Betreff: Lebensstadt Linz #4 Lebensvielfalt

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“Vielfalt ist ein Zustand. Und darum auch ein Bedürfnis. Wir sind differenzierter, individueller, eigensständiger geworden. Also brauchen wir auch zusätzliche, unterschiedliche und spezifische Angebote. Linz kann sie ermöglichen.”

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LEBENSVIELFALT

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Vielfalt ist ein Zustand. Und darum auch ein Bedürfnis. Wir sind differenzierter,

individueller, eigenständiger geworden. Also brauchen wir auch zusätzliche,

unterschiedliche und spezifische Angebote. Linz kann sie ermöglichen.

LEBENSVIELFALT

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VerkehrVerwaltung

EnergieGesundheit

Partizipation und Demokratie

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EINE STRECKE, STRECKE, DREI DREI STRECKE, DREI STRECKE, STRECKE, DREI STRECKE,FAHRZEUGE.FAHRZEUGE.Ein Rennen. Von einem Ende der Stadt zum anderen. Mit dem Rad, der Straßenbahn und dem Auto.

17 MIN. FAHRZEIT�� 23 MIN. STAU 13,7 KM

Reine Fahrzeit (mit Ampelhalten) 17 MinutenStau Wiener Straße 2 MinutenStau Lunzer Straße 3 MinutenStau Voestknoten 3 MinutenStau Voestbrücke 4 MinutenStau Altenberger Straße 9 MinutenParkplatzsuche Uni 2 MinutenFußweg von Parkplatz 1 Minute

62�% RADWEG��� 26 AMPELN� 13,9 KM

Auwiesenstraße – Angerholzweg tw. kein RadwegSalzburgerstraße – Blumauerstraße Radweg Schubertstraße kein RadwegUntere Donaulände RadwegEisenbahnbrücke rutschiger RadwegDonauradweg RadwegMostnystraße kein RadwegJ.W.-Klein Straße RadwegMengerstraße kein Radweg

LINIE 1�� 35 HALTESTELLEN� 14,5 KM

Reine Fahrzeit (mit Haltestellen) 41 MinutenFußweg zum Einstieg 2 MinutenWartezeit Haltestelle 5 MinutenFußweg von Ausstieg 2 Minuten

FAHRRAD

Francesco Moser Rennrad, Baujahr 1986

Kaufpreis: (gebraucht 2011) € 200Instandsetzung�+�Umbau: € 150Wartungskosten pro Jahr: € 50

STRASSENBAHN

Bombardier Cityrunner, Baujahr 2008

Mega Ticket/Jahr: € 285

AUTO

Chevrolet Kalos, Baujahr 2005

Kaufpreis: € 11.800Kasko-Versicherung/Quartal: € 323,60Super-Benzin/Liter: € 1,07Service/Jahr: € 57Wartung/Jahr: € 200Reifen/Sommer & Winter: € 500Vignette/Jahr: € 84,40 Tiefgarage Auwiesen/Monat: € 45Parkplatz Universität/Tag: € 2

40 MIN.

50 MIN.

• Ampel ROTAmpel ROTAmpel ROT• Ampel GRÜNAmpel GRÜN

• Ampel GRÜN

• Ampel ROT, 3 Minuten STAU

• Ampel ROT

3 Minuten STAU

4 Minuten STAU

9 Minuten STAU999 Minuten Minuten STAU• Ampel ROT

5 Minuten WARTEZEIT auf Straßenbahn

• Ampel ROT, • Ampel ROT

1 Minute WARTEZEIT 1 (Fahrgast blockiert Tür)

2 Minuten PARKPLATZ-SUCHE

• Ampel ROT

• Ampel ROT

• KEIN Radweg

KEIN Radweg •

ACHTUNG bei Ampel • (Schalter nicht ersichtlich)

1 Minute WARTEZEIT (LKW blockiert Kreuzung)

ACHTUNG am Radweg • (Hunde und Fußgeher)

• KEIN Radweg

ENGER Radweg •••••• Ampel ROT

• Ampel ROT

• Ampel ROT

Ampel ROTAmpel ROT

Ampel ROTAmpel ROTAmpel ROTAmpel ROT• Ampel GRÜN

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• Ampel ROT

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• Ampel GRÜN•• Ampel GRÜN• Ampel ROT

• Ampel ROT•• Ampel ROT• Ampel ROT

• KEIN Radweg

• Ampel GRÜN•• Ampel GRÜNAmpel GRÜN• Ampel GRÜN•• Ampel GRÜNAmpel GRÜN

• Ampel GRÜN

44• ACHTUNG extrem rutschiger Radweg

• ACHTUNG kleine und rutschige Holzbrücken

schöner Radweg

•• ACHTUNG• KEIN Radweg

STARTAUWIESEN / Gabesstraße

ZIELUNIVERSITÄT / Bibliothek

DATUM: Montag, 15. Dezember 2014

ABFAHRT: 7.30 Uhr

ANKUNFT:unterschiedlich

43 MIN.

1 Fahrscheinkontrolle

3 Minuten Verzögerung 3 (Nadelöhr Landstraße)

• Ampel GRÜN

••• Ampel ROTAmpel ROTAmpel ROTAmpel ROT2 Minuten STAU

schöner Radweg

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EINE STRECKE, STRECKE, DREI DREI STRECKE, DREI STRECKE, STRECKE, DREI STRECKE,FAHRZEUGE.FAHRZEUGE.Ein Rennen. Von einem Ende der Stadt zum anderen. Mit dem Rad, der Straßenbahn und dem Auto.

17 MIN. FAHRZEIT�� 23 MIN. STAU 13,7 KM

Reine Fahrzeit (mit Ampelhalten) 17 MinutenStau Wiener Straße 2 MinutenStau Lunzer Straße 3 MinutenStau Voestknoten 3 MinutenStau Voestbrücke 4 MinutenStau Altenberger Straße 9 MinutenParkplatzsuche Uni 2 MinutenFußweg von Parkplatz 1 Minute

62�% RADWEG��� 26 AMPELN� 13,9 KM

Auwiesenstraße – Angerholzweg tw. kein RadwegSalzburgerstraße – Blumauerstraße Radweg Schubertstraße kein RadwegUntere Donaulände RadwegEisenbahnbrücke rutschiger RadwegDonauradweg RadwegMostnystraße kein RadwegJ.W.-Klein Straße RadwegMengerstraße kein Radweg

LINIE 1�� 35 HALTESTELLEN� 14,5 KM

Reine Fahrzeit (mit Haltestellen) 41 MinutenFußweg zum Einstieg 2 MinutenWartezeit Haltestelle 5 MinutenFußweg von Ausstieg 2 Minuten

FAHRRAD

Francesco Moser Rennrad, Baujahr 1986

Kaufpreis: (gebraucht 2011) € 200Instandsetzung�+�Umbau: € 150Wartungskosten pro Jahr: € 50

STRASSENBAHN

Bombardier Cityrunner, Baujahr 2008

Mega Ticket/Jahr: € 285

AUTO

Chevrolet Kalos, Baujahr 2005

Kaufpreis: € 11.800Kasko-Versicherung/Quartal: € 323,60Super-Benzin/Liter: € 1,07Service/Jahr: € 57Wartung/Jahr: € 200Reifen/Sommer & Winter: € 500Vignette/Jahr: € 84,40 Tiefgarage Auwiesen/Monat: € 45Parkplatz Universität/Tag: € 2

40 MIN.

50 MIN.

• Ampel ROTAmpel ROTAmpel ROT• Ampel GRÜNAmpel GRÜN

• Ampel GRÜN

• Ampel ROT, 3 Minuten STAU

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3 Minuten STAU

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9 Minuten STAU999 Minuten Minuten STAU• Ampel ROT

5 Minuten WARTEZEIT auf Straßenbahn

• Ampel ROT, • Ampel ROT

1 Minute WARTEZEIT 1 (Fahrgast blockiert Tür)

2 Minuten PARKPLATZ-SUCHE

• Ampel ROT

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• KEIN Radweg

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ACHTUNG bei Ampel • (Schalter nicht ersichtlich)

1 Minute WARTEZEIT (LKW blockiert Kreuzung)

ACHTUNG am Radweg • (Hunde und Fußgeher)

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44• ACHTUNG extrem rutschiger Radweg

• ACHTUNG kleine und rutschige Holzbrücken

schöner Radweg

•• ACHTUNG• KEIN Radweg

STARTAUWIESEN / Gabesstraße

ZIELUNIVERSITÄT / Bibliothek

DATUM: Montag, 15. Dezember 2014

ABFAHRT: 7.30 Uhr

ANKUNFT:unterschiedlich

43 MIN.

1 Fahrscheinkontrolle

3 Minuten Verzögerung 3 (Nadelöhr Landstraße)

• Ampel GRÜN

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schöner Radweg

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DI ERICH HAIDERGeneraldirektor LINZ AGRessorts Konzernsteuerung und Infrastruktur

• Studium der Informatik in Linz• Landeshauptmann-Stellvertreter, Referent für Verkehr,

Wohnbau, Natur- und Tierschutz• Seit September 2012 Ehrenpräsident des

Wissenschaftlichen Beirates der Europäischen Gemeinwirtschaft

• Seit 1. Oktober 2014 Generaldirektor der LINZ AG

Experte für kommunalen und überregionalen öff entlichen Verkehr

VBGM.IN KARIN HÖRZING Vizebürgermeisterin, Referentin für Verkehr und SeniorInnen

• Betriebsrätin in der voestalpine• SPÖ Bezirksfrauenvorsitzende Linz-Stadt • Gemeinderätin der Stadt Linz

Expertin für Mobilität und Verkehrsinfrastruktur

DR. JOSEF KINASTVorstand der Niederlassung Linz, Siemens AG Österreich

• Studium der Rechtswissenschaften in Wien• 30 Jahre Tätigkeit für Siemens in Wien, München

und Kalifornien• Obmann-Stellvertreter der Sparte Industrie

in der Wirtschaftskammer Oberösterreich

Experte für Technologie und Innovation in Verkehr und Infrastruktur

MAG. GERHARD PRIELERErwachsenenbildner, Trainer, Supervisor, Coach, Moderator; Konsulent Land OÖ

• Studium der Pädagogik und Gruppendynamik in Klagenfurt• Bereichsleiter für ganzheitliche und globale Bildung im Institut für Fort- und

Weiterbildung der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz; seit rund 20 Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender bzw. stv. Vorsitzender der Radlobby OÖ (vormals Initiative FahrRad OÖ)

Experte für Persönlichkeitsbildung und Prozesse partizipativer Konzeptentwicklung sowie für sanfte Mobilität, speziell Radverkehr

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VERKEHRLinz bewegt.

Zu Fuß, per Rad, in Bim und Bus, mit dem Auto.

Die Verkehrsströme schwellen stetig an.

Der zur Verfügung stehende Raum wird aber nicht mehr.

So ist es kein Wunder, dass die Debatten um Stau, Abgase und Parkplätze zu den am heißest

geführten zählen. Zu Themen wie Westring, Ostumfahrung, Eisenbahnbrücke, Tiefgaragen, Zweite Straßenbahnachse und vielem mehr hat

jede/r eine Meinung. So viel diskutiert wird, so viel geschieht aber auch. In den letzten 25 Jahren hat

sich einiges fast verdoppelt. Das Streckennetz der LINZ LINIEN etwa, die Zahl der von ihr beförderten

Personen. Aber auch das Radwegenetz. 221

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e KARIN HÖRZINGZukunft

Blicken wir doch in die Zukunft und über-legen wir uns, wie Linz in einigen Jahren aus verkehrstechnischer Sicht aussehen soll.

ERICH HAIDERIntermodale Nutzung

Das Thema Verkehr ist eines, das sehr viel-seitig ist. Verkehr macht an den Stadtgrenzen nicht halt und berührt viele unterschied-liche Themenfelder – Mobilität, Technologie, Wertschöpfung, Umwelt aber auch Work-Life-Balance, Gesundheit und Lebensquali-tät sowie die Partizipation der Menschen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben.

Verkehr hat enorme Bedeutung. Unsere Ver-kehrswege sind die „Lebensadern“ unserer Gesellschaft, sie bewegen Menschen und Güter und da unsere Lebens- und Arbeitswelt immer diversifizierter wird, die Anforderungen an die Mobilität der Menschen immer höher und die Arbeitszeiten immer flexibler werden, steigt auch das Verkehrsaufkommen stetig.

Die Gestaltung der Zukunft ist aus meiner Sicht nur mit der Stärkung des öffentlichen Verkehrs in all seinen Facetten möglich – und seiner Anbindungsmöglichkeiten an den Individual-verkehr: Stichwort „intermodale Nutzung“. Denn eines ist klar: Der öffentliche Verkehr hat noch enormes Potenzial. Hier sind wir gefragt: Wie können wir den öffentlichen Verkehr in und um Linz attraktiv gestalten? Und die Menschen zum Umdenken im Kopf und zum „Umsteigen“ in ihrer täglichen Lebensrealität bewegen?

GERHARD PRIELERVerkehrsvision 2025

Ich greife die Anregung von Frau Hörzing auf, in die Zukunft zu schauen, wie Linz in einigen Jahren aus verkehrstechnischer Sicht aussehen soll. Hier meine Vision für Linz 2025: In diesem Jahrzehnt ist es gelungen, eine Verkehrswende zu schaffen und die auto-orientierte Verkehrs-politik zu überwinden. Ausgangspunkt war, dass eine breite Mehrheit der ParteienvertreterInnen sich in einem Visionsprozess auf konkrete Ziele punkto Verkehrsverlagerung geeinigt hatte. Unter Hintanstellung parteipolitischer Gesichtspunkte gelang es, eine gute und kosten-günstige Lösung für die Zweite Schienenachse zu finden und den gesamten öffentlichen Ver-kehr zu attraktivieren. Selbstverständlich konnte man auch Fahrräder in Öffis mitnehmen.

Mithilfe einer ExpertInnengruppe wuchs die Erkenntnis bei den PolitikerInnen, dass der Radverkehr einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrsentlastung und zu einer attraktiveren und ökologischeren Stadt beitragen konnte. Die Stadt startete eine groß angelegte Bewusst-seinskampagne über mehrere Jahre, die viele LinzerInnen zum Umstieg auf das Fahrrad motivierte. Das Ziel, dem sich alle verpflichtet fühlten, war die 2012 beschlossene Charta von Brüssel mit einem Radverkehrs-Anteil von 15 %. Entsprechend wurde auch das Rad-budget auf 15 % des Verkehrsbudgets erhöht.

Eine wichtige Signalwirkung hatte die vorrangig angegangene Verbreiterung der Nibelungen-brücke sowie eine radfreundliche Lösung für die Waldeggstraße. Inzwischen gab es auch einen florierenden Fahrradverleih, fünf

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Radservicestationen, flächendeckende – teil-weise überdachte – Abstellanlagen sowie Fahr-radboxen, eine radfreundliche Pflasterung der Landstraße und gute gemeindeübergreifende Verbindungen. Und auch die PolitikerInnen nutzten inzwischen das Rad für ihre Fahrten in der Stadt, einerseits aus Vorbildwirkung, andererseits um die Radinfrastruktur aus eigener praktischer Erfahrung sowie die Bedürfnisse der Radfahrenden zu kennen.

Ein wesentlicher Schritt: MobilitätsberaterInnen konnten von den Betrieben angefordert werden, welche die MitarbeiterInnen bezüglich der günstigsten Routen mit öffentlichen Verkehrsmitteln beziehungs-weise Rad berieten. Schwachstellen konnten gleich der Stadt rückgemeldet werden.

Im Zuge des Visionsprozesses war man auch übereingekommen, dass zur Erreichung der Verkehrswende Pull- und Push-Maßnahmen erforderlich seien. Der erste symbolträchtige Schritt war die Einführung des autofreien Hauptplatzes. Hatte der Handel zuerst heftig opponiert, machte man inzwischen die Erfahrung, dass der Hauptplatz sowie die Land-straße sogar wesentlich attraktiver wurden. Eine zweite symbolträchtige Maßnahme war

eine Parkraumbewirtschaftung zu markt-üblichen Preisen am Urfahrmarktgelände. Dafür gab es für PendlerInnen einen Gratis-Fahrradverleih beziehungsweise vergünstigte Karten für die öffentlichen Verkehrsmittel.

Aus dem Ziel heraus, die Anzahl von motorisierten Individualverkehr-PendlerInnen zu reduzieren, war man nach langer Dis-kussion zum Entschluss gekommen, eine City-Maut einzuführen. Die Einnahmen dienten dem Ausbau von öffentlichem Ver-kehr und Radverkehr. Beides wäre mit dem normalen Budget nicht möglich gewesen.

ERICH HAIDERGemeinsame Mobilitätslösung

Ein Blick in die Zukunft? Gerne! Das Thema Mobilität ist ja das Zukunftsthema schlechthin. Das war es seit jeher: Es hat immer schon die Entwicklung der Menschen begleitet, geprägt und beschleunigt. Ich denke da nur an die Erfindung des Rads oder an die Erfindung der Dampflokomotive. Jetzt stehen wir wieder vor einem großen Entwicklungsschub.

Die Verkehrsströme werden immer dichter, vor allem in den Städten und im stadtnahen Umland. Es braucht neue, vernetzte Lösungen, intermodale Mobilität, die die Menschen als echte Alternative zum eigenen Auto mit ver-schiedenen Verkehrsmitteln von Tür zu Tür bringt: öffentlicher Verkehr, Rad, Taxis, Car-Sharing etc. Wir alle müssen künftig mehr über unseren Tellerrand schauen, um gemeinsam ein tragfähiges Mobilitäts-konzept für den Großraum Linz zu entwickeln. Linz alleine kann das nicht erreichen.

„Die besten Verkehrssysteme

sind die, die es schaffen, Menschen

möglichst schnell und effizient an ihr

Ziel zu bringen.“JOSEF KINAST

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e Wenn ich in die Zukunft schaue, dann bin ich zuversichtlich, dass uns das über Gemeinde-grenzen hinweg gelingt: Dass die Verantwort-lichen in der Politik und im öffentlichen Ver-kehr, in Stadt, Land und Bund, in der Wirtschaft und in den Mobilitätsinitiativen gemeinsam an einer Lösung für Linz und das Umland arbeiten. Dazu braucht es natürlich ein echtes politisches Commitment, nachhaltige Finanzierungskonzepte und ein gemeinsames Eintreten für ein Ziel: Den öffentlichen Verkehr zum Hauptträger der Mobilität zu machen!

JOSEF KINASTAnalysen und Anregungen

Ich möchte gerne das Thema um weitere Aspekte ergänzen, beziehungsweise bereits Geäußertes verstärken. Zu Beginn möchte ich auf eine aktuelle Studie von Siemens und dem britischen Beratungsunternehmen Credo hinweisen, die aufzeigt, welche Kosten durch wenig effiziente Infrastrukturen entstehen und welche wirtschaft-lichen Chancen sich bei gezielten Investitionen in den Verkehr ergeben. Zwar werden dabei Städte vom Kaliber wie New York, Istanbul oder Shanghai untersucht, aber das Ergebnis gilt im Prinzip genauso für kleinere Städte wie Linz: Die besten Verkehrssysteme sind die, die es schaffen, Menschen möglichst schnell und unkompliziert an ihr Ziel zu bringen, die sich durch effiziente Verkehrsnetze, moderne Infrastrukturen und Fahr-zeuge auszeichnen sowie das einfache Umsteigen zwischen verschiedenen Verkehrsträgern ermög-lichen. Großstädte in der genannten Kategorie können laut dieser Studie bis 2030 ihre Wirt-schaftskraft durch Ausbau und Verbesserung ihrer Verkehrsinfrastruktur um insgesamt etwa 800 Milliarden US-$ pro Jahr erhöhen.

