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Universitt Mannheim Fakultt für Sozialwissenschaften Bildung und soziale Mobilität in Deutschland Institutionelle und historische Ursachen für die Entwicklung sozialer Mobilität über fünf Geburtskohorten 1920-1969 Diplomarbeit am Lehrstuhl für Methoden der empirischen Sozialforschung und angewandte Soziologie Prof. Dr. Walter Müller vorgelegt von Reinhard Pollak Uhlandstrae 9a 68167 Mannheim Wintersemester 2000/2001

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Universität Mannheim Fakultät für Sozialwissenschaften

Bildung und soziale Mobilität in Deutschland

Institutionelle und historische Ursachen für die Entwicklung sozialer Mobilität über fünf Geburtskohorten 1920-1969

Diplomarbeit

am

Lehrstuhl für Methoden der empirischen Sozialforschung und angewandte Soziologie

Prof. Dr. Walter Müller

vorgelegt von

Reinhard Pollak Uhlandstraße 9a

68167 Mannheim

Wintersemester 2000/2001

Inhaltsverzeichnis

Vorwort vi

1. Einleitung 1

2. Theorien und theoriegeleitete Kontextualisierung 5

2.1. Trendansätze................................................................................................................. 5

2.1.1. Trend zu mehr (Aufwärts-)Mobilität � Die liberale Theorie des Industrialismus 6

2.1.2. Ansätze zur trendlosen Entwicklung der sozialen Mobilität............................... 10

2.1.3. Stand der Forschung in Hinblick auf Trendansätze ............................................ 12

2.2. Mikrotheoretische Ansätze zur Erklärung sozialer Mobilität............................... 17

2.2.1. Strukturelle Obergrenzen sozialer Mobilität nach Müller-Benedict bzw. Boudon........................................................................................................ 18

2.2.2. Mikrotheoretische Ansätze von Bildungsunterschieden nach Breen und Goldthorpe........................................................................................................... 19

2.2.3. Bewertung der mikrotheoretischen Ansätze im Hinblick auf die Entwicklung sozialer Mobilität................................................................................................. 27

2.2.4. Die Entwicklung der Bildungsungleichheit in Deutschland und ihre möglichen Ursachen.............................................................................................................. 30

2.3. Institutionelle, makrostrukturelle und historische Gegebenheiten bzw.

Entwicklungen ............................................................................................................ 33

2.3.1. Gegebenheiten auf der Makro-Ebene und ihr Einfluss auf die Entwicklung sozialer Mobilität................................................................................................. 33

2.3.2. Zusammenfassung der institutionellen, makrostrukturellen und historischen Einflüsse .............................................................................................................. 45

2.3.3. Rückanbindung der Gegebenheiten auf der Makro-Ebene an die Mikrotheorie von Breen und Goldthorpe .................................................................................. 46

2.4. Hypothesen zur Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland ................... 49

3. Operationalisierungen zentraler Konzepte 53

3.1. Der Klassenansatz nach Goldthorpe ........................................................................ 53

3.1.1. Soziale Klassen als Sozialstrukturmerkmal ........................................................ 53

ii3.1.2. Das Klassenschema nach Goldthorpe ................................................................. 54

3.1.3. Verwendung der 7-Klassen-Version nach Erikson/Goldthorpe (1992) .............. 57

3.2. Die CASMIN-Bildungsvariablen .............................................................................. 57

3.3. Der Männer zentrierte Ansatz .................................................................................. 58

3.4. Der Kohortenansatz und das A-P-K - Problem....................................................... 60

4. Daten 63

4.1. Der neue Mobilitäts-Datensatz.................................................................................. 63

4.1.1. Verschiedene Datenquellen................................................................................. 63

4.1.2. Vergleichbarkeit der Datensätze ......................................................................... 65

4.1.3. Verzicht auf eine Gewichtung der Datensätze .................................................... 66

4.1.4. Güte der Stichproben........................................................................................... 67

4.1.5. Variablen und Stichprobenumfang je nach Variablenauswahl ........................... 68

4.2. Die Mikrozensus-Zusatzerhebung 1971 ................................................................... 69

5. Die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland 71

5.1. Absolute Mobilitätsraten – direkt erlebte soziale Mobilität................................... 71

5.2. Relative Mobilitätsraten – wird die westdeutsche Gesellschaft offener?.............. 77

5.2.1. Bestätigen sich Erikson und Goldthorpes Kohortenergebnisse?......................... 78

5.2.2. Analysen für alle Befragten zwischen 20-64 Jahren........................................... 80

5.2.3. Untersuchungsanlage für das A-P-K-Problem.................................................... 83

5.2.4. Kohortenanalyse nach dem A-P-K-Design ......................................................... 85

6. Der Einfluss der Vertriebenen auf die soziale Mobilität 90

6.1. Kontinuität vs. „Durcheinanderwirbeln“ der Gesellschaft.................................... 90

6.2. Replikation der Mobilitätsentwicklung mit der MZU71........................................ 91

6.3. Überprüfung der Hypothesen bzgl. der Vertriebenen............................................ 92

6.4. Verfeinerte Analysen nach Alter, Perioden und Kohorten .................................... 95

iii

7. Der Einfluss der Bildung auf die soziale Mobilität 99

7.1. Abnehmende Bildungsungleichheit im Kohortenverlauf ....................................... 99

7.2. Einfluss der Bildung auf die soziale Platzierung ................................................... 101

7.3. Hat Bildung eine vermittelnde Wirkung?.............................................................. 104

8. Diskussion und Ausblick 107

Appendix 113

Literaturverzeichnis 129

iv

Verzeichnis der Schaubilder und Tabellen

Schaubild 1: Erweiterter Entscheidungsbaum nach Breen/Goldthorpe (1997)..................... 25

Schaubild 2: Beziehung zwischen Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung I ........... 30

Schaubild 3: Beziehung zwischen Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung II .......... 41

Schaubild 4: Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland ........................................ 91

Schaubild 5: Schematische Darstellung des Gesamtmodells .............................................. 104

Tabelle 3.1: Das Goldthorpe-Klassenschema, ausführliche Version ................................... 57

Tabelle 3.2: CASMIN-Bildungsklassifikation ..................................................................... 60

Tabelle 4.1: Berufliche Stellung für Männer, Vergleich Mikrozensus 1993 mit Mobilitäts-Daten 1992-1994 ............................................................................ 70

Tabelle 4.2: Entwicklung des Stichprobenumfangs je nach Variablenauswahl................... 71

Tabelle 5.1: Totale Mobilitätsraten für fünf Geburtskohorten ............................................. 74

Tabelle 5.2: Immobilität bzw. Vererbung der Klassenposition für fünf Geburtskohorten .. 74

Tabelle 5.3: Anteil der Arbeitslosen nach Herkunftsklasse für drei Perioden ..................... 77

Tabelle 5.4: Anteil der Arbeitslosen nach Herkunftsklasse für fünf Geburtskohorten ........ 77

Tabelle 5.5: Selbstrekrutierung der Klassen für fünf Geburtskohorten ............................... 78

Tabelle 5.6: Fit Statistiken für CnSF- und UNIDIFF-Modelle ............................................ 83

Tabelle 5.7: Zellbesetzungen nach dem A-P-K-Untersuchungsdesign................................ 87

Tabelle 5.8: Fit Statistiken für CnSF- und UNIDIFF-Modelle nach dem A-P-K-Design ... 89

Tabelle 6.1: Totale intragenerationale Immobilität zwischen 1939 und 1950 ..................... 93

Tabelle 6.2.: Vergleich der UNIDIFF-Parameter zwischen MZU71 und Mobilitätsdaten... 95

Tabelle 6.3: UNIDIFF-Parameter für Kohorten für drei Bevölkerungsgruppen.................. 96

Tabelle 6.4: UNIDIFF-Parameter für drei Bevölkerungsgruppen für Kohorten.................. 97

Tabelle 6.5: Alters-, Perioden- und Kohortenstruktur in der MZU71.................................. 98

Tabelle 6.6: UNIDIFF-Parameter für 12 Mobilitätstabellen nach MZU71-Design........... 100

Tabelle 7.1: Fit Statistiken für Zusammenhang von Herkunft und Bildung ..................... 103

Tabelle 7.2: Fit Statistiken für Gesamtmodelle nach dem A-P-K-Design ......................... 105

v

Vorwort

Diese Diplomarbeit entstand am Lehrstuhl für Methoden der empirischen Sozialforschung und angewandte Soziologie im Rahmen eines größeren Forschungsvorhabens zum Thema �Soziale Mobilität�.1 Neben dieser Diplomarbeit liegt bereits ein Konferenzbeitrag von Prof. Dr. Walter Müller und mir vor (Müller/Pollak 2000), in dem ähnliche Probleme wie in der folgenden Diplomarbeit untersucht wurden. Grundlage für diese Analysen war der in dieser Diplomarbeit vorzustellende Mobilitätsdatensatz. Die vorliegende Diplomarbeit baut auf dem Konferenzpapier auf: Wichtige Teile � insbesondere der Fokus auf die Kohortenanalyse, das �A-P-K-Design� sowie das daraus resultierende Schaubild zur Entwicklung sozialer Mobilität � wurden bereits in dem Konferenzbeitrag entwickelt (vgl. Kapitel 5.2). Die Arbeit ergänzt und erweitert die bereits berichteten Ergebnisse in zweierlei Hinsicht: Erstens ist es möglich, die in dem Konferenzbeitrag aufgestellten Vermutungen über die Entwicklung der sozialen Mobilität mit Hilfe eines externen Datensatzes zu validieren (Kapitel 6). Die Betrachtung absoluter Mobilitätsraten im Sinne von Anteilen �sozialer Aufstiege� und �sozialer Abstiege� ist außerdem wesentlich weiter entwickelt (Kapitel 5.1). Zweitens wird in der Diplomarbeit die Rolle der Bildung für die Entwicklung der sozialen Mobilität explizit überprüft: Auf theo-retischer Ebene soll versucht werden, eine Anbindung an bestehende mikrotheoretische Er-klärungen zur sozialen Mobilität herzustellen, in welchen die Bildung von zentraler Be-deutung ist (Kapitel 2). Methodisch wird die Rolle der Bildung nicht wie im Konferenzbeitrag durch ein vorgegebenes Mobilitätsregime (das so genannte CORE-Modell2) untersucht, sondern durch Modelle, die generell Veränderungen in der Stärke des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und sozialer Positionierung anzeigen (so genannte UNIDIFF-Mo-delle3). Dadurch ist es möglich, die Bedeutung der Bildung für die Entwicklung der sozialen Mobilität insgesamt bewerten zu können (Kapitel 7).

Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei Prof. Dr. Walter Müller bedanken, zum einen für die Einbeziehung in sein Forschungsvorhaben zu sozialer Mobilität, zum anderen für die Betreuung dieser Diplomarbeit mit all den damit verbundenen spannenden Diskussionen und hilfreichen Tipps. Ebenso gilt mein Dank meinem Freund Volkhart Heinrich, der mich mit seinen kritischen Fragen immer wieder dazu brachte, mich noch genauer und intensiver mit

1 Ausgangspunkt hierbei ist ein international vergleichendes Projekt zu sozialer Mobilität von Richard Breen am European University Institute, Florenz (�National Patterns of Social Mobility 1970-1995: Divergence or Convergence?�). 2 siehe Erikson/Goldthorpe (1992a)

vi3 siehe ebenfalls Erikson/Goldthorpe (1992a) und Xie (1992)

meiner Argumentation auseinander zu setzen, und der mir tapfer beim Layout dieser Arbeit zur Seite stand. Schließlich möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, die mich während meines gesamten Studiums so sehr unterstützten, dass ich mich stets darauf konzentrieren konnte. Dafür mein ausdrücklicher Dank.

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1. Einleitung

Soziale Mobilitätsforschung ist ein theoretisch anspruchsvolles, methodisch herausforderndes und gesellschaftspolitisch höchst spannendes Unternehmen. Ausgangspunkt ist dabei die Vor-stellung, dass es in einer Gesellschaft �soziale Positionen� gibt, die mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen behaftet sind. Diese sozialen Positionen existieren unabhängig von Per-sonen, vielmehr werden diese Positionen von Personen besetzt (Grusky 1994). Der Kernge-danke der sozialen Mobilität ist die �Bewegung� einer Person von einer sozialen Position in eine andere. Besondere Bedeutung erhält das Konzept, wenn man die soziale Position der Eltern mit der sozialen Position der Kinder vergleicht, die so genannte intergenerationale Mobilität. Die Verteilung der Vor- und Nachteile auf bestimmte Positionen reflektiert die Ungleichheit, die in einer Gesellschaft herrscht. Betrachtet man daher das Ausmaß der inter-generationalen Mobilität, betrachtet man gleichzeitig, inwieweit die soziale Ungleichheit einer Gesellschaft über die Generationen hinweg reproduziert wird. Eine solche Untersuchung ist theoretisch anspruchs- und voraussetzungsvoll, weil man zumindest implizit eine Vorstellung darüber haben muss, warum die Vor- und Nachteile unterschiedlich auf die einzelnen Positio-nen verteilt sind (vgl. Sørensen 1991, Davis/Moore 1994); sie ist methodisch knifflig, weil man unter anderem Eltern und Kinder zu verschiedenen Zeitpunkten mit jeweils unterschied-lichen Rahmenbedingungen betrachtet (vgl. Mayer/Müller 1978); und sie ist gesellschaftspo-litisch hoch brisant, weil eine solche Untersuchung Auskunft darüber gibt, wie sehr beste-hende soziale Strukturen über Generationen hinweg eingefahren bleiben oder wie sehr sich die Chancen für Kinder aus jeweils verschiedenen Positionen angeglichen haben. Gerade dieser letzte Punkt der Chancengleichheit wurde vor allem in den 1970er Jahren heftig disku-tiert. Dabei kam insbesondere die Idee auf, dass es �Chancengleichheit durch Bildung�4 geben könne, da die Bildung ein zentraler Mechanismus der Zuweisung der Personen auf Positionen darstelle. Dem recht großen politischen Reformwillen der damaligen Zeit folgten nur ver-gleichsweise kleine Reformen. Es kam aber bereits ab den 1960er Jahren zu einem deutlichen Ausbau der bestehenden Institutionen und zu einem deutlichen Anstieg in der Bildungsbetei-ligung in weiterführenden Schulen.

