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    Bewertung von Nervenschden nach der Gliedertaxe der privaten Unfallversicherung Stand 26.10.2013 Vorbemerkung Die Begutachtung von Nervenschden an den Extremitten erfolgt im Bereich der privaten Unfallver-sicherung (PUV) in den deutschsprachigen Lndern bekanntermaen nach der sog. Gliedertaxe. Diese gibt fr den Verlust oder die vollstndige Funktionsunfhigkeit von Gliedmaen und deren Abschnitten (Hnde, Finger, Fe, Zehen) sowie von Sinnesorganen entsprechend dem jeweiligen Vertrag feste Invalidittswerte vor. Je nachdem, ob ein Standardvertrag oder ein Spezialvertrag (z.B. Gliedertaxe Heilberufe) gewhlt wurde, schwanken die Invalidittswerte dabei in erheblichem Umfang (Tabelle 1). Im Einzelfall, z.B. bei einem Versicherungsvertrag fr Musiker, kann auch bereits der Ver-lust oder die Funktionsunfhigkeit eines Fingers zur Auszahlung der vollen Versicherungssumme fhren. Tab. 1. Vergleich der Invalidittswerte fr die verschiedenen Extremittenabschnitte in unterschiedli-chen Vertragsgestaltungen der privaten Unfallversicherung

    Invaliditt fr Standardvertrag Gngige Spezialvertrge

    Arm 70% 75-100%

    Hand 55% 65-100%

    Daumen 20% 25-60%

    Zeigefinger 10% 15-60%

    Anderer Finger 5% 10-20%

    Bein 70% 75-80%

    Fu 40% 50-70%

    Aufgrund der fr den Sachverstndigen nicht immer klar ersichtlichen Vertragsgrundlagen hat es sich eingebrgert, dass im Rahmen von Gutachten die Funktionsbeeintrchtigung von Gliedmaen und deren Abschnitten (und Sinnesorganen) unabhngig von den individuell unterschiedlichen Invalidi-ttswerten der Gliedertaxe als Bruchzahlen in Bezug auf die jeweils volle Funktion angegeben werden.

    Als Orientierungshilfe fr die Bewertung haben sich im Laufe der Jahre aus Einzelpublikationen her-aus Bruchzahlen fr den vollstndigen Funktionsverlust einzelner Nerven der oberen und unteren Extremitten herausgebildet, die jedoch zum Teil durchaus betrchtliche Unterschiede zeigen. Tabel-le 2 listet die in der Literatur fr Deutschland und sterreich publizierten Bruchzahlen einschlielich deren Varianzen auf. Fr die Situation in Deutschland wurde auf die Monographien von Hausotter 2006, Lehmann u. Ludolph 2013, Ludolph 2012, Suchenwirth et al. 2000, Thomann et al. 2012 sowie Widder u. Gaidzik 2011 zurckgegriffen, fr die Verhltnisse in sterreich auf eine Publikation des Versicherungsverbandes sterreich. Fr die Schweiz konnten keine dezidierten Werte gefunden werden.

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    Ziel der aktuellen Aktion ist es, die in der Literatur genannten Bruchzahlen fr einzelne Nerven auf ihre Richtigkeit hin zu berprfen und dabei insbesondere auch ersichtliche Varianzen in der Bewer-tung aufzulsen. Hierzu erfolgte bereits eine erste Sichtung und Bearbeitung durch eine Experten-gruppe1. Im Rahmen des Gutachterforums anlsslich des 7. Refresher-Seminars Neurologische Be-gutachtung der DGNB e.V. am 15./16.11 2013 soll versucht werden, fr verschiedene Fragen einen Konsens zu erreichen (s. unten).

    Regeln fr die Bemessung von Funktionsbeeintrchtigungen Unabhngig von den in der Literatur beschriebenen Bruchzahlen bei Vorliegen eines vollstndigen Funktionsverlusts einzelner Nerven sind folgende Grundregeln fr die Bemessung unfallbedingter Funktionsbeeintrchtigungen in der privaten Unfallversicherung zu bercksichtigen:

    1. Die Bewertung der Invaliditt bezieht sich auf die Ist-Situation unfallbedingter Funktionsbeein-trchtigungen zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt (meist 3 Jahre nach dem Unfallereignis).