Auf dem Weg der ständigen Weiter-entwicklung können für Linz folgende Anregungen behilflich sein:• Ausbau der intelligenten Verkehrssteuerung

(grüne Wellen etc.)• Vermarktung der Oberleitungsbusse als

emissionsfreie und lärmreduzierende Elektrobusse

• Vernetzungslösungen auf App-Basis – Platt-form, die es ermöglicht, für jeden Weg und Zeitpunkt die passenden Verkehrsmittel zusammenzustellen und zu buchen (Ver-netzung von verschiedenen Mobilitätsdienst-leistern wie Car-Sharer, Verkehrsbetriebe, Taxis oder Fahrradverleihe)

• Ausdehnung der ÖBB-Fahrzeiten in den Nachtstunden für Musiktheater-BesucherInnen

• Mobilitätsangebot für Auto und Rad á la car2go

GERHARD PRIELERUmweltverbund

Ich möchte der in meinen Augen ein-dimensionalen Sichtweise von Herrn Haider widersprechen. Er sagt, die Lösung liege „im gemeinsamen Eintreten für ein Ziel: den öffentlichen Verkehr zum Hauptträger der Mobili-tät zu machen“. Dies ist eine verkürzte Sicht-weise: es geht um die Förderung des gesamten Umweltverbundes: öffentlicher Verkehr-Rad-Fußgehen. Linz liegt trotz hohem öffentlichen Verkehrs-Anteil beim Umweltverbund nur an sechster Stelle der Landeshauptstädte!

Wir haben bereits jetzt bei den Binnenwegen zwischen öffentlichem Verkehr und Radver-kehr ein Verhältnis von ca. 3:1 (101.000 : 34.600

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tägliche Wege). Wenn wir das vom Gemeinde-rat beschlossene Ziel 15 % Radverkehrsanteil erreichen, ergibt dies 68.000 Wege. Bei einer Steigerung der öffentlichen Verkehrs-Wege auf 130.000 kommen wir auf ein Verhältnis von weniger als 2:1. Aber das Entscheidende dabei: Dies ist beim Radverkehr mit einem winzigen Bruchteil der im öffentlichen Ver-kehr nötigen Investitionen erreichbar. Bei angenommenen Investitionskosten bis 2020 von 10 Millionen € für den Radverkehr und von 500 Millionen € für den öffentlichen Ver-kehr ergibt dies spezifische Kosten pro täg-lichem Weg von 299 € beim Radverkehr und von 17.260 € beim öffentlichen Verkehr.

Natürlich kann man über die genauen Zahlen diskutieren, aber das Größenver-hältnis spricht wohl für sich. Wenn man das ernst nimmt, ergeben sich andere Priori-tätensetzungen. Dazu noch eine Zahl: die Gesamtausgaben im Großraum Linz von 1995 bis 2025 (mit den geplanten Projekten) betragen motorisierter Individualverkehr 60 %, öffentlicher Verkehr 40 %, Rad weniger als 1 %.

ERICH HAIDERBedürfnisse und Ideen

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn weitaus mehr Menschen mit dem Rad oder zu Fuß unter-wegs wären, auch in Linz. Leider aber wollen

oder können das nur wenige – aus Zeitmangel, aus Mangel an körperlicher Fitness, vielleicht auch aus Komfortgründen oder aus Gewohn-heit. Vor allem ältere Menschen steigen nur mehr ungern aufs Fahrrad. Wir sollten die Menschen dort abholen wo sie sind, in ihren Lebensreali-täten und Bedürfnissen. Und ein Bedürfnis der meisten Menschen ist es, möglichst schnell und unkompliziert von A nach B zu kommen.

Zeit ist hier ein ganz wesentlicher Faktor, wie ich glaube. Die meisten Menschen haben immer weniger Zeit zur Verfügung und sind immer schnelllebiger unterwegs. Da müssen wir ein attraktives Angebot schaffen. Das haben wir innerstädtisch auch schon, aber leider nicht darüber hinaus. Eines scheint mir dabei auch wichtig: Wenn es uns gelingt, den öffentlichen Verkehr als eine Möglichkeit zu positionieren, Zeit zu gewinnen, die man nutzen kann – zum Lesen, zum Arbeiten, zum Kommunizieren, zum Entspannen oder wofür auch immer, dann kommen wir einen großen Schritt weiter. Das ist natürlich auch eine Imagefrage und da braucht es eine attraktive Vermarktung. Da sind wir noch zu bescheiden unterwegs.

Wenn wir uns mit Modellen „neuer“ Mobili-tätskombinationen beschäftigen und konkrete Ideen für Linz und Umgebung diskutieren, erscheint die kostenlose Jahresnetzkarte auf den ersten Blick attraktiv und auch durchaus in der Lage, neue NutzerInnen zu gewinnen. In Graz läuft dazu gerade ein Pilot-projekt, allerdings nur in der Innenstadt.

Die Erfahrungen aus anderen europäischen Städten zeigen allerdings, dass der Nulltarif für Bus und Bim nicht unbedingt ein Erfolgsmodell

„Es geht um die Förderung des gesamten

Umweltverbundes: öffentlicher

Verkehr-Rad-Fußgehen.“

GERHARD PRIELER

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ist. Die Verkehrsmittelwahl ist von mehreren Faktoren abhängig. Hier spielen beispiels-weise die Gewohnheiten, die Einstellungen der (potenziellen) NutzerInnen, das Angebot und die Qualität der Dienstleistung neben dem Preis eine wichtige Rolle. Die Beispiele zeigen, dass bei einem Nulltarif vorwiegend FußgängerInnen und RadfahrerInnen für Kurz-strecken auf den öffentlichen Personennahver-kehr wechseln. Der Umstieg vom motorisierten Individualverkehr auf den öffentlichen Ver-kehr findet nicht statt, wie die Beispiele der Städte Templin und Hasselt zeigen.

Ein weiteres Problem sehe ich in der Ent-koppelung der unternehmerischen Ent-scheidungen von öffentlichen Verkehrs-Unternehmen von der Einnahmesituation. Mehrleistungen führen somit nicht auto-matisch zur Steigerung von Fahrgast-zahlen und damit zu Mehreinnahmen.

Die Umstiege zwischen den einzelnen Nutzungsmöglichkeiten sollten mög-lichst „reibungsfrei“ sein. Das ist eine der ganz zentralen Fragen: Wie können wir den städtischen öffentlichen Verkehr attraktiv mit Rad, Bahn, Car-Sharing, Taxi verbinden?

Gerne würde ich auch ein paar Ideen andenken, die über das „Naheliegende“ hinausgehen: • Park & Ride-Anlagen rund um die Stadt• Der Transport auf dem Wasser, zwischen

Innenstadt und Hafen oder Industriegelände beispielsweise. Oder gar von Ottensheim ins Stadtzentrum?

• Eine Seilbahn quer über den Fluss?

• Eine „Uferbahn“ entlang der Donau?• Ober-/unterirdische Laufbänder für

FußgängerInnen?• Andere phantasievolle Vorschläge?

KARIN HÖRZINGFlexibilität

Ich möchte einige der Anregungen aufgreifen. Über Park & Ride in den Umlandgemeinden gibt es schon eine längere Diskussion. Auch ich bin überzeugt, dass ein möglichst frühzeitiger Umstieg von PendlerInnen auf den öffentlichen Verkehr die Verkehrssituation in Linz positiv beeinflussen wird. Je attraktiver diese Angebote sind, desto eher werden die Menschen umsteigen.

Allerdings hat sich auch die Arbeitssituation vielfach verändert. Die Arbeitszeiten sind mittlerweile viel flexibler geworden – denken wir nur an Teilzeitarbeit, aber auch an Gleit-zeitregelungen in vielen Firmen. Das heißt, dass der öffentliche Verkehr auf diese Flexibili-tät auch reagieren (können) muss, um den Umstieg vom motorisierten Individualver-kehr zu erleichtern. Auch ist immer mit zu betrachten, welche zeitlichen Ersparnisse diese Angebote bringen, beziehungsweise welche Kosten den NutzerInnen entstehen.

Hier im „Gesamtpaket“ ein attraktives Angebot zu finden, forciert wohl am ehesten den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr. Auch für die Palette der „phantasievollen Modelle“ gilt oben Gesagtes. Die Frage, die sich die VerkehrsteilnehmerInnen wohl stellen, lautet: Wie komme ich am schnellsten, sichersten, bequemsten,

„Ich bin überzeugt, dass ein möglichst frühzeitiger Umstieg von PendlerInnen

auf den öffentlichen Verkehr die Verkehrssituation in Linz positiv

beeinflussen wird.“KARIN HÖRZING

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e(individuell) attraktivsten, günstigsten, … von A nach B? Auch dahingehend werden alle ver-kehrstechnischen Ideen von der Erde über das Wasser bis hin zum Luftraum abgeklopft.

JOSEF KINASTSchwebende Gedanken

Ich beteilige mich gerne an den Phantasien für Linz und will diese gleich auch mit ein paar konkreten Anhaltspunkten ausschmücken. Das Linz Tourismus-Motto „Linz erschweben“ (derzeit in Form der Segwaytouren) möchte ich gerne um zwei Aspekte bereichern. Schon mit dem Höhen-rausch ist Linz im internationalen Maßstab hoch hinausgekommen, aber es geht noch höher – und zwar mit einer Seilbahn in der Stadt. Linz hätte dadurch einen neuen USP und würde sich in die Reihe von Metropolen wie London, Los Angeles, New York, Rio oder Hongkong einordnen, in denen es solche städtischen Seilbahnen gibt.

„Schweben über den Dächern von Linz: ohne Lärm und Abgase“ – das könnte man nicht nur touristisch nutzen, sondern auch als Ent-lastungsmaßnahme im Verkehrs- und Umwelt-bereich. Gerade im Hinblick auf die neue Linzer Medizinuni erscheint mir eine Streckenführung attraktiv, welche die zentralen Krankenhäuser (AKH, Wagner-Jauregg, …) „anschwebt“ und eine Verbindung über die Donau nach Urfahr schafft. Österreich hat im eigenen Land – ein schönes Stück westlich von Linz – eine aus-geprägte Seilbahnkompetenz, die auch inter-national sehr erfolgreich ist, und so wäre auch schon ein idealer Partner für eine Machbar-keitsstudie der Linzer Seilbahn gefunden.

Noch einmal zurück zum Streckenverlauf: Neben der „medizinischen Achse“ in Verbindung mit touristischen und infrastrukturellen Hotspots (Hauptbahnhof, AEC, Schlossberg, …) könnte auch eine Anbindung des Stadtentwicklungs-gebiets Hafen eine interessante Variante sein.

Damit sind wir auch schon bei der zweiten „schwebenden“ Fortbewegungsmöglich-keit – und zwar auf dem Wasser. Hier könnte eine – möglichst auf Elektroantrieb basierende – Schnellbootverbindung, etwa Ottensheim–Steyregg, eine Entlastung der Straßen durch den Pendlerverkehr bringen. Wie bei der Seilbahn würde sich auch per Schiff der Hafen in seiner zukünftigen, städte-baulich weiterentwickelten Form als fixe Anlegestelle anbieten. Eine im Sinne der Ent-lastung der Straße bedeutende Haltestelle der Bootsverbindung würde sicherlich auch die Station „voestalpine an der Donau“ sein.

Pendler- und Touristenverkehr auf dem Wasser und in der Luft – vielleicht lassen sich einige der schwebenden Gedanken auf den Boden der Realität bringen und umsetzen …

GERHARD PRIELERAttraktivierung des öffentlichen Verkehrs

Die Donau zwischen Ottensheim und Steyregg für den Alltagsverkehr zu nutzen und auch die Idee einer Seilbahn hat viel Charme. Einig sind wir uns alle, dass es eine bessere Verzahnung des Umweltverbundes öffentlicher Verkehr-Rad-Fußverkehr braucht. Ich frage mich aber, warum es noch immer so wenige Park & Ride-Anlagen am Stadtrand von Linz gibt, warum es noch immer keinen Fahrradverleih gibt …

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e Für die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs im Großraum Linz halte ich wie viele VerkehrsexpertInnen ein Schnellbahn-system, das es im Umkreis fast aller Landes-hauptstädte gibt, für die effizienteste Lösung, wesentlich attraktiver als eine Regio-Tram.

Doch bei aller noch so kreativen Attraktivierung dürfen wir eines nicht vergessen: alle Erfahrungen in anderen Städten zeigen, dass vor allem durch eine gute Kombination von Pull- und Push-Maßnahmen Umstiegseffekte in höherem Ausmaß erzielt werden können. Markantes Beispiel: so lange die Stadt Linz PendlerInnen aus dem Mühlviertel einen Gratisparkplatz im Zentrum der Stadt zur Verfügung stellt, wird man sie schwer zum Umstieg auf die Mühlkreis-bahn bewegen können. Solche Ansatzpunkte gilt es zu nutzen: marktgerechte Parkraumbewirt-schaftung, dafür bekommen PendlerInnen am Urfahrmarkt gratis Leihräder zur Verfügung beziehungsweise wahlweise vergünstigte Karten für Bim und Bus. Oder etwas mutiger: Einführung einer (tageszeitlich gestaffelten) City-Maut, dafür großzügige Park & Ride-Anlagen vor den Toren der Stadt mit dichten öffentlichen Verkehrs-Verbindungen in die City.

ERICH HAIDERHerausforderungen

Ein funktionierender Fahrradverleih ist ein gutes Ziel. Eine Schnellbootverbindung zwischen Ottensheim und Steyregg hätte auch Charme. Lassen Sie uns das weiterdenken: Wo können wir genügend Parkmöglichkeiten schaffen, damit möglichst viele PendlerInnen den Umstieg auf das Wasser machen können? Und wie bringen wir die Menschen am Hafen

oder im voestalpine-Gelände an ihre jeweiligen Arbeitsplätze? Auch eine „schwebende Variante“ für Linz hat Potenzial – wenngleich eine Seilbahn vielleicht eher ein touristisches als ein „massentaugliches“ Transportmittel sein würde. Gibt es hierzu Studien über die möglichen Kapazitäten von Seilbahnen?

Bei unseren Visionen für künftige Verkehrs-lösungen für Linz und das Umland dürfen wir auch unsere Straßenbahn nicht ganz außer Acht lassen – die Neue Schienenachse Linz (NSL) wird ja das Krankenhausviertel durchkreuzen. Wir sind mittlerweile soweit, an eine Erweiterung Richtung Westen zu denken. Über das Wagner-Jauregg Krankenhaus, Bindermichl und die Salz-burger Straße nach Traun und zurück über Leon-ding könnte der Ring dann geschlossen werden.

„Es wird eine der größten

Herausforderungen der Zukunft dafür

zu sorgen, dass die Visionen für ein

zukunfts taugliches Verkehrskonzept über das eigene

Unternehmen, die eigene Partei

und die eigene Gemeinde grenze

hinausgehen.“ERICH HAIDER

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eBezüglich Park & Ride-Anlagen und einer besseren Verzahnung des Umweltverbundes ist noch sehr viel zu tun. Bei diesen Themen gilt wie bei einem überregionalen Schnellbahnsystem auch: Das hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn alle „Player“ gemeinsam an einem Strang ziehen. Es wird eine der größten Herausforderungen der Zukunft dafür zu sorgen, dass die Visionen für ein zukunftstaugliches Verkehrskonzept über das eigene Unternehmen, die eigene Partei und die eigene Gemeindegrenze hinausgehen. Man sieht es gut auch an unserer Diskussion hier, dass wir alle – ich nehme mich da nicht aus – unsere Lösungen vor unserem eigenen Erfahrungs-hintergrund entwerfen. Eine gute Abstimmung und ein intensiver Austausch ist hier ein erster Schritt. Dass es uns gelingt, künftig noch ein wenig mehr über den eigenen Tellerrand zu schauen und darauf zu vertrauen, dass auch die anderen Verantwortlichen aus bestem Wissen und Gewissen handeln, darauf baue ich.

KLAUS LUGERVernetzung unterschiedlicher Mobilitätsformen als Alternative zur Eindimensionalität

Räumliche Mobilität in hoher Qualität ist unabdingbar für eine moderne Gesellschaft. Als Markenzeichen und erforderliche Voraus-setzung führt sie dennoch oft zu Konflikten. Die Abhängigkeit von funktionierenden Verkehrs-abläufen und der Wunsch nach anderen Raum-nutzungen konterkarieren sich oftmals. Diese

Kontroversen zu lösen, ist Aufgabe der Politik. Der Bewegung von A nach B liegt ein komplexes System von individuellen Entscheidungen zugrunde, in denen unterschiedlich wichtige und unwichtige dringliche Bedürfnisse der Mobilität der Menschen zum Ausdruck kommen. Doch eines haben diese individuellen Mobilitätsbedürf-nisse gemeinsam: das notwendige Zeitbudget für die Wegstrecke sollte so gering wie möglich sein. Nur dann wird man das Fortbewegungs-mittel – ob Fahrrad, Straßenbahn, Bus, Auto oder zu Fuß – auch beim nächsten Mal wieder nutzen.Das anhaltende Verkehrswachstum stellt uns vor große Herausforderungen. Die Entwicklung von durchdachten Gesamtverkehrskonzepten hat dem urbanen Raum Rechnung zu tragen, hat den Bedürfnissen der Menschen zu ent-sprechen und ihnen vielfältige Nutzungs-möglichkeiten für ihre täglichen Wegstrecken zu bieten. Intermodalität von Verkehrssystemen, das heißt eine mehrgliedrige Bewegungs-kette oder die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel für eine Strecke, steht in der kommunalen Verkehrs- und Mobilitätspolitik ganz oben. Zukünftig wird es nicht primär darum gehen, mit ein und demselben Verkehrs-mittel von A nach B zu kommen, sondern eine Kombination diverser Verkehrsmittel zu nutzen. Im Großraum Linz werden täglich zwei Millionen Wege zurückgelegt. Das entspricht der Hälfte aller in Oberösterreich zurückgelegten Strecken. Welche Verkehrsmittel dabei benutzt werden, hängt nicht zuletzt von so genannten „last-mile-links“ ab. Darunter versteht man die Möglich-keiten der Bewältigung der „letzten Meile“, also des letzten Teilstücks einer Reise. Diese Möglich-keiten beeinflussen die Verkehrsmittelwahl der ganzen Reise, wobei das analog natürlich auch für die „erste Meile“ gilt, also für den Zugang zu

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Verkehrsmitteln für die Abreise. Ein Viertel jener PendlerInnen, die hauptsächlich mit dem Auto in die Arbeit fahren, nutzen neben dem Auto auch ein anderes Verkehrsmittel. Gemeinde-grenzen überschreitende Mobilitätskonzepte sollen angedacht und umgesetzt werden. Hier werden vor allem Park & Ride-Flächen und deren Anbindung an attraktive öffentliche Verkehrsmittel von großer Bedeutung sein.

Wenn wir uns mit dem Thema sanfte Mobili-tät beschäftigen, müssen wir uns auch mit dem „last-mile-link“ in der Stadt selbst aus-einandersetzen. Hier ist in der Vergangen-heit bereits der richtige Weg eingeschlagen worden: Konzentration auf den Ausbau und die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, Verbesserungen der Rahmenbedingungen für RadfahrerInnen und FußgeherInnen. Für die große Zahl an EinpendlerInnen ist zur Bewältigung des letzten Teilstücks („last mile“) zur Fahrt zum Arbeitsplatz gerade das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln in der Stadt von großer Bedeutung. Mit 24 % weist Linz unter vergleichbaren Städten in Österreich bereits jetzt den höchsten Anteil des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen auf. Trotzdem ist der Ausbau und die Attraktivierung des Angebots der LINZ LINIEN besonders wichtig, hier vor allem mit der Busbeschleunigung.