Auch wenn sich die gesellschaftliche Debatte um die Chancengleichheit deutlich abge-schwächt hat und sie erst in den letzten Jahren im Zusammenhang mit möglichen Hochschul-reformen zaghaft wieder aufgenommen wurde, ist die Betrachtung des Einflusses der

1

4 So auch der Titel eines Gutachtens von Müller und Mayer (1976) für die Bildungskommision des Deutschen Bildungsrates.

Bildung auf die Chancengleichheit gerade heute besonders interessant, da mittlerweile die ersten Kohorten der Bildungsexpansion soziale Positionen besetzen, die einen Vergleich mit den sozialen Positionen ihrer Eltern erlauben. Es stellt sich somit die Frage, ob die Gesell-schaft wirklich offener geworden ist, ob es durch die Bildung wirklich zu mehr Chancen-gleichheit kommt oder ob die Bildung die damaligen Hoffnungen, ein ungleichheitsreduzie-render Mechanismus zu sein, enttäuscht hat. Es sollen daher zwei Fragen die nachfolgenden Untersuchungen anleiten:

- Wie entwickelt sich die soziale Mobilität in der Kohortenfolge in Westdeutschland ab 1920?

- Welchen Einfluss hat die Bildung auf die Entwicklung des Mobilitätsverlaufs?

Die vorliegende Arbeit hat mit ihren Ergebnissen somit eine klare gesellschaftspolitische Re-levanz. Darüber hinaus versucht sie aber auch, die bestehende theoretische Debatte in der Mobilitätsforschung ein wenig voranzubringen. Seit einigen Jahrzehnten gibt es im wesent-lichen zwei große theoretische Richtungen. Bezüglich des Trends der Mobilitätsentwicklung von Gesellschaften sagen diese Ansätze keinen Trend (FJH-These) bzw. einen Trend zu mehr Offenheit (liberale Theorie) voraus, können aber keine theoretisch überzeugenden Aussagen zu den konkreten Mechanismen der sozialen Mobilität machen. Erst in den späten 1990er Jahren kam es zu einigen Veröffentlichungen, die versuchten, diese theoretisch unbefriedi-genden Ansätze zu überwinden, indem sie die Mobilitätsentwicklungen in einer Gesellschaft mikrotheoretisch fundierten. Diese neuesten Entwicklungen werden in der vorliegenden Ar-beit aufgegriffen und einer kritischen Prüfung unterzogen. Es wird untersucht, inwieweit sol-che mikrotheoretischen Modelle auf Deutschland anwendbar sind und inwieweit sie zu einem besseren Verständnis der sozialen Mobilität beitragen können.

Bevor dies geschieht, sollen zuvor einige Konzepte vorgestellt kurz werden, die in den fol-genden Kapiteln von Bedeutung sind. Soziale Positionen werden in dieser Arbeit in der so-ziologischen Tradition als berufliche Positionen angesehen (vgl. z.B. Yamaguchi 1983). Das bedeutet, für die Bestimmung der sozialen Position ist das berufliche Beschäftigungsverhält-nis entscheidend, in das eine Person eingebunden ist. Somit bedeutet soziale Mobilität in dem hier verstandenen Sinn ein Wechseln der beruflichen Position. Dabei ist der Mobilitätsbegriff neutral. Er umfasst sowohl den Aufstieg in �bessere� Positionen, den Abstieg in �schlechtere� Positionen als auch den Wechsel zwischen zwei Positionen, die auf demselben Niveau liegen. Es kann zwischen intergenerationaler und intragenerationaler Mobilität unterschieden wer-den. Intergenerationale Mobilität vergleicht die sozialen Positionen von Eltern und ihren

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Kindern, intragenerationale Mobilität (oder auch Karrieremobilität) bezieht sich auf den Wechsel von sozialen Positionen im Erwerbsleben einer betreffenden Person. In den nach-folgenden Analysen wird grundsätzlich die Mobilität zwischen den Generationen betrachtet.

Bei der sozialen Mobilität werden allgemein zwei Arten von Mobilitätsraten unterschieden: Absolute Mobilitätsraten sind direkt beobachtbare Maßzahlen, die sich aus dem Wechsel von Positionen ergeben. Relative Mobilitätsraten hingegen beziehen sich auf die Chancengleich-heit. Der Vorteil dieser Maßzahlen ist, dass sie die relative Beziehung zwischen sozialen Po-sitionen beschreiben und somit unabhängig von einem etwaigen Strukturwandel sind. Sie sind daher das geeignete Maß zur Untersuchung der Offenheit einer Gesellschaft. Wenn in den späteren Analysen von sozialer Mobilität gesprochen wird, beziehen sich die Ausführungen in aller Regel auf diese relativen Mobilitätsraten.

Als Datengrundlage dient im wesentlichen ein im Rahmen dieser Diplomarbeit erstellter Da-tensatz aus mehreren allgemeinen Bevölkerungsumfragen. Dieser Datensatz deckt einen Be-fragungszeitraum von 1976-1999 ab. Um einen längeren Zeitvergleich zu ermöglichen, wer-den die Analysen auf Westdeutschland beschränkt. Außerdem gehen aus theoretisch vertret-baren Gründen nur Männer in die Analysen ein. Im einzelnen baut sich die Arbeit wie folgt auf:

Im Anschluss an diese Einleitung werden in Kapitel 2 die relevanten Theorien zur sozialen Mobilität dargestellt. Dabei werden zunächst die gängigen Trendansätze diskutiert. Im An-schluss folgt die Beschreibung eines neueren mikrotheoretischen Modells von Breen und Goldthorpe (1997), dessen mögliche Anwendung auf Deutschland untersucht wird. Mit die-sem Modell als Hintergrund werden die kontextuellen Gegebenheiten in Deutschland be-leuchtet � insbesondere das institutionelle Arrangement im Bildungssystem und beim Über-gang vom Bildungssystem in den Beruf sowie die historisch spezifische Gegebenheiten, die auf die Entwicklung der sozialen Mobilität einwirken. Mehrere Hypothesen fassen die Er-gebnisse dieses Kapitels abschließend zusammen. Kapitel 3 beschreibt die in dieser Arbeit verwendeten Operationalisierungen der zentralen Variablen der Analysen, insbesondere die Variable der Klassenposition. Anschließend wird der neu erstellten Mobilitätsdatensatz vor-gestellt (Kapitel 4). Im empirischen Teil der Arbeit beschreibt das fünfte Kapitel die ausführ-lichen Analysen zur Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland, wobei ein spezielles Analyse-Design erstellt wird, das die Bedeutung eines Kohortenansatzes für diese Arbeit un-terstreicht. Ausgehend von diesen Befunden wird in den nächsten beiden Kapiteln nach Ursa-chen für die Entwicklung der sozialen Mobilität gesucht. In Kapitel 6 wird mit Hilfe eines zusätzlichen Datensatzes getestet, inwieweit historisch spezifische Ereignisse für

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Abweichungen von einem generellen Mobilitätstrend verantwortlich sind. Im letzten empi-rischen Kapitel (Kapitel 7) wird schließlich überprüft, inwieweit die Bildung Ursache für die vorgefundene Mobilitätsentwicklung im Kohortenverlauf sein kann. Die Ergebnisse der empi-rischen Analysen werden in Kapitel 8 zusammengetragen und im Hinblick auf die theoreti-schen Vorüberlegungen diskutiert. Die Arbeit schließt mit Anknüpfungspunkten für weitere Forschungsarbeiten sowie einer Vorhersage für die zukünftige Entwicklung der sozialen Mo-bilität in Deutschland.

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2. Theorien und theoriegeleitete Kontextualisierung

Die Diskussion der theoretischen Ansätze zur sozialen Mobilität sowie ihre kontextuelle An-bindung an die Gegebenheiten in Westdeutschland erfolgen in diesem Kapitel in vier Schrit-ten:

- Diskussion der gängigen Trendansätze;

- Vorstellung neuerer, mikrotheoretischer Ansätze;

- institutioneller Ansatz für die Gegebenheiten in Deutschland;

- abgeleitete Hypothesen zur Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland.

Im ersten Unterkapitel werden die gängigen und heute noch einflussreichen Trendansätze zur Entwicklung sozialer Mobilität dargestellt und ihr jeweiliger Nutzen für die Mobilitätsfor-schung diskutiert. Im Anschluss daran werden neuere, mikrotheoretische Ansätze aufgezeigt. Diese Ansätze haben allesamt gemeinsam, dass sie in der Bildung der Akteure einen zentralen Mechanismus für die Entstehung bzw. für die Verhinderung von sozialer Mobilität sehen. Vereinfacht dargestellt gehen diese Ansätze dabei von der Idee aus, dass die soziale Herkunft einen Einfluss auf die Bildungschancen der Individuen hat, und die Bildung wiederum ent-scheidend ist für die soziale Platzierung dieser Person. Somit wirkt die soziale Herkunft ver-mittelt über die Bildung auf die soziale Platzierung. Um diese Zusammenhänge möglichst genau darzustellen, wird im zweiten Unterkapitel vor allem der Ansatz von Breen und Goldthorpe (1997) ausführlich erörtert. Aus diesem Modell ergeben sich für Deutschland so-wohl theoretische als auch empirische Implikationen, die eine Anbindung dieses Ansatzes an institutionelle und andere makrostrukturelle Gegebenheiten in Deutschland erforderlich ma-chen. Diese werden im dritten Unterkapitel dargelegt. Neben institutionellen Gegebenheiten werden in diesem Abschnitt vor allem die für Deutschland spezifischen Einflüsse des Zweiten Weltkrieges und deren Folgen für die soziale Mobilität diskutiert. Das vierte Unterkapitel fasst die gefundenen Argumente bzgl. der Mobilitätsentwicklung in Deutschland hypothesen-artig zusammen.

2.1. Trendansätze

In der Mobilitätsforschung der 1970er und 1980er Jahre konnte man drei Trendansätze un-terscheiden. Die Anhänger liberaler Theorien sagten bei fortschreitender Industrialisierung eine Öffnung der Sozialstruktur und einen Aufwärtstrend in der sozialen Mobilität voraus (Kerr et al. 1960). Hiergegen setzten einige Forscher die These, dass es durch die Industria-

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lisierung keineswegs zu einem Anstieg sozialer Mobilität kommen muss, vielmehr ist keine Veränderung oder allenfalls eine trendlose Fluktuation zu erwarten (Sorokin 1927, Feather-man et al. 1975). Schließlich behaupteten Anhänger marxistischer Theorieansätze, dass es durch das kapitalistische Wirtschaftssystem zu Abwärtsmobilität und somit zu einer Proleta-risierung der Arbeitnehmer/-innen kommen wird (Braverman 1974).

Der marxistische Ansatz fand keinerlei empirische Bestätigung und ist heute mehr oder weni-ger in sich zusammengebrochen (Erikson/Goldthorpe 1992a: 9). Frischen Wind bekommt der Ansatz eines Abwärtstrends jedoch von theoretischen Arbeiten einiger Globalisierungsfor-scher. Durch den schnellen Wandel der Weltwirtschaft � so deren Argument � kommt es zu einer �Abwärtsspirale� (Beck 2000: 96), welche Arbeitsverluste, Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut zur Folge hat, wobei diese Folgen nun nicht mehr nur auf ehemals be-nachteiligte Klassen beschränkt bleiben (Giddens 1994). Durch diese Entwicklungen nimmt die soziale Mobilität, insbesondere die Abwärtsmobilität, im Zuge der Globalisierung zu, al-lerdings weicht dabei die Bedeutung sozialer Klassenlagen zunehmend einer �Individualisie-rung� sozialer Ungleichheit (Beck 1986). Jedoch zeigt Goldthorpe (2000a) auch für diese neueren Ansätze, dass die Ideen bezüglich eines Abwärtstrends empirisch allesamt unhaltbar sind. Allenfalls für die USA kann man eine leichte Zunahme der Unsicherheit in den Arbeits-beziehungen auch in Mittelklassenpositionen feststellen (zu diesem downsizing-Phänomen vgl. Wallace 1996, Budros 1997). Im folgenden sollen daher nur die beiden ersten Trendan-sätze zu sozialer Mobilität näher diskutiert werden.

2.1.1. Trend zu mehr (Aufwärts-)Mobilität – Die liberale Theorie des Industrialismus

Diese aus den USA stammende Theorierichtung wird von Erikson und Goldthorpe (1992a) als �liberale Theorie des Industrialismus� bezeichnet. Sie wurde vor allem in Arbeiten von Kerr et al. (1960), Dunlop et al. (1975), Blau/Duncan (1967) und Treiman (1970) ausformuliert und basiert im Wesentlichen auf grundsätzlicheren theoretischen Überlegungen von Parsons (z. B. 1964, 1975). Die Kernaussagen der liberalen Theorie des Industrialismus5 besagen, dass es in Industriegesellschaften � verglichen mit vorindustriellen Gesellschaften:

- eine hohe soziale Mobilität gibt, wobei Aufwärtsmobilität (d.h. der Übergang in bessere Positionen) häufiger stattfindet als Abwärtsmobilität, so dass netto mehr Aufwärtsmobili-tät zu beobachten ist;

65 in Anlehnung an Erikson/Goldthorpe (1992a: 5)

- dass nicht nur hohe Mobilitätsraten charakteristisch sind, sondern dass es auch zu einer Angleichung der Mobilitätschancen kommt, d. h. dass Personen aus unterschiedlichen so-zialen Herkünften zunehmend die gleichen Chancen besitzen, bestimmte soziale Positio-nen einzunehmen;

- und dass es schließlich im Verlauf der Industrialisierung zu einer immer weiteren Zu-nahme sowohl der Aufwärtsmobilität als auch der Chancengleichheit kommt.

