A ne Ebenen (Teil 1) - TU Dortmund

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Proseminar Lineare Algebra I/ II: Elementargeometrie (Lehramt) Affine Ebenen (Teil 1) von Jasmin Kneuper 16. Oktober 2019 Fakult¨ at f¨ ur Mathematik Technische Universit¨ at Dortmund betreut von Prof. Dr. Detlev Hoffmann und Alexander Sch¨ onert

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ProseminarLineare Algebra I/ II: Elementargeometrie (Lehramt)

Affine Ebenen (Teil 1)

von Jasmin Kneuper

16. Oktober 2019

Fakultat fur MathematikTechnische Universitat Dortmund

betreut von Prof. Dr. Detlev Hoffmann und Alexander Schonert

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1 Vorbemerkungen

Ziel dieses Vortrages ist es, die Grundlagen fur die folgenden Vortrage zu legen undeine Einfuhrung in Inzidenzstrukturen, Affine Ebenen und Parallelitat zu geben.Ich orientiere mich eng an dem Vorlesungsskript “Grundbildung Geometrie” vonHubert Kiechle der Universitat Hamburg aus dem Sommersemester 2012,welches um weitere Ausfuhrungen zum tieferen Verstandnis erganzt wurde.

Definition 1.1. Punkte sind die Elemente einer beliebigen Menge P = {A,B, ...}.

Definition 1.2. Geraden sind die Elemente der Potenzmenge P von P, al-so Teilmengen von P1. Die Menge aller Geraden sei mit G = {a, b, g, h, ...}bezeichnet.

Anmerkung. Die haufig aus der Schule bekannten Floskeln “ein Punkt P liegtauf der Geraden g”, “g lauft durch P” oder (vielleicht weniger bekannt) “Pinzidiert mit g” meinen, dass fur P ∈ P und g ∈ G gilt, dass P Element von gist, in Zeichen P ∈ g.

Bemerkung. G lasst sich auch als eine beliebige weitere Menge auffassen. DieInzidenz 2 lasst sich dann durch eine Relation 3 I ⊆ P×G erklaren:

Ein Punkt P ∈ P liegt auf einer Geraden g ∈ G, wenn (P, g) ∈ I.

2 Grundlegendes

Definition 2.1. Sei P eine Menge von Punkten und G ⊆ P eine Menge vonGeraden.

A ∈ P liegt auf g ∈ G :⇐⇒ A ∈ g

Das Paar (P,G) heißt Inzidenzstruktur.

Beispiel. (1) Zahlenstrahl : P = R, G = {R} ⊆ PJeder Punkt P ∈ R, also jede reelle Zahl, liegt auf der Geraden g ∈ G, also aufdem Zahlenstrahl:

∀P ∈ R : P ∈ g

Es gibt uberabzahlbar viele Punkte P ∈ R, aber nur eine Gerade g ∈ G,namlich g = R.

1hier sei zur Wiederholung auf das Skript von Herrn Prof. Dr. Hoffmann aus dem WiSe2018/19, Definition & Satz 1.1.6, verwiesen

2Inzidenz beschreibt die Beziehung zwischen einem Punkt und einer Geraden, wobei derPunkt auf der Geraden liegt

3zur Wiederholung: ebd., Definition 1.2.1

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Beweis. ZZ R ist uberabzahlbar.Wir gehen nach Cantors Diagonalverfahren vor und stellen in einer nummeriertenListe die reellen Zahlen dar. Nun konstruieren wir eine “neue” Zahl, welche nichtin unserer Liste auftaucht - und zwar unabhangig von unserer erstellten Listeund vom Umfang dieser. Wandeln wir dazu in unserer “neuen” Zahl jeweils dien-te Nachkommastelle der n-ten Zahl ab, sodass sich unsere “neue” Zahl nun vonder n-ten Zahl in der n-ten Nachkommastelle unterscheidet. Wir haben damitgezeigt, dass jede mogliche Liste reeller Zahlen unvollstandig ist, da wir unsimmer eine reelle Zahl konstruieren konnen, welche nicht in der Liste auftaucht.Ein Beispiel zur Illustration:

1. Zahl 0,123456...2. Zahl 0,132789...3. Zahl 0,498255...4. Zahl 0,681431...

usw.

