BERICHT VOM 20. EXPERTENTREFFEN „PRO UND CONTRA“ · Komplettabbau der Vergleichswirkstoffe...
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BERICHT VOM 20. EXPERTENTREFFEN „PRO UND CONTRA“
Austauschbarkeit von Arzneimitteln mit komplex zusammengesetzten Wirkstoffen
(Non-biological complex drugs, NBCD)
Der Begriff „Non-biological complex drugs“ (NBCDs) war bis vor wenigen Jahren
unbekannt. In der wissenschaftlichen Literatur taucht er erstmals im Jahr 2011 auf1, als
Resultat eines 2009 im niederländischen Leiden abgehaltenen Workshops, bei dem
diese Klasse von Arzneimitteln identifiziert und anerkannt worden war. Die Autoren
dieses Artikels ordnen die NBCDs wie auch die Biologika den nicht vollständig
charakterisierten komplexen Arzneiprodukten mit hohem Molekulargewicht zu, die sie
den vollständig charakterisierten Arzneiprodukten aus kleinen Molekülen
gegenüberstellen (Abb.1)2. Zur Unterscheidung von den Biologika heben sie aber
hervor, dass NBCDs – selbst wenn sie manchmal noch komplexer als Biologika sind –
keine Proteine und nicht biotechnologisch in lebenden Organismen hergestellt worden
sind. Entsprechend divers sind die Arzneimittelgruppen, die der Wirkstoffklasse der
NBCDs zugeordnet werden. Sie umfassen zum Beispiel liposomale Parenteralia wie
Doxorubicin, Heparine, Eisen-Sucrose-Komplexe, Nanokristalle, Eisencarboxymaltose
und Glatirameracetat.
Vgl. Schellekens H, Klinger E, Mühlenbach S, Brin JF, Storm G, Crommelin DJ. The therapeutic equivalence of
complex drugs. Regul Toxicol Pharmacol. 2011;59(1):176-83.
1 Schellekens H, Klinger E, Mühlenbach S, Brin JF, Storm G, Crommelin DJ. The therapeutic equivalence of
complex drugs. Regul Toxicol Pharmacol. 2011;59(1):176-83.
2 aus : de Vlieger JSB: Non-Biological Complex Durgs (NBCDS) and their follow-on versions: time for an editorial
section. GaBI online 2 Nov 2015
Bericht vom 20. Expertentreffen „Pro und Contra“
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Aus der bemerkenswerten Stellung der NBCDs zwischen kleinen Molekülen und
Biologika ergibt sich für die pharmazeutische und medizinische Praxis ein zentrales
Problem:
Wie ähnlich sind NBCD-Nachfolgeprodukte im Vergleich zu ihren Originatoren?
Aus dieser Problemstellung leiten sich im Wesentlichen drei Fragen ab:
Nach welchen Kriterien bzw. Guidelines sollen NBCD-Nachfolgeprodukte
zugelassen werden?
Können sie als therapeutische Alternative gelten?
Sind sie als zugelassene Arzneimittel mit den Originator-Präparaten
austauschbar?
Das 20. Expertentreffen „Pro und Contra“, das erstmals von der Deutschen
Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) in Kooperation mit dem House of Pharma &
Healthcare auf dem Campus Westend der Goethe Universität Frankfurt durchgeführt
wurde, widmete sich am 8. September 2016 in der über viele Jahre bewährten
Moderation durch Henning Blume (SocraTec C&S, Oberursel) unter dem Titel
„Austauschbarkeit von Arzneimitteln mit komplex zusammengesetzten Wirkstoffen“
zwar vor allem der dritten dieser Fragen, nahm als Voraussetzung für deren Diskussion
in einer umfassenden Perspektive aber auch die beiden anderen Fragen in den Blick.
Beispielhaft stellte das Round-Table-Gespräch die zwei Wirkstoffklassen der
niedermolekularen Heparine und des Glatirameracetats auf den Prüfstand. Zur Debatte
standen ihr Herstellungsprozess, ihre analytische Charakterisierung, ihre
Pharmakokinetik, ihr klinisch-therapeutisches Profil und die für sie geltenden
Anforderungen der Zulassungsbehörden.
Die Einordnung der niedermolekularen Heparine (low molecular weight heparins =
LMWH) in die Gruppe des NBCDs wurde angesichts ihres biologischen Ursprungs aus
Schweinemucosa von Susanne Alban (Universität Kiel) kritisch kommentiert. Allerdings
soll der international eingeführte Name NBCDs diese Arzneimittel von den
biotechnologisch hergestellten Produkten ("Biologicals") abgrenzen. Dennoch machte
Henrike Potthast (BfArM, Bonn) darauf aufmerksam, dass LMWH aus Sicht der
europäischen Zulassungsbehörde EMA als Biosimilars behandelt werden, was aus einem
Bericht vom 20. Expertentreffen „Pro und Contra“
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produktspezifischen Concept Paper der EMA eindeutig hervorgeht. Die amerikanische
Zulassungsbehörde FDA stuft LMWH dagegen nicht als Biologika ein. Sie erteilte
dementsprechend bereits 2010 auf dem Weg des Verfahrens einer bezugnehmenden
Zulassung von Generika einem Nachahmerpräparat von Enoxaparin ohne Vorlage von
klinischen Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten die Zulassung.
