BerlinDruck Magazin 38

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38 DAS MAGAZIN VON BERLINDRUCK So kann ich nicht arbeiten! Als ob wir nicht genug zu tun hätten. Moment, Telefon ... Dafür bin ich gar nicht zuständig. Ich hab Feier- abend! Was das wieder kostet! Dafür hab ich keine Zeit. Ach so, für sowas haben wir also Geld ... Ich mache einfach nicht mit ... Daraus wird ohnehin nichts. N O W A Y Mir doch egal. Das haben wir doch immer so gemacht. Nö. Eigentlich ist das Aufgabe der Marketing-Abteilung ... Dazu sage ich nichts. Wenn du meinst ... Mit mir kann man’s ja machen ... Bitte?! Das ist nicht mein Bereich ... Ein anderes Mal vielleicht. Geht grad nicht. Wer hat sich das nun wieder ausgedacht?! WIDERSTAND MANAGEN Ich hab das Memo nicht erhalten. Der Sinn der Maßnahme erschließt sich mir nicht. In meiner Position muss ich mir das echt nicht bieten lassen! Die Aufgabe entspricht nicht meiner Qualifikation. Ja, aber ...

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Kundenmagazin der Druckerei BerlinDruck aus 28832 Achim bei Bremen

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38DAS MAGAZIN VON BERLINDRUCK

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So kann ich nicht arbeiten!

Als ob wir nicht genug zu

tun hätten.

Moment, Telefon ...

Dafür bin ich gar nicht zuständig.

Ich hab Feier-

abend!

Was das wieder kostet!

Dafür hab ich keine

Zeit.

Ach so, für sowas haben wir

also Geld ...

Ich mache einfach nicht mit ...

Daraus wird ohnehin

nichts.

NOW A Y

Mir doch egal.

Das haben wir doch immer so gemacht.

Nö.

Eigentlich ist das Aufgabe der Marketing-Abteilung ...

Dazu sage ich nichts.

Wenn du meinst ...

Mit mir kann man’s ja

machen ...

Bitte?!

Das ist nicht mein Bereich ...

Ein anderes Mal vielleicht.

Geht grad nicht.

Wer hat sich das nun wieder

ausgedacht?!

WIDERSTAND MANAGEN

Ich hab das Memo

nicht erhalten.

Der Sinn der Maßnahme

erschließt sich mir nicht.

In meiner Position muss ich mir das echt

nicht bieten lassen!

Die Aufgabe entspricht nicht

meiner Qualifikation.

Ja, aber ...

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Unwissenheit

VORGEBRACHTE GRÜNDE

WAHRE GRÜNDE

persönliche AntipathienEigeninteresse

AngstGefühl der Bevormundung

Neuerung wird als Kritik empfunden

Verunsicherung angesichts neuer Aufgaben

IgnoranzSicherheitsbedürfnis

Unzufriedenheit mit der Arbeitsplatzsituation

Gruppenzwang

TechnikZweifel an der Wirtschaftlichkeit

fehlende Expertise

rechtliche Probleme

WARUM WIDERSTAND?

vor Veränderung

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BERLIN Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

steht auf Ihrem Tisch unser BerlinDruck-Tischkalender? Müsste eigent-lich. Denn geschickt haben wir ihn pünktlich zum letzten Jahreswechsel. Nun schauen Sie bitte auf die Wire-O-Spirale am Kopf: eckige Löcher. Das ist Ihnen bisher natürlich noch nie aufgefallen. Warum auch? Sie wollen wissen, welcher Tag heute ist. Dafür ist ein Kalender schließlich da.

Warum ich Ihnen diese Frage stelle? Wir haben jahrelang Millionen dieser Kalen-der mit runden Stanzlöchern produziert. Vor einigen Jahren bekamen wir eine neue Stanzmaschine. Schneller, besser, schöner. Mit eckigen Löchern. Einen Tischkalenderkunden informierten wir über diese Änderung. Ein ganz klares »Nein« war die Antwort. Keine Chance. Rund – oder wir suchen uns einen ande-ren Lieferanten.* Die Frage nach dem Ablehnungsgrund war schnell beantwor-tet: »Wir hatten immer runde Löcher!«

Obwohl die Fähigkeit zur Veränderung zu den Erfolgsfaktoren eines Unter-nehmens gehört, beißen wir immer wieder auf Granit, wenn das »gute Alte« durch das »neue Unbekannte« ersetzt werden soll. Dabei spielt es nicht einmal eine Rolle, ob das »gute Alte« vielleicht immer schon gar nicht so gut war. Der Wi-derstand, ob offen oder verdeckt, kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.

Warum das so ist und was wir dagegen tun können, darüber wollen wir in der mittlerweile 38. Ausgabe unseres Kundenmagazins informieren. Erfahren Sie von unseren Autoren, welches die neurobiologischen Gründe für unseren Wider-stand gegenüber Veränderungen sind, warum er sich in anderen Kulturen anders manifestiert, wie Sie Widerstände bei sich und anderen überwinden können und warum Theater dabei helfen kann. Im Streikjahr 2015 hat uns auch die Kunst der Schlichtung interessiert – Heiner Geißler stand uns dafür Rede und Antwort. Und anlässlich des bevorstehen 25. Jahrestags der deutschen Einheit werfen wir ei-nen Blick zurück auf die Widerstände, mit denen ehemalige DDR-Unternehmen nach der Wende konfrontiert waren. Last but not least können Sie lesen, welchen Druck wir überwinden mussten, als ich die operative Führung des Unternehmens 2013 an unseren Geschäftsführer Frank Rüter übergeben habe.

Spannende Lektüre wünscht Ihnen Ihr

Reinhard Berlin

*PS: Natürlich haben wir den Auftrag behalten. Ein externer Buchbinder machte die Sache »rund«.

Manchmal träume ich schwerund dann denk ich, es wär Zeit zu bleiben und nunwas ganz and’res zu tun.So vergeht Jahr um Jahrund es ist mir längst klar,dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.

Hannes Wader»Heute hier, morgen dort«

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EINBLICK

Der Preis des WiderstandsDas kosten unmotivierte Mitarbeiter die Volkswirtschaft 12

PERSPEKTIVE

»Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle«Street-Art-Künstlerin Barbara erhebt Einspruch 14

METHODE

»Unsere Anforderungen wurden nicht erfüllt«Über die Einführung neuer IT in Behörden 16

METHODE

Vorhang auf für die Hofnarren Wie Unternehmenstheater funktioniert 18

EDITORIAL 1

GESPRÄCH

»Manchmal muss man die moralische Keule schwingen« Heiner Geißler über Schlichtung im Arbeitskampf 4

METHODE

Der Drache steigt nur gegen den Wind Die Kunst, Widerstand in Kooperation zu verwandeln 8

METHODE

»Ich will so bleiben, wie ich bin« Hirnforscher Gerhard Roth über die neurobiologischen Grundlagen unserer Veränderungsresistenz 10

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BERLIN Inhalt

METHODE

Ich und mein innerer Schweinehund Eigene Widerstände überwinden 20

EINBLICK

»Widerstand gehört zu unserem Alltag«BerlinDrucks Wandel vom Familien- zum Industriebetrieb 22

PERSPEKTIVE

Ästhetik des WiderstandsPeter Bialobrzeskis Fotoserie »Nail Houses« 26

EINBLICK

Schattenboxen Widerstand in China 28

GESPRÄCH

»Je mehr Fragen ich stelle, desto einfacher wird es« Kirow-Geschäftsführer Ludwig Koehne über den schwierigen Weg des Kranbauunternehmens 32

PERSPEKTIVE

Blick auf den Veränderungsprozess 36

BIBLIOTHEK

Bartleby – der unergründliche Verweigerer

BIBLIOTHEK

Buchtipps 39

UMSCHAU

Unwiderstehliche Produkte 40

KOLUMNE

Google ist doooof 42

AUSDRUCK

BerlinDruck-News 43

AUSDRUCK

Gutenberg 5.0Unsere neue Druckmaschine 44

IMPRESSUM 48

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BERLIN Gespräch

Herr Dr. Geißler, als Schlichter werden Sie gerufen, wenn der Tarifkonflikt so festgefahren ist, dass nichts mehr geht. Welche Stimmung finden Sie dann vor? Reden die Leute überhaupt noch miteinander?Also, am Anfang der Sitzung herrscht natür-lich eher eine angespannte Atmosphäre, denn sonst hätten die Tarifparteien sich ja vorher geeinigt. Da kann es schon sein, dass die Beteiligten sich ziemlich einsilbig verhal-ten und einander verstimmt gegenübersit-zen. Oft hat sich im Vorfeld jemand in irgend-einer Zeitung geäußert und die Vorschläge der anderen Seite als absurd oder ungut be-zeichnet, was die Atmosphäre zusätzlich auf-heizt. Da muss man als Schlichter erst einmal auflockern. Am besten erzählt man einen Witz und redet ganz unbefangen mit den Leu-ten, sagt etwa »Jetzt stellt euch nicht so an, wir sind hier doch unter Erwachsenen und nicht im Kindergarten«.

Gibt es Regeln?Es gibt die Friedenspflicht, die Arbeitskämp-fe während der Schlichtung verbietet. Sie war für mich auch bei »Stuttgart 21« von überragender Bedeutung. Es ist ja nicht

» Manchmal muss man die moralische Keule schwingen«

Deutschland im Streikjahr 2015: Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hatten sich bereits zum Sommeranfang 500.000 streik- und warnstreikbedingte Ausfalltage angehäuft – dreimal so viele wie im Vorjahr, der höchste Wert seit 22 Jahren. Wenn im Tarifkonflikt die Fronten derart verhärtet sind, ist die Schlichtung das letzte Mittel, um den Arbeitskampf noch zu verhindern oder zu beenden. Der Schlichter ist dann die oberste Autorität. Er fällt am Ende den Schlichterspruch, dessen Annahme oder Ablehnung über den Erfolg bzw. Misserfolg der Tarifverhandlung entscheidet. BERLIN wollte von Dr. Heiner Geißler, dem seit »Stuttgart 21« berühmtesten und in Tarifkonflikten erfah- rensten Schlichter Deutschlands, wissen, unter welchen Voraussetzungen man die Front-stellung der Beteiligten überwinden und zu einer gütlichen Einigung gelangen kann.

sinnvoll, dass während der Schlichtung die Baukräne am Fenster vorbeifahren und mög-licherweise irreversible Fakten schaffen. Das war anfangs der Hauptstreitpunkt. Ich habe gesagt, ich mache die Schlichtung nur, wenn es einen Baustopp gibt. Die Landesregierung und die Bahn und die Regionalplanung woll-ten davon natürlich nichts wissen. Ich habe aber darauf bestanden. Im Gegenzug sollten die Verantwortlichen der anderen Seite da-für sorgen, dass keine Krawalldemonstratio-nen stattfinden. Und darauf haben wir uns dann auch geeinigt.

Was ist mit der Presse? Darf jeder wäh-rend der nichtöffentlichen Schlichtungs-verhandlungen mit der Presse reden – oder ist das verboten bzw. können Sie das als Schlichter verbieten?Ein Denk- und Sprechverbot gibt es genauso wenig wie ein Demonstrationsverbot, das können Sie in einer Demokratie nicht ma-chen. Aber wer mit der Presse redet, gefähr-det dadurch das Ergebnis. Wenn jemand Details aus der Verhandlung an die Presse durchsticht, dann ist die Schlichtung schon gescheitert. Das ist also eine Frage der Ver-nunft und der Klugheit.

HEINER GEISSLER ÜBER SCHLICHTUNG IM ARBEITSKAMPF

Dr. Heiner Geißler schlichtete von 1995 bis 2002 viermal in der Bau industrie, 2004 bei den Piloten der Fluggesellschaft LTU, 2006 bei der Telekom, 2007 bei der Bahn (zusammen mit Kurt Biedenkopf) und 2010 bei dem umstrittenen Bahnprojekt »Stuttgart 21«.

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»Ein Denk- und Sprech- verbot gibt es nicht.

Aber wer mit der Presse redet, gefährdet

dadurch das Ergebnis.«

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BERLIN Gespräch

Wie beginnt man? Vermutlich will keine Seite als Erste nachgeben, weil sie Angst hat, dann zu verlieren. Aber wenn sich keiner bewegt, kommt man ja auch zu keinem Ergebnis.Zuerst einmal müssen natürlich alle an einem Tisch sitzen. Und dann muss man versuchen, die Diskussion schnell zu versachlichen. Eine vernünftige Schlichtung beginnt deshalb im-mer mit einem Faktencheck, bei dem beide Seiten den Status quo ante schildern. Das heißt den Standpunkt vortragen, den sie vor der Schlichtung gehabt haben, und darlegen, warum bislang eine Einigung nicht möglich war. Aber vor allem noch mal die zugrunde liegenden Daten referieren. Also wie sie die wirtschaftliche Situation einschätzen, die Inflationsrate, die Arbeitsmarktlage in der betreffenden Branche. Alle ökonomischen oder sozialen Fakten müssen auf den Tisch.

Haben Sie dann alle Zeit der Welt oder müssen Sie unter Zeitdruck schlichten?Die Dauer der Schlichtung ist in der Regel ge-setzlich bzw. tarifvertraglich befristet. Des-halb gerät man gegen Ende meist unter Zeit-druck. Und da wird dann sozusagen die Uhr angehalten. Das heißt, wenn die Frist um Mitternacht abläuft, man sich aber noch nicht einig oder der Schlichterspruch noch umstritten ist, dann hält man die Uhr an und macht einfach bis zum Morgen durch. Das ist für beide Seiten sehr strapaziös und ganz besonders für den Schlichter.

Sitzen alle Beteiligten durchgehend mit Ihnen an einem Tisch oder führen Sie auch Einzelgespräche? Gibt es Pausen?In der heißen Endphase verhandelt der Schlichter meist gesondert mit den Tarifver-tragsparteien. Dafür muss es separate Räum-lichkeiten geben. Der Schlichter hört sich die Vorschläge der einen Seite an und versucht auszuloten, wie weit diese nachgeben kann. Dann geht er mit dem Ergebnis zur Gegen-seite, die in einem anderen Raum sitzt. In der Zeit, wo ich etwa mit den Gewerkschaften rede, können sich die Arbeitgeber ausruhen. Und wenn ich mit deren Angebot wieder zu den Arbeitgebern zurückkehre, können sich die Gewerkschaften ausruhen. Wenn das drei- oder viermal in der Nacht hin- und her-geht, dann kann das schon mal fünf bis sechs Stunden dauern.

Das verlangt dem Schlichter ja körper-lich enorm viel ab.Sie sagen es. Bei einer meiner Schlichtungen habe ich von Dienstagvormittag bis zum Donnerstagmorgen, 6 Uhr, nicht geschla-fen, während die anderen sich zwischendrin sehr wohl ausruhen konnten. Da brauchen Sie schon eine Rossnatur, damit Sie das durchstehen. Ich habe das sieben Jahre lang im Bauhauptgewerbe gemacht, die Schlich-tungen sind auch bis auf eine geglückt, aber ich hoffe nicht, dass es heute noch so prakti-ziert wird.

Leidet denn die geistige Präsenz der Be-teiligten nicht unter diesen Strapazen?Die geht zum Glück nicht verloren. Irgend-wann sind wir so müde, dass wir wieder hell-wach sind.

Und Sie trinken vermutlich viel Kaffee. Setzen Sie sich auch mal auf ein Bier-chen oder ein Glas Wein zusammen?Nein, Alkohol ist tabu. Wer Alkohol trinkt, hat verloren. Der kann nicht mehr klar denken.

Haben Sie erlebt, dass es bei einer Schlichtung überhaupt nicht mehr um die Sache ging, sondern persönliche Antipathien ausgefochten wurden?Das habe ich nur einmal erlebt bei einer Schlichtung, wo auf Unternehmensseite der Geschäftsführer verhandelte und sehr ag-gressiv und von Animositäten geprägt argu-mentierte. Damals habe ich den Eigentümer des betreffenden Unternehmens angerufen und gebeten, herzukommen und sich das an-zuhören. Und dann konnte eine Einigung auf der Grundlage des Votums des Eigentümers erzielt werden, der einen etwas größeren Überblick als sein Geschäftsführer hatte.

Müssen Sie als Schlichter auch selber einstecken? Sind Sie schon mal ins Kreuzfeuer geraten oder zum Sünden-bock gemacht worden? Nein, erlebt habe ich so etwas nicht, aber ich habe natürlich erlebt, dass Vorschläge von mir oder der von mir gefällte Schlichterspruch abgelehnt wurden. Dass sich die eine Seite mit meiner Stimme hat überstimmen lassen. Und dann gingen die Unterlegenen raus und die Tarifkommission saß schon im anderen Raum und hat die Schlichtung abgelehnt. Da-mit war dann die Schlichtung gescheitert.

