Bethel zum BTHG Verständnis des 103 SGB IX 2020 und der damit geregelten Umfas-sung der Pflege...

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Bethel zum BTHG Pflege in der Eingliederungshilfe Letzte Revision: 22. März 2018

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Bethel zum

BTHGPflege in der Eingliederungshilfe

Letzte Revision: 22. März 2018

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 1

Inhalt

1. Das Lebenslagenmodell des BTHG ................................................................................................. 2

2. Begriffsklärungen zur Wohnform .................................................................................................. 3

2.1. Die „besondere Wohnform“ nach § 104 SGB IX2020 – Leistungen nach

Besonderheit des Einzelfalls ................................................................................................. 3

2.2. Die „gemeinschaftliche Wohnform“ nach § 42a SGB XII2020 ....................................... 4

2.3. Die „Räumlichkeiten“ nach § 71 Abs. 4 SGB XI2020........................................................... 5

2.4. Schlussfolgerungen ................................................................................................................ 6

3. Der „Umfassungsbegriff“ – Regelungen für Menschen mit Behinderungen und

Pflegebedarf (§ 103 SGB IX2020) ........................................................................................................ 6

3.1. In Räumlichkeiten nach § 43a SGB XI2020 i. V. m. § 71 Abs. 4 SGB XI2020 .................... 7

3.2. Außerhalb von Räumlichkeiten nach § 43a SGB XI2020

i. V. m. § 71 Abs. 4 SGB XI2020 ................................................................................................ 7

4. Die Bestimmungen des § 43a SGB XI2020 – Inhalt der Leistungen (Vollstationäre Pflege) .... 8

5. Verhältnis Pflegeversicherungsleistungen zu anderen Sozialleistungen ............................... 9

5.1. Für „quasi-stationäre“ Wohnformen ............................................................................... 10

5.2. Für „ambulante“ Wohnformen ......................................................................................... 11

6. Behandlungspflege nach § 37 SGB V ........................................................................................... 13

7. Möglichkeiten der Inanspruchnahme weiterer Leistungen nach dem SGB XI ................... 14

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 2

Dieser Text befasst sich mit dem rechtli-

chen Rahmen zur Abgrenzung der Leis-

tungen im SGB IX, SGB XI und SGB XII.

Eine Neuinterpretation der Schnittstelle

Eingliederungshilfe/Pflege ist nach dem

nahezu zeitgleichen Inkrafttreten des

Bundesteilhabegesetzes und der Pflege-

stärkungsgesetze im Dezember 2016 nö-

tig. Die Absicht des Gesetzgebers, weitge-

hende Klärung im Verhältnis der Leis-

tungsarten zu schaffen, kann aus heutiger

Sicht als nicht erreicht eingeschätzt wer-

den. Noch fehlende Richtlinien und Emp-

fehlungen zur Gestaltung der Schnittstel-

len müssen abgewartet und im Verlauf

einbezogen werden. Nachfolgend sollen

zentrale Rechtsbegriffe mit Bezug auf das

Zusammenspiel der Leistungen im Einzel-

fall erörtert werden. Das Recht der Ein-

gliederungshilfe (EGH) nach SGB IX2020 be-

zieht sich im Wesentlichen auf das Alter

des Leistungsberechtigten bei Behinde-

rungseintritt („Lebenslagen-Modell“),

während das Recht der Pflegeversiche-

rung nach SGB XI2020 sowie der Hilfe zur

Pflege nach SGB XII2020 auf unterschiedli-

che Wohn- und Versorgungsformen

(„Umfassungs-Modell“) abstellt. Um diese

unterschiedlichen Modelle praxistauglich

und anschlussfähig auszulegen, werden

im Folgenden einige Grundannahmen ge-

troffen und die Folgewirkungen für die

Seite der Leistungsempfänger und der

Leistungserbringer skizziert.

1. Das Lebenslagenmodell des

BTHG

Nach der Verabschiedung des Bundesteil-

habegesetzes informierte das BMAS zur

Schnittstelle zwischen EGH und Pflege:

„Beim Zusammentreffen von Leistungen

der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur

Pflege wird nun das sogenannte "Lebens-

lagenmodell" umgesetzt: Bis zum Errei-

chen der Regelaltersgrenze umfassen die

Leistungen der Eingliederungshilfe die

Leistungen der Hilfe zur Pflege. Damit gel-

ten für die Betroffenen die günstigeren

Einkommens- und Vermögensgrenzen

der Eingliederungshilfe. Bei Personen, die

vor Erreichen der Regelaltersgrenze An-

spruch auf Leistungen der Eingliede-

rungshilfe haben, gilt diese Regelung

auch über die Altersgrenze hinaus, soweit

die Ziele der Eingliederungshilfe erreicht

werden können.“ 1

Das BTHG macht jedoch deutlich, dass ne-

ben der Anwendung des Lebenslagenmo-

dells auch die Wohnform, in welcher Leis-

tungsberechtigte leben, relevant ist:

1(BMAS,

http://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2016/bt

hg-verabschiedet.html, [18.1.18])

1 BMAS, http://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2016/bthg-verabschiedet.html, [18.1.18]

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 3

§ 103 SGB IX2020

Regelungen für Menschen mitBehinde-rungen und Pflegebedarf

(1) Werden Leistungen der Eingliederungs-

hilfe in Einrichtungen und Räumlichkeiten im

Sinne … des Elften Buches… erbracht, um-

fasst die Leistung auch die Pflegeleistungen

(2) Werden Leistungen der Eingliederungs-

hilfe außerhalb von Einrichtungen und

Räumlichkeiten im Sinne … des Elften Bu-

ches… erbracht, umfasst die Leistung auch

die Leistungen der häuslichen Pflege …, es sei

denn, der Leistungsberechtigte hat vor Voll-

endung des für die Regelaltersrente … erfor-

derlichen Lebensjahres keine Leistungen der

Eingliederungshilfe erhalten.

Die Frage, wann Pflegeversicherungsleis-

tungen bzw. sozialhilfefinanzierte Hilfe

zur Pflege von der Eingliederungshilfe

umfasst ist, erschließt sich also u. a. durch

Rückgriff auf Begriffe („Einrichtungen

und Räumlichkeiten“) des SGB XI.

Das SGB IX führt im Zusammenhang mit

individuellen Leistungsansprüchen den

Begriff der „Wohnform“ ein, während das

SGB XII-Sozialhilfe für die Berechnung von

angemessenen Unterkunftskosten auf

„gemeinschaftliche Wohnformen“ ab-

stellt. Damit es im Folgenden nicht zu Un-

klarheiten oder Verwechslungen kommt,

erfolgt zunächst eine allgemeine Begriffs-

klärung.

