Beugung - TU Dortmund

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Dieter Suter - 349 - Physik B3 6) Optik 9. Juli 2003 6.7 Beugung 6.7.1 Grenzen der geometrischen Optik Im Rahmen der geometrischen Optik hatten wir angenommen, dass die Wellenlänge des Lichtes klein sei im Vergleich zu allen relevanten Distanzen. Jetzt lassen wir diese Näherung fallen und betrachten die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Als erstes Beispiel betrachten wir Licht einer punktförmigen, weit entfernten Quelle, welches durch ein Loch in einem Schirm durchtritt. Im Rahmen der geometrischen Optik würden wir erwarten, dass sich vom Loch aus ein paralleles Lichtbündel, also ein Lichtstrahl ausbreitet. Dies ist allerdings nicht der Falls, wie man z.B. anhand der Wellenwanne nachweisen kann. Dieses Phänomen tritt bei optischen Wellen genau so auf wie bei Wasserwellen. Allerdings sind sie aufgrund der geringen Wellenlänge nicht so leicht beobachtbar. Die ersten Beugungseffekte wurden von Francesco Grimaldi 1660 berichtet, aber kaum beachtet. Klare Bele- ge kamen 1801 von Thomas Young (1773-1829), doch auch diese wurden nicht allgemein anerkannt. Erst Augustin Fresnel (1788- 1827) konnte der Wellentheorie wirklich zum Durchbruch verhelfen. Eine wichtige Rolle bei dieser Kontroverse spielte die Beugung an einer undurchsichtigen Scheibe. Der Mathematiker und Phy- siker Denis Poisson wendete die Fresnel'sche Wellentheorie auf diese Scheibe an und zeigte, dass man dann in der Mitte des Schattens einen hellen Fleck erwarten würde – eine Konsequenz, die er als klaren Beweis dafür ansah, dass die Theorie falsch sein müsse. Fresnel konnte aber kurze Zeit später experimentell diesen Punkt zeigen, der seither als Poisson'scher Fleck bekannt ist. Beugungseffekte müssen u. A. berücksichtigt werden, wenn es um die optimale Abbil- dungsschärfe einer Kamera geht. Bei einer "Camera obscura", welche keine Linse hat führt eine Verkleinerung der Öffnung zu einer besseren Schärfe der Abbildung. (Das gleiche gilt bei Ka- meras mit Linsen eingeschränkt, weil bei kleinerer Blendenöff- nung die Linsenfehler geringer werden). Exp.: Wellenwanne Exp. 41: Lochkamera

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6) Optik 9. Juli 2003

6.7 Beugung

6.7.1 Grenzen der geometrischen Optik

Im Rahmen der geometrischen Optik hatten wir angenommen, dass die Wellenlänge desLichtes klein sei im Vergleich zu allen relevanten Distanzen. Jetzt lassen wir diese Näherungfallen und betrachten die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Als erstes Beispiel betrachtenwir Licht einer punktförmigen, weit entfernten Quelle, welches durch ein Loch in einemSchirm durchtritt. Im Rahmen der geometrischen Optik würden wir erwarten, dass sich vomLoch aus ein paralleles Lichtbündel, also ein Lichtstrahl ausbreitet.

Dies ist allerdings nicht der Falls, wie man z.B. anhand der Wellenwannenachweisen kann.

Dieses Phänomen tritt bei optischen Wellen genau so auf wie beiWasserwellen. Allerdings sind sie aufgrund der geringen Wellenlängenicht so leicht beobachtbar. Die ersten Beugungseffekte wurden vonFrancesco Grimaldi 1660 berichtet, aber kaum beachtet. Klare Bele-ge kamen 1801 von Thomas Young (1773-1829), doch auch diesewurden nicht allgemein anerkannt. Erst Augustin Fresnel (1788-1827) konnte der Wellentheorie wirklich zum Durchbruch verhelfen.

Eine wichtige Rolle bei dieser Kontroverse spielte die Beugung aneiner undurchsichtigen Scheibe.

