelle
neben den neuen logistischen Anforderungen (z.B. Flexibili-
sierung aufgrund Individualisierung) an das Zusammenwirken
von Objekt, Prozess und System auch die Interaktion mit der
beteiligten logistischen Infrastruktur (z.B. Integrationsplattfor-
men) in Betracht zieht. Das Vorgehensmodell des ILR dient der
Untersuchung logistischer Systeme sowie deren Datenstruktur
und Entwicklung von Soll-Konzeptionen für ein bedarfsgerech-
tes und situatives Zusammenwirken der logistischen Instanzen.
Es wird das Ziel verfolgt, die Interaktionen der Akteure mit
unterschiedlichen Befähigungen zur Automatisierung, Autono-
mie und Digitalisierung sowie deren Umgebungen umzusetzen
und durch die methodische Untersuchung der Wirkungszu-
sammenhänge geeignete Handlungsempfehlungen abzuleiten.
Es entsteht ein koordiniertes, ganzheitliches Logistikkonzept,
indem alle beteiligten Akteure zielorientiert miteinander inter-
agieren.
Im Zuge der Digitalisierung werden sich Produktions- und
Logistikprozesse durch den Einsatz neuer Technologien
nachhaltig ändern. Dies führt zur Entstehung neuer Herausfor-
derungen, welche zugleich als Treiber für die digitale Trans-
formation verstanden werden können [4]. Die technologische
Perspektive umfasst dabei die technologischen Komponenten,
wie z.B. CPS, IoTS, Cloud Computing oder Edge Computing,
als auch die Paradigmen einer Industrie 4.0, wie z.B. Integra-
tion, Flexibilität und Dezentralität. Diese können als Basis für
damit angestrebte ganzheitliche Vernetzung der logistischen
Objekte maßgeblich. Solche technologischen Komponenten
der Konnektivität. Sie werden daher zum einen als Enabler
-
enzsteigerungspotenziale der Logistik [5].
Durch die enge Verknüpfung von Produktion und Logistik wird
es eine Industrie 4.0 ohne adaptive CPS in der Logistik nicht
geben. Die Logistik muss durch ihre Charakteristik als Quer-
wandlungsfähig sein, wie die dadurch unterstützten Produkti-
onssysteme [6]. Ihre grundlegenden Aufgaben werden dabei
auch im Kontext einer Industrie 4.0 unverändert bleiben.
Die Verantwortung der Logistik liegt darin, ihre Funktion
gemäß der »8 Richtigen der Logistik« [7] zu erfüllen und die
Prozesse entsprechend der Zielvorgaben zu managen. Der
Fokus liegt auf dem Einsatz innovativer Technologien mit dem
46
Ziel, neue Konzepte für Planung, Steuerung und Realisierung
erstellen und umzusetzen [8].
Der technologische Wandel hat zur Folge, dass die Kom-
plexität und Dynamik der beteiligten Prozesse sowie deren
Koordinationsumfang und -intensität steigen [9]. In diesem
Zusammenhang besteht die Notwendigkeit die grundlegenden
Aufgaben der Logistik (im Sinne der »8 Richtigen der Logis-
tik«) sowie die dabei zu bewältigenden Anforderungen aus
einer erweiterten Perspektive der Industrie 4.0 zu betrachten.
Die Sicht auf die logistischen Grundaufgaben erfolgt dabei aus
einer physischen und einer informationstechnischen Perspekti-
ve. Der Fokus liegt zum einen auf der Objektsicht, welche sich
auf die Operanden wie z.B. Güter (physisch) und Informati-
onen (informationstechnisch) bezieht. Zum anderen wird die
Prozesssicht betrachtet, welche die Operationen wie z.B. den
-
die objekt- und prozessseitigen Anforderungen aus den zwei
Perspektiven auf, um im Rahmen der Logistik 4.0 die Ver-
richtung der Kernaufgaben mit dem richtigen Objekt, in der
richtigen Menge, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, zu den
richtigen Kosten, in der richtigen Qualität, ökologisch richtig
und mit den richtigen Informationen sicherzustellen.
Abbildung 1 zeigt, dass die Informationen in der Logistik 4.0
nicht nur als logistisches Objekt selbst auftreten, sondern
ebenfalls objekt- und prozessbegleitend, wodurch ihr Nutzen
für die Prozessteuerung und -optimierung deutlich wird [11].
wird das logistische Objekt in die Lage versetzt eigenständig zu
agieren und seine Operationen selbstständig zu koordinieren
[12]. Die Selbstorganisation, d.h. die selbstständige Entschei-
dungsfunktion, für logistische Prozesse gewinnt zunehmend
an Bedeutung, die Autonomie kann dabei in unterschiedlichen
Die Ausgangsbasis einer Logistik 4.0 ist eine umfassende
Informationsverfügbarkeit auf allen Ebenen logistischer Sys-
teme. Es erfolgt eine Selbstoptimierung durch Rückschlusse
Anpassung an ein volatiles Umfeld [13]. Daraus ergeben sich
als Anforderung für die Gestaltung von logistischen Systemen
eine hohe Adaptivität, im Sinne der Anpassungsfähigkeit an
das volatile Umfeld, und Resilienz, um die Widerstandfähigkeit
gegenüber Störungen im Betriebsablauf zu bewältigen.
Eine geeignete digitale Infrastruktur gilt als eine wesentliche
in der Logistik 4.0 [14, 16].
Dies beinhaltet u.a. Integration und den Einsatz von CPS.
Diese Objekte, Produktionsanlagen oder auch Logistikkompo-
nenten enthalten eingebettete Systeme, die sie dazu befähi-
gen, lokal sowie global zu kommunizieren, Daten und Dienste
z.B. aus Service-Plattformen zu nutzen (Bsp.: VFK-Cloud
Forschungsplattform der FhG [15]) sowie sich miteinander zu
vernetzen. Sie interagieren mithilfe von Sensoren (Datenerfas-
sung) und Aktoren mit ihrer Umwelt und geben die erfassten
Daten zu den Steuerungssystemen weiter [17, 18]. Dabei
erfolgt die Kommunikation und Steuerung in Echtzeit über
eine IT-Infrastruktur. Dessen Bereitstellung in Kombination mit
Plattformen und Software-Anwendungen, welche in entfern-
ten, virtuellen Rechenzentren verortet sind, wird als Cloud
Computing verstanden. Dadurch gelingt es die Intelligenz des
Logistiksystems dezentral bzw. verteilt vorzuhalten in Kom-
bination mit einer Echtzeitkommunikation über das IoTS [17,
18]. Eine ganzheitliche Integrationsfähigkeit (Skalierbarkeit)
ist daher ebenfalls als eine Anforderung an Logistiksysteme zu
sehen.
Durch die zunehmende Flexibilisierung aufgrund der Pro-
duktindividualisierung steigen auch die Anforderungen an
die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Viele
manuelle Tätigkeiten gelten in der operativen Logistik als
körperlich belastend. Da die Logistik als nicht wertschöpfende
Tätigkeit wahrgenommen wird, werden ergonomische Arbeits-
platzgestaltungen nicht gleichermaßen vorangetrieben wie
z.B. in der Produktion [19]. Eine Anforderung an die Gestal-
tung logistischer Systeme ist daher auch die Ergonomie, d.h.
47
Das Augenmerk liegt auf den zu bewältigenden Anforderun-
gen einer Logistik (4.0) sowie die dabei verwendeten Konzep-
te, Methoden und Vorgehensmodelle zur Gestaltung von Lo-
gistiklösungen. Tabelle 1 zeigt eine exemplarische Auswahl an
logistischen Konzepten sowie deren Ausprägung hinsichtlich
der verfolgten Schwerpunktsetzung des Forschungsvorhabens.
Die Aspekte Steuerung und Regelung sind an dieser Stelle von
der Betrachtung ausgeschlossen.
Aus den bestehenden Erkenntnissen wird deutlich, dass vor
allem die ständig wachsenden Anforderungen an Produk-
tions- und Logistiksysteme, induziert durch technologische
Fortschritte und das volatile Umfeld, die Entwicklung von
anpassungsfähigen Lösungen vorantreiben. Die geforderte
Adaptivität kann durch die gegenseitige Vernetzung lo-
gistischer Objekte erreicht werden. Durch den Einsatz von
-
systems einhergeht. Durch den beschriebenen Ansatz können
bereits relevante Anforderungen teilweise aufgezeigt werden,
ein methodisches Vorgehen zur bedarfsorientierten Auswahl
nicht vorgestellt [13]. [21] liefert ähnliche Ergebnisse, wobei
die Anpassungsfähigkeit entlang der Wertschöpfungskette
analysiert wird. Die bestehenden Planungsstrukturen werden
um den Aspekt Flexibilitätsplanung ergänzt, das für weitere
die Mensch-Maschine-Interaktion und die dabei ablaufenden
Arbeitsprozesse räumlich, zeitlich und benutzerfreundlich zu
optimieren.