2. Begriffsklärungen zur Wohn-

form

Zur Erläuterung der Schnittstelle EGH/Pflege

ist es wichtig, die Rechtsbegriffe unter-

schiedlicher Wohnformen sicher nutzen zu

können. Drei Bestimmungen sind von beson-

derer Bedeutung:

a. Die „besondere Wohnform“ zur indivi-

duellen Bedarfsdeckung nach § 104 SGB

IX2020

b. Die „gemeinschaftliche Wohnform“ im

Rahmen von Unterkunftskosten nach

§ 42a SGB XII2020

c. Räumlichkeiten nach § 71 Abs. 4 SGB

XI2020 zum Verständnis des § 103 SGB

IX2020 und der damit geregelten Umfas-

sung der Pflege durch Eingliederungs-

hilfe.

Im Folgenden werden die Wohnformen in

ihrer rechtlichen Verankerung kurz darge-

stellt.

2.1. Die „besondere Wohnform“

nach § 104 SGB IX2020 –

Leistungen nach Besonder-

heit des Einzelfalls

Der § 104 SGB IX2020 dient der Präzisierung

des Wunsch- und Wahlrechtes für Menschen

mit Behinderungen im Zuge der Leistungs-

gewährung. Vor dem Hintergrund des durch

die UN-Behindertenkonvention angestreb-

ten Ziels inklusiver Lebensbedingungen für

Menschen mit Behinderungen muss dem

Wunsch, außerhalb von Einrichtungen, d. h.

außerhalb einer „besonderen Wohnform“, in

der ausschließlich Menschen mit Behinde-

rungen betreut werden, zu leben, besonde-

res Gewicht zugemessen werden.

Der Begriff der besonderen Wohnform dient

der kritischen Abgrenzung von homogenen

Einrichtungsstrukturen für Menschen mit Be-

hinderungen zu inklusiven Wohnsettings.

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 4

§ 104 SGB IX2020

Leistungen nach Besonderheit desEinzelfalls

(1) Die Leistungen der Eingliederungshilfe

bestimmen sich nach der Besonderheit des

Einzelfalles, insbesondere nach der Art des

Bedarfes, den persönlichen Verhältnissen,

dem Sozialraum und den eigenen Kräften

und Mitteln; dabei ist auch die Wohnform zu

würdigen. Sie werden so lange geleistet, wie

die Teilhabeziele nach Maßgabe des Gesamt-

planes (§ 121) erreichbar sind.

(3) Bei der Entscheidung nach Absatz 2 ist zu-

nächst die Zumutbarkeit einer von den Wün-

schen des Leistungsberechtigten abweichen-

den Leistung zu prüfen. Dabei sind die per-

sönlichen, familiären und örtlichen Umstände

einschließlich der gewünschten Wohnform

angemessen zu berücksichtigen. Kommt da-

nach ein Wohnen außerhalb von besonderen

Wohnformen in Betracht, ist dieser Wohn-

form der Vorzug zu geben, wenn dies von der

leistungsberechtigten Person gewünscht

wird. Soweit die leistungsberechtigte Person

dies wünscht, sind in diesem Fall die im Zu-

sammenhang mit dem Wohnen stehenden

Assistenzleistungen nach § 113 Absatz 2

Nummer 2 im Bereich der Gestaltung sozialer

Beziehungen und der persönlichen Lebens-

planung nicht gemeinsam zu erbringen nach

§ 116 Absatz 2 Nummer 1. Bei Unzumutbar-

keit einer abweichenden Leistungsgestal-

tung ist ein Kostenvergleich nicht vorzuneh-

men.

2.2. Die „gemeinschaftliche

Wohnform“

nach § 42a SGB XII2020

Mit Artikel 13 des BTHG ist der § 42a SGB

XII2020 geändert worden. Diese Änderung

wurde zwingend mit der Trennung von Fach-

leistungen im Sinne der EGH von sozialhilfe-

finanzierter Existenzsicherung nach dem

SGB XII nötig. Mit dem BTHG werden

EGH(fach-)leistungen aus dem SGB XII-Sozi-

alhilfe in das SGB IX überführt. Nied-

rigschwellige Unterstützungsleistungen,

Leistungen zur Existenzsicherung und Kos-

ten der Unterkunft (KdU) müssen deshalb

künftig auch für Menschen, die aktuell in sta-

tionären Einrichtungen leben, getrennt dar-

gestellt werden.

§ 42a SGB XII2020 unterscheidet für die Ange-

messenheit von Wohnflächen und Unter-

kunftskosten nach Wohnungen (§ 42a Abs. 2

Nr. 1 SGB IX2020), „persönlichem Wohnraum

und zusätzlichen Räumlichkeiten“ in Einrich-

tungen (§ 42a Abs. 2 Nr. 2) sowie anderen

Unterkünften (z. B. Plätze in Obdachlosenun-

terkünften), die weder als „Wohnung“ noch

als „persönlicher Wohnraum“ in Einrichtun-

gen anzusehen sind.

Die Wohnung wird vom Gesetz näher defi-

niert (§ 42a Abs. 1 Satz 2 SGB IX2020) und vom

persönlichen Wohnraum in gemeinschafts-

bezogenen Wohnangeboten durch ihre voll-

ständige Ausstattung mit Blick auf eine ei-

gene Haushaltsführung und die bauliche

Trennung von anderen Wohneinheiten un-

terschieden.

§ 42a SGB XII2020

Bedarfe für Unterkunft und Heizung

(2) Für die Anerkennung von Bedarfen für Unter-

kunft und Heizung bei

1. Leistungsberechtigten, die in einer Woh-

nung nach Satz 2 leben, gelten die Absätze

3 und 4,

2. Leistungsberechtigten, die nicht in einer

Wohnung nach Nummer 1 leben, weil ihnen

allein oder zu zweit ein persönlicher Wohn-

raum und zusätzliche Räumlichkeiten zur

gemeinschaftlichen Nutzung nach Satz 3 zu

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 5

Wohnzwecken überlassen werden, gel-

ten die Absätze 5 und 6,

3. Leistungsberechtigten, die weder in einer

Wohnung nach Nummer 1 noch in einem

persönlichen Wohnraum und zusätzli-

chen Räumlichkeiten nach Nummer 2 un-

tergebracht sind und für die § 42 Num-

mer 4 Buchstabe b nicht anzuwenden ist,

gilt Absatz 7.