Verraten Sie uns, welche Eigenschaften ein Schlichter erfüllen sollte?Zuallererst muss der Schlichter das Vertrau-en beider Seiten besitzen – zumindest in den Fällen, wo es nur einen und nicht zwei Schlichter gibt. Das ist unabdingbare Voraus-setzung. Und zweitens sollte er so viel Intel-ligenz und Sachverstand haben, in der Lage zu sein, kompliziertere Probleme zu erken-nen. Die Schlichtung lebt ja auch davon, dass der Schlichter gescheite Vorschläge macht und Alternativen entwickelt, die beiden Sei-ten eine Zustimmung ermöglichen. Etwa statt vier Prozent Lohnerhöhung nur drei Prozent, aber verbunden mit einer Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes. Optisch macht sich das für die Arbeitgeber besser und die Arbeitnehmer werden angemessen ent-schädigt. Unterm Strich kommt dabei dassel-be raus. Aber die Optik ist wichtig für die Schlichtung, denn das Ergebnis muss ja in der Öffentlichkeit kommuniziert werden.

»Irgendwann sind wir so müde,

dass wir wieder hellwach sind.«

»In der heißen End-phase verhandelt

der Schlichter meist gesondert mit

den Tarifvertrags- parteien.«

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BERLIN Gespräch

Ist es nicht verdammt schwer, ein neu-traler Verhandlungspartner zu sein, weil man doch vielleicht selbst der einen Seite mehr zuneigt als der anderen?Wenn das der Fall ist, dürfen Sie das Schlich-tungsamt nicht übernehmen. Man muss na-türlich strikt neutral sein, aber sich trotzdem Gedanken machen über Lösungen, die man beiden Seiten zumuten kann. Unter meinem Vorsitz ist seinerzeit der erste Mindestlohn vereinbart worden und das ist damals vor al-lem den ostdeutschen Baubetrieben schwer-gefallen, weil sie den westdeutschen Baube-trieben auch mit Lohndumping Konkurrenz machten. Weshalb der Mindestlohn damals von der Arbeitgeberseite vorgeschlagen wurde, weil man sich der Billiganbieter aus Ostdeutschland und Polen nicht mehr anders zu erwehren wusste. In einer solchen Situati-on muss man manchmal auch die moralische Keule schwingen und die Leute zur Vernunft und zum Anstand ermahnen. Dazu brauchen Sie eine gewisse Autorität und die haben Sie nicht, wenn Sie parteiisch sind.

Was ist denn wichtiger – dass man ein gutes Ergebnis erzielt oder dass nie-mand sein Gesicht verliert? Beides gehört zusammen, denn das Ergeb-nis muss gut sein und darf gleichzeitig den anderen nicht demütigen. Wir müssen den Abschluss ja vor der Öffentlichkeit vertreten und begründen. Da können Sie natürlich nicht immer auf Zustimmung hoffen. Die Frankfurter Rundschau wird ein solches Er-gebnis immer anders bewerten als die FAZ. Das ist aber nichts Besonderes. Davon darf man sich nicht beeindrucken lassen.

Haben Sie im Tarifkonflikt auch erlebt, dass eine Seite gar nicht an einer Eini-gung interessiert ist und die Schlich-tung gewissermaßen boykottiert? Ja, das kommt schon vor, dass eine Seite be-schließt: »Jetzt zeigen wir es denen mal und lassen es auf einen Streik ankommen«, um nach innen wie außen zu demonstrieren, dass sie in der Lage ist, hart für die eigene Sache zu kämpfen. Das betrifft Arbeitgeber wie Gewerkschaften gleichermaßen. Aber das ist natürlich keine Dauerlösung; da wird mit den Muskeln gespielt, nicht zuletzt um verbandsinterne Widerstände zu beseitigen. Die Führung bei den Arbeitgeberverbänden oder Gewerkschaften ist ja intern nicht im-mer unumstritten. Da gibt es Leute, die eine friedlichere Lösung anstreben, und andere, die sagen: »Es reicht, jetzt müssen wir eine härtere Gangart einlegen.« Es kommt also auch vor, dass aus solch verbandsinternen Gründen keine Einigung erzielt wird. Das ist ja in der Politik nicht anders.

Sapere aude! Warum wir eine neue Aufklärung brauchen Heiner Geißler Ullstein Verlag 2012 ISBN: 978-3-550-08881-0 160 Seiten, (D) 16,99 €

Was müsste Luther heute sagen? Heiner Geißler Ullstein Verlag 2015 ISBN: 978-3-550-08045-6 288 Seiten, (D) 20,00 €

Der CDU-Politiker Dr. Heiner Geißler (* 1930) war 25 Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestages sowie Landes- und Bundesminister. Er gilt als einer der besten politischen Redner der Republik und ist Autor zahlreicher Bestseller, zuletzt Was müsste Luther heute sagen?. Davor hat er in Sapere aude! öffentliche Schlichtungsverfahren à la »Stuttgart 21« als ein Mittel diskutiert, um die Krise der Demokratie zu überwinden, die Bürger stärker zu beteiligen und politischen Entscheidungen mehr Transparenz und Akzeptanz zu verschaffen.

Würden Sie sagen, dass die politische Arbeit in der Partei, wo man ja auch ge-meinsame Standpunkte finden muss, eine gute Schulung für so einen Schlich-tungsprozess ist?Das glaube ich weniger. Vergleichbar sind eher Koalitionsverhandlungen – Sigmar Gabriel hat die SPD-Mitglieder sogar förmlich darüber abstimmen lassen. Das ist ein Prozess, der einer tariflichen Einigung nahekommt, nur unter ganz anderen Bedingungen. Es sind ja auch völlig andere Größenordnungen, weil das Themenspektrum enorm breit ist, von der Verteidigungspolitik bis zur Gesundheits-politik reicht. Dagegen geht es bei Tarifver-handlungen meist um sehr konkrete Fragen, insbesondere des Arbeitsrechts und der Lohnfindung.

Bei den Koalitionsverhandlungen gibt es ja in dem Sinn auch keine Schlichter, da werden keine neutralen Dritten hinzugezogen.Ganz genau. Das Volk schlichtet dann bei der nächsten Wahl – oder die Verhandlungen scheitern, dann kommt die Koalition nicht zustande.

Vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung: Was raten Sie Unternehmern mit Wider-ständen im eigenen Unternehmen? Harte Hand oder offenes Ohr? Da kann ich nur raten, nicht die harte Tour zu fahren. Es ist ja auch ökonomisch gescheit, im Betrieb die richtige Atmosphäre zu schaf-fen, weil der Betriebsfrieden eben auch ein Produktionsfaktor ist. Eine Firma, in der ein schlechtes Betriebsklima herrscht, wird ent-sprechend schlechte Produkte als Ergebnis bekommen.

Herr Dr. Geißler, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.

»Das Ergebnis muss gut sein und

gleichzeitig darf es den anderen nicht

demütigen.«

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BERLIN MethodeBERLIN Methode

Petra van Wickeren (* 1972) ist Diplom-Psychologin und hat neben ihrer Beratungsexpertise (seit 1998) auch selber einige Jahre als Führungskraft in einem Konzern gearbeitet. Seit 2006 ist sie selbstständige Management-beraterin und Coach für Verände- rungsprozesse und Entwicklungs- themen, im Großen für ganze Organisationen wie im Kleinen für einzelne Menschen.

www.vanwickeren.org

Sie wollen in Ihrem Unternehmen Strukturen verändern, Neues erproben, andere Denkweisen oder Regeln etablieren? Dann werden Sie es zwangsläufig mit Widerstand zu tun bekommen. Denn Konflikte sind normaler Bestandteil von Veränderungsprozessen. Gehen Sie nicht davon aus, dass Sie alle ins Boot kriegen. Als Faustregel gilt hier: Ein Drittel der Mitarbeiter wird vermut-lich schnell mit an Bord sein, ein weiteres Drittel wartet erst mal ab und ein Drittel ist per se dage- gen. Deshalb ein guter Tipp vorweg: Motivieren und überzeugen Sie den Mittelteil, sodass Sie die kritische Masse in die positive Richtung bewegen.

Dies wird auch förderlichen Einfluss auf die Zweifler und Skeptiker ha-ben. Und es wertschätzt die Beiträge der Mitziehenden – besonders dann, wenn sie eine aktive Rolle in diesem Spiel haben und sich ein-bringen und glänzen dürfen. Tatsächlich besteht eine der Hauptauf-gaben von Führungskräften genau im Managen von Widerständen oder, positiv ausgedrückt, im Managen der Kooperation.

Unterschiedliche Gründe und Formen des WiderstandsDabei gilt es zu berücksichtigen, dass Veränderungsprozesse ganz unterschiedliche Reaktionen und Ängste auslösen. Wer lieber etwas distanziert im Umgang mit seinen Mitmenschen ist, wird nun viel-leicht befürchten, anderen ausgeliefert zu sein und von ihnen ver-einnahmt zu werden. Ganz im Gegensatz zu den Nähe und Harmonie liebenden Typen – die haben eher Angst vor schweren Konflikten, der Zerstörung der Teamstrukturen durch zunehmendes Konkur-renzdenken und Isolation. Wer hingegen ein großes Bedürfnis nach Ordnung und klaren Verhältnissen hat, der befürchtet das Ausbre-chen des totalen Chaos, den Kollaps bestehender Verhältnisse bis hin zur Anarchie. Und selbst die Typen, die Veränderung und Ab-wechslung lieben, sind nicht frei von Vorbehalten – hier richten sie sich allerdings nicht gegen den Wandel an sich, sondern eher gegen

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BERLIN MethodeBERLIN Methode

Der

Grenzen, welches Verhalten wird zukünftig gewünscht, wie wird mit Nichtgewolltem verfahren? Bei vielen Managern herrscht die Überzeugung: »Wenn ich dem Wider-stand Raum gebe und meinem Gegenüber verständnisvoll zuhöre, dann hat er doch das Gefühl, dass ich ihm zustimme – und aus der Nummer komm ich dann nicht mehr raus!« Aber Wahrnehmen heißt nicht auto-matisch Rechtgeben. Und interessanter-weise reagieren Menschen mit Ängsten und Befürchtungen am besten, wenn man ihnen Gehör schenkt. Weghören und Ignorieren wiederum bestärkt eher den Widerstand – wer sich nicht wahrgenommen fühlt, wird entweder noch stiller oder meint, eins drauflegen zu müssen, damit er Beachtung findet. Führungskräfte sind also gut bera-ten, öfter mal die Ohren auf- und den Mund zuzumachen.

Die Erhöhung des Drucks oder das »Tot-quatschen« mit Sachargumenten – zwei be-liebte Management-Strategien – sind in die-ser Situation eher kontraproduktiv. Denn Widerstand ist meist emotionaler Natur, nicht logisch oder rational. Eine Faustregel besagt: 80 Prozent des Widerstands gründen auf Un-sicherheit oder Angst, zehn Prozent auf un-berücksichtigten Interessen und zehn Pro-zent auf sachlichen Bedenken. In nur we- nigen Fällen richtet sich der Widerstand der

DIE KUNST, WIDERSTAND IN KOOPERATION ZU VERWANDELN

starre Projektpläne, notwendige und manch-mal zähe Schnittstellen-Klärungsprozesse und ein enges Monitoring des Veränderungs-prozesses. Eben gegen alles, was die Frei-heit und Spontaneität einschränkt.

All diese Vorbehalte und Ängste können sich ganz unterschiedlich äußern: Aggres-sion, Bockigkeit, Desinteresse, Empörung, vielleicht auch nur die hochgezogene Augen-braue, das genervte Augenrollen oder die klassischen verschränkten Arme (welche manchmal lediglich die Schultern entlasten sollen). Das Spektrum der Erscheinungsfor-men des Widerstands reicht von Intrigen und Koalitionsbildung über Bagatellisieren bis zum Lächerlichmachen, er kann sich aber auch in Antriebslosigkeit und ausweichen-dem Verhalten manifestieren. Oft kommt der Widerstand im Tarngewand daher – wer sagt schon direkt: »Da mach ich nicht mit!«? – und will erst mal entschlüsselt werden.

Tipps zum WiderstandsmanagementWie nun aber damit umgehen? Das Handling von Widerständen sendet ja wichtige Signa-le in die Organisation: Was geht, wo gibt es

steigt nur

denWindgegen

Drache

Betroffenen also gegen die Veränderung an sich – viel häufiger sind sie unzufrieden mit der Art und Weise, wie ein Veränderungspro-zess geführt wird (intransparent, un syste- matisch, ohne richtiges Projekt- und Change-Handwerkszeug, nicht nachhaltig …). Im Ge-gensatz zu den ängstlichen, leisen Be-denkenträgern, bei denen genaues Hinhören und ein ernsthaft interessierter Dialog die Mittel der Wahl sind, um Vertrauen aufzu-bauen und den Zugang zur Entschlüsselung des Widerstands zu finden, sollte man die eher lauten, reaktionsfreudigen Wider-ständler aktiv einbeziehen (z. B. in Projekt-gruppen oder andere Initiativen), um ihre Energie in die richtigen Bahnen zu lenken und konstruktiv zu nutzen.

Arbeiten Sie also mit den Widerständen, nicht gegen sie. Und horchen Sie insbeson-dere dann auf, wenn Veränderungen gar kei-nen Widerstand erzeugen. Denn bei genaue-rer Betrachtung könnte es daran liegen, dass a) alle die Veränderung rückhaltlos begrüßen (was in der Regel eher unwahrscheinlich ist), b) die Betroffenen noch gar nicht richtig ver-standen haben, welche Reich weite und Kon-sequenzen die Veränderung eigentlich hat, c) sich niemand traut, seine Bedenken vor-zubringen (dann haben Sie noch ein ganz an-deres Problem!), oder d) ohnehin niemand daran glaubt, dass die Veränderung nachhal-tig umgesetzt wird. Wenn Sie also zukünftig auf Widerstand stoßen, dann betrachten Sie ihn einfach als einen Lackmustest für profes-sionelles Change Management, bei dem auch Sie als Manager lernen dürfen; ärgern Sie sich nicht darüber, sondern rollen Sie ihm lie-ber den roten Teppich aus und bitten ihn zum Tanz.

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BERLIN Methode

»Ich will so bleiben, wie ich bin«DER RENOMMIERTE HIRNFORSCHER

GERHARD ROTH ERKLÄRT DIE GRUNDLAGEN

UNSERES WIDERSTANDS GEGEN VER-

ÄNDERUNGEN UND WIE WIR UNSER GEHIRN

DOCH FÜR NEUES GEWINNEN KÖNNEN

Unser Leben besteht aus einer Mischung von Veränderung und Sta-bilität. In den ersten Lebensabschnitten herrschen die Veränderun-gen vor: Der ganz junge Mensch wächst, erfährt und lernt jeden Tag etwas Neues, seine soziale Umgebung wandelt sich von der Familie über den Kindergarten, die Schule und die Berufsausbildung oft dra-matisch. Mit dem Erreichen der Volljährigkeit kehrt bei den meisten Menschen eine gewisse Ruhe ein, die zum Alter hin in der Regel noch zunimmt. Je älter wir werden, desto mehr Stabilität möchten wir – und desto stärker leiden wir unter Veränderungen.

Mit zunehmendem Alter wird unsere Persönlichkeit weniger wandelbarAllerdings hängt der Umgang eines Menschen mit Veränderung und Stabilität stark von seiner Persönlichkeit ab, die nach Ansicht der Persönlichkeitsforscher bereits mit rund 15 Jahren schon weitge-hend, wenngleich nicht völlig, verfestigt ist. Interessanterweise hat die Pubertät darauf nur einen geringen Einfluss. Menschen zeigen schon früh eine Grundeinstellung zum Leben: Entweder sind sie hartnäckige Optimisten oder Pessimisten, daran ändern Misserfolge bzw. Erfolge nur vorübergehend etwas, oder sie sind ausgeglichen und lassen sich überhaupt nur wenig aus der Ruhe bringen.

Lediglich ein relativ kleiner Teil der Menschen (Psychologen schätzen ihn auf zehn bis 20 Prozent) liebt Veränderungen nicht nur in der Jugend, sondern auch im Erwachsenenalter. Diese Menschen langweilen sich schnell, machen ständig neue Pläne, ohne die alten halbwegs verwirklicht zu haben, sind rastlos im Fühlen und Denken und gehen oft große Risiken ein. Man nennt sie die »Erlebnishungri-gen«, englisch »Sensation Seekers«. Aus neurobiologischer Sicht haben sie einen Mangel an hirneigenen Belohnungsstoffen – den »endogenen Opioiden« – und an der Beruhigungssubstanz Seroto-nin und versuchen diesen Mangel (meist nur vorübergehend) durch ein besonders abwechslungsreiches Leben und aufregende Taten zu ersetzen, durch Alkohol, exzessiven Sex und Drogen.

