Besondere Begabung in der Grundschule Theoretische Grundlagen Dr. Helga Ulbricht.

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Besondere Begabung in der Grundschule Theoretische Grundlagen Dr. Helga Ulbricht

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Besondere Begabung in der Grundschule

Theoretische Grundlagen

Dr. Helga Ulbricht

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Einführung in die theoretischen Grundlagen

Dieser Baustein informiert Sie über folgende Themen:

Was ist Hochbegabung? Von der Intelligenz zur Hochbegabung Was ist Kreativität? Das Drei-Ringe-Modell von Renzulli Das triadische Interdependenzmodell von Mönks Das multifaktorielle Begabungsmodell von Heller Kritik am multiplen Modell Zahlen und Fakten zur besonderen Begabung Mädchen und besondere Begabung

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Was ist Hochbegabung?KLAUS URBAN:

„Hochbegabt ist, wer in der Lage ist oder in die Lage versetzt werden kann, sich für ein Informationsangebot – auch aus seiner Sicht – hohen Niveaus

zu interessieren, ihm zu folgen, es zu verarbeiten und zu nutzen.“

„Zu hohen Leistungen kommt es, wenn unter positiven, förderlichen Umweltbedingungen

hohe intellektuelle Fähigkeiten mit Kreativität und starker Anstrengungsbereitschaft (Motivation und

Aufgabenwidmung) zusammenwirken.“

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Alfred BINET (1857-1911)

Intelligenzgrundalter (IA)

Es mussten mindestens 4 von 5 Aufgaben aus der jeweiligen Altersstufe gelöst werden.

Ein Kind konnte der Altersstufe voraus sein oder im Vergleich zurückliegen.

William STERN (1871-1938)

Intelligenzquotient (IQ)

Er setzte setzte die absolute Differenz aus dem IA in Bezug zum Lebensalter, indem er das Intelligenzalter durch das Lebensalter teilte (Quotient); der Wert wurde danach mit 100 multipliziert.

Von der Intelligenz zur Hochbegabung

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Von der Intelligenz zur Hochbegabung

David WECHSLER (1896-1981)Abweichungsquotient (IQ)Er ist eigentlich ein Abweichungswert innerhalb der Normalverteilung, wird aber weiterhin als Quotient (IQ) bezeichnet.

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Von der Intelligenz zur Hochbegabung

Howard Gardner (* 1943) Multiples Intelligenzmodell Gardner postuliert die Eigenständigkeit verschiedener Intelligenzformen

(sechs Intelligenzen):

sprachliche Intelligenz logisch-mathematische Intelligenz räumliche Intelligenz musikalische Intelligenz motorische Intelligenz personale (soziale) Intelligenz

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Von der Intelligenz zur Hochbegabung

Ernst Hany (* 1958) Aspekte der Begabung (Hochbegabung)Hochbegabung als Persönlichkeitsmerkmal genetisch bedingt meist auf hohe Intelligenz reduziertHochbegabung als Leistungsvoraussetzung ist das Insgesamt der intraindividuellen Voraussetzungen für Leistung Zielsetzung ist die Prognose für eine ZuordnungHochbegabung als Entwicklungsdimension genetische Grundlagen und Umwelt treten in eine

Wechselbeziehung die Veränderbarkeit von Person und Umwelt wird

betont

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Was ist Kreativität?H.Roth: „Wer zur rechten Zeit einen Zaun in eine Leiter

zu verwandeln versteht, einen Vorhang in ein Kleid, einen Kiste in einen Tisch, ... handelt im Augenblick kreativ.“

„Kreatives Denken erfordert zunächst das tiefe Eindringen in ein Wissensgebiet. Es wäre ein Irrtum, Kreativität als Wundermittel zu betrachten, mit dem quasi aus dem Stand heraus bemerkenswerte Leistungen vollbracht werden können. ...“

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Was ist Kreativität?

Kreativität und divergierendes Denken sind eng miteinander verbunden. Divergierendes Denken ist kreatives Denken.