Zusammenfassend muss die Logistik 4.0 durch ihre Quer-
schnittsfunktion ganzheitlich betrachtet werden, eine konsis-
tente Gesamtkonzeption ist dabei nachhaltig von Vorteil. Eine
punktuelle Betrachtung sowie die Beschränkung auf bestimm-
te Technologien ist nicht vorteilhaft [20].
Zur Abgrenzung des ILR-Konzeptes und der Darstellung der
Forschungslücke wurde eine wissenschaftlich erarbeitete Lite-
raturrecherche zum gegenwertigen Forschungsstand durchge-
führt. Die Recherche erstreckt sich über Publikationsarten wie
Dissertationen, Buchbeiträge und Journal-/Conference Paper.
Insgesamt wurden über 100 Publikationen recherchiert. Ein
Inklusionskriterium war, dass die betreffende Publikation einen
Lösungsansatz präsentiert, deren Schwerpunkt auf der Gestal-
tung logistischer Systeme (ganzheitlich) liegt. Ausgeschlossen
wurden Publikationen, deren Fokus auf einzelnen Technologie-
komponenten im Logistikumfeld liegen, sowie jene Publikatio-
nen, die unzureichend hinsichtlich Inhalt, Formulierungen und
wissenschaftlicher Relevanz waren.
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Adaptive Logistiksysteme [13]
Wandlungsfähige Logistiksysteme [21]
Cyber-physische Logistiksysteme [22]
Cyber-physische Logistikmodule [23]
Lean-Logistics-Reifegradmodell [24]
Digitale Fabrik [25]
Intelligenter Logistikraum [26]
erfüllt
teilweise
erfüllt
nicht erfüllt
48
Durch das Forschungsvorhaben des ILR wird unter Berücksich-
tigung von zukünftig relevanten Anforderungs- und Zielkriteri-
en ein ganzheitliches Lösungskonzept zur Zusammenführung
von singulären technologischen Lösungen und Prozessab-
läufen entwickelt. Die Methodik zielt auf ein zielorientiertes
Zusammenwirken von logistischen Systemen, Prozessen,
Objekten und der beteiligten logistischen Infrastruktur ab,
welches durch die Entwicklung einer Kennzahlensystematik
operationalisiert werden kann. Die Gestaltung basiert auf einer
bedarfsgerechten Auswahl und Kopplung von Methoden so-
Zielkriterien und Anforderung.
Der »intelligente Logistikraum« (ILR) wird erstmalig in [26] wie
»Unter einem Intelligenten Logistikraum wird der Wirkungs-
bereich von mobilen Objekten, wie Verkehrs-, Transport und
Umschlagmittel, Waren und Personen, in einer logistischen
Infrastruktur mit einer IT-technischen Umgebungsintelligenz
(Ambient Intelligence) verstanden. Der intelligente Logistik-
raum wird dabei durch logistische Prozesse in einem topogra-
die IT-technische Umgebungsintelligenz sehr robust ablaufen.«
Durch die Neuprägung des Begriffs »Logistikraum« als
skalierbaren Untersuchungs- und Aktionsbereich besteht die
Notwendigkeit, ein methodisch gestütztes Vorgehensmo-
dell zu entwickeln, welches es ermöglicht, Logistikräume zu
-
gehensschritte intelligent zu gestalten. Es lassen sich Logistik-
räume innerhalb der Knoten und Kanten von Produktions- und
Logistiknetzwerken verorten, wobei diese ebenso übergreifend
als Zusammenschluss mehrerer Knoten und Kanten im Sinne
einer Supply Chain betrachtet werden können. Dazu zählen
auch Stadtgebiete, Betriebsgelände und einzelne Produktions-
und Logistikbereiche in der Intralogistik (Skalierungsfunktion)
[27]. Die Betrachtungsgrenzen sind nicht an die physischen
Gegebenheiten gebunden, sondern orientieren sich an der
Funktionalität bzw. an den jeweiligen Material- und betei-
Komponenten mithilfe von Hard- und Softwarelösungen sowie
für die Informationstechnik baulicher Einrichtungen entsteht
-
struktur (intelligente Infrastrukturen). Für die Beschreibung
eines ausgewählten Bereichs und die Formulierung einer
Handlungsempfehlung, sieht das Vorgehensmodell vor, Intelli-
genzfaktoren aus der menschlichen Intelligenztheorie [28] auf
Untersuchungen ein Anpassungsmaß aufzeigt und Wand-
lungsstrategien generieren lässt. Die vorgestellte Vorge-
hensweise richtet sich schwerpunktmäßig an Unternehmen
mit Serienproduktion. Um eine breite Anwendbarkeit auch
innerhalb anderer Fertigungstypen (z.B. kundenindividuelle
-
sprechender methodischer Erweiterung des Lösungskonzepts.
[22] beschreibt eine ganzheitliche Konzipierung über System-,
Anforderungen basiert. Durch die primäre Ausrichtung auf
die Integrationsplattformen, wie IoTS wird die Anwendbarkeit
auf die Realisation der kontinuierlichen Kommunikation in
Logistiksystemen beschränkt. Eine methodische Planung und
Bewertung der anwendungs- und anforderungsorientierten
Technologieauswahl ist nicht Bestandteil der Forschungsergeb-
nisse [22]. Durch die Kopplung und Überführung der Erkennt-
nisse aus cyber-physischen Logistiksystemen auf Technologien
lassen sich einzelne Logistik- und Produktionsmodule gestalten
[23]. Die Logistikmodule werden mit Intelligenz ausgestattet
und den Modulen ohne Intelligenz gegenübergestellt. Durch
die Integration der Logistikmodule kann die Auswirkung auf
die Wandlungsfähigkeit des Systems veranschaulicht werden.
Intelligente Logistikmodule kennzeichnen sich demnach durch
ihre Ausstattung mit notwendigen Sensoren und Aktoren. Die
Bestimmungskriterien der Intelligenz in Logistikmodulen sowie
die Messbarkeit ihrer Intelligenzausprägung und Auswirkung
werden nicht untersucht [23]. Über eine Reifegradbestimmung
[24] wird die aktuelle Transformationsposition der logistischen
Prozesse auf Schlankheit analysiert. Im Bewertungsverlauf lässt
Maßnahmen zur Erhöhung der Prozessqualität abgeleitet
werden können. Das Modell beinhaltet lediglich Analyse-
und Bewertungsmethoden, die den Entwicklungsstand von
Logistiksystemen widergeben. Die abzuleitenden Maßnahmen
gelten als Handlungsempfehlungen und müssen im Hinblick
auf die Umsetzung in einem zielorientierten Lösungskonzept
Methoden und einer Kopplung der Softwarewerkzeuge ein
Abbild des realen Produktionsprozesses geschaffen werden.
Die Integration über alle logistischen Ebenen verlangt eine ge-
genseitige Abstimmung im Gesamtsystem und soll dabei nicht
nur auf die Softwareebene beschränkt werden [25].
Ausgehend vom heutigen Forschungsstand lässt sich fest-
stellen, dass die logistischen Operanden, Operatoren und
Operationen eine unterschiedliche Ausprägung bzgl. der
Digitalisierung und Automatisierung aufweisen. Es entsteht
die Notwendigkeit, diese unterschiedlichen Ausprägungen
bedarfsgerecht und situationsbezogen zusammenzuführen,
49
abzuleiten. Dabei werden neben den klassischen Zielgrößen
wie Zeit, Qualität und Kosten, ebenso Zieldimensionen wie z.
B. Resilienz, Adaptivität und Skalierbarkeit verfolgt.
Zentrale Forschungsfragen, die sich aus der Abgrenzung zu
anderen Forschungsarbeiten sowie aus der Idee des Konzept-
ansatzes, ergeben sind:
– Welche Merkmale bzw. Eigenschaften können herangezo-
-
spannen und untereinander zu vernetzen?
– Können sich zwischen Objekten und Infrastrukturen merk-
malsorientierte Zusammenhänge herstellen lassen und wie
können diese methodisch aufgearbeitet werden?
– Wie lassen sich daraus geeignete Intelligenzfaktoren und
-grade für Objekt, Prozess, System und der beteiligten
Infrastruktur ableiten?
– Wie muss eine methodisch gestützte Vorgehensweise
aussehen, um intelligente Logistikräume zu erzeugen und
Mehrwerte zu generieren?