Henning Blume wies als deren Co-Autor in seiner Einführung auf die im Februar 2014
veröffentlichte revidierte Fassung der Leitlinie „Gute Substitutionspraxis“ der DPhG hin,
deren 6. Kapitel eindeutig zu NBCDs Stellung nimmt: „Wegen der molekularen
Komplexität dieser recht neuen Wirkstoffklasse rät die DPhG von einer Substitution ab.“
In Bezug auf die Nachahmerprodukte von dem NBCD Copaxone® mit dem Wirkstoff
Glatirameracetat zur Behandlung der Multiplen Sklerose war dieser Rat damals noch
verfrüht. Das Patent für Copaxone® lief zuerst in den USA im Mai 2014 aus, das erste
von der FDA zugelassene Nachahmerpräparat Glatopa kam dort im Juni 2015 auf den
Markt. Inzwischen hat auch die EMA in einem dezentralisierten Zulassungsverfahren
ebenfalls ein Nachahmerpräparat mit dem Wirkstoff Glatirameracetat zugelassen. In
Deutschland soll es, wie Blume zitierte, gemäß einer Ankündigung vom 1. September
2016 demnächst auf den Markt kommen. Das Problem der Austauschbarkeit dieses
NBCDs wird sich also nun tatsächlich auch hierzulande zeitnah in der therapeutischen
Praxis stellen, sagte Blume. Die betroffenen Patienten, Ärzte und Apotheker seien
besorgt darüber, dass die Kostenträger auch in diesem Fall „in einer Substitution bis zum
Beweis des Gegenteils kein Problem sehen“. Es sei deshalb besonders bedauerlich, dass
kein Vertreter der Kostenträger der Einladung zu diesem Expertentreffen gefolgt sei, um
sich der Diskussion zu stellen und ihre Position zu verteidigen. Auch Vertreter der
Hersteller von Nachahmerprodukten nahmen an dem Treffen nicht teil.
Herstellung: The product is the process
Dass der Herstellungsprozess das Produkt bestimmt, gilt für LMWH und
Glatirameracetat (GA) genauso wie für Biologika, wenngleich beide Wirkstoffklassen
völlig verschieden sind, die eine (LMWH) nicht klar charakterisierten biologischen
Ursprungs, die andere (GA) aus klar definierten Ausgangssubstanzen chemisch
synthetisiert.
Bericht vom 20. Expertentreffen „Pro und Contra“
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Joachim Burschäpers (sanofi, Frankfurt) betonte, dass jedes einzelne LMWH-Produkt
einen „einzigartigen biologischen Fingerabdruck“ habe. Unfraktioniertes Heparin, das
infolge der BSE-Krise nur noch aus der Darmmucosa von Schweinen gewonnen werden
darf, ist ein Polysaccharid aus Glykosaminoglykanen. Zur Herstellung von LMWH wird es
mit chemischen oder enzymatischen Verfahren aufgespalten, also depolymerisiert. Je
nach Depolymerisationsmethode und Prozessführung (Temperatur, pH-Wert)
entstehen unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen biochemischen
Eigenschaften. Wichtigen Einfluss haben auch andere Prozessparameter, wie die
Mischungsreihenfolge und Reaktionstechnik. Die LMWH sind also keine einheitliche
Stoffklasse. Jedes Herstellungsverfahren führt letztlich zu einem ganz spezifischen
Produkt.
Glatirameracetat sei entgegen seines vertrauten Klangs beileibe kein einfaches Salz
eines kleinen Moleküls, sagte Manfred Schubert-Zsilavecz (House of Pharma &
Healthcare, Frankfurt). Es handele sich vielmehr um eine komplexe Mischung aus
zahllosen Peptiden, die in einem fein gesteuerten chemischen Prozess aus den vier in
einem bestimmten Verhältnis zugegebenen Aminosäuren Alanin, Glutaminsäure, Lysin
und Tyrosin copolymerisiert werden. Das als Arzneimittel wirkende Gemisch könne bis
zu einer Million verschiedener Polypeptide enthalten. Es ähnelt Bestandteilen der
Myelinscheiden von Nervenfasern. Das erkläre wohl auch die Entwicklungshistorie des
Präparates. Denn diese Peptidsequenzen seien ursprünglich entwickelt worden, „um in
einem Tiermodell die Erkrankung zu erzeugen, die heute damit behandelt wird“. Der
Herstellungsprozess sei so komplex, dass man ihn nicht ohne weiteres kopieren könne.