Die theoretischen Begründungen dieser Trendaussagen können in zwei Gruppen unterteilt werden, zum einen in evolutionistische und funktionale Begründungen, zum anderen in kau-sale Ursachen im herkömmlichen Sinn:

Als evolutionistische bzw. funktionale Begründung wird eine �inhärente Logik des Indust-rialisierungsprozesses� angesehen (Dunlop 1975: 6). Diese Logik als Gesamtes bezeichnen Kerr et al. als �Industrialismus� (Kerr et al. 1960: 33). Es handelt sich um einen Transforma-tionsprozess, der unausweichlich alle Gesellschaften der Welt erfassen und sie in Richtung einer ultimativen idealtypischen Industriegesellschaft umwandeln wird.6 Wichtige Merkmale dieser Industriegesellschaft sind u.a. der kontinuierliche und schnelle Wandel von Produkti-onsmethoden, Produkten und Technologien; eine industrielle Arbeitnehmer/-innenschaft mit neuen Qualifikationen und Berufen; die Notwendigkeit eines häufigen Wandels der Qualifi-kationen und Berufe und somit die Notwendigkeit einer mobilen und offenen Gesellschaft und schließlich ein Bildungssystem, das funktional verbunden ist mit den Qualifikations- und Berufsanforderungen des Arbeitsmarktes (Kerr et al. 1960, Dunlop et al. 1975).7

Die Transformationsprozesse hin zu einer industriellen Gesellschaft verlaufen dabei nicht exakt gleichförmig (unilinear) in allen Gesellschaften, vielmehr ist von �multilinearen Ent-wicklungspfaden� auszugehen (Kerr et al. 1960: 19). Zudem ist es gerade im weiteren Verlauf der Industrialisierung möglich, dass �Diskontinuitäten� in der Entwicklung auftreten (Dunlop et al. 1975). Gemeinsam ist den verschiedenen, im Ziel aber gleichen Entwicklungspfaden aber, dass sie auf �universalistischen Prinzipien� beruhen (Blau/Duncan 1967: 431). Diese Vorstellungen sind sehr stark an Parsons� neoevolutionistische Gedanken angelehnt (Parsons 1975). Parsons geht dabei von einer zunehmenden Differenzierung aller Lebensbereiche (Systeme) aus, um somit � in expliziter Anlehnung an die Biologie � eine bessere Anpassung an äußere Umstände (Umwelt) zu erreichen. Speziell nennt er einige �evolutionäre Universa-lien� und sogenannte �Mustervariablen� (pattern variables), die elementar sind für den Über-

6 Kerr et al. sprechen überschwänglich von diesem �new and ultimate empire [of industrialism]� (1960: 46)

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7 Dies ist nur ein kleiner Auszug aus den Merkmalen industrieller Gesellschaften. Weitere wichtige Merkmale sind die Verstädterung sowie eine �Ethik des harten Arbeitens�, wie Kerr et al. (1960: 43) es benennen und damit offensichtlich auf Max Webers Ausführungen über die protestantische Ethik und das kapitalistische Wirt-schaften abstellen.

gang von Gesellschaften in eine höhere Entwicklungsstufe bzw. die als Merkmale verschie-dener Entwicklungsstufen dienen (Parsons 1964, 1975). Die für den vorliegenden Zusam-menhang wichtigsten Mustervariablen sind der Übergang von Partikularismus zu Universa-lismus und der Übergang von ascription (zugeschriebenen Merkmalen) zu achievement (an-geeigneten Merkmalen).

Stellt man die Frage nach den Gründen für diese Entwicklungen, so verweist die neoevolu-tionistische Sichtweise schlicht auf das Wesen der Entwicklung selbst: Es steckt in der Logik des Prozesses selbst, dass die Entwicklung so abläuft wie sie abläuft � ganz in Analogie zu der Evolution in der Biologie. Die funktionale Sichtweise kommt zu einer etwas weniger scharfen, doch im Ergebnis gleichen Antwort. Als Begründung für die Herausbildung be-stimmter Merkmale der Industrialisierung (z.B. mehr soziale Mobilität, ein expandierendes Bildungssystem) wird angeführt, dass diese Merkmale funktional notwendig sind für den Er-halt des Systems und sie sich deshalb herausbilden.8

Anhänger der liberalen Theorie des Industrialismus bemühen sich aber auch, strukturelle und andere Ursachen für eine zunehmende soziale Mobilität zu benennen, wobei sie jedoch beto-nen, dass all diese Ursachen auf universalistische Prinzipien im Sinne Parsons� � und nicht auf besondere historische Umstände � zurückgeführt werden können (z.B. Blau/Duncan 1967: 431). In Anlehnung an Erikson und Goldthorpe�s Überblick über die liberale Theorie (1992a: 5f.) können strukturelle, prozedurale und kompositionale Ursachen unterschieden werden:

Strukturell kommt es durch den zunehmenden technologischen Wandel zu einem häufigen und raschen Wandel der Berufsstruktur. Es entstehen neue Berufe, vor allem verbunden mit höheren sozialen Positionen bei einer gleichzeitigen Reduzierung und einem Wandel von ein-fachen Routinetätigkeiten bzw. von Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Durch diesen �pull effect� von offenen Positionen auf höherem Level kommt es netto zu mehr Aufwärtsmobili-tät. Weitere strukturelle Ursachen sind die Abschwächung von partikularistischen Familien- und Nachbarschaftsverbindungen und damit der Einfluss sozialer Herkunft, die Verstädte-rung, die Möglichkeiten geographischer Mobilität und schließlich auch eine höhere Fertilitäts-rate in den benachteiligten Gruppen (Treiman 1970: 215f. Blau/Duncan 1967: 430f.). Der Anstieg sozialer Mobilität erfolgt aber auch prozedural durch einen fundamentalen Wandel des Selektionsmechanismus für soziale Positionen, nämlich weg von zugeschriebenen Merk-malen (ascription) hin zu Leistungsmerkmalen (achievement). Bildung wird dabei eine her-

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8 Ein wesentlicher Unterschied der neoevolutionistischen und der funktionalen Sichtweise ist es, dass bei ersterer von einer Zielgerichtetheit ausgegangen wird, während funktionalistische Theorien abgeschwächt nur von Anpassungssteigerung sprechen und ihre Aufmerksamkeit auf Strukturen lenken, die funktional zum Fortbestand der Systems notwendig sind.

ausragende Bedeutung eingeräumt, sie fungiert als �gigantische Sortiermaschine� für den Zugang zu sozialen Positionen (Dunlop et al. 1975: 22). Bildung � so das Argument � wird vor allem im Zusammenhang mit zunehmend anspruchsvolleren beruflichen Tätigkeiten in industriellen Gesellschaften immer wichtiger, formale Bildung wird immer häufiger als Aus-wahlkriterium zur Besetzung dieser beruflichen Positionen herangezogen. Zudem kommt es zu einer sich ausdehnenden Bildungsbeteiligung9, was dazu führt, dass der Einfluss der sozia-len Herkunft auf die Bildungsperformanz abnimmt, da Bildung in industriellen Gesellschaften meist kostenlos ist, die Kinder immer weniger ihren Eltern im (landwirtschaftlichen) elterli-chen Betrieb helfen müssen, Familien zunehmend in Städten leben, in denen die Schulversor-gung generell besser ist und vor allem dass Kinder durch den längeren Schulbesuch auch mehr soziale Fähigkeiten (social skills) und andere kulturelle Codes der Oberschicht erlernen (Treiman 1970: 218f.). Dies alles führt dazu, dass die Industriegesellschaft zunehmend meri-tokratischer wird (Bell 1973, Reprint 1977), d.h. der Zusammenhang zwischen Bildung und beruflicher Platzierung enger wird (Blau/Duncan 1967: 430). Dies wiederum hat zur Folge, dass die (formale) Bildung zu einer der wichtigsten, wenn nicht zu der wichtigsten Schleuse für vertikale Mobilität wird (Kerr et al. 1960: 37).

Schließlich kommt es noch zu einem kompositionalen Effekt der Industrialisierung auf sozi-ale Mobilität: Die strukturellen und prozeduralen Effekte interagieren miteinander, d.h. der neue Selektionsmechanismus tritt vor allem bei neu entstandenen höheren Berufspositionen auf, sprich Bildung ist vor allem bei technisch anspruchsvollen, zukunftsträchtigen Berufen in Industrie und Dienstleistung und in Berufen in großen bürokratisch organisierten Unterneh-mungen wichtig. Dagegen können askriptive Merkmale in der Landwirtschaft und in kleinen Familienbetrieben ihre Bedeutung noch erhalten. Dies führt aber dazu, dass dieser Bereich insgesamt gesehen noch schneller marginalisiert wird, denn diese Betriebe machen sowohl den strukturellen Wandel als auch den Wandel des Selektionsmechanismus (Platzierung durch Bildung) nicht mit (siehe Erikson/Goldthorpe 1992a: 6).

Die liberale Theorie des Industrialismus sagt folglich mit zunehmender Industrialisierung eine per saldo ansteigende soziale Aufwärtsmobilität sowie eine Angleichung der Mobilitätschan-cen voraus. Die Begründung für diese Korrelation erfolgt meist durch den Rückgriff auf evo-lutionistische bzw. funktionalistische Argumente. Es wird jedoch besonders der Einfluss der Bildung und damit verbunden der Wandel zu einer meritokratischen Gesellschaft betont.

99 �Society cannot any longer afford the waste of human resources� (Blau/Duncan 1967: 431)

2.1.2. Ansätze zur trendlosen Entwicklung der sozialen Mobilität

Die liberale Theorie des Industrialismus wurde vielfach als theoretisch nicht überzeugend, empirisch unhaltbar und als ideologisch bzw. politisch motiviert kritisiert. Eine der ältesten Kritiken an einem anhaltenden Trend der sozialen Mobilität schrieb Pitirim Sorokin bereits im Jahr 1927 (Reprint 1959). Sorokin argumentiert, dass es zu einem �trendlosen Wandel� der sozialen Mobilität im Laufe der Geschichte kommt: �in the field of vertical mobility, in its three fundamental forms [economical, political, occupational], there seems to be no definite perpetual trend towards either an increase or a decrease of the intensiveness and generality of mobility. This is proposed to be valid for the history of a country, for that of a large body, and, finally, for the history of mankind.� (Sorokin 1959: 152, kursiv im Original). Dies be-deutet aber keineswegs, dass Sorokin von einer konstanten sozialen Mobilität ausgeht. Er stellt seiner These eines trendlosen Wandels weitere Thesen voran, die besagen, dass die In-tensität (intensiveness) und das Ausmaß (generality) vertikaler Mobilität zwischen verschie-denen Gesellschaften und in jeder Gesellschaft über verschiedene Zeiten hinweg fluktuieren, d.h. dass es verschiedene Perioden gibt, in denen die soziale Mobilität zunimmt bzw. ab-nimmt (Sorokin 1959: 141ff.). Gründe für eine temporär höhere soziale Mobilität sind u.a. Aufstände und Revolutionen, große Kriege und deren Folgen, Invasionen und Eroberungen. So ist nach Sorokins Einschätzung die �heutige� Zeit (Beginn des 20. Jahrhunderts) eine be-sonders mobile Periode aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Veränderungen durch Demokratisierung und Industrialisierung. Doch es verbietet sich, auf der Basis von nur 130 Jahre eine �ewig dauernde historische Tendenz� abzuleiten (Sorokin 1959: 153), da die Ge-schichte der Menschheit empirisch über Tausende von Jahren hinweg einen solchen Trend bei der (politischen) Mobilität nicht erkennen lässt. Vielmehr ist es wahrscheinlicher, dass immer neue Mobilitätsbarrieren entstehen, die bereits bestehende Mobilitätsbarrieren ablösen (in der �heutigen� Zeit Reichtum als neue Barriere). Sorokin geht davon aus, dass es immer Mobilität geben wird, und auch wenn die Mobilität in Gesellschaften mit der Zeit träger wird, es wird immer äußere Faktoren (z.B. Revolutionen) geben, die das Mobilitätsregime aufbrechen und kurzfristig wieder für mehr Mobilität sorgen. Sorokin nennt dies den ��ever-revolving circle� of history� (Sorokin 1959: 371).

10

Lipset und Zetterberg (1959) gehen in ihrer Arbeit ebenfalls davon aus, dass es durch die In-dustrialisierung zu keinem unaufhaltsamen Trend aller Gesellschaften hin zu höheren Mobi-litätsraten gibt. Allerdings räumen sie der Industrialisierung dennoch eine prominente Rolle in ihrer Hypothese ein. Die Autoren bezweifeln zwar, dass es eine Korrelation zwischen Mobi-litätsraten und der wirtschaftlichen Entwicklung gibt, sie vermuten aber, dass es in industriali-sierten Ländern eine höhere Mobilität gibt als in nicht industrialisierten Gesellschaften, d.h. dass ein Schwelleneffekt besteht, bei dem die Industrialisierung die Wasserscheide darstellt:

�our tentative interpretation is that the social mobility of societies becomes relatively high once their industrialization, and hence their economic expansion reaches a certain level. [Therefore,] the overall pattern of social mobility appears to be much the same in the industrial societies of various Western countries.� (Lipset/Zetterberg 1959: 13, kursiv im Original).10

Die Ähnlichkeit der Mobilitätsraten in Industriegesellschaften führen sie auf strukturelle und motivationale Ursachen zurück und umgehen somit funktionalistische Erklärungsansätze der liberalen Theorie. Als strukturelle Faktoren nennen Lipset und Zetterberg den Wandel in der Berufs- und Beschäftigungsstruktur sowie in der Bevölkerungsentwicklung, welcher in In-dustriegesellschaften mehr oder weniger gleichförmig verläuft. Da auch die Motivation der Individuen universal gültig und konstant ist, nämlich ihre soziale Position zu halten oder zu verbessern, bleibt es somit bei einer konstanten hohen Mobilitätsrate (Lipset/Zetterberg 1959: 60, 64).