Eine mogliche “neue” reelle Zahl: 0,3196...

(2) Anschauungsebene:(P,G):=AG(2,R) mit P = R2, G = {gm,b, gk; m, b, k ∈ R}.Hierbei sei gm,b := {(x,mx+b); x ∈ R} und gk := {(k, y); y ∈ R} ∀ m, b, k ∈ R.Dann gilt beispielsweise (1, 0) ∈ g1 ∩ g1,−1 und A = (5, 3) /∈ g1,2 :

g1 ∩ g1,−1 = {(1, y) y ∈ R} ∩ {(x, x− 1), x ∈ R} x=1= {(1, 0)} und

g1,2 = {(x, x + 2), x ∈ R} x=5=⇒ (5, 7) ∈ g1,2, (5, 3) /∈ g1,2

Abb. 1: Anschauungsebene uber R aus (2)

Beispiel (etwas abstrakter). (1) Sei P := {A,B,C,D,E, F,G,H} eine Punkt-menge und sei G := {{A,B}, {A,D}, {A,E}, {B,C}, {B,F}, {C,D}, {C,G},{D,H}, {E,F}, {E,H}, {F,G}, {G,H}} ⊆ P die Menge aller Geraden. In die-sem Beispiel ist eindeutig bestimmt, ob ein Punkt auf einer Geraden liegt oder

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nicht. Jedoch ist die Vorstellung der Geraden etwas abstrakt:

Abb. 2: Schragbild Wurfel Abb. 3: planar

Die Geraden bestehen hier jeweils nur aus zwei Punkten, anschaulich aus jezwei Eckpunkten des Wurfels. Zwei Punkte liegen anschaulich gesprochen genaudann auf einer Geraden, wenn sie zu einer Kante des Wurfels gehoren, da genaujede Wurfelkante einer Geraden entspricht.

(2) Sei nun P := {A,B,C,D} eine Punktmenge und sei G := {{A,B}, {A,C},{A,D}, {B,C}, {B,D}, {C,D}} die Menge aller Geraden, welche aus allen zwei-elementigen Teilmengen von P besteht.Anschaulich lasst sich dies auf zwei verschiedene Weisen darstellen: die Elementevon P konnen wir uns als Eckpunkte eines Tetraeders oder als Eckpunkte ei-ner quadratisch-planaren Figur vorstellen. Wie zuvor liegen auf jeder Geradenimmer zwei Punkte und umgekehrt bestimmen je zwei Punkte immer eine Gerade.

Abb. 4: Schragbild Tetraeder Abb. 5: planar

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Abb. 6: quadratisch-planareFigur

Die Geraden {A,C}, {B,D} ∈ G besitzen keinen gemeinsamen Punkt, obwohles in der Abbildung 6 so wirkt:

{A,C} ∩ {B,D} = ∅

Wir sehen, dass verschiedene Punkte also zur gleichen Geraden gehoren konnen,aber nicht mussen. Ebenso konnen verschiedene Geraden gemeinsame Punktehaben, mussen es aber nicht.

Definition 2.2. Man nennt

Punkte P1, ..., Pn kollinear :⇐⇒ ∃g ∈ G : ∀i ∈ {1, ..., n} : Pi ∈ g

Geraden g1, ..., gn kopunktal :⇐⇒ ∃P ∈ P : ∀i ∈ {1, ..., n} : P ∈ gi

Beispiel. (1) Anschauungsebene uber R (siehe auch Seite 2):

Die Punkte A = (0, 1), B = (0, 0) undC = (1, 0) ∈ AG(2,R) sind nicht kollinear(Beweis siehe Seite 4):

Zwei verschiedene Geraden sind hier genau dann kopunktal, wenn sie imherkommlichen Sinne nicht parallel sind.

Beweis. ZZ g1, g2 ∈ AG(2,R), g1 6= g2 kopunktal ⇐⇒ g1 6‖ g2.