Mittlerweile gehört jeder vierte Straßenkilo-meter den RadfahrerInnen, an den Haupt-verkehrsstraßen mit Tempo 50 km/h ist der Vollausbau der Radwege beinahe erreicht. In den kommenden drei bis fünf Jahren geht es

noch um den sukzessiven Radwegelücken-schluss. Verkehrsberuhigte Zonen und die neuen Begegnungszonen ermöglichen den RadfahrerInnen bereits jetzt eine integrierte Teilnahme am Verkehrsgeschehen. Mögliche Verbesserungen können aber die Überarbeitung des Beschilderungssystems der Radwege und ein Radfahr-Stadtplan bringen. Sicher notwendig sind neue Fahrrad-Abstellanlagen mit Ver-netzung zum öffentlichen Verkehr. Eine Über-legung wert ist ein Konzept für Fahrradstraßen. Die Entwicklung von Verkehrsprojekten stand in den vergangenen Jahren in mehrerlei Hin-sicht im Mittelpunkt. Es wurden die Weichen für Projekte gestellt, die den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie des Individual-verkehrs in der Landeshauptstadt und im Groß-raum Linz zum Ziel hatten. Von vier Millionen Wegen, die täglich in Oberösterreich zurück-gelegt werden, führen zwei Millionen Wege durch Linz. Über 100.000 Menschen pendeln täglich in die Stadt zu ihren Arbeitsplätzen, weitere 30.000 bis 40.000 kommen aus anderen Gründen nach Linz. Die Anbindung neuer Wohngebiete und die Verlängerung über die Stadtgrenze hinaus bringen zwar einerseits den gewünschten Erfolg, dass mehr Menschen auf das öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Andererseits stößt die Schienenachse durch Linz im neuralgischen Bereich zwischen Haupt-bahnhof und Rudolfstraße zusehends an ihre Kapazitätsgrenzen. Hinzu kommt, dass im Zuge der Stadtentwicklung neue Wohngebiete ent-standen sind, deren Anbindung an ein Straßen-bahnnetz als sinnvolle Notwendigkeit erscheint.

„Die Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel für eine Strecke wird

in Zukunft selbstverständlich sein. Intelligente Technologiesysteme

werden die Intermodalität unterstützen.“ KLAUS LUGER

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eDarum wurde das Projekt Zweite Schienen-achse entwickelt. Mit einer Länge von 6,6 Kilo-metern und insgesamt 15 Haltestellen wird die neue Schienenachse die Stadt künftig den Osten von Linz erschließen und eine wesent-liche Ergänzung zur bestehenden Straßen-bahnführung sein. Einen wesentlichen Schritt zur Realisierung dieses Verkehrsvorhabens stellt der Neubau der Eisenbahnbrücke dar. Mitte September 2014 hat eine 14-köpfige Jury darüber entschieden, wie die Lösung für eine neue Donaubrücke in Linz aussehen soll. Diese Brücke ist für Linz von eminenter Bedeutung, nicht nur als Verkehrsweg für den Individualverkehr. Auch die Umsetzung der Zweiten Schienenachse hängt davon ab.

Im Dezember 2014 gab es noch grünes Licht für den Bau der Linzer Westumfahrung. Die West-spange ist noch immer das Verkehrsprojekt mit der größten umweltpolitischen Relevanz seit der Sanierung der Linzer Luft Mitte der 1980er Jahre. Es sind nicht weniger als 50.000 Menschen, die von einer verbesserten Luft-situation in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld als Folge der reduzierten Verkehrsmengen neue Lebensqualität gewinnen werden. Grünes Licht für einen möglichst baldigen Baustart wäre eine Anerkennung für den Industriestandort Linz. Die vorgestellten Zeitpläne der ASFINAG sehen einen Baubeginn noch 2015 sowie eine Freigabe der 4. Linzer Donaubrücke 2018 vor.

VISIONEN FÜR LINZ

Fertigstellung der Zweiten Schienenachse

und der neuen Donauquerung

Schaffung von Park & Ride-Flächen

Attraktivierung der E-Mobilität

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O. UNIV.­PROF. DI DR. RICHARD HAGELAUERRektor der Johannes Kepler Universität Linz

• Studium der Elektrotechnik in Nürnberg und Erlangen

• Abteilungsleiter der IC-Entwicklung am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen

• Universitätsprofessor für Komplexe Digitale Schaltungen und Dekan der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät an der Johannes Kepler Universität Linz

Experte für Mikroelektronik

NORBERT HAUDUM Landesvorsitzender und Stv. Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten-KMSfB (Kunst, Medien, Sport, freie Berufe)

• Ab 1989 Mitarbeiter in der Personalvertretung der Bediensteten der Stadt Linz

• Ab Herbst 1989 Vorsitzender der Personalvertretung der Bediensteten der Stadt Linz und Vorsitzender der Bezirksgruppe Linz-Stadt der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten

• Ab Oktober 2006 Vorsitzender der Landesgruppe Oberösterreich der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten-KMSfB

Experte für den Bereich der Gemeindeverwaltungen, insbesondere das Dienstrecht für oö. Gemeindebedienstete

A. UNIV.­PROF. DR. ROBERT M. BAUERProfessor für Organisation und InnovationInstitut für Organisation und Globale Managementstudien, Johannes Kepler Universität Linz

• Mehrjährige Lehr- und Forschungstätigkeit an der Joseph L. Rotman School of Management der University of Toronto als Erwin-Schrödinger Stipendiat (1998/1999) und als Gastprofessor (2004–2006)

• Personenzentrierter Psychotherapeut• Organisationsberater, Top-Management-Coach und

Vortragender in Europa, Nordamerika und China

Experte für inner-, zwischen- und überbetriebliche Innovationsprozesse, Netzwerkorganisationen, Führungskräfteentwicklung und Philosophie des Managements

DR.IN JUTTA RINNER, MBAMitglied des Vorstandes LINZ AG

• Leiterin des Kunststoff -Clusters OÖ bei der Technologie- und Marketinggesellschaft mbH

• Leiterin des Bereiches Revision und Organisation der LINZ AG

• Geschäftsführerin Managementservice Linz GmbH

Expertin für Strategie- und Organisationsentwicklung, Konzernservices & Verkehr

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VERWALTUNGSchlanke Stadt.

Überbürokratisierung und Beamtenmentalität sind in Linz schon lange out.

Eine neue Magistratsreform verspricht noch mehr Effizienz.

Der Weg zu einer bürgernahen Serviceorientierung war spätestens mit der Reform 2004 unumkehrbar.

Durch die Umstrukturierung halbierte sich die Anzahl der Dienststellen. Die Ausgliederung

wichtiger Aufgabengebiete in Tochtergesellschaften erzielte höhere Flexibilität. Mit der Fusion von

ESG und SBL zur LINZ AG vier Jahre vorher etablierte sich bereits ein starkes Unternehmen für infrastrukturelle Leistungen. Nun sollen die

Zuständigkeiten und Abläufe in allen Betrieben der Unternehmensgruppe Linz weiter optimiert werden.

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e ROBERT BAUERVier Fragenkomplexe

Die Basis des abendländischen Denkens seit der griechischen Antike, meint der Philosoph Gilles Deleuze, sei der Freund unter Freunden – der Freund, der gleichzeitig Rivale ist, denn Dialog/Denken brauche (Sprach-)gemeinschaft und einfühlend wohlwollendes Verstehen ebenso wie kritisches Hinterfragen und den über-bietenden Anspruch auf das bessere Argument.

In diesem Sinne freue ich mich auf einen freundschaftlich rivalisierenden Dialog zum Thema „Verwaltung“. Zum Abstecken des Themenfeldes möchte ich vier mögliche Fragekomplexe formulieren, die spannend und diskussionswürdig erscheinen.

1. Magistratsreform

Die Stadt Linz hat vor kurzem eine Reform des Magistrats begonnen. Was dürfen und sollen sich die LinzerInnen von einem reformierten Magistrat erwarten? In welchen Bereichen können Verbesserungen erzielt werden? Welche aktuellen Stärken sollen bewahrt werden?

2. Regierung

„Verwaltung“ etwas breiter verstanden ist gleich-bedeutend mit „Exekutive“ beziehungsweise dem englischen Begriff „Administration“. Die Frage nach der Rolle von Regierung scheint mir daher wesentlich zu unserem Thema zu gehören. Wenn Anthony Giddens recht hat und moderne Staatsgefüge sowohl eine starke Zentralregierung als auch freie Märkte und eine aktive Zivilgesellschaft brauchen – was folgt

daraus für die Stadt Linz? Wieviel Regierung braucht die Stadt? Was kann und soll von den Märkten/der Wirtschaft übernommen werden? Und was ist die Rolle der BürgerInnen?

3. Zukunft

Anknüpfend an obige zwei Fragen: Wie sieht eine langfristige Zukunftsperspektive – als Vision – für die Stadtverwaltung aus?

4. Digital Society

Wie beeinflusst und verändert die Digitalisierung unserer Gesellschaft die Verwaltung der Stadt – aber auch ihre Mit- und Gegenspieler in Wirtschaft und Zivilgesellschaft?

NORBERT HAUDUMBalance / Welche Verwaltung?

Ernst Ulrich von Weizsäcker, deutscher Wissenschaftler, Nachhaltigkeits-Experte und „Club of Rome“-Vizepräsident sagte im Juni 2014 in einem Interview mit den OÖ Nach-richten das Folgende: „Der Markt macht alles und die öffentlichen Güter sind in der schwächeren Position. Zu den öffentlichen Gütern gehören auch Ruhe, Besinnung, der Staat, die Solidarität. Der Markt diktiert den Staat, das ist eine sehr ungesunde Situation, wir müssen wieder eine Balance herstellen.“

Wenn das stimmt, ist Anthony Giddens’ Forderung nach einem modernen Staatsgefüge mit einer starken Zentralregierung als auch freien Märkten bereits in ein Ungleichgewicht zugunsten der Märkte entschwunden. Für mich

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ist dieses Herstellen der erforderlichen Balance eine wichtige Aufgabe für die Zukunft.

Vorerst sollten wir uns aber darüber klar werden, was wir gemeinsam unter Verwaltung verstehen. Meinen wir damit den gesamten Magistrats-bereich mit all seinen Dienstleistungsbereichen (z. B. Kinderbetreuung, Kulturbereich, Sozialver-waltung, städtische Straßenverwaltung, Garten-verwaltung)? Meinen wir jenen Bereich der Verwaltung, der für die Vollziehung der Gesetze und somit zum Schutze der Bürgerrechte (z. B. Baurecht, Umweltschutzgesetze usw.) erforder-lich ist? Oder meinen wir die Verwaltung, die benötigt wird, um das städtische Eigentum oder die städtischen Mitarbeiter administrativ zu betreuen, um nur einige Bespiele zu nennen? Das Thema der Betriebe im Eigentum der Stadt ist dabei noch gar nicht angesprochen.

JUTTA RINNERBedingungen der Modernisierung

Bei der Frage der Begriffsverwendung könnte ein interessanter Aspekt auch die Außenbetrachtung sein. Was verbindet die Bevölkerung mit dem Begriff der Verwaltung und gibt es einen Unter-schied in der Wahrnehmung von Leistungen, wenn der Begriff der Verwaltung oder der Begriff

des Services beziehungsweise der Dienstleistung verwendet wird? Werden Maßnahmen, die gestalterisch, kundenorientiert, vorausschauend, kontrollierend etc. sind, gleich zugeordnet, oder gibt es hier Unterschiede in der Wahrnehmung?

Wenn von der öffentlichen Verwaltung zukünftig mehr, andere oder noch komplexere Aufgaben zu bewältigen sein werden – aus-gelöst zum Beispiel durch gesetzliche Rahmen-bedingungen, den demografischen Wandel, die Erwartungen der Wirtschaft an Schnelligkeit und Effizienz, verändertes Kommunikationsver-halten der Bürger und Bürgerinnen etc. – wird die inhaltliche und finanzielle Anpassung für eine nachhaltige Modernisierung sowohl des hoheitlichen Bereichs als auch der Wirtschafts- und BürgerInnenservices neben der gezielten Reduzierung von nicht mehr benötigter Abläufen sowohl die Bereiche der Organisation und Struktur als auch die Bereiche Steuerung, Personal(-entwicklung) und IT beziehungsweise E-Government betreffen?

Für ein umfassendes Konzept beziehungs-weise eine Gesamtperspektive werden Themen wie zum Beispiel breitere Aufgaben- und Kompetenzfelder, prozess- und ergebnis-orientiertes Arbeiten, ressortübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung, standardisier-bare Vorgänge etc. zu diskutieren sein. Die technologische Entwicklung wird Möglich-keiten aufzeigen, diese für Strukturen und Verfahren noch stärker zu nutzen, zum Bei-spiel für schnellere Zugriffe auf erforderliche Informationen oder intensive Koordinations- und Kommunikationsprozesse. Die Anpassung der Organisation an die neuen Herausforderungen, bedingt durch die gesellschaftlichen und

„Abläufe müssen ständig hinterfragt

werden und sind zu eliminieren, wenn sie nicht mehr benötigt

werden, um die Ressourcen frei zu

bekommen.“NORBERT HAUDUM

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e wirtschaftlichen Entwicklungen, wird auch die Frage der Verwaltungskultur beinhalten müssen. Begleitende Change Management-Prozesse zur Sicherung einer nachhaltigen Modernisierung werden erforderlich sein.

NORBERT HAUDUMSicht der Bevölkerung / gesetzliche Vorgaben

Genau diese Außenbetrachtung habe ich gemeint. Aufgrund meiner persönlichen als auch beruflichen Erfahrung habe ich die Gewissheit, dass die Bevölkerung keinesfalls zwischen den durch die Stadt Linz angebotenen Dienstleistungen und den Leistungen der klassischen Verwaltung unterscheiden kann. Schon gar nicht wird eine Unterscheidung zwischen Beamten und Vertragsbediensteten getroffen. Hier hat jedenfalls eine Aufklärung zu erfolgen. Die Bevölkerung muss ein-fach wissen, dass der überwiegende Teil der städtischen Mitarbeiter im Dienstleistungs-bereich tätig ist, diese Leistungen daher auch zu erschwinglichen Preisen angeboten werden können und dass das Linzer Philosophie ist.

Auch ich kann mich der Meinung anschließen, dass Abläufe ständig hinterfragt werden müssen und nicht mehr benötigte Abläufe zu eliminieren sind, um die Ressourcen frei zu bekommen. Wir dürfen bei unserer Diskussion nämlich nicht übersehen, dass die gesetzlichen Vorgaben laufend verändert und komplizierter werden. Man denke nur an die Vielzahl der Gesetze, welche durch die nationalen Parla-mente beschlossen werden, aber auch durch EU-Vorgaben zu beachten sind. Leider können wir das nicht verändern. Hier ist eindeutig die Politik in Land und Bund gefordert.

Selbstverständlich können die Bemühungen Richtung E-Government und Change Management weiter gesteigert werden. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Linzer Stadtverwaltung – jedenfalls in Öster-reich – eine führende Position einnimmt.

ROBERT BAUEROrganisatorische Optimierungen

Zur Frage der Begrifflichkeiten: BürgerInnen unterscheiden kaum oder gar nicht zwischen den verschiedenen Funktionen der Verwaltung. Die Differenzierung zwischen Hoheitsver-waltung einerseits sowie Besteller und Hersteller von Services für BürgerInnen und Wirtschaft andererseits, hat für unsere Diskussion nur inso-fern Bedeutung, als unterschiedliche Strukturen für diese Bereiche benötigt werden. Für mich hängt das eng mit der Frage zusammen, ob bestimmte Bereiche normiert werden können, beziehungsweise ob sie mit geringeren Ver-waltungskompetenzen das Auslangen finden.

„Die Verwaltung braucht eine

hybride Organisation,

effiziente Routineprozesse

für Services und flexible

Strukturen für Expertenbereiche.“

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eMir fehlt die Detailkenntnis, um einzelne Bereiche herausgreifen zu können, ich denke aber, dass in der öffentlichen Verwaltung die Prozesse für routinemäßige Abwicklung und strittige Fragen grundsätzlich ähnlich sind. Besser wäre ein vereinfachtes, schnelles, kostengünstiges Verfahren für die Routineangelegenheiten, das den BürgerInnen die Möglichkeit gibt, falls sie mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, dann das ausführliche, qualifizierte aber eben auch langsamere und teurere Verfahren zu fordern. Die Polizei hat das bei der Anonymverfügung gut umgesetzt: eine rasche, für alle Beteiligten billigere Abwicklung – und wenn ich mich als Bürger ungerecht behandelt fühle, kann ich das rechtstaatlich gesicherte, komplette Verfahren mit Anzeige, Lenkererhebung etc. beanspruchen. Das „Prinzip Anonymverfügung“ könnte ich mir auch für ein systematisches Hinterfragen der Abläufe im Magistrat gut vorstellen.

Ich möchte noch eine dritte Funktion des Magistrats ansprechen: Er muss meines Erachtens auch die Expertise für die politischen Entscheidungsträger zur Verfügung stellen. Ich würde den Magistrat in einer ähnlichen Think-Tank-Funktion für die Stadtentwicklung sehen, wie es die Kammern für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerfragen sind. Zusammen-genommen bedeutet das, dass die Verwaltung eine hybride Organisation, effiziente Routine-prozesse für Services und flexible Strukturen für Expertenbereiche braucht. Die Kammern setzen sich mit dieser Frage schon länger – und wie mir scheint – erfolgreich auseinander.

Abschließend noch ein Gedanke zur Frage der Gesamt-Holding: Ich tendiere dazu, Zusammen-gehöriges zu bündeln und Unterschiedliches

auseinanderzuhalten. Die verschiedenen Zuständigkeiten für Straßen, Parks, Brunnen etc. bieten sich meines Erachtens für eine Bündelung an – analog zum Grazer Beispiel der zusammengeführten Kompetenz für „Stadt-raum“. Mit der Bündelung von Schulerhaltung, Kindergärten, Horte, VHS etc. in einem Bereich „Bildung“ könnte sich die Stadt als wichtige Akteurin in Bildungsfragen etablieren. Ohne eine Ferndiagnose riskieren zu wollen, schiene mir auch eine gemeinsame Holding für die führenden Kultureinrichtungen (AEC, LIVA, Museen …) erwägenswert, weil diese Ein-richtungen gut aufeinander abgestimmt agieren müssen. Bei einer Gesamtholding wäre für mich sehr genau zu prüfen, wie viel an Effizienz und Wirksamkeit dadurch gewonnen und wie sehr zu Unterschiedliches über eine Kamm geschoren beziehungsweise welcher zusätz-liche Verwaltungsaufwand durch eine zusätz-liche Organisationsebene geschaffen würde.

Mir ist klar, dass meine Bündelungsüber-legungen auf eine möglichst wirksame Organisation abzielen und zunächst nicht berücksichtigen, dass die Auffächerung von Kompetenzen auch dem politischen Interessensausgleich dienen könnte. Für mich, aus dem Feld „Organisation“ kommend, scheint Zersplitterung von Kompetenzen eine teure Form des Interessensausgleichs zu sein, weil dadurch größere Initiativen leicht verhinderbar beziehungsweise schwer durchsetzbar werden. Ich wäre interessiert, wie Sie das sehen: Gefährden schlagkräftigere und folglich mächtigere Verwaltungseinheiten den politischen Interessensausgleich, beziehungsweise könnte dieser anderweitig erreicht werden?

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e RICHARD HAGELAUERDrei Aspekte

Ich darf mich zu drei Aspekten der Ver-waltung äußern und halte diese für essentiell in einer entsprechenden Betrachtung:

• Schlanke Strukturen • Serviceorientierung• Digitalisierung

Schlanke Strukturen

Ich erlaube mir, ein paar allgemein gehaltene, grundsätzliche Gedanken zum – zugegeben schon recht stark bemühten – Begriff der „schlanken Verwaltung“ einzubringen: Ver-waltung – sei es auf universitärer, kommunaler, staatlicher oder auch anders gearteter Ebene – soll in meinen Augen die Menschen beziehungsweise die Gesellschaft unter-stützen, in größtmöglicher Eigenverantwort-lichkeit und Autonomie agieren zu können. Verhandlungen und Interessenskonflikte werden mehr moderiert als kontrolliert. Alt-eingesessener Ballast wird abgeworfen, um neue Aufgaben adäquat aufgreifen und wahr-nehmen zu können. Es geht weniger um Hierarchie als vielmehr um Kollegialität, weniger um Restriktivität als vielmehr um Unterstützung (im Rahmen des Möglichen).