Unser Gehirn mag keine VeränderungenDie meisten von uns wollen lieber, dass alles beim Alten bleibt, zu-mindest wenn es um unsere Lebensgewohnheiten geht. Woher kommt das? Ganz generell verändert sich unser Gehirn und damit unsere Persönlichkeit nur dann, wenn eine Belohnung damit ver-bunden ist. Veränderungen in den Etagen unseres Gehirns, die für unsere Persönlichkeit zuständig sind – »limbisches System« ge-nannt –, gehen in aller Regel langsam und sind für das Gehirn »teu-er«, weil sie mehr Stoffwechselenergie und sonstigen neuronalen Aufwand benötigen. Daher neigt das erwachsene Gehirn mit zu-nehmendem Alter dazu, sie möglichst zu vermeiden und auf Num-mer sicher zu gehen. Es gibt also in uns eine Tendenz zum »Weiter-machen wie bisher«, die von unserem Gehirn über die Ausschüttung der bereits genannten hirneigenen Belohnungsstoffe verstärkt wird. Aus diesem Grund sprechen wir von den »lieben Gewohnhei-ten«, weil ihre Ausführung die meisten von uns beruhigt oder sogar glücklich macht.

Hinzu kommt: Über 90 Prozent unserer Alltagshandlungen sind automatisiert, sie werden von Netzwerken gesteuert, die sich in den Basalganglien und im Kleinhirn befinden und nicht mehr direkt unserem bewussten Willen ausgesetzt sind. Das spart dem Gehirn viel Zeit und Energie, macht unsere Gewohnheiten aber weitgehend immun gegenüber Veränderungen. Auch des-halb fällt es uns so schwer, sie abzulegen oder mit unseren Routi-nen zu brechen.

Nun ist der Widerstand gegen Veränderungen in der Regel eine durchaus sinnvolle Sache, denn jede Veränderung birgt das Risiko der Verschlechterung oder des Scheiterns. Man soll also nicht un-gestraft das Bewährte aufgeben! Hinzu kommt eine in der Persön-lichkeitspsychologie bekannte Tatsache: Für die meisten von uns wiegt die Furcht vor Nachteilen in der Regel doppelt so schwer wie die Aussicht auf Gewinn und der eingetretene Verlust schmerzt doppelt so stark, wie der eingetretene Gewinn Freude bereitet.

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BERLIN Methode

Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth (* 1942) lehrt Verhaltensphysiolo-gie und Entwicklungsneuro biologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen, dessen Direktor er bis 2008 war. Er ist einer der bekanntesten europä-ischen Neurobiologen und Autor zahlreicher Bücher. Mit seiner Roth GmbH – Applied Neuroscience, die sich der Anwen dung neuro-wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Wirtschaft verschrieben hat, berät er auch Unternehmen.

www.ans-roth.de

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern Gerhard Roth 9., akt. und erw. Aufl., Klett-Cotta Verlag 2015 ISBN: 978-3-608-98043-1 427 Seiten, (D) 12,95 €

»Ich will so bleiben, wie ich bin«

soziale und intrinsische Belohnungen sehr verschieden. Deshalb sollten Unternehmen die Art und Weise, wie sie über Belohnun-gen und Belohnungsversprechen Menschen für Veränderungen motivieren, an deren Persönlichkeit ausrichten, und zwar umso genauer, je wichtiger ein Mitarbeiter ist. Das wiederum erfordert geeignete Verfahren zur Bestimmung der individuellen Persön-lichkeit. Viele populäre Tests sind dabei we-nig wirksam und dienen höchstens einer Vor auswahl. Besser ist Forschungserkennt- nissen zufolge ein »Big Five«-Persönlich-keitstest, kombiniert mit einem Experten- interview. Aber leider wird in der Wirtschaft die Notwendigkeit, sich mit der Persönlich-keit des Mitarbeiters (natürlich in den Gren-zen des gegenseitigen Respekts) zu befas-sen, noch zu wenig ernst genommen oder man vertraut auf – aus wissenschaftlicher Sicht – hanebüchene Methoden. Hier ist ein Umdenken gefragt: Wenn Unternehmen die Motivation ihrer Mitarbeiter nachhaltig för-dern wollen, müssen sie deren Hirnen die richtigen Anreize bieten.

Wie wir den Widerstand unseres Gehirns überwinden könnenDaraus folgt, dass jeder Aufruf zur Verände-rung mit einer Belohnung verbunden sein muss, die stärker wirkt als die Belohnung, die mein Gehirn mir verabreicht, wenn ich ein-fach weitermache wie bisher. Diese Tatsache wird meist krass unterschätzt, insbesondere in der Wirtschaft. Dabei ist die Belohnung der Schlüssel, um den Widerstand des Gehirns gegenüber Veränderungen zu überwinden.

Aber wie belohnt man am besten? Man unterscheidet zwischen materieller Beloh-nung (meist Gehalt, Bonuszahlungen usw.), sozialer Belohnung (Lob, Anerkennung, Be-wunderung, nichtmonetäre Privilegien) und intrinsischer Belohnung (Spaß an der Tätig-keit, Selbstverwirklichung, die Freude, an ei-ner wichtigen Sache mitzuarbeiten, usw.). Materielle Belohnungen wirken schnell, las-sen aber bei Wiederholung rasch in ihrer Wir-kung nach, sodass man sie ständig steigern muss, was richtig teuer wird. Soziale Beloh-nungen nehmen in ihrer Wirkung auch ab, wenngleich langsamer, und sie müssen stän-dig variiert werden. Zudem kann nicht jeder gleichermaßen für alles und jedes belohnt werden. Intrinsische Belohnung hingegen nimmt nicht ab, solange Erfolg und Misser-folg sich zumindest die Waage halten, son-dern steigert sich bei Erfolg sogar.

Nun sind die Menschen allerdings hin-sichtlich der Empfänglichkeit für materielle,

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BERLIN Einblick

Der Gallup Engagement Index 2014 für Deutschland be-legt: Der Grad der emotionalen Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen hat entscheidenden Einfluss dar-auf, wie offen sie gegenüber Veränderungen sind. Men-schen mit einer hohen emotionalen Bindung – die Leis-tungsträger (15 %) – werden sich in der Regel engagiert für den Wandel einsetzen, während Menschen mit gerin-ger emotionaler Bindung (70 %) Dienst nach Vorschrift machen und Neuerungen eher abwartend und skeptisch gegenüberstehen. Eine aktiv-destruktive Haltung ist am meisten von denjenigen zu befürchten, die keinerlei emotionale Bindung an die Firma und also innerlich be-reits gekündigt haben (15 %).

15 %Mitarbeiter ohne emotionale Bindung (innere Kündigung)

Mitarbeiter mit geringer emotionaler Bindung

70 %

15 %Mitarbeiter mit hoher emotionaler Bindung

3,8 Fehltagebei hoher emotionaler Bindung

6,5 Fehltagebei geringer emotionaler Bindung

8,8 Fehltageohne emotionale Bindung

Milliarden Euro73-95volkswirtschaftliche Kosten aufgrund innerer Kündigungen

Milliarden Euro22,3jährliche Kosten durch erhöhte Fehlzeiten bei geringer und fehlender emotionaler Bindung

Der Preis des WiderstandsEmotional nicht beteiligte Mitarbeiter sind unmotivierter und leisten Widerstand auf allen Ebenen. Die dadurch bedingten Reibungsverluste sind enorm. Das kostet die Volkswirt-schaft viele Milliarden Euro. Doch nicht nur deshalb steht Deutschland in Sachen Innovations-freundlichkeit im internationalen Vergleich nicht gut da.

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BERLIN Einblick

Gallup hat errechnet, dass die Kosten für die deutsche Wirtschaft aufgrund innerer Kündigung jährlich zwi-schen 73 und 95 Milliarden Euro betragen. Denn Mitar-beiter ohne emotionale Bindung weisen signifikant hö-here Fehlzeiten auf, sie fallen als Markenbotschafter für ihre Unternehmen weitgehend aus und fast die Hälfte von ihnen ist auf dem Absprung, was Unternehmen ent-sprechend hohe Fluktuationskosten beschert.

In einer Meta-Analyse von 192 Unternehmensdaten aus 49 Branchen hat Gallup zudem ermittelt, dass Ar-beitsgruppen mit niedriger emotionaler Bindung ein gu-tes Fünftel weniger produktiv sind und weniger rentabel arbeiten als Arbeitsgruppen mit hoher emotionaler Bin-dung, dafür erheblich mehr Qualitätsmängel (41 %) so-wie Materialschwund (28 %) verursachen und eklatant mehr Arbeitsunfälle (48 %) erleiden.

Neben der emotionalen Bindung spielt aber auch das ge-samtgesellschaftliche Klima eine Rolle. Und das ist in Deutschland nicht gerade von Offenheit für Neuerungen und Veränderungen geprägt. Im Gegenteil: Laut dem ak-tuellen Edelman Trust Barometer hat lediglich ein Drittel der Deutschen Vertrauen in innovative Technologien, 57 Prozent ist das Tempo von Veränderungen zu hoch. Auch im Vergleich mit 16 hoch entwickelten Ländern Eu-ropas, Nordamerikas und Asiens belegt Deutschland laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor-schung von 2011 nur einen bescheidenen elften Platz, was das gesellschaftliche Innovationsklima anbelangt. Das färbt auf den Einzelnen ab: Wenn es um die Flexibili-tät und Anpassungsfähigkeit der Mitarbeiter angesichts neuer Herausforderungen geht, dümpelt Deutschland im internationalen Vergleich auf den hinteren Rängen – Platz 41 von 61 in der weltweiten 2014er-Studie zur Wettbewerbsfähigkeit von IMD. Da kann man schon ins Träumen kommen, was alles möglich wäre, wenn wir Deutschen unsere ewigen Bedenken und Einwände und unsere Angst vor Neuem überwinden könnten ...

ist das Tempo, mit dem neue Geschäftsideen entwickelt werden und sich Produktwelten verändern, zu hoch

57 %

geht es deutlich zu langsam

21 %

mehr Arbeitsunfälle48 %Arbeitsgruppen mit niedriger emotionaler Bindung

geringere Produktivität

20 %Arbeitsgruppen mit niedriger emotionaler Bindung im Vergleich zu denen mit hoher emotionaler Bindung

Quellen:Gallup, Inc.: Engagement Index Deutschland 2014Gallup, Inc.: Gallup Q12 Meta-Analyse 2012Edelman GmbH: Edelman Trust Barometer 2015DIW-Diskussionspapier 1129: Heike Belitz u. a., »An Indica-tor for National Systems of Innovation: Methodology and Application to 17 Industrialized Countries«, Berlin 2011IMD World Competitiveness Yearbook 2014

41 %mehr Qualitäts- mängel

28 %mehr Material-

schwund

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Die Street-Art-Künstlerin Barbara verwandelt Schilder, Plakate und Infotafeln in verblüffende Kunstwerke, die humorvolle und fantastische Botschaften in den öffentli-chen Raum funken und zum Nachdenken anregen. Spie-lerisch, ironisch und subversiv entlarvt sie hohle Slogans, unterläuft sinnfreie Verbote und führt wortreiche War-nungen ins Absurde. Dieser Band versammelt ihre origi-nellsten Werke – unverzichtbar für alle, die Neuorientie-rung im deutschen Schilderwald suchen.

Barbara selbst möchte anonym bleiben, freut sich aber über Feedback auf Facebook, wo sie schon an die 150.000 Follower hat: facebook.com/ichwillanonymbleiben

» Dieser Befehls- ton verletzt meine Gefühle«

Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle Barbara. Bastei Lübbe Verlag 2015 ISBN: 978-3-7857-2541-2 160 Seiten, (D) 12,99 €

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BERLIN Perspektive

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Moderne IT und Verwaltung – das passt im Klischee nicht zusammen. Wer an Behörden denkt, denkt oft an lange Korridore, in denen

Aktenberge auf Rollwagen befördert werden. Entsprechend massiv müssten demnach die Widerstände sein, wenn Prozesse digitalisiert

und neue Dienste für die Bürger online angeboten werden. Wie immer ist die Realität anders und bunter als das Klischee. Neben

Skeptikern gibt es in der Verwaltung – nicht anders als in den meisten Unternehmen – viele, die neue Entwicklungen aktiv einfordern.

Die Erscheinungsformen von Widerstand sind differenziert – ebenso wie die Möglichkeiten, damit umzugehen.

»Unsere Anforderungen wurden nicht

berücksichtigt«

ÜBER DIE EINFÜHRUNG NEUER IT

IN BEHÖRDEN

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BERLIN Methode

Ein wahres Geschenk: offener WiderstandOffener Widerstand ist in der Regel rational oder wird zumindest rational begründet. Und, so schwierig es im Einzelfall auch sein mag, damit umzugehen, offener Widerstand ist ein Geschenk, weil er eine inhaltliche Aus-einandersetzung ermöglicht, die oft sogar zu Verbesserungen führt.

Bei Veränderungen in der IT ist das typi-sche Muster für offenen Widerstand eine Ab-lehnung neuer Lösungen auf der »Fachseite«, also bei den direkten Anwendern der IT. Da ist dann etwa zu hören: »Das neue Programm ist schlechter als das alte« oder »Unsere Anfor-derungen sind nicht erfüllt«. Leider werden diese Einwände häufig erst dann geäußert, wenn es eigentlich schon zu spät ist, nämlich kurz bevor ein neues Verfahren »live« geht.

Die typische Reaktion eines Projektlei-ters besteht darin, erst einmal zu prüfen: Wurde die besagte Anforderung formuliert? Wurde der Fachbereich rechtzeitig einge-bunden? Diese Prüfung ist natürlich wichtig, allein um die Gründe für die Ablehnung des neuen Programms zu klären. Sie löst aber nicht das Problem. Im Zweifel wurde der Fachbereich rechtzeitig eingebunden und hat sich auch eingebracht. Das ist allerdings meist mehrere Monate her – und der Wider-stand äußert sich jetzt.

Was also tun? Rationale und offene Kritik sollte man aufgreifen und sich um eine prag-matische und verbindliche Einigung bemü-hen, also z. B. prüfen, ob es eine Übergangs-lösung gibt oder ob die Anforderungen beim nächsten Update der Software (»Release«) umgesetzt werden können.

Vertrackte Angelegenheit: passive VerweigerungSchwieriger wird es bei verdeckten Wider-ständen. Eine passive Verweigerung kann beispielsweise vorliegen, wenn neue Lösun-gen intern nicht angewendet oder neue On-linemöglichkeiten nicht nach außen kommu-niziert werden – mit teils ernsthaften Folgen: Wenn die Bürger nicht über neue Online- angebote aufgeklärt werden, führt dies nämlich dazu, dass die neuen Angebote weniger genutzt werden – fehlende Kennt-nis ist laut »E-Government-Monitor« mit 76 Prozent der Nennungen das Haupthin-dernis dafür –, und die Mitarbeiter in den Behörden sind die wichtigste Informations-quelle für die Bürger. Die geringe Nutzung stellt dann den Erfolg des neuen Angebots infrage, entsprechend weniger intensiv wird die Weiterentwicklung betrieben, was wie-derum die Nutzung nicht fördert …

Wie geht man mit derartigen passiven Hemmnissen um? Hier hilft es, genau hin-

zusehen. Woher rührt der Widerstand? Was verändert sich für die Beschäftigten? Stei-gen vielleicht die Anforderungen an ihre Tätigkeit? Stand z. B. in der Vergangenheit Datenerfassung und Bürgerinformation im Vordergrund, während nun die Bürger ihre Daten selbst eingeben und die einfachen Fragen im Internet beantwortet finden – und nur noch mit schwierigen Fragen an die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter herantreten? In einem solchen Fall ist es rat-sam, positive Rollenvorbilder zu schaffen – etwa neuerungsfreudige Beschäftigte als Multiplikatoren auszubilden, die ihre Kolle-gen nicht nur schulen, sondern begeistern. Außerdem sollte man für Mitarbeiter, die sich mit einem digitalen Prozess nicht an-freunden können, Alternativen finden – in-dem man sie beispielsweise mit der Unter-stützung derjenigen Bürger betraut, die mit Onlineangeboten selbst noch fremdeln.

Die sieben Säulen des IT-WiderstandsmanagementsDie Beispiele zeigen: Um mit offenen und verdeckten Widerständen umzugehen, muss man die damit einhergehenden Einwände und Vorbehalte zuallererst ernst nehmen und sich dann pragmatisch um vier Hebel des Change Management kümmern: Ver-ständnis und Fähigkeiten aufbauen, indivi-duelle Vorteile vermitteln, Vorbilder unter Kollegen und Führungskräften aufzeigen und schließlich Verbindlichkeit schaffen, z. B. durch Verankerung der neuen IT in den Geschäftsprozessen.

Speziell bei IT-Projekten gibt es darüber hinaus drei wichtige Grundregeln, um Wider-ständen vorzubeugen:

1. Führungskräfte einbinden: Nach allen Untersuchungen zum Erfolg von IT-Projekten ist die Steuerung großer Projekte durch das Topmanagement der wichtigste Erfolgsfak-tor. Sie sichert schnelle Entscheidungen, Auf-merksamkeit bei allen nachgeordneten Füh-rungskräften und schafft so Vorbilder für die Umsetzung. Denn wer wird sich schon für ein Projekt engagieren, wenn er den Eindruck hat, die Leitung stehe gar nicht voll und ganz hinter den Veränderungen?