Wir nutzen an dieser Stelle bereits die Definition 4.1. Sei (P,G) = AG(2,R),g1, g2 ∈ G , g1 6= g2. Dann gilt:

g1 ∦ g24.1,g1 6=g2⇐⇒ g1 ∩ g2 6= ∅ ⇐⇒ ∃ P ∈ P : P ∈ g1 ∩ g2 ⇐⇒ ∃ P ∈ P :

∀i ∈ {1, 2} : P ∈ gi2.2⇐⇒ g1 und g2 kopunktal.

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(2) Im ”Wurfelbeispiel”(siehe Seite 2) sind A,G ∈ P nicht kollinear, da∀g ∈ G : ∃i ∈ {1, 2} : Pi /∈ g, wobei hier P1 = A,P2 = G.

(3) Im ”quadratisch-planaren Beispiel”(siehe Seite 3) sind die Geraden{A,C} ∈ G und {B,D} ∈ G nicht kopunktal, obwohl es in der Abbildungauf den ersten Blick so erscheint, denn ∀P ∈ P : ∃i ∈ {1, 2} : P /∈ gi, wobeig1 = {A,C}, g2 = {B,D}, weil:

{A,C} ∩ {B,D} = ∅

3 Affine Ebene

Definition 3.1. Die Inzidenzstruktur (P,G) heißt affine Ebene :⇐⇒

(AE1) ∀P,Q ∈ P, P 6= Q : ∃! g ∈ G : P,Q ∈ g4

(AE2) ∀g ∈ G : ∀P ∈ P \ g : ∃! h ∈ G : P ∈ h ∧ g ∩ h = ∅5

(AE3) P enthalt mindestens drei nichtkollineare Punkte6

Beispiel. (1) Der Zahlenstrahl (siehe Seite 1) ist keine affine Ebene, da (AE3)nicht erfullt ist: alle Punkte P ∈ R liegen auf einer Geraden, namlich auf R, siesind also kollinear.

(2) Die Anschauungsebene (siehe Seite 2) ist eine affine Ebene.7

(3) Der Wurfel aus vorherigem Beispiel (siehe Seite 2) mit acht Ecken alsPunktmenge und zwolf Eckenpaaren als Geradenmenge (Kanten) ist keine affineEbene, da (AE1) nicht erfullt ist, denn zum Beispiel A,G ∈ P, A 6= G, aber∀g ∈ G : A ∈ g∨G ∈ g, aber nicht A∧G ∈ g. Außerdem ist (AE2) nicht erfullt,da zum Beispiel {A,B} ∈ G, C ∈ P \ {A,B}, aber C ∈ {C,D} und C ∈ {C,G}und {A,B} ∩ {C,D} = ∅ = {A,B} ∩ {C,G}; es existiert also mehr als genaueine Gerade, die C enthalt und deren Schnitt mit {A,B} leer ist.

(4) Fur den Tetraeder aus vorherigem Beispiel (siehe Seite 3) mit selbigerDefinition gilt: (P,G) ist eine affine Ebene.

Beweis. ZZ (P,G) mit P := {A,B,C,D}, G := {{A,B}, {A,C}, {A,D}, {B,C},{C,D}} ist eine affine Ebene.

(AE1) Da alle Elemente, das heißt alle Punkte, von P paarweise verschiedensind und damit auch alle Geraden aus G paarweise verschieden sind, gilt (AE1),denn G enthalt alle zweielementigen Teilmengen von P.

4Zwei verschiedene Punkte legen genau eine Gerade fest; sichert die Existenz und Eindeu-tigkeit der Verbindungsgeraden

5so genanntes Euklidisches Parallelenaxiom6nicht alle beliebigen drei Punkte in P erfullen (AE3), aber es existieren mindestens drei,

die (AE3) erfullen!7Beweis dazu spater

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(AE2) Sei g = {A,B}. Fur C,D ∈ P (C,D /∈ {A,B}) :

C ∈ {A,C}, {B,C} und {C,D}, aber nur {A,B} ∩ {C,D} = ∅D ∈ {A,D}, {B,D} und {C,D}, aber nur {A,B} ∩ {C,D} = ∅

=⇒ ∃!h ∈ G : C ∈ h bzw. D ∈ h und g ∩ h = ∅. Fur die anderen Punkteverfahre man analog.