Serviceorientierung

Für mich ist der Gedanke der Service-orientierung von administrativen Units ganz wesentlich. Als Beispiel: An der JKU haben wir vor kurzem ein Projekt „Serviceorientierung“ in unseren Verwaltungsabteilungen aufgesetzt, um

diese – obwohl passabel aufgestellt – noch besser zu machen. Denn dies ist auch der Anspruch der heutigen Zeit: sich ständig weiterzuentwickeln und nicht in Stagnation zu verfallen. Wir halten uns vor Augen, wer unsere „KundInnen“ sind (Studierende, Forschende, KollegInnen, externe PartnerInnen etc.) und definieren den Begriff „Serviceorientierung“ für uns: Attribute wie lösungsorientiert, kompetent, improvisations-fähig, empathisch und kommunikativ tauchen etwa dabei auf (und natürlich können es viel mehr sein). Zuletzt suchen wir gemeinsam Beweggründe für eine stark serviceorientiert geprägte Vorgehensweise (MitarbeiterInnen sind die Visitenkarte einer Organisation; das Arbeitsklima wird verbessert; die Fluktuation von Arbeitsplätzen verringert; der interne Kommunikationsaufwand nimmt ab; etc.), um die MitarbeiterInnen über die intrinsische Motivation abzuholen. Sie müssen selbst den Wert dieses Assets – denn nicht weniger ist es – verstehen, dann werden sie es auch noch besser in ihre tägliche Arbeit integrieren und umsetzen. Ich bin der Meinung, dass es für jede Organisation lohnend ist, sich mit diesem Aspekt von Verwaltung intensiv auseinanderzusetzen.

Digitalisierung

Unsere Gesellschaft ist heute auf jeder Ebene enormen Transformationsprozessen in einer rasanten Geschwindigkeit unterworfen. Für uns alle stellt dies eine wesentliche Heraus-forderung dar. Damit nimmt die Häufigkeit, mit der technologische Innovationen die täg-liche Arbeit in der Verwaltung beeinflussen, sukzessive zu. Ich bin der Ansicht, dass die hier-mit einhergehenden Chancen (Vereinfachung, Verschlankung, Effizienzsteigerung etc.) und

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Risiken (Unübersichtlichkeit, Überforderung, Datenfriedhof etc.) gut betrachtet und eingehend diskutiert werden müssen, damit uns der Zug der Zeit nicht überrollt. Letztlich müssen technischer Fortschritt und menschliche Leistungsfähigkeit miteinander Schritt halten können. Stichworte meinerseits sind hier analytische Bestandsauf-nahme, profunde Strategiebildung, effiziente E-Governance, durchdachtes Akzeptanz- und Kommunikationsmanagement in der Umsetzung. Die Begleitung eines solchen Prozesses durch professionelle und externe Change Agents wurde schon thematisiert, dieser Zugang erscheint auch mir sinnvoll und auf jeden Fall überlegenswert.

Ich möchte resümierend festhalten, dass Ver-waltung nie Selbstzweck sein darf. Die Grund-idee ist doch jene, dass ein Verwaltungsapparat besteht, um dem Zusammenleben von Menschen Ordnung und Struktur zu verleihen. Ein ein-heitliches – somit für alle Personen im gleichen Maße gültiges und dadurch faires – Regelwerk und Berechenbarkeit beziehungsweise Verläss-lichkeit sollen dadurch gegeben sein. Weiter-gedacht bedeutet dies, dass Bürgerinnen und Bürger in ihren Fragen und Anliegen Hilfe und Unterstützung, aber natürlich auch gesetzlich vorgegebene Richtlinien erhalten. Sie sollen dabei so autonom wie möglich und so geführt wie nötig agieren können beziehungsweise müssen. Eine moderne Verwaltung muss einer-seits eine schlanke, beweglich bleibende Struktur aufweisen und sich andererseits allem voran als serviceorientierte Dienstleistung an der Gesellschaft begreifen. Diese beiden Prämissen

berücksichtigend wird einer potentiellen Über-bürokratisierung und Verkomplizierung – der vielzitierte „Amtsschimmel“ – in vielen Fällen erst gar kein Nährboden geboten.

ROBERT BAUERDrei kurze Punkte

1. Handlungsfähigkeit

Es ist weder Zufall noch Irrtum, dass die öffentliche Verwaltung eine Bürokratie ist. Sie wurde bewusst so konzipiert, nicht zuletzt weil es ihre Aufgabe war, die aristokratisch geprägte, von den BürgerInnen als willkürlich wahr-genommene Staatsmacht in die Schranken zu weisen und gegen die Eigeninteressen nicht demokratisch legitimierter Regierender Ver-fahrensgerechtigkeit für alle zu sichern. Unsere Situation heute ist aber eine ganz andere: Wir leben in einer Demokratie, in einem Rechtsstaat und im Zeitalter der (medialen) Transparenz – für Kontrolle ist da gesorgt. Verwaltung soll daher nicht mehr Politik kontrollieren, beziehungsweise als Puffer zwischen Politik und Bevölkerung stehen, sondern sie soll unsere demokratisch gewählten VertreterInnen ermächtigen und handlungsfähig machen, denn – abgesehen vom krassen Mangel an Meinungsvielfalt in den Medien – schadet unserer Demokratie nichts so sehr wie machtlose PolitikerInnen und institutionelle Agonie. Demokratien müssen in der Lage sein, große Vorhaben durchzusetzen und die öffentliche Verwaltung kann dazu an vorderster Front beitragen.

„Verwaltung soll in meinen Augen die Menschen beziehungsweise

die Gesellschaft unterstützen, in größtmöglicher Eigenverantwortlichkeit

und Autonomie agieren zu können.“RICHARD HAGELAUER

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2. Service

Ich teile unseren Konsens betreffend der Wichtigkeit der Dienstleistungsorientierung in einer schlanken, schnellen Verwaltung. Hinzu-fügen möchte ich, dass es nicht ausreicht, „alles für das Volk, aber nichts durch das Volk“ zu tun. Zukunftsfähige Dienstleistung muss Initiativen von BürgerInnen ermöglichen, unter-stützen und ermächtigen. Die Wirtschaft hat die enorme Bedeutung von Co-Creation, das heißt gemeinsames Erzeugen von Wert durch ProduzentInnen und KonsumentInnen, längst erkannt. Die Co-Creation der Commons, der öffentlichen Güter, scheint mir dagegen noch ausbaufähig – und äußerst zukunftsträchtig.

3. Digitale Technologien mit menschlichem Antlitz

Linz steht ebenso für Industrie und Technologie wie für soziale Werte. Die Verwaltung kann Stadtentwicklung in diese Richtung unterstützen, ja sogar Vorreiter sein. WLAN Hotspots, Open Commons Region, „Schau auf Linz“ oder Inter-net in der „Bim“ sind großartige Beispiele und – wie ich hoffe – nur der Anfang. Ich wünsche mir und der Stadt Linz eine Verwaltung, die Pionierprojekte im Bereich E-Government und Digitalisierung der Stadt(-gesellschaft) wagt.

JUTTA RINNERMagistratsreform

Der Gedanke der organisatorischen Bündelung, der Ausrichtung von Prozessen für schlankere Strukturen und der Aufgabenerledigungen ohne Doppelgleisigkeiten wurde laut den ver-öffentlichten Zielen und Informationen über die Magistratsreform bereits im Herbst 2014 in den Arbeitsgruppen beziehungsweise Projekt-gruppen untersucht. Dieses Themenfeld wurde damit einer professionellen Untersuchung und Betrachtung zugeführt und zielt dabei – davon sollte man ausgehen – mit Sicherheit auch auf Effizienz und Wirksamkeit der Aufgaben und Abläufe ab. Ein wichtiges Element in der Frage von vereinfachten, schnellen, kostengünstigen Verfahren ist somit auf den Weg gebracht.

Wichtig und gleichzeitig schwierig wird dabei sein, dass sich wirklich alle Beteiligten der Ver-änderungsnotwendigkeit bewusst sind. Nämlich, dass die bereits angesprochenen gesellschaft-lichen, technologischen, finanziellen und gesetz-lichen Rahmenbedingungen die Verwaltung vor neue, große Herausforderungen stellen und sie darauf – in welcher Art und Weise auch immer – reagieren muss. Ein bloßes Abbilden des Bestehenden würde hier zu kurz greifen, man wird sich bewusst und offen der Ver-änderung stellen müssen. Dabei sollte Qualität in den Diskussionen und Entscheidungen im Vordergrund stehen, ebenso mit dem Ziel, die aktuellen Anforderungen auch nach den Reform-entscheidungen und -umsetzungen laufend den zukünftigen Anforderungen anzupassen.

„Unbestritten sollte sein, dass E-Government als Chance

für ein modernes digitales Service zur Kundenorientierung

im Verwaltungsbereich genutzt werden muss.“

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eDies wird Mobilität über die Körperschaften hinweg und lebenslanges Lernen bei allen Beteiligten – auch bei den BürgerInnen im Sinne einer digitalisierten Verwaltung – erfordern.

Bei der Frage der Serviceorientierung könnte auch ein Blick auf die Wirtschaft riskiert werden, auch wenn Position, Produkt und Dienstleistung natürlich nicht unmittelbar vergleichbar sind. Aber was sind unter anderem Parameter, die Dynamik, Erfolg/gewünschtes Ergebnis bringen, um hier Verwaltung auch in ihrer Weiterentwicklung zu denken und zu gestalten? Die Vernetzung und der Aus-tausch der Verwaltungsebenen (Bund, Länder, Stadt/Gemeinden) untereinander müssen ein zusammenhängendes Betrachtungsbild ergeben.

Unbestritten sollte sein, dass E-Government als Chance für ein modernes digitales Service zur Kundenorientierung im Verwaltungsbereich genutzt werden muss. Die ersten Rahmen-bedingungen sind hier schon gesetzt, für die Akzeptanz von Anbietern und AnwenderInnen müssen hier aber auch die nötigen Rahmen-bedingungen geschaffen werden, wie zum Bei-spiel die umfassende Vernetzung der BürgerInnen beziehungsweise die Schaffung der digitalen Zugänge, um diese Angebote auch nutzen zu können. Dazu braucht es auch eine durchdachte Vorgehensstrategie bei Angebot und Nachfrage. Stichwort Bürokratie: Wie Verwaltung abläuft, ist eine Frage, die auf alle Fälle weiterbehandelt und nicht nur diskutiert werden sollte. Dass Ver-waltung aber einmalige Aufgaben hat, die für unser „geordnetes“ Zusammenleben nicht nur wichtig sind, sondern es auch erst ermöglichen, braucht nicht in Frage gestellt werden. Hier kann die Verwaltung mit Selbstbewusstsein auftreten.

KLAUS LUGERStandortfaktor Bürger-Verwaltung, Controlling als wesentliches Steuerungsinstrument

Die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger hängt maßgeblich von der Quantität sowie der Qualität gemeinwirtschaftlicher Dienst-leistungen ab. Vielfältige Sozialleistungen beein-flussen das tägliche Leben der Bevölkerung. Dazu zählen die Angebote für Kinderbetreuung ebenso wie jene für SeniorInnen, auch die Unterstützungen für in Not geratene Menschen oder auch Aufgaben, welche die Verwaltung als Behörde abwickelt (Baubewilligungen, Melderegister, gewerbebehördliche Anliegen). Diese Leistungen unterliegen einem ständigen Wandel. Daher ist es gerechtfertigt, diese einer kontinuierlichen Überprüfung und Anpassung zu unterwerfen. Wir verfolgen dabei als oberstes Ziel, die Angebote und Dienstleistungen zugänglich und erschwinglich zu gestalten. In der Vergangenheit haben sich öffentliche Verwaltungen an einer bürokratischen Auf-gabenerledigung orientiert. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass moderne Managementmethoden auch für öffentliche Ver-waltungen unabdingbar sind. Modernisierung bedeutet in diesem Sinn nicht Privatisierung.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sollen möglichst bürgernah organisiert und geregelt sein, dadurch kommt den lokalen Behörden auch eine dementsprechende Bedeutung zu. Aus meiner Sicht liegt das Ein-sparungspotenzial in der öffentlichen Leistungs-erbringung in einer effizienten Gestaltung der Prozesse und nicht in einer Reduktion des Leistungsangebotes. Durch eine Neu-organisation abseits der bestehenden Strukturen

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können sowohl Einsparungsziele als auch eine bessere BürgerInnennähe erzielt werden.

Eine moderne öffentliche Verwaltung gilt als Standortfaktor im wirtschaftlichen Wett-bewerb. Je moderner unsere Verwaltung, desto leistungsfähiger kann sie auf gesellschaftliche Veränderung reagieren und sie sogar aktiv mit-gestalten. Daher ist es unabdingbar, Mut zur Veränderung aufzubringen. Trotz finanzieller Einschränkungen der Kommunen sollten wir für die Zukunft die BürgerInnen- und Dienst-leistungsorientierung erhöhen. Eine leitungs-fähige und moderne Verwaltung kann die Qualität einer Stadt als Unternehmensstandort erhöhen. Städte auf der einen Seite und Unter-nehmen auf der anderen Seite stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander. Städte brauchen die Wirtschaftstreibenden als wichtige Grundlage der Daseinssicherung (beispielsweise Arbeitsplätze, Kommunalsteuer, Kaufkraft). Und damit auch als Basis für die Zukunfts-chancen der Bevölkerung. Die Betriebe sind wiederum aufgrund ihres unternehmerischen Handelns auf die Städte angewiesen, die durch wesentliche Rahmenbedingungen (Infra-strukturmaßnahmen, Bildungseinrichtungen) ihr unternehmerisches Tun fördern. Deshalb sollen BürgerInnen, Wirtschaft und Behörden weitgehend von bürokratischen Pflichten und Lasten entbunden werden. Der Schwer-punkt der Entwicklung liegt meines Erachtens auf der Vereinfachung und Optimierung von Geschäftsprozessen und Abläufen.

Knappe finanzielle Spielräume und das Vor-haben, den Haushalt mittelfristig auszu-gleichen, erfordern neue Lösungen. Ich bemühe mich mit aller Kraft um eine strukturelle und substantielle Reform des Magistrates und unserer Töchterbetriebe, um effizientere Arbeits-abläufe, um weniger Overhead, um mehr Ver-antwortung in den einzelnen Abteilungen, um eine verbesserte KundInnenorientierung sowie um die Nutzung von Synergiepotenzialen. Zusammen mit einer Aufgabenoptimierung und einem effektiven Controlling bringt eine Neustrukturierung ein Rationalisierungs- und Einsparungspotenzial von mindestens zwei Millionen € jährlich. Gleichzeitig hat eine straffere Verwaltungsstruktur eine Steigerung der KundInnenorientierung und BürgerInnennähe zur Folge. Obwohl ein Groß-teil der städtischen Leistungen im Dienst-leistungsbereich liegt, arbeitet man in vielen Bereichen noch nach den Regeln der klassischen Verwaltung. Einfachere Arbeitsabläufe sparen nicht nur Zeit, sie sparen auch Geld. Und sie sorgen für höhere Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten, die mehr direkte Verantwortung erhalten. Das alles kann zu einer tiefgreifenden Mentalitätsveränderung, einer Bürger-Ver-waltung führen. Gleichzeitig ist kontinuerlich zu hinterfragen, ob Leistungen noch zeitgemäß und von Nutzen für die LinzerInnen sind.

Zudem werden wir neue Technologien vermehrt einsetzen. Der Ausbau von E-Government-Strukturen ist in einem Zeitalter der

„Mit wenigen Mausklicks Verwaltungsformalitäten von zu Hause

aus zu erledigen, sollte in Zukunft Realität werden. Eine neue Mentalität des Magistrats als Bürger-Verwaltung

wäre gut für die Wirtschaft und die Bevölkerung.“

KLAUS LUGER

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VISIONEN FÜR LINZ

Entbürokratisierung von Geschäftsprozessen und Abläufen – moderne

Verwaltung als erheblicher Standortfaktor

Umsetzung einer umfassenden

Verwaltungsreform

Ausbau von E-Government-Strukturen

Neue Mentalität einer Bürger-Verwaltung

selbstverständlichen Nutzung des Internets unabdingbar. Der Einsatz neuer Steuerungs-modelle zur Gestaltung der Beziehungen zwischen Verwaltung und deren PartnerInnen wie den BürgerInnen, der Wirtschaft, aber auch zu den MitarbeiterInnen ist höchst an der Zeit. BürgerInnen sollten einen direkten Zugriff auf Verwaltungsdienstleistungen via Onlineverbindungen besitzen. Durch den schnelleren und einfachen Zugang lässt sich die KundInnen- und Serviceorientierung entscheidend steigern. Bei manchen Dienst-leistungen, wie etwa der Ausstellung einer BewohnerInnen-Parkkarte, ist dies heute bereits möglich. Wir sollten in Zukunft vermehrt darauf setzen, BürgerInnenfreundlichkeit auf diesem neuartigen Niveau umzusetzen. Mit wenigen Mausklicks wären dann Verwaltungsformalitäten von zu Hause aus erledigt. Die großflächige Inanspruchnahme von Verwaltungs-leistungen durch Online-Selbstbedienung rückt somit erstmals in greifbare Nähe.

Öffentliche Verwaltungen benötigen als Dienst-leistungsorganisationen zeitnahe Steuerungs-instrumente. Es liegt somit nahe, die für die Wirtschaft entwickelten Controllingsysteme auch auf die öffentliche Verwaltung zu übertra-gen. Die öffentliche Hand unterliegt zu Recht der Pflicht zur Rechtfertigung ihrer Haushaltsmittel. Gefordert wird auch hier die sparsame Mittel-erbringung bei effektiver Leistungserbringung. Der Einsatz von Controlling-Systemen, die die Planung und Steuerung von Unternehmens-zielen messbar und somit vergleichbar machen, ist zwingend erforderlich. Die Implementie-rung eines Controlling-Systems stellt eine unabdingbare Notwendigkeit für eine neue Verwaltungsorganisation der Stadt Linz dar.

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„ENERGIE“inspiriert vom Leitungsnetz der LINZ�AG

STROM

2.636 km Netzlänge�

2.280 GWh Maximalkapazität�

1.220 GWh Stromverbrauch

ERDGAS

690 km Netzlänge�

38.679 Gasanschlüsse�

73,859 Mio. m3

Gasabgabe

FERNWÄRME

257 km Netzlänge�

1.800 GWh Maximalkapazität�

966,9 GWh Fernwäremabsatz

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„ENERGIE“inspiriert vom Leitungsnetz der LINZ�AG

STROM

2.636 km Netzlänge�

2.280 GWh Maximalkapazität�

1.220 GWh Stromverbrauch

ERDGAS

690 km Netzlänge�

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Gasabgabe

FERNWÄRME

257 km Netzlänge�

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DI WOLFGANG DOPF, MBAVorstandsdirektor Ressort Energie der LINZ AG, Geschäftsführer von Linz Strom GmbH und Linz Gas/Wärme GmbH

• Studium des Wirtschaftsingenieurwesens im Maschinenbau, Fachrichtung Dampf- und Wärmetechnik in Graz

• Beschäftigungen bei Hills Industries Ltd. Adelaide Australien, Investkredit AG Wien, Steyrermühl Papier AG

• Leiter der Energieerzeugung der LINZ AG

Experte für Energiewirtschaft

DR. ANDREAS KOLARFinanzvorstand der Energie AG Oberösterreich

• Studium der Betriebswirtschaftslehre in Linz• Leiter des Controllings der Ennskraftwerke AG Steyr und

Geschäftsführer des Abwasserverbandes Gafl enz• Leiter Treasury & Accounting der Energie AG Oberösterreich

Experte für Finanzen und Rechnungswesen in der Energiewirtschaft

O. UNIV.­PROF.  MAG. DR. DDR. H.C. NIYAZI SERDAR SARIÇIFTÇI Vorstand des Linzer Instituts für Organische Solarzellen (LIOS) sowie des Instituts für Physikalische Chemie an der Johannes Kepler Universität Linz

• Studium der Physik an der Universität Wien • Gründer des weltweit führenden Linzer Instituts für

Organische Solarzellen (LIOS) • Viele internationale Anerkennungen und Auszeichnungen wie

Österreicher des Jahres 2008 (Kategorie Wissenschaft), nationaler Wissenschaftspreis der Türkei (2006), Kardinal Innitzer Preis (2010), ÖGUT Umweltpreis Österreich (2010), Wittgensteinpreis (2012) und seit 2014 Mitglied der Österrreichischen Akademie der Wissenschaften

Experte in der Umwandlung der Sonnenenergie in elektrische Energie sowie deren chemische Speicherung mit Hilfe des CO2-Recyclings in künstliche Brennstoff e

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ENERGIELinz ist wie ein Organismus.