Die notwendige Methodik lässt sich als Vorgehensmodell be-
schreiben, angelehnt an ein Modell zur Planung der operativen
Logistik [32]. Die Anwendung des ILR-Vorgehensmodells soll
dabei eine Systematik bieten, um Zusammenhänge und Ge-
meinsamkeiten zwischen logistischen Operanden, Operatoren
und Operationen anhand von Merkmalen und deren Merk-
malsausprägungen herzustellen. Dieser Ansatz ermöglicht es,
Logistikräume an unterschiedlichen Stellen aufzuspannen und
abzugrenzen.
Der ILR-Gestaltung liegt ein zweigeteilter Prozess zugrunde
(vgl. Abbildung 3). In der Abgrenzungsphase werden spezi-
unter Beachtung der technologischen und organisatorischen
Gegebenheiten formuliert. In der Analysephase werden
Logistikräume anhand der Merkmale der logistischen Instan-
-
verknüpft werden. Die anschließende Konzeptionsphase
beinhaltet die Erstellung eines Technologiekatalogs, eine
funktionsorientierte Clusterung der Technologien sowie die
Überführung der bestehenden und potentiellen Lösungen in
eine Morphologie. Der Übergang zu intelligenten Logistikräu-
men erfolgt durch die Vernetzung der logistischen Operatoren
und Operanden ab der Bewertungsphase. Die Bewertung der
(technologischen) Alternativen sowie die Eignung im Sinne der
bewerkstelligt werden. An dieser Stelle wird das Konzept der
eine technische Sichtweise zu adaptieren und so individuelle
Intelligenzgrade ableiten zu können. Diese ermöglichen eine
gesamtheitliche Messbarkeit und Bewertung von techno-
logischen und methodischen Änderungen im betrachteten
Untersuchungs- und Aktionsbereich.
Insgesamt werden durch den ILR daher verschiedene Sichten
beschrieben [29]:
– Soziotechnische Sicht – das selbstorganisierende, nachhal-
tige und skalierbare Wirken;
–
einem Strukturraum;
– Digitalisierungssicht – das Entstehen einer verteilten Intel-
ligenz
(i.A.a. [31]):
»Der Intelligente Logistikraum stellt einen skalierbaren Un-
tersuchungs- und Aktionsbereich zur Analyse, Bewertung,
Planung, Steuerung und Regelung von Logistiklösungen dar.
Er umfasst das bedarfs- und situationsgerechte Zusammen-
wirken von logistischen Objekten, Prozessen, Systemen und
der beteiligten (intelligenten) Infrastruktur. Durch technische
abgrenzbarer Logistikräume zielorientiert gerecht zu werden.«
Insgesamt wird mit dem ILR-Konzept das Ziel verfolgt, ein
Analyse-, Planungs-, Bewertungs- als auch Steuerungs-, Rege-
zu schaffen, welches die starren Systemgrenzen durch eine
intelligente Vernetzung aufhebt. Ziel ist es, einen Aktionsbe-
reich zu erschaffen, welcher intelligent gesteuert und geregelt
wird. Dieser soll in der Lage sein, bedarfsgerecht entsprechend
vorherrschender Anforderungen sowie situativ entspre-
chend der jeweiligen Zustände, sich selbst und seine Umwelt
wahrzunehmen und demgemäß Handlungsentscheidungen
eigene Darstellung.
50
Der ILR versteht sich in der Anwendung als Planungssystema-
tik, in der beliebige Referenzproblemstellungen der Logistik in
einer Test- und Demonstrationsumgebung dargestellt werden
können. Dabei wird eine zielgerichtet-intelligente Auswahl
an prozessstabilisierenden und/oder prozessverbessernden
Technologien und Methoden in der Intralogistik von Produk-
tionssystemen vorgenommen. Die Struktur der exemplarisch
ausgewählten Lern- und Musterfabrik, Landshut, (vgl. Abbil-
skalierbarer Untersuchungsbereich für den ILR.
Der beschriebene technologiebasierte Lösungsansatz dient
dazu, den geringen Vernetzungsgrad der logistischen Prozesse
und deren Objekte aufzuheben sowie technische Insellösun-
gen zu vermeiden. Durch gezielte Technologieauswahl werden
die Forderungen nach Prozessstabilisierung und -verbesserung
-
ziente (intelligente) Logistik- und Automatisierungslösungen
für die Intralogistik ergeben werden. Die Bestimmung der
Intelligenz und deren Ausprägung in technischen Systemen
wird durch die selektive und gezielte Auswahl von Technolo-
gien untersetzt. Die somit herbeigeführte Verbesserung durch
die Bestimmung der systeminhärenten Intelligenz auf Objekt-,
Prozess-, System- und Infrastrukturebene ist als Erkennungs-
merkmal des ILR hervorzuheben.
technischen Intelligenzfaktoren aufgegriffen und mit (Techno-
logie-)Kosten ins Verhältnis gesetzt, um im Ergebnis durch die
Aufstellung einer Argumentebilanz eine Empfehlung hin-
sichtlich der Technologieauswahl zu geben. In der Folge ist es
notwendig, die Intelligenzfaktoren durch konkrete technische
und wirtschaftliche Kennzahlen zu untersetzen (z.B. anhand
verschiedener Technologiegruppen). Es wird ein Ansatz über
sowie die Berücksichtigung des Zusammenspiels von Objekt,
-
Zielstellung entsprechende Lösungsalternative ausgewählt und
umgesetzt (Technologien als Systemlösungen, organisatorische
Lösungen). Die operativen Steuerungsabläufe werden in der
Betriebsphase kontrolliert, geregelt und die Zielerreichung
validiert. Die Erkenntnisse über die Wirkungszusammenhänge
können effektiv genutzt werden und im Rahmen einer (Re-)
Gesamtintelligenz des betrachteten Logistikraums überprüft
und eine Umsetzung der Maßnahme eingeleitet werden.
Ziel ist es schließlich, Logistikräume adaptiv und wandlungsfä-
hig über einen gesamten logistischen Prozess hin abzubilden
diesem Zusammenhang lassen sich Logistikräume miteinander
vernetzen, die sich durch ihre Merkmalsgleichheit miteinander
vernetzt betrachten lassen und eine globale Optimierung des
betrachteten Logistiksystems ermöglichen sollen.
Logistikräume, eigene Darstellung.
51
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Der aufgezeigte Ansatz des ILR demonstriert eine neuartige
Sichtweise auf die Analyse, Planung und Bewertung von
logistischen Systemen. Dabei ist der Ansatz als skalierbares
Werkzeug aufgebaut und kann adaptiv in diversen intra- und
extralogistischen Problemstellungen angewendet werden.
Hierbei spielt besonders in der Intralogistik die Art der Pro-
duktionsstätte (i.A.a. [33]) ebenso eine wichtige Rolle, wie die
Auswahl der richtigen Werkzeuge und Methoden (i.A.a. [7]).
Die nächsten Arbeitsschritte beinhalten die Konkretisie-
rung und Anwendung des Vorgehensmodells anhand einer
dabei einen vollständigen Leistungserstellungsprozess vom
Wareneingang über Lagertechnik, Kommissionierung und
Montage bis hin zum Warenausgang eines produzierenden
Unternehmens ab (vgl. Abbildung 4). Als Beispiel kann der
Prozess der Voll- und Leergutversorgung herangezogen
werden. In einer virtuellen Testumgebung sollen vernetzungs-
fähige Technologien für einen Soll-Prozess ausgewählt und
die Wandlungsfähigkeit des Logistikraums erprobt werden.
Beispielhaft ist hier der Einsatz eines Routenzugsystems oder
die Verwendung autonomer AGVs in Verbindung mit Drohnen
(Aktivitätsanalyse) zu nennen, die in einem integrativen und
sollen. Weiterhin gehört die Erstellung eines Merkmalskatalogs
-
winnen zu den nächsten Schritten der Konzeptbearbeitung.
52
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Logistics Journal: Proceedings, Vol. 2016.