(AE3) Da G nur aus zweielementigen Teilmengen von P besteht, P abervierelementig ist, existieren in P mindestends drei nichtkollineare Punkte.

(5) R3 ist keine affine Ebene, da beispielsweise windschiefe Geraden ebenfallseine leere Schnittmenge haben und P ∈ P \ g, g ∈ G, ebenfalls auf diesenwindschiefen Geraden liegen kann; (AE2) ist also nicht erfullt.

(6) Verallgemeinerung von (2): Fur jeden Korper K ist (P,G) := AG(2,K)mit P = K2, G = {gm,b, gk; m, b, k ∈ K} eine affine Ebene. Dabei sind gk undgm,b wie auf Seite 2 mit allgemeinem Korper K statt R definiert (Beweis sieheSeite 9).

(7) Sei (P,G) = AG(2,Z5). Wir schreiben kurzer, aber ungenauer, a statt[a]5.

i) Bestimme die Gerade g ∈ G durch die Punkte (1, 2), (3, 3) ∈ P:(1 1 23 1 3

)[2]−3[1]

=⇒(

1 1 20 −2 −3

)=⇒

(1 1 20 1 4

)[1]−[2]=⇒

(1 0 30 1 4

)=⇒ (1, 2), (3, 3) ∈ g3,4 = {(x, 3x + 4), x ∈ Z5}.

Da Z5 ein Korper ist, weil 5 eine Primzahl ist8, ist AG(2,Z5) eine affineEbene, sodass wegen (AE1) die oben bestimmte Gerade durch die beiden Punkteeindeutig bestimmt ist.

ii) Bestimme den Schnittpunkt der Geraden g2,3, g3,4 ∈ G:

g2,3 ∩ g3,4 = {(x, 2x + 3), x ∈ Z5} ∩ {(x, 3x + 4), x ∈ Z5}∗= {(4, 1)}, denn

(*) 2x + 3 = 3x + 4 =⇒ x = 4.

iii) Die drei Punkte (0, 1), (2, 4), (4, 2) ∈ P liegen kollinear. Aufgrund von(AE1) legen zwei verschiedene Punkte genau eine Gerade g ∈ G fest, sodass nurzu zeigen ist, dass der dritte Punkt auch auf dieser eindeutigen Verbindungsge-raden liegt, um die Kollinearitat der drei Punkte zu zeigen:

Die Verbindungsgerade der Punkte (0, 1) und (2, 4) ist g4,1, denn:

8zum Beweis siehe Korollar 1.3.9 und Definition 1.4.6 des Skripts von Herrn Prof. Dr.Hoffmann aus dem WiSe 2018/19.

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(2 1 40 1 1

)[1]−[2]=⇒

(2 0 30 1 1

)=⇒

(1 0 40 1 1

).

Es gilt also: (4, 2) ∈ g4,1 = {(x, 4x + 1), x ∈ Z5}.

iv) Auf wie vielen Geraden liegt der Punkt P = (2, 3)?∀P = (p1, p2) ∈ AG(2,Zp), p Primzahl: P ∈ {g0,b, g1,b, ..., gp−1,b, gp1} (b wirdeindeutig durch p1, p2 und m bestimmt). Es gibt also p + 1-viele, durch p1 undp2 eindeutig bestimmte Geraden g ∈ G, die P enthalten.

In diesem konkreten Fall liegt P = (2, 3) auf sechs Geraden, welche mandurch Losen von linearen Gleichungen der Form p1m + b = p2 ermittelt:

g2, g1,1, g2,4, g3,2, g4,0, g0,3

(8) In AG(2,R) sind A = (−1, 0), B = (1, 2) gegeben. Bestimme die Verbin-dungsgerade vom Typ gm, b:(

−1 1 01 1 2

)[2]+[1]=⇒

(−1 1 00 2 2

)−[1]+ 1

2 [2]=⇒(

1 0 10 1 1

)=⇒ A = (−1, 0), B = (1, 2) ∈ g1,1

4 Parallelitat

Definition 4.1. In einer affinen Ebene heißen die Geraden g, h parallel, inZeichen g ‖ h :⇐⇒ g = h oder g ∩ h = ∅

Bemerkung. Je zwei Geraden konnen in einer affinen Ebene also parallel sein(schließt identisch per Definition mit ein) oder sich schneiden. Zwei Geraden sinddabei genau dann parallel, wenn sie identisch sind oder ihr Schnitt leer ist.