„Wie sorgen die Hersteller dafür, dass Wirkstoffcharge für Wirkstoffcharge konstant
bleibt?“, fragte Henning Blume. „Ist es nicht so, dass die Kriterien des
Herstellungsprozesses um so strenger festgelegt und überprüft werden müssen, je
komplexer das Produkt ist?“
Für das LMWH Enoxaparin gebe es im Herstellungsprozess weit über 50 Kontrollpunkte,
„um sicherzustellen, dass es auch reproduzierbar das Enoxaparin ist, das wir haben
wollen“, sagte Burschäpers. Das sei ein sehr aufwändiger Prozess, der schon in den
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Schlachthöfen anfange und nach dem Heparin-Skandal des Jahres 2008 durch
zusätzliche Prüfpunkte verschärft worden sei. Damals hatten chinesische Zulieferer
eines amerikanischen Unternehmens in krimineller Absicht Heparin mit
übersulfatiertem Chondroitinsulfat (OSCS) verschnitten, eine allergene Verunreinigung,
die mit den zu dieser Zeit üblichen Qualitätskontrollen nicht nachweisbar war und
weltweit Hunderte von Todesopfern forderte.
„Was ist, wenn ich als Hersteller bei kritischen Prozessparametern außerhalb der
Spezifikation liege?“, fragte Blume. Der Originator könne das meist schnell erkennen
und gegensteuern, weil er den Prozess genau kenne; dem Nachahmer, der nach bestem
Wissen und Gewissen handelt, aber nicht jedes Detail kenne, falle das möglicherweise
schwerer, veranschaulichte Susanne Alban (Universität Kiel) am Beispiel der Epoxide,
die bei der LMWH-Produktion als unerwünschte hochreaktive Nebenprodukte
entstehen können. Unter welchen Umständen das geschehe, wisse ein Nachahmer oft
nicht genau. Er muss, wie Blume erinnerte, in einem reverse engineering zunächst das
Endprodukt charakterisieren und von dort aus den Herstellungsprozess rückwärts
aufzurollen, um ab initio zu beginnen.
Im Fall von Copaxone®, sagte Gerhard Tischler (Teva, Berlin), wisse man zwar, dass schon
„leichte Abänderungen des Produktionsprozesses Toxizitäten hervorrufen könnten“.
Wie der Produktionsprozess gesteuert und kontrolliert wird, um dies zu verhindern,
konnte er jedoch nicht sagen. Bedauerlicherweise konnte keiner der Wissenschaftler,
die an der Produktentwicklung von Copaxone® und der Etablierung von dessen
Herstellungsprozess beteiligt waren und somit aus erster Hand hätten Auskunft geben
können, an der Diskussion teilnehmen. So blieb auch die Frage ungeklärt, wieviele
Änderungen es im Herstellungsprozess im Lauf der letzten 20 Jahre gegeben habe.
Tischler betonte aber, dass man das Originalprodukt aus gutem Grund seit jeher nur an
einem Standort, nämlich in Israel, wo es entwickelt wurde, herstelle.
Wirkstoffcharakterisierung: Möglichkeiten und Grenzen
Gemäß der Rahmenmonographie des Europäischen Arzneibuchs sind LMWH mit einer
großen Variabilität bezüglich ihrer Anti-FaktorXa-Aktivität und ihres
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Molekulargewichtes definiert, betonte Susanne Alban (Universität Kiel). Die Faktor Xa-
Aktivität sei als analytischer Maßstab aber nur „eine Notlösung oder Krücke“. Man
behelfe sich dadurch mit einer Wertbestimmung statt einer Gehaltsbestimmung, man
messe in Einheiten statt in Gramm. „Wir glauben zu verstehen, was bei den LMWH wirkt,
wir wissen es aber nicht“. Die anti-Xa-Einheiten werden als Surrogatparameter
verwendet, sie seien aber eine „black box“ und repräsentierten letztlich nur 10 – 15 %
der LMWH-Aktivität, während der Rest nicht erfasst werde. Deshalb gebe es auch keine
Korrelation zwischen der anti-Xa-Aktivität und der Wirksamkeit und Sicherheit von
LMWH, wie der Heparinskandal belegt habe. Obwohl Heparin bereits vor 48 Jahren zum
ersten Mal mittels NMR analysiert worden sei und es besonders in den vergangenen
zehn Jahren große analytische Fortschritte gegeben habe, gelte bis heute: „no single
technique is adequate to identify all LMWH peculiarities“3. Selbst bei dem am besten
charakterisierten LMWH Enoxaparin sei die Molekülstruktur noch zu 30 % unbekannt.