KONZEPTION UND EVALUATION EINER SYSTEMATIK ZUR AUS-WAHL TECHNISCHER SYSTEM-KOMPONENTEN FÜR IOT USE CASES IN DER LOGISTIK
Maik Groneberg B. Sc.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Dipl.-Wirt.-Ing. Olaf Poenicke,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
53
55
KONZEPTION UND EVALUATION EINER SYSTEMATIK ZUR AUSWAHL TECHNISCHER SYSTEMKOMPONEN-TEN FÜR IOT USE CASES IN DER LOGISTIK
Mit der weltweiten Vernetzung von Supply Chains und dem
Wandel des Konsumverhaltens gehen steigende Anforderun-
gen an die Logistik einher. Dabei spielen neben der Qualität
und Geschwindigkeit der Prozessdurchführung, auch Kos-
tendruck, individuelle Anpassungsfähigkeit, Transparenz
und Flexibilität eine Rolle [1]. Diesen Anforderungen kann
durch eine zunehmende Digitalisierung von Logistikprozessen
begegnet werden. Aus einer aktuellen Umfrage zum Stand
der Digitalisierung zur Unterstützung und Steuerung von
Transportprozessen geht hervor, dass 32 Prozent der befragten
Unternehmen ihren Digitalisierungsgrad als »gut« einschät-
zen, 36 Prozent als »befriedigend« und 32 Prozent als »gering
entwickelt« [2]. Ein möglicher Treiber der Digitalisierung kann
das Internet der Dinge bzw. Internet of Things (nachfolgend
IoT) sein, welches nach einer Umfrage zu den Trends der
Informations- und Kommunikationsbranche mit 48 Prozent
einen hohen Stellenwert bei den befragten einnimmt [3]. Auch
der Gartner Hype Cycle zu den aufkommenden Trends in der
Supply Chain Strategie von 2017, verdeutlicht die Relevanz
des IoT in den nächsten 5 bis 10 Jahren [4]. Für die Umsetzung
IoT-basierter Digitalisierungslösungen fehlt den Entscheidern
in der Logistikbranche, der Wirtschaft und Wissenschaft, aber
oftmals der notwendige IT-Background um die Entwicklung
und den Einsatz von neuen Systemen anzustoßen. Dies bremst
die Digitalisierung durch das Zurückhalten längst notwendiger
Investitionen in neue Technologien aus. Diesem Problem soll
der Logistik entgegnet werden. Ziel ist es, anwendungsfallspe-
-
en, Auto-ID-Systemen bzw. Sensornetzwerken und Sensoren
zu konzipieren. Eine solche Systematik ist dabei für frühe
Planungsphasen relevant, um aus den vielfältigen IoT-Techno-
logien, die für einen betrachteten Anwendungsfall adäquaten
Technologien vorauswählen zu können. Entsprechend ist für
die Entwicklung der Systematik die Überprüfung folgender
These grundlegend: »Anwendungsfälle der Logistik können
auf bestimmte Charakteristika heruntergebrochen werden,
welche als allgemeingültige Entscheidungskriterien für den
Einsatz von IoT-Technologien dienen.« Wie diese These über-
prüft wurde, ist Gegenstand der vorliegenden Abhandlung.
Die im vorigen erläuterte Thematik ist sehr umfangreich,
aus diesem Grund wird im Folgenden eine Abgrenzung zu
den betrachteten Technologien, sowie zu den Bereichen der
Logistik und des Internets der Dinge vorgenommen. Im Fokus
der Betrachtung für die Konzeption der Systematik liegt der
Teilbereich der Stückgutlogistik. Im Rahmen der Überprüfung
der genannten These dient dies nicht nur der Vereinfachung
der Betrachtung, sondern hat auch den Hintergrund, dass
extralogistischen Prozessen mittels Auto-ID-Systemen oder
kabellosen Sensornetzwerken erst möglich wird, wenn es sich
bei diesen um Stückgüter handelt. Stückgüter sind äußerst
heterogene Gütermengen, welche in unterschiedlichen Verpa-
ckungen (Fässer, Säcke, genormte Transportbehältnisse) oder
lose auftreten können und sich in einem Gewichtsbereich bis
2.500 Kg bewegen. Der Stückgutlogistik wird in vielen Bran-
chen eine große Bedeutung zugeschrieben, da sie als Binde-
glied zwischen verschiedenen Fertigungsstufen und zwischen
Erzeugern, Groß- und Einzelhändlern, sowie den Endkunden
dient [5].
Das Internet der Dinge setzt den Fokus nicht auf eine einzelne
großen Vielfalt unterschiedlichster Technologien mit verschie-
densten Funktionen im Vordergrund. So sind Technologien
Umgebungszuständen, sowie die Verarbeitung und Verwal-
tung der erhobenen Daten grundlegende Komponenten eines
IoT-Systems [6]. Zusätzlich zu der stetig wachsenden Anzahl an
verfügbaren Technologien zur aktiven Datengenerierung und
-übertragung werden im Rahmen dieser Betrachtung auch
klassische Auto-ID-Systeme einbezogen. Der Einsatzbereich
des IoT ist nicht auf wenige Bereiche beschränkt. Im Grunde
lassen sich Anwendungen in unterschiedlichsten Branche
implementieren. Dazu gehören unter anderem IT und Netz-
werke, das Sicherheitswesen, der Handel, das Transportwesen,
die Industrie, das Gesundheitswesen, Konsumenten und deren
Heim, sowie die Energiebranche und Immobilien. Im Fokus
dieser Betrachtung liegen ausschließlich das Transportwesen
und die Industrie [7].
56
gien
Für die Entwicklung der Systematik und der damit einher-
gehenden Überprüfung der vorliegenden These, stellte sich
heraus, dass die Betrachtung von Auto-ID-Systemen/Sen-
sornetzwerken, Funktechnologien und Sensoren als Sys-
temkomponenten zur Gestaltung von IoT-Lösungen vorerst
ausreichend ist. Die Architektur eines IoT-Netzwerkes stellt
eine wichtige Rolle dar und sollte zukünftig in der Systematik
berücksichtigt werden. Kommunikationsprotokolle, Daten-
formate und die Datensicherheit wären weitere mögliche
Erweiterungen. Die genannten Systemkomponenten werden
in Abbildung 1 dargestellt.
Im Fokus der Auto-ID-Systeme sind die Barcode- und RFID-
Technologie, welche in vielen Bereichen der Logistik schon
erfolgreich implementiert wurden. Relevante Arten von Bar-
codes sind 1D, 2D und 3D. In Bezug auf RFID wird zwischen
aktiven, semi-aktiven und passiven Transpondern unterschie-
den. Bei beiden Technologien spielen mobile, sowie stationäre
Lesegeräte eine Rolle. Um den Funktionsumfang des Systems
Auswertung der Umgebungsvariablen auszuweiten, werden
zusätzlich kabellose Sensornetzwerke berücksichtigt. Diese
werden hauptsächlich nach der Art der Architektur unterschie-
den (Edge-, Fog- und Cloud-Computing), welche, wie bereits
erwähnt, zukünftig auch für alle Arten von Auto-ID-Systemen
relevant sind. Die Systemkomponente der Funktechnologien
ist bei der Übertragung von Daten zwischen Lesegeräten
oder Sensorknoten und einem zentralen Knoten im Netzwerk
notwendig. Diese werden nach ihren Reichweiten und der
Funktionsweise kategorisiert. Die WPAN-Technologien ZigBee
und Bluetooth werden zusammen mit WLAN für den Einsatz
in lokalen Systemen betrachtet. Werden jedoch höhere Reich-
weiten benötigt, spielen Mobilfunk und LPWAN eine Rolle, bei
globalem Einsatz oder in schwer zugänglichen Regionen ist
auf Satellitenfunk zurückzugreifen. Je nach benötigter Daten-
rate und dem Netzausbau kann bezüglich des Mobilfunks 2G,
3G, 4G und zukünftig auch 5G eingesetzt werden. LPWAN-
Technologien sind für Anwendungen mit einer geringeren
Datenmenge gut geeignet. Hier wird zwischen mobilfunkba-
sierten und nicht-mobilfunkbasierten (ISM-Band) unterschie-
den. NB-IoT, LTE-Cat M1 und EC-GSM setzen auf Mobilfunk-
standards auf. Sigfox, LoRaWAN und Weightless-P hingegen
setzen auf das lizenzfreie ISM-Band. Art und Umfang der zu
übertragenden Daten ist abhängig davon, ob Sensoren im
handelt. RFID-Systeme und Sensornetzwerke ermöglichen die
Einbindung unterschiedlichster Sensoren. Für den Einsatz in
der Logistik haben sich Thermometer, Feuchtigkeitsmesser,
Beschleunigungssensoren, Gyroskope, Bildsensoren, Infrarot-
sensoren, biologische und chemische Sensoren, sowie GPS als
sinnvoll herausgestellt [8].