Der Mathematiker und Phy-siker Denis Poisson wendete dieFresnel'sche Wellentheorie aufdiese Scheibe an und zeigte,

dass man dann in der Mitte des Schattens einen hellenFleck erwarten würde – eine Konsequenz, die er als klarenBeweis dafür ansah, dass die Theorie falsch sein müsse.Fresnel konnte aber kurze Zeit später experimentell diesenPunkt zeigen, der seither als Poisson'scher Fleck bekanntist.

Beugungseffekte müssenu. A. berücksichtigt werden, wenn es um die optimale Abbil-dungsschärfe einer Kamera geht. Bei einer "Camera obscura",welche keine Linse hat führt eine Verkleinerung der Öffnung zueiner besseren Schärfe der Abbildung. (Das gleiche gilt bei Ka-meras mit Linsen eingeschränkt, weil bei kleinerer Blendenöff-nung die Linsenfehler geringer werden).

Exp.: Wellenwanne

Exp. 41: Lochkamera

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Beugungseffekte erzeugenbei kleinen Öffnungen jedochAbweichungen, welche wiederzu einer Verschlechterung derAbbildung führen.

Auch Licht, das ein ausge-dehntes Objekt trifft, erzeugt kei-nen exakt geradlinigen Schatten.Jede Kante erzeugt ein Beu-gungsmuster wie in der Figur ge-zeigt. Allerdings ist dieses nur gutsichtbar wenn das Licht mono-chromatisch ist. Der Abstandzwischen den Interferenzmaximahängt von der Wellenlänge ab.Verwendet man weißes Licht, soverwischen sich deshalb die ver-schiedenen Interferenzmuster,resp. manifestieren sich als regen-bogenfarbiger Rand.

6.7.2 Beugung am Spalt

Wir betrachten zunächst dasBeugungsmuster das durch einen eindimensionalen Spalt erzeugt wird. Wir betrachten dabeinur den Fall eines weit entfernten Schirms. Dabei spricht man von Fraunhofer-Beugung.

Ein typisches Beugungsmuster enthält neben dem direkten Bild des Spaltsauch helle Streifen parallel dazu.

Dass neben dem zentralen Maximum weiteresLicht den Schirm erreicht kann leicht an einemsehr schmalen Spalt eingesehen werden: Ist derSpalt schmaler als die Lichtwellenlänge, so wirkter als Quelle einer zylinderförmigen Welle, welche den rechtenHalbraum gleichmäßig ausleuchtet.

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Dass neben den hellen Streifen auch dunkle auftreten er-kennt man wenn man einen Spalt betrachtet, der etwas brei-ter ist als die Lichtwellenlänge. Für die eingezeichnete Rich-tung sieht man, dass die Welle, die aus dem Zentrum desSpalts stammt gegenüber der Welle vom unteren Rand um πaußer Phase ist. Somit wird jeder Beitrag der unteren Hälftedurch einen Beitrag der oberen Hälfte exakt aufgehoben undauf dem Schirm erscheint ein dunkler Streifen.

Gemäß dem Prinzip von Huygens können wir die Feld-amplitude in Richtung f als Integral über Kugelwellen ausrechnen, die entlang dem Spalt an-geordnet sind. Aufgrund der Annahme einer großen Distanz können wir die Amplitude für alleTeilwellen als identisch betrachten. Die Phasenverschiebung für eine Welle, die an der Stelle xentstanden ist, beträgt

Da = x sinf 2π/l .

Die gesamte Amplitude an einem Punkt in der Richtung f erhalten wir als Integral über dieBeiträge über den gesamten Spalt:

E(sinf) = E0 Ú-a/2, a/2 dx exp(i 2π x sinf/l)

= E0 1/(i 2π sinf/l) exp(i 2π x sinf/l) |-a/2, a/2

= E0 sin(π a sinf/l)/(π sinf/l) = E0 a sin(b)/b mit b = π a sinf/l .

Wir finden somit, dass das Beugungsmuster als Funktion von sinf gerade als die Fouriertrans-formierte des Spaltes gegeben ist. Im Falle eines einfachen Spaltes ist dies die sinc-Funktion.

Die Intensität ist wie immer proportional zumQuadrat des Feldes, also zum Quadrat der sinc-Funktion. Wir finden eine Reihe von Beu-gungsmaxima, deren Abstände durch

db = π sinf = m l/a , m = 0, 1, ...

gegeben sind. Je kleiner der Spalt desto breiterwird damit das Beugungsmuster.