Trotz der beachtlichen Erfolge in der Charakterisierung der chemischen Struktur könne
man also beim zugelassenen Generikum "m-Enoxaparin" allenfalls von einer
„pseudoexzellenten Übereinstimmung“ mit dem Originator sprechen und habe nur
spärliche Kenntnisse über pharmakologische Konsequenzen und klinische Relevanz
möglicher Abweichungen. Wenn der FDA für die Zulassung des Generikums limitierte
Surrogatparameter ausgereicht hätten, dann müsse man fragen: Widerspricht das dann
nicht dem precautionary principle, den Anforderungen der Pharmakovigilanz, und der
Tatsache, dass die Zulassungsbehörden bei neuen Arzneimitteln Surrogatparameter
ansonsten nur selten als Beleg der therapeutischen Wirksamkeit anerkennen?
Für die Zulassung des Glatirameracetat-Nachahmerproduktes Glatopa® hätten der FDA
die vergleichende Evaluation von vier Kriterien ausgereicht, erläuterte Michael
Lämmerhofer (Universität Tübingen): die Ausgangsmaterialien; die strukturellen
Signaturen für Polymerisation, Depolymerisation und Reinigung; die physikochemischen
Eigenschaften sowie die biologischen und immunologischen Eigenschaften.4 Wolle man
3 Guerrini M, Bisio A. Low-molecular-weight heparins: differential characterization/physicla characterization.
Handb Exp Pharmacol. 2012; 207; 127-57 4 Anderson J et al Demonstration of equivalence of a generic glatiramer acetate (Glatopa)
Journal of the Neurological Sciences 359 (2015) 24-34
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den Wirkstoff Glatirameracetat charakterisieren und mit einem ähnlichen oder einem
Nachahmer vergleichen, dann stünden einem drei Strategien zur Verfügung: der
Komplettabbau der Vergleichswirkstoffe durch Hydrolyse zum Nachweis, dass nur die
fraglichen vier Aminosäuren enthalten sind; die Untersuchung der intakten Wirkstoffe,
um deren durchschnittliches Molekulargewicht festzustellen und die Aufspaltung in
Fragmente, die es einem erlaube, Peptide zu analysieren. Letztere Strategie verspreche
am meisten Erfolg, denn in den Peptidsequenzen könnten sich am ehesten Unterschiede
verbergen. Lämmerhofer stellte ein beeindruckendes Arsenal modernster analytischer
Methoden vor, um molekulare Profile von Wirkstoffen wie Glatirameracetat zu
erstellen. „Besonders die mehrdimensionale Chromatographie wird immer wichtiger
werden.“ Man könne durch solche Methoden einen relativ klaren Eindruck davon
gewinnen, ob zwei Peptidgemische einander ähnlich seien. Sie seien aber sehr
aufwändig und man dürfe bezweifeln, ob sie für die Routineanalytik im Zuge der
Qualitätskontrolle eines vermarkteten Fertigarzneimittels geeignet seien.
„Manche Wissenschaftler auf diesem Gebiet träumen davon, dass eine
Qualitätskontrolle gar nicht mehr gebraucht werde, wenn es gelänge, den
Herstellungsprozess so präzise zu steuern, dass eine bestimmte Qualität des Produktes
dabei herauskommen muss“, gab Henning Blume zu bedenken. „Dann würde das
Produkt letztlich durch den Prozess charakterisiert werden und dies durch analytische
Verfahren unterstützt.“
Produktverhalten in vivo: Optionen der Pharmakokinetik
Seinen Überblick über die Möglichkeiten der pharmakokinetischen Untersuchung von
LMWH eröffnete Martin Lorenz (Sanofi, Frankfurt) mit einem Blick auf den bekannten
Teil ihres Wirkmechanismus: Sie verstärken die Wirkung des endogenen
Gerinnungshemmers Antithrombin III, der im Blut zirkuliert, bis zu 1000-fach. ATIII
wiederum wirkt über die Hemmung der Faktoren Xa und IIa (Thrombin) der
Blutgerinnungskaskade. Für die Bestimmung der Stärke dieser Hemmung gibt es einen
internationalen Standard, mit dessen Hilfe man das System eichen und folglich die
Aktivität eines unbekannten LMWH messen kann. Wichtig sei auch das Verhältnis von
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Xa/IIa-Inhibition. Für Enoxaparin liege es zwischen 3.3 und 5,3. Bei unfraktioniertem
Heparin betrage es dagegen 1:1, was womöglich die geringere Blutungsgefahr bei
Behandlung mit LMWH erkläre.
All diese Erkenntnisse dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass LMWH einen
multifunktionellen Wirkmechanismus hätten. Sie besitzen Wirkbestandteile, die über
die ATIII-Aktivierung mit ihren Konsequenzen hinausgehe. So werde vermutet, dass der
tissue factor pathway inhibitor (TFPI) für 20 bis 30% der LMWH-Wirkungen
verantwortlich sei und sowohl die Blutgerinnung an initialer Stelle hemmen als auch
entzündungshemmende Effekte haben könne. Er werde bisher in die Charakterisierung
aber nicht einbezogen. Seine Sekretion sei aber signifikant unterschiedlich von
denjenigen Molekülen der LMWH, die wegen bestimmter Pentasaccharidsequenzen
über den ATIII-Pfad wirkten.