Als Grundlage für die Konzeption der Systematik wurden im
Vorlauf die Eigenschaften der berücksichtigten Technologien,
sowie die Logistik und deren zugrundeliegende Prozesse und
Entitäten analysiert. Zusätzlich dazu wurden real umgesetzte
Anwendungsfälle aus Wirtschaft und Forschung betrachtet,
um das daraus gewonnene Wissen den Erkenntnissen aus
den vorangegangenen Analysen gegenüberzustellen und die
Erkenntnisse zu überprüfen und gegebenenfalls um zusätz-
liche Punkte zu erweitern. In diesem Abschnitt wird darauf
eingegangen, in welcher Form diese Erkenntnisse in einem
Bedeutungen und die Bewertung dieser. Dazu wird im Folgen-
und erläutert, wie auf Basis der Erkenntnisse einer Systematik
erarbeitet wurde.
der Struktur der Informationsabbildung unterscheiden. Es gibt
monohierarchische (Einfachvererbung) und polyhierarchische
und die Klassen einer polyhierarchischen mindestens eine. Ist
Erweiterungen, eigene Darstellung.
57
Klassen begünstigt. Aus den oben genannten Analysen der
Teilbereiche wurden insgesamt 7 Facetten abgeleitet (siehe
Abbildung 2).
Die Facette Smart Objekt beinhaltet Klassen und Ausprägun-
gen zur Charakterisierung der Objekte, welche mit IoT-Devices
ausgestattet werden sollen. Im Falle der Logistik können
dies Logistikobjekte, Transportmittel und Transporthilfsmittel
sein. Weitere relevante Punkte sind das Einsatzgebiet der
Objekte und die vorhandene beziehungsweise verfügbare
Netzinfrastruktur. Mit Hilfe des Einsatzgebietes, der Netzinf-
rastruktur und der Charakterisierung der Anforderungen an
die Datengenerierung/-übertragung können Anforderungen
Facetten beinhalten wiederrum eine Auswahl von Unterfacet-
ten, welche die Ausprägungen (Foci) beinhalten. Unterfacetten
können sich wiederum in weitere Unterfacetten untergliedern.
[8] In Abbildung 3 wird beispielhaft der Aufbau der Facette
Einsatzgebiet gezeigt.
Rahmen sich das Smart Objekt während des gesamten logisti-
schen Prozesses aufhält. Ein Prozess kann innerbetrieblich, au-
ßerbetrieblich, sowie eine Mischform aus beidem sein. Somit
sind beliebige Kombinationen aller Ausprägungen möglich.
Für die Auswahl von Funktechnologien im innerbetrieblichen
Prozess ist es entscheidend zu wissen, ob die Durchführung
außerbetriebliche Prozesse spielen die räumliche Ausdehnung,
sowie die Art der Interoperation im außerbetrieblichen Raum
eine Rolle. In der Regel haben diese Prozesse eine lokale, regi-
onale oder globale Ausdehnung. Diese Information ist eben-
falls wichtig für die Wahl einer Funktechnologie, jedoch reicht
sie nicht alleinstehend für eine Bewertung aus. Aus diesem
Grund sind Kombinationen aus verschiedenen Foci wichtig.
Diese sind Gegenstand des nächsten Abschnittes. Der Punkt
Geschäftsbeziehung ist wichtig für die Auswahl von Technolo-
gien in Bezug auf das Investitionsvolumen und die Wiederver-
eine Polyhierarchie stärker ausgeprägt und es bestehen zusätz-
lich weitere Beziehungen zwischen den Klassen, spricht man
ihrer Informationsabbildung betrachtet, so kann zwischen ana-
lytischen und synthetischen, beziehungsweise einer Mischform
sind präkombinativ. Die Klassenhierarchien sind somit schon
-
zierung verschiedene Deskriptoren unterschiedlichster Klassen
zugeordnet. Die höhere Flexibilität durch die Möglichkeit der
lässt diese Verfahren mit einer weitaus geringeren Anzahl
von Deskriptoren (Faktor 10 bis 100) auskommen, wodurch
Struktur eine einfache Anpassbarkeit beim Aufkommen neuer
-
tionen. Die Konstruktionsprinzipien der Notation, Hierarchie,
Citation Order und Facettierung werden dabei kombiniert.
-
on in eine starre Baumstruktur eingegliedert, sondern für die
einzelnen Teilbereiche des Wissensgebietes werden einzelne
Klassen, die sogenannten Facetten gestaltet. Diese Klassen
repräsentieren einen Begriff auf einem hohen Abstraktions-
niveau [10]. Diese Facetten werden durch unterschiedliche
Ausprägungen, die Foci, beschrieben. Bei den Foci handelt es
sich im Prinzip ebenfalls um Klassen, welche jedoch auf einem
-
kationen werden hauptsächlich genutzt, um große unstruktu-
in Bibliotheken und Dokumentenmanagementsystemen oder
in der Filter- beziehungsweise Suchfunktion von Online-Shops
[11].
-
genden Wissensbereiches zur Beschreibung von Anwendungs-
fällen der Logistik war ausschlaggebend für die Wahl der
Auto-ID-Systeme, Sensornetzwerke, Sensoren und der Logistik
-
te technologische Fortschritt und die Fülle an Technologien
-
native Struktur eine einfache Erweiterbarkeit um zusätzliche
58
Wie aus der zuvor erläuterten Facette hervorgeht, besitzt ein
Focus allein oft nicht genug Aussagekraft für die Auswahl von
-
nologien. Aus diesem Grund gibt es eine Vielzahl sinnvoller
Kombinationen aus den Foci unterschiedlichster Facetten. Im
Folgenden wird eine Kombination vorgestellt, welche aus Foci
besteht, die beschreiben in welchem Bezug das Smart Objekt,
das Transportmittel und die räumliche Ausdehnung stehen
(siehe Abbildung 4).
wendbarkeit von Komponenten. Mögliche Geschäftsbeziehun-
gen sind B2B und B2C. Weiterhin können außerbetriebliche
-
den. Bei standortübergreifenden Prozessen können Smart Ob-
jekts mit einem kostspieligeren System ausgestattet werden,
da diese innerhalb des Unternehmens bleiben und wiederver-
wendet werden können. Bei B2B- und B2C-Prozessen hängt
das Investitionsvolumen je Smart Objekt, wie bei der räumli-
chen Ausdehnung, auch von anderen Faktoren ab.
Abbildung 4: Darstellung einer
verschiedenen Facetten, eigene
Darstellung.
Abbildung 3: Hauptfacette Ein-
59
Ein Focus oder eine Foci-Kombination kann eine Aussage
zur Sinnhaftigkeit jeder einzelnen Technologie der System-
komponenten haben, muss es aber nicht. Im ersten Schritt
der Evaluation werden Technologien durch harte Ausschluss-
kriterien (X) bei Nichterfüllung der Anforderungen aus den
Ergebnissen ausgeschlossen. Wurde eine Technologie nicht
ausgeschlossen, wird im zweiten Schritt eine Bewertung der
Eignung durchgeführt. Diese kann entweder negativ (-1),
neutral (0) oder positiv (1) sein. Nach der Evaluation aller Foci
und Foci-Kombinationen, werden die einzelnen Bewertungen
aggregiert. Entsprechend kann eine Systemkomponente, die
Summe über die Foci und Foci-Kombinationen positiv für den
betrachteten Anwendungsfall relevant sein. Die resultierenden
möglichen Technologien werden daraufhin im dritten Schritt
auf deren logische Anwendbarkeit überprüft. Dazu wurden
Systemkomponenten eine sinnhafte Kombination bilden. Das
Resultat des in Tabelle 1 dargestellten abstrakten Schemas ist
eine Kombination aus Technologie C (Auto-ID- und Sensor-
systeme), Technologie E (Funktechnologien) und Technologie
H (Sensoren). Wichtig zu berücksichtigen ist, dass Sensoren
aktuell nur nach harten Ausschlusskriterien selektiert werden.
Für den Test der Systematik wurde eine Demonstrator-Anwen-
dung entwickelt. Der schematische Aufbau und die Funktions-
weise des Demonstrators werden in Abbildung 5 beschrieben.
Die GUI der Anwendung besteht grundlegend aus 2 Kompo-
-
handen, direkt die harten Ausschlusskriterien der selektierten
des Use Case folgt die Auswertung der zutreffenden Foci-
Kombinationen. In diesem Zuge werden die übrig gebliebenen
Technologien anhand ihrer Eignung evaluiert und bewertet.
Im dritten Schritt, folgt die oben genannte Selektion logisch
das genutzte Transportmittel und dem Rahmen in dem es
sich bewegt betreffen. So sollen Transportmittel, welche auf
nationaler Ebene auf der Straße verkehren, getrackt werden.
Durch dieses Beispiel wird auch die Relevanz von Kombinati-
onen deutlich, denn die Aussagekraft eines alleinstehenden
Focus ist weitaus geringer, als die von einer Foci-Kombination.