2. Offener Umgang mit Problemen: Es gibt nichts Gefährlicheres in einem IT-Pro-jekt als einen Projektstatus, dessen Ampeln auf dem Weg in die Chefetagen »nachgrü-nen« – weil Probleme gegenüber den Vor- gesetzten nicht thematisiert, sondern ver-schwiegen werden. Gerade hier sind die Füh-rungskräfte gefragt: Sie müssen eine Kultur etablieren, in der jeder ermutigt wird, Risi-ken klar zu benennen und Probleme offen anzusprechen und wo dann gemeinsam kon-struktiv an Lösungen gearbeitet wird.

Kai v. Holleben berät seit 1994 öffentliche Verwaltungen – von der kleinen Gemeinde bis zu großen Bundesbehörden – bei tief greifenden Verände-rungen und, als Projektsteuerer und Risikomanager, bei der Einführung neuer IT-Verfahren und E-Government-Angebote. Nach sieben Jahren bei McKinsey ist er seit 2014 Principal bei undconsorten in Berlin.

3. Das Know-how der Anwender bei der Ent-wicklung nutzen: Das Beispiel vermeintlich nicht berücksichtigter Anforderungen zeigt, dass Einbindung kein einmaliger Vorgang sein darf. Vielmehr sollte hier eine Feed-backkultur institutionalisiert werden, um die Expertise der Anwender in die Konzeption der IT einfließen zu lassen. Die positivste Resonanz auf ein neues Verfahren, die ich in meiner Praxis erleben durfte, gab es nach regelmäßigen »Qualitätszirkeln«, in denen ausgewählte Anwender Zwischenstände des neuen Verfahrens testen und kommentieren konnten. Durch die Einbeziehung der Nut-zer und ihres Know-hows wurden poten-zielle Widerstände bereits während der Ent-wicklung ausgeräumt und zugleich positive Botschafter für das Projekt aufgebaut, was die spätere Einführung viel reibungsloser gestaltete.

Mit einem umfassenden Widerstandsma-nagement entlang dieser Leitlinien dürfte es gelingen, neue IT den Anforderungen ent-sprechend zu optimieren, Berührungsängste mit ihr zu verringern und sicherzustellen, dass sie von allen Mitarbeitern angenommen wird. Bis zur nächsten IT-Einführungsrunde …

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BERLIN Methode

Vorhang auf für die HofnarrenSZENISCHE INTERVENTIONEN ZUR BEGLEITUNG

VON VERÄNDERUNGSPROZESSEN

Eine ganz alltägliche Szene in einem Unter-nehmen, nennen wir es »Global Enterprise«: Herr Obermeier, Teamleiter, und sein Mitar-beiter, Herr Untermeier, bei ihrem wöchentli-chen Jour fixe. Es geht um die Umsetzung ei-nes neuen Prozesses im Team. Für Herrn Obermeier eine lästige, »von oben« diktierte Pflicht, die er entsprechend lustlos an seinen Mitarbeiter delegiert. Herr Untermeier, auf-grund der zahlreichen Veränderungen in den letzten Monaten ohnehin nicht besonders motiviert, nimmt das Briefing seines Vorge-setzten genauso lustlos zur Kenntnis und denkt sich: »Weiß der eigentlich, was ich sonst noch alles auf dem Tisch habe?«

Eine ganz alltägliche Szene – von Schau-spielern gespiegelt und vor Führungskräften eines Unternehmens aufgeführt. Mit dem Ziel, den Zuschauern auf wertschätzende und humorvolle Weise einen Spiegel vorzu-halten, sie für eigene Verhaltensweisen in Veränderungsprozessen zu sensibilisieren und zum Perspektivwechsel einzuladen. So öffnet Unternehmenstheater den Blick auf das ganze System und verbindet dabei kogni-tives mit emotionalem Verstehen für alle Be-teiligten. Professionelle Schauspieler ma-chen sichtbar, was im Arbeitsalltag für jeden Mitarbeiter, für jede Führungskraft als para-doxe Anforderungen erlebt und erlitten wird und deshalb zu Verweigerung oder Resigna-tion führt. Das sorgt für Lacher, aber auch manchen Aha-Effekt. Anschließend können

Dr. Claudia Borowy (* 1964) arbeitete als Regisseurin fürs Theater sowie als Kreativdirekto-rin in Werbeagenturen, bevor sie 2006 die Agentur für szenische Kommunikation inszenio grün dete. Seither ist sie als Trainerin und Organisationsbera-terin mit den Schwerpunkten Führung, Kommunikation und Storytelling tätig. Für die Konzeption und Durchführung des szenischen Führungskräfte-Trainings »Act Leadership« wurde sie mit dem Internationa-len Deutschen Trainingspreis 2014/15 ausgezeichnet.

www.inszenio.de

diese spielerisch ausgestellten Verhaltens-muster analysiert und gemeinsam mit den Teilnehmenden konstruktiv bearbeitet wer-den, um konkrete Lösungen zu finden.

»Kompliment! Ihre Szenen haben mehr Wahrheiten gespie-

gelt, als mancher von uns wahrhaben will.«

Unter den Formaten des Unternehmensthe-aters ist das »Forumtheater« ein interaktiver Klassiker: eingesetzt häufig im Kontext der Änderung von Unternehmensleitbildern oder bei Kooperationsschwierigkeiten zwi-schen Bereichen bzw. Abteilungen im Zuge von Umstrukturierungsprozessen. Dabei handelt es sich – zumindest in der spezi-fischen Spielart von inszenio – um eine er-gebnisorientierte Mischung aus inszenier-ten und improvisierten Elementen. Auf Basis eines präzisen Verständnisses der je-weiligen Unternehmenssituation werden Modellszenen aus dem Arbeitsalltag der Zielgruppen entwickelt und aufgeführt, die – siehe oben – mit einem Augenzwinkern

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optimierungsbedürftig enden, also die Ist-kultur skizzieren.

Im direkten Anschluss entwickelt ein Mo-derator gemeinsam mit dem Publikum die Po-sitivversion der Szene – die Wunschkultur –, indem er die Zuschauer einlädt, Regie zu führen. Die Schauspieler setzen die Anwei-sungen ad hoc auf der Bühne um. In dem Mix aus Reflexion und Interaktion werden indivi-duelle Verhaltensmuster bewusst und kon-krete Ansätze für andere Verhaltensoptio-nen erarbeitet.

»Durch den Per- spektivwechsel konnte

ich eigene Rollen- muster in meiner Kommunikation

besser erkennen.«

Was im »Forumtheater« aufgrund der Größe der Gruppe nicht vertieft werden kann und sich auf die Ausübung der Regiefunktion be-schränkt, wird in szenischen Trainingsforma-ten in der Kleingruppe weitergeführt: Hier agieren Teilnehmende selbst in der ihnen

vertrauten Rolle (z. B. als Führungskraft) mit einem Schauspieler als Gegenüber (z. B. in der Rolle eines Mitarbeiters). Dabei können sie konkrete Tools, etwa zu situativer Füh-rung in Veränderungsprozessen oder zum Arbeiten unter veränderten Rollendefinitio-nen (z. B. Wandel vom internen Servicean-bieter zum Business-Partner), in szenischen Übungen und unter Anleitung eines Trainers realitätsnah erproben.

»Die Theaterarbeit gab mir die Möglich-

keit, neue Ver- haltensweisen aus-

zuprobieren.«

In allen beschriebenen Interventionsforma-ten geht es im ersten Schritt darum, Ängste, Erwartungshaltungen und Bedürfnisse von Mitarbeitern in Veränderungsprozessen transparent zu machen. Und zwar über Schauspieler als Stellvertreter, die ihre Ge-fühle und Gedanken in einer Figur (z. B. ei-nem Mitarbeiter oder einer Führungskraft) uneingeschränkt offenlegen. Erst im zwei-ten Schritt werden die Widerstandsformen

positiv umgedeutet und alternative Verhal-tensoptionen entwickelt. Damit die theatra-le Spiegelung der Realität den Widerstand von Mitarbeitenden in der Aufführungssitu-ation nicht zusätzlich verstärkt, sondern zum »Unfreeze« beiträgt, braucht es seitens der Anbieter szenischer Interventionen drei entscheidende Voraussetzungen: 1. theaterfachliche Professionalität in In-

szenierung und Darstellung; 2. fundiertes Business-Know-how (insbe-

sondere im Hinblick auf unternehmens- interne Strukturen und Prozesse) sowie methodische Kompetenzen, um sensib-le und komplexe Prozesse der Organisa-tionsentwicklung zu begleiten;

3. ein Verständnis von Humor als Mittel, zielführende Erkenntnisprozesse ein- zuleiten.

Unter diesen Prämissen kann Unternehmens-theater eine Art moderne Hofnarrenfunk- tion in Organisationsentwicklungsprozessen übernehmen und dabei helfen, auftretende Widerstände zu managen. Indem es die wirkli-chen Verhältnisse auf unterhaltsame Weise spiegelt und sein Publikum mit einem wert-schätzenden Augenzwinkern einlädt, neue Perspektiven und Denkmuster zuzulassen. Mit durchaus nachhaltiger Wirkung, wie die-ses Feedback eines Teilnehmers bezeugt: »Noch heute necken sich die Kollegen mit Sät-zen wie: ›Na, jetzt redest du aber wie der Herr Obermeier aus dem Unternehmenstheater!‹«

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2020

BERLIN Methode

Ich und mein innerer

Schweinehund

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2121

BERLIN Methode

Dr. Marietta von Lavergne ist Fernsehjournalistin beim Bayerischen Rundfunk, Ressort Politik und Wirtschaft. Seit 2005 trainiert, coacht und berät sie als selbstständige Trainerin und Kommunikationsberaterin Führungskräfte in der Wirtschaft, insbesondere im Automobil- und Finanzsektor. Sie hat in München Amerikanistik und Kommuni-kationswissenschaften studiert und dort auch promoviert. In ihrer Freizeit reist sie viel und gerne, tankt beim Bergwandern auf oder sammelt neue Ideen beim Segeln.

www.lavergne.de

Zwischen Eigen- und Fremdbild klafft oft eine Kluft. Das ist normal. Stößt man aber im-mer wieder auf dieselben Widerstände, lohnt es, sich selbst einmal mit den Augen der an-deren zu betrachten. Kennen Sie Ihre Außen-wirkung? Haben Sie ein realistisches Bild da-von, wie Sie stehen, gehen, lächeln? Wie Sie vortragen, wie Sie »rüberkommen«? Denn das sind die Parameter, an denen Sie gemes-sen werden – hauptsächlich. Das Bild, das Fremde sich von uns machen, folgt der »55-38-7«-Regel: 55 Prozent Aussehen, 38 Prozent Stimme, sieben Prozent Inhalt. Hart, aber wahr.

Die gute Nachricht: Wenn Sie nett und sympathisch wirken und Ihre Stimme freund-lich klingt, haben Sie schon halb gewonnen. Also sollte man sich hin und wieder ehrlich mit dem eigenen Aussehen auseinanderset-zen. Da hilft der Blick in den Spiegel, aber der trügt: Er ist seitenverkehrt. Realistischer ist es, sich einmal auf Video zu erleben: wie man einen Vortrag hält, ein Gespräch oder eine Verhandlung führt. Und viel aufschluss-reicher, denn nichts ist so entlarvend wie die Körpersprache.

Ein Beispiel: Die meisten von uns schau-en viel ernster und grimmiger drein, als sie meinen. Auch die eigene Haltung lässt oft zu wünschen übrig: Viele stehen nicht gerade, wenden sich nur halb ihrem Gegenüber zu, machen sogar abweisende Gesten. Und sind sich dessen gar nicht bewusst. Das kann man ändern: Es kostet nicht viel, nur ein bisschen Überwindung. Denn offener und zugewand-ter zu sein und mehr zu lächeln ist erst ein-mal anstrengend.

Spieglein, Spieglein an der WandUnd jetzt mal ehrlich: Was denken Sie wirk-lich, wenn Sie in den Spiegel sehen? Könnten auch zwei, drei Kilo weniger sein? Ich sollte mal wieder Sport machen? Ich kann meine Klamotten nicht mehr sehen? Und warum tun Sie dann nichts? Wegen des berühmten Schweinehundes, der sich auf dem Sofa re-kelt, wo er gemütlich bleiben will, während Sie draußen in der rauen Welt dafür sorgen, dass er was zu fressen bekommt?

Schubsen Sie Ihren Schweinehund doch mal vom Sofa und setzen stattdessen Ihren persönlichen Coach auf die Couch. Keine Sor-ge, den müssen Sie nicht extra bestellen, den gibt es schon: in Ihnen selbst, er wird nur im-

mer vom Schweinehund mundtot gemacht. Servieren Sie ihm einen Prosecco und hören Sie ihm zu. Der hat nämlich was zu erzählen. Das ist nicht immer schön, aber keine Sorge: Ihr innerer Coach sagt Ihnen nicht nur, was besser laufen könnte, sondern auch, wie.

Vielleicht gehen Sie zusammen zum Schrank und ziehen mal was anderes an als sonst. Oder Sie stellen fest, dass Ihre Outfits und Sie sich auseinandergelebt haben und etwas Neues hermuss. Sie sind ja auch nicht mehr der- oder diejenige, der oder die Sie vor fünf Jahren waren. Das gilt vielleicht auch für Ihre Frisur, Ihr Make-up: Probieren Sie mal andere Seiten an sich aus! Das kostet Über-windung? Nur Mut! Tun Sie's! Raus aus der Komfortzone, experimentieren Sie ein biss-chen herum! Und abschließend stellen Sie sich noch mal vor den Spiegel: Wetten, Sie lä-cheln? Wetten, Sie stehen viel gerader? Und wetten, Ihre Mitmenschen werden Ihnen das danken, ihrerseits viel positiver auf Sie re-agieren? Dabei haben Sie nur ein paar, im wahrsten Sinne des Wortes oberflächliche Dinge geändert, die Sie immer schon mal an-gehen wollten.

Positive Ansprache, positive ReaktionenWenn Sie jetzt noch ein bisschen mehr tun wollen, dann hören Sie sich selbst zu. Wie tragen Sie vor? Wie führen Sie Gespräche, Verhandlungen? Denken Sie hauptsächlich daran, was Sie alles sagen wollen? Packen in Ihre Sätze, was geht? Machen sie schön lang und verschachtelt? Und damit gleich mal klar ist, wo der Hammer hängt: keine Angst vor harten Ansagen und grimmigen Drohungen? Stößt das auf Widerstand beim Gegenüber? Kein Wunder, oder?

Probieren Sie mal kurze und präzise Sät-ze. Und, ganz wichtig, positiv formulierte! Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass negative Formulierungen vor allem eines auslösen: Abwehr. Bringt also nichts. Positive hinge-gen motivieren und sorgen dafür, dass man Ihnen zuhört. Klingt einfach, ist es aber nicht. Kurz, klar und positiv sprechen muss man lernen, das bekommt man nicht in der Schule beigebracht – und schon gar nicht auf der Universität. Dazu müssen Sie eingefah-rene und lieb gewonnene Sprachmuster überwinden. Aber genauso wie eine opti-sche Veränderung führt auch die Arbeit an

Schon wieder ein Kollege unfreundlich? Der Chef versteht nicht, was Sie sagen? Die Mitarbeiter murren, der potenzielle Kunde zögert? Sie kommen nicht so an, wie Sie sich das wünschen und eigentlich auch verdient haben? Stoßen immer wieder auf Widerstand? Dann liegt das vielleicht gar nicht so sehr am Widerstand der anderen, sondern an Ihren eigenen Widerständen, die Sie daran hindern, so zu sein, wie Sie eigentlich sind oder sein wollen.

der eigenen Sprache zu oft verblüffenden Ergebnissen: zu einer besseren Kommunika-tion und zu mehr Erfolg.

Wie geht es eigentlich Ihrem inneren Schweinehund? Hockt der noch unterm Sofa? Das ist gut, lassen Sie ihn da ruhig noch. Denn Sie haben etwas zu tun: Sie wol-len Herzen erobern, Köpfe gewinnen, Men-schen überzeugen. Dazu brauchen Sie einen wachen Verstand, ein offenes Herz, eine kla-re Haltung und klare Worte. Und die Bereit-schaft, sich selber zu verändern, um das zu erreichen, was Sie sich – und anderen – zum Ziel setzen. Widerstand von außen hat viel damit zu tun, wie wir mit unseren eigenen in-neren Widerständen umgehen. Oder anders gesagt: wie wir unseren inneren Schweine-hund managen. Er darf ja auch mal auf der Couch sitzen und wir gemütlich neben ihm. Aber ab und zu muss er ins Körbchen, um dem Neuen in uns Platz zu machen.