Nach heutigem Wissensstand sei also nur eine indirekte Bestimmung der
Pharmakokinetik der LMWH über Surrogatparameter möglich. „Aber je nachdem,
welchen Parameter ich messe, sehe ich auch dann nur einen bestimmten Ausschnitt aus
der gesamten Pharmakokinetik, die ich eigentlich ermitteln will.“
Das Wirkstoffgemisch eines LMWH sei letztlich so komplex, dass eine umfassende
Pharmakokinetik und pharmakologische Charakterisierung aller Wirkkomponenten
zurzeit technisch nicht möglich ist, sagte Lorenz und schlussfolgerte: „Die
therapeutische Äquivalenz – und damit auch die Austauschbarkeit von zwei LMWH in
der Apotheke – kann daher nur dann erreicht werden, wenn identische
Ausgangsmaterialien und Herstellungsverfahren verwendet werden.“
Kurzen Prozess machte Fritz Sörgel (IBMP, Heroldsberg) mit Blick auf die
Pharmakokinetik von Copaxone®. Wenn man die Publikationen des Herstellers Teva
lese, dann sei darin von 100.000 oder sogar einer Million verschiedener Peptide die
Rede, die in dem Wirkstoffgemisch des Arzneimittels enthalten seien. „Solche Gemische
kann man niemals genau analysieren“, sagte Sörgel. „Eine in-vivo-Analyse der
Pharmakokinetik ist somit völlig ausgeschlossen.“
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Klinische Performance und therapeutische Äquivalenz
Aus der Sicht des Klinikers widersprach Sebastian Harder (Universität Frankfurt) seinen
Vorrednern. Der Treiber der Wirkung der niedermolekularen Heparine sei
„unzweifelhaft die Xa-Aktivität und die IIa-Aktivität“. Harder belegte das auch durch
einen Vergleich mit direkten oralen Antikoagulantien (DOAK). Der direkte Faktor Xa-
Inhibitor Rivaroxaban und Enoxaparin sind sich demnach hinsichtlich ihrer Wirkungen in
der jeweiligen Prophylaxedosis sehr ähnlich, mit dem einzigen Unterschied, dass unter
Rivaroxaban eine etwas geringere Inzidenz tiefer Venenthrombosen, unter Enoxaparin
eine geringere Inzidenz von Blutungen vorkämen.
Die Faktor Xa-Aktivität sei ein etabliertes Surrogat der Wirksamkeit. „Ich würde nicht
annehmen, dass große andere Effekte im Hintergrund zu dieser Wirksamkeit beitragen“.
Der tissue factor pathway inhibitor zum Beispiel sei „etwas, was die FDA nicht hinter
dem Ofen hervorlockt“. Die Behörde habe deutlich gesagt, dass TFPI-Profile für den
Vergleich von LMWH-Originator und Nachahmer nicht „substantiated“ seien und keine
klinische Relevanz hätten. „Auch ich selber bin in dieser Hinsicht skeptisch.“ Bis ihm
jemand das Gegenteil beweise, halte er den Beitrag anderer LMWH-Bestandteile auf die
Wirksamkeit („nicht auf die Sicherheit!“) für unwahrscheinlich.
Im Gegensatz zur FDA verlangt die EMA klinische Studien, am besten in Indikationen mit
einer hohen Wahrscheinlichkeit von Venenthrombosen, also zum Beispiel der
Kniechirurgie. Solche Studien, vorwiegend exploratorischer Art mit kleinen
Patientenzahlen, gibt es bisher vorwiegend in Brasilien. Sie zeigten faktisch keinen
Unterschied zwischen originalen und nachgeahmten LMWH. „Aus den verfügbaren
Daten sehe ich keinen wesentlichen Wirksamkeitsunterschied von generischem
Enoxaparin“, sagte Harder. „Es wäre problematisch, zusätzliche klinische Studien zu
verlangen.“ Es gebe genügend analytische Möglichkeiten, um relevante Unterschiede
im Sinne der von der EMA geforderten „sameness“ aus dem Produktionsprozess heraus
darzustellen. Ohnehin sollten aus dem Produktionsprozess resultierende Risiken vor
dem klinischen Einsatz gefunden werden und sich nicht erst in klinischen Studien
bemerkbar machen. Eine Patientenstudie wäre nach Ansicht Harders nur begründbar,
wenn sie der Risikoabwehr dient. Dafür würde man aber – weil insbesondere die
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heparininduzierte Thrombozytopenie nur selten auftritt – sehr hohe Patientenzahlen
benötigen. Das wäre auch ethisch fragwürdig, weil es ja "nur" um den Vergleich mit
einem preiswerteren Präparat gehe, das den teilnehmenden Patienten aber keinerlei
Vorteile verspreche. Besser sei es, die Sicherheit in umfangreichen post authorisation
safety studies (PASS) zu überprüfen.