Zum Beispiel besitzt der Focus Transportmittel, der Facette
Smart Objekt, allein keine aussagekräftige Bedeutung für die
Auswahl von Funktechnologien. Durch eine nähere Beschrei-
bung des Einsatzgebietes, können diese Informationen jedoch
gewonnen werden. So kann im Falle dieser Kombination
ausgeschlossen werden, dass es sich um ein stationäres Trans-
portmittel (z.B.: Stetigförderer) handelt. So kann der Einsatz
von WPAN und WLAN-Technologien, sowie von LoRaWAN
und Weightless-P ausgeschlossen werden. Mobilfunk, sowie
mobilfunkbasierte LPWAN, Sigfox und Satellitenfunk sind
hingegen einsetzbar. Da es sich bei dem Smart Objekt um ein
Transportmittel handelt, ist der Einsatz der Barcode- und RFID-
Technologie ebenfalls ausgeschlossen. Sinnvoll ist ein Sensor-
netzwerk jeglicher Architektur. Ein Edge-Computing-Ansatz ist
auf Grund der potenziell vorhandenen Stromversorgung und
möglicherweise schlechteren Funknetzwerken zu bevorzugen.
Wie dieses Wissen in eine Bedeutung der Foci und Foci-
Kombinationen umgewandelt wurde, ist Inhalt des folgenden
Abschnittes, in dem auf die Auswertung der gewählten Aus-
prägungen eingegangen wird.
Foci
Die Bewertung von Foci und deren Kombinationen wird auf
drei verschiedenen Ebenen durchgeführt. In der folgenden
Tabelle wird das genutzte Evaluationsverfahren abstrakt darge-
stellt. Dieses beinhaltet die ersten beiden Ebenen.
Focus 1 Focus 2 Kombination
A -1 X X ausgeschlossenB 1 -1 0 0C 0 1 1 2
Funktechnolo
gien
D 0 1 -1 0E -1 1 1 1F X X X ausgeschlossen
Sensoren G X 0 0 ausgeschlossenH 0 0 0 0I 0 X 0 ausgeschlossen
Tabelle 1: Schematische Darstel-
lung des entwickelten Evaluati-
onsverfahren.
60
6 Literatur
[1] Fritsch, Daniel (2016): Logistik vs. Supply Chain Manage-
ment. (BVL) Bundesvereinigung Logistik. Online verfügbar
unter https://www.bvl.de/blog/logistik-vs-supply-chain-ma-
nagement/, zuletzt geprüft am 08.01.2019.
[2] Fraunhofer SCS (2017): Wodurch wird die Digitalisierung in
der Transportlogistik Ihrer Meinung nach am stärksten getrie-
ben?. In Statista – Das Statistik-Portal. Online verfügbar unter
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/762993/umfrage/
treiber-der-digitalisierung-der-transportlogistik-in-deutschland/,
zuletzt geprüft am 08.01.2019.
[3] Bitkom (2018): Welches sind die wichtigsten IT-Trends des
Jahres 2018?. In Statista – Das Statistik-Portal. Online verfüg-
bar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/808775/
umfrage/die-wichtigsten-trends-in-der-itk-branche/, zuletzt
geprüft am 08.01.2019.
-
zation of the Supply Chain, Hype Cycle Supply Chain Strategy,
2017. Online verfügbar unter https://www.gartner.com/en/
newsroom/press-releases/2017-09-11-gartner-hype-cycle-
reveals-the-digitalization-of-the-supply-chain, zuletzt geprüft
am 08.01.2019.
[5] DSLV (2015): DSLV Deutscher Speditions- und Logistikver-
band e.V.. Zahlen, Daten, Fakten aus Spedition und Logistik.
Online verfügbar unter https://www.dslv.org/dslv/web.nsf/gfx/
Daten-Fakten_2015-Downloadversion.pdf, zuletzt geprüft am
31.01.2019.
konsistenter Kombinationen von möglichen Systemkompo-
GUI dargestellt. Für die verschiedenen Prozessschritte greift
die Anwendung auf drei verschiedene Datenbasen zurück. Die
GUI wird mit Hilfe der Datenbasen Technologien und Facetten,
Foci und deren Bedeutung generiert. Zusätzlich enthält die
zuletzt genannte auch Informationen über die Bedeutung der
einzelnen Foci für die Auswahl der Technologien. Diese wird
zusammen mit der Datenbasis Kombinationen und Bedeutung
für die Auswertung der harten Ausschlusskriterien und der
Bewertung der Eignung der Technologien genutzt. Die Über-
prüfung auf logische Konsistenz durch Zusatzkriterien wurde
im Programmcode realisiert.
-
rung verschiedenster Use Cases, wurde die zu überprüfende
These bestätigt. Der Wissensbereich rund um den IoT-Einsatz
in logistischen Prozessen lässt sich im Rahmen der Betrachtung
auf entscheidende Charakteristika herunterbrechen, welche
eine sinnhafte Auswahl von Technologien ermöglichen. Bei
den vorangegangenen Analysen ist deutlich geworden, dass
die logistischen Prozesse bzw. Teilprozesse an sich nur eine ne-
bensächliche Bedeutung für die Technologieauswahl besitzen.
Die relevanten Charakteristika der Prozesse werden auf andere
Weise in der Systematik erfasst. Die wichtigsten Klassen sind
die im Abschnitt 3.3 vorgestellten Hauptfacetten. Durch die
Bedeutungen ausdrücken. Eine der wichtigsten Vorteile der
die Systematik in Zukunft einfach ergänzt werden. Die Auf-
nahme weiterer Technologien und Systemkomponenten stellt
kein Problem dar. Auch eine Ausweitung des betrachteten
Logistikgegenstands ist möglich.
-
onsweise des Demonstrators, eigene Darstellung.
61
[6] GS1 (2016): GS1 and the Internet of Things. GS1. On-
images/standards/internet-of-things/gs1-and-the-internet-of-
things-iot.pdf, zuletzt geprüft am 31.01.2019.
[7] Beecham Research (2017): M2M World of Connected Ser-
vices – The Internet of Things. Online verfügbar unter: http://
www.beechamresearch.com/download.aspx?id=18, zuletzt
geprüft am 31.01.2019.
[8] Groneberg, Maik (2019): Konzeption und Evaluation einer
Systematik zur Auswahl Technischer Systemkomponenten für
IoT Use Cases in der Logistik. Otto-von-Guericke Universität
Magdeburg, Magdeburg.
[9] Stock, Wolfgang G. (2004): Wissensrepräsentation. Hein-
rich Heine Universität Düsseldorf. SS 2004. Online verfügbar
pdf, zuletzt geprüft am 11.01.2019.
[10] Schmatz, Franz; Hutzheimer, Jasmin; Schemainda, Katri-
Online verfügbar unter: https://bscw.uni-duesseldorf.de/pub/
am 11.01.2018.
[11] Bertram, Jutta (2005): Präkombinierte und Facettenklas-
-
lagen, Methoden, Instrumente. Content and communication:
Bd. 2. Würzburg: Ergon-Verl.
62
MULTISENSOR – 3D-MULTI- SENSORSYSTEME ZUR PROZESS-INTEGRIERTEN RUNDUM- ERFASSUNG UND ECHTZEIT- ANALYSE LOGISTISCHER OBJEKTE
Thomas Depner M. Eng.,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF,
Maik Riestock,
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,
Fakultät für Informatik
Karl Fessel,
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,
Fakultät für Informatik
Prof. Dr.-Ing. Sebastian Zug,
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg,
Fakultät für Informatik
63
65
MULTISENSOR – 3D-MULTISENSORSYSTEME ZUR PROZESSINTEGRIERTEN RUNDUMERFASSUNG UND ECHTZEITANALYSE LOGISTISCHER OBJEKTE
Volumenkennziffern sind neben dem Gewicht die wesentli-
-
tenplanung, Packoptimierung, Sortierung) benötigt als auch
Rechnungslegung, Dokumentation).
Obwohl der Volumenkennziffer eine wichtige Bedeutung
über diese vor. Besonders beim Güterverkehr ist dies gut zu
beobachten. So stieg der Güterverkehr über die letzten sieben
Jahre stetig an, was sich vor allem im erhöhten Straßenver-
kehr widerspiegelt. 2017 fand z.B. 79 Prozent des Güterver-
kehrs über die Straße statt, jedoch gibt es hierzu lediglich die
Angabe, dass dort 3643 Millionen Tonnen Güter transportiert
wurden. Über das transportierte Volumen ist allerdings nichts
Weiteres bekannt.