Auch die Stadt braucht Bahnen, die sie mit Energie versorgen, Kreisläufe,

die ihre Antriebsmittel transportieren: Strom, Gas und Wärme.

Verteilung ist das eine, aber die LINZ AG produziert auch Energie. Da ihre Kraftwerke in

Kraft-Wärme-Kopplung betrieben werden, liefern sie Strom und Fernwärme gleichermaßen.

Mit dem Effekt, dass sich in den letzten 25 Jahren die Gasabgabe im Stadtgebiet fast halbiert, der

Absatz der Fernwärme dagegen verdreifacht hat. Das war auch für die Linzer Luft gut – gehört

der Hausbrand damit doch so gut wie der Vergangenheit an. Und Fernwärme punktet als

soziale Beheizungsart mit den niedrigsten Preisen für die LinzerInnen.

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e WOLFGANG DOPFEnergie für Linz

Energie ist ein wesentlicher Baustein für Lebensqualität. In der LINZ AG haben wir eine Vision zur Sicherung der Lebens-qualität, die mit innovativen Techno-logien und „smarten“ Energiedienst-leistungen aus drei Bausteinen besteht:• Versorgungssicherheit• Umwelt, Nachhaltigkeit • Wettbewerbsfähigkeit, Leistbarkeit

In der Öffentlichkeit wird der Preis oft als das alleinige für die Menschen wichtige Kriterium für Energie aufgeführt, bei genauerer Nach-frage ist es dann aber immer die verlässliche Verfügbarkeit, gefolgt von der Herkunft, also der Frage, woraus Energie gemacht wird.

Zum Preis bin ich fester Ansicht, dass Energie in unserer Zeit vergleichsweise leistbar ist und aufgrund dieser breiten Verfügbarkeit unseren heutigen Komfort ermöglicht. Für einen Haushalt kostet Strom ca. 700 € im Jahr. Eine ähnliche Größenordnung ist der finanzielle Aufwand für das Heizen, in Summe zwei bis drei Prozent der Haushaltsausgaben. Bei Energiearmut – vielfach ein prominentes Thema – geht’s generell nicht um die fehlende Energie, sondern ums fehlende Geld.

Aus meiner Sicht geht es um Versorgungs-sicherheit und nachhaltige Lösungen. In Linz haben wir mit der Fernwärme, mit der Kraft-Wärme-Kopplung, mit der Nutzung von Biomasse und Reststoff als Energie-träger und mit einem guten Leitungsnetz ein effizientes, hoch verfügbares System.

Als besondere Energiesituation in Linz sehe ich den Status von Linz als Industriestadt. Die im Industriebereich – im speziellen in der voestalpine – eingesetzten und verwendeten Energiemengen übertreffen bei weitem den Bedarf der Stadt selbst. Klar ist auch, dass sich Linz im Stadtgebiet nicht selbst mit erneuerbarer Energie – die immer irgendwo auf Sonne zurück-geht – wie Biomasse, Wind, Photovoltaik, Wasser-kraft versorgen können wird und daher immer Energie antransportieren muss. Ein energie-autarkes Linz ist daher kurzfristig nicht mög-lich. Dem Thema Energieeffizienz – sprich der intelligenten Nutzung bei weniger Verbrauch – kommt daher eine spezielle Bedeutung zu.

SERDAR SARIÇIFTÇIAlternative Energiemodelle

Die Investitionen in Solarenergie sind viel günstiger geworden. Heute gibt es Modelle wie Build Lease Transfer (BLT), nach denen die Stadt Linz ihre Bäder, Schulen, Amtsgebäude und Parkplätze mit Solarpaneelen ausstatten könnte, ohne die Investitionen dafür selber tätigen zu müssen. Die Energie, die diese Solar-paneele erzeugen, würde mit den heutigen Endverbraucher-Preisen abgenommen werden und zur Rückzahlung dienen. Nach etwa zehn bis fünfzehn Jahren – das ergibt sich aus den jeweiligen Standortbedingungen – könnte die Anlage dann vollständig abbezahlt sein, was die zukünftigen Energiekosten dieser Anteile auf fast Null – bis auf die Maintenance Costs – reduzieren würde. Wenn die Stadt die Investitionen selbst trüge, würden diese Wartezeiten selbstverständlich entfallen.

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Dies könnte ein interessantes Modell für unsere LINZ AG sein. Dieses Modell ist für den Weiter-verkauf der gewonnenen Energie zwar nicht rentabel, da die Steuern etc. dazukommen. Aber die Endverbraucherpreise von 19 Eurocent/kWh – soviel zahle ich in etwa persönlich – sind heute vollständig im Bereich des Break-Even-Points. Deswegen ist dieses Modell für alle Energie-verbraucher als Endkunden von Interesse.

Die Umwandlung von Überschussenergie aus erneuerbaren Quellen in chemische Energie sollten wir auch in Linz forcieren. Das würde in etwa so funktionieren, wie wenn man ein Pumpspeicherkraftwerk in der Stadt hätte. Unter bestimmten Bedingungen ist ein solches chemisches Speicherkraft-werk vielleicht heute schon rentabel.

ANDREAS KOLARDiskussions-Ziel

Um das Thema lösungsorientiert und strukturiert diskutieren zu können, ist es mir ein Anliegen, bevor wir in komplexe Lösungsvorschläge wie Smart Grids/Meter, HGÜ Netze, Brennstoffzellentechnologie,

chemische Energiespeicher, Wasserstoff, erneuerbares Methan, solarthermische Kraft-werke etc. eintauchen, unsere gemeinsame Zielsetzung für diese Diskussion festzuhalten:

Ist es Ziel, eine breite Debatte zu dem Thema zu führen oder konkreteren Mehrwert zu schaffen, indem am Ende ein Energiekonzept für die Stadt Linz 2030 und darüber hinaus entstanden ist?

WOLFGANG DOPFZukunftsinvestitionen

Fokus der Energiediskussion muss Linz im regionalen Umfeld und ein Zeithorizont von nicht viel länger als zehn bis fünfzehn Jahre sein. Darüber hinaus ist viel mög-lich, aber eben sehr viel unbekannt.

Die derzeitige Energieinfrastruktur existiert noch mehr als zehn Jahre. Aber worin investieren wir in der Zukunft, beziehungs-weise worin nicht? Will Linz eine eigene Solarstromerzeugung in Südländern haben? Offshore Wind in der Nordsee? Wieviel ist uns Vor-Ort-Erzeugung beziehungsweise Speicherung wert? Wollen wir uns auf Effizienz

„Klar ist, dass sich Linz im Stadtgebiet nicht selbst mit

erneuerbarer Energie wie Biomasse, Wind, Photovoltaik, Wasserkraft

versorgen können wird und immer Energie antransportieren muss.

Energieeffizienz hat daher höchste Bedeutung. Ein energieautarkes

Linz ist kurzfristig nicht möglich.“ WOLFGANG DOPF

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konzentrieren? Die Technologien werden da sein, aber treibt uns die Umweltfreundlich-keit, der Preis und damit die Wettbewerbs-fähigkeit oder die Versorgungssicherheit?

Zur Photovoltaik auf den Linzer Dächern: Machbar wäre es, derzeit ist aber es noch wenig wirtschaftlich, am ehesten noch für den Eigenbedarf. Die LINZ AG hat dazu bereits umfassend Dächer evaluiert. Bei ent-sprechender Förderung wären entsprechende Projekte sofort umsetzbar, zuletzt konnten aber keine Förderverträge lukriert werden. Lang-fristig ist die Wirtschaftlichkeit sicher besser einzuschätzen, trotzdem wird Photovoltaik in Hinblick auf die erforderliche Gesamt-Energiemenge nur ein kleiner Baustein sein.

SERDAR SARIÇIFTÇIWirtschaftlichkeit

Ich möchte meine Bedenken äußern, dass die Versorgungssicherheit von Erdgas weiterhin einfach und kostengünstig gegeben sein wird. In der letzten Zeit haben die Beziehungen der EU zu Russland stark gelitten. Wenn es den Versorgern gelingt, einen eventuellen Total-ausfall von russischem Gas kostengünstig zu substituieren, dann ist es unbedenklich. Aber ich bezweifle dies stark. Es werden im Crash-Fall sicherlich große staatliche Hilfen benötigt werden, um Krisenlösungen installieren zu

können. Solche Krisenlösungen sind meistens absurd teuer, wenn man nicht vorbereitet ist.

Ich möchte aber in einem solchen Fall dieselben Wirtschaftlichkeitskriterien im Spiel sehen.

Es heißt immer: „Solarenergie braucht Sub-ventionen.“ Ja, sicherlich. Aber die anderen Energieformen brauchen oft viel mehr Sub-ventionen, die aber politisch verschwiegen oder absichtlich versteckt werden – man denke nur an Kohlesubventionen und das Euroatomprojekt. Deswegen habe ich ebenso große Abneigung wie Unglauben, wenn Vertreter der Energie-firmen nur der Solarenergie Unwirtschaft-lichkeit ankreiden und die anderen fossilen Energieformen als „versorgungssicher“ oder gar „effizient“ bezeichnen. Hier soll man zumindest in der Diskussionsrunde Wahrheiten ansprechen dürfen. Danach können ja die Energiefirmen weiterhin ihre fossilen Strategien fahren, was sie sowieso tun. In 10 bis 20 Jahren werden wir uns an diese Diskussionen hoffentlich noch erinnern. Danach werden wir oder unsere Kinder hoffentlich die richtigen Entscheidungen treffen.

WOLFGANG DOPFSolarenergie

Es scheint, dass Herr Sarıçiftçi den Eindruck hat, dass ich gegen Solarenergie eingestellt bin. Dem ist nicht so. Nur ist das Potenzial in Linz

„Meine Frage ist, ob man das Kraft-Wärme-Kopplung-System in Linz

mit weiteren Pufferspeichern noch optimieren kann. Das würde den

KWK-Anlagen ermöglichen, sich in der gekoppelten Erzeugung stärker am

Strommarkt zu orientieren.“ANDREAS KOLAR

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edafür limitiert – auch bei Vernachlässigung von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen. Der Solar-kataster der Stadt weist eine brutto-mögliche Photovoltaik-Fläche von 6,9 Millionen Quadrat-metern aus. Dachneigung, Eignungsgrad etc. grob kalkuliert landet man bei ca. 300 MWp – wenn weitgehend alle Dächer zugebaut sind. Das ergibt eine Jahresproduktion von ca. 300.000 MWh. Der Bedarf in Linz liegt aber bei 1.300.000 MWh – ohne Industrie! Daher habe ich auch die Frage gestellt, ob Linz in Photovoltaik-Anlagen außerhalb von Linz beziehungsweise von Österreich investieren soll.

Die Diskussion um Versorgungssicherheit mit Erdgas ist nicht allein für Linz zu sehen – eine Abhängigkeit existiert und wird bleiben. Immer-hin hat jedenfalls im Fernwärmenetz 40 % der Wärme ihren Ursprung weder in Erdgas noch anderen fossilen Energieträgern. Hier liegt auch der Vorteil der Fernwärme – warmes Wasser, erhitzt, womit auch immer – kann die Gebäude beheizen. Waren es früher Kohle und Öl, sind es jetzt Abwärme aus der Stromproduktion (aus Erdgas), Biomasse (auch Solarenergie) und Reststoff. Zukünftig könnte auch hier solare Warmwasser-Energie transportiert werden, entsprechend große Jahresspeicher voraus-gesetzt. Die LINZ AG arbeitet an einem solchen Speicher – vorläufig auf wissenschaftlicher Ebene in Kooperation mit universitären Partnern.

ANDREAS KOLARKraft-Wärme-Kopplung

Die Stadt Linz setzt ja stark auf Versorgung mit Fernwärme, es finden meines Wissens auch weitere Netzverdichtungen statt, sodass davon auszugehen ist, dass diese

Art der Versorgung in den kommenden 10 bis 15 Jahren weiter Priorität hat.

In Österreich ist die Förderung von Strom aus Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die mit kon-ventionellen Brennstoffen betrieben werden, ausgelaufen. Eine Ausnahme stellt die Abgaben-befreiung der reinen Stromerzeugung nach dem österreichischen Erdgasabgabegesetz dar. Nun soll zwar 2015 das KWK-Punktegesetz wirksam werden, die Geltungsdauer ist jedoch auf vier Jahre begrenzt und die Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der KWK-Anlagen sind bei einem derartig niedrigen Strom-preis überschaubar. Meine Frage ist jetzt, ob man das System in Linz mit weiteren Puffer-speichern noch optimieren kann. Das würde den KWK-Anlagen ermöglichen, sich in der gekoppelten Erzeugung stärker am Strommarkt zu orientieren. Gleiches gilt für das Thema Power To Heat, wo der für Stromanwendungen nicht benötigte Überschussstrom aus erneuerbaren Energien den Einsatz von Primärenergieträgern in KWK-Anlagen reduzieren könnte und ein positives Momentum für die CO2-Bilanz hätte.

SERDAR SARIÇIFTÇIErneuerbare Energie

Meiner Meinung nach ist es wichtig, die neuen Strategien der Energieversorgung in der Stadt Linz sowie im Umfeld mehr und mehr auf erneuerbare Energien aufzubauen. Die politische Entscheidung wird sicherlich von Bürgermeister, Stadtsenat und Gemeinderat getroffen, aber in einer solcher Debatte wie dieser kann und soll jeder Teilnehmer seine Meinung äußern. So lauteten auch die Mission und die Einladung dazu. Demnach respektiere

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e ich andere Vorschläge, aber ich stimme nicht überein, dass wir „business as usual“ weiter-machen sollen. Auch die US-amerikanische Version des Schiefergas-Booms stößt sicherlich weder bei mir persönlich noch bei einem Groß-teil der Linzer Bevölkerung auf Akzeptanz.

Solarenergie hat in Linz Potenzial, auch wenn man nur die Dachflächen betrachtet. Warum also nicht eine „1000 Solardächer Aktion“ starten, wie der Einbau von Aufzügen in Altbauten mit Hilfe der Stadt realisiert wurde? Die Energie dieser Dächer soll die LINZ AG im Netz aufnehmen und verteilen. Somit wäre Linz wieder einmal Vorreiter.

Wenn man diese Solaranlagen bei heutigen Energiepreisen mit Preisen für Solarpaneele gegenrechnet, kann ich mir gut vorstellen, dass sie auch fremdfinanziert werden könnten, also der Stadt Linz keine Investitionskosten verursachen. Umgekehrt hätte man nach Abbezahlen der Anlagen mit dem erzeugten Solarstrom nach zehn Jahren eine sehr günstige Energiequelle. Denn bekanntlich schickt Gott keine Rechnung für die Sonne, Putin für seine Gaslieferungen aber schon.

„Meiner Meinung nach ist es wichtig,

die neuen Strategien der

Energieversorgung in der Stadt Linz sowie im Umfeld

mehr und mehr auf erneuerbare

Energien aufzubauen.“

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eKLAUS LUGERFernwärmehauptstadt, erneuerbare Energiekonzepte, Energieeffizienz

Eine nachhaltige, sichere und leistbare Ver-sorgung bildet die Voraussetzung für Stand-ortqualität und Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt. Die Versorgung mit Energie ist jedoch komplexer als es auf den ersten Blick erscheint. Einige Faktoren der Energiepolitik sind nicht beeinflussbar, sie werden von außen diktiert. So wie beispielsweise weltweite Klimaabkommen oder Energiepreise an der Börse. Eine Stadt kann trotzdem im eigenen Bereich Akzente setzen. Vor allem, wenn es darum geht, wie das Gesamtbild einer nachhaltigen Energieversorgung in einer Stadt aussieht und welche zukunftsträchtigen Entwicklungen vorangetrieben werden. Neue Technologien und alternative Energiequellen wie Solarenergie, Wasser- und Windkraft können aufgrund eines begrenzten Raumes nur unter schwierigen Bedingungen beziehungsweise mit kreativen Umsetzungsstrategien verwendet werden. Dennoch sollte man darauf setzen, mit Weitblick zu handeln und eine Pionierrolle ein-zunehmen. Die Definition, Fernwärme in Linz als vorrangiges Heizsystem zu etablieren, stellte eine richtungsweisende Entscheidung dar.

Die Fernwärme der LINZ AG versorgt die LinzerInnen mit sauberer, sicherer und kosten-günstiger Wärme. Als soziale Beheizungsart steht für mich der Ausbau des Fernwärmenetzes an oberster Stelle. In den Ausbau und die Ver-dichtung des Fernwärmenetzes in Linz fließen etwa 2015 rund 12 Millionen €. Somit können 3.000 neue Wohnungen in der Landeshauptstadt an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das Ziel, insgesamt 70.000 Wohnungen mit

Fernwärme zu versorgen, wäre somit erreicht. Als Zukunftsvision über das Jahr 2015 hinaus wäre ein Ausbau auf 90.000 (von insgesamt 108.000) Linzer Wohnungen vorgesehen. Damit gilt Linz auch in Zukunft als „Fernwärme-hauptstadt“ in Österreich. Dieser Erfolg hat aber auch einen Grund: Österreichweit hat Linz dank eines schlüssigen Gesamtkonzepts mit Abstand die niedrigsten Fernwärmepreise.

Im Dezember 2005 nahm Linz als erste Landes-hauptstadt in Österreich ein Biomasseheizkraft-werk in Betrieb. Aus naturbelassenen Brenn-stoffen gewinnen wir Strom und Fernwärme. Linz war damit die erste Landeshauptstadt, die Strom und Fernwärme aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugte und leistet damit auch einen wichtigen Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen. Ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Sicherung und zur Vollver-sorgung war der Ausbau des bestehenden Gas- und Dampfturbinenkraftwerks Linz-Mitte.

Mit der Errichtung des Reststoff-Heizkraftwerks setzt die LINZ AG einen weiteren Meilenstein für eine nachhaltige Energieversorgung sowie für eine kostengünstige und umweltfreund-liche Abfallwirtschaft. Das Reststoff-Heizkraft-werk ermöglicht wesentliche Synergien bei der Abfall- und Abwasserentsorgung sowie bei der Fernwärme- und Stromerzeugung. Es ergänzt die bereits realisierten Innovationen wie Bio-masse-Kraftwerk oder die neue Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung im Fernheizkraftwerk Linz-Mitte. Diese Investition zeigt, dass Linz nachdrücklich auf umweltfreundliche Techno-logien setzt. Perspektivisch werden wir darauf bauen, erneuerbare Energiekonzepte umzu-setzen. Die im Dialog mehrfach angesprochene

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Solarenergie stellt meines Erachtens für Linz ein Potenzial dar. Vor allem die Nutzung von Dächern und Fassaden für diese Art der Energieerzeugung und auch die bereits von der LINZ AG durchgeführten umfassenden Evaluierungen zeigen, dass der Weg umwelt-freundlicher Energieerzeugung auch in Linz bereits in den Köpfen verankert ist.