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BERLIN Einblick

»Widerstand gehört zu unserem Alltag«

Dienstag, 2. Juli 2008, 8 Uhr: Der erste Arbeitstag von Frank Rüter als neuer Geschäftsführer bei BerlinDruck beginnt. Eine Überraschung für die Branche und auch die Mitarbeiter. Natürlich wurde vorher ge-rätselt: Wer ist der Neue? Kommt er aus der Branche? Wo hat er vor-her gearbeitet? »Es war das geheimste Projekt meines Lebens. Nur meine Frau und ich wussten davon«, sagt Reinhard Berlin. »Ich hätte wetten können: Keiner wäre auf Frank Rüter gekommen.«

Die Wette hätte Berlin gewonnen. Beide kannten sich zwar vor-her – so, wie man sich halt kennt in der Druckindustrie: Rüter als Ver-triebschef bei einem Papiergroßhändler, Berlin als Kunde. Persönli-cher Kontakt? Eher selten. Bis auf diesen einen Tag im Jahr 2003. Ein Gespräch zwischen Lieferant und Kunde. Ein Wort gibt das andere. Reinhard Berlin – der sich selbst einen »Gewittermenschen« nennt – weist Frank Rüter schließlich die Tür.

Vom inhabergeführten Fa milienbetrieb zum Industriebetrieb in Familien-besitz: Viele Unternehmen scheitern an dieser Heraus-forderung. Bei BerlinDruck ist die Veränderung gelun-gen – entgegen vielen Bedenken von außen und innen. Ein Gespräch mit Frank Rüter (Geschäftsfüh-rer) und Reinhard Berlin (Gründer und Inhaber) über Wandel, Widerstand und sehr unterschiedliche Wege, dem zu begegnen.

» Man gab uns nur zwei Wochen.«

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In Frank Rüter und Reinhard Berlin treffen zwei gegensätzliche Charaktere aufeinander: Frank Rüter geht Widerstände direkt an, sucht immer das persönliche Gespräch, sagt über sich: »Ich denke, meine größte Fähigkeit ist es, mit Problemen umzugehen.« Reinhard Berlin hingegen wich ihnen lieber aus: »Meine größte Fähigkeit war es, nicht mit Problemen umzu-gehen. Ich suchte den schnellen Weg – auch wenn ich wusste, dass er falsch war.« Wie haben sie es trotz ihrer Unterschiede geschafft, erfolgreich zusammenzuarbeiten?

Und plötzlich – fünf Jahre später – steht Frank Rüter wieder in der Tür und ist neuer Geschäftsführer. Der Gründer Reinhard Ber-lin bleibt mit seiner Frau Inhaber des Unter-nehmens, gibt aber nach und nach das Ta-gesgeschäft an Rüter ab, bereitet so den wichtigen Übergang vom Familien- zum In-dustriebetrieb vor. »Die meisten in der Bran-che haben gesagt, sie geben uns zwei Wo-chen«, blickt Frank Rüter zurück; Reinhard Berlin nickt bestätigend.

Wie haben die beiden es geschafft, dass daraus nun schon sieben erfolgreiche Jahre geworden sind? Wie konnten zwei so unter-schiedliche Charaktere nach dieser Vorge-schichte überhaupt zusammenkommen?

Auf der Suche nach dem geeigneten Ge-schäftsführer war für Reinhard Berlin die Aussage eines Dritten über Frank Rüter ent-scheidend: »Auf den lasse ich nichts kom-men – der lässt einen nie im Regen stehen, der hilft einem«, lautete sie. »Das war der

Punkt, der mich überzeugt hat, das Gespräch mit ihm zu suchen, Verantwortung an ihn ab-zugeben.« Berlin greift zum Telefon, ruft Rüter an, sie treffen sich einige Male. »Rein-hard Berlin ist nicht nachtragend und ich bin es auch nicht«, erzählt Frank Rüter. »Des-halb habe ich mich auf die Treffen eingelas-sen. In einem Café haben wir damals aus- gelotet, ob wir zusammenpassen, ob wir zu-sammen etwas erreichen können. Ich habe ihn bei diesen Gesprächen als Menschen schätzen gelernt, der einem Vertrauen ent-gegenbringt. Egal, was vorher war.«

Gespräche, bei denen sie Gemeinsam-keiten und Unterschiede entdecken: »Wir haben schnell gemerkt: In vielen Sachen sind wir deckungsgleich, in vielen Dingen aber auch 180 Grad unterschiedlich«, meint Frank Rüter. »Eigentlich können wir beide gar nicht zusammenarbeiten.« »Überhaupt nicht«, bekräftigt Reinhard Berlin. Was sie aber zu-sammenbrachte, ist die gleiche Meinung über

Kunden und Kundenbeziehungen. »Wie wol-len wir Kunden entwickeln? Wie bekommen wir neue Kunden? Kunden, Kunden, Kunden – nur darüber wird gesprochen. Nicht über Verträge, Geld oder einen Firmenwagen«, fasst Frank Rüter zusammen.

Am Ende der Gespräche haben die bei-den eine lange Liste von Themen, die sie an-gehen wollen. Das Wort »Kunde« steht da-bei ganz oben. Nicht nur neue Kunden gewinnen, auch bestehende Beziehungen halten und ausbauen.

Rüter und Berlin sind sich dabei bewusst: Ein Wechsel in der Geschäftsleitung birgt auch immer die Gefahr, dass Kunden verlo-ren gehen. Und der Wechsel, der Wandel bei BerlinDruck kam für den Markt genauso überraschend wie für die Mitarbeiter. Gab es deshalb auch überraschenden Widerstand gegen den Wandel aufseiten der Kunden? Reinhard Berlin muss lange nachdenken, nippt an seinem Kaffee, schaut zur Decke,

» Wir gehen unterschiedlich an Widerstände heran.«

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schaut seinen Geschäftsführer an: »Nein, richtige Wi-derstände haben wir nicht gespürt. Sicher kam die eine oder andere Frage: Warum der? Warum macht ihr das überhaupt?« Rüter und Berlin nahmen diese Fragen ernst, führten Gespräche mit Kunden am Anfang mög-lichst gemeinsam – auch weil sie wussten, dass sie mög-liche Widerstände sehr unterschiedlich anpacken, sich ergänzen können, um eine Lösung zu finden.

Reinhard Berlin zum Beispiel sucht lieber den schnel-len Weg, sagt er über sich selbst. »Ich konnte zum Bei-spiel nie gut mit Reklamationen umgehen – ist ja auch eine Form des Widerstandes. Wir haben fast alle Rekla-mationen immer auf unsere Kappe genommen, auch wenn wir nicht schuld waren. Hauptsache, erledigt.« Frank Rüter sucht dagegen immer zuerst intern das di-rekte Gespräch: »Ich stelle meinen Mitarbeitern drei Fra-gen und will Antworten darauf: Was ist passiert? Wieso ist das passiert? Was müssen wir tun, damit es nicht wie-der passiert? Dann rede ich mit dem Kunden.«

Und so jemand, der Fragen stellt, Antworten einfor-dert, zuhört, nachhakt, hinterfragt – so jemand ist

plötz lich Geschäftsführer, Ansprechpartner im Tages-geschäft für die Mitarbeiter. Ein Kulturschock?

»Sicher«, bestätigt Frank Rüter. »Das war über zwei, drei Jahre ein harter Kampf für alle, mich eingeschlossen. Es hieß ja nicht seitens der Belegschaft: ›Schön, dass Sie da sind‹ – wir mussten uns annähern, miteinander reden, reden, reden, um uns zu verstehen.« Reinhard Berlin nickt: »Frank Rüter hatte sicher in der Branche einen Ruf als ›Hardliner‹. Aber heute, das sage ich ganz klar: Von unseren 50 Beschäftigten würden mindestens 48 für ihn durchs Feuer gehen, wie sie es auch immer für mich gemacht haben.« Rüter lacht: »Vielleicht doch nur 47 …«

Am Anfang aber suchten auch die Mitarbeiter den einfachen Weg, sprachen lieber mit dem Chef des Chefs. »Wenn Mama Nein sagt, dann kommen sie zu Papa, ist doch klar«, meint Berlin. Der Lerneffekt stellte sich aber schnell bei ihm ein: »Geht zu Rüter, nicht zu mir«, lautete schon bald die klare Ansage von Reinhard Berlin.

Während sich Berlin innerhalb kurzer Zeit an seine neue Rolle gewöhnte, lebte Frank Rüter seine Funktion von Anfang an: »Die Mitarbeiter wissen, dass ich von

» Geht zu Rüter, nicht zu mir.«

Die Mitarbeiter umgingen den neuen Chef und kamen lieber wie gehabt zu Herrn Berlin. Der aber verwies sie an Herrn Rüter - ein Vertrauen, das sich ausgezahlt hat.

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BERLIN Einblick

Reinhard Berlin den Staffelstab übernom-men und eine eindeutige Zielvorgabe habe: zufriedene Kunden, ein gutes Ergebnis, da-mit wir nachhaltig in modernste Technik in-vestieren können. Wir sind kein Familienbe-trieb mehr, sondern ein Industriebetrieb in Familienhand. Wir müssen uns heute für die Zukunft rüsten – wie jetzt mit der neuen Hei-delberger.« Denn Berlin und Rüter sind über-zeugt, dass Printprodukte auch in Zukunft bedeutsam bleiben werden.

Über Ziele, Zukunft, Veränderungen re-den die beiden daher oft. Einigkeit herrscht immer, wo es um Qualität, notwendige Tech-nik und den Kunden geht. Diskutiert wird eher über das, »was für den Betrieb nicht un-bedingt lebensnotwendig ist«, meint Berlin. Und führt als Beispiel den Umbau der Büro-räume im Firmengebäude an. »Ich wollte De-signermöbel – Frank Rüter fragte mich dann nur: Und wie viel müssen wir drucken, um das hinzukriegen? Das war das Argument, das mich überzeugt hat.«

Dieses »Eine andere Meinung haben als das Gegenüber« – bei Frank Rüter und Rein-hard Berlin gehört der Widerstand des ande-ren eben noch heute zum Alltag. »Wir strei-ten aber nicht, wir argumentieren – jeder will den anderen überzeugen«, sagt Frank Rüter. »Nicht auf Positionen beharren, offen sein,

mal sagen: ›Gefällt mir nicht, ist aber in der Sache richtig‹«, beschreibt es Reinhard Ber-lin. Und die Einigung dann auch gemeinsam vertreten.

Dieses »Gemeinsam«, verbunden mit gegenseitigem Vertrauen und Respekt, ist vielleicht die Erklärung dafür, dass der Wan-del bei BerlinDruck trotz Widerständen ge-lungen ist. Denn einer gleicht die Schwächen des anderen aus. Und immer suchen sie das Gespräch – untereinander, mit Kunden, mit Lieferanten, mit Mitarbeitern. Sie diskutie-ren über die Sache, nicht über Personen. »Wir haben vieles richtig gemacht bei der Umsetzung der Veränderungen im Unter-nehmen – vieles sicherlich auch aus dem Bauch heraus und ohne Change-Manage-ment-Kurse«, meint Rüter.

»Stimmt«, bestätigt Berlin. »Wir sind ei-ner der wenigen Druckbetriebe, der sich in den letzten Jahren in der Region erfolgreich nach vorne entwickelt hat. Viele haben die Chance zur Veränderung verpasst – oder sind mit den Widerständen nicht zurechtgekom-men.« Trägt BerlinDruck denn nach diesem Wandel den Namen des Inhabers noch zu Recht? »Ja, sogar mehr denn je«, antwortet Berlin. »Denn wenn wir immer geblieben wären, wie wir waren, gäbe es uns heute wohl nicht mehr.«

Axel Hausmann (*1964)arbeitet seit zehn Jahren als selbstständiger PR-Berater und Journalist. Sein Fokus liegt auf der internen Kommunikation für Unternehmen – gerade in Zeiten des Wandels und des internen Widerstandes. Sein Handwerks-zeug lernte er während eines Volontariats in einer Bremer PR-Agentur, danach schrieb und sprach er 18 Jahre für eine Ver- sicherung – zuletzt als Presse-sprecher. Den Umgang mit Wider- ständen lernt er täglich neu (der 13-jährigen Tochter sei Dank).

» Eigentlich können wir beide gar nicht zusammenarbeiten.«

Über all ihre Gegensätze hinweg eint Frank Rüter und Reinhard Berlin das gleiche Ziel: zufriedene Kunden. Dafür packen beide gemeinsam an.

» Wir haben oft Gesprächsbedarf – aber wir konnten uns bisher immer einigen.«

Kay Michalak von der fotoetage Bremen inszenierte und fotografierte Frank Rüter und Reinhard Berlin ohne jeden Widerstand.

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BERLIN Perspektive

Ästhetik

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»Nail Houses« – Nagelhäuser – nennt man in China alte, meist baufällige Häuser, deren Besitzer sich weigern, auszuziehen und neuen Hochhäusern oder anderen In- frastrukturprojekten Platz zu machen. Peter Bialobrzeski ist mit seiner Kamera durch Schanghai gezogen und hat diese dem Abriss geweihten Eigenheime dokumentiert. In ihrer Unverwechselbarkeit und sperrigen Individuali-tät drücken sie den Widerstand ihrer Bewohner gegen die chinesische Veränderungs- und Modernisierungs-story aus. Diese Menschen wollen ihr Zuhause nicht ver-lassen oder kämpfen zumindest um eine angemessene Entschädigung. Peter Bialobrzeski setzt ihnen in seiner einfühlsamen Fotoserie ein anrührendes Denkmal.

Nail Houses Peter Bialobrzeski Mit einem Text von Stefanie Gommel Hatje Cantz Verlag 2014 ISBN: 978-3-7757-3829-3 116 Seiten mit 63 farb. Abb., (D) 35,00 €

Ästhetik

des Widerstands

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Bilder Seite 29 und 30: Schüler in Peking beim täglichen Morgenappell, wo sie auf festgelegten Punkten stehen, wich- tigen Ansagen lauschen und gemeinsam im Takt Gymnastik machen.

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BERLIN Einblick

SchattenboxenWIDERSTAND – IN CHINA OFT UNSICHTBAR

Wer an Widerstand in China denkt, dem fällt das Bild des Mannes ein, der am 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking allein vor einem Panzer stand und die Welt in Atem hielt. Deutschland und China sind seit jenem Tag sehr unterschiedliche Wege gegangen. Mehr als zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Mauerfall und der Niederschlagung der Demokratiebewegung Chinas sieht man auch in vielen Bereichen des unternehmerischen Handelns weiterhin deutliche Unterschiede.

China, das Paradies für Unternehmen?Manager internationaler Unternehmen, die begeistert von in kürzester Zeit realisierten Großprojekten berich-ten, konnte man in China jahrelang häufig treffen: Dass es keine Bürgerinitiativen gebe und die Zusammenar-beit generell viel reibungsloser funktioniere, speziell, wenn man durch »guanxi« (Chinesisch für »Beziehun-gen«) die Entscheidungen gleich ganz oben treffen kön-ne. Falls es jemals wirklich so einfach war, so ist diese Ära definitiv vorbei. Unter dem Druck von Gemeinden und Behörden werden heute Werke geschlossen, auch gerne einmal über Nacht. Ausländische Investoren haben oft den Eindruck, dass sie mit größeren Widerständen kämp-fen müssen als chinesische Unternehmen. Viel schwer-wiegender ist allerdings, dass in China Gegner und ihre Strategien oftmals nicht deutlich erkennbar sind. Die Klärung der Sachverhalte, die Recherche der beteiligten Stakeholder und die daraus resultierende Definition der unternehmerischen Optionen sind somit meist eine sehr komplexe Aufgabe, bei der ausländische Unternehmen oft auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind.

Klare Ordnung und HarmonieBlicke ich heute, nach eineinhalb Jahrzehnten als Berate-rin in China, morgens aus meinem Pekinger Büro auf den Hof der angrenzenden Schule, so sehe ich nicht nur eine klar strukturierte Fläche, sondern auch, warum China so tickt, wie es tickt: Auf den Boden des Schulhofs sind Hunderte weiße Punkte gemalt. In einem exakten Mus-ter überziehen sie den rechteckigen Bereich zwischen den Gebäuden. Nach einem immer wiederkehrenden Ri-tual verteilen sich alle Schüler jeden Morgen zur gleichen Zeit auf diesen Punkten, lauschen der Nationalhymne, machen zu schallender Musik Gymnastik und verschwin-den nach genau 30 Minuten wieder im Gebäude. Fast alle diese Kinder sind Einzelkinder, ihnen wird zu Hause von den Eltern und Großeltern fast jeder Wunsch erfüllt. Vie-le entwickeln sich daher zu einem »Little Emperor«, dem

»kleinen Herrscher« der Familie. Aber hier auf dem Schulhof stehen sie nun in Reih und Glied und tun genau das, was man ihnen sagt – und dies sogar im Gleichtakt.

Eine Erklärung dafür liefert der vor über 2.500 Jahren lebende Philosoph Konfuzius, dessen zentrales Thema die menschliche Ordnung war und dessen Lehre die chi-nesische Gesellschaft zutiefst geprägt hat. Konfuzius definierte ein Harmonieideal, welches durch klare Ord-nungsstrukturen zu erzielen sei.