Wohnung ist die Zusammenfassung mehre-

rer Räume, die von anderen Wohnungen o-

der Wohnräumen baulich getrennt sind und

die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung ei-

nes Haushalts notwendigen Einrichtungen,

Ausstattungen und Räumlichkeiten umfas-

sen. Persönlicher Wohnraum ist ein Wohn-

raum, der Leistungsberechtigten allein oder

zu zweit zur alleinigen Nutzung überlassen

wird, und zusätzliche Räumlichkeiten sind

Räume, die ihnen zusammen mit weiteren

Personen zur gemeinsamen Nutzung überlas-

sen werden.

2.3. Die „Räumlichkeiten“

nach § 71 Abs. 4 SGB XI2020

Der rechtliche Begriff „Räumlichkeiten“ nach

§ 71 Abs. 4 SGB XI2020 ist für die Schnittstelle

EGH/Pflege zentral. Die Einführung der Leis-

tungstrennung (Fachleistungen der EGH und

Existenzsicherungsleistungen der Sozial-

hilfe) führt zur Abwendung vom Einrich-

tungsbegriff in der EGH. Gleichzeitig unter-

scheidet das SGB XI für Leistungsansprüche

von Menschen mit Behinderungen weiter

zwischen ambulanten und einrichtungsent-

sprechenden Wohn-/ Unterstützungsset-

tings. Diese Grenzlinie wird nun mit dem

Rechtsbegriff der „Räumlichkeiten“ neu be-

schrieben.

Der § 71 Abs. 4 SGB XI2020 definiert eine Ne-

gativabgrenzung zu Pflegeeinrichtungen.

Die Bedingungen der sog. Räumlichkeiten

sind in Nummer 3 formuliert. Zu beachten ist,

dass alle unter a) bis c) genannten Rahmen-

bedingungen erfüllt sein müssen, damit von

einer solchen Räumlichkeit auszugehen ist.

§ 71 SGB XI2020

Pflegeeinrichtungen

(4) Keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des Ab-

satzes 2 sind

1. stationäre Einrichtungen, in denen die Leis-

tungen zur medizinischen Vorsorge, zur me-

dizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am

Arbeitsleben, zur Teilhabe an Bildung oder

zur sozialen Teilhabe, die schulische Ausbil-

dung oder die Erziehung kranker Menschen

oder von Menschen mit Behinderungen im

Vordergrund des Zweckes der Einrichtung

stehen,

2. Krankenhäuser sowie

3. Räumlichkeiten,

a) in denen der Zweck des Wohnens von

Menschen mit Behinderungen und der Er-

bringung von Leistungen der Eingliede-

rungshilfe für diese im Vordergrund steht,

b) auf deren Überlassung das Wohn- und

Betreuungsvertragsgesetz Anwendung

findet und

c) in denen der Umfang der Gesamtversor-

gung der dort wohnenden Menschen mit

Behinderungen durch Leistungserbringer

regelmäßig einen Umfang erreicht, der

weitgehend der Versorgung in einer voll-

stationären Einrichtung entspricht; bei ei-

ner Versorgung der Menschen mit Behin-

derungen sowohl in Räumlichkeiten im

Sinne der Buchstaben a und b als auch in

Einrichtungen im Sinne der Nummer 1 ist

eine Gesamtbetrachtung anzustellen, ob

der Umfang der Versorgung durch Leis-

tungserbringer weitgehend der Versor-

gung in einer vollstationären Einrichtung

entspricht.

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 6

Das in § 71 Abs. 4 Nr. 3b) SGB XI2020 benannte

Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz

(WBVG) findet in der Regel dann Anwen-

dung, wenn Verträge über Wohnraum mit

Pflege- oder Betreuungsleistungen gekop-

pelt werden (z. B. bei anbieterverantworte-

ten Wohngemeinschaften).

In Bezug auf § 71 Abs. 4 Nr. 3c) SGB XI2020 soll

bis zum 01.07.2019 eine Klärung zu den

Merkmalen der Versorgung einer vollstatio-

nären Einrichtung erfolgen (Richtlinie auf

Spitzenverbandsebene der Pflegekassen un-

ter Beteiligung der Wohlfahrtsverbände).

Der Geltungsbereich der Räumlichkeiten

nach § 71 Abs. 4 SGB XI2020 bezieht sich im

Wesentlichen auf alle nachfolgend benann-

ten rechtlichen Aussagen zur Schnittstelle

EGH/Pflege in den Sozialgesetzbüchern IX

(Rehabilitation und Teilhabe von Menschen

mit Behinderungen), XI (Soziale Pflegeversi-

cherung) und XII (Sozialhilfe):

§103 SGB IX2020 – Regelung für Men-

schen mit Behinderungen und Pflegebe-

darf

§ 43a SGB XI2020 – Inhalt der Leistungen

(Vollstationäre Pflege)

§13 SGB XI2020 – Verhältnis der Leistun-

gen der Pflegeversicherung zu anderen

Sozialleistungen

SGB XII, Siebtes Kapitel - „Hilfe zur

Pflege“

2.4. Schlussfolgerungen

Obwohl mit dem BTHG der Begriff der

Einrichtung aufgegeben wurde, findet

er sich im SGB XI wieder – erweitert um

Räumlichkeiten – und ist Maßstab für

Leistungen der Pflegeversicherung.

Für die Feststellung von Räumlichkeiten

im Sinne des SGB XI und die damit ein-

hergehende Begrenzung der Pflegever-

sicherungsleistungen auf den „Abgel-

tungsbetrag“ (266 €) für Behindertenhil-

feeinrichtungen wird der Umfang der

Leistungen daraufhin überprüft, ob er

weitgehend vollstationärer Versorgung

entspricht (§ 71 Abs. 4, Nr. 3c)). Maßgeb-

lich für das genaue Verständnis dieser

Begrifflichkeit wird eine Richtlinie sein,

die bis 01.01.2019 durch den Spitzenver-

band Bund der Pflegekassen erarbeitet

sein muss.

Bei ambulanten Wohnformen wird die

Anwendung des WBVG (§ 71 Abs. 4 Nr.

3b)) entscheidend sein und damit das

Wahlrecht der Leistungsberechtigten in

Bezug auf den bzw. die Dienstleister der

erforderlichen Teilhabeleistungen.

3. Der „Umfassungsbegriff“ –

Regelungen für Menschen mit

Behinderungen und Pflegebe-

darf (§ 103 SGB IX2020)

Im BTHG trifft der § 103 SGB IX2020 wesentli-

che Aussagen zum Zusammenspiel von Leis-

tungen der EGH und der Pflege. Ein zentraler

Begriff in diesem Paragraf ist der der „Umfas-

sung“.