Bei den Diskussionen über unterschiedliche Formen der Energieerzeugung sollten wir uns darüber Gedanken machen, energieeffizienter zu leben. Steigender Energiebedarf und höhere Energiekosten erfordern von Unternehmen wie von Privathaushalten einen besseren Über-blick über den Energieverbrauch sowie einen schonenden Umgang mit Ressourcen. Oft ver-ursachen versteckte Energiefresser unnötige Kosten. Vielfältige Einsparpotenziale sind vorhanden, meist sind sie aber nicht auf Anhieb sichtbar oder bewertbar. EnergienutzerInnen sollten aus meiner Sicht angeregt und unter-stützt werden, ihr Handeln und ihren Energie-verbrauch zu optimieren. Web-Technologien und Smartphones ermöglichen individuelle Energie-information auf verständliche Art und setzen so Anreize zum Energiesparen im Haushalt.

„Linz kann sich mit diesem hohen Versorgungsgrad bereits jetzt mit Recht

als ‚Fernwärmehauptstadt‘ bezeichnen. In Zukunft liegt unser Augenmerk auf

Energieeffizienz und Erzeugung von Solarenergie.“

KLAUS LUGER

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VISIONEN FÜR LINZ

Solarenergieerzeugung auf Dächern und Fassaden

Kontinuierlicher Ausbau des Fernwärmenetzes

Aufbau von Web-Applikationen

zur persönlichen Energieverbrauchs-

gestaltung

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DR. HEINZ BROCK, MBA, MPHMedizinischer Direktor und Geschäftsführer des Allgemeinen Krankenhauses LinzDesignierter medizinischer Geschäftsleiter der Kepler Universitätsklinikum GmbH

• Studium der Medizin in Innsbruck• Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin• Leitender Oberarzt der Operativen Intensivstationen

des AKh Linz

Experte für Krankenhausmanagement und Gesundheitswirtschaft

DR. HARALD SCHÖFFLFacharzt für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Spezialist für Handchirurgie, Geschäftsführer BioMed-zet Life Science GmbH

• Studium der Medizin in Wien und Innsbruck• Oberarzt an der Unfallchirurgie des AKh Linz,

Leiter der Handambulanz• Gründer des maz – Mikrochirurgisches

Ausbildungs- und Forschungszentrums und Vorsitzender der Geschäftsführung der Biomed-zet Life Science GmbH

Experte für Handchirurgie und gemeinnütziges medizinisches Forschungsmanagement

MAG.A DR.IN ANDREA WESENAUERDirektorin der Oberösterreichischen GebietskrankenkasseUniversitätsrätin an der Johannes Kepler Universität LinzObfrau der österreichischen Gesellschaft für Care- und Casemanagement

• Studium der Betriebswirtschaftslehre in Linz und Gruppendynamik und Organisationsentwicklung in Klagenfurt

• Ressortdirektorin für Kundenservice und medizinische Einrichtungen der OÖGKK

• Managerin der Controllingruppe der österreichischen Sozialversicherung

Expertin für Controlling, Innovationsmanagement, Systemsteuerung, Balanced Score Card und soziale Verteilungsgerechtigkeit von Gesundheitsleistungen

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GESUNDHEITLinz bekommt eine Medizin-Uni.

Zur Krönung ihres guten Gesundheitssystems werden in der

Stadt nun auch Oberösterreichs ÄrztInnen der Zukunft ausgebildet.

Mehr StudentInnen, bessere MedizinerInnen, optimale Synergien und vor allem viele

Kooperationschancen in der medizinischen Forschung und Technik sind Versprechen, für

die die Stadt in Kauf nimmt, nicht mehr alleinige Eigentümerin des AKh zu sein. Linz macht

einen weiteren Schritt in der Entwicklung des universitären Ausbildungsangebots.

Und einen Riesensprung bei den Bemühungen, die Standortregion soweit aufzuwerten, dass sie den Herausforderungen der Zukunft begegnen kann.

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e HARALD SCHÖFFLUniversitätsklinikum

Aus meiner Sicht – der eines Krankenhaus-arztes – ist das Thema „Schaffung der Uni-versitätskrankenanstalt“ wohl eines der brennendsten Themen im städtischen Gesund-heitskontext. Wie gelingt es uns, die hohe Versorgungsqualität des AKH Linz, die hohe Effizienz – im Vergleich zu anderen Kliniken dieser Größe – bei gleichzeitiger Übernahme neuer Aufgaben wie Forschung und Lehre auf-recht zu erhalten? Wie schaffen wir, die ärzt-lichen und nicht-ärztlichen MitarbeiterInnen bei diesem Projekt an Bord zu holen und an Bord zu halten? Wie schaffen wir einen Mehrwert, wie heben wir Synergien und wie gehen wir mit den Ängsten um?

Ich halte die intensive, positive und zukunfts-orientierte Einbindung des ärztlichen Mittelbaus für ganz entscheidend für den Erfolg dieses wahrscheinlich bedeutendsten medizinischen Schritts der Weiterentwicklung des Standortes Linz. Unsere Stadt ist ein technologielastiger universitärer Standort, daher werden viele Synergien mit technischen Instituten der JKU zu heben sein (Stichwort: Medical Valley).

Wir sollten auch über die Verflachung von Hierarchien nachdenken: Primarius/Ordinarius als Klinikgötter versus Consultant Team. Die Durchlässigkeit zwischen interner und externer Tätigkeit müsste größer werden. Hier sehe ich ein großes Potential zur Motivierung von angestellten FachärztInnen. Ebenso muss es gelingen, eine Durch-lässigkeit zwischen akademischer Tätig-keit, Klinik-Lehre-Forschung und ärztlicher

Versorgungstätigkeit zu schaffen. Nur wenn die positiven Perspektiven überwiegen, wird die große Gruppe der versorgungswirksamen ÄrztInnen diese große Chance erkennen und nicht die Flucht in die gelobte Praxis anstreben.

ANDREA WESENAUERChancen der Medizin-Fakultät

In meiner Funktion bin ich letztendlich für die Gesundheitsversorgung von 1,2 Millionen Menschen verantwortlich. Aus diesem Blick-winkel ist das Thema Medizin-Fakultät für mich ein sehr zentrales, mit folgenden Chancen:

1. Die Neuausrichtung der MedizinerInnen-Ausbildung, um den inhaltlichen Bedarf der Zukunft und auch jene Themengebiete abzu-decken, die derzeit zu wenig oder gar keine Berücksichtigung finden (vor allem Alters-medizin, Versorgungsforschung, Public Health).

2. Es wird dadurch möglich, sowohl inhaltlich als auch mengenmäßig jene MedizinerInnen auszubilden, die nötig sind, um den Bedarf der Zukunft in Oberösterreich zu decken.

3. Im Zusammenwirken mit der OÖGKK als zentrale Gesundheitsversorgerin (80 % der oberösterreichischen Bevölkerung sind hier versichert) und den übrigen Finanziers kann mit diesen ÄrztInnen eine zukunfts-weisende Versorgung in Oberösterreich sichergestellt werden, welche nicht nur Rück-sicht auf Gesundheitsförderung und Prä-vention in der nötigen Weise nimmt, sondern auch strukturierte Betreuungsprogramme, interdisziplinäre Zusammenarbeit und der-gleichen im nötigen Umfang ermöglicht.

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Letztendlich wird dadurch ein mehrfacher Nutzen gehoben:• nach dem Stand der Wissenschaft ausgebildete

MedizinerInnen• eine weitere Verbesserung der Gesundheitsver-

sorgung in Oberösterreich mit noch besseren Outcomes = mehr Gesundheit = mehr Lebens-qualität für die Menschen

• das bedeutet in letzter Auswirkung auch entsprechende „Humanressourcen“ = nach-haltige Absicherung des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich

Zusätzlich können sich große Chancen für die JKU ergeben. Das Thema Medizin in Verbindung mit den übrigen Fakultäten – Sozial- und Wirt-schaftswissenschaften, Jus und Technik – birgt großes Potenzial in allen Bereichen. Eine schwer-punktmäßige Vernetzung in diesem Bereich gibt es im deutschsprachigen Bereich nirgends, was bedeutet, dass eine Differenzierung zu bestehenden Standorten in Österreich möglich wird und dass die strategische Positionierung auch internationale Chancen bieten könnte.

HEINZ BROCKSoziale Gesundheitsversorgung

Das Thema Medizinische Fakultät und Uni-versitätsklinikum ist derzeit natürlich das dominante, und nicht wenige von uns werden davon neben ihren beruflichen Aufgaben erheb-lich in Anspruch genommen. Es ist ja auch ein herausforderndes und chancenreiches

Projekt mit sehr großem Veränderungs-potenzial für die Stadt Linz, die Universität und die Krankenhäuser in Linz und Ober-österreich. Welche Auswirkungen dieses Projekt auf die Gesundheitsversorgung oder letztlich auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung haben wird, ist aber noch keines-wegs klar. Ausbildung, Forschung, Vernetzung und die definierten inhaltlichen Schwer-punkte sind gute und richtige Konzepte – ob sie die gewünschten Effekte zeigen, wird sich erst in vielen Jahren beweisen lassen.

Eine andere Frage von hoher Aktualität betrifft die Aufrechterhaltung des sozialen Charakters und der Niederschwelligkeit unserer Gesundheitsversorgung. Gerade in Linz haben wir diesbezüglich ein soziales Vorzeige-Modell. Die öffentliche Gesund-heitsversorgung ist bestens ausgestattet und qualitativ auf höchstem Level. Durch eine tendenziell zunehmende Privatisierung der Gesundheits-Dienstleistungs-Anbieter könnte dieses Modell gefährdet werden. Welche Ideen gibt es, diesem Trend entgegenzuwirken?

HARALD SCHÖFFLPrivate vs. öffentliche Medizinleistungen

Zusammenfassend zur Medizin-Fakultät möchte ich festhalten – und dies deckt sich mit meiner persönlichen Wahrnehmung: Das Führungspersonal sieht überwiegend Chancen, Möglichkeiten und Potenzial. Die

„Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist bestens ausgestattet und qualitativ

auf höchstem Level. Durch eine tendenziell zunehmende Privatisierung

der Gesundheits-Dienstleistungs-Anbieter könnte dieses Modell

gefährdet werden.“HEINZ BROCK

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e MitarbeiterInnen – ärztliche wie nicht-ärzt-liche – fühlen sich unwohl, scheuen die Ver-änderung und fürchten die Gefahren. Vor allem überwiegt die Angst vor weiterer Zunahme der Aufgaben bei sinkenden Einkommen.

Ich gebe Heinz Brock völlig recht: Unser Gesund-heitswesen ist absolut niederschwellig und gerade in Linz sehr gut aufgestellt, dies wird jedoch nicht immer so vermittelt oder so wahr-genommen. Gerade die zunehmenden privaten Anbieter medizinischer Leistung vermitteln oft – etwa über bezahlte Gesundheitsbeilagen in den Medien – das Gefühl, dass das öffentliche Gesundheitswesen nicht die „besten Verfahren“ bieten würde, sondern diese eben privat bezahlt werden müssen oder nur von „besonderen Spezialisten“ – die scheinbar über geheimes Wissen verfügen – gegen Bares erbracht werden.

Ich halte die finanz-getriggerte Indikations-stellung zu Eingriffen/medizinischen Hand-lungen aber für höchst problematisch, und hier fehlen auch Regulationsmechanismen und Rückkopplungs-Schleifen, da sie eben von mehr oder weniger begabten Marketing-leuten als Einzelpersonen erbracht werden. Wie gelingt es uns, das absolute Topniveau, das unser öffentliches Gesundheitswesen bietet, auch als solches eindeutig zu positionieren?

Die Kammer wird das zwar anders sehen, aber ich denke, dass das Einzel-kämpfertum ein Auslaufmodell ist.

HEINZ BROCKUmbrüche und Herausforderungen

In den vergangenen Monaten sind im öster-reichischen Gesundheitssystem entscheidende Weichenstellungen passiert, welche unmittel-bare Auswirkungen auf die Gesundheitsver-sorgung der Linzer Bevölkerung haben werden.

Erstens hat die bereits erwähnte Medizinische Fakultät in Linz inzwischen deutliche Gestalt angenommen und eröffnet hinsichtlich Aus-bildung und Wissenschaft neue Perspektiven für die Stadt und die Region. Die Vision der JKU, mit innovativen Inhalten des Curriculums Ärztinnen und Ärzte „Linzer Prägung“ heran-zubilden, die auf die Bedürfnisse unserer Bevölkerung zeitgemäß vorbereitet sind, könnte zum Alleinstellungsmerkmal der Linzer Uni-versität werden und den aufgeschlossenen Charakter dieser Stadt widerspiegeln. In jedem Fall ist aber ein kräftiger Impuls für die Forschung und in weiterer Folge auch für die Wirtschaft am Standort zu erwarten, wenn der Aufbau der Medizinischen Fakultät plan-mäßig erfolgen und das Universitätsklinikum die gesetzten Erwartungen erfüllen kann.

Der Erfolg der Jahrhundert-Projekte Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum ist aber keineswegs mühelos zu erreichen oder mit risikofreier Garantie ausgestattet. Die zweite wesentliche Entwicklung im österreichischen Gesundheitswesen spielt sich nämlich mit derzeit zunehmender Dramatik im Personal-sektor ab. Speziell bei Ärzten spitzt sich der Nachwuchsmangel zu und droht sich auf die Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität auszuwirken. Die im letzten Jahrzehnt realisierte

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Reduktion der Studienplätze an den Medizinuni-versitäten und die gleichzeitige Verringerung der Ärzte-Arbeitszeiten in den Spitälern sind für den derzeitigen Personalmangel hauptsäch-lich verantwortlich. Die neuen Aufgaben und Anforderungen der Forschung und Lehre in der Fakultät und im Klinikum werden aber nur mit zusätzlichem Personal zu bewältigen sein. Der Wettbewerb um die qualifizierten Mitarbeiter wird letztlich zum entscheidenden Erfolgs-faktor der neuen medizinischen Versorgungs-struktur in Linz werden. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes und die gebotenen beruflichen Perspektiven werden wohl die wichtigsten Argumente in diesem Wettbewerb sein.

Als dritte immer stärker wahrnehmbare Ent-wicklung im Gesundheitswesen Österreichs sehe ich die wachsende Unzufriedenheit der Ärzteschaft mit ihrer beruflichen und sozialen Situation. Für viele andere Gesellschafts-gruppen unverständlich, wähnt sich der Ärzte-stand nicht ausreichend wertgeschätzt und honoriert. Die noch immer gegebene soziale Spitzenposition droht verlustig zu gehen und dies hauptsächlich durch leistungsbedingte Einkommensreduktionen und regulatorisch

erzwungenen Einbußen der Autonomie. Mit der nachvollziehbaren Forderung der „Generation Y“ nach einer anderen, Berufsgruppen vergleich-baren Work-Life-Balance schwindet allerdings auch das Anrecht der Ärzteschaft auf ihre traditionelle soziale Sonderstellung. Die Forderungen der Interessensvertretung nach einer weit überproportionalen Anhebung der Gehälter müssen bei deren Befriedigung zwangs-weise in gesellschaftliche Konflikte und Ent-solidarisierung münden. Das aktuelle Dilemma, in welchem das Gesundheitswesen gefangen ist, kann vereinfacht so beschrieben werden:Setzt die Interessensvertretung des Ärzte-standes aufgrund ihrer starken Verhandlungs-position die Forderungen nach gravierenden Lohnerhöhungen durch, werden andere Berufs-gruppen des Gesundheitssystems, beispiels-weise die Pflege, aber auch Berufsgruppen anderer Branchen ebenfalls zu Kampfmaß-nahmen greifen. Werden die Erwartungen der Ärzteschaft hingegen nicht in zuträglichem Maße erfüllt und nimmt die Unzufriedenheit der ärztlichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiter zu, werden diese vermehrt in privatwirtschaftliche Anbieterstrukturen aus-weichen und somit den Weg zu einer echten Zweiklassenmedizin unumkehrbar machen. Szenarien wie die eben aufgezeigten gefährden die qualitativ erstklassige und sozial faire Gesundheitsversorgung der Stadt Linz akut.

Trotz dieser geschilderten Umbrüche und Herausforderungen, mit welchen sich das Gesundheitssystem derzeit und in nächster Zukunft konfrontiert sieht, gibt es ausreichend Potenziale in der Stadt Linz, diese anstehenden Probleme besser als andere Kommunen zu meistern. Die Chancen, den Standort attraktiv

„Wir wollen einen weiterhin

niederschwelligen Zugang zum

Gesundheitswesen mit hoher

Versorgungs-qualität.“

HARALD SCHÖFFL

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e aufzuwerten, welche sich durch die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum auf-tun, können kreativ und produktiv genutzt werden, wenn das soziale Klima intakt bleibt. Der solidarische und maßvolle Blick auf das Umfeld darf bei künftigen Einkommens-debatten dabei nicht verloren gehen.

Zusätzlich wird eine Umverteilung der Ver-sorgungsaufgaben auf nicht-ärztliche Berufs-gruppen dringend geboten sein. Letzteres könnte im Einflussbereich der Stadt Linz beispielgebend für andere Städte konkret umgesetzt werden.

HARALD SCHÖFFLVeränderungen

Zusammenfassend möchte ich die zur-zeit wichtigsten Themenfelder der Medizinischen Versorgung skizzieren:

Wir wollen einen weiterhin niederschwelligen Zugang zum Gesundheitswesen mit hoher Versorgungsqualität. Gleichzeitig fehlt es an ärztlichem Nachwuchs, da einerseits die AbsolventInnenzahlen zu niedrig sind und andererseits junge KollegInnen ins besser bezahlte Ausland wechseln. Derzeit fehlen in Österreichs Spitälern so viele ÄrztInnen, dass diese offenen Stellen durch AbsolventInnen nicht besetzbar sind. Gleichzeitig ist der Unmut der angestellten ÄrztInnen so groß wie schon sehr lange nicht mehr. Appelle an Solidarität, Loyalität und soziale Verantwortung werden nicht ausreichen, um das Stimmungstief zu über-winden, denn zu lange haben alle Träger sich mit Wertschätzung zu sehr zurückgehalten. Das versorgungswirksame Rückgrat der Spitäler sind die angestellten Fach- und OberärztInnen und

die gilt es wieder ins Boot zu holen. Dabei sind adäquate und faire Besoldungsschemata genauso wichtig wie die Verflachung von Hierarchien und die Schaffung von Verteilungsgerechtigkeit.

Auch ein Umbau der medizinischen Landschaft wird wohl in den nächsten Jahren notwendig sein. Periphere Facharztzentren mit Tagesklinik könnten die Basisversorgung in vielen Bereichen effizienter abdecken als ein Krankenhaus mit inkompletter Fachbereichsstruktur. Die Umver-teilung von Versorgungs- und Verwaltungsauf-gaben auf nichtärztliche Berufsgruppen ist eine weitere Möglichkeit der Effizienzsteigerung und Optimierung von Versorgungsstrukturen.

Ein wesentlicher Beitrag zur Optimierung hierarchischer Strukturen wäre die regel-mäßige Evaluierung der Leitungspositionen in Spitälern. Während sich in Wirtschafts-unternehmen die Führungskräfte – vom Vorstand über die Geschäftsführung bis zu den AbteilungsleiterInnen – regel-mäßigen Überprüfungen stellen müssen, gilt in der Medizin: einmal Primar, immer Primar – bis auf krasse Einzelfälle.

Die Zunahme von psychischen Belastungs-erkrankungen als gesellschaftliches Phänomen zeigt auch im medizinischen Bereich, dass wir Handlungsbedarf haben und in einem intensiven interdisziplinären Dialog an Konzepten für die Zukunft arbeiten müssen. Dieser Dialog darf aber nicht von Einzelinteressen getrieben sein, sondern muss auf eine ausgewogene und faire Auseinandersetzung mit den multifaktoriellen Ursachen der Probleme eingehen. In diesem Sinne wünsche ich mir viele Veränderungen, die auf Fairness und Wertschätzung beruhen.