Die Multiple Sklerose (MS) ist nach Aussage von Wolfgang Brück (Universität Göttingen)
die Krankheit des jungen Erwachsenenalters, die am häufigsten zu dauerhafter
Behinderung führt. Copaxone® ist für die Behandlung der Anfangsstadien der
schubförmigen Multiplen Sklerose zugelassen (seit 1996 in den USA, seit 2001 in der
EU). Die Zulassungsstudie zeigte in der Verum-Gruppe eine signifikante Reduktion der
Schubrate um 29 Prozent gegenüber Placebo, allerdings in einer Studie mit insgesamt
nur 252 Patienten. „Das wäre heute undenkbar“, sagte Brück. Die Zulassungsbehörden
erwarten inzwischen mindestens die zehnfache Patientenzahl in einer solchen Phase-III-
Studie.
Der genaue Wirkmechanismus des Wirkstoffs Glatirameracetats ist nicht bekannt. „Wir
wissen ja nicht, was die tatsächliche aktive Komponente des Molekülgemischs ist“, hatte
Gerhard Tischler (Teva, Berlin) gesagt. Wolfgang Brück führte drei mutmaßliche
Wirkungen des Originator-Präparates an: eine periphere Immunmodulation, eine ZNS-
Immunmodulation und eine Neuroprotektion. Dem liegt offenbar zugrunde, dass
Glatirameracetat sich kompetitiv in die Bindung antigenpräsentierender Zellen
einschalten und damit die in der Genese der Autoimmunkrankheit MS überschießende
T-Zell-Antwort vom pro-inflammatorischen auf den anti-inflammatorischen Pfad
verschieben kann.5
Als Kriterien zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit von Glatirameracetat
könne man im Rahmen einer üblicherweise 2 Jahre andauernden Studie entweder den
klinischen Parameter der Schubfrequenz oder die Krankheitsprogression durch
5 Aharoni R. Immunomodulation neuroprotection and remyelination – The fundamental therapeutic effects of
glatiramer acetate: A critical review. Journal of Autoimmunity 54 (2014); 81-92
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Bestimmung der Zahl der neuronalen Läsionen mit bildgebenden Verfahren wie der
Magnetresonanztomographie heranziehen.
Die sog. GATE-Studie, die als Grundlage für die Zulassung des ersten Glatirameracetat-
Nachahmerpräparates diente, verwendete die Anzahl der Läsionen im MRT als primären
Endpunkt. Sie war dreiarmig angelegt und schloss über neun Monate hinweg insgesamt
794 Patienten ein, die entweder das Nachahmerpräparat (n=353), den Originator
(n=357) oder Placebo (n=84) erhielten. Im Ergebnis zeigte sich eine vergleichbare
Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit zwischen Originator und Nachahmer.6 Er
halte es jedoch für nicht gerechtfertigt, ein Nachahmerpräparat auf Basis solcher Daten
zuzulassen, betonte Brück. Denn der prädiktive Wert der MRT-Befunde für die
therapeutische Wirksamkeit von Glatirameracetat sei mindestens fragwürdig. Eine
aussagekräftige Vergleichsstudie müsste seiner Ansicht nach die Frequenz der Schübe
oder der Behinderungsprogression als primären Endpunkt verwenden und mindestens
über zwei Jahre ausgedehnt werden. Um die Austauschbarkeit festzustellen, bräuchte
man dann idealerweise noch eine follow-up-Studie mit cross-over-design.
Man müsse sich freilich in diesem Zusammenhang „ins Gedächtnis zurückrufen, dass wir
hier eine comparability exercise machen, in die alle Parameter einfließen müssen“,
erinnerte Theo Dingermann (Universität Frankfurt). Es gehe nicht an, nur auf die
klinischen Daten zu schauen. „Wir haben hier zusätzlich die analytische Information, die
man nicht unterschlagen darf, dass diese Moleküle (bzw. die komplexen Gemische)
einander sehr ähnlich sind.“ Dennoch werde die Sachlage bei der Beurteilung der
Äquivalenz von Glatirameracetat -Präparaten tatsächlich dadurch kompliziert, dass man
pharmakokinetische Daten nicht erheben könne, entgegnete Henning Blume. Ihm sei
dieser Punkt deswegen so wichtig, weil bekannt sei, dass PK-Studien in der Regel für
Äquivalenzanalysen wesentlich aussagekräftiger seien als klinische Studien, die
naturgemäß unschärfere Ergebnisse erbrächten.
Wenn man einen klinischen Vergleich zwischen Copaxone® und einem
Nachahmerpräparat unternehme, meinte Sebastian Harder, dann müsse man nach den
6 Cohen J et al. Equivalence of generic glatiramer acetate in multiple sclerosis. A randomized clinical trial. JAMA
Neurology. 2015; 72 (12): 1433-1441
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Guidelines in diese Studie auch einen Placeboarm einzuführen, um zu zeigen, dass für
den Originator unter diesen Bedingungen die Wirksamkeit bestätigt werden kann.