Ein Hauptgrund für diese unzureichende Kenntnis der
Volumenkennziffer sind die Einschränkungen der auf dem
Markt verfügbaren Lösungen zur Volumenvermessung. Diese
verwenden Sensor- und Verfahrensprinzipien, die sehr stark
auf den Prozess einwirken. So benötigen z.B. Lasersensoren
was einerseits durch geregelte Führung des Lasers entlang
des Objekts (Zeitverlust) oder auch durch Führung des Ob-
jekts entlang des Lasers erfolgen kann (Einschränkung auf
Prozess). Dies führt dazu, dass in der Praxis zur Vermessung
größerer Objekte statische Messstationen aufgebaut werden.
Diese werden von Gabelstaplern angefahren und die Ware
Messungen zu nicht tolerierbaren Zeitverlusten führen und
als zusätzlicher Prozessschritt zu bewerten ist (nicht prozess-
integrierte Messungen), werden derartige Systeme nur sehr
eingeschränkt verwendet.
In den letzten Jahren sind neue Sensortypen verfügbar, die
sich grundsätzlich sehr gut zur prozessintegrierten Analyse von
sich frei bewegenden Objekten und dynamischen Objektstruk-
turen eignen. Mit sogenannten One-Shot 3D-Kameras können
die den Sensoren zugewandten Seiten der Objekte mit einer
einzelnen Messung dreidimensional in der Bewegung vermes-
sen werden.
Problematisch sind jedoch die bisher einschränkend wirkenden
Eigenschaften der verfügbaren Sensoren.
Sensoren ist vor allem das Problem der Musterüberlagerung
zu nennen, was den Einsatz derartiger Sensoren in Multisen-
sorsystemen derzeit behindert, aber Grundvoraussetzung für
vollständige Rundumerfassung der Objekte ist. Die Musterü-
berlagerung kann durch Synchronisation und Sequenzierung
der Bildaufnahmen der Einzelsensoren verhindert werden. Die
Herausforderung der Synchronisationstechnik besteht darin,
für das Multisensorsystem eine weiterhin hinreichend hohe
Bildaufnahmefrequenz und damit Echtzeitfähigkeit der Mes-
sung zu erhalten.
Ein weiteres Problemfeld ist in der algorithmischen Auswer-
tung zu sehen. Es müssen leistungsfähige und preiswerte
Rechenarchitekturen sowie darauf abgestimmte Algorithmen
gefunden werden, die eine Verarbeitung der Massendaten für
eine prozessintegrierte Echtzeitanalyse der Objekte erlauben.
Für die Konzeptionierung des Systems ergeben sich somit
mehrere Herausforderungen hinsichtlich der Sensorik, Re-
chentechnik und Algorithmen. Eine weitere entscheidende
Herausforderung stellt allerdings der begrenzte Raum für die
Anbringung der einzelnen Komponenten dar. So können die
Sensoren bei einer Stückgutspetition nur direkt beim Verla-
detor angebracht werden. Diese Position erschwert jedoch
die Rundumerfassung, da die Objekte nur aus bestimmten
Perspektiven erfasst werden.
Hinzu kommt hier, dass durch den Transport mit einem Ga-
belstapler die Geschwindigkeit sowie Bewegungsrichtung der
Objekte variieren. Zur Lösung werden One-Shot 3D-Kameras
mit einer hohen Framerate eingesetzt, wodurch einerseits
Bewegungsartefakte reduziert und andererseits die Fusionser-
gebnisse verbessert werden, da gleiche Punkte in den verschie-
denen Punktwolken nahe beieinanderliegen.
66
Um die Fusionsergebnisse weiter zu steigern, ist auch ein
Objekttracking implementiert über das die Zugehörigkeit der
Punkte genauer bestimmt wird. Die hohe Framerate bietet
aber gleichzeitig auch den Nachteil, große Datenmengen ver-
arbeiten zu müssen. Durch die geschickte Filterung der Punkte
und die Unterscheidung in Objektdaten und Fusionsdaten,
lässt sich diese Problematik umgehen, da nur die relevanten
Daten für den jeweiligen Algorithmus verwendet werden.
Eine letzte zentrale Herausforderung besteht im Kostendruck
der Logistik. Hierfür wurde bei der Konzipierung der Fokus
auf 3D-Kameras im unteren Preissegment (bis ca. 200 Euro)
gelegt. Weiter werden für die Algorithmen nur die relevanten
Daten verwendet, was sich in reduzierten und somit kosten-
günstigeren Verarbeitungseinheiten zeigt.
Abbildung 1 verdeutlich nochmal den grundlegenden Lö-
sungsansatz des Multisensorsystems . Dabei werden mehrere
One-Shot 3D-Kameras direkt am Verladetor befestigt und so
positioniert, dass der gesamte Verladebereich überwacht wird.
2D-Marker die Position und Orientierung des Gabelstaplers
und somit die der zu vermessenden Palette bestimmt. Der
Einsatz des 2D-Markers bietet zudem noch weitere Vorteile,
so lässt sich die Markerposition als Bezugsposition für die
Fusionsalgorithmen verwenden und über die Markerposition
können die Filter so gestaltet werden, so dass die Aufnahmen
nur die relevanten Daten der Palette enthalten.
kann, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden.
So müssen zum einen alle Transformationen von jedem Sensor
bekannt sein, was eine extrinsische Einmessung des Systems
erforderlich macht, und zum anderen muss für jeden Sensor
eine intrinsische Kalibrierung durchgeführt werden, weil nur
so sichergestellt werden kann, dass die aufgenommenen
Punktwolken korrekt interpretiert werden.
Neben den Kalibrierungen gibt es noch weitere Punkte wie die
Echtzeitfähigkeit oder die eingesetzte Fusionsstrategie, die für
die Umsetzung der Sensordatenfusion von Bedeutung sind.
Um die verschieden Faktoren möglichst einfach zu berücksich-
tigen, wurde ein eigenes Framework entwickelt.
Als Grundlage für das Framework wird ROS (Robot Operating
System) verwendet. Dabei ist ROS weniger ein Betriebssystem
(Operating System) im eigentlichen Sinne, sondern ist eine
modular aufgebaute Softwaresammlung mit einem unter-
liegenden Publish-Subscribe-Kommunikationssystem. Somit
kann das Framework als ROS-Module verstanden werden, die
zusammen die Verarbeitungskette, wie sie auch eine monoli-
thische Software besitzt, bilden. Der modulare Aufbau bietet
aber den Vorteil, dass so leicht einzelne Komponenten/Module
ausgetauscht werden können und die Berechnung zudem
verteilt auf mehreren Rechnern durchgeführt werden kann.
Das Framework setzt sich aus vier Hauptmodulen zusammen:
– Bridge
– Image Processing
– Filter & Fusion
– Object Processing
Die Bridge ist für die Anbindung der Hardware/Sensoren und
Kalibrierung zuständig. Im ersten Schritt werden hierfür die
teils proprietären Treiber eingebunden, die für den Zugriff auf
die Tiefenbildsensoren über eine API (Application Program-
ming Interface) benötigt werden. Über diese Schnittstelle
werden die benötigten Sensorinformationen ausgelesen und
Tiefenkalibrierung statt.
Im Modul Image Processing werden die kalibrierten Tiefen-
bilder weiterverarbeitet. Dabei handelt es sich im einfachsten
Fall um die Erzeugung einer Punktwolke, die ausschließlich
die Tiefeninformationen beinhaltet (XYZ-Punktwolke). Es kann
aber auch eine XYZRGB-Punktwolke generiert werden, hierfür
werden jedoch die Informationen der Farbkameras benötigt.
Weiter müssen die beiden Werte Tiefe und Farbe miteinander
registriert werden, was bedeutet, dass eine Verbindung zwi-
schen den Punkten im Tiefen- und Farbbild hergestellt wird,
damit die Zugehörigkeit in der Punktwolke korrekt dargestellt
werden kann.
67
Abbildung 3 stellt die generelle Struktur des Frameworks
sowie die Zusammenhänge der Module bzw. einzelner ausge-
wählter Funktionen nochmal zusammenfassend dar.
Aufgrund der Diversität der Objekte und Materialien, die die
Logistik handeln muss, sowie der Vielfalt der Sensortechno-
logien und deren Ausprägungen lassen sich an dieser Stelle
nicht sämtliche Ergebnisse darstellen. Vielmehr sollen hier
anhand zweier fusionierter Punktwolken die Ergebnisse exem-
plarisch veranschaulicht werden.
In Abbildung 4 ist der Verlauf der Punktwolkenfusion eines
quadratischen Kartons zu sehen. Hierbei wurden die zeitlich
versetzten Aufnahmen eines Sensors zu einer zusammen-
gehörigen Punktwolke fusioniert. Gut zu erkennen ist an
diesem Beispiel, dass eine erhöhte Anzahl an berücksichtigten
Punktwolken ab einem gewissen Zeitpunkt keine wesentliche
Verbesserung des Fusionsergebnisses liefert. Allerdings führt
die höhere Punktwolkenanzahl auch nicht zu einer Verschlech-
terung, was bei Algorithmen ohne Berücksichtigung von
möglichen fehlerhaften Punkten durchaus der Fall sein kann.