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ANDREA WESENAUERGanzheitliche Gesundheitsversorgung

Eine Lebensstadt Linz ist undenkbar ohne Gesundheit. Aber wie ermöglichen wir den Menschen mehr Gesundheit – wo wird Gesund-heit also „produziert“, und was sind die Faktoren, die unsere Gesundheit schwächen? Die Wissenschaft sagt uns, dass es vor allem die Lebensumstände sind – also Arbeit, Wohnen, Bildung, sozialer Status und so weiter –, die wesentlich unsere Chancen auf ein langes, gesundes Leben beeinflussen.

Spätestens hier wird klar, dass die oft zu beobachtende Gleichsetzung von „Gesund-heit“ und „Gesundheitssystem“ zu kurz greift oder gar am Thema vorbeigeht. Die medizinische und pflegerische Versorgung von kranken Menschen – aller kranken Menschen! – ist eine der wichtigsten Aufgaben in einer solidarischen Gesellschaft, und auch die beste Prävention kann diese Versorgung nicht überflüssig machen. Der Anteil des

Krankenversorgungssystems an der Ver-besserung der Gesundheit der Gesamtbevölkerung wird aber meist weit über-schätzt. Wissenschaftliche Schätzungen gehen für die reichen Länder von einem Einfluss der Medizin von lediglich 10 bis 30 % aus.

Die finnische EU-Ratspräsidentschaft 2006 stand daher unter dem Motto: „health in all policies“ – also dem Gedanken, dass alle Politik-felder dazu beitragen können und müssen, die Gesundheit der Menschen zu stärken: Von der Ernährungs- über die Wohnbau- und Sozial- bis zur Verkehrspolitik. Eine Stadtpolitik, die sich wie in Linz zentral an der Lebensqualität in einem urbanen Umfeld orientiert, steht dieser „health in all policies“ Philosophie sehr nahe.Im Gesundheitssystem selbst stehen in Öster-reich große Herausforderungen und wohl auch Umbrüche bevor. Dabei kommt der Ausbildung der Gesundheitsberufe und hier besonders der Ärztinnen und Ärzte der Zukunft natürlich eine Schlüsselrolle zu. Österreich verfügt über eine der weltweit höchsten Ärztedichten – aber wir

„‚Health in all policies‘ meint, dass alle Politikfelder dazu beitragen

können und müssen, die Gesundheit der Menschen zu stärken. Von der

Ernährungs- über die Wohnbau- und Sozial- bis zur Verkehrspolitik. Eine Stadtpolitik wie in Linz steht dieser

Philosophie sehr nahe.“ANDREA WESENAUER

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e haben auch ein Versorgungssystem, das extrem viele Ärzte benötigt, vor allem im Spitalssektor. In der Primärversorgung fehlt es teilweise an wirksamen Versorgungsprogrammen für die großen Volkskrankheiten, da Verbindlichkeit, etwa konkrete Versorgungsaufträge, dem öster-reichischen Versorgungssystem ebenso fremd sind wie definierte Leitlinien für Patienten.

Primary Health Care – also eine über die Primär-versorgung hinausgehende Gesundheitsver-sorgung, die auch die Laienmedizin, die Unter-stützung der familiären Gesundheitsversorgung von Kindern oder auch chronisch Kranken zu Hause sowie die Gesundheitsförderung umfasst, ist in Österreich ebenso bisher nur in Konzepten vorhanden. All das erfordert nicht nur ein neues ärztliches Berufsbild, sondern auch andere Ausbildungskonzepte. Während heute die Ausbildung vor allem am „intensiv-medizinischen“ Ende der Skala orientiert ist, brauchen wir in Zukunft Ärztinnen und Ärzte, die im Team und auf Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen vor allem in der Primärver-sorgung wirksam werden. Und: Wir werden wohl in Zukunft mit etwas weniger Ärztinnen und Ärzten auskommen müssen als heute – womit wir immer noch weit jenseits aller internationalen Schnitte liegen werden, aber dennoch nicht ohne substanzielle Veränderungen an Versorgungs-prozessen und Strukturen auskommen werden.

Linz hat sich als vierter öffentlicher Studien-standort Österreichs in diesem Zusammenhang hervorragend positioniert. Anstelle „mehr vom Gleichen“ entsteht hier ein Ausbildungskonzept, das sich vor allem an den Bedürfnissen der PatientInnen orientiert und dabei die jungen MedizinerInnen für ihre immer komplexeren

Aufgaben – etwa in der Kommunikation mit den PatientInnen oder in der Zusammenarbeit mit anderen BehandlerInnen – optimal vor-bereitet. Ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin, für Versorgungsforschung, die wegweisende Kooperation mit den anderen Fakultäten etwa im Bereich der Gesundheitssoziologie und -ökonomie oder mathematischer Grundlagen-forschung für modernste bildgebende Diagnostik sind klare Zeichen eines modernen, vernetzten und ganzheitlichen Verständnisses von Gesund-heitsversorgung. Auch als OÖGKK können wir viel in die Kooperation mit der neuen Fakultät und der Universitätsklinik einbringen, sei es als wesentliche „Arbeitgeberin“ für nieder-gelassene ÄrztInnen, als Lieferantin wert-voller Daten und Analysen für die Forschung, etwa über die Wirksamkeit von Versorgung bis hin zum gesundheitsökonomischen und Gesundheitsförderungs-Know-how.

Im Projekt der Medizinfakultät Linz greifen also ganz wesentliche Gedanken der aktuellen Gesundheitsreform nahtlos ineinander.

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eKLAUS LUGERGesundheitsförderung, Prävention und Spitzenmedizin

Gesundheit zählt zu den wichtigsten Grund-bedürfnissen der Menschen. Das Credo „Gesund-heit für alle“ steht für mich im Mittelpunkt. Mit großem Engagement setzt sich die Stadt für die Verbesserung des Gesundheitswesens in Linz ein. Dabei wird großes Augenmerk auf eine moderne Infrastruktur und ein dichtes Netz an Präventionsangeboten gelegt. Wir erfüllen als zentrales Kompetenzzentrum für Gesundheit eine tragende Rolle bei der Ver-sorgung der oberösterreichischen Bevölkerung. Neben dem AKh Linz als medizinisches Exzellenzzentrum und zentraler Kranken-anstalt der künftigen Universitätsklinik sorgt ein umfassendes Gesundheitsnetzwerk mit zahlreichen Institutionen, Organisationen und Vereinen für ein seriöses Fundament einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsver-sorgung. Gemeinsam mit anderen TrägerInnen des Gesundheitswesens bildet Linz das kommunale Netzwerk „Gesunde Stadt“. Seit 1991 zählt unsere Stadt zu den Gründungsmit-gliedern dieses Netzwerkes und setzt in diesem Rahmen zahlreiche Förderungsaktivitäten.

Orientierungspunkte der Linzer Gesund-heitspolitik sind die im Jahr 2012 vom Linzer Gemeinderat beschlossenen zehn Gesund-heitsziele. Ausgearbeitet wurde das Konzept in Kooperation mit dem Institut für Gesund-heitsplanung, der Gebietskrankenkasse, der Ärztekammer sowie dem Land Oberösterreich.

Linz bietet in der schulischen Gesundheits-förderung ein breites und auf unterschiedliche Altersklassen abgestimmtes Informations- und Beratungsangebot, zum Beispiel die Projekte „Gesunde Schuljause“, „Gesunde Bewegung“, „Fit im Schulalltag“. Derzeit sind in Linz acht Schulen mit dem Zertifikat „Gesunde Schule“ aus-gezeichnet. Ziel ist es, diese Zahl bis zum Jahr 2020 auf mindestens 30 Linzer Schulen, das entspricht 20 %, auszuweiten. Die Ernährungs-situation in den ersten Lebensjahren wirkt sich ebenso auf die Gesundheit des gesamten späteren Lebens aus. Junge Eltern erhalten in 14 städtischen Eltern-Mutterberatungs-Stellen zum Thema Ernährung professionelle Unter-stützung. Jährlich finden 14.700 Beratungen statt. Hohe Qualitätsstandards für ein aus-gewogenes und gesundes Mittagessen setzt die Stadt Linz in ihren Krabbelstuben und Kindergärten um. In den nächsten Jahren soll das bedarfsgerechte Informationsan-gebot für Eltern weiter ausgebaut werden.

Die Stadt Linz setzt eine Reihe von Anreizen, die zur Steigerung der körperlichen Aktivi-täten von Jugendlichen führen sollen. Einer-seits bietet Linz wie kaum eine andere Landes-hauptstadt mit ihren zahlreichen Sport- und Freizeitflächen eine vielfältige Infrastruktur für Bewegung. Andererseits geht die Stadt mit pädagogischen Projekten wie „Bewegungsdino“ oder „Fit im Schulalltag“ aktiv auf Kinder und Jugendliche zu. Seit 2012 laufen auch mehrere Kooperationsprojekte zwischen Sportvereinen und Schulen. Ziel der Stadt Linz ist es, den Anteil der 11-19-Jährigen, die einmal täglich eine Stunde sportlich aktiv sind, auf mindestens 25 % zu heben. Die „tägliche Bewegungsstunde“ im Regelunterricht wird dieses Ziel unterstützen.

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Die Stadt Linz fördert die zahlreichen Aktivi-täten des Instituts für Suchtprävention und von Vereinen, die in diesem Bereich aktiv sind. Derzeit sind in Linz ca. 1.000 MultiplikatorInnen zur Suchtprävention aktiv, die jährlich 31.000 Personen mit Aktivitäten, wie Work-shops in Schulen oder Impulsvorträgen erreichen. Bis 2020 soll die Anzahl der erreichten LinzerInnen auf 40.000 erhöht werden. Besonders sollen alkoholgefährdete Jugendliche angesprochen werden.

Die gestiegenen Anforderungen im beruf-lichen und privaten Alltag der Menschen erfordern ein stabiles psychisches Fundament, das bereits in jungen Jahren gelegt wird. Das Bündnis für psychische Gesundheit (EXIT-sozial, Landesnervenklinik Wagner-Jauregg, Notfallseelsorge, Telefonseelsorge, pro mente, pro homine, Rotes Kreuz) arbeitet derzeit an Modellprojekten und Umsetzungsstrategien.

Ziel bis zum Jahr 2020 ist die Umsetzung und Evaluierung zielgruppengerechter Projekte. Effiziente Lösungen erfordern das Zusammenspiel vieler AkteurInnen unter-schiedlicher Disziplinen (Medizin, Sozio-logie, Trägerorganisationen). Ziel sollte es sein, die bestehenden Vernetzungen konzentrierter für themenorientierte Lösungsansätze zu nutzen. Bis 2020 sollen spezielle Pilotprojekte umgesetzt werden.

Mehr als 200.000 PatientInnen werden pro Jahr in den Linzer Krankenhäusern von mehr als 1.500 ÄrztInnen behandelt. 6 von 10 stationären PatientInnen in den Linzer Spitälern kommen

aus dem restlichen Oberösterreich oder anderen Bundesländern. Durch die neue Medizinische Fakultät wird die Zahl der ÄrztInnen in der Uni-versitätsklinik um rund 160 steigen. Die neue Universitätsklinik – bestehend aus dem AKh Linz, der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg sowie der Landes-Frauen- und Kinderklinik Linz – wird künftig nicht nur zur zentralen Drehschreibe für Spitzenmedizin in Ober-österreich, sondern bringt zudem eine Auf-wertung der Fachhochschul-Studiengänge für Sozial- und Gesundheitsberufe sowie der Medizintechnik. Seit Herbst 2010 sorgt die Fachhochschule für Gesundheitsberufe – eine Kooperation zwischen der OÖ. Spitalsholding „gespag“, dem AKh Linz sowie den OÖ. Ordens-spitälern – für eine Bündelung und Vertiefung der Kompetenzen. So entstehen neue Chancen und Potenziale sowie eine wertvolle Ergänzung zu den geplanten Schwerpunkten „Klinische Altersforschung“ und „Versorgungsforschung“ im neuen Medizin-Studium. Der AKh-Campus in Linz ist dabei zentraler Standort für vier der sieben Bachelor-Studiengänge: Biomedizinische Analytik, Logopädie, Physiotherapie und Radio-logietechnologie. Die künftige Universitäts-klinik als das neue medizinische Kompetenz-zentrum Oberösterreichs bündelt nicht nur Wissenschaft, Ausbildung und Praxis, sondern leistet darüber hinaus einen wesentlichen Bei-trag zur Spitzenmedizin in Oberösterreich.

Das städtische Krankenhaus liefert in vielen Bereichen medizinische Exzellenz und sorgt so für einen Zugang zu spitzenmedizinischen Leistungen für die Bevölkerung von Linz und ganz Oberösterreich. In einem aktuellen

„Der Zugang zur Spitzenmedizin für die gesamte Bevölkerung wird durch die

Kepler Universitätsklinik nochmals verbessert. Wir sollten uns zudem ganz

besonders der Vorbeugung widmen.“KLAUS LUGER

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VISIONEN FÜR LINZ

Stärkere Vernetzung der bestehenden

Gesundheitsinstitutionen

Aufbau des Kepler Universitäts-

Klinikums zum Exzellenz-Krankenhaus

Verstärkte Gesundheitsprävention

im Kindesalter

Ranking, das auf einer österreichweiten Befragung von 500 ÄrztInnen beruht, liegt das AKh Linz in der Kardiologie/Herz-Chirurgie und Augenheilkunde auf dem 1. Platz. Mit dem größten „Notfallsystem aus einer Hand“ (ärztliche Leitung für 4 Notfalleinsatzfahr-zeuge) in ganz Oberösterreich besitzt das AKh Linz ein weiteres Alleinstellungsmerkmal in der heimischen Krankenhauslandschaft. Auch andere Auszeichnungen erhielt das AKh Linz in den letzten Jahren mehrfach für seine hervorragenden Leistungen. Darunter fallen beispielsweise ISO-Zertifizierungen des Qualitätsmanagements, eine Auszeichnung als „patientenfreundlichstes Krankenhaus“ sowie ausgezeichnete Bewertungen durch die „Gastromed“ und „Quality Austria“ für die Krankenhausküche. Eine wichtige Neuerung im Kontakt zwischen ÄrztInnen und PatientInnen bildet der seit 2013 im AKh Linz verfügbare Video-Dolmetschdienst. Damit erhöht sich die Behandlungsqualität für PatientInnen mit nicht-deutscher Muttersprache deutlich.

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DR.IN CHARLOTTE HERMANPräsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Linz (IKG)

• Zahnmedizinstudium abgeschlossen 1985 in Tel Aviv

• 1992 Vorstandsmitglied der IKG Linz• April 2013 Präsidentin der IKG Linz

Expertin für Judentum im traditionellen Bereich

UNIV.­PROF. MAG. DR. MEINHARD LUKASDekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz

• Studium der Rechtswissenschaften in Linz und der Betriebswirtschaftslehre in Wien

• Universitätsprofessor für Zivilrecht in Salzburg und Linz

• Leiter der Abteilung für Grundlagenforschung an der Johannes Kepler Universität

Experte für Vertrags-, Leistungsstörungs- und Schadenersatzrecht sowie internationales Wirtschaftsrecht

PETER BINDERLandesparteigeschäftsführer der SPÖ Oberösterreich

• Studium der Politischen Kommunikation in Krems

• Mediensprecher und Büroleiter von Landeshauptmann-Stv. Josef Ackerl

• Mediensprecher von Bürgermeister Klaus Luger

Experte für Kommunikation und Öff entlichkeitsarbeit

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PARTIZIPATION UND

DEMOKRATIELinz macht mit.

Mit dem Selbstbewusstsein der BürgerInnen steigt das Interesse,

an der Gestaltung von Umfeld und Zusammenleben mitzuwirken.

Bürgermitbestimmung und direkte Demokratie können nicht nur Schlagworte sein. Sie verdienen

es, ernst genommen zu werden. Linz hat sich dafür entschieden. Die Einbringung des eigenen

Standpunktes ist auf immer mehr Ebenen nicht nur möglich sondern auch erwünscht. Von

Mieterbeiräten über die Internet-Plattform „Schau auf Linz“ bis hin zu Bürgerinitiativen wächst das

Angebot zur Teilnahme an der öffentlichen Debatte. Linz wird so demokratischer, als es jemals war.

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e PETER BINDERZum Nachdenken

2000, USA: Obwohl Al Gore rund 500.000 Stimmen mehr erhält als sein Gegenkandidat George W. Bush, wird doch letzterer Präsident.

2000, Oberösterreich: Beinahe 60 % sprechen sich bei einer Volksbefragung gegen das Musik-theater (im Berg?) aus. Konsequenz: Das Musik-theater wird trotzdem gebaut, wenn auch an einem anderen Standort. Der Landtag beschließt mehrheitlich, die Quoren zur Einleitung direkt-demokratischer Elemente zu erhöhen.

2010, Österreich: „Kann dieser seelenlose Ziegelstein mehr Freunde haben als H.C. Strache?“ Mit beinahe 190.000 virtuellen FreundInnen hat ein Ziegelstein auf facebook mehr FreundInnen als der Bundesparteiobmann der FPÖ. Dem Aufruf, dies nicht nur im Netz, sondern auch öffentlich auf der Straße zu zeigen, folgten allerdings nur wenige 100 Menschen.

2014, Linz: Tausende „likes“ auf facebook schaffen den Eindruck einer virtuellen Mehr-heit für einen Donau-Sandstrand in Linz. Der Gemeinderat folgt dem Begehren.

2014, Europa: Erstmals, so hieß es, sei der Ausgang einer Wahl auch entscheidend für den Vorsitz der EU-Kommission. Entgegen den Ankündigungen hakt es dann doch bei der Bestellung des Spitzenkandidaten der siegreichen Konservativen Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten.

2014, Linz: Geschäftsleute, eine Tageszeitung sowie „besorgte BürgerInnen“ kampagnisieren

gegen die angeblich ausufernde „Bettlerflut“ in der Linzer Innenstadt und erzwingen, dass die Politik Schritte gegen das Betteln überlegt.

CHARLOTTE HERMANTücken der Demokratie

Demokratie ist etwas sehr Wertvolles, wird manchmal aber als zu selbstverständlich empfunden. Dass Demokratie auch persön-liches Engagement bedeutet, ignorieren viele.Für mich beginnt die Demokratie nicht in der Politik, sondern schon im ganz kleinen Rahmen, zum Beispiel in der Familie.

Als Frau und Mutter erlaube ich mir, ein absicht-lich extrem vereinfachtes Beispiel zu nennen.Wenn man Kinder und Mann fragt, was sie denn zum Essen haben wollen, bekommt man oft als Antwort: „Ist egal. Mach was Du willst“. Nach einiger Zeit aber kann man dann hören: „Schon wieder das!“ Also Unzufriedenheit. Genauso ist es mit der Politik in der Demokratie.

Die Menschen werden aufgefordert zu wählen und sind einerseits oft doch zu bequem, zur Wahl zu gehen. Andererseits sind sie frustriert, weil sie – etwa durch die Nichteinhaltung von Wahlversprechen – enttäuscht wurden, obwohl vielleicht sogar die von ihnen gewünschte Partei an der Spitze war. Das Resultat sind dann Wahlergebnisse wie zum Beispiel bei der EU-Wahl 2014 in Frankreich, die dann einen Aufschrei und Unverständnis provozieren.

Die Geschichte lehrt uns, dass einer der größten Verbrecher der Geschichte – Adolf Hitler – im Prinzip demokratisch gewählt wurde. Wenn Rahmenbedingungen wie Wirtschaftskrisen

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„Städtische Volksbefragungen müssten bindend, also eigentlich

Volksabstimmungen sein. Die Bevölkerung darf nicht ausgetrickst

werden, indem eine etwas andere Variante als die in der Befragung

gewählt wird.“CHARLOTTE HERMAN

und Arbeitslosigkeit existieren, so muss sich die Politik umso mehr anstrengen, auf diese Probleme einzugehen und Lösungen zu finden, ansonsten ist eine Katastrophe unabwendbar. Die Zeichen der Unzufriedenheit einer breiten Masse sind derzeit unverkennbar. Wachsam-keit und Handeln ist daher unbedingt nötig.