Notation 4.2. Wir fuhren an dieser Stelle folgende Notation ein: (P ‖ g) := hbezeichne die Parallele zu g ∈ G durch den Punkt P ∈ P.

Satz 4.3. In jeder affinen Ebene (P,G) ist ‖ eine Aquivalenzrelation auf G.

Beweis. Seien g, h, l ∈ G. Da G 6= ∅ und ‖⊆ G x G, ist ‖ eine Relation auf G.

reflexiv: ∀g ∈ G : g = g4.1

=⇒ g ‖ gsymmetrisch: Sei g ‖ h 4.1

=⇒ g = h oder g ∩ h = ∅ =⇒ h = g oder

h ∩ g = ∅ 4.1=⇒ h ‖ g.

transitiv: Seien g ‖ h und h ‖ l.(a) g ∩ l = ∅ 4.1

=⇒ g ‖ l(b) g ∩ l 6= ∅, Sei A ∈ g ∩ l. Dann gilt: (A ‖ h) = g ∧ (A ‖ h) = l(AE2)=⇒ g = l

4.1=⇒ g ‖ l.

Bemerkung. (1) Mit dem Begriff ‖ kann (AE2) auch, mit der Notation aus3.1, wie folgt formuliert werden:

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∀g ∈ G : ∀P ∈ P \ g : ∃! h ∈ G : P ∈ h ∧ g ‖ h

Diese Formulierung ist gerechtfertigt, da g 6= h aufgrund von P /∈ g, aberP ∈ h, sodass wegen 4.1 gelten muss: g ∩ h = ∅.

(2) Eine Aquivalenzklasse der Relation ‖ nennt man auch Parallelklasse oder-buschel. 9

(3) Parallelitat im Raum muss anders definiert werden, da zum Beispielwindschiefe Geraden nach 4.1 auch parallel waren, was naturlich nicht zutrifft.

Lemma 4.4. Sei (P,G) = AG(2,K), K Korper.Dann gilt ∀m,m′, b, b′, k, k′ ∈ K:

gm,b ∩ gm′,b′ =

gm,b, falls m = m′, b = b′

∅, falls m = m′, b 6= b′

{(0, b)}, falls m 6= m′, b = b′

{(x,mx + b = m′x + b′)}, falls m 6= m′, b 6= b′

(1)

gk ∩ gk′ =

{gk, falls k = k′

∅, falls k 6= k′(2)

gk ∩ gm,b = {(k,mk + b)} (3)

Beweis. Sei (P,G) = AG(2,K), K Korper. Dann gilt ∀m,m′, b, b′, k, k′ ∈ K:

zu (1): Falls m = m′, b = b′ : gm,b = gm′,b′ =⇒ gm,b ∩ gm′,b′ = gm,b.Falls m = m′, b 6= b′: gm,b ∩ gm′,b′ = ∅, denn angenommen ∃x ∈ K : mx + b

= m′x+ b′m=m′

= mx+ b′ =⇒ b = b′, was ein Widerspruch zur Annahme b 6= b′

ware.Falls m 6= m′, b = b′: gm,b ∩ gm′,b′ = {(0, b)} = {(0, b′)}, denn: mx + b

= m′x + b′b=b′=⇒ mx + b = m′x + b =⇒ mx = m′x =⇒ x(m−m′) = 0

m 6=m′

=⇒ x = 0Falls m 6= m′, b 6= b′: gm,b∩gm′,b′ = {(x,mx+b); x ∈ K}∩{(x,m′x+b′), x ∈ K}x=x= {(x,mx + b = m′x + b′)}, denn der Schnittpunkt der beiden Geraden ist

eindeutig bestimmt, da m,m′, b, b′ eindeutig festgelegt sind.