Das Beispiel zeigt somit, dass für Objekte des Beispieltyps eine
geringere Punktwolkenanzahl für eine Rundumerfassung aus-
reichend sein kann, die entwickelten Algorithmen jedoch mit
einer variablen Punktwolkenanzahl ohne Probleme arbeiten
können, so dass es letztendlich dem Anwender überlassen
werden kann, worauf er sein Fokus legen möchte (weniger
Punktwolken und somit geringere Rechenzeit oder mehr
Punktwolken und somit höhere Abdeckung an unterschiedli-
chen Objektstrukturen).
Das Modul Filter & Fusion ist für die Filterung und die darauf-
folgende Fusion der Punktwolken zuständig. Bei der Filte-
rung geht es vereinfacht ausgedrückt, um die Trennung von
wichtigen und unwichtigen Daten. Als unwichtig werden all
die Daten betrachtet, die keinen Wert für die Fusion liefern
oder keine Bedeutung für das Modul Object Processing haben.
Weiter wird durch die Filterung die Datenmenge und Berech-
nungsdauer reduziert.
Für die Fusion werden zwei Hauptfusionsarten betrachtet:
– Fusion der Daten eines Sensors über die Zeit
– Fusion der Daten verschiedener Sensoren
-
terten Einzelpunktwolken betrachtet, die ausschließlich die
Punkte der transportierten Palette beinhalten. Mithilfe des
ICP-Algorithmus (Iterative Closest Point) und einem Objekt
Tracking werden die Einzelpunktwolken zu einer Punktwolke
fusioniert.
Bei der Fusion verschiedener Sensoren wird die Position der
einzelnen Sensoren zueinander benötigt, da nur so eine
genaue Zuordnung der Punkte zu den jeweiligen Punktwolken
und Sensoren möglich ist. Diese Positionsbestimmung erfolgt
bei der Systeminstallation, indem ein Marker so positioniert
wird, dass er für jede Farbkamera eines Sensors gut erkennbar
ist. Durch diese einmalige Einmessung (extrinsische Kalibrie-
rung) wird die extrinsische Verbindung zwischen den Tiefen-
bildsensoren ermittelt und abgespeichert.
Das Modul Object Processing befasst sich mit der Erkennung
des zu vermessenden Objekts und Ermittlung der Messwerte.
Hierfür werden im ersten Schritt mithilfe einer Bounding Box
die maximalen Abmessungen der Palettenstruktur bestimmt.
Weitere Objekt- bzw. Messparameter können je nach Anforde-
rung mitberücksichtigt oder ermittelt werden.
68
Abbildung 3: Übersicht Framework, eigene
Darstellung.
69
portiert werden bevor sie nach Abstellen in der Messzone und
Herausfahren des Gabelstaplers aus dieser vermessen werden
können.
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Volumenmesssystemen
bietet das Multisensorsystem durch den Einsatz von preisgüns-
tigen One-Shot 3D-Kameras die Möglichkeit, die Verladetore
direkt auszustatten. Diese direkte Ausstattung der Verladetore
führt dazu, dass keine einzelne stationäre Messstation ent-
steht, sondern die Anzahl an Messstationen je nach Anwen-
-
Abbildung 5 zeigt zweimal die gleiche Szene Mitarbeiter mit
Hochhubwagen. Auch wenn zweimal die gleiche Szene abge-
bildet ist, unterscheiden sich die Ergebnisse der fusionierten
Punktwolken deutlich. So weist die rechte Aufnahme erheb-
lich mehr Punkte auf, was die Extraktion der Palette, dem
hier entscheidenden Objekt, erschwert. Im Gegensatz dazu
ist in der linken Aufnahme die Palette gut zu erkennen und
zu extrahieren. Der einzige Unterschied zwischen den beiden
Ergebnispunktwolken liegt darin, dass in der linken Aufnahme
vor der Fusion jede Einzelpunktwolke vorverarbeitet wurde, so
dass diese nur noch die relevanten Punkte enthalten. Dieses
auf das Endergebnis hat und dies bei Änderungen bedacht
werden sollte.
Die Kenntnis der Volumenkenngröße ist für verschiedene
Logistikprozesse von entscheidender Bedeutung. So lässt sich
anhand der Volumenkennziffer z.B.
– die Größe des Lagerplatzes bestimmen,
– der benötigte Laderaum im LKW oder Container ermitteln
oder
– die Einhaltung der vom Versender avisierten Packmaße
überprüfen.
Obwohl die Volumenkennziffer für verschiedene Prozesse
wichtig ist, herrscht oft nur eine unzureichende Kenntnis über
diese, was vor allem auf die Einschränkungen aktueller Volu-
menmesssysteme zurückzuführen ist.
ein Messsystem an einer mehr oder weniger zentralen Stelle
und sämtliche zu vermessende Paletten müssen dorthin trans-
-
70
wie die Vermessung der Palette direkt während der Durchfahrt
statt. Dadurch lässt sich die Volumenmessung in den Prozess
ohne irgendeinen Zusatz integrieren, da die Durchfahrt ein
wesentlicher Bestandteil des Verladeprozesses ist und zudem
keine Stillstandszeiten für die Vermessung benötigt werden.
Das Multisensorsystem bietet somit durch seinen neuen
Lösungsansatz dem Endanwender viel Nutzen. So muss der
aktuelle Prozess aufgrund der In-Prozess-Messung in keiner
Art und Weise geändert oder angepasst werden. Weiter kön-
nen die nun bekannten Frachtabmessungen für eine gezieltere
Routensteuerung verwendet werden. Neben der Routenopti-
mierung können die Volumendaten auch für die Erkennung
von Übergrößen bei Paletten dienen, um so unplanmäßige
Sonderfahrten frühestmöglich zu berücksichtigen.
6 Literatur
[1] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) (2018): Transport und Ver-
kehr, In: Statistisches Jahrbuch 2018, Roggentin, S.599–620.
[2] Borstell, H.; Kluth, J.; Jaeschke, M.; Plate, C.; Gebert, B.;
Richter, K. (2014): Pallet monitoring system based on a hetero-
geneous sensor network for transparent warehouse processes,
In: 9th Workshop on Sensor Data Fusion : Trends, Solutions,
and Applications. IEEE 2014. S.1–6.
[3] Borstell, H.; Ahmad, O.; Depner, T.; Heider, S.; Huschke, M.;
Szczepanski, T. (2016): Flexible 3D-Smart-Sensoren für Anwen-
dungen in der Logistik und Produktion. In: 19. Anwendungs-
bezogener Workshop zur Erfassung, Modellierung, Verarbei-
tung und Auswertung von 3D-Daten, Berlin, S.103-112.
[4] Besl, P. J.; McKay, N. D. (1992): A Method for Registrati-
on of 3-D Shapes. IEEE Transactions on Pattern Analysis and
Machine Intelligence, 14, IEEE 1992, S. 239–256.
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AUTORINNEN UND AUTOREN
SRH Fernhochschule
Brandenburgische Technische Universität
Cottbus-Senftenberg,
Lehrstuhl für Automatisierungstechnik
Berendsen GmbH Nordost
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Virtual Engineering
Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg,
Fakultät für Informatik
Brandenburgische Technische Universität
Cottbus-Senftenberg,
Lehrstuhl für Produktionswirtschaft
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Logistik- und Fabriksysteme
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Mess- und Prüftechnik
Brandenburgische Technische Universität
Cottbus-Senftenberg,
Lehrstuhl für Automatisierungstechnik
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Virtual Engineering
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg,
Fakultät für Informatik
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Logistik- und Fabriksysteme
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb
und -automatisierung IFF,
Geschäftsstelle Fraunhofer-Verbund
Produktion
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Virtual Engineering
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Lehrstuhl für Produktionswirtschaft
Otto-von-Guericke-Universität
Magdeburg,
Fakultät für Informatik
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IMPRESSUM
20. Forschungskolloquium am Fraunhofer IFF, 2018
Industrie 4.0 – (R)Evolution der Produktion
Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF
Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c. mult. Michael Schenk
Sandtorstraße 22 | 39106 Magdeburg | Deutschland
Telefon +49 391 4090-0 | Telefax +49 391 4090-596
www.iff.fraunhofer.de
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Satz: Dipl.-Des. (FH) Daniela Martin
Redaktion: Viktoria Schatt
einzelnen Beiträge.
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Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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20. Forschungskolloquium am FraunhoFer iFF 2018