Die Umfassungsregelung nach § 103 SGB

IX2020 legt in Abs. 1 die Umfassung von Leis-

tungen der Pflegeversicherung und der Hilfe

zur Pflege durch die EGH in Räumlichkeiten

nach § 43a SGB XI2020 in Verbindung mit § 71

SGB XI Abs. 4 („quasi-stationäre“ Bereiche)

bzw. in § 103 Abs. 2 SGB IX2020 die Umfassung

der Hilfe zur Pflege durch die EGH außerhalb

von Räumlichkeiten nach § 43a SGB XI i. V. m.

§ 71 SGB XI Abs. 4 („ambulante“ Bereiche)

fest.

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 7

3.1. In Räumlichkeiten nach

§ 43a SGB XI2020 i. V. m.

§ 71 Abs. 4 SGB XI2020

In Räumlichkeiten nach § 43a SGB XI2020 i. V.

m. § 71 Abs. 4 SGB XI2020 umfassen die Leis-

tungen der EGH die der sozialen Pflegeversi-

cherung und der Hilfe zur Pflege (§ 103 Abs.

1 SGB IX2020). Es ist damit von einer vollstän-

digen Integration von Pflegeleistung in den

Rahmen der EGH auszugehen. In diesem Fall

ergeben sich keine Abgrenzungsfragen,

denn die Pflegeversicherung ist mit der Ab-

geltung der Pauschale nach § 43a SGB XI

nicht mehr leistungspflichtig.

Die Pflegekasse gewährt für Menschen mit

einem Leistungsanspruch von Pflegegrad 2

bis 5 einen pauschalen Betrag zur Abgeltung

der Pflegeleistungen in Höhe von max.

266 €2.

Äußert ein Leistungserbringer, dass die Pfle-

gebedürftigkeit ein Maß übersteigt, das in

den Einrichtungen oder Räumlichkeiten

nicht sichergestellt werden kann, wird im

Rahmen der Gesamtplanung3 die Vereinba-

rung getroffen, dass die Leistung bei einem

anderen Leistungserbringer erbracht wird.

Pflegebedürftige Menschen mit Behinderun-

gen, die am 01.01.2017 einen Anspruch auf

häusliche Pflege(sach)leistungen nach

§ 36 SGB XI in der Form umgesetzt haben,

dass sie ambulante Pflege durch einen zuge-

lassenen Pflegedienst mit EGH-Leistungen in

Räumlichkeiten nach § 74 Abs. 4 SGB XI kom-

biniert haben, sind durch eine Besitzstands-

regelung über den 01.01.2020 hinaus abge-

sichert und können nicht in den Anwen-

dungsbereich der §§ 103 Abs. 1 SGB IX2020,

43a SGB XI2020 fallen (pauschale Abgeltung;

266 €).

2

(§ 43a SGB XI2020)

Zu bedenken ist, dass EGH zur gesellschaftli-

chen Teilhabe und Pflege zum Erhalt der

Selbstständigkeit durch die unterschiedliche

Zielsetzung auch auf unterschiedliche Weise

durch die Leistungserbringer sichergestellt

werden: Unter Aspekten von personeller und

fachlicher Ausstattung entspricht die EGH

somit NICHT den Anforderungen an Pflege-

leistungen (und vice versa).

§ 103 SGB IX2020

Regelung für Menschen mitBehinderungen und Pflegebedarf

(1) Werden Leistungen der Eingliederungshilfe

in Einrichtungen oder Räumlichkeiten i. S. d.

§ 43a SGB XI in Verbindung mit § 71 Abs. 4 SGB

XI erbracht, umfasst die Leistung auch die Pfle-

geleistungen in diesen Einrichtungen oder

Räumlichkeiten. Stellt der Leistungserbringer

fest, dass der Mensch mit Behinderungen so

pflegebedürftig ist, dass die Pflege in diesen

Einrichtungen oder Räumlichkeiten nicht si-

chergestellt werden kann, vereinbaren der Trä-

ger der Eingliederungshilfe und die zuständige

Pflegekasse mit dem Leistungserbringer, dass

die Leistung bei einem anderen Leistungser-

bringer erbracht wird; dabei ist angemessenen

Wünschen des Menschen mit Behinderungen

Rechnung zu tragen. Die Entscheidung zur

Vorbereitung der Vereinbarung nach Satz 2 er-

folgt nach den Regelungen zur Gesamtpla-

nung nach Kapitel 7.

3.2. Außerhalb von Räumlichkeiten

nach § 43a SGB XI2020 i. V. m.

§ 71 Abs. 4 SGB XI2020

Hier stehen die Leistungen der EGH gleich-

rangig neben den Leistungen der sozialen

Pflegeversicherung. Leistungen der sozialhil-

fefinanzierten Hilfe zur Pflege werden nach

dem Lebenslagenmodell in der Regel von der

3 Nach Kapitel 7.

2 § 43a SGB XI2020 3 nach Kapitel 7 SGB IX

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 8

EGH umfasst (§ 103 Abs. 2 SGB IX2020). Für

Personen, die nach Erreichen der Regelalters-

grenze Pflegebedürftigkeit und Behinde-

rung erleiden, besteht aufgrund der Gleich-

rangigkeit Zugang zu beiden Leistungen. Die

Hilfe zur Pflege wird dann jedoch nach den

Vorschriften der Sozialhilfe erbracht.

§ 103 SGB IX2020

Regelung für Menschen mitBehinderungen und Pflegebedarf

(2) Werden Leistungen der Eingliederungs-

hilfe außerhalb von Einrichtungen oder

Räumlichkeiten i. S. d. § 43a SGB XI in Verbin-

dung mit § 71 Abs. 4 SGB XI erbracht, umfasst

die Leistung auch die Leistungen der häusli-

chen Pflege nach den §§ 64a bis 64f, 64i und

66 SGB XII, solange die Teilhabeziele nach

Maßgabe des Gesamtplanes (§ 121) erreicht

werden können, es sei denn der Leistungsbe-

rechtigte hat vor Vollendung des für die Re-

gelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches

erforderlichen Lebensjahres keine Leistungen

der Eingliederungshilfe erhalten. Satz 1 gilt

entsprechend in Fällen, in denen der Leis-

tungsberechtigte vorübergehend Leistungen

nach den §§ 64g und 64h SGB XII in Anspruch

nimmt. Die Länder können durch Landes-

recht bestimmen, dass der für die Leistungen

der häuslichen Pflege zuständige Träger der

Sozialhilfe die Kosten der vom Träger der Ein-

gliederungshilfe erbrachten Leistungen der

häuslichen Pflege zu erstatten hat.