In diesem Beispiel haben wir einen Spalt, dereine Breite von 0.1 mm aufweist. Wir beleuch-ten in mit Licht der Wellenlänge 630 nm. Damitwerden die Maxima in einem Abstand von

l/a = 630.10-9/10-4 = 6.3 mrad.

Bei einer Distanz von 5 m entspricht dies etwa 3 cm.

Exp 67a: Beugung am Spalt

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6.7.3 Beugung am Doppelspalt

Wir können nun beliebige andere Beugungsmuster ausrechnen indem wir die Fouriertrans-formierte bilden. Ein historisch besonders wichtiges Experiment war die Beugung am Doppel-spalt von Young; zusammen mit den Arbeiten von Fresnel verhalf dieses Experiment derWellentheorie des Lichtes zum Durchbruch.

Wir betrachten einen Schirm mit zwei Spalten der Breite a im Abstand d, der von links miteiner ebenen Welle beleuchtet wird. Die beiden Spalte erzeugen jeder ein Beugungsmuster,gleich wie im Falle des einzelnen Spaltes. Zwischen den beiden Wellen erhalten wir jetzt aberzusätzlich Interferenz.

Man kann sich den Vorgang anhand von Wellen-fronten darstellen. Bei jedem Spalt erhalten wir einezylinderförmige Wellenfront. Die beiden Teilwellensind zueinander kohärent und interferieren deshalbwenn sie sich überlagern.

Der einzelne Spalt erzeugt auf dem Schirmeine sinc-Funktion, wobei der Abstand zwi-schen den Maxima invers proportional zurBreite des Spaltes ist. Zusätzlich erhält manimmer dann positive Interferenz, wenn diebeiden Teilwellen gleiche Phase besitzen, d.h.wenn sich ihre Weglänge um ein Vielfachesder optischen Wellenlänge unterscheidet.

Wir betrachten dafür nur den Fall, dass derSchirm, auf dem das Interferenzmuster abgebildetwird, sich in einem Abstand vom Doppelspalt be-findet, der groß ist im Vergleich zum Abstand derbeiden Spalte. Die Weglängendifferenz zwischenzwei Strahlen, die von den beiden Spalten ausge-hen, beträgt dann D sinf. Somit ist der Phasenun-terschied

a = 2 π/l D sinf .

Die Bedingung für das Auftreten eines Maximums ist, dass dieses ein Vielfaches von 2π ist,d.h.

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D/l sinf = m m = 0, 1, 2, … .

Minima treten auf wenn der Phasenunterschied ein ungeradzahliges Vielfaches von π ist, d.h.bei

D/l sinf = (2m+1)/2 m = 0, 1, 2, … .

Die Intensität für einen beliebigen Winkel f ergibt sich aus dem Quadrat der Summe der bei-den Amplituden als proportional zu

1 + cosa = 1 + cos(2 π/l D sinf) = 2 cos2(π/l D sinf) = 2 cos2(a/2) .

Durch die Interferenz zwischen den beidenTeilstrahlen erhält man somit eine cosinusförmi-ge Abhängigkeit der Intensität von sinf. (Fürkleine Winkel somit auch vom Beugungswinkelf.) Jedes Maximum ist mit der entsprechendenOrdnung m markiert.

Die gesamte Intensitätsabhängigkeit erhält manindem man die Teilwellen addiert. Da die Beu-gungsmuster der einzelnen Spalten als Funktiondes Beugungswinkels f schwächer werden, wirdauch das Interferenzmuster schwächer. Das ge-samte Interferenz-Beugungsbild erhält mandurch Multiplikation der Funktion des Einzel-

spalts mit der Doppelspaltfuntkion für d « D:

IDS =

sin xx

cos a2

È

Î Í

˘

˚ ˙

2

x = πd/l sinf a = 2πD/l sinf.

die Einhüllende entspricht einer sinc-Funktion, die harmonische Abhängigkeit besitzt die Peri-ode l/D.