Divergierendes Denken Konvergierendes Denken

Lösung 1

Lösung 2

Lösung 3

Lösung 4

1 richtige Lösung

Hinweis 4

Hinweis 3

Hinweis 2

Hinweis 1

1 Hin-weis

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Das Drei-Ringe-Modell von Renzulli

Der amerikanische Psychologe sieht Hochbegabung als das günstige Zusammenwirken der Merkmale Intelligenz, Kreativität und Motivation.

Im Wesentlichen setzt Renzulli Hochbegabung mit Hochleistung gleich.

Überdurch-schnittlicheintellektuelleFähigkeiten

Engagement und Motivation

Kreativität Hochbegabung

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Das triadische Interdependenzmodell von Mönks

Mönks bezieht über das Renzulli-Modell hinaus die Umweltfaktoren – Familie, Schule und Peergroups, in die Bewertung der Hochbegabung mit ein. Hochbegabung ist veränderlich und beeinflussbar, ein dynamischer, lebenslanger Prozess. SCHULE

FAMILIE PEERGROUPS

IntelligenzÜberdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten

AufgabenzuwendungEngagement und Motivation

Kreativität

Hochbegabung

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Das Münchner Hochbegabungsmodell von K. Heller

Begabungs-faktorenPrädiktoren

UmweltmerkmaleModeratoren

Nichtkognitive PersönlichkeitsmerkmaleModeratoren

Stressbewäl-tigung

Leistungsmo-tivation

Familiäre Lernumwelt

Leistungsbe-reicheKriteriums-variablen

Arbeits- und Lernstrategien

(Prüfungs-)Angst

Kontrollüber-zeugungen

Familienklima Instruktions-qualität

Klassenklima Kritische Lebensereignisse

Soziale Kompetenz

Musikalität

KreativeFähigkeiten

Intellektuelle Fähigkeiten

Psychomotorik

Künstlerische Fähigkeiten

Praktische Intelligenz

Sport

Mathematik

InformatikSchach

Soziale Beziehungen

KunstMusikMalen

Naturwis-senschaften

Technik

Sprachen

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Kritik am multiplen Modell

D.H.ROST lehnt das Konzept der multiplen Intelligenzen ab:

da es für die eigenständige Existenz der Hälfte dieser Intelligenzen und für das Unabhängigkeitspostulat keine ernstzunehmenden empirischen Belege gibt;

da die „quantitative“ Hochbegabungsdefinition (IQ > 130 = intellektuelle Hochbegabung) der qualitativen weit überlegen ist;

da die Modelle von RENZULLI, MÖNKS und HELLER sich für fast jedes beliebige Konzept öffnen und z.B. bei HELLER so ziemlich alles aufgelistet ist, was die pädagogische Psychologie zu bieten hat.

„Je mehr ... Intelligenzen postuliert werden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine ... Person in zumindest einer dieser Intelligenzen zur prestigeträchtigen Gruppe der Hochintelligenten zählen kann.“

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Zahlen und Fakten zur besonderen Begabung

Ca 68% der Kinder eines Jahrgangs erreichen eine IQ zwischen 85 und 115 Punkten, ca. 13,5% erzielen einen weit unterdurchschnittlichen IQ zwischen 70 und 85 IQ-Punkten, ca. 13,5% erzielen einen weit überdurchschnittlichen IQ zwischen 115 und 130 IQ-Punkten, nur jeweils ca. 2% erreichen einen extrem hohen oder extrem niedrigen IQ von < 70 bzw.

>130. Einen IQ größer 145 erreichen nur noch 0,1% der Altersgruppe. Unter 100 Kindern eines Jahrgangs sind durchschnittlich 2 besonders Begabte, unter 1000 ein

extrem begabtes Kind.

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Zahlen und Fakten zur besonderen Begabung – LMU 1992 – 1994 (Heller)

Beratungsanlässe Knaben Mädchen

Suche nach Fördermöglichkeiten 37,5% 47,3%

Hochbegabungsdiagnose 28,8% 40,0%

Unterforderung, Langeweile 25,6% 18,2%

Leistungsschwierigkeiten 22,5% 14,5%

Überspringen 11,3% 14,5%

Verhaltensprobleme 11,3% 3,6%

Erziehungsberatung 10,0% 20,0%

Konzentrationsschwierigkeiten 8,1% 0.0%

Aggressives Verhalten 8,1% 3,6%

Gutachten 8,1% 10,9%

Motivationsprobleme 5,0% 3,6%

Anzahl der Pbn (in Prozent) 160 (74%) 55 (26%)