Die Aussagen der liberalen Theorie haben sich sowohl auf Mobilität bzw. Mobilitätsraten als auch auf die Offenheit einer Gesellschaft bezogen, bei den Ansätzen einer trendlosen Ent-wicklung stehen bisher aber nur direkt beobachtbare Mobilitätsraten im Mittelpunkt.11 Featherman, Jones und Hauser (1975) greifen in ihrer Untersuchung die These von Lipset und Zetterberg auf und stellen zusammen mit vielen anderen Analysen zuvor (u.a. Broom/Jones 1969) fest, dass diese These empirisch nicht haltbar ist. Sie verändern die These dahingehend, dass sie nun zwischen direkt beobachtbaren Mobilitätsraten (strukturelle Mobilität oder phä-notypische Mobilität) einerseits und der Offenheit einer Gesellschaft (Zirkulationsmobilität oder genotypische Mobilität) andererseits unterscheiden. Sie kommen nach einem Durchblick der damaligen Literatur und ihren eigenen Analysen der sozialen Mobilität in den USA und Australien zu folgender, berühmt gewordenen These, der sog. FJH-These:

�the genotypical pattern mobility (circulation mobility) in industrial societies with a market econ-omy and a nuclear family system is basically the same� (Featherman et al. 1975: 340).

Phänotypische Mobilitätsmuster dagegen variieren je nach Ausmaß des Wandels der Berufs-struktur, die wiederum durch technologischen Wandel, Arbeitskräfteangebot, Wertewandel etc. beeinflusst ist. Mit der Unterscheidung zwischen phänotypischen und genotypischen Mo-bilitätsmustern verlagern Featherman et al. die Aufmerksamkeit auf genotypische Mobilitäts-muster bzw. Mobilitätsregime, die in der Folge ihrer These mit dem Konzept der relativen Mobilitätsraten intensiv erforscht wurden. Leider machen Featherman, Jones und Hauser aber

10 In der Literatur wird diese These auch manchmal Lipset-Bendix-These genannt.

11

11 Lipset und Zetterberg beziehen sich eindeutig nur auf beobachtbare (strukturelle, absolute) Mobilitätsraten, sie treffen keine Aussage über die Offenheit einer Gesellschaft. Bei Sorokin hingegen ist dies weniger eindeutig. Er benutzt zwar direkt beobachtbare Mobilitätsraten, um seine Thesen empirisch zu untermauern, allerdings spricht er oft von der Offenheit/Geschlossenheit einer Gesellschaft und differenziert auch zwischen der Mobilität einer ganzen sozialen Gruppe und der Mobilität von Individuen. Insofern könnte man ihm unterstellen, er habe sowohl beobachtbare Mobilitätsraten als auch die Offenheit einer Gesellschaft im Fokus seiner Analysen gehabt.

keine theoretischen Vorschläge, warum sie ein gemeinsames Mobilitätsmuster in Industriege-sellschaften mit Kernfamilien erwarten. Grusky und Hauser (1984) fügen bei ihrer Analyse der FJH-These an, dass es vielleicht am Anfang der Industrialisierung zu mehr Offenheit in einer Gesellschaft kommen kann. Sobald aber eine Gesellschaft industrialisiert ist, wird sich das Mobilitätsregime stabilisieren und keine Tendenzen hin zu mehr oder weniger Offenheit mehr zeigen.12 Erikson und Goldthorpe (1992a) schlagen als Gründe für die Ähnlichkeit der Mobilitätsregime in verschiedenen Industrieländern die ähnliche Organisation der Arbeit und daraus resultierende ähnliche Berufshierarchien vor. Im Hinblick auf eine empirische Unter-mauerung der FJH-These heben sie aber besonders hervor, dass das von Featherman et al. vorgeschlagene gemeinsame Mobilitätsregime der Industrieländer als ein sehr robustes anzu-sehen ist, das sich auch nicht durch gezielte politische Maßnahmen aufbrechen lässt, sondern allein in der industriellen Arbeitsteilung und den daraus resultierenden Ungleichheiten veran-kert ist. Historische Besonderheiten einzelner Gesellschaften können demnach den prinzi-piellen Wert der FJH-These nicht gefährden. Sollte sich aber zeigen, dass bestimmte makro-soziologische Variablen das Mobilitätsregime systematisch verändern, so ist die FJH-These ernsthaft in Frage gestellt (Erikson/Goldthorpe 1992a: 24ff.).

2.1.3. Stand der Forschung in Hinblick auf Trendansätze

2.1.3.1. Findet man einen Trend zu mehr sozialer Mobilität?

Schaut man sich die direkt beobachtbaren absoluten Mobilitätsraten an, so ist in der heutigen Forschung unbestritten, dass es durch die Entwicklung zur Industriegesellschaft zu einem Anstieg der absoluten Mobilitätsraten kommt (Breen/Goldthorpe 1999: 3). Betrachtet man die soziologisch interessanteren relativen Mobilitätsraten, d.h. die Offenheit einer Gesellschaft, dann zeigt sich, dass es trotz oder vielleicht sogar wegen immer ausgefeilteren statistischen Analysetechniken und ausgeklügelten methodischen und methodologischen Vorgehensweisen bis heute keine einheitliche empirische Bewertung der dargestellten Trendansätze gibt. Eine erste Welle von Untersuchungen in den 1980er Jahren deutete eher auf eine Unterstützung für die FJH-These als für die Aussagen der liberalen Theorie des Industrialismus hin (Erikson/Goldthorpe/Portocarero 1979, Grusky/Hauser 1984, Erikson/ Goldthorpe 1987a, 1987b, Müller 1986). Die Datenbasis dieser Arbeiten waren meist Bevölkerungsumfragen, die in den 1960er und 1970er Jahren durchgeführt wurden und deren Daten sich somit auf ein Zeitalter ungebremsten Wirtschaftswachstums bezogen. Es gab aber auch Arbeiten, insbeson-

12

12 Dieses Argument läuft somit parallel zu dem von Lipset und Zetterberg für direkt beobachtbare Mobilitäts-raten.

dere von Ganzeboom, Luijkx und Treiman (1989, siehe auch Treiman/Yip 1989), die große Variationen zwischen Ländern und über die Zeit hinweg finden und somit die FJH-These verwerfen. Eine zweite Welle von Analysen sozialer Mobilität beziehen auch neuere Umfra-geergebnisse bis Mitte der 1990er Jahre ein. Hier scheint der Befund bzgl. der Trendansätze noch unklarer zu sein. So finden Heath und Payne (2000) einen Trend zu mehr Offenheit in Großbritannien, Vallet (1999) ermittelt für Frankreich einen abnehmenden Zusammenhang zwischen Herkunfts- und Zielklasse um 0.5% pro Jahr, und Jonsson und Mills (1993) zeigen eine zunehmende Offenheit für Schweden (hier besonders für Frauen), aber keinen oder nur einen leichten Trend zu mehr Offenheit für Männer in Großbritannien. Um eine systemati-schere und international vergleichbarere Einschätzung über die Trendentwicklung bei der sozialen Mobilität zu erhalten, entsteht momentan in Florenz unter der Leitung von Richard Breen das Projekt �National Patterns of Social Mobility, 1970-1995: Divergence or Con-vergence?�. Von zehn Länderbeiträgen13 berichten sieben Konferenzpapiere keinen Trend zu mehr Offenheit für Männer (Irland, Norwegen, Italien, USA, Schweden, Israel, Großbri-tannien), in drei Ländern zeigt sich jedoch dieser Trend (Frankreich, Niederlande, Ungarn), wobei sich in den Niederlanden und in Ungarn der Trend deutlich abschwächt. Noch unüber-sichtlicher wird es, wenn man sich die relative Mobilität für Frauen anschaut. Hier zeigen sich in sechs Ländern Tendenzen zu mehr Offenheit (Niederlande, Frankreich, Norwegen, USA, Schweden und eventuell Großbritannien).

Für Deutschland ist der Befund etwas homogener: Erikson und Goldthorpe berichten auf der Basis älterer Daten, dass es auch in Deutschland zu keinem Trend kommt, das Mobilitäts-muster jedoch etwas von dem der anderen untersuchten Länder abweicht (Erikson/Goldthorpe 1992a: 148ff.). Rodax (1995) findet ebenfalls, dass die �Sozialstruktur nicht zunehmend offen und mobil� wird (Rodax 1995: 22). Neuere Untersuchungen von Hall (1996), Hartmann (1998), Müller-Benedict (1999) und Ketzer (1999) hingegen zeigen alle einen leichten Trend zu mehr Offenheit, insbesondere seien Entstrukturierungstendenzen �ganz unten� und �ganz oben� in den Klassenpositionen zu beobachten (Hartmann 1998: 68).

Wie sind die sehr heterogenen und teilweise sich offen widersprechenden Ergebnisse14 mit Blick auf die oben dargestellten Trendaussagen zu bewerten? Die liberale Theorie des In-dustrialismus, so wie sie sich in ihrer Radikalität bei Kerr et al. (1960) darstellt, ist durch die empirischen Befunde eindeutig widerlegt worden. Die Theorie geht von einer hohen Korrela-tion zwischen Industrialisierung und Offenheit einer Gesellschaft aus. Auch wenn man diese 13 siehe Ganzeboom/Luijkx (2000) für die Niederlande, Layte/Whelan (2000) für die Republik Irland, Ringdal (2000) für Norwegen, Róbert/Bukodi (2000) für Ungarn, Pisati/Schizzerotto (2000) für Italien, Hout (2000) für die USA, Jonsson (2000) für Schweden, Yaish (2000) für Israel und Goldthorpe/Mills (2001) für Großbritan-nien.

1314 für Großbritannien ist dies besonders deutlich, siehe Heath/Payne (2000) vs. Goldthorpe/Mills (2001)

Korrelation nicht streng linear versteht und auch �Diskontinuitäten� (Dunlop et al. 1975, siehe oben) erlaubt, so müssten insbesondere bei den älteren Untersuchungen, die sich vor allem auf die Phase der wirtschaftlichen Prosperität beziehen, dennoch Ergebnisse gefunden wer-den, die für die meisten Länder die liberale These zu mehr Offenheit vorläufig bestätigen. Dies ist aber nicht der Fall. Auch in neueren Analysen, insbesondere in denen der Florenz-Forschergruppe, finden sich mehr Ergebnisse, die gegen die liberale Theorie sprechen als um-gekehrt. Von einer inhärenten, sich frei entfaltenden Logik während des Industrialisierungs-prozesses kann somit nicht ausgegangen werden, der Zusammenhang zwischen Industrialisie-rung und Offenheit einer Gesellschaft ist empirisch (und auch theoretisch, siehe Breen 1997a) nicht haltbar.

Die Bewertung der FJH-These ist weniger eindeutig. Ein Problem der These ist, dass sie nicht auf einer theoretischen Herleitung beruht, sondern eher impressionistisch entstanden ist. Sie geht zwar von einem einzigen zugrunde liegenden Mobilitätsmuster aus, das in allen Indust-riegesellschaften �basically the same� ist, lässt dieses Muster aber unspezifiziert (Grusky/ Hauser 1984: 21). Erikson und Goldthorpe (1987a, 1987b, 1992a) füllen diese Lücke, in dem sie ein �Core-Modell� vorschlagen, welches das Mobilitätsmuster industrialisierter Gesell-schaften hinreichend abbilden kann. In diesem Modell betonen sie insbesondere vier Effekte, wie Individuen aus ihren Herkunftsklassen in den Zielklassen positioniert werden: Hierar-chieeffekte, Vererbungseffekte, Sektoreffekte und Affinitätseffekte. Bezüglich dieses Core-Modells und der Frage, wie stark einzelne Länder von diesem Muster abweichen dürfen, ohne die FJH-These zu sehr aufzuweichen, ist bald nach Erikson und Goldthorpes Veröffentli-chungen ein zum Teil heftiger und heute noch andauernder Streit entbrannt (siehe u.a. Sørensen 1992a, 1992b, Erikson/Goldthorpe 1992b, 1992c). Erikson und Goldthorpe wurde vorgeworfen, ihr Modell sei so getrimmt, dass es zu den Daten passt.15 Außerdem gab es für manche Länder � unter anderem für Deutschland � zum Teil deutliche Abweichungen, die mit modifizierten Modellierungen bedacht werden mussten. Dies veranlasste Hout und Hauser (1992) neben anderen Kritikpunkten dazu, die FJH-These insgesamt als �long-obsolete� zu bezeichnen (Hout/Hauser 1992: 263). Vielmehr sollte zukünftige Forschung sich auf die Un-terschiede zwischen den Ländern konzentrieren. Erikson und Goldthorpe entgegneten, dass es zwar sehr wohl einen Bedarf an Sensibilität für geschichtliche und andere Besonderheiten eines Landes gäbe. Die Variationen zwischen den Ländern würden aber genau auf solchen Länderbesonderheiten beruhen und nicht systematisch variieren. Insofern sei die FJH-These zwar strikt genommen zu verwerfen, sie warnen aber vor dem Risiko �[of] throwing out the sociological baby with the statistical bath-water� (Erikson/Goldthorpe 1992b: 292). Soziolo-

14

15 siehe Hout/Hauser (1992), Sørensen (1992a); dieses Argument ist insbesondere in Bezug auf Affinitäts-matrizen auch nicht ganz von der Hand zu weisen, siehe hierzu Jonsson/Mills (1993: 234).

gisch viel versprechender sei es, nach Gemeinsamkeiten und nicht nach Unterschieden im Mobilitätsmuster zu suchen. Letztlich weist diese Diskussion auf den entscheidenden Streit-punkt für die Bewertung der FJH-These hin, nämlich wie dehnbar der Begriff �basically the same� ist.