Für die Anwendung der Umfassungsrege-

lung nach § 103 SGB IX2020 bedarf es – durch

Einführung der Räumlichkeitsdefinitionen

nach § 71 Abs. 4 SGB XI2020 immer der Beur-

teilung, ob der Gesamtumfang der Hilfe

durch den Leistungserbringer weitgehend

der Versorgung in einer vollstationären Ein-

richtung entspricht4. Der § 103 Abs. 2 SGB

IX2020 erweitert die Umfassungsregelung auf

4 § 71 SGB XI2020 Abs. 4 Satz 3c

Empfänger aller ambulanten Leistungen der

EGH (Ausnahme Altersgrenze). Die Leis-

tungsempfänger können mit der Umfas-

sungsregelung bis zum Erreichen des Regel-

rentenalters von einer für sie positiveren An-

rechnung auf Einkommens- und Vermögens-

lagen profitieren.

4. Die Bestimmungen des

§ 43a SGB XI2020 – Inhalt der

Leistungen (Vollstationäre Pflege)

§ 43a SGB XI2020 regelt die bislang auch schon

geltende pauschale Abgeltung der Leistun-

gen der Pflegekasse in Höhe von max. 266 €

für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5,

die – aktuell in Einrichtungen, ab 2020 in

Räumlichkeiten nach § 71 Abs. 4 SGB XI2020 –

leben:

§ 43a SGB IX2020

Inhalt der Leistungen

Für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in

einer vollstationären Einrichtung im Sinne des

§ 71 Abs. 4 Nr. 1, in der die Teilhabe am Arbeits-

leben, an Bildung oder die soziale Teilhabe, die

schulische Ausbildung oder die Erziehung von

Menschen mit Behinderungen im Vordergrund

des Einrichtungszwecks stehen, übernimmt die

Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs. 2

genannten Aufwendungen 15% der nach Teil

2 Kapitel 8 SGB IX vereinbarten Vergütung. Die

Aufwendungen der Pflegekasse dürfen im Ein-

zelfall je Kalendermonat 266 Euro nicht über-

schreiten. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für

Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in

Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Abs. 4 Nr. 3,

die Leistungen der Eingliederungshilfe für

Menschen mit Behinderungen nach Teil 2 SGB

IX erhalten.

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 9

5. Verhältnis Pflegeversicherungs-

leistungen zu anderen Sozialleis-

tungen

Bei Menschen mit Behinderungen und Pfle-

gebedarf kann es streitig sein, ob sie einen

Anspruch auf EGH (ggf. einschließlich Pflege)

haben oder ob ihr Bedarf ausschließlich mit

Pflegeleistungen gedeckt werden kann. Die

Klärung dieser Frage findet seit 01.01.2018

im Gesamtplanverfahren statt, in welchem

der Sozialhilfe- bzw. EGH-Träger den Bedarf

des Menschen mit Behinderungen und Pfle-

gebedarf und die zu erbringenden Leistun-

gen feststellt. Um auch seitens der Leistungs-

erbringer eine fachgerechte Beratung in sol-

chen Fällen sicherzustellen, folgen einige

grundsätzliche Ausführungen zum Vor-

rang/Nachrang der EGH gegenüber Pflege-

versicherungs- bzw. sozialhilfefinanzierten

Pflegeleistungen:

Im Verhältnis von Pflegeversicherungsleis-

tungen zu anderen Sozialleistungen sind

staatliche Doppelleistungen für einen identi-

schen Bedarf ausgeschlossen5. Zudem gilt die

Regel: Versicherung vor Steuer. Zur Abgren-

zung von zweckidentischen Leistungen wer-

den die konkret in Frage stehenden Sozial-

leistungen gegenübergestellt6. Zweckidenti-

tät besteht dann, wenn in dem jeweilig über-

einstimmenden Umfang – bezogen auf die

jeweils konkreten Leistungen – beide Leis-

tungen der Deckung desselben Bedarfs die-

nen7.

5 (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 5 C 27/84

–, juris; BVerwG, Urteil vom 14.03.1991 – 5 C

3489, BeckRS 1991, 31230968). 6 BVerwG 12.4.1984 – 5 C 3.83 – E 69, 177, 181; 12.2.1987 – 5 C 24.85 – NDV 1987, 294). 7 (BVerwG 12.7.1996 – 5 C 18.95 – NDV-RD 1997,

13; VG Braunschweig 17.3.2010 – 3 A 30/09 – ZfF

2011, 89).

Zielsetzungen

Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen den Pflegebe-dürftigen helfen, trotz ihres Hilfebe-darfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Le-ben zu führen, das der Würde des Men-schen entspricht. Die Hilfen sind darauf auszurichten, die kör-perlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürfti-gen, auch in Form der aktivierenden Pflege, wiederzugewinnen o-der zu erhalten8.

Aufgabe der Einglie-derungshilfe ist es, den Leistungsberech-tigten eine individu-elle Lebensführung zu ermöglichen und ihre volle, wirksame und gleichberech-tigte Teilhabe am Le-ben in der Gesell-schaft zu fördern9.

Die Abgrenzung der EGH gegenüber den

Leistungen der Pflegeversicherung ist da-

nach vorzunehmen, welchem Ziel die kon-

krete Maßnahme dient. Steht vornehmlich o-

der ausschließlich die Milderung der Behin-

derung oder die Eingliederung des Men-

schen mit Behinderungen in die Gesellschaft

im Vordergrund, ist EGH zu gewähren. Eine

Aufspaltung der Maßnahme in solche der

EGH und solche der Pflegeversicherung ist

dann nicht vorzunehmen. Dient z. B. der Ein-

satz eines Integrationshelfers vornehmlich

dazu, einem Kind mit Behinderungen den

Schulbesuch zu erleichtern, ist EGH zu leis-

ten. Pflegerische Maßnahmen treten in den

Hintergrund.10

8 § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB XI

9(§ 90 Absatz 1 SGB IX).