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Zahlen und Fakten zur besonderen Begabung – Bayerische Grundschulstudie 2001 – 2003 (Heller)

Wie viel hochbegabte Kinder haben Sie derzeit in ihrer eigenen Klasse? (n = 3420)

81

13,5

3,5 1,2 0,4 0,1 0,1 0,03 0,1

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Häufigkeit der Nennung

(%)

0 1 2 3 4 5 6 7 8

genannte Anzahl

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Zahlen und Fakten zur besonderen Begabung – Bayerische Grundschulstudie 2001 – 2003 (Heller)

Wie viel hochbegabte Kinder haben Sie derzeit in ihrem Freundeskreis? (n = 3420)

82,4

11,5

4,3 1,1 0,4 0,1 0,1 0,03

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Häufigkeit der Nennung

(%)

0 1 2 3 4 5 6 7

genannte Anzahl

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Zahlen und Fakten zur besonderen Begabung – Bayerische Grundschulstudie 2001 – 2003 (Heller)

Wie viel hochbegabte Kinder haben Sie derzeit in ihrer Familie? (n = 3420)

91,4

6,7

1,4 0,3 0,1 0,03

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Häufigkeit der Nennung

(%)

0 1 2 3 4 5

genannte Anzahl

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Beratungsanlässe bei besonderer Begabung an der Staatlichen Schulberatung München (Ulbricht)

619

5 216 13

41

3 3 3 0 3 414

0

10

20

30

40

50

Beratungsanlässe in der Hochbegabtenberatung im Vergleich 1996/97 und 1997/98

1996/97

1997/98

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Beratungsanlässe bei besonderer Begabungan der Staatlichen Schulberatung München (Ulbricht)

58

24

37

30

14

2 2

23

12

28

0

10

20

30

40

50

60

Beratungsfälle in der Hochbegabtenberatung der Grundschule, getrennt nach Beratungsanlass

Erhebungszeitraum September 1996 bis Februar 1998

Zahl absolut - Mehrfachnennungen möglich

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Mädchen und besondere Begabung:Untersuchungen von Erken

R. Erken: „Der Zusammenhang zwischen den Familienwerten und dem

Selbstkonzept sowie Begabung und Leistung ist sehr komplex und offenbar für Jungen und Mädchen verschieden.“

Insbesondere zeigt sich nach Erken, dass Lehrer dazu tendieren, Jungen mehr Aufmerksamkeit zu

gewähren, Jungen mehr Aufmerksamkeit für sich beanspruchen, die Themenauswahl im Unterricht sich häufig an den

Interessen der Jungen orientiert, Mädchen seltener an mathematisch-naturwissenschaftlichen

Förderprogrammen teilnehmen, Mädchen häufiger Begabtenförderprogramme verlassen.

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Mädchen und besondere Begabung:Geschlechtsspezifische Unterschiede in der bayerischen Grundschulstudie

Untersuchungsergebnisse mit geschlechtsspezifischer Bedeutung:

Wenn in der Klasse ein hochbegabtes Kind ist, dann ist das zu 69,9 % ein Junge.

Wenn in der Klasse ein hochbegabtes Kind ist, dann ist das bei Lehrern zu 65,2 % und bei Lehrerinnen zu 70,9 % ein Junge.

Wenn in der Klasse ein hochbegabtes Kind ist, dann ist das bei unter 30-jährigen zu 75,9 % ein Junge, bei 31 bis 40-jährigen zu 65,2 %, bei 41 bis 50-jährigen zu 65,1 % und bei über 50-jährigen zu 71 % ein Junge.

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Mädchen und besondere Begabung:Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Staatlichen Schulberatung München

Geschlechtsspezifische Unterscheidung der Hochbegabtenberatungsfälle 1997/98

davon Mädchen

21%

davon Buben79%

davon Mädchendavon Buben

Geschlechtsspezifische Unterscheidung der Hochbegabtenberatungsfälle 1996/97

davon Mädchen7%

davon Buben93%

davon Mädchendavon Buben