Dieses Zusammensetzen des gesamten Beugungsmusters aus dem Beugungsmuster desEinzelspalts und dem Beugungsmuster von zwei dünnen Spalten kann aus dem Faltungstheo-rem hergeleitet werden: Die gesamte Spaltfunktion erhält man als Faltung der einzelnen Spal-tunktion mit der Funktion für zwei schmale Spalten. Das Beugungsbild ist jeweils die Fou-riertransformierte dieser Funktionen. Gemäß dem Faltungstheorem ist die Fouriertransformier-te einer Faltung von 2 Funktionen durch das Produkt der Fouriertransformierten gegeben.

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6.7.4 Bild und Beugungsbild

Um das Beugungsmuster eines Objekts mit dem Objekt selber vergleichen zu können ver-wenden wir eine Projektionseinrichtung.

Ein Laser beleuchtet das Ob-jekt (z.B. Spalt). Das transmittierteLicht erzeugt auf der Wand einBeugungsmuster. Ein Teil desLichtes wird mit Hilfe einesStrahlteilers abgetrennt und eineLinse erzeugt daraus ein Bild desObjektes an der Wand. Mit Hilfedieser Anordnung verifizieren wir zunächst die Beugungsmuster von Spalt und Doppelspalt.

Als weiteres Objekt bilden wir einen Draht ab. Das Beugungsmuster kann in diesem Fall e-benfalls durch eine sinc-Funktion beschrieben werden. Dies ist ein allgemeines Muster: Beu-gung basiert immer auf Änderungen der Transmissionsfunktion, also der Amplitude im Ob-jektbereich. Sie kann als Fouriertransformation beschrieben werden, bildet also die räumlichenFrequenzen ab.

Dies hat eine relativ interessante undeinfache Konsequenz: Beugungsbildervon komplementären Objekten sindidentisch, abgesehen vom geometri-schen Bildpunkt - dieser entspricht derKomponente mit räumlicher Frequenz0. Komplementäre Objekte sind solche,deren Transferfunktion sich zu 1 ad-diert. Beispiele dazu sind das Beu-gungsbild eines Drahtes und einesSpaltes. Ist die Transferfunktion desSpaltes h(x), so ist offenbar diejenigedes Drahtes 1-h(x). Die Fouriertran-sofmierten sind damit H(q) und

F{1-h(x)} = d(0) - H(q)

und die Intensitäten für beide H2(q), abgesehen vom Bildpunkt d(0). Für das Paar Draht /Spalt ist H(q) = sinq/q.

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6.7.5 Das optische Gitter

Man kann die Anzahl von Spalten natürlich auch größer als 2wählen. Dies entspricht dem Fall von N interferierenden Quellen.Wir betrachten nur den Fall dass die einzelnen Spalte unendlichdünn sind, welcher dem bereits behandelten Fall von N interfe-rierenden punktförmigen Quellen entspricht.

Anstelle der harmo-nischen Funktion erhältman bei N Spalten einBeugungsmuster, wel-ches zunehmend schär-fer wird. Die Detailsdieser Rechnung hattenwir im Rahmen derVielstrahlinterferenzdiskutiert; Die Beugung am Gitter ist somit auch eineAnwendung der Vielstrahlinterferenz.

Man benutzt dafür ein Gitter, d.h. ein periodischesSystem von dünnen Strichen und beleuchtet es miteiner kohärenten Lichtquelle. Dadurch wird jeder

Strich wiederum zu einer Lichtquelle. Für identische Striche und homogene Beleuchtung wer-den die Quellen gleich stark. Die Richtung, in der die Maxima auftreten, ist die gleiche wiebeim Doppelspalt:

D sinf = m l .

Im Grenzfall einer unendlichen Zahl von Spalten, resp. Strichen werden die einzelnen Beu-gungsmaxima unendlich schmal. Die Einhüllende wird wiederum durch das Beugungsmusterdes einzelnen Spalts bestimmt. Für schmale Spalten ist das Beugungsmuster beliebig breit; so-mit sind sämtliche Beugungsmaxima gleich intensiv. Der Beugungswinkel ist proportional zurWellenlänge, d.h. große Wellenlängen werden stärker gebeugt. Er ist indirekt proportional zumAbstand der Gitterlinien; somit erzeugen enge Gitter einen stärkeren Beugungseffekt.