zu (2): Falls k = k′ =⇒ gk = gk′ =⇒ gk ∩ gk′ = gk.Falls k 6= k′ : gk ∩ gk′ = ∅, denn (Kontraposition) fur (x, y) ∈ P :(x, y) ∈ gk ∩ gk′ 6= ∅ =⇒ k = x = k′ =⇒ k = k′.

zu (3): gk∩gm,b = {(k, y), y ∈ K}∩{(x,mx+b), x ∈ K} x=k= {(k,mk+b)}

Beispiel. (1) In AG(2,R) seien A = (−1, 0) und B = (1, 2) gegeben. Dann gilt:

9hier sei zur Wiederholung wieder auf das Skript von Herrn Prof. Dr. Hoffmann ausdem WiSe 2018/19, Definition & Satz 1.2.4, verwiesen

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(i) (A ‖ g−1,1) = g−1,−1, denn wegen 4.1 und 4.4: m = −1 und −1 · (−1) + b= 0 =⇒ b = m = −1

(ii) (B ‖ g3) ∩ (A ‖ g0,0)4.1&4.4

= g1 ∩ g0,04.4= {(1, 0)}, denn:

B = (1, 2), A = (−1, 0)Def. gk; gm,b

=⇒ xB = 1 = k und A ∈ g0,0

Abb. 7: Veranschaulichung von (i) und (ii)

(2) Sei (P,G) = AG(2,R).Alle zu g4,1 parallelen Geraden sind vom Typ h4,b, b ∈ R, denn der Typ gk undweitere Geraden vom Typ gm,b konnen nach 4.1 und 4.4 ausgeschlossen werden.

Satz 4.5. Die Anschauungsebene AG(2,K) ist eine affine Ebene fur jedenKorper K.

Beweis. (AE1): Seien P = (p1, p2), Q = (q1, q2) ∈ P mit P 6= Q.Fall 1: Seien p1 = q1 = k ∈ K. Wegen P,Q ∈ gk = {(k, y), y ∈ K} existierteine eindeutige Verbindungsgerade vom Typ gk, da wegen 4.4 keine weitereGerade vom Typ gl, l 6= k, existieren kann. Es kann auch keine Gerade vom Typgm,b, m, b ∈ K, geben, da angenommen ∃gm,b ∈ G : P,Q ∈ gm,b

=⇒ p2 = mp1 + bp1=q1

= mq1 + b = q2p1=q1=⇒ P = Q, was ein Widerspruch zur

Voraussetzung P 6= Q ware.Fall 2: Sei p1 6= q1. Per Definition von gk kann es keine Verbindungsgerade desTyps gk geben. Also ist festzustellen, ob eine eindeutige Verbindungsgerade desTyps gm,b existiert: Wegen mp1 + b = p2, mq1 + b = q2 gilt:(

q1 1 q2p1 1 p2

)=⇒ det

(q1 1p1 1

)p1 6=q16= 0 =⇒ es existiert eine eindeutige

Losung dieses LGS =⇒ ∃ gm,b ∈ G : P,Q ∈ gm,b.=⇒ ∀P,Q ∈ P, P 6= Q : ∃! g ∈ G : P,Q ∈ g.

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(AE2): Sei P = (p1, p2) ∈ P.Fur den Typ gk ist gp1 die einzige Gerade durch den Punkt P parallel zu gk,

denn nach 4.4 gilt, dass gk ∩ gp1 = ∅ oder gk = gp14.1

=⇒ gk ‖ gp1. Es kannauch keine weitere Gerade vom Typ gl, p1 6= l, existieren, die durch P lauft und

parallel zu gk ist, da gp1 ∩ gl4.4= ∅.

Fur den Typ gm,b erhalt man mittels p2P∈gm,b

= mp1 + b =⇒ b = p2 −mp1,dass P ∈ gm,p2−mp1 . Außerdem gilt wegen 4.4: gm,p2−mp1 ‖ gm, b ∀m, b ∈ K.