    2. Mastab fr die Bewertung von Nervenschden sind alle die betroffene Extremitt bzw. deren Abschnitte betreffenden Funktionsbeeintrchtigungen aufgrund motorischer und sensibler Aus-flle, jedoch auch durch Schmerzen, die von der Nervenschdigung hervorgerufen wurden.

    3. Soweit schmerzbedingte Funktionsbeeintrchtigungen ber die Beeintrchtigung der jeweili-gen Gliedmaen hinaus die gesamten Lebensumstnde wesentlich einschrnken, kann im be-grndeten Einzelfall zustzlich eine Beeintrchtigung der krperlich-geistigen Leistungsfhigkeit (BdL) in % Bercksichtigung finden (z.B. bei nachweisbaren Nebenwirkungen erforderlicher Me-dikamente).

    4. Die Bewertung der Funktionsbeeintrchtigungen erfolgt abstrakt entsprechend der Auswirkungen (motorisch, sensibel, schmerzbedingt) auf alle Bereiche des tglichen Lebens und nicht, wie in der gesetzlichen Unfallversicherung, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht zu bercksichtigen ist auch der konkret ausgebte Beruf.

    5. Magebend fr die Einschtzung ist nicht der Sitz der Verletzung, sondern der Sitz der Funkti-onsausflle. Entsprechend sind Funktionsbeeintrchtigungen, sofern sie z.B. nur die Hand be-treffen, auf diese zu beziehen (in Tabelle 2 blau markiert).

    6. Aufgrund der besseren bersichtlichkeit ist durch 10 oder 20 teilbaren Bruchzahlen (1/20, 1/10, 2/10 ) der Vorzug gegenber anderen Bruchzahlen zu geben (Ausnahme 1/1).

    7. Rechte und linke Gliedmaen werden unabhngig von der Hndigkeit gleich bewertet.

    8. Eine Addition der Invalidittsgrade fr die einzelnen Gliedmaenabschnitte einer Extremitt (Arm, Hand, Finger) bzw. einzelner betroffener Nerven erfolgt nicht. Mageblich ist die kumulative Funktionsbeeintrchtigung in Bezug auf den am weitesten proximal betroffenen Gliedmaen-abschnitt jeder der 4 Extremitten.

    9. Die Bildung der Gesamtinvaliditt erfolgt im Gegensatz zur Gesamt-MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht durch den Gutachter.

    1 B. Widder (federfhrend), G. Gahn, W. Hausotter, J. Madlener, H. Mller-Vahl, H.U. Puhlmann, R. Schneider, M. Tegenthoff, K.D. Thomann

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    Fragestellungen im Rahmen des Refresher-Seminars

    Im Rahmen des Gutachterforums anlsslich des 7. Refresher-Seminars Neurologische Begutachtung der DGNB e.V. am 15./16.11.2013 soll ein Meinungsbild zu folgenden Fragen hergestellt werden:

    1. Welche Nerven sollen in der Tabelle 2 Eingang finden, insbesondere

    a) Sollen auch Nervenwurzeln einbezogen werden, wie von Hausotter 1994 vorgeschlagen? Als Gegenargument genannt wurde die recht ausgeprgte Variabilitt der bei Nervenwurzelsch-den auftretenden Defizite.

    b) Sollen mglichst alle die Gliedmaen betreffenden Nerven erfasst werden, auch solche, die in der Begutachtungssituation kaum je isoliert betroffen sind (z.B. N. subscapularis, N. dorsalis scapulae, N. thoracodorsalis)?

    c) Sollen zuknftig auch Nerven aufgelistet werden, die auerhalb der Gliedertaxe zu bewerten sind (z.B. Nn. supraclaviculares, N. ilioinguinalis, N. genitofemoralis, N. iliohypogastricus, N. pudendus, N. occipitalis major)?