10 vgl VGH Mannheim, Urt. v. 17.9.1997 – 6 S

1709/97 = NDV-RD 1996, 38). (Klie/Krahmer/Plant-

holz, SGB XI § 13 Rn. 30 - 32, beck-online8 § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB XI 9 § 90 Absatz 1 SGB IX. 10 vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 17.9.1997 – 6 S 1709/97 = NDV-RD 1996, 38; Klie/Krahmer/Plantholz, SGB XI § 13 Rn. 30-32, beck-online

5 vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 1985 – 5 C 27/84 –, juris; BVerwG, Urteil vom 14.03.1991 – 5 C 3489, BeckRS 1991, 31230968 6 BVerwG 12.4.1984 – 5 C 3.83 – E 69, 177, 181; 12.2.1987 – 5 C 24.85 – NDV 1987, 294 7 BVerwG 12.7.1996 – 5 C 18.95 – NDV-RD 1997, 13; VG Braunschweig 17.3.2010 – 3 A 30/09 – ZfF 2011, 89

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 10

Da sowohl im Bereich der EGH als auch im Be-

reich der Pflege Verrichtungen erst in Verbin-

dung mit dem jeweiligen Hilfeziel ihren Sinn

und damit ihre Bestimmung als Sozialleis-

tung erhalten können, ist bei Handlungen

mit unterschiedlichen Zielrichtungen genau

zu überprüfen, ob es sich um identische Hil-

fen handelt. Die Festlegung muss im Zuge

der Bedarfsermittlung/Bedarfsfeststellung

des Gesamtplanverfahrens (§ 142 SGB XII2018,

§ 118 SGB IX2020) erfolgen.

Eine Abgrenzung der Pflegeversicherungs-

leistungen zu anderen Sozialleistungen fin-

det sich im § 13 SGB XI2020:

§ 13 SGB XI2020

Verhältnis von Pflegeversicherungs- leistungen zu anderen Sozialleistungen

(2) Die Leistungen nach SGB V einschließlich

der Leistungen der häuslichen Krankenpflege

nach § 37 SGB V bleiben unberührt. Dies gilt

auch für krankheitsspezifische Pflegemaß-

nahmen, soweit diese im Rahmen der häusli-

chen Krankenpflege nach § 37 SGB V zu leis-

ten sind.

5.1. Für „quasi-stationäre“

Wohnformen

Der § 13 Abs. 3 SGB IX2020 regelt das Verhält-

nis von EGH- zu Pflegeleistungen für „quasi-

stationäre“ Bereiche:

§ 13 SGB XI2020

Verhältnis von Pflegeversicherungs- leistungen zu anderen Sozialleistungen

(3) Die Leistungen der Pflegeversicherung ge-

hen den Fürsorgeleistungen zur Pflege

1. nach dem Zwölften Buch,

2. nach dem Lastenausgleichsgesetz,

dem Reparationsschädengesetz und

dem Flüchtlingshilfegesetz,

3. nach dem Bundesversorgungsgesetz

(Kriegsopferfürsorge) und nach den Ge-

setzen, die eine entsprechende Anwen-

dung des BVG vorsehen,

vor, soweit dieses Buch nichts anderes be-

stimmt. Leistungen zur Pflege nach diesen Ge-

setzen sind zu gewähren, wenn und soweit

Leistungen der Pflegeversicherung nicht er-

bracht werden oder diese Gesetze dem

Grunde oder der Höhe nach weitergehende

Leistungen als die Pflegeversicherung vorse-

hen.

Die Leistungen der Eingliederungshilfe für

Menschen mit Behinderung nach dem Neun-

ten Buch, dem Bundesversorgungsgesetz und

dem Achten Buch bleiben unberührt, sie sind

im Verhältnis zur Pflegeversicherung nicht

nachrangig; die notwendige Hilfe in den Ein-

richtungen und Räumlichkeiten nach § 71 Abs.

4 ist einschließlich der Pflegeleistungen zu ge-

währen.

Der in § 13 Abs. 3 SGB XI2020 formulierte

Gleichrang von Leistungen der Pflegeversi-

cherung und Leistungen der EGH sind nach

dem § 13 SGB XI2020 gleichrangig nebenei-

nander zu gewähren. Der Geltungsbereich

des § 13 Abs. 3 SGB XI2020 bezieht sich auf

quasi-stationäre Wohnformen. Mit den Aus-

führungen werden die Umfassungsregelun-

gen des § 103 Abs. 1 SGB IX2020 im SGB XI2020

nachvollzogen.

Sobald der Anwendungsbereich des § 103

Abs. 1 SGB IX2020 eröffnet ist, ergeben sich

grundsätzlich in Einrichtungen oder Räum-

lichkeiten im Sinne § 43a SGB XI2020 i. V. m.

§ 71 Abs. 4 SGB XI2020 keine Abgrenzungsfra-

gen, denn die Pflegeversicherung überträgt

mit der Abgeltung der Pauschale nach § 43a

SGB XI2020 die Verpflichtung der Leistungser-

bringung auf den EGH-Träger.

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 11

5.2. Für „ambulante“ Wohnformen

Für die Abgrenzung, Übernahme, Durchfüh-

rung sowie Erstattung von Leistungen der

Pflegeversicherung und der Beteiligung der

für die Hilfe zur Pflege zuständigen Träger in

Wohnformen außerhalb von Räumlichkeiten

nach § 43a SGB XI i. V. m. § 71 Abs. 4 SGB

XI2020 ist der § 13 Abs. 4 SGB XI2020 entschei-

dend.

§ 13 SGB XI2020

Verhältnis von Pflegeversicherungs- leistungen zu anderen Sozialleistungen

(4) Treffen Leistungen der Pflegeversiche-

rung und Leistungen der Eingliederungs-

hilfe zusammen, vereinbaren mit Zustim-

mung des Leistungsberechtigten die zu-

ständige Pflegekasse und der für die Ein-

gliederungshilfe zuständige Träger,

1. dass im Verhältnis zum Pflegebedürf-

tigen der für die Eingliederungshilfe

zuständige Träger die Leistungen der

Pflegeversicherung auf der Grund-

lage des von der Pflegekasse erlasse-

nen Leistungsbescheids zu überneh-

men hat,

2. dass die zuständige Pflegekasse dem

für die Eingliederungshilfe zuständi-

gen Träger die Kosten der von ihr zu

tragenden Leistungen zu erstatten

hat sowie

3. die Modalitäten der Übernahme und

der Durchführung der Leistungen so-

wie der Erstattung.