Die Schweiz ist ein Musterbeispiel für Partizipation und Demokratie – für fast alle wichtigen Themen gibt es Volksabstimmungen, die auch bindend sind. Dank dieser Legitimation kann keiner sagen, das Volk wurde nicht gefragt, nur die Politiker würden entscheiden. Würde man dieses Prinzip auf eine Stadt wie Linz übertragen, würde für mich das gleiche gelten müssen: Volksbefragungen müssten bindend, also eigentlich Volksabstimmungen sein. Die Bevölkerung darf nicht ausgetrickst werden, indem eine etwas andere Variante als die in der Befragung gewählt wird.

Es sollte möglicherweise Arbeitsgruppen für wichtige Themenbereiche geben, denen auch Vertreter des „einfachen Volkes“ angehören. Auf diese Weise gäbe es eine echte Partizipation und könnte eine gewählte Partei auch ohne Probleme die gesamte Legislatur-periode über ihre Funktion ausüben.

Im EU-Parlament ist Partizipation vorgesehen und zwar in Form der Interessensvertreter, die jedoch unter dem Namen „Lobbyisten“ einen eher negativen Eindruck hinterlassen, da sie,

wenn man die Bevölkerung befragt, doch nur die Wirtschaft und nicht das einfache Volk vertreten. Ein Gefühl, das nicht ganz falsch ist. Daher muss dem gegengesteuert werden.

PETER BINDERFragestellungen

Was ist Demokratie? Was bedeutet Partizipation? Reicht es, alle paar Jahre ein Kreuz bei einer Partei zu machen und deren VertreterInnen dann repräsentativ für sich handeln zu lassen? Soll eine für eine Legislaturperiode demokratisch legitimierte Mehrheit den Kurs einer Stadt bestimmen können, oder braucht es zwischendurch die Möglichkeit von Kurskorrekturen ohne Neuwahlen, aber durch direkt-demokratische Einbindung?

Heißt direkte Beteiligung wirklich mehr Interesse an der Gesamtentwicklung einer Stadt, oder geht es doch nur um temporäre Bedürf-nisse einer Minderheit? Wie schaut die Stadt aus, in der Menschen bereit sind, sowohl bei Wahlen an demokratischen Prozessen ver-antwortungsbewusst teilzunehmen als auch in der Zeit dazwischen das Gemeinwohl der Stadtbevölkerung positiv mitzugestalten? Und wie stellen wir sicher, dass diese Beteiligungs-formen nicht wieder nur der Durchsetzung der Interessen einer Elite dienen, nachdem über Jahrhunderte das allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlrecht erkämpft werden musste?

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Page 65: Betreff: Lebensstadt Linz #4 Lebensvielfalt

CHARLOTTE HERMANMissbrauch

Bevor wir über neue Einbindungsmöglich-keiten der Bürgerinnen und Bürger in die Ver-waltung und Gestaltung der Stadt diskutieren können, müssen wir erst definieren, welchen Stellenwert wir dieser Beteiligung beimessen.

Einerseits drängt sich bei mancher öffentlichen Diskussion ja nahezu der Eindruck auf, das Volk würde die Politik stören, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv in Entscheidungsprozesse ein-bringen wollen. Andererseits werden einzelne Instrumente der direkten Demokratie aber geradezu von den etablierten Parteien miss-braucht, die – wenn sie bei Wahlen für ein Gremium keine Mehrheit errungen haben und sich auch im politischen Diskurs innerhalb dieses Gremiums für ihr Anliegen keine Mehrheit ver-schaffen können – oft den Weg über Bürgerbe-teiligungselemente suchen, um ihren Anliegen doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Wichtig sind also auf der einen Seite eine hohe Verbindlichkeit, was die Anerkennung der Ergeb-nisse direkt-demokratischer Prozesse angeht, um keine Unzufriedenheit aufkommen zu lassen, auf der anderen Seite aber auch der Schutz durch Missbrauch durch Eliten und Lobbyinggruppen.

PETER BINDERBedingungen

Also geht es darum, bei der demokratischen Bürgerbeteiligung zwischen den Wahlen dafür den Weg zu bereiten, dass möglichst viele Menschen unter gleichen Bedingungen daran teilhaben können und tatsächlich teilnehmen?

CHARLOTTE HERMANBürgerbeiräte

Es gilt festzulegen, wann zwischen Wahlen überhaupt eine stärkere Einbeziehung und Zwischenbefragungen notwendig sind. Ich halte wenig davon, jede x-beliebige Frage-stellung den Bürgerinnen und Bürgern vorzu-legen, denn immerhin haben wir bei Wahlen ja einen bestimmten politischen Kurs gewählt, der auch irgendwie zur Geltung kommen muss.

Außerdem gibt es meiner Meinung nach zudem Fragen, die definitiv vom direkt-demokratischem Verfahren ausgeschlossen bleiben sollten, so wie man meines Wissens keine Volksabstimmung etwa über die Todesstrafe machen kann. Fragen des Zusammenlebens beispielsweise sollten nicht zum Spielball der Populisten und Propagandisten oder der jeweils besseren Kommunikations-agentur werden. Diese Ausnahmen zu definieren

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„Wie stellen wir sicher, dass direkte Bürgerbeteiligung nicht wieder nur der Durchsetzung der Interessen einer Elite dient, nachdem über Jahrhunderte das allgemeine, freie, gleiche und geheime

Wahlrecht erkämpft werden musste?“ PETER BINDER

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Page 66: Betreff: Lebensstadt Linz #4 Lebensvielfalt

wird mindestens ebenso wichtig sein, wie die Wege zu einer besseren Beteiligung zu finden.

Danach soll mit der direkt-demokratischen Einbeziehung aber eine möglichst große Ver-bindlichkeit einhergehen. Die auf Landes-ebene möglicherweise neu beschlossenen Rahmenbedingungen für direkte Demo-kratie sind dabei nur ein Teil. Ich komme noch einmal auf meinen Vorschlag zurück, zu bestimmten Politikbereichen Arbeitsgruppen einzurichten, die durch weitere VertreterInnen des „einfachen“ Volkes eine Beteiligung am politischen Prozess ermöglichen.

Mir gefällt in diesem Zusammenhang das in manchen deutschen Bundesländern gelebte Modell der Bürgerbeiräte mit so genannten „fach-kundigen“ Mitgliedern sehr. Diese Mitglieder werden nicht wahllos ausgesucht, sondern stellen Repräsentantinnen und Repräsentanten bestimmter Berufs- und Bevölkerungsgruppen dar, die von einem Projekt, das dem Bürger-beteiligungsverfahren unterzogen werden soll, besonders betroffen sind. Diese „fach-kundigen Beiräte“ nehmen dann an den jeweiligen Ausschusssitzungen als beratende Mitglieder teil und sind so von Beginn bis Ende am Entstehungs- und Umsetzungs-prozess für das jeweilige Projekt beteiligt. Danach wird der jeweilige Beirat aufgelöst.

PETER BINDERDigitales Feedback

Eine bessere Beteiligung lässt sich ja vielleicht schon durch die Nutzung der technischen Errungenschaften erreichen. Die Platt-form „Schau auf Linz“ ist zum Beispiel

eine einfache Möglichkeit, unter Nutzung des Internets auf Missstände im Stadtbild, etwa Verschmutzungen, kaputte Straßen-beleuchtungen etc. hinzuweisen. Ein einfacher Knopfdruck am gleichnamigen App auf dem Smartphone genügt, und schon weiß die Stadt-verwaltung Bescheid, wo es etwas zu tun gibt. Das erleichtert durchaus die Arbeitseinteilung in den betroffenen Abteilungen des Magistrats.

Am Flughafen von Singapur beispielsweise kann man an jeder Stelle sofort Feedback abgeben, ob man mit der erbrachten Dienstleistung zufrieden war. Das geht von der Passkontrolle über den Kaffeeverkäufer bis zur Toilette und umfasst Feedback für Bereiche wie Freundlichkeit, Quali-tät und Sauberkeit. Wäre so eine permanente Einbeziehung in die Stadtentwicklung denkbar?

CHARLOTTE HERMAN Informationen: Bringschuld

„Schau auf Linz“ kenne ich noch zu wenig, aber ich halte das für eine sehr gute Idee. Mit möglichst einfachen Meldungs- und Feedback-möglichkeiten einen besseren Draht zur Stadt-verwaltung und Politik zu schaffen, ist sicher ein wichtiger erster Schritt. Diese Plattform könnte man vielleicht weiterentwickeln, indem dort nicht nur Schadensmeldungen eingehen, sondern auch positives Feedback an die Stadt abgegeben werden kann, ein „Gefällt mir“, damit wir uns nicht nur auf der Negativschiene bewegen.

Eine permanente Mitentscheidungsmöglich-keit über alle möglichen Fragen würde aber für viele Menschen heute noch eine Über-forderung darstellen. Ich denke, das zeigt auch die meist geringe Beteiligung an Formen der

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direkten Demokratie. Vielen Menschen fehlen die Informationen, die sich Politikerinnen und Politiker ja in einer Vielzahl von Stunden in Ausschusssitzungen usw. erarbeiten. Da müssten wir dringend auch daran arbeiten, dass Informationen über die Stadtentwicklung und wichtige Projekte noch mehr in die Bevölkerung getragen werden. Internet und eine Stadt-zeitung reichen da nicht aus. Information ist auch eine Bringschuld der Politik und der Stadt.

MEINHARD LUKASInformationen: Holschuld

Information ist aber auch eine Holschuld. Und möglicherweise wollen sich manche Bürgerinnen und Bürger nicht mangels Information nicht an Instrumenten der direkten Demo-kratie beteiligen, sondern weil sie auch das Gefühl haben, nichts bewegen zu können.

Viele der Projekte, die heute einem Bürger-beteiligungsverfahren unterzogen werden, sind bereits durch das Budget vorbestimmt oder in der Umsetzungsmöglichkeit ein-geschränkt. Eine Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger zu mehr Mitbestimmung zu motivieren, wäre das Modell des Bürgerhaus-halts. In manchen Kommunen wird das bereits praktiziert, dass zumindest bei einem Teil des kommunalen Budgets die Bevölkerung ent-scheidet, wie es verwendet werden soll.

CHARLOTTE HERMANZugänge

Es wird notwendig sein, den Menschen möglichst vielseitige Informations- und Interaktionszugänge zu eröffnen, um sie zu aktiven Bürgerinnen und Bürgern zu machen. Internet und gut erkenn-bare Einschaltungen in Tageszeitungen können da eine Möglichkeit sein, es wäre aber auch notwendig und sinnvoll, beispielsweise die Volkshäuser dazu zu nutzen, um regelmäßig über die Stadtentwicklung zu informieren.

Wenn etwa eine Gemeinderatssitzung ansteht und die Tagesordnung feststeht, könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt-verwaltung zu festgelegten Terminen die Angelegenheiten, die in der Gemeinderats-sitzung erörtert und beschlossen werden sollen, vor Ort erklären. Dann sind Nachfragen mög-lich, die Menschen haben auch einen analogen Zugang zur Information über die Dinge, die in der Stadtverwaltung geschehen. Und auf Antrag einer bestimmten Zahl von Bürgerinnen und Bürgern, beispielsweise 200, zum Beispiel ein-fach per Knopfdruck im Internet, könnten zu bestimmten Themen solche Informationsver-anstaltungen zusätzlich abgehalten werden.

„Ich bin der Meinung, dass Verantwortlichkeit und

Verbindlichkeit bei der Beteiligung am Stadtgeschehen steigen,

wenn die Menschen auch Teile des Budgets mit zu entscheiden haben.“

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eMEINHARD LUKASBudgetorientierte Bürgerbeteiligung

Trotzdem bin ich der Meinung, dass Verantwort-lichkeit und Verbindlichkeit bei der Beteiligung am Stadtgeschehen steigen, wenn die Menschen auch Teile des Budgets mit zu entscheiden haben. Gesetzlich festgelegte Ausgaben wären davon auszunehmen, aber es gibt noch diese Spiel-räume, in denen sich Mitgestaltungsmöglich-keiten ergeben. Alle sechs Jahre würde dann bei Gemeinderatswahlen die große Linie für den Kurs der Stadtpolitik gewählt werden, jedes Jahr könnte dieser Kurs über Teile des Budgets aber gestärkt oder leicht korrigiert werden.

Die Kompetenz des Gemeinderats würde dadurch nicht ausgehebelt, in der Praxis sollten im Normalfall aber die Vorschläge aus der Bürgerbeteiligung von der Politik über-nommen werden. Das renommierte Zentrum für Verwaltungsforschung hat dazu etwa bereits im Jahr 2010 eine interessante Dis-kussionsveranstaltung abgehalten, die ergeben hat, dass in Österreich dieses Modell noch nicht sehr etabliert ist. In Deutschland gibt es aber schon zahlreiche Erfahrungen. Dort erfordert und ergibt die so genannte „Budget-orientierte Bürgerinvolvierung“ eine dauer-hafte Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wichtig ist, dass relevante Budgetteile gemeinsam mit der Politik festgelegt werden.

Der direkte Bezug zum Gemeindebudget zeigt, dass die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger ernst gemeint ist. Der klar geregelte Diskussionsprozess mit den politischen Ent-scheidungsträgerinnen und –trägern über diese Teile des Budgets verhindert, dass diese sich

zurückziehen können und es zu einer Art Zufalls-abstimmung kommt, in der dann Lobbying-gruppen die führende Rolle übernehmen.

CHARLOTTE HERMANAugenhöhe

Auch bei der „Budgetorientierten Bürger-involvierung“ würde wieder die transparente und permanente Information eine wichtige Rolle spielen. Ich glaube, dass wir jetzt noch nicht so weit sind und noch nicht alle notwendigen Rahmenbedingungen erfüllen, aber wir müssen heute die ersten Schritte dafür setzen.

Werden die Bürgerinnen und Bürger auf viel-fältige Art und Weise – im Internet über die Homepage der Stadt, über die Zeitungen, auch der stadteigenen und über Informationsver-anstaltungen – über die Ursachen und Alter-nativen der vielseitigen Stadtentwicklungs-möglichkeiten in Kenntnis gesetzt, ist ihnen eine Mitbestimmung auf Augenhöhe auch möglich. Desinformation und Unverbindlich-keit führen dazu, dass Unzufriedenheit ent-steht und Demagogen leichtes Spiel haben.

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KLAUS LUGERDirekte Demokratie, BürgerInnenräte, Online-Beteiligung

Die Zugangsmöglichkeiten zu den bekannten Instrumenten direkter demokratischer Partizipation, Bürgerinitiative, Bürgerbefragung und Bürgerabstimmung, wird der oberöster-reichische Landtag auf unsere Initiative hin ver-bessern. Danach wird es jedenfalls einfacher, zu einzelnen Fragestellungen im Wirkungsbereich der Stadt die Einbeziehung der Linzerinnen und Linzer zu initiieren oder zu ermöglichen. Besonders spannend finde ich in diesem Zusammenhang die mehrfach angesprochene Bedeutung der Information über die Stadt-entwicklung. Ich bin überzeugt, dass wir im Rahmen der Magistratsreform Handlungsbedarf für eine Weiterentwicklung der städtischen Kommunikation haben. Eine Weiterentwicklung der Kommunikationsschnittstelle „Schau auf Linz“ sehe ich als notwendig. Generell halte ich es für überlegenswert, eine Online-Platt-form für eine regelmäßigere Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger ins Leben zu rufen. Mir gefällt der Gedanke, dass es über die Web-Applikationen des Magistrats nicht nur die Möglichkeit geben soll, Missstände an die Verwaltung zu melden, sondern zu mög-lichst vielen Lebensbereichen der Stadt aktiv Verbesserungsvorschläge machen zu können. Ich stimme allerdings auch darin überein,

dass wir die derzeitigen Informationsangebote über die Entwicklung der Stadt verbessern müssen. Insbesondere dort, wo wir selbst über die Breite und Form der Berichterstattung bestimmen können, also bei den Medien der Stadtkommunikation, müssen wir die Erreich-barkeit der Linzerinnen und Linzer optimieren. Hier sehe ich großes Potenzial im Hinblick auf die Abarbeitung der angesprochenen „Bringschuld“ an Information. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass für bestimmte Gruppen Zugangsprobleme für die Online-Nutzung direktdemokratischer Instrumente bestehen. Die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit schließt eine BürgerInnenbeteiligung von bestimmten Zielgruppen aus. Die Beseitigung dieser Barriere sollten wir uns daher zum Ziel setzen, wenn wir von Partizipation und Teilhabe sprechen.Beiräte, die mit Expertinnen und Experten besetzt sind und den Gemeinderat beraten beziehungsweise verbindliche Vorgaben machen, gibt es in der Stadt bereits, ich denke da an den Gestaltungs- oder den Kulturbei-rat. Trotzdem möchte ich den Gedanken, ein solches Modell auch temporär bei der Dis-kussion einzelner Stadtentwicklungsprojekte einzuführen, forcieren. Überlegenswert wäre auch eine regelmäßige Einladung mehrerer Expertinnen und Experten zum Austausch über verschiedene Bereiche der Stadtgestaltung, so wie ich dies zu Fragen des Zusammen-lebens der vielfältigen Kulturen in Linz als

„Die Stadt sollte in Zukunft verstärkt neue Wege in der Kommunikation mit ihren Bürgerinnen und Bürgern gehen.

Die Entwicklung weist klar in Richtung stärkeren Ausbau der Online-Angebote.

Das ermöglicht vereinfachte Mitsprache und Beteiligung ebenso wie die Stärkung

direkt-demokratischer Elemente.“KLAUS LUGER

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e„Dialogveranstaltungen“ initiiert habe. Ich kann mir eine solche Form der Diskussion auch zu anderen Fragen der Stadtgestaltung gut vor-stellen. In gewisser Weise stellt dieses Buch bereits einen Schritt in diese Richtung dar.Schwieriger stelle ich mir eine Einbindung der Bevölkerung in die Budgetgestaltung vor, zumindest solange das derzeitige System des oberösterreichischen Finanzausgleichs zwischen Land und Stadt aufrecht ist. Der städtische Haushalt ist zum überwiegenden Teil durch gesetzliche oder langfristige ver-tragliche Verpflichtungen determiniert. Hinzu kommt, dass einzelne Umlagen, etwa der Beitrag der Gemeinden zur Finanzierung des Ober-österreichischen Chancengleichheitsgesetzes für Menschen mit Beeinträchtigung, erst im Nachhinein im vollständigen Ausmaß vor-geschrieben wird, wodurch sich die Planbarkeit der finanziellen Lage der oberösterreichischen Kommunen erschwert. 2014 sind die Vor-schreibungen zum Chancengleichheitsgesetz um über 13 % gestiegen, obwohl es eine Zusicherung des Landes gibt, wonach die Steigerungen nicht mehr als das Doppelte des Gehalts-abschlusses des Öffentlichen Dienstes betragen sollten. Unter diesen Voraussetzungen ist es schwierig, auch nur einen Teil der städtischen Finanzen der direkten Mitbestimmung durch die Bürgerinnen und Bürger zu unterziehen. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle aber, dass wir gerade hinsichtlich der Transparenz im Bereich der städtischen Finanzen eine Vorbild-rolle einnehmen. Unter www.offenerhaushalt.at, einer Plattform des Zentrums für Verwaltungs-forschung (KDZ), findet sich eine genaue Auf-schlüsselung und Bewertung der Linzer Budget-daten. Viele Gemeinden sind mittlerweile diesem Beispiel gefolgt und der Plattform beigetreten.

VISIONEN FÜR LINZ

Ausbau der Online- Beteiligungsmodelle

Einführung von Bürgerräten als externe

Expertise bei der Stadtgestaltung

Stärkung der direkt-demokratischen

Instrumente Bürgerinitiative,

Bürgerbefragung und Bürgerabstimmung

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