Mit den sehr heterogenen empirischen Befunden, die die Mobilitätsforschung in den letzten 20 Jahren hervorgebracht hat, scheint es schwierig, die FJH-These trotz Wohlwollens noch aufrecht erhalten zu können. Wie oben dargestellt, gibt es eine Reihe von Unterschieden in der Mobilitätsentwicklung sowohl zwischen den Ländern als auch innerhalb der einzelnen Länder selbst. Man könnte nun mit Langmut die Variationen zwischen den Ländern weiterhin auf spezifische geschichtliche Gegebenheiten der einzelnen Länder zurückführen und somit die FJH-These noch retten. Führt man sich aber vor Augen, dass es in einzelnen Ländern wie Frankreich oder den Niederlanden zu lang anhaltenden Trends zu mehr Offenheit kommt, oder dass in manchen Ländern die Mobilitätsmuster zwischen Männer und Frauen sich unter-schiedlich entwickeln, so macht es keinen Sinn mehr, von einem einzigen zugrunde liegenden Mobilitätsmuster zu sprechen, dass �basically the same� ist. Historische (d.h. zufällige, nicht systematische) Besonderheiten eines Landes können wohl kaum zur Begründung langfristiger Trends oder Geschlechterunterschiede herangezogen werden. Systematische Einflüsse hinge-gen � z.B. ein bestimmter Typus von Bildungssystem oder gezielte Familienpolitik zur Frau-enförderung � widerlegen nach Erikson und Goldthorpe die Kernaussage der FJH-These, nämlich ein im Grunde gleiches Mobilitätsmuster in allen Industriegesellschaften (Erikson/Goldthorpe 1992a: 25). Für die internationale Forschung erscheint es daher ratsam, sich auf solche systematische Unterschiede zu konzentrieren.

In der empirischen Bewertung der Trendaussagen im Hinblick auf die Entwicklung sozialer Mobilität kommt man zu dem ernüchternden Ergebnis, dass weder die liberale Theorie des Industrialismus noch die FJH-These haltbar sind und somit auch nicht zum Verständnis der Mobilitätsprozesse in Industriegesellschaften beitragen. Einzig der sehr globale Ansatz Sorokins ist mit den empirischen Befunden nicht zu widerlegen, da Sorokin seine Vorstel-lungen mit einer sehr langfristigen Perspektive entwickelt. Die gefundenen Mobilitätsmuster würden seinen Aussagen nicht widersprechen, allerdings ist der Informationsgehalt seiner Theorie so gering, dass diese beim Verständnis der heutigen Mobilitätsentwicklungen nicht weiterhilft.16

15

16 Ansätze von Historikern, die versuchen, einen sehr viel längeren Zeitraum der Industrialisierung abzudecken (z.B. Van Leeuwen/Maas 1996), helfen bei der Qualifizierung der Theorie Sorokins auch nicht weiter.

2.1.3.2. Werden Industriegesellschaften meritokratischer?

Die liberale Theorie des Industrialismus behauptet neben ihren Aussagen zur sozialen Mo-bilität auch, dass sich der Selektionsmechanismus in Industriegesellschaften wandelt, nämlich hin zu einer leistungsbezogenen Auswahl für soziale Positionen. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, könnte die Theorie zumindest teilweise17 zum Verständnis der Strukturierung indus-trieller Gesellschaften beitragen.

Bell (1977) behauptet, dass (post-)industrielle Gesellschaften ihrer eigenen Logik nach Me-ritokratien sind, d.h. das Prinzip �Leistung� (achievement bzw. merit)18 ist wichtiger als das vormals dominierende Prinzip leistungsfremder Merkmale (ascription). Es bleibt jedoch un-klar, was genau unter Leistung zu verstehen ist. Sehr oft wird dieses Konzept mit formaler Bildung gleichgesetzt,19 und es wird postuliert, dass es zu einem enger werdenden Zusam-menhang (�tightening bond�) zwischen Bildung und Beruf (d.h. sozialer Positionierung) kommen wird (z.B. Halsey 1977). In die gleiche Richtung geht die von Jonsson (1992) ge-taufte These der �Increased Merit-Selection� (IMS-These).20 Entsprechend dieser These neh-men die Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und Bildung einerseits und zwischen sozialer Herkunft und sozialer Positionierung andererseits ab, der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Positionierung aber verstärkt sich. Bei der empirischen Untersuchung dieser Hypothesen zeigen sich auch hier � ähnlich wie bei der sozialen Mobilität � sehr unter-schiedliche Resultate. Breen und Goldthorpe (1999, forthcoming) zeigen für Großbritannien, dass der Einfluss von Bildung auf die soziale Positionierung zwar Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts zugenommen hat, dieser Trend sich aber ab den 1960ern umgedreht hat, wobei der Einfluss von Bildung auf die soziale Positionierung weit davon entfernt ist, eine überra-gende Rolle zu spielen. Müller, Steinmann und Ell (1998) finden für Westdeutschland beim Übergang vom Bildungssystem in den ersten Beruf (Klassenposition) praktisch keine Verän-derung des Einflusses der Bildung, wobei in Deutschland generell der Zusammenhang zwi-schen Bildung und Beruf sehr stark ist (Müller 1999). Jonsson (1996) findet für Schweden keine generelle Bestätigung für einen enger werdenden Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Positionierung. Schließlich beschreibt Breen (1998) für Irland, dass sich der Zu-sammenhang von Bildung und Arbeitsmarktbeteiligung ebenfalls nicht verändert und der Ein-

17 teilweise deshalb, weil der Wandel des Selektionsmechanismus funktional � und damit wenig erhellend � erklärt wird. 18 Die Gleichsetzung von achievement und merit und deren einheitliche Übersetzung mit �Leistung� ist sprach-lich und konzeptionell nicht ganz sauber, gibt aber die Hauptintension des Ansatzes wieder � und nur das ist in diesem kurzen Abschnitt beabsichtigt. 19 Eine andere Definition versteht unter Leistung �IQ plus effort� (Young 1958). Saunders (1996) versucht mit dieser Definition zu zeigen, dass Großbritannien eine meritokratische Gesellschaft ist, wird aber von Mar-shall/Swift (1996) und Breen/Goldthorpe (1999) deutlich widerlegt.

1620 Jonsson (1992) in Breen/Goldthorpe (forthcoming)

fluss von Bildung und soziale Herkunft auf die Arbeitsmarktbeteilung ungefähr gleich stark ist.

Es zeigt sich demnach auch in Bezug auf den Selektionsmechanismus, dass die Aussagen der liberalen Theorie des Industrialismus empirisch nicht haltbar sind. Die Befunde deuten alle-samt nicht auf einen stärker werdenden Zusammenhang zwischen Leistung (gemessen in for-maler Bildung) und sozialer Positionierung hin. Als Ursache hierfür wird u.a. angeführt, dass in einer Marktwirtschaft bei der Einstellung neuer Arbeitnehmer/-innen im Grunde jeder Ar-beitgeber bzw. jede Arbeitgeberin selbst die Leistungskriterien bestimmen kann, von denen er oder sie ausgehen möchte (Goldthorpe 1996b). Es ist daher schon konzeptionell in einer freien Marktwirtschaft nahezu unmöglich, von einem einheitlichen universalen Leistungsbeg-riff auszugehen. Will man das �mit zweifelhaftem Wert�21 besetzte Leistungskonzept dennoch aufrecht erhalten, so geht das nur auf Kosten der Universalität des Konzepts, d.h. man muss von partikularistischen, nicht universalistischen Selektionskriterien ausgehen. Genau dies widerspricht jedoch einem weiteren Aspekt der liberalen Theorie mit ihrem funktionalisti-schen Unterbau, nämlich dem Wandel von Partikularismus zu Universalismus. So oder so bricht damit auch bezüglich des Selektionsmechanismus die liberale Theorie des Industrialis-mus in sich zusammen.

2.2. Mikrotheoretische Ansätze zur Erklärung sozialer Mobilität

Die These einer zunehmenden Meritokratisierung von Industriegesellschaften kann folglich empirisch nicht bestätigt werden. Ebenso können die theoretischen Überlegungen der hierbei zugrunde liegenden liberalen Theorie des Industrialismus allesamt nicht überzeugen. Aller-dings zeigen diese Untersuchungen mit großer Deutlichkeit, dass formale Bildung in allen dargestellten Ländern eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Einflussgröße bei der Besetzung sozialer Positionen darstellt (siehe auch Müller/Shavit 1998). Es ist daher anzu-nehmen, dass die Performanz der einzelnen Bildungssysteme bzw. der Erfolg von Individuen in diesen Bildungssystemen von entscheidender Bedeutung sein muss für die Erklärung von Mobilitätsverläufen. Vor diesem Hintergrund entstanden insbesondere Ende der 1990er Jahre einige Erklärungsansätze zur Entwicklung sozialer Mobilität (Breen/Goldthorpe 1997, Goldthorpe 1996a, 2000b, Müller-Benedict 1999, Breen 1997a, Checchi 1997, Rustichi-ni/Ichino/Checchi 1997, siehe auch Boudon 1974). Diese Ansätze stellen sich vor allem zwei Aufgaben: Erstens soll versucht werden, die wenig fruchtbaren funktionalistischen bzw.

1721 Goldthorpe (1996b: 260)

teleologischen Begründungen durch geeignetere mikro-fundierte Erklärungsansätze zu ersetzen; zweitens wird der herausragenden Bedeutung der Bildung Rechnung getragen, in-dem die Bildung in diesen Ansätzen als zentraler Faktor für die Generierung sozialer Un-gleichheit und somit für die Entwicklung sozialer Mobilität angesehen wird.

2.2.1. Strukturelle Obergrenzen sozialer Mobilität nach Müller-Bene-dict bzw. Boudon

Praktisch alle hier vorgestellten mikrotheoretischen Arbeiten bauen mehr oder weniger stark auf dem Modell von Raymond Boudon (1974) auf. Dieses Modell22 kann zeigen, dass es trotz eines ständigen Anstiegs der Bildungsbeteiligung und einer moderaten Abnahme der Chance-nungleichheit zu keinem Anstieg der sozialen Mobilität kommt (�Neutralisierungseffekt�), d.h. dass der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Mobilität in Industrieländern �normalerweise schwach ist�. Für die soziale Platzierung von Individuen sieht Boudon zwei Transformationsmechanismen vor, zum einen das meritokratische Prinzip (Positionsvergabe entsprechend der Qualifikation, i.e. Bildung) und zum anderen das Dominanzprinzip (bei gleicher Bildung werden die Positionen zuerst von den Angehörigen höherer Klassen besetzt). Müller-Benedict (1999) erweitert Boudons Analysen dahingehend, dass er einige von Boudon per Annahme festgesetzten Parameter frei variieren lässt. So kann er zeigen, dass es je nach Ausmaß des Parameters �Erfolgsquote� (d.h. des meritokratischen Prinzips) und des Parame-ters �Chancenungleichheit beim Bildungserwerb� (d.h. Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsabschluss) zu einem sehr unterschiedlichen Resultat bezüglich der so-zialer Mobilität kommt. Dieses unterschiedliche Ausmaß sozialer Mobilität lässt sich in einem stark zerklüfteten, dreidimensionalen Parameterraum darstellen. In diesem Raum kann veran-schaulicht werden, unter welchen Bedingungen (Erfolgsquote, Chancenungleichheit) es zu einer strukturellen Obergrenze der sozialen Mobilität kommt. Empirisch geht Müller-Benedict davon aus, dass von den beiden Bedingungen sich der Parameter der Erfolgsquote �im Ge-gensatz zu individuellen Entscheidungen [...] nur im institutionellen Rahmen und das heißt langfristiger verändern kann� (Müller-Benedict 1999: 331). Die Veränderung der Mobilitäts-rate kommt daher vornehmlich durch die Veränderung der Chancenungleichheit zustande. Dies geschieht dadurch, dass die aus verschiedenen Schichten stammenden Individuen ihre Entscheidung bezüglich einer Bildungsbeteiligung davon abhängig machen, inwieweit sich die Bildungsbeteiligung ihrer Vorgänger in einer besseren sozialen Positionierung ausgezahlt hat (Müller-Benedict 1999: 332). Beleuchtet man diesen Ansatz kritisch, so ist fraglich, in-

18

22 Das Boudon�sche Modell soll hier nur mit seinen Kernelementen kurz umrissen werden, um die Argumente nachfolgender Ansätze besser einordnen und qualifizieren zu können.

wieweit die beiden Transformationsmechanismen für sich genommen und in ihrer Kombina-tion eine angemessene Modellierung darstellen, zumal nach dem Modell eine Vergabe sozia-ler Positionen �top-down� erfolgt: Gerade vor dem Hintergrund einer Klasseneinteilung ist aber zu bezweifeln, dass noch nicht �zugeordnetete� Individuen aus hohen Klassen wirklich anderen Individuen aus niedrigeren Klassen für bestimmte Positionen (Tätigkeiten) bevorzugt werden. In diesem Zusammenhang ist je nach untersuchtem Land insbesondere die Ausrich-tung des Bildungssystems (eher allgemeinbildend oder eher berufsbildend) von zentraler Be-deutung (Müller/Shavit 1998). Schwerwiegender ist aber die Kritik an den sich scheinbar leicht änderbaren Chancenungleichheiten. Müller-Benedict geht in seinem Artikel recht belie-big von einer Veränderung aus, sobald Individuen bemerken, dass sich je nach Situation eine längere Bildungsbeteiligung bei ihren Vorgängern bezüglich einer besseren sozialen Positio-nierung (nicht) gelohnt hat. Dass es aber bei der Entscheidung bezüglich einer längeren Bil-dungsbeteiligung zu starken strukturellen Einschränkungen (z.B. Ressourcen des Elternhau-ses) kommt, welche letztlich eine Veränderung der Chancenungleichheit gänzlich verhindern können, bleibt in Müller-Benedicts Beitrag unerwähnt. Die Veränderung der Chance-nungleichheit ist aber zentral für das Modell von Müller-Benedict, da er sie als bedeutendsten Faktor für die Veränderung sozialer Mobilität ansieht.23 Diese Unzulänglichkeit umgehen Breen und Goldthorpe in ihren mikrotheoretischen Ansätzen, indem sie die hohe Kontinuität der Klassenformation (und damit der sozialen Mobilität) als Folge von einer Konstanz der Bildungsungleichheit zwischen sozialen Herkunftsklassen modellieren.