Achtsamkeit und gesunder MenschenverstandGenauso wenig, wie man davon ausgehen kann, dass alle Schüler und Schülerinnen morgens auf dem Schulhof gerne oder gar begeistert an den Übungen teilnehmen, genauso wenig kann ein Manager in China davon aus-gehen, dass er viele loyale Mitarbeiter hat, weil er in Meetings keinen Widerspruch erhält. Im Schnitt ist in China die Mitarbeiterfluktuation deutlich höher als in Deutschland. Nicht selten erhält man eine Kündigung mit einer gesundheitlichen oder familiären Begründung. Gelegentlich kommt ein Mitarbeiter oder eine Mitarbei-terin auch einfach gar nicht mehr, ohne eine offizielle Kündigung, denn die wahren Gründe könnten die Har-monie stören.

Beim Leiten von Projekten und Strukturen und ins-besondere bei der Mitarbeiterführung ist es daher sehr wichtig, einen »guten Draht« zu den Kollegen und Kolle-ginnen aufzubauen. Denn nur wer aufmerksam ist und mit einer großen Portion gesundem Menschenverstand erkennen kann, welcher Kollege, welche Kollegin mit welchen Intentionen agiert, kann darauf reagieren und aktiv steuern.

Konfliktkultur – was ist das?Weil für gebildete Chinesen die Wahrung der Harmonie ein stetiger, aber gleichermaßen unsichtbarer Begleiter ist, kommt ihre Art des Umgangs mit Konflikten aus deut-scher Sicht oftmals einer Konfliktvermeidung gleich.

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Schattenboxen

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BERLIN EinblickBERLIN Einblick

Zum Frühlingsfest reisen beispielsweise je-des Jahr viele junge Singles aus den großen Metropolen zu ihren Eltern – und damit zu den traditionellen Regeln der Familien. Frau-en, die mit 30 nicht verheiratet sind, gelten dort als 剩女; shèng nü; »übrig gebliebene Frauen«. Immer mehr gut ausgebildete und beruflich erfolgreiche Frauen widersetzen sich diesem traditionellen Zwang und mie-ten sich kurzerhand einen Partner, um vor den Eltern das Gesicht zu wahren: »Rent a Boyfriend« bzw. »Rent a Husband« hat zum Frühlingsfest Hochkonjunktur. Keiner soll Schaden nehmen, jeder soll das bekommen, was er sich wünscht; damit ist ein harmoni-sches Gleichgewicht erzielt. So gibt es das konfuzianische Ideal vor – seine zeitgenössi-sche Interpretation ist nur außerhalb Chinas überraschend.

Eine eigene Idee – was sagt der Chef wohl dazu?Der unternehmerische Alltag in China ist aber wie überall auf der Welt davon geprägt, im Wettbewerb zu bestehen. Die Innovations-kraft der gesamten Volkswirtschaft hängt letztlich davon ab, dass Probleme effizient gelöst werden. Wenn man sich vor Augen führt, dass in China das Wort für »Frage« und »Problem« exakt das gleiche ist, schwant einem vielleicht, dass auch der Um-gang mit Problemen meist anders ist als in Europa: Oft werden sie nicht adressiert, son-dern umschifft. Genau hier liegt eine der Hauptherausforderungen in der Volksrepub-lik China: intelligente und gut ausgebildete Chinesen dafür zu begeistern, sich nicht nur auf den ihnen vorgegebenen »Punkt« zu stellen und dort die vorgeturnten Übungen zu absolvieren. Im Gegenteil, die chinesische Regierung und viele Unternehmen erwarten Innovationen. Das erfordert jedoch den Mut, einen anderen Weg einzuschlagen und dies gar eigenverantwortlich zu tun. Letzteres wiederum haben nur sehr wenige Chinesen

und Chinesinnen gelernt. Die Kraft, ihren in-neren Widerstand zu überwinden und somit auch einen Konflikt zu riskieren, haben nicht viele. Diejenigen, die darüber verfügen, scheitern nicht selten daran, dass in den hie-rarchischen Strukturen von Unternehmen und Behörden die Idee einer »punktgenau-en« Ein- und Unter-Ordnung länger lebt als der derzeitige Fünfjahresplan mit seinen in-novationsfokussierten Zielen.

对抗, 反抗, 抵抗, Widerstand auf Chinesisch – immer mit negativem BeigeschmackBetrachtet man, welche Möglichkeiten die chinesische Sprache bereithält, um den Be-griff »Widerstand« zum Ausdruck zu brin-gen, so fällt auf, dass dabei stets eine nega-tive Bedeutung mitschwingt – ganz im Gegensatz zu Begriffen wie »resistance« im Englischen oder »résistance« im Französi-schen. Das Chinesische bietet eine Bandbrei-te an Formulierungen, die jeweils aus zwei Schriftzeichen zusammengesetzt sind – ein Wortbestandteil bedeutet dabei stets »Kampf« oder »Abwehr«. Der positive As-pekt des »Anders-Denkens« und die Vor-stellung, dass dieses »Anders-Denken« so-gar besser sein könnte, ist den meisten Chinesen fremd.

Hinzu kommt, dass Widerstand in China wie beim Schattenboxen (Tai-Chi) unsicht-bar bleibt, auch wenn er vorhanden ist. Viele verfolgen ihre eigenen Ziele, ohne diese je-doch unbedingt bekannt zu geben. Bevor man also in China »Widerstand« sinnvoll ma-nagen kann, stellt sich immer zuerst die Fra-ge: Wer verfolgt welche Interessen und wie kann man einen gemeinsamen Nenner fin-den? Generell muss man sich als westlicher Manager in China von einigen klassisch west-lichen Vorstellungen befreien und überaus achtsam agieren. Eine große Portion gesun-der Menschenverstand ist dabei eine sehr gute Grundlage.

Umgang mit Problemen in Deutschland (blau) und in China (rot), Piktogramme von Yang Liu aus ihrem Buch »Ost trifft West«

Marianne Friese (* 1962) ist seit 2001 als Beraterin und Unter-nehmerin in China – seit 2005 mit der Marianne Friese Consulting GmbH. Die diplomierte Wirt-schaftsingenieurin (FH) und Kommunikationsexpertin (M. A. Californian State Univ.) ist für viele Unternehmen aus Europa aktiv. Aufgrund ihrer langjährigen Management-Erfahrung in China, Europa und den USA ist sie als Business-Coach und Strategie-beraterin gefragt; auch Marken- und Kommunikationslösungen gehören zu ihrer Expertise.

www.m-f-consulting.com

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BERLIN Gespräch

» Je mehr Fragen ich stelle, desto einfacher wird es« Als der Düsseldorfer Ludwig Koehne 1994 das ostdeutsche Eisenbahn-kranbauunternehmen Kirow in Leipzig übernahm, schien die Sanierungs-aufgabe unlösbar zu sein. Hier spricht Koehne darüber, wie es Kirow trotz dieser Widerstände gelungen ist, zum Weltmarktführer für Eisen-bahndrehkrane aufzusteigen – eine deutsch-deutsche Erfolgsgeschichte zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit.

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BERLIN Gespräch

Herr Koehne, mit welcher Situation wa-ren Sie konfrontiert, als Sie 1993 den Kranbauer Kirow in Leipzig von der Treuhand übernehmen wollten?Kirow war ein extremer Sanierungsfall: Durch die Währungsumstellung war der gro-ße Absatzmarkt im Osten weggebrochen. Der Markt für Eisenbahnkrane im Westen war zu klein, um zu überleben, und darüber hinaus sehr wettbewerbsintensiv. Die Struk-turen bei Kirow stammten aus Kombinats-zeiten, die Produkte waren technisch veral-tet. Kein Wunder, dass die Treuhand keine Perspektive für Eisenbahnkrane in Leipzig sah. Kirow war daher aus dem TAKRAF-Kon-zern bereits in das Sondervermögen über-tragen worden und sollte im Falle eines Scheiterns der Privatisierungsbemühungen geschlossen werden.

Vor uns waren schon mehrere potenziel-le Investoren abgesprungen. Unser Ange-bot, die Hälfte der nach der Treuhandsanie-rung noch vorhandenen 360 Arbeitsplätze – von einstmals 3.000 – zu übernehmen, war also die letzte Chance. Dem Betriebsrat ge-fiel dies natürlich nicht. Er bestand auf einer Übernahme aller Arbeitsverhältnisse.

An der Alles-oder-nichts-Strategie des Betriebsrats drohte damals auch der von Ihnen ausgehandelte Vertrag mit Treuhand und IG-Metall zu scheitern. Wie haben Sie es dennoch geschafft?Das war ein zähes Ringen. Eine Pendeldiplo-matie zwischen Betriebsrat und Geschäfts-führung setzte ein. Letztlich löste die IG Me-tall das Problem, indem sie dem Vorsitzenden ein Stipendium und einen Studienplatz orga-nisierte. Dazu kam eine hohe Abfindung, an der wir uns angemessen beteiligten. Natür-lich wurde auch die Presse eingeschaltet – BILD-Zeitungsberichte mit diffamierenden Äußerungen, das ganze Programm. Aber Schwamm drüber. Ende gut, alles gut.

Wirklich? Wenn man hört, dass ein »Wessi« unter diesen Vorzeichen ei-nen »Ostbetrieb« übernimmt, dann denkt man sofort an eine Frontstellung Ost – West.Die hat es nie gegeben. Die Belegschaft war durch den Zusammenbruch der ostdeut-schen Wirtschaft traumatisiert. Aber die Kultur war eine andere, was zwangsläufig immer wieder zu Missverständnissen führ-te. Doch kulturelle Unterschiede haben nicht unbedingt etwas mit Ost und West zu tun. Die haben Sie ja auch bei den Norddeut-schen oder den Bayern mit ihrer »Mia san mia«-Mentalität.

Die Gewerkschaft hat damals für eine schnelle Angleichung des Lohnniveaus zwischen Ost und West gekämpft. Wie kamen sie damit klar?1995 mussten wir einen 25-prozentigen Lohnkostenzuwachs verkraften, der nicht durch eine Erhöhung der Produktivität auf-gefangen werden konnte. Das war ein har-ter Schlag. Denn mit diesem Kostenschub konnten wir auch nicht als Lohnfertiger für Dritte arbeiten, um die Schwankungen in der Produktionsauslastung auszugleichen. Also stand immer wieder Kurzarbeit auf der Tagesordnung.

Es war eine schwierige Zeit: Unser ehe-maliger Großabnehmer, die russische Staats-bahn, hatte beschlossen, nur noch Krane von lokalen Herstellern zu kaufen, im Westen war Kirow weitgehend unbekannt und auf die etablierte Marke TAKRAF konnten wir nicht mehr zurückgreifen.

Der russische Name war sicherlich auch nicht unbedingt von Vorteil ...Ja, das stimmt, Kirow wurde als russische Firma wahrgenommen, mit allen damit ein-hergehenden negativen Vorurteilen – eine Steilvorlage für die Konkurrenz aus dem Westen! Die gesamte osteuropäische Wirt-schaft galt ja als rückständig und pleite. Wer kauft schon langlebige Wirtschaftsgüter – Eisenbahnkrane sind 30 Jahre im Einsatz und werden über 15 Jahre abgeschrieben –, wenn er glaubt, dass es den Lieferanten bald nicht mehr gibt?

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BERLIN Gespräch

Da fragt man sich, warum Sie den La-den überhaupt übernehmen wollten. Was hat Sie daran gereizt?Nicht alles Kapital war vernichtet: Kirow be-saß noch Renommee. Das Werk verfügte über eine Belegschaft hoch motivierter und gut ausgebildeter Facharbeiter und Ingeni-eure, bei seinen Stammkunden stand es für robuste, langlebige Produkte. Und weltweit waren 5.000 Kirow-Krane im Einsatz – ein Riesenpfund in unserer Hand. Es gab also durchaus eine solide Grundlage für den Auf- bzw. Ausbau der Marke. Wir trauten uns zu, den Resonanzraum in den Stammmärkten unter dem eingeführten Namen Kirow wie-derzubeleben und von hier aus den Westen zu erobern.

Wie ist es Ihnen gelungen, der starken Konkurrenz den Wind aus den Segeln zu nehmen und für sich zu nutzen?Wir konnten namhafte und erfahrene Kons-trukteure und Vertriebsleute mit speziel-lem Produkt-Know-how überzeugen, zu uns zu kommen. Das war der entscheidende

Schritt: Die Tatsache, dass Brancheninsider – u. a. der langjährige Vertriebsleiter unse-res zu Mannesmann gehörenden Hauptkon-kurrenten Gottwald – nun für Kirow arbeite-ten, wurde im Markt als Signal dafür gewertet, dass mit Kirow langfristig zu rechnen sei. So haben wir begonnen, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.

Auf dem Markt für Eisenbahnkrane tummeln sich mehrere Unternehmen mit vergleichbar anspruchsvollem technischem Profil. Kommt es da nicht zu einem ruinösen Wettbewerb, wo der Preis allein entscheidet?Das war in der Tat ein großes Problem. Wir hatten den Ehrgeiz, die anderen Anbieter mit maßgeschneiderten und preiswerteren Kranen zu übertreffen, gewannen Wettbe-werbe und produzierten Verluste, weil un-sere Entwicklungskosten zu hoch waren. Das zwang uns umzudenken.

Damals entschieden wir uns für die Pre-miumstrategie: Die Kunden sollten den Na-men »Kirow« nicht mit günstigen Preisen,

Oben: Mit dem nach dem Bau-kastenprinzip gefertigten, hochflexiblen Eisenbahn-drehkran »Multi Tasker«, hier beim Unfalldienst, hängte Kirow die Konkur-renz ab

Vorherige Seite: Die Schaffung eines zwei-ten Standbeins im Bereich Spezialtransportfahrzeuge für Stahlwerke, Werften und Baustellen sicherte Kirow das Überleben – hier ein »Multi Mover Y« mit 550 Tonnen Hubkraft beim Roheisenhandling

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BERLIN Gespräch

sondern mit attraktiven Produkten verbin-den. State of the Art. Damit das finanzierbar blieb, haben wir uns auf Kirows historische Stärke besonnen, die im hohen Standardi-sierungsgrad der alten Serienkrane lag. Und dann haben wir damit begonnen, unsere Krane nach dem Baukastenprinzip zu ent- wickeln. Gleichzeitig wurde das Sortiment verklei-nert und auf die technisch avanciertesten Produkte konzentriert. Im Zuge dieser Neu-ausrichtung haben wir uns von den Fest-auslegerkranen verabschiedet und alles auf die neuen, teureren, aber deutlich flexible-ren Teleskopkrane gesetzt.

Klingt nach einem ziemlichen Wagnis, denn diese Technik war doch sicherlich nicht zum kleinen Preis zu haben?Klar, die Technik hat ihren Preis, aber so eine vielseitig einsetzbare Mehrzweckma-schine ist auch enorm attraktiv. Und dank des Baukastenprinzips konnten wir die Ent-wicklungskosten umlegen und so im Rah-men halten. Die Konkurrenz konnte ihren Entwicklungskostenvorsprung jetzt nur noch bei den veralteten Festauslegern aus-spielen, die die Kunden immer weniger überzeugten.

Der technische Vorsprung in Kombinati-on mit dem Baukastenprinzip, das bewährte Produktkomponenten, kürzere Lieferzeiten und eine unkomplizierte Ersatzteilversor-gung garantierte, war dann auch unser Durchbruch: Mit dem leistungsstarken Ei-senbahndrehkran KRC 1200 (Kirow Railway Crane) stieg Kirow 1999 zum Weltmarkt-führer auf. Er ist ein echter »Multi Tasker«, einsetzbar im Gleis- und Brückenbau, beim Unfalldienst und für den Transport von Schwerlasten.

Was war aus Ihrer Sicht entscheidend dafür, dass der Wandel vom Beinahe-Konkursfall zum erfolgreichen Unter-nehmen gelungen ist?Die Ingenieursleistung war entscheidend. Unsere Kunden kaufen Technik. Natürlich spielte auch die Vernetzung unserer einge-worbenen Vertriebsleiter eine große Rolle. Und der Aufbau eines zweiten Standbeins im Bereich der Transporter.

In der Markenführung betonten wir die starke Tradition des Betriebes. Heutzutage würde man sagen, dass wir die »DNA« er-spürten und neu interpretierten. Das setzte enorme Kräfte frei. So konnten wir relativ einfach tradiertes Denken in jeder Abtei-lung infrage stellen. In der Praxis ging das natürlich nur durch die neu eingestiegenen Fachleute. Kirow war de facto ein Start-up mit Respekt vor der Tradition.

Wie sah das neue Selbstverständnis aus?Dorthin zu gelangen, war ein enorm an-strengender Klärungsprozess. Denn um ein klares Profil zu erhalten, muss man ja erst mal ganz viel Nein sagen: Nein, so machen wir das nicht, das passt nicht zu uns, das geht in die falsche Richtung, das gibt es bei uns nicht – z. B. veraltete Festausleger. Ist die Richtung erst mal klar und wird absolut konsistent kommuniziert, ergibt sich das Übrige fast wie von selbst. Unsere neuen Claims als »Heavy Duty Specialists« und »Weltmarktführer« wirkten dynamisierend nach außen wie innen. In dieser Position können wir uns keine Abstriche bei Qualität, Design oder Service leisten. Auf diese Linie sind hier alle eingeschworen – oder werden im Falle mangelhafter Leistungen daran erinnert.