„Therapeutische Äquivalenz für ein Nachahmerpräparat im Vergleich zum Originator mit
einer Studie nachzuweisen, in der die Wirksamkeit des Originators nicht bestätigt
werden konnte, würde sonst bedeuten, dass man ein Nachahmerpräparat bekommt,
dessen Wirksamkeit ebenfalls nicht bestätigt ist.“ Darüber hinaus stellte Sebastian
Harder fest, dass im vorliegenden Fall die Datenlage der Zulassungsstudie von 1995 aus
seiner Sicht ohnedies dürftig sei. Dem widersprach Wolfgang Brück insofern, als es auch
nach der Zulassung Studien wie die Combi RX oder CONFIRM gegeben habe, „die für
Copaxone® zweifelsfrei einen klaren Vorteil im Hinblick auf die Reduktion der
Schubfrequenz gegenüber Placebo belegten“.
Friedemann Paul (Charité, Berlin) unterstrich, dass die MS eine chronische Krankheit
und eine 9-Monatsstudie für die Zulassung eines Nachahmers seiner Ansicht nach „völlig
ungeeignet“, ja „geradezu gefährlich“ sei. Theo Dingermann wiederum entgegnete, dass
man hier durchaus dem „Regulativ der Regulatoren“ vertrauen könne, denen „ein body
of evidence vorliegt, der uns nicht zugänglich ist“. Ob er auch vom Originator eine
vollumfänglich neue Zweijahresstudie verlangen würde, falls dieser den
Herstellungsprozess seines Glatirameracetat -Präparates änderte, wollte Henning
Blume von Wolfgang Brück wissen. Dieser antwortete mit einem uneingeschränkten
„Ja“.
Regulatorische Anforderungen
Für die Zulassungsbehörden existiere die Kategorie NBCD bisher nicht, stellte Henrike
Potthast (BfArM, Bonn) klar. „Aus regulatorischer Sicht prüfen wir auch nicht die Frage
der Austauschbarkeit“. In Deutschland habe darüber der Gemeinsame Bundesausschuss
zu entscheiden. Aus den Zulassungsstudien gehe die Austauschbarkeit jedoch nicht
hervor, vor allem wenn es mehrere Nachahmerpräparate gebe, zu denen keine direkten
Vergleiche vorlägen.
Für die EMA und die ihr zugeordneten nationalen Behörden kämen Heparine – im
Gegensatz zur FDA – für eine generische Zulassung nicht in Frage (vgl. S.2).
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Nachahmerpräparate von LMWH gelten für sie als Biosimilars, für die eine
Austauschbarkeit per se ausgeschlossen sei. Folglich verlangten sie in der Regel klinische
Studien zum Nachweis einer vergleichbaren Pharmakodynamik. Allerdings sehe die seit
2013 als Draft vorliegende Guideline on non-clinical and clinical development of similar
biological medicinal products containing low molecular-weight-
heparins EMEA/CHMP/BMWP/118264/2007 Rev. 1 vor, dass auf klinische Studien in
Ausnahmefällen verzichtet werden könne: „The revised guideline states that biosimilars
manufacturers would not have to conduct trials to show comparable efficacy to a
reference product if similar efficacy can be ‘convincingly deduced’ from comparison of
physiochemical characteristics, biological activity and potency and pharmacodynamic
fingerprint profiles. The guideline does mention, however, that this scenario would be
the exception to the rule, as the amount of ‘reassurance from analytical data and
bioassays would be considerable’.“
Anders als LMWH sei Glatirameracetat nach Auffassung der EMA „vermutlich als NBCD“
einzustufen. Eine produktspezifische Guideline sei nicht vorgesehen, vielmehr empfehle
man den Herstellern von Nachahmerprodukten Hybridapplikationen gemäß Artikel
10(3) der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes fur
Humanarzneimittel vom 6. November 2001. Diese könnten, was den Nachweis der
therapeutischen Äquivalenz betreffe, dem Ansatz für Biosimilars folgen.
Dementsprechend sei die GATE-Studie nach Auffassung der EMA ausreichend für die
Zulassung eines generischen GA-Präparates. Das gehe aus der Schlussfolgerung des
public assessment report eindeutig hervor. Dort heiße es, das Generikum „can be
regarded as therapeutic equivalent to the reference product. Therapeutical equivalence’
means that the efficacy and safety of this hybrid formulation is similar to the efficacy
and safety of the reference product. Agreement on this conclusion was reached between
Member States.“7
Insgesamt könne nicht oft genug gesagt werden, betonte Potthast, dass die
Zulassungsbehörden „niemals nur separat auf eine klinische Studie oder einzelne
Qualitätsparameter, sondern auf die „totality of evidence“ schauten. Als generellen
7 Public assessment report NL/H/3212/001/DC. 6 June 2016, p.17
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regulatorischen Rat für Vergleichsstudien empfahl sie, immer „ein hohes Maß an
Vorsicht walten zu lassen, bis wissenschaftlich aussagekräftige Daten vorliegen“.