2.2.2. Mikrotheoretische Ansätze von Bildungsunterschieden nach Breen und Goldthorpe

Stellvertretend für andere Ansätze24 wird daher im Folgenden ein Modell zur Erklärung von Bildungsunterschieden dargestellt, das von Goldthorpe (1996a) skizziert und von Breen und Goldthorpe (1997) formalisiert wurde. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen sind drei empiri-sche Regelmäßigkeiten, die Breen und Goldthorpe durch einen mikrotheoretischen Ansatz erklären wollen: erstens die steigende Bildungsbeteiligung, zweitens die praktisch unverän- 23 Man muss der Fairness halber erwähnen, dass sich Müller-Benedict in seinem Artikel auf den Einfluss der Bildung auf die soziale Schichtung bezieht und den Mechanismus von Schicht auf Bildung aus Platzgründen weitgehend ausblendet. Dennoch ist ihm aus den genannten Gründen vorzuhalten, dass er bei seinem Erklä-rungsansatz mit expliziter Referenz auf die �Esser�sche Badewanne� (Esser 1993) die Logik der Transformation als Hauptbestandteil seines Beitrages sehr ausführlich und das allgemeine Handlungsgesetz (offensichtlich ein Nutzen maximierenden rational choice-Ansatz: �lohnt sich mehr Bildung?�) kurz behandelt, zu der Logik der Situation aber gänzlich schweigt.

19

24 In eine sehr ähnliche Richtung gehen Ansätze von Checchi (1997) und Rustichini/Ichino/Checchi (1997). Goldthorpe (2000b, Ch.11) bietet eine Zusammenstellung von Erfordernissen an eine Theorie sozialer Mobilität. Für eine konkrete Anwendung auf eine Untersuchung sozialer Mobilität von Klassen stellen jedoch Breen und Goldthorpe den komplettesten Ansatz vor.

derte Bildungsungleichheit von Klassen und drittens der sehr stark abnehmende Geschlech-terunterschied bei der Bildungsbeteiligung. Das Modell von Breen und Goldthorpe soll an dieser Stelle etwas ausführlicher beschrieben werden, um die Ergebnisse des Ansatzes später besser in den Kontext der sozialen Mobilität einordnen zu können.

Wie die meisten der neueren Ansätze geht auch dieses Modell auf Überlegungen von Ray-mond Boudon zurück.25 Im Wesentlichen sind es vier zentrale Eigenschaften bzw. Annah-men, die von Boudon für das Modell übernommen werden:

(1) Breen und Goldthorpe verwenden ebenfalls einen rational choice-Ansatz, d.h. Individuen oder Familien bewerten verschiedene Handlungsalternativen im Hinblick auf den zu erwar-tenden Nutzen, den das Ergebnis ihrer Handlungswahl mit sich bringt. Dabei werden subjek-tive Wahrscheinlichkeiten mit berücksichtigt, mit denen die Handelnden das Eintreten des Ergebnisses als tatsächliche Folge ihrer Handlungswahl abschätzen. D.h. diejenige Handlung wird gewählt, die bei Berücksichtigung der subjektiven Wahrscheinlichkeiten den größten Nutzen verspricht. Alle soziale Phänomene � so der Anspruch des rational choice-Paradigmas � können somit in der Tradition des methodologischen Individualismus als intendierte oder nicht intendierte Folgen von Handlungsentscheidungen auf der Mikroebene (hier von Indivi-duen oder Familien) erklärt werden, also auch ein makrosoziologisches Phänomen wie soziale Mobilität. Der Fokus auf einen rational choice-Ansatz bedeutet aber gleichzeitig auch eine Entscheidung gegen andere Theorieansätze, in diesem Fall vor allem gegen die Theorie der kulturellen Reproduktion von Pierre Bourdieu (1973, Reprint 1977). Diese besagt, dass Eltern aus höheren Klassen ihren Kindern bestimmte kulturelle Codes (�cultural capital�) beibrin-gen, welche kongruent mit der in der Schule vorherrschenden �dominanten Kultur� sind. Dies hat zur Folge, dass diese Kinder in der Schule besser zurechtkommen und überdurchschnitt-lich gefördert werden. Die Schule hat somit einen unterschiedlichen Effekt auf Kinder, je nach deren Klassenherkunft. Dies bewirkt, dass ursprüngliche Ungleichheiten durch das Bil-dungssystem verstärkt werden (Bourdieu 1977: 493). Breen und Goldthorpe kritisieren an diesem Ansatz, dass er zwar eventuell eine Erklärung für die dauerhaft existierenden Bildung-sungleichheiten liefern kann, aber dass es nach dieser Logik nicht zu einem generellen An-stieg der Bildungsbeteiligung kommen dürfte. Die Theorie könne somit ein ganz wesentliches Element der Entwicklung der Bildungssysteme nicht wiedergeben und wird daher von Breen und Goldthorpe als unzulänglich für die Erklärung der oben genannten Explananda verwor-fen. Das heißt nicht, dass Breen und Goldthorpe die Existenz von Werten und Normen grund-sätzlich verneinen. Normen könnten mitunter als Richtschnur einer rationalen Handlung die-nen und so eine genaue �Kalkulation� der Bildungsmöglichkeiten ersetzen (siehe Goldthorpe

20

25 Es gibt jedoch auch deutliche Parallelen zu einer Sammlung von möglichen Erklärungsfaktoren, die Erikson und Jonsson (1996a) zusammengetragen haben.

1996a). Jedoch schließen Breen und Goldthorpe bei der Entwicklung ihres Modells u.a. aus Gründen der Sparsamkeit solche (sub-)kulturellen Einflüsse vorläufig aus (Breen/Goldthorpe 1997: 278).

(2) Zentral für eine sinnvolle Anwendung der rational choice-Theorie ist die Frage nach dem Ziel, das die Akteure mit ihrem Handeln verfolgen, d.h. welches Motiv bzw. welche Präferenz die Handelnden durch eine rationale Wahl der Mittel zu erreichen versuchen. Breen und Goldthorpe nehmen als grundsätzliches Handlungsmotiv an, dass Familien in jedem Fall ei-nen Abstieg ihrer Kinder in eine niedrigere Klassenposition vermeiden wollen. Sie gehen demnach wie Boudon davon aus, dass das Handlungsziel der Akteure nicht für alle Indivi-duen/Familien identisch ist, sondern in Anlehnung an die �positionale Theorie der Aspiration� (Keller/Zavalloni 1964) als Folge der grundsätzlichen Motivation je nach Klasse variiert: Fa-milien aus der Oberklasse werden versuchen, ihr Kind wieder in dieser Klasse zu positionie-ren, Familien aus der Mittelklasse hingegen werden versuchen, ihr Kind mindestens wieder in der Mittelklasse zu positionieren. Dies hat zur Folge, dass aufgrund verschiedener Klassenpo-sitionen verschiedene Handlungsstrategien angewandt werden: Familien aus der Oberklasse werden versuchen, die Wahrscheinlichkeit, mit der ihr Kind wieder in der Oberklasse positio-niert wird, zu maximieren, da alles andere ein nicht gewollter Abstieg wäre. Familien aus der Mittelklasse werden jedoch versuchen, die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Kind in die Unter-klasse abrutscht, zu minimieren, da alles andere ein Gleichbleiben oder einen Aufstieg be-deutet. Interessanterweise haben bereits Lipset und Zetterberg (1959) diese Handlungsmotive zur Erklärung ihrer eigenen These der konstant hohen und ähnlichen Mobilitätsrate in Indust-rieländern verwendet (siehe Kapitel 2.1.2).

(3) Breen und Goldthorpe übernehmen weiterhin die berühmte Unterscheidung von Boudon zwischen primären und sekundären Effekten. Primäre Effekte beziehen sich auf den Zusam-menhang zwischen der sozialen Herkunft der Kinder und ihren akademischen Fähigkeiten. Kinder aus höheren Klassen schneiden tatsächlich im Durchschnitt besser ab in standardi-sierten Tests und anderen Examina als Kinder aus niedrigeren Klassen, sei es aus genetischen, psychologischen oder kulturellen Gründen (Breen/Goldthorpe 1997: 277). Diese primären Effekte gehen als �Fähigkeit� (ability) in das Modell ein, wobei offen bleiben kann, auf wel-chen Gründen diese Fähigkeiten beruhen. Entscheidend für das Modell sind aber wie bei Bo-udon die sekundären Effekte, die bei den verschiedenen Übergangsentscheidungen im Bil-dungssystem eine Rolle spielen.26 An diesen Übergangsstellen sind die wichtigsten Entschei-dungsfaktoren wie bei Boudon die klassenspezifischen Bewertungen von Kosten und Nutzen

21

26 Zwar sind für manche Kindern aufgrund primärer Effekte die Wahlmöglichkeiten bei Übergängen im Bildungssystem eingeschränkt, dennoch stehen in aller Regel zahlreiche Möglichkeiten zur Disposition (Austritt, berufliche Ausbildung, Universität, etc.).

der verschiedenen Alternativen sowie die klassenspezifischen Bewertungen von Erfolgswahr-scheinlichkeiten. Vor dem Hintergrund dieser Faktoren � so der Kern des Modells � entschei-den Familien rational in Hinblick auf ihre klassenspezifische Motivation, den angestrebten Bildungsabschluss bzw. die angestrebte soziale Position auch tatsächlich zu erreichen (Breen/Goldthorpe 1997: 278).

(4) Schließlich wird zum einen die Existenz einer Klassenstruktur angenommen, wobei die Klassen zumindest zu einem gewissen Grad in eine hierarchische Ordnung gebracht werden können, zum anderen wird ein Bildungssystem mit verschiedenen, nicht ohne weiteres zu kreuzenden Bildungspfaden vorausgesetzt, so dass an den Übergängen mehr Wahlmöglich-keiten als nur die eines Übertritts auf die nächste Bildungsstufe oder die des Austritts aus dem Bildungssystem bestehen.

Insbesondere der dritte Punkt zeigt deutlich die Anbindung dieses Modells von Bildungsent-scheidungen an generellere Überlegungen zur Entwicklung sozialer Mobilität. Das Bildungs-system dient in den Augen der Akteure als große Allokationsmaschinerie27. Die Bildung selbst wird nur als Mittel zum Zweck verstanden bei der Strategieauswahl, durch einen be-stimmten Bildungsabschluss mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auch die von Beginn an angestrebte Position zu sichern. Durch diese Verzahnung von Bildung und beruflicher Platzierung können mittels der stattfindenden Positionierung auch indirekt Aussagen über die Entwicklung der sozialen Mobilität getroffen werden. Dies hängt natürlich von der Stärke des Zusammenhangs zwischen Bildung und beruflicher Platzierung ab. Wenn man wie Breen und Goldthorpe davon ausgehen möchte, dass es keine großen Unterschiede in der Wahrnehmung von Bildungserträgen zwischen den Klassen gibt, dann ergibt sich bei einer konstanten Chan-cenungleichheit im Bildungswesen auch eine konstante Chancenungleichheit bei der berufli-chen Platzierung zwischen den Klassen und somit eine konstante Rate sozialer Mobilität � vorausgesetzt, der Einfluss des Bildungsabschlusses auf die soziale Positionierung bleibt auch konstant und andere Einflüsse variieren ebenfalls nicht.28 Inwieweit und wodurch es nach dem Modell tatsächlich zu einer konstanten Bildungsungleichheit kommt und inwieweit man daraus Hinweise auf die Entwicklung sozialer Mobilität ableiten kann, zeigt die genauere Darstellung des Modells von Breen und Goldthorpe und die Diskussion seiner drei Hauptme-chanismen.

Der einfache Fall einer einzigen Bildungsentscheidung ist in Schaubild 1 aufgezeichnet. Die Akteure müssen sich entscheiden, ob sie im Bildungssystem verbleiben oder es verlassen

27 Eine Idee, die der liberalen Theorie des Industrialismus entstammt, siehe Dunlop et al. (1975) in Kapitel 2.1.1.

22

28 Das Verhältnis zwischen Bildung, beruflicher Platzierung und sozialer Mobilität wird weiter unten noch einmal aufgegriffen, so dass der Zusammenhang � und damit die Bedeutung der Bildung � hier nur kurz skizziert wird.

Schaubild 1: Erweiterer Entscheidungsbaum nach Breen/Goldthorpe (1997)

Underclass

1-α1*-α2

*

1-π

π

1-γ1-γ2

γ2

γ1

1-β1-β2

β2

β1

α

1-α

Underclass

Working Class

Service Class

Underclass

Working Class

Service Class

Working Class

Service Class

Leave

Fail

Pass

Leave

Stay

23

wollen. Dies hängt von drei Faktoren ab: erstens von den Kosten (c) für den Verbleib im Bil-dungssystem, die immer höher sind als die Kosten beim Verlassen des Bildungssystems (c > 0); zweitens von der subjektiven Erwartung (π), die Anforderungen der nächsten Stufe zu erfüllen und damit den nächsthöheren Abschluss zu schaffen (entsprechend ist die Erwartung (belief) eines Scheiterns 1-π); und drittens von dem Wert bzw. dem Nutzen des Bildungser-trages, d.h. von der Positionierung in verschiedenen Klassen, ausgedrückt in subjektiven Wahrscheinlichkeiten (α,β1,β2,γ1,γ2), mit oder ohne Bildungsabschluss in eine bestimmte

Klasse zu gelangen. Der Einfachheit wegen sind hier nur drei verschiedene Klassenpositionen unterschieden, die Dienstklasse, die Arbeiterklasse und die Unterklasse, wobei nach dem ur-sprünglichen Modell (schwarze Linien im Schaubild) ein erfolgreicher Bildungsabschluss eine Garantie darstellt, nicht in die Unterklasse zu kommen.