Das klingt ganz einfach. Gab es gar kei-ne betriebsinternen Diskussionen über Sinn und Notwendigkeit der Verände-rungen? Haben Ihre Facharbeiter und Ingenieure das alles widerstandslos mitgemacht?Natürlich gab es viele Bedenken, Sorgen und Ängste, dass wir mit unserer Premium-strategie scheitern könnten. Es entsprach einfach nicht der Erfahrung unserer Leute, dass Kunden bereit sind, für ein tolles Pro-dukt tiefer in die Tasche zu greifen. Als sich abzeichnete, dass die Kunden unseren teu-reren Produkten den Vorzug gaben, erfüllte das selbst unsere so nüchternen Ingenieure mit Stolz.

Zu guter Letzt: Verraten Sie uns Ihre Führungsstrategie?Wie jeder Mensch handle ich eher aus dem Bauch heraus. Authentizität und Glaubwür-digkeit stehen an erster Stelle: Was ich mir von meinen Mitarbeitern wünsche, was mir wichtig ist, das muss ich auch selbst verkör-pern, vorleben, also Einsatzfreude, Herzblut, Risikobereitschaft, Verantwortungsbewusst-sein, sich zu eigenen Entscheidungen, auch Fehlern, bekennen, nicht anderen die Schuld geben. Dafür stehe ich.

Außerdem liegt mir der Dialog. Ich gehe auf die Leute zu, rede mit ihnen, ordne nicht einfach an, sondern stelle Fragen, habe kei-ne Angst, mir eine Blöße zu geben. Auf ih-rem Gebiet sind das ja alles Spezialisten, die wissen viel mehr als ich. Mit zwei, drei Fra-gen kann man selbst komplexeste Probleme so sezieren, dass man gemeinsam mit der Erarbeitung der Lösung beginnen kann. Wenn ich etwas gelernt habe, dann dies: Je mehr Fragen ich stelle, desto einfacher wird es.

Die Geschichte der Unter- nehmen der Kranunion Sabine Schneller und Hildtrud Ebert Kranunion GmbH 2013 ISBN: 978-3-9815928-0-1 423 Seiten mit zahlr. farb. Abb., (D) 50,00 € zzgl. 7,00 € Versand

Ludwig Koehne (* 1966) arbeitete nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Oxford zunächst bei der Treu- handanstalt in Berlin im Bereich Abwicklung, bevor er im Rahmen der Privatisierung der Kirow-Werke nach Leipzig wechselte.

Kirow bildet heute zusammen mit Ardelt in Eberswalde und Kocks in Bremen die Kranunion. Die ausführliche Geschichte der Kranunion-Unternehmen von ihrer Gründung über die Teilungs- und Wendezeit bis heute gibt es als Buch, erhältlich über [email protected]

www.kranunion.de

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BERLIN Perspektive

» Visual Record« von Christian Ridder im Rahmen der Kick Kundenwerkstatt 2014. Mehr zur kick: consultuing GmbH: www.kick-consulting.com , mehr zu Christian Ridder: www.business-as-visual.com

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BERLIN Perspektive

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BERLIN Bibliothek

Der unergründliche

Verweigerer»Ich möchte lieber nicht« oder »I would prefer not to« – das kann man heute auf T-Shirts lesen. Es ist einer der berühmtesten Sätze der Literaturgeschichte. Was hat es damit auf sich? Und woran könnte es liegen, dass wir uns gerade jetzt wieder an diesen Ausspruch erinnern?

Er stammt aus Herman Melvilles Erzäh-lung »Bartleby, der Schreiber« aus dem Jah-re 1853. Darin berichtet ein alternder Anwalt von einem Kopisten namens Bartleby, den er in seiner Kanzlei anstellt. Schon ihr erstes Zusammentreffen verläuft eher kühl und was harmlos als leichte Schrulligkeit be-ginnt, steigert sich bald zur Groteske. Als der Anwalt Bartleby bittet, ihm bei der Prüfung von Abschriften behilflich zu sein, antwortet der höflich, aber bestimmt: »Ich möchte lie-ber nicht.« Der Erzähler ist zwar erbost, aber noch regt sich Mitgefühl in ihm. Will Bartleby zunächst nur keine Kopien anfertigen, mün-det sein Verhalten bald in eine generelle Ar-beitsverweigerung. Der ehemals gewissen-hafte Mitarbeiter wird zum Mühlstein am Hals des Anwalts, den der sanfte, aber uner-bittliche und unerklärliche Widerstand sei-nes Untergebenen mehr und mehr aus der

Sophie Weigand (* 1989) ist gelernte Buchhändlerin und studiert Kultur- und Literatur-wissenschaft. Daneben betreibt sie den Blog »Literaturen« (www.literatourismus.net) und ist Teil des Bloggerzusammen-schlusses »We read Indie«, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, unabhängige Verlage und ihre Bücher sichtbarer zu machen.

www.literatourismus.net

Fassung bringt. Sogar die Kündigung erträgt Bartleby mit einer stoischen Ruhe – indem er ihr Vorhandensein einfach nicht zur Kennt-nis nimmt. In seiner Kompromisslosigkeit wirkt Bartleby fast wie eine Heimsuchung. Weil er ihn nicht loswird, zieht der Anwalt schließlich selber aus und Bartleby, dessen Arbeitsverweigerung zur Lebensverweige-rung geworden ist, endet nach der Räumung im Gefängnis.

Manchmal trägt die Erzählung den Un-tertitel »Eine Geschichte aus der Wall Street«, der nahelegt, dass ihr Schauplatz von besonderer Bedeutung ist. Bartleby stellt sich als antikapitalistischer Verweige-rer gegen ein entmenschlichtes System, das so blutleer ist wie er selbst. Vielleicht erfreut er sich heute auch deshalb einer derart gro-ßen Beliebtheit, weil wir selbst gern öfter lieber nicht wollten – und doch müssen.

Bartleby, so heißt es abschließend, habe vor der Kanzlei im Dead Letter Office gear-beitet und unzustellbare Briefe vernichtet. Da kann man hoffnungslos werden.

HERMAN MELVILLES »BARTLEBY«

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BERLIN Bibliothek

Wer hart sitzt, denkt sachlicher, wer spazie-ren geht, kreativer. Und wer einen Laborkit-tel überzieht, agiert aufmerksamer. Gesten befördern das Verständnis und eine wärmen-de Tasse in Händen lässt uns unsere Mitmen-schen positiver sehen. Kurzum: Wir denken nicht nur mit dem Kopf, sondern mit dem gan-zen Körper – und dieses Buch erklärt, wie wir dieses Zusammenspiel zu unserem Vorteil

nutzen können, um unser Denken zu beein-flussen, Veränderungen zu initiieren, Wider-stände und Denkblockaden zu überwinden. Mitunter müssen wir dafür nur eine Kleinig-keit ändern: lächeln, die Arme ausbreiten, die Hände waschen, die Faust ballen. Ver-blüffende und praktikable Tricks aus der Fe-der des Erfolgsautors und Spezialisten für die Prüfungen des Alltags.

Change Management Den Unternehmenswandel gestalten Klaus Doppler und Christoph Lauterburg 13., akt. u. erw. Aufl., Campus Verlag 2014 ISBN: 978-3-593-50047-8 605 Seiten, (D) 79,00 €

Lean in Frauen und der Wille zum Erfolg Sheryl Sandberg Deutsch von Barbara Kunz Ullstein Verlag 2015 ISBN: 978-3-548-37549-6 320 Seiten, (D) 10,99€

Die Kreativitäts-AG Wie man die unsichtbaren Kräfte überwindet, die echter Inspiration im Wege stehen Ed Catmull, Amy Wallace Deutsch von Karin Miedler, Sigrid Schmid und Thomas Pfeiffer Hanser Verlag 2014 ISBN: 978-3-446-43672-5 376 Seiten, (D) 24,90 €

Warum Einstein niemals Socken trug Wie scheinbar Neben- sächliches unser Denken beeinflusst Christian Ankowitsch Rowohlt Verlag 2015 ISBN 978-3-87134-793-1 304 Seiten, (D) 18,95 €

Erfolgreiche Unternehmen müssen sich ste-tig verändern, aber Veränderungen stoßen immer auf Widerstand. Wie man den Wandel möglichst reibungslos gestalten kann, das verrät dieses Standardwerk. Konkret und an-hand zahlreicher Beispiele beschreiben die versierten Autoren die typischen Phasen von Veränderungsprozessen und die zentralen

Handlungsmaximen. In einzelnen Kapiteln widmen sie sich dabei auch dem Umgang mit Widerstand, der Psycho-Logik des Misslin-gens, bestimmten Hierarchie- und Macht-strukturen als Hemmschuhen für Neuerun-gen sowie der Bedeutung von Emotionen, die der Dynamik von Veränderung und Be-harrung letztlich zugrunde liegen.

Sheryl Sandberg, als COO und Mitglied des Verwaltungsrats von Facebook eine der we-nigen sichtbaren Topmanagerinnen welt-weit, wagt es, über die äußeren und inne-ren Barrieren zu sprechen, die Frauen den Aufstieg verwehren. Eine offen sexistische Arbeitsumgebung ist heute selten gewor-den, eher sind die Widerstände bedingt durch nach wie vor vorhandene Rollen- erwartungen und Geschlechterklischees in unseren Köpfen, wie die Autorin aus

eigener Erfahrung und aus Gesprächen mit unzähligen anderen Frauen und Männern gelernt hat. Frauen sollten sich davon nicht entmutigen lassen, sondern sich mehr in ihre Karriere reinhängen, um das Ideal einer gleichberechtigten Arbeitswelt zu verwirk-lichen. Sheryl Sandberg zeigt ihnen Strate-gien, mit denen sie die vielfältigen Wider-stände überwinden und ihre Ziele erreichen können. Ein sehr persönliches, mutiges, ehrliches Buch.

Ed Catmull, der Mitbegründer und Präsident von Pixar, das seit 25 Jahren immer wieder neue, sensationell erfolgreiche Animations-filme entwickelt, gibt in seinem Buch tiefe Einblicke in die Führung und das Manage-ment eines kreativen und innovativen Unter-nehmens. Er zeigt, wie man zerstörerische Kräfte überwindet und mit Unsicherheit, Ri-siken und Fehlern umgeht – und warum man

viel mehr erreicht, wenn man den Mitarbei-tern Freiheit gibt, statt sie zu kontrollieren. Eine wirklich kreative Kultur zu schaffen, die alle zu Bestleistungen befähigt, ist eine täg- liche Herausforderung. Sie gleicht einem hochempfindlichen Organismus, der immer-fort gehegt und gepflegt werden muss. – »Gut und gerne das beste Businessbuch, das je geschrieben wurde.« (Forbes)

CHANGE MANAGEMENT Klaus Doppler und Christoph Lauterburg

LEAN INSheryl Sandberg

DIE KREATIVITÄTS-AGEd Catmull mit Amy Wallace

WARUM EINSTEIN NIEMALS SOCKEN TRUGChristian Ankowitsch

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BERLIN Umschau

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STÄNDEN UMZUGEHEN. HIER EINE AUSWAHL DAZU

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Sie möchten lieber nicht, aber trauen sich nicht, das zuzugeben? Dann sagen Sie’s doch mit Herman Melvilles Bartleby. Dessen be-rühmten Ausspruch »I would prefer not to«, mit dem er höflich, aber bestimmt jede Tätig-keit ablehnt, gibt es nämlich auch auf T-Shirts. Damit machen Sie nicht nur Ihren Standpunkt klar, sondern demonstrieren ganz nebenbei auch noch Ihre Kenntnis der Weltliteratur.

Das bedruckte T-Shirt aus reiner Baumwolle kostet 25,49 €, seine Farbe sowie die Größe und Platzierung der Schrift kann jeder bei www.spreadshirt.de selbst bestimmen.

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Die für diese Ohrringe verwen-deten elektrischen Widerstände wiegeln die Trägerin nicht auf, sondern erfüllen nur dekorative Funktionen – das aber aufs Schönste. Wetten, dass so viele Ohm am Ohr auch Sie unwider-stehlich machen?

Der Ohrring mit 3 Keramikwider-ständen des Londoner Labels »Ohm Jewelry« ist knapp 4 cm lang und kostet 8,70 €; zu bezie-hen über www.etsy.com/de.

MOTIVATIONSHIGH PER HIRNDOPING

Loben ist eine effektive Methode im Widerstandsmanagement. Denn das Gehirn reagiert darauf mit der Ausschüttung des Neurotransmit-ters Dopamin, der unsere Antriebskraft und Motivation befeuert. Leider ist das Teufelszeug nach 72 Stunden abgebaut – weshalb es

sich empfiehlt, spätestens alle vier Tage das Lob zu erneuern, damit die Leistung nicht nachlässt. Mit dieser »MotivationApp« bzw. den

dazu passenden »MotivationCards« geht das kinderleicht und schnell: einfach das entsprechende Kompliment auswählen und auf »Senden« drücken – schon hat man wieder jemanden belohnt.

Die »MotivationApp« von Peter Boltersdorf mit Komplimen-ten in verschiedenen Sprachen (auch in Latein) kostet 7,99 €

in der Vollversion, eine reduzierte Version gibt es gratis; erhältlich über Apple Store und Google Play, siehe auch

www.motivation-company.com/de.

Widerstand zwecklos

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BERLIN Umschau

SCHWEINEHUND ZUM VERLIEBEN

Wir können uns noch so sehr bemühen, un-sere Blockaden zu überwinden und unsere Hemmungen abzubauen – unseren inneren Schweinehund werden wir wohl nie wirklich los. Bei Günter hier wollen wir das auch gar nicht: Das niedliche Kuscheltier darf gerne in unserer Nähe bleiben, zum Beispiel als treu-er Anhänger an unserem Schlüsselbund.

Das Plüschtier »Günter, der innere Schwei-nehund« ist ca. 10 cm groß, hat Magnethän-de, einen Schlüsselring und kostet 9,95 €; www.gabal-verlag.de

STRESS, LASS NACH!

Veränderungen angehen, Neuerungen aufgreifen oder Verantwortung über-nehmen bedeutet erst mal Stress. Wer sich dem lieber nicht aussetzen möchte, findet mit diesem Würfel schöne Ausreden. Denn die Ergebnisse legen gar nichts fest, sondern spielen auf Zeit und vertagen die Entscheidung fürs Erste – auf später, auf morgen oder nach der Pause. Willkommene Munition also für alle Un-entschlossenen, Zauderer und Zögerer. Wer selbst davon gestresst wird, darf sich gleich noch an dem Würfel abreagieren und ihn nach Belieben zusammen-stauchen und verformen.

Den Schaumstoffwürfel »Decisionmaker« mit 6,4 cm Kantenlänge von noTrash2003 gibt es für ca. 6,90 € bei www.amazon.de.

SCHLICHTUNG AUF INDIANISCH

Die Wogen schlagen hoch, alle schreien durcheinander, keiner hört zu, das Ganze droht zu eskalieren? Dann kommt diese Schokolade zum Einsatz. Sie kann wie ein indianischer Redestab verwendet werden, der von ei-nem zum anderen weitergereicht wird. Wer den Riegel in der Hand hält, darf ungestört sprechen, die anderen müssen still sein. Wenn der Konflikt auf diese Weise aus der Welt geschafft und eine gemeinsame Position gefun-den wurde, bekommen alle zur Belohnung ein Stückchen Vollmilchschokolade mit Mandeln und Butter-Caramel.

Die »Soul Food Streitschlichter-Stückchen« von Hussel gibt es im 150-Gramm-Riegel für 4,98 €; erhältlich über www.hussel.de.

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BERLIN Kolumne

Zugegeben: Google hat’s mit uns auch nicht leicht. Woher soll es denn wissen, dass sich eine Stadt, 375 Kilometer von Achim entfernt*, unseren schönen Namen im Netz gekrallt hat? Und woher soll die Auszubildende Lena von der Berliner Eventagentur »Z« wissen, dass wir ihre Anfrage nach Lieferung von 800 Eintrittskarten bis 16 Uhr in Schöneberg allein wegen dieser Entfernung nicht schaffen? Schließlich hat sie »Berlin Druck« gegoogelt, und da haben wir uns – schlau wie wir sind – vor all die Internet-druckereien geschmuggelt, die für ihre Platzierungen so viel Geld bezahlen müssen.