Die Sicht dreier Stakeholder
„Ich lehne die Umstellung von Patienten, die auf Copaxone® eingestellt sind und damit
gute Erfahrungen gemacht haben, auf ein Nachahmerpräparat grundsätzlich ab“, sagte
der Arzt Friedemann Paul (Charité, Berlin). Das Risiko einer Verschlechterung des
Krankheitsverlaufs sei zu groß. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass es bei Patienten
mit chronischen Erkrankungen oft auch einen starken Placeboeffekt ihrer
Dauermedikation gebe. Dieser würde bei einer Umstellung entfallen. Differenzierter sei
die Sachlage aus seiner Sicht bei der Neueinstellung von Patienten zu beurteilen. Aber
auch dann müsse es mehr Daten geben, damit er ein Nachahmerpräparat wählen
würde.
Der Apotheker Christian Ude (Darmstadt) schilderte die „aut-idem-Schwierigkeiten“, die
in der Praxis regelmäßig auftreten, „wenn Sie bei der Einlösung eines Rezeptes per pop-
up-Fenster zum Austausch aufgefordert werden“. Im Spannungsfeld zwischen der
Furcht vor Regress und der therapeutischen Verantwortung sei es gerade in großen
Apotheken, die auch viele PTA beschäftigten, eine Herausforderung „diejenigen
Indikationen einzugrenzen, die aut-idem-Situationen ausschließen“. Zwar könne ein
Apotheker pharmazeutische Bedenken reklamieren, primär sei es aber Aufgabe der
Ärzte, ihre Verordnungen präzise genug zu treffen.
Im Namen der großen Gruppe von MS-Patienten erklärte Lothar Jungbluth (Obertreis),
dass diese einen Austausch ihrer Dauermedikation mit einem Generikum nicht nur als
problematisch ansehen, sondern mehrheitlich rundweg ablehnten. „Sie würden im
Zweifelsfall sogar ihren Sparstrumpf anknabbern, um weiter mit dem Originalpräparat
behandelt zu werden.“
Ausblick
In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass es einen „kardinalen
Unterschied“ (Blume) beim Einsatz von LMWH und Glatirameracetat und damit
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hinsichtlich ihrer Austauschbarkeit gibt. LMWH werden den meisten Patienten nur für
eine Woche verabreicht. „Welches Produkt dafür verwendet wird, ist den Patienten
relativ egal“ (Alban). Glatirameracetat dient dagegen der Langzeitbehandlung einer
chronischen Krankheit. Wenn man durch Substitution das „fragile Gleichgewicht der
ganzheitlichen Therapie beim Patienten stört“, riskiere man die Eskalation auf die
nächste Therapiestufe mit Medikamenten, die 50 bis 60 % teurer seien (Tischler, Teva).
Wie soll man also mit Blick auf den Austausch verfahren?
Er sei kein Freund der Substitutionsausschlussliste, sagte Theo Dingermann. Er ärgere
sich aber darüber, dass seitens der Kostenträger die ärztliche Freiheit „momentan
massiv unterlaufen“ werde. „Der Arzt muss bei der therapeutischen Entscheidung im
driver seat sitzen und die Ärzte müssen die Möglichkeit haben, auf der Basis ihrer
Erfahrung mit den Präparaten zu verordnen.“
Henning Blume verteidigte die Ausschlussliste. „Sie soll ja bezwecken, dass die
Regressdrohung wegfällt und der Arzt frei ist, zu entscheiden, ob er den Patienten
umstellt oder nicht. Wenn es inhaltliche Argumente dafür gibt, dass man den gut
eingestellten Patienten nicht einfach von einem Produkt auf das andere umstellen
möchte, dann muss der Druck der Substitution vom Arzt und vom Apotheker genommen
werden.“
„Wir befinden uns in einem Szenario, in dem the product is the process wirklich das
Leitthema ist“, bilanzierte Blume. „Wir müssen bei komplex zusammengesetzten
Arzneimitteln dafür sorgen, dass über den Prozess ein möglichst konsistentes Produkt
entwickelt wird und dass die Zulassungsentscheidungen auf einer holistischen
Betrachtung beruhen. Wenn aber der Zulassungsprozess die Austauschbarkeit nicht
garantieren kann, dann muss man dem Arzt die Entscheidung für oder gegen eine
Umstellung belassen - auch wenn es wichtig ist, das Gesundheitssystem finanzierbar zu
halten. Wenn aber Argumente dagegen sprechen, ein Arzneimittel einfach mal gegen
einen Nachahmer auszutauschen, dann muss man das im Sinne der Patienten deutlich
sagen und für Regulierungen sorgen, die einen Substitutionszwang ausschließen.“