Die bestehenden Wunsch- und Wahlrechte

der Leistungsberechtigten bleiben unbe-

rührt und sind zu beachten. Die Ausführung

der Leistungen erfolgt nach den für den zu-

ständigen Leistungsträger geltenden

Rechtsvorschriften. Soweit auch Leistungen

der Hilfe zur Pflege nach SGB XII zu erbrin-

gen sind, ist der für die Hilfe zur Pflege zu-

ständige Träger zu beteiligen. Der Spitzen-

verband Bund der Pflegekassen beschließt

gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemein-

schaft der überörtlichen Träger der Sozial-

hilfe bis zum 1. Januar 2018 in einer Empfeh-

lung Näheres zu den Modalitäten der Über-

nahme und der Durchführung der Leistungen

sowie der Erstattung und zu der Beteiligung

des für die Hilfe zur Pflege zuständigen Trä-

gers. Die Länder, die kommunalen Spitzen-

verbände auf Bundesebene, die Bundesar-

beitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts-

pflege, die Vereinigungen der Träger der

Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die

Vereinigungen der Leistungserbringer der

Eingliederungshilfe auf Bundesebene sowie

die auf Bundesebene maßgeblichen Organi-

sationen für die Wahrnehmung der Interes-

sen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger

und behinderter Menschen sind vor dem Be-

schluss anzuhören. Die Empfehlung bedarf

der Zustimmung des Bundesministeriums für

Gesundheit und des Bundesministeriums für

Arbeit und Soziales.

(4a) Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für

ein Zusammentreffen von Leistungen der

Pflegeversicherung und Leistungen der Ein-

gliederungshilfe, bezieht der für die Durch-

führung eines Teilhabeplanverfahrens oder

Gesamtplanverfahrens verantwortliche Trä-

ger mit Zustimmung des Leistungsberechtig-

ten die zuständige Pflegekasse in das Verfah-

ren beratend mit ein, um die Vereinbarung

nach Absatz 4 gemeinsam vorzubereiten.

Die Regelungen bedeuten, dass außerhalb

der benannten Wohnformen die Leistungen

der EGH gleichrangig neben den Leistungen

der sozialen Pflegeversicherung stehen. Aus

der bisher bestehenden „Kann-Regelung“

wird ein Koordinierungszwang zwischen

den Trägern der Leistungen bei dem das

Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsbe-

rechtigten im Vordergrund steht. Für das Zu-

sammentreffen von Leistungen der EGH und

der Pflegeversicherung sollten bundesein-

heitliche Empfehlungen des GKV-Spitzenver-

bandes und der Bundesarbeitsgemeinschaft

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 12

der überörtlichen Träger der Sozialhilfe zu

den Modalitäten der Übernahme und Durch-

führung der Leistungen bis zum 01.01.2018

erlassen werden. Bis zum 22.03.2018 ist dies

noch nicht erfolgt. Der anschließenden Eva-

luation bis zum 01.07.2019 kommt eine

große Bedeutung zu, da erst im laufenden

Verfahren Erfahrungen z. B. zum Wunsch-

und Wahlrecht der Leistungsberechtigten

vorliegen.

Zu erwarten ist, dass den Trägern der EGH

eine Koordinationsaufgabe (Leistungen aus

einer Hand) und Kommunikationsaufgabe

(Ansprechpartner für den Leistungsberech-

tigten / Informiert die Pflegekasse bei Be-

kanntwerden eines Pflegebedarfes) zu-

kommt.

Bei der Leistungserbringung ist davon auszu-

gehen, dass nach dem jeweiligen SGB zuge-

lassene Leistungserbringer (z. B. Pflegedienst

mit Zulassung nach SGB XI) geeignet sind

und die Rahmenbedingungen (z. B. Doku-

mentation der Leistung) nach dem jeweili-

gen Leistungsrecht gelten. In der Praxis be-

darf es leistungsfähiger Kooperationsstruk-

turen, die auf dem Zusammenwirken von

pflege- und teilhabeorientierten Diensten

basieren. In der Regel werden Kooperations-

verträge die Bedingungen der Zusammenar-

beit regeln.

Verfahrensrechtlich soll die Berücksichti-

gung des Wunsch- und Wahlrechts dadurch

umgesetzt werden, dass ein Teilhabeplan-

verfahren bzw. Gesamtplanverfahren zwin-

gend vorgeschaltet ist, wenn eine Vereinba-

rung nach § 13 Abs. 4 SGB XI2020 getroffen

werden soll, in das der Leistungsberechtigte

im Vorfeld schriftlich einwilligt.

Zusammenfassende Bewertung der ambulanten Unterstützungssettings

Abgrenzung Eingliederungshilfe/Pflege

Da weder im Bereich der Eingliederungs-

hilfe noch im Bereich der Pflege einzelne

Verrichtungen als Sozialleistungen ge-

schuldet sind, sondern diese Verrichtun-

gen erst in Verbindung mit dem jeweili-gen Hilfeziel ihren Sinn und damit ihre Be-stimmung als Sozialleistung erhalten kön-

nen, ist zu beachten, dass bei Handlungen

mit unterschiedlichen Zielrichtungen ge-

nau zu überprüfen ist, ob es sich über-

haupt um identische Hilfegeschehen han-

delt.

Bei der Abgrenzung von ambulanten Leis-

tungen der Eingliederungshilfe i. S. v. § 103

Abs. 2 SGB IX2020 bedarf es einer genauen

Ermittlung welche Bedarfe von welchem

Leistungssystem zu decken sind.

Die Festlegung muss im Zuge der Bedarfs-feststellung nach § 142 SGB XII2018 (§ 118 SGB IX2020) erfolgen, wie das Verhältnis von Teilhabe und Pflegeleistungen zum Zweck der Erfassung des gesamten Unterstüt-zungsbedarfs bestimmt ist.

Kooperationsempfehlungen

Verfahrensrechtlich sollte die Berücksichti-

gung des Wunsch- und Wahlrechts

dadurch umgesetzt werden, dass ein Teil-

habeplanverfahren bzw. Gesamtplanver-

fahren zwingend vorzuschalten ist, wenn

eine Vereinbarung nach § 13 Abs. 4 SGB

XI2020 getroffen werden soll.

Nur auf diese Weise können Beteiligungs-

rechte des Leistungsberechtigten sicherge-

stellt und damit auch sein Wunsch- und

Wahlrecht gewahrt werden.

Ambulant betreute Wohngemeinschaften,

gerade in der Variante der selbstorganisier-

ten Wohngemeinschaften sollten Muster-

beispiele für neue Kooperationsformen

sein.

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 13

Assistenzleistungen (Hauswirtschaft, All-

tagsgestaltung, soziale Unterstützung)

sollen in einem Hilfe- und Verantwor-

tungsmix erbracht werden.

Es bedarf leistungsfähiger Kooperations-

strukturen, die auf dem Zusammenwirken

von pflege- und teilhabeorientierten

Diensten basieren, die durch Kooperati-

onsverträge die Bedingungen der Zusam-

menarbeit regeln.