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Für m = 0 werden alleWellenlängen gleich stark ge-beugt. In diesem Fall ergibtweißes Licht, das durch dasGitter gebeugt wird, wiederumweißes Licht. Für m ≠ 0 wer-den unterschiedliche Wellen-längen unterschiedlich starkgebeugt. Man kann deshalbGitter verwenden um unter-schiedliche Farben zu trennen.Je kleiner der Abstand zwi-schen den Linien, desto größerdie Auftrennung zwischen denLinien.

Diesen Effekt kann man z.B. auch an einer CD beobachten:die kleinen Strukturen, welche die Information der CD tragen,beugen Licht und erzeugen dadurch Farbeffekte.

Man verwendetdeshalb Reflexionsgit-ter in Spektrometern,welche dazu dienen,unterschiedliche Far-ben von Licht aufzu-trennen. Ein solches

Spektrometer enthält zunächst einen Hohlspiegel S1,welcher das einfallende Licht kollimiert und auf dasGitter lenkt. Der zweite Hohlspiegel bildet das gebeugteLicht auf den Austrittspalt ab.

6.7.6 Beugung an zweidimensionalen Objekten

Die bisher behandelten Objekte (Spalt, Doppelspalt etc.) wurden eindimensional diskutiert.In Wirklichkeit sind Blenden natürlich zweidimensionale Objekte und es soll deshalb anhandeiniger Beispiele erläutert werden wie deren Beugungsmuster aussehen.

Mit Hilfe des Huygens’schen Prinzips können wir die Amplitude des Feldes beim Punkt Pberechnen als Integral über Kugelwellen. Dieses Vorgehen kann man so motivieren: Wir ken-nen die Lösung für punktförmige Quellen und berechnen die Lösung für beliebige Quellen in-dem wir über die Verteilung von punktförmigen Quellen integrieren. Wir vernachlässigen dabeiallerdings den Teil der Kugelwelle, die nach hinten abgestrahlt wird. Das Feld am Punkt P er-halten wir indem wir über alle möglichen Lichtwege integrieren, also über die Fläche derBlende. Die Beleuchtung soll durch eine ebene Welle erfolgen, die senkrecht auf die Blendeeinfällt.

Als konkretes Beispiel berechnen wir das Beugungsbild einer rechteckigen Blende (a x b) als

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E(Æ

r) = sin(a)/a sin(b)/b

und die Intensitätsverteilung ist entsprechend das Quadrat dieser Funktion.

Eine runde Blende erzeugt die bekannten Besselfunktionen. Die Beu-gung an einer runden Scheibe ist eng verwandt mit der Beugung an einerLochblende. Beugung basiert immer auf Änderungen der Transmissions-funktion, also der Amplitude im Objektbereich. Sie bildet die räumlichenFrequenzen ab. Dies hat eine relativ interessante und einfache Konse-quenz: Beugungsbilder von komplementären Objekten sind identisch, ab-gesehen vom geometrischen Bildpunkt - dieser entspricht der Komponen-te mit räumlicher Frequenz 0. Beispiele dazu sind das Beugungsbild einesDrahtes und eines Spaltes, oder die Bilder von einem Loch vs. die Bilder

einer Scheibe. Diese allgemeine Aussage wird als Babinet'sches Prinzip bezeichnet.

6.7.7 Fresnel'sche Zonenplatte

Die Fresnel'sche Zonenplatteverwendet Beugung an kreisför-migen Zonen um ein Bild zu er-zeugen. Sie stellt damit eine Al-ternative zu Linsen dar, welche u.A. dann verwendet wird, wennkeine geeigneten Materialien fürLinsen verfügbar sind.

Zur Berechnung der Linsen-wirkung kann man das Licht ei-ner ebenen Welle, welches durcheine kreisförmige Blende tritt, ge-danklich in kreisförmige Ringeunterteilen und für jeden Ring diePhase berechnen, welche diesesLicht erhält wenn es als Elemen-tarwelle beim Punkt P eintrifft.