Obwohl es sich bei den Wahrscheinlichkeiten immer um subjektive Wahrscheinlichkeiten handelt, gehen Breen und Goldthorpe von vier Bedingungen bezüglich dieser Parameter aus, über die ein gesellschaftlicher Konsens herrschen dürfte: a) die Chance, mit Bildungsab-schluss in die Dienstklasse zu gelangen, ist höher als ohne Bildungsabschluss (α>β1 und α>γ1); b) die Chance, in die Unterklasse zu gelangen, ist für Personen, die im Bildungssystem gescheitert sind, höher als für Individuen, die das Bildungssystem vorzeitig verlassen haben (γ1 + γ2 > β1 + β2); c) diejenigen, die gleich das Bildungssystem verlassen, haben eine höhere Chance, in die Arbeiter- statt in die Dienstklasse zu gelangen (γ2 / γ1 > 1); ob dies auch für diejenigen gilt, die verbleiben und scheitern, kann offen bleiben. In jedem Fall aber ist deren Chance, in die Arbeiter- statt in die Dienstklasse zu kommen, nicht größer als für diejenigen, die das Bildungssystem verlassen haben (γ2 / γ1 ≥ β2 / β1); d) ein erfolgreicher Bildungsab-schluss macht es wahrscheinlicher, in die Dienstklasse zu gelangen als in die Arbeiterklasse (α>0.5).

Neben diesen vier Bedingungen in Bezug auf die Wahrscheinlichkeiten machen Breen und Goldthorpe zwei weitere Annahmen über die Verteilung von �Fähigkeiten� und Ressourcen: e) Die Fähigkeiten der Kinder seien normal verteilt und der Durchschnitt bei Dienstklassen-kindern sei höher als bei Arbeiterklassenkindern (aS > aW; hier finden primäre Effekte Ein-gang in das Modell); f) Die Ressourcen der Familien seien logistisch verteilt, wobei Dienst-klassenfamilien im Mittel mehr Ressourcen haben als Arbeiterfamilien (rS > rW). Vor dem Hintergrund dieser Randbedingungen zeigen Breen und Goldthorpe die Wirkungsweise der drei wichtigsten Mechanismen in ihrem Modell:

(1) Relative Risikoaversion: Dieser Mechanismus bezieht sich auf den unterschiedlichen Nut-zen, den die Familien aus verschiedenen Klassen einer erreichten Klassenposition zuschrei-ben, wodurch unterschiedliche Handlungsstrategien entstehen (für die Dienstklasse das Ma-ximieren der Wahrscheinlichkeit, das Kind in der Dienstklasse zu platzieren; für die Arbeiter-klasse das Minimieren der Wahrscheinlichkeit, dass das Kind in die Unterschicht abrutscht). Selbst für den Fall, dass die Bildung kostenlos ist und es klassenspezifische Unterschiede in der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten (π) gibt, können Breen und Goldthorpe zeigen, dass Kinder (i) aus der Dienstklasse bei den vier gegebenen Bedingungen in jedem Fall eine hö-here Bleibewahrscheinlichkeit (piS) im Bildungssystem haben als Kinder aus der Arbeiter-klasse (piW), weil:

24

iWii

ii

ii

iiiS pp =

+++−++−+

>+−+

−+=

)())(1())(1(

)1()1(

2121

21

11

1

γγββππββππ

γβπαπβπαπ

Beweisführung siehe Breen/Goldthorpe (1997: 284)

(2) Unterschiede in den Fähigkeiten und der subjektiven Erfolgserwartung: Über den Einfluss des primären Effekts (Kinder aus der Dienstklasse haben im Schnitt höhere Fähigkeiten: aS > aW) kann gezeigt werden, dass Dienstklassenkinder im Schnitt ihre eigene Erfolgswahrschein-lichkeit im Bildungssystem höher einschätzen als dies Kinder aus der Arbeiterklasse tun, wo-durch der Unterschied in der Bleibewahrscheinlichkeit vergrößert wird. Eine (vermutlich em-pirisch seltene) Ausnahme hiervon ergibt sich nur dann, wenn Kinder trotz des Misserfolgs auf der vorherigen Bildungsstufe ihre Erfolgsaussichten auf der nächsten Stufe hoch einschät-zen (oftmals ist ein solcher Übergang in Bildungssystemen nicht gestattet).

(3) Unterschiede in den Ressourcen: Auch durch die unterschiedliche Ressourcenausstattung von Familien aus verschiedenen Klassen haben Dienstklassenkinder durchschnittlich in jedem Fall einen Vorteil gegenüber Arbeiterkindern, d.h. auch durch diesen Effekt wird ihre Verbleibewahrscheinlichkeit im Bildungssystem größer gegenüber Arbeiterkindern.

Breen und Goldthorpe untersuchen, inwieweit eine Lockerung ihrer Annahmen zu anderen Ergebnissen führen würde bzw. welches die entscheidenden Mechanismen im Modell sind. Betrachtet man mehr als drei mögliche Ergebnisse der Entscheidung (z.B. eine Sequenz von Bildungsentscheidungen), findet man grundsätzlich die gleichen Befunde, wobei der Einfluss von Klassenunterschieden bei späteren Bildungsentscheidungen abnimmt. Führt man unter-schiedliche Bewertungen bezüglich der Verwertungschancen (α, β, γ) ein, so verstärken sich statisch die Unterschiede, da Dienstklassenfamilien in aller Regel die Chancen auf eine Plat-zierung ihrer Kinder in der Dienstklasse höher einschätzen als Arbeiterfamilien dies bei ihren Kindern tun, nicht zuletzt wegen bildungsfremder Mechanismen (Netzwerke etc.), auf die Dienstklassenfamilien eher zurückgreifen können. Entscheidend für das Modell ist aber die Annahme eines risikoscheuen Handlungsmotivs. Breen und Goldthorpe zeigen, dass ein Er-setzen der Minimierungs- bzw. Maximierungsstrategie durch einen klassenspezifischen Aus-zahlungsvektor tatsächlich eine Veränderung in der Bleibewahrscheinlichkeit mit sich bringt. So ist nach der Lockerung dieser Annahme für eine Dienstklassenfamilie nicht mehr egal, ob sie ihr Kind in der Arbeiter- oder in der Unterklasse platziert, weil die Platzierung in der Un-terklasse jetzt nochmals schlechter bewertet wird als die Platzierung in der Arbeiterklasse. Ähnlich werden Arbeiterkinder durch einen Aufstieg in die Dienstklasse zusätzlich belohnt. In welche Richtung sich die daraus resultierende unterschiedliche Bildungsbeteiligung be-wegt, hängt davon ab, wie der Auszahlungsvektor für die verschiedenen Klassen konkret aus-sieht. Geht man davon aus, dass den Familien bzw. deren Kindern zumindest eine abge-

25

schwächte Form der relativen Risikoaversion zu eigen ist, nämlich dass sie Aufwärtsmobilität weniger schätzen als dass sie Abwärtsmobilität fürchten, so bleiben die oben gefundenen Er-gebnisse bestehen. Erst die komplette Aufgabe der für das Modell zentralen Idee einer Risi-koaversion würde zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Um nun die drei Explananda, die den Ausgangspunkt der Untersuchung von Breen und Goldthorpe gebildet haben, mit ihrem Modell erklären zu können, muss demnach die Risi-kobereitschaft im Hinblick auf Bildungserträge über die Klassen unterschiedlich verteilt sein. So können Breen und Goldthorpe mit ihrem Modell zeigen, warum es zu einem Anstieg der Bildungsbeteiligung, zu einer Konstanz der Bildungsungleichheit zwischen Klassen und zu einer Abnahme der Geschlechterungleichheit im Bildungswesen gekommen ist. Die Zunahme der Bildungsbeteiligung erklären sie über den Mechanismus der Klassenunterschiede in den verfügbaren Ressourcen. Eine Verringerung der Bildungskosten führt bei gleichbleibendem Bildungsinteresse (pi) zu einer höheren Bildungsbeteiligung in allen Klassen, wobei dieser Effekt zusätzlich verstärkt wird, da es vermutlich generell zu einem Anstieg der Bildungs-nachfrage kommt, �as educational credentials come to take on increasing importance in the labour market and in securing a relatively advantaged class position� (Breen/Goldthorpe 1997: 294).29 Gleichzeitig aber hat die Verringerung der Bildungskosten in der Regel keine Veränderung des Chancenverhältnisses zwischen Dienst- und Arbeiterfamilien zur Folge, wenn es gleichzeitig zu einem Anstieg der Bildungsbeteiligung generell kommt. D.h. die Bildungsungleichheit zwischen den Klassen bleibt weiterhin bestehen (Beweisführung siehe Breen/Goldthorpe 1997: Appendix). Dagegen kann mit dem Modell gezeigt werden, dass eine generelle Abnahme der Ressourcenungleichheit zwischen den Klassen auch zu einer Ver-ringerung der Bildungsungleichheit zwischen den Klassen führt.30 Schließlich wird die dras-tische Abnahme des Geschlechterunterschieds in der Bildungsbeteiligung über eine Ver-änderung in der Wahrnehmung der Bildungserträge erklärt: Da Mädchen bzw. Frauen die-selben Kosten und Ressourcen haben wie ihre Brüder, kann eine Erklärung mit klassen-spezifischen Bedingungen nicht weiterhelfen. Vielmehr ist durch die sich wandelnde Frauen-rolle in der Gesellschaft (nicht mehr nur Mutter, Ehe- und Hausfrau) und durch den Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit (vor allem von verheirateten Frauen) vermutlich auch ein Wandel in den subjektiven Bewertungen der Bildungserträge von Frauen einhergegangen.

29 Auch wenn die beiden Autoren der �Increased Merit-Selection�-These generell sehr kritisch gegenüber stehen, so zeigt diese Passage und auch ihr gesamter Ansatz, dass sie Bildung als einen zentralen Mechanismus sehen, der bzw. durch den Personen verschiedenen Positionen zugeordnet werden und wodurch die Entwicklung der sozialen Mobilität nachhaltig beeinflusst ist.

26

30 Breen und Goldthorpe diskutieren auch das �maximally maintained inqualitity�-Konzept von Hout, Raftery und Bell (1993) und qualifizieren es im Hinblick auf den Anteil der Kinder, die unter gegebenen Umständen (i.e. ihrer Handlungsmotivation) im Bildungssystem verbleiben wollen (Breen/Goldthorpe 1997: 294f.).

2.2.3. Bewertung der mikrotheoretischen Ansätze im Hinblick auf die Entwicklung sozialer Mobilität

Mit dem Modell von Breen und Goldthorpe kann sehr deutlich veranschaulicht werden, wel-ches die wichtigsten Mechanismen für eine gleichbleibende Bildungsungleichheit sein könnten und wie diese Mechanismen diese Ungleichheit immer wieder generieren. Das Mo-dell lässt sich aber an einigen Stellen kritisieren: Zum einen ist fraglich, ob in dem Modell die zweite Bedingung hinsichtlich der subjektiven Wahrscheinlichkeiten empirisch haltbar ist (zweite Bedingung: Personen, die im Bildungssystem gescheitert sind, gelangen eher in die Unterklasse als Personen, die vorher das Bildungssystem verlassen haben: γ1 + γ2 > β1 + β2).31 Insbesondere in Ländern, in denen man vor allem eine Allgemeinbildung verwerten kann (und hier vor allem die USA), sind sehr häufig Personen mit versuchtem, aber gescheitertem Bildungsabschluss (hier meist �some college education�) besser gestellt als Personen, die einen höheren Ausbildungsgang nicht versucht haben (DiPrete/McManus 1996). Ein anderer Kritikpunkt ist die willkürliche Festlegung, dass man mit bestandenem Bildungsabschluss nicht in die Unterklasse absteigen kann. Auch bei ihrer Modellerweiterung zu einem sequen-tiellen Modell liefern Breen und Goldthorpe keine Gründe für diese Festsetzung (Breen/Goldthorpe 1997: 288). Diese Setzung ist aber keineswegs trivial, denn somit fällt die subjektive Erfolgsaussicht eines Bildungsabschlusses für die Arbeiter aus dem Modell heraus, d.h. ein abgeschlossener Bildungsgang bringt immer den maximalen Nutzen für Angehörige der Arbeiterklasse (siehe πi in Formel auf S. 21). Es ist aber sehr zu bezweifeln, dass diese Annahme empirisch haltbar ist. Vielmehr erscheint es sinnvoller, auch bei abgeschlossener Bildung die Möglichkeit mit einzubeziehen, in die Unterklasse absteigen zu können (siehe schwach gedruckter Pfad im Schaubild mit 1-α1

*-α2*). Drittens kann man die generelle Anlage

des Modells kritisieren, d.h. die zentrale Bedeutung der Motivation der Akteure, mindestens ihre jetzige Klassenposition bewahren zu wollen. Man könnte argumentieren, dass mit dieser an sich sehr konservativen Annahme der Risikoaversion, die den entscheidenden Mechanis-mus des Modells darstellt, der Weg zu konstanten Bildungsungleichheiten zumindest schon vorgezeichnet ist. Allerdings ist gerade die Verbindung zwischen dem Ziel einer bestimmten sozialen Positionierung (und damit indirekt der sozialen Mobilität) und den Bildungsentschei-dungen für diese Arbeit von besonderem Interesse, so dass dieser Aspekt weiter unten noch einmal aufgegriffen wird. Schließlich ist an dem Modell zu kritisieren, dass es eine hierarchi-sche Klassenanordnung benötigt. Denn es ist eine besondere Stärke des Klassenansatzes ge-

27

31 Diese Bedingung ist Voraussetzung für den Beweis, dass trotz gleicher Erfolgseinschätzung und null Bildungskosten allein aufgrund der Risikoaversion die Dienstklassen eher im Bildungssystem verbleiben als die Arbeiterklassen (Breen/Goldthorpe 1997: 284)

genüber sozioökonomischen Ansätzen, dass eben nicht immer eine Hierarchie zwischen den Klassen hergestellt werden muss. Geht man davon aus, dass zwei Klassenpositionen auf der gleichen Hierarchieebene angesiedelt sind, zum Beispiel die Klasse III (nicht manuelle Routi-netätigkeiten) und die Klasse V (Vorarbeiter, Meister, Techniker) des Goldthorpe-Klassen-schemas (siehe Erikson/Goldthorpe 1992a: 36, 45), dann kann man in dem Modell von Breen und Goldthorpe daraus nicht mehr ohne weiteres eine Strategie für die bestmögliche Bil-dungsinvestition ableiten. Denn in diesem Fall ist nicht klar, ob die Klassen als wirklich �gleich erstrebenswert� gelten. Ist dies der Fall, kann man daraus nicht mehr eine dominie-rende Bildungsstrategie32 ableiten, um in diese Klassen zu gelangen, da es oftmals Unter-schiede in den Bildungsanforderungen gibt (in Deutschland meist kaufmännische Ausbildung vs. gewerbliche Ausbildung plus Meisterschule). Werden jedoch die Klassen zwar �gleich-rangig�, aber nicht �gleich erstrebenswert� wahrgenommen, dann ist zu vermuten, dass (sub-)kulturelle Faktoren (z.B. manuell vs. nicht manuell) für diesen Unterschied verantwortlich sind, welche Breen und Goldthorpe in ihrem Modell ausschließen.