Aber können wir überhaupt sicher sein, dass es an Google liegt, wenn die Hälfte aller Online-Druckanfragen an uns aus der Hauptstadt kommt? Im angezeig-ten Snippet, so nennt man die Darstellung der Homepage in den Suchergebnissen, steht in der ersten Zeile immer: »Druckerei BerlinDruck GmbH & Co. KG in Achim«. Doch woher soll Lena wissen, dass »Achim« ein Ort ist, wenn Google nicht mal weiß, dass es sich bei »Berlin« um den Namen der berühmten Druckerei handelt? Für sie ist Achim der nette Junge aus dem vierten Stock, auf den sie schon so lange ein Auge geworfen hat. Aber lassen wir das . Fest-zuhalten bleibt, dass Kunden aus Berlin inzwischen auf Platz 4 unserer Kundenliste nach Or-ten stehen. Thnx Google.

Schwieriger wird’s mit Google News. Da müssen wir für Dinge geradestehen, für die wir nun wirklich nichts können: egal, ob es um Probleme beim Sport (»Union Berlin: Druck allein reicht nicht«) oder in der Politik (»Will Ber-lin Druck auf griechisches Referendum ausüben?«) geht – es landet in unserer täglichen Mail von Google News, mit der wir eigentlich erfahren wollen, wo das Netz uns mal wieder gefun-den hat. Da der Algorithmus Satz- oder Leerzeichen nicht berücksichtigt und fast alle deut-schen Tageszeitungen durchkämmt, kommen wir auch ins Spiel, wenn ein Lokalpolitiker aus Bad Salzuflen mal wieder in Berlin Druck machen möchte. Da helfen wir natürlich gerne, doch lieber wären uns die News: »BerlinDruck aus Achim hat den Offsetolymp erklommen.« Aber das sind ja eigentlich keine News, oder?

Mittlerweile bin ich übrigens darüber hinweggekommen, dass mir die Stadt Berlin das ».de« hinter meinem Namen stibitzt hat und habe mir eine neue Internetheimat gesucht. Schreiben Sie mir doch einfach mal an [email protected] .Der kleine Umweg über die Seychellen (.sc) wird Ihrer Post gefallen.

Meint jedenfalls Ihr Reinhard Berlin

* von Achim, Oskar-Schulze-Straße 12, bis Berlin, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche – natürlich ermittelt mit Google Maps

Google ist

Berlin Druck

Doooof

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BERLIN Ausdruck

DIESE AZUBIS VERSTÄRKEN DAS BERLIN-TEAM

Leider haben wir nicht genau mitgezählt. Aber die Chance, dass sich unter diesen fünf jungen Menschen die Nummer 100 unserer Azubigalerie befindet, ist sehr hoch. Denn schon acht Monate nach der Firmengründung im Jahr 1982 ging es mit zwei Lehrlingen – so nannte man die damals noch – los. Zurzeit sind fünf Auszubil-dende im Berlin-Team. Von links: Yannik Schmoecker, Medientechnologe Weiter-verarbeitung; Leo Schnier, Industriekaufmann; Daniel Dreesmann, Medientech-nologe Druck; Tessa Warnecke, Mediengestalterin; und Arne Dührkop, Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistungen.

AUCH SPEDITION UND LOGISTIK WILL GELERNT SEIN

Nur Setzen, Drucken, Binden? Das reicht für eine moderne Druckerei schon lange nicht mehr. Schließlich übernehmen wir über den Druck hinaus komplexe und anspruchsvolle logistische Aufgaben für unsere Kunden. Artikel werden eingelagert, in ein Waren-wirtschaftssystem eingepflegt und zum ge-wünschten Zeitpunkt abgerufen und ausge-liefert. Ohne Zweifel ist die dafür zuständige Abteilung in unserem Hause in den letzten Jahren weit überproportional gewachsen. Und nachdem alle ausbildungsrelevanten Er-fordernisse erfüllt wurden, konnten wir jetzt mit Arne Dührkop, der seit dem 1. Juli bei uns lernt, unseren ersten Auszubildenden in die-sem Fachbereich begrüßen. Neben den drei Medientechnologen für Vorstufe, Druck und Weiterverarbeitung und der Ausbildung zum Industriekaufmann ist so mit dem »Kaufmann für Spedition und Logistikdienstleistungen« nun ein fünfter Berufszweig hinzugekom-men, für den wir die Ausbildungsvorausset-zungen erfüllen.

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WENN BUCHBINDERTRÄUME WAHR WERDEN ...

Wer 18.000 Bogen pro Stunde druckt, der darf bei der buchbinderischen Weiterverarbeitung nicht schlapp ma-chen. Sie ist oft das Nadelöhr in Druckereien. Schluss da-mit! Unsere neue Heidelberg-Falzmaschine »Stahlfolder KH 78« hat sich an die Spitze der 2015er-Investitions-kette bei BerlinDruck geschmuggelt. Bereits ein paar Tage vor der neuen Heidelberg-Druckmaschine »Speed-master XL 106« hat sie die Produktion aufgenommen. Und beweist, dass es Innovationen nicht nur im Bereich der digitalen Produktion gibt. Überzeugen Sie sich ger-ne bei uns vor Ort, wie diese Heavy-Metal-Maschine am Ende der Prozesskette den gesamten Ablauf nachhaltig optimiert.

Was beim Fahrzeugkauf oft für Ärger sorgt, ist bei der KH 78 der Clou: die Extras! Zusätzliche Falztaschen, ein spezieller Anleger und eine Stapelauslage sorgen dafür, dass kaum eine Falzart den Buchbinder vor Prob-leme stellt. Die Produkte werden von der Maschine ge-sammelt, gestapelt und die sauber gerüttelten Stapel an einen Stautisch geliefert. Der modulare Aufbau so-wie diverse Zusatzeinrichtungen stehen für höchste Flexibilität und Produktivität. Da bleiben keine Wün-sche offen.

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Wenn Buchbinder-träume wahr werden ...

BERLIN Ausdruck

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BERLIN Ausdruck

Demontage unserer alten »Heidelberg Speedmaster XL«

Do., 9. 7. 2015, 10:34 Uhr

Do., 9. 7. 2015, 10:19 UhrDo., 9. 7. 2015, 10:51 Uhr

Do., 9. 7. 2015, 10:20 Uhr Do., 9. 7. 2015, 10:41 Uhr

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BERLIN Ausdruck

Sieht man heute noch einen iPod, fällt es schwer, ihn zeitlich einzuordnen. Schließlich ist er mittlerweile eher im Museum zu finden als auf dem Ladentisch. Irgendwie ist er ein Relikt aus vergangener Zeit. Dabei ist es gerade einmal sieben Jahre her, dass Leute vor Geschäften kam-pierten, um als Erste in den Besitz dieses Prachtstücks zu kommen. Genauso lange ist es her, dass eine der ersten »Heidelberg Speedmaster XL«-Druckmaschinen bei BerlinDruck in Achim zum Einsatz kam. In diesem Som-mer nun wurde bei uns die neue Generation der Speed-master montiert: Ihr Druckformat ist einen Zentimeter breiter (106 statt 105 cm), ansonsten aber unterschei-det sich die »Neue« rein äußerlich kaum von der »Al-ten«. Man muss schon zweimal hinschauen, um optische Abweichungen zu erkennen.

DIE ZUKUNFT HAT BEGONNEN: IM JULI WURDE BEI BERLINDRUCK

DIE NEUE SPEEDMASTER-XL-DRUCKMASCHINE IN BETRIEB

GENOMMEN, UNTER DEREN HAUBE SICH EIN WAHRES WUNDER-

WERK AN TECHNIK UND DIGITALER FEINABSTIMMUNG BEFINDET

– DIE KAMERA WAR BEI JEDEM SCHRITT DABEI.

Gutenberg 5.0

Das behutsame Facelifting verdeckt allerdings perfekt, dass sich unter der Haube eine technologische Revoluti-on vollzogen hat. Wer heute ans Bremer Kreuz zur Druckabstimmung kommt, wird vielleicht die Densitome-ter oder Spektralfotometer vermissen, die auf dem Ab-stimmtisch bei der Begutachtung immer im Weg lagen. Diese Mess- und Prüfgeräte sind nun endlich dort, wo sie hingehören: in der Maschine.

Als am 1. August 2011 der Lehrberuf »Drucker« nach einigen Hundert Jahren aus den Ausbildungsverordnun-gen verschwand und durch »Medientechnologe Druck« ersetzt wurde, quittierte man das allgemein mit einem müden Lächeln – die Sprachmodernisierungswelle hatte nun wohl auch diese altehrwürdige Berufsbezeichnung erfasst. Schließlich hatte sich an der eigentlichen Tätig-keit, Informationen massenhaft auf Papier oder andere Druckträger zu bringen, nichts geändert. Wer allerdings unsere neue »Heidelberg Speedmaster XL 106-5+LX (2)« mit einer Maschine früherer Generationen vergleicht, stellt schnell fest, dass das Wort »Technologe« hier ab-solut zutreffend ist.

Auch wenn der eigentliche Druckprozess nach wie vor analog verläuft, schlummert unter der Haube digitale

Do., 9. 7. 2015, 11:03 Uhr Di., 14. 7. 2015, 11:13 Uhr

Do., 9. 7. 2015, 11:14 Uhr

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BERLIN PerspektiveBERLIN Ausdruck

Technologie vom Feinsten. Während noch vor wenigen Jahren einige Medienbrüche zwischen Grafiker und Endprodukt zu be-werkstelligen waren und nicht selten für Verstimmungen sorgten (»Was habt ihr bloß aus meinem Bild gemacht?«), reicht die Pro-zesskette, der Workflow, heute vom kalib-rierten Bildschirm des Fotografen bis zur Voreinstellung der Farbgebung in der Druck-maschine. So bedingt jede Farbkorrektur, die ein Grafiker an einem Bild in Lightroom oder Photoshop vornimmt, eine direkte Verände-rung der Druckparameter in unserer neuen Speedmaster XL. Die Frage, was denn ein Drucker dabei noch zu tun hat, wird durch die neue Berufsbezeichnung beantwortet: Er muss die digitale Technologie in allen Facet-ten beherrschen. Rüstzeiten optimierung, Maschinen steuerung und Farbworkflow sind die Kernaufgaben.

Bei heutigen Geschwindigkeiten von 18.000 Druckbogen pro Stunde ist es von größtem Vorteil, dass der Medientechnologe Druck die beiden kritischsten Parameter – Farbstabilität und Passergenauigkeit – vom ersten bis zum letzten Bogen einem techni-schen System überlassen kann, das das menschliche Auge und Tempo um Längen

schlägt: Prinect Inpress Control misst und re-gelt automatisch Farbe und Passer bei lau-fender Maschine – und das bei jeder Ge-schwindigkeit. Direkt in die Druckmaschine integriert, erfasst die Messeinheit Skalen-farben, Sonderfarben und Passer. Eventuell erforderliche Korrekturen werden direkt zur Nachregelung an den Leitstand Prinect Press Center weitergeleitet. Da die Maschine weder zum Einrichten noch zur Auflagen-kontrolle angehalten werden muss, erreicht Prinect Inpress Control eine höchstmögliche Produktivität und Qualität.

Zum Thema dieses Heftes – »Wider-stand managen« – passt unsere neue Ma-schine eigentlich überhaupt nicht. Denn die-se Veränderung erfuhr keinerlei Widerstand. Freudige Gesichter im ganzen Drucksaal, als die ersten Montagevorbereitungen sichtbar wurden. Das mag damit zusammenhängen, dass unsere Branche seit Jahrzehnten in ei-nem kontinuierlichen Veränderungsprozess steht. Es ist allerdings auch die Freude, mit der neuen Technologie weiter zu den Besten zu gehören. Champions League eben …

Fr., 31. 7. 2015, 10:30 Uhr

Di., 14. 7. 2015, 9:51 Uhr

Di., 14. 7. 2015, 11:34 Uhr Di., 14. 7. 2015, 11:41 Uhr

Di., 14. 7. 2015, 7:56 Uhr

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BERLIN PerspektiveBERLIN Ausdruck

Lieferung und Aufbau der neuen »Heidelberg Speedmaster XL«

Do., 30. 7. 2015, 10:58 Uhr

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Was der Kunde erklärteWas der Projektleiter

verstandWas der Analytiker

entwarfWas der Programmierer

programmierteWas der Berater

de�nierte

Wie das Projektdokumentiert wurde Was installiert wurde

Was dem Kunden in Rechnung gestellt wurde Wie es gewartet wurde

Was der Kunde wirklich gebraucht hätte

IMPRESSUM

Herausgeber und V. i. S. d. P.Frank Rüter BerlinDruck GmbH & Co KG Oskar-Schulze-Straße 1228832 Achim

Telefon: 0421 / 438 71 - 0Telefax: 0421 / 438 71 - 33E-Mail: [email protected]

ISSN 2199-1561

Konzept/Redaktion/Gestaltungwww.kleinerundbold.com

Redaktionsanschrift:kleiner und bold GmbHLeuschnerdamm 1310999 Berlin

Telefon: 030 / 616 51 61 - 0E-Mail: [email protected]

ChefredakteurTammo F. Bruns

Redaktionsleitung und TextchefinJulia Kühn

KorrektoratDr. Markus Weber

AutorenDr. Claudia BorowyMarianne FrieseDr. Heiner GeißlerAxel HausmannKai v. HollebenLudwig KoehneDr. Marietta von LavergneProf. Dr. Dr. Gerhard RothSophie WeigandPetra van Wickeren

Autoren der RedaktionReinhard BerlinJulia Kühn

GestaltungAnnika BesteAlicia HoffmannMichaela PatznerEnno Schmidt

UmsetzungBerlinDruck

Alle 38 Ausgaben des Magazins finden Sie auch online unter www.issuu.com unter dem Suchbegriff »BerlinDruck Kundenmagazin«.

Besuchen Sie uns auch auf facebook:www.facebook.com/berlindruck

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Was der Kunde erklärteWas der Projektleiter

verstandWas der Analytiker

entwarfWas der Programmierer

programmierteWas der Berater

de�nierte

Wie das Projektdokumentiert wurde Was installiert wurde

Was dem Kunden in Rechnung gestellt wurde Wie es gewartet wurde

Was der Kunde wirklich gebraucht hätte

MAKING OFWir betreiben aktiven Klimaschutz, denn auch dieses Magazin wurde standardgemäß klimaneutral produziert:

In unserem Prinergy Evo Workflow konnten wir die Seiten der 38. Ausgabe auf einem farbverbindlichen 26 Zoll Quato Panorama-Bildschirm betrachten. Die Kodak-Druckplatten wurden auf unserer CtP-Anlage Magnus 800 Quantum belichtet. Für den Schutzumschlag haben wir uns dieses Mal etwas Besonderes einfallen lassen. Gedruckt wurde auf ablösbarem (nonpermanent) Haftpapier FocusTac der Firma Papyrus (www.papyrus.de) sowie auf 300 g/m² Profibulk mit 1,1fachem Volumen, einem Produkt der IGEPAgroup (www.igepagroup.com). Angestanzt wurde das Haftpapier auf unserem Original Heidelberg Zylinder. Der Inhalt wurde auf 150 g/m² Profibulk gedruckt. Der Offsetdruck erfolgte auf unserer nagel-neuen Heidelberger Speedmaster XL 106-5+L mit den Skalenfarben Öko Board von Epple-Druckfarben AG (www.epple-druckfarben.de) und der Sonderfarbe Pantone Warm Grey 9. Die gleichbleibende Qualität nach DIN ISO 12647 (Prozess Standard Offset) wurde mit der neuesten Technik Prinect Inpress Control 2, dem Inline-Mess- und Regelsystem, automatisch gewährleistet. Das Falzen hat unsere neue Heidelberger Falzmaschine Stahlfolder KH-78/82 übernommen. Die Klebebindung erfolgte im Hause Print Medien Verarbeitung Runge GmbH (www.pmv-runge.de) auf dem Klebebinder Müller-Martini Bolero.

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dru

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www.kleinerundbold.com

Kann man schon so machen, ist

dann halt kacke.

Nicht mit mir!

Warum gerade ich!?

Das wurde nicht recht-zeitig angekündigt.

Ich muss jetzt weg ...

Was hat das denn

mit mir zu tun?

Macht euren Kram doch

alleine!

Wozu soll das

gut sein?

Haben wir dafür keinen Praktikanten?!

Und wann ist das zu Ende?

Aber nicht mehr heute,

oder?

Lieber hätte ich

mehr Gehalt.

Das lern ich nicht mehr ...

Und wir müssen’s

wieder ausbaden.

Unsere Anforderungen wurden nicht

berücksichtigt.

Wann soll ich das

denn noch machen?

Ach, das haben schon

viele versucht ...

Darüber wurde ich

nicht informiert.

Also, nicht in meiner

Gehaltsstufe!

Dafür wurde ich nicht

eingestellt.

Ist doch schon nach

vier!?

Macht das sonst nicht

die Frau Meier?

Ist mir egal, ich lass das jetzt so.

Das kann ich nicht beurteilen.

Das ist eh nicht zu

schaffen.

Wetten, die verstehen das selbst nicht?

Jetzt gleich?!

Aus meiner

Sicht lohnt sich das nicht.

Kann mir mal jemand erklären,

was das soll?