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Diese Phase ist durch denWeg und die optische Wellen-länge bestimmt. Im zentralenBereich A1, zwischen den Ra-dien 0 und r1 beträgt sie ca. 2πR/l, d.h. dieser Teil interferiertpositiv. Der Bereich A2, zwi-schen den Radien r2 und r3,durchläuft einen Weg, der etwaum l/2 länger ist. Dieses Lichtlöscht deshalb den Beitrag derzentralen Scheibe teilweise aus.Man kann dies vermeiden, in-dem man diesen Ring nichttransparent macht. Der BereichA3 hat eine Phase, die 2π größer ist als der zentrale Bereich; er interferiert somit positiv.Durch Abwechseln von transparenten und undurchsichtigen Bereichen mit geeignetem Radiuserhält man deshalb ein optisches Element, welches die einfallende ebene Welle in einem Bild-punkt sammelt.

Das zweidimensionale Analogon zur Beugung an einem Gitter ist die Beugung an einemDrahtnetz. Hier erhält man ein zweidimensionales Muster von Beugungsmaxima, wobei diehorizontale Richtung die Fouriertransformierten des Gitters in horizontaler Richtung darstellt,die vertikale Richtung die Fouriertransformierte in vertikaler Richtung. Man erhält hier zweiBedingungen für das Auftreten eines Reflexes:

a (sin a – sina0) = m l . (m = 0, 1, 2, …)

b (sin b – sinb0) = n l . (n = 0, 1, 2, …)

Ein Gitter mit rechteckigen Maschen ergibt deshalb unterschiedliche Abstände der Beu-gungsmaxima in horizontaler und vertikaler Richtung.

6.7.8 Beugung an dreidimensionalen Objekten

Eine wichtige Erweiterungdieses Beugungsgesetzes er-

hält man in 3 Dimensionen, wenn man kürzereWellenlängen (l ~ Å) benutzt: diese werden vonden atomaren Strukturen, deren Dimensionen vonder gleichen Größenordnung sind, gebeugt.

Exp. 86b: Kristallgittermodelle

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Für die Analyse des Beugungsprozesses führt manam besten Netzebenen ein; dabei handelt es sich um ei-ne Hilfskonstruktion: Netzebenen sind geometrische E-benen, welche identische Atome enthalten und sich pe-riodisch wiederholen. Da jedes Atom einen geringenTeil des Röntgenlichtes streut wirken solche Netzebe-nen als teildurchlässige Spiegel.

Positive Interferenz erhält man dannwenn die Weglängendifferenz zwischenzwei Netzebenen gerade einem vielfachender Wellenlänge des Röntgenlichtes ent-spricht. Die Bragg'sche Beugungsbedin-gung ist

2 d sinq = m l .

hier stellt d den Abstand zwischen Netzebenen dar, q den Einfallswinkel (=Reflexionswinkel),und m die Beugungsordnung.

Die Messung von Beugungsreflexen an Kristallen ist ei-ne Standardmethode für die Bestimmung der atomarenStruktur dieser Kristalle.

Man kannRöntgenbeu-gung an Kris-tallen machen(ideal), mussdafür die Kris-talle aber dre-hen, da sonstmeistens keine Reflexion stattfindet. Das gezeigteBeugungsmuster erhält man für monochromatischeRöntgenstrahlung.

Exp. 87: Laue-Diagramme

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Verwendet man Strahlung mit einemkontinuierlichen Spektrum, so wird dieBeugungsbedingung für die einzelnenKomponenten separat erfüllt. Man findetals Funktion des Drehwinkels deshalb einbreites Signal. In diesem Beispiel stammtdas kontinuierliche Spektrum von derBremsstrahlung der Röntgenröhre. Danachkommen zwei schmale Linien, welche zuden Linien der Ka- und Kb- StrahlungDimensionen der Einheitszelle im Kristallbestimmen. In diesem Beispiel wurde LiFgemessen.

Hat man keine Kristalle zur Verfügungso kann man (statisch) an Pulverproben messen.

Daraus kann man zwar nicht die gesamteStruktur bestimmen, aber mindestens die Gitter-konstanten und die Symmetrie des Materials.

6.7.9 Holographie

Eine wichtige Anwendung der Beugung istauch die Holographie.

Dabei wird durch die In-terferenz zweier Wellenfel-der in einer photgraphi-schen Emulsion ein Beu-gungsgitter erzeugt, dasdie gesamte Informationüber das Wellenfeld ent-hält.

Exp. 74: Hologramm