(AE3): Die Punkte (0, 0), (0, 1), (1, 0) ∈ AG(2,K) sind nichtkollinear, denn:Sei g ∈ G mit (0, 1) ∈ g. Falls g = gk =⇒ k = 0 =⇒ (0, 0) ∈ g, (1, 0) /∈ g.Falls g = gm,b und (1, 0) ∈ g =⇒ m = −1, b = 1 ∈ K =⇒ (0, 0) /∈ g.Man Verfahre fur die beiden anderen Punkte analog.

=⇒ ∀g ∈ G :

(0, 1) ∧ (1, 0) ∈ g =⇒ (0, 0) /∈ g

(0, 1) ∧ (0, 0) ∈ g =⇒ (1, 0) /∈ g

(0, 0) ∧ (1, 0) ∈ g =⇒ (0, 1) /∈ g

=⇒ (0, 1), (0, 0), (1, 0) sind

nichtkollinear.

Notation 4.6. Wenn keine Verwechselung moglich ist, werden wir

• ... die in einer affinen Ebene eindeutig bestimmte Gerade durch die ver-schiedenen Punkte A und B kurzer, aber ungenauer, mit AB bezeichnen,

• ... statt g ∩ h = {X} fur g, h ∈ G, X ∈ P kurz g ∩ h = X schreiben,

• ... mit (A ‖ g) die nach (AE2) eindeutig bestimmte Gerade durch a ∈ P,die parallel zu g ∈ G verlauft, bezeichnen.

Lemma 4.7. Die Anschauungsebene AG(2,Zp), p Primzahl, ist eine affineEbene und jede Gerade g ∈ AG(2,Zp) tragt p-viele Punkte.

Beweis. p Primzahl =⇒ Zp Korper 10 4.5=⇒ AG(2,Zp) ist affine Ebene.

Fur den Geradentyp gk = {(k, y), y ∈ Zp}, k ∈ Zp, ist k fest gewahlt und yvariabel =⇒ p-viele Moglichkeiten y zu wahlen =⇒ p-viele unterschiedlicheTupel (k, y) =⇒ gk tragt p-viele Punkte.Fur den Geradentyp gm,b = {(x,mx + b), x ∈ Zp}, m, b ∈ Zp, sind m, b festgewahlt und x variabel =⇒ p-viele Moglichkeiten x zu wahlen =⇒ p-vieleunterschiedliche Tupel (x,mx + b) =⇒ gm,b tragt p-viele Punkte.

Beispiel. Sei (P,G) = AG(2,Z3). Schreibe kurzer, aber ungenauer a statt [a]3.Alle moglichen Punkte dieser Anschauungsebene sind:P = {(0, 0), (0, 1), (0, 2), (1, 0), (1, 1), (1, 2), (2, 0), (2, 1), (2, 2)}, da zum Beispielgilt: (5, 3) = (2, 0).

10Zum Beweis siehe Korollar 1.3.9 und Definition 1.4.6 des Skripts von Herrn Prof. Dr.Hoffmann aus dem WiSe 2018/19.

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Abb. 8: Punkte der Anschau-ungsebene uber Z3

Die Gerade g2,0 = {(0, 0), (1, 2), (2, 1)} lasst sich wie folgt veranschaulichen:

Abb. 9: Gerade g2,0 in Anschau-ungsebene uber Z3

(i) ((0, 2) ‖ g2,0) = g2,2 ((0, 2) ∈ P; g2,0, g2,2 ∈ G), wegen 4.4 und(0, 2) ∈ g2,2 = {(x, 2x + 2), x ∈ Z3}

(ii) zu g2,0 gibt es genau drei Parallelen: g2,0, g2,1, g2,2, da alle anderenGeraden der zwei Typen aufgrund von 4.4 ausgeschlossen werden konnen. DesWeiteren bestimmen nach (AE2) zwei verschiedene Punkte genau eine Verbin-dungsgerade. Da auf dieser jeweils drei Punkte liegen, da wir uns in Z3 befinden(siehe 4.7), befinden sich alle neun Punkte aus P auf insgesamt drei Geraden desTyps g2,b, b ∈ Z3.

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