6. Behandlungspflege nach

§ 37 SGB V

Die Erbringung ärztlich verordneter Pflege-

leistungen nach § 37 SGB V (Behandlungs-

pflege) war und ist weiterhin von den oben

beschriebenen Rechtsgebieten unberührt.

Häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V

kann prinzipiell auch in Räumlichkeiten nach

§ 71 Abs. 4 SGB XI2020 erbracht werden.

Höchstrichterliche Rechtsprechungen haben

in der Vergangenheit immer wieder festge-

legt, in welchem Umfang Behandlungs-

pflege in Einrichtungen im Sinne des § 43a

SGB XI nach Satz 1 vom Einrichtungsträger

zu leisten ist11.

Rechtlich völlig unstrittig ist, dass Menschen

mit Behinderungen unabhängig von ihrer

Wohn- und Unterstützungsform ärztlich ver-

ordnete Maßnahmen der Behandlungs-

pflege erhalten können müssen. Zu klären ist

in der Regel jedoch, wer für diese Leistung

aufkommen muss, da Maßnahmen der Be-

handlungspflege vielfach in den Landesrah-

menverträgen der EGH enthalten sind. Vor

diesem Hintergrund lehnen Krankenkassen

eine Leistungserstattung zur Vermeidung

11 Rechtsprechung BSG 2015 zu „einfachsten

Maßnahmen der medizinischen Behandlungs-

pflege“ (BSG 22.4.2015 – Az. B 3 KR 16/14 R und

25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R)

von Doppelfinanzierungen meist ab. Zent-

rale Gesichtspunkte höchstrichterlicher Ur-

teile zur Thematik sind jedoch auch die er-

bringerseitige Zweckausrichtung der Einrich-

tung der EGH sowie die Art der Behand-

lungspflegeleistung. In Bezug auf letzteres

wird eine Unterteilung in einfachste (vom

Einrichtungsträger zu leistende) und qualifi-

zierte (vom Pflegedienst mit Zulassung nach

§§ 132 und 132a SGB V zu erbringende) Be-

handlungspflege vorgenommen. Diese Un-

terscheidungen finden leistungsrechtlich

Analogien in den Leistungsgruppen 1 + 2

und 3 + 4. Mit den Leistungsgruppen sind be-

sondere qualifikatorische Anforderungen

des von ambulanten Pflegediensten einge-

setzten Personals verknüpft.

In den Rahmenverträgen der stationären

EGH findet diese unterschiedliche Definition

der Behandlungspflege bisher keine Anwen-

dung. In Bezug auf die Erbringungs- und Ver-

gütungspraxis von Leistungen nach SGB V

werden aktuell neue Vereinbarungen zwi-

schen Sozialleistungsträgern und Kranken-

kassen geschlossen, die aktuell geltende Ver-

einbarungen ablösen werden.

Leistungen der Grundpflege und der haus-

wirtschaftlichen Versorgung durch die Kran-

kenkasse sind für Menschen mit Pflegegrad

2-5 dagegen ausgeschlossen.

11 Rechtsprechung BSG 2015 zu „einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege“ (BSG 22.4.2015 – Az.

B 3 KR 16/14 R und 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R)

Pflege in der Eingliederungshilfe Seite 14

7. Möglichkeiten der

Inanspruchnahme weiterer

Leistungen nach dem SGB XI

§ 38a SGB XIZusätzliche Leistungen für Pflegebedürftigein ambulant betreuten Wohngruppen

Der Anspruch auf zusätzliche Leistungen

für Pflegebedürftige in ambulant be-

treuten Wohngruppen (Wohngruppen-

zuschlag i. H. v. 214 €) gilt nur bei einem

Leben außerhalb von Räumlichkeiten

nach § 43a i. V. m. § 71 Abs. 4 Nr. 1 u. 3

SGB XI.

Der Anspruch steht auch Menschen mit

Pflegegrad 1 zu.

Das Verhältnis zu den Leistungen für

Wohnraum (§ 77 SGB IX) ist über das

Vorrangverhältnis Versicherung vor

Steuer zu regeln.

§ 40 SGB XIPflegehilfsmittel und Wohnumfeldverbes-sernde Maßnahmen

Pflegebedürftige (auch mit Pflegegrad

1) haben gem. § 40 Abs. 1 SGB XI An-

spruch auf Pflegehilfsmittel.

Das Verhältnis zu den Hilfsmitteln der

EGH (§ 84 SGB IX) ist über das Vorrang-

verhältnis Versicherung vor Steuer zu re-

geln.

Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 haben

gem. § 40 Abs. 4 SGB XI Anspruch auf

Wohnumfeld verbessernde Maßnah-

men.

Das Verhältnis zu den Leistungen für

Wohnraum (§ 77 SGB IX) ist über das

Vorrangverhältnis Versicherung vor

Steuer zu regeln.

§ 42 SGB XIKurzzeitpflege

Auf Kurzzeitpflege besteht für Pflegebe-

dürftige ab Pflegegrad 2 ein Anspruch

bei häuslicher Pflege.

Dies setzt voraus, dass Leistungen der

EGH nur in ambulanter Form erbracht

werden – nicht in Einrichtungen oder

Räumlichkeiten nach § 71 Abs. 4 SGB XI.

§ 43a SGB XIInhalt der Leistungen

Pauschale greift ab Pflegegrad 2; – Rege-

lung zur Ausschüttung bei Abwesenhei-

ten

Aufenthalte bei Angehörigen: Leis-

tungsberechtigte von Angeboten i. S. v.

§ 71 Abs. 4 SGB XI können für die Tage,

an denen sie häuslich gepflegt werden

(z. B. an den Wochenenden, zu Urlaubs-

zeiten) anteilig einen Anspruch auf Pfle-

gegeld bzw. Pflegesachleistung geltend

machen. Sowohl der Anreise- als auch

der Abreisetag sind dabei als voller Tag

der häuslichen Pflege anzusehen. Die

Berechtigten haben für die Abwesen-

heitstage Anspruch auf ungekürztes

Pflegegeld. Eine Kürzung um den Sach-

leistungsanteil ist rechtswidrig. Berech-

tigte, die zeitweise im häuslichen Um-

feld gepflegt werden, haben während

dieser Zeit auch Anspruch auf Leistun-

gen nach § 45b.

§ 45b SGB XIEntlastungsbetrag

Entlastungsbetrag (125 €) gilt ab Pflege-grad 1.

Notizen:

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