    2. Sollen in zuknftigen Bewertungstabellen die mit Nervenschden einher gehenden Funktionsst-rungen beschrieben werden, wenn ja, in welchem Umfang (z.B. auch schmerzbedingte Funkti-onsstrungen)?

    3. Welche Bruchzahlen fr Funktionsbeeintrchtigungen bei Totalausfall einzelner Nerven unter Einbeziehung blicher Schmerzen finden bei erster Durchsicht Konsens?

    Tab. 2 Synoptische Darstellung der in Deutschland und sterreich publizierten Bruchzahlen fr die Invaliditt bei vollstndigem Funktionsverlust von Nerven einschlielich blicher Schmerzen. Au-ergewhnliche Schmerzen knnen zu einer darber hinaus gehenden Einschtzung fhren. Um einen orientierenden Vergleich mit anderen Rechtsgebieten zu ermglichen, wurden die jeweiligen Werte der gesetzlichen Unfallversicherung (MdE) und des Versorgungsrechts (GdS) ergnzt, auer-dem wurden die bei einem AUB-Standardtarif nach der Gliedertaxe (Arm 70%, Hand 55%, Bein 70%, Fu 40% Invalidittsleistung) vom Versicherten zu erwartenden Invalidittsleistungen entsprechend der bislang publizierten Werte in % angegeben (Spalte 6). Da die Tabellenwerke fr das chirurgische Fachgebiet jeweils die konkreten Funktionsausflle nennen, wurde der Versuch unternommen, die bei Nervenschden zu erwartenden sensomotorischen Leitsymptome der Vollstndigkeit halber auch in der vorliegenden Zusammenstellung aufzufhren.

    Verwendete Abkrzungen A Armwert H Handwert D Daumenwert ZF Zeigefingerwert Fi Fingerwert III-V B Beinwert F Fuwert

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    Obere Extremitten

    Nerven-wurzeln

    Leitsymptome2 Vor-schlag

    Deutsch-land

    ster-reich

    % MdE GdS Anmerkungen

    C5 Entspricht berwiegend N. axillaris (ggf. M. biceps brachii mitbetroffen)

    ? 2/10 A 14 nach einem Vor-schlag von

    Hausotter 1994, in der brigen Literatur bislang nicht angegeben. Wird von den meisten Kom-mentatoren als problematisch angesehen

    C6

    Entspricht berwiegend N. musculocutaneus (zzgl. Parese Armbeugung in

    Pronation)

    ? 2/10 A 14

    C7 Hauptschlich Parese des M. triceps brachii und der langen Fingerbeuger

    ? 4/10 A 28

    C8 Entspricht berwiegend N. ulnaris im Handgelenk

    ?

    Hirnnerven Leitsymptome Vor-schlag

    Deutsch-land

    ster-reich

    % MdE GdS Anmerkungen

    N. accesso-rius

    Parese der Schulterhebung, Schwche der Seitwrtshe-

    bung des Arms 2/10 A ? 1-2/10 A 7/20 A 7-14 20 30

    Armplexus Leitsymptome Vor-schlag

    Deutsch-land

    ster-reich

    % MdE GdS Anmerkungen

    Oberer Armplexus

    Parese der Abduktion und Auenrotation im Schulter-gelenk, der Ellenbogenbeu-ger und der Dorsalextensi-on der Hand, Sensibilitts-strung Radialseite Arm

    und Hand

    5/10 A ? 4/10 A 6/10 A 28 40-50 50

    erhebliche Dis-krepanz zu ster-

    reich und MdE/GdS-Werten

    Unterer Armplexus

    Parese der langen Fin-gerbeuger und kleinen Handmuskeln (Krallen-

    hand), Sensibilittsstrung an der Ulnarseite Unterarm

    und Hand

    6/10 A ? 5/10 A 8/10 A 35 50-60 60 s. oben

    Gesamter Armplexus

    Wie oben 1/1 A 1/1 A 1/1 A 70 75 80

    2 Schmerzen knnen die erkennbaren Funktionsstrungen dominieren, sie werden