Trotz dieser Kritikpunkte kann dieses Modell sehr gut zeigen, dass man nicht ohne weiteres von einer abnehmenden Chancenungleichheit im Bildungssystem ausgehen kann, sobald In-dividuen bemerken, dass sich mehr Bildung lohnt bzw. nicht mehr lohnt, so wie dies Müller-Benedict verkürzt vorgeschlagen hat. Dass eine solche Wahrnehmungsleistung von den Indi-viduen vorgenommen werden kann, ist sehr zu bezweifeln, da sich diese Wahrnehmung nach Müller-Benedict auf die gestiegene oder gesunkene Chancengleichheit in einer Gesellschaft bezieht (Müller-Benedict 1999: 332). Die Wahrnehmung solcher relativer Mobilitätsraten ist jedoch außerordentlich schwierig, da diese Raten im Vergleich zu absoluten Mobilitätsraten nicht direkt beobachtbar sind. Dass Individuen tatsächlich diese Fähigkeit besitzen, ist allein schon aufgrund der lange andauernden Diskussionen in der Mobilitätsforschung (siehe oben) eher unwahrscheinlich. Breen und Goldthorpe dagegen können diese subjektiven Wahrneh-mungen in Bezug auf Bildungserfolge (nicht auf Chancengleichheit) neben einer Reihe ande-rer Faktoren in ihrem Modell einbauen.

Die eigentliche Stärke ihres Ansatzes ist es aber, einen engen Zusammenhang zwischen Bil-dung, sozialer Positionierung und sozialer Mobilität herzustellen. Durch die Aggregation zahlreicher sozialer Positionierungen wird das Ausmaß der sozialen Mobilität determiniert.33 Breen und Goldthorpe zeigen, wie Individuen vor allem das Bildungssystem benutzen, um 32 Es gibt zwar mitunter mehrere Bildungswege, um die gewünschte Qualifikation zu erreichen, es soll hier aber analog zu dem Modell von dem jeweils typischen Bildungsweg ausgegangen werden.

28

33 Ob es dabei tatsächlich zu einer strukturellen Obergrenze der sozialen Mobilität kommt, so wie dies Müller-Benedict behauptet, kann bezweifelt werden, da die verwendeten Transformationsprinzipien, insbesondere die �top-down�-Technik empirisch zumindest für Deutschland keinen Bestand hat, da hier entscheidend ist, welche, nicht wieviel Ausbildung eine Person hat (Steinmann 2000, siehe auch die Idee eines Schwellenmusters in Müller/Shavit 1998).

sich die gewünschte soziale Position zu sichern. Zwar gibt es noch andere Mechanismen, die bei der Besetzung der Positionen von Bedeutung sind, es wird aber auch bei Breen und Goldthorpe deutlich, dass die Bildung eine zentrale vermittelnde Rolle hierbei spielt. Insofern ist für die Analyse sozialer Mobilität von überragendem Interesse, wie sich bei Konstanthal-ten anderer Faktoren die Verhältnisse zwischen sozialer Herkunft, Bildung und sozialer Ziel-klasse (Positionierung) entwickeln:

Schaubild 2: Beziehung zwischen Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung I

Soziale Klassenposition

Soziale Herkunftsklasse

Bildung

(Education)

Nimmt der Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungsbeteiligung bzw. den Bildungs-erfolg ab, d.h. kommt es zu einer Reduktion der Bildungsungleichheit zwischen den Klassen, bedeutet das noch nicht automatisch, dass auch der Zusammenhang zwischen sozialer Her-kunftsklasse und eigener sozialer Klassenpositionierung abnimmt. Dieser Fall von mehr sozi-aler Mobilität tritt nur ein, wenn der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Positio-nierung konstant bleibt oder sich abschwächt. Wird die Rolle der Bildung dagegen wichtiger für die Erreichung bestimmter Positionen, dann kann es trotz verringerter Bildungsungleich-heit zu einer gleichbleibenden oder sogar gestiegenen Immobilität kommen.

Das Modell von Breen und Goldthorpe kann einen großen Teil dieses Zusammenhangs ab-bilden. Zum einen kann es mögliche Faktoren aufzeigen, wie es zu einer Verringerung der Bildungsungleichheit kommen kann, zum anderen berücksichtigt das Modell aber auch mit-tels der subjektiven Wahrscheinlichkeiten, wie sich ein (nicht erreichter) Bildungsabschluss auf die soziale Positionierung auswirken kann. Insofern kann das Modell trotz seiner Schwä-chen bis zu einem gewissen Grad zumindest als heuristische Vorlage für die Analyse der Entwicklung sozialer Mobilität in Deutschland dienen.

29

2.2.4. Die Entwicklung der Bildungsungleichheit in Deutschland und ihre möglichen Ursachen

In vielen Ländern findet sich eine über die Zeit hinweg konstante Bildungsungleichheit (Sha-vit/Blossfeld 1993), was Breen und Goldthorpe auch als eines ihrer drei Explananda ange-nommen haben. Meist werden die Niederlande, vor allem aber Schweden als Ausnahme von dieser Regel gesehen, die eine abnehmende Bildungsungleichheit zumindest über weite Stre-cken des vergangenen Jahrhunderts zu verzeichnen haben (De Graaf/Ganzeboom 1993, Erikson/Jonsson 1996b). Für Deutschland sind die Befunde uneinheitlich. Blossfeld (1993) findet mit Daten des Sozioökonomischen Panels keine signifikante Änderung in dem Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungsabschlüsse für verschiedene Geburtskohorten, wobei jedoch insbesondere die Kohorte 1931-1935 als Folge der Nachkriegsbedingungen von dem allgemein gefundenen Muster abweicht (Blossfeld 1993: 61). Müller und Haun (1994) hinge-gen berichten auf Grundlage einer breiteren Datenbasis eine weit reichende Verringerung der Bildungsungleichheit bis in die 1980er Jahre, wobei in den jüngsten Kohorten dieser Egalisie-rungstrend allem Anschein nach zu Ende geht. Diese generelle Abnahme der Bildung-sungleichheit wird auch in neueren Studien mit teilweise anderen Methoden und unterschied-licher Datenbasis gefunden (z.B. Jonsson/Mills/Müller 1996, Henz/Maas 1995), so dass Deutschland mittlerweile als dritte Ausnahme von dem Muster einer konstanten Bildung-sungleichheit neben Schweden und den Niederlanden angesehen und als solche auch von Breen und Goldthorpe beschrieben wird (Breen/Goldthorpe 1997: 276).

Fraglich ist, inwieweit Breen und Goldthorpe mit ihrem Modell auch einen Hinweis oder gar eine Erklärung für diese abweichenden Befunde liefern können. Für Schweden erklären sie die Abnahme der Bildungsungleichheit mit der zunehmenden Einkommensgleichheit zwi-schen den Klassen bei einer gleichzeitigen Reduzierung der ökonomischen Risiken für die Arbeiterklasse. Gründe für die abweichende Entwicklung Deutschlands von dem allgemeinen Muster liefern sie aber leider nicht. Daher soll im Folgenden gezeigt werden, welche Faktoren des Modells die Abnahme der Bildungsungleichheit in Deutschland beeinflusst haben könnten. Dabei sollen im Rahmen dieser Arbeit die Gründe für eine Abnahme der Bildung-sungleichheit nicht ausführlich diskutiert werden.34 Vielmehr geht es darum, mögliche Ursa-chen zu identifizieren, die auch in Bezug auf die Mobilitätsentwicklung in Deutschland von Relevanz sein könnten:

30

34 Für eine ausführliche Zusammenstellung solcher Faktoren siehe Erikson/Jonsson (1996a), einen Test vieler dieser möglichen Ursachen bezogen auf Deutschland liefern Müller/Haun (1994).

(1) Entwicklung in der Ressourcenverteilung: In Deutschland kommt es insbesondere durch das starke Wirtschaftswachstum in der 1950er und 1960er Jahren zu einer deutlichen Anhe-bung des Lebensstandards. Dennoch ist damit einhergehend keine nennenswerte Reduktion der Einkommensungleichheit zu verzeichnen (Butz 2000), d.h. die Ressourcenverteilung in Bezug auf die Klassen bleibt weitgehend konstant. Diese Situation führt nach dem Modell von Breen und Goldthorpe zu keiner Verringerung der Bildungsungleichheit. Insofern gibt es offensichtlich unterschiedliche Mechanismen in Deutschland und Schweden, die für eine Ver-ringerung der Bildungsungleichheit verantwortlich sind.

(2) Änderung in der relativen Risikobereitschaft: Hierüber sind im Grunde nur spekulative Aussagen möglich. Man könnte analog zu dem schwedischen Fall argumentieren, dass die relativ hohe Absicherung der Arbeiterschaft gegen ökonomische Risiken bei Arbeiterfamilien zu weniger risikoscheuen Motiven führt. Jedoch ist auch das Gegenteil denkbar, wonach Ar-beiterfamilien aufgrund der relativ hohen Sicherheit mit ihrer Position zufrieden sind und daher keinen Grund sehen, ihr Kind einem unnötigen Risiko auszusetzen. Einen Hinweis dar-auf, inwieweit sich die Absicherung der Arbeiterschaft relativ zu anderen Gruppen geändert hat, kann man eventuell aus dem institutionell gegebenen Verhältnis zwischen Arbeiterstatus und Angestelltenstatus erhalten. Insofern ist es wichtig, sich die Entwicklung der institutio-nellen Trennung zwischen Arbeitern bzw. Arbeiterinnen und Angestellten zu betrachten, um so auf eine sich ändernde Risikobereitschaft insbesondere bei Arbeiterfamilien schließen zu können. Diese Änderung könnte nach dem vorliegenden Modell zu einer Abnahme der Bil-dungsungleichheit führen.

(3) Änderung in den subjektiven Erfolgserwartungen: Dieser Punkt bezieht sich auf die sub-jektiven Erfolgserwartungen hinsichtlich einer späteren beruflichen Platzierung, d.h. er spricht explizit den Zusammenhang zwischen Bildung und Positionierung an, was vor dem Hinter-grund einer Untersuchung der sozialen Mobilität von besonderem Interesse ist. Fraglich ist, ob sich in der Wahrnehmung der Platzierungschancen etwas über die Zeit verändert hat, d.h. ob die Klassen sich bei der Einschätzung dieser Modellparameter ähnlicher werden. Dies wäre der Fall, wenn Arbeiterfamilien die Wahrscheinlichkeiten der Bildungserträge zuneh-mend ähnlich einschätzen würden wie Dienstklassenfamilien, da in der Regel aS

* > aW*. Dies

macht deutlich, dass das Modell hierzu in der oben angeführten Weise erweitert werden muss, um diesen möglichen Effekt zu berücksichtigen (siehe Schaubild 1 auf Seite 25). Wie bedeu-tend der Mechanismus der Erfolgserwartungen sein kann, zeigen Breen und Goldthorpe, indem sie diesen als Ursache für die starke Reduktion der Geschlechterungleichheit anführen. Bewertet man den Mechanismus vor dem Hintergrund einer abnehmenden Bildungsungleich-heit in Deutschland, ist zu fragen, warum es zu einer Angleichung der wahrgenommenen Er-folgsaussichten kommen könnte. Es ist hier in erster Linie an die im internationalen Vergleich

31

stark berufsbezogene Bildung zu denken, die einem bestimmten Bildungsabschluss relativ deutlich einer sozialen Position zuweist und somit die Wahrscheinlichkeiten kalkulierbar macht. Die klare Trennung zwischen berufsbezogenen und allgemeinbildenden Abschlüssen verstärkt diese Berechenbarkeit und damit das Vertrauen in das System. Die Akteure bekom-men demnach Signale bezüglich ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit durch das institutionelle Ar-rangement, in dem sie ausgebildet und später zugeordnet werden. Daher ist es notwendig, den institutionellen Rahmen zu betrachten, in den die Erfolgsquoten der Bildungsabsolventen ein-gebettet sind (Müller-Benedict 199935). Dies bedeutet gleichzeitig, bis auf weiteres den akteurszentrierten Ansatz der Mikrotheorien zu verlassen und sich mögliche Veränderungen in den makrostrukturellen und hier vor allem in den institutionellen Gegebenheiten anzu-schauen. Dadurch sollen Hinweise gefunden werden, inwieweit sich subjektive Wahrneh-mungen und damit eventuell die Bildungsungleichheit geändert haben könnten. Diese Be-trachtung der Makroebene umfasst neben dem institutionellen Arrangement des Bildungssys-tems vor allem den Zusammenhang zwischen (Aus-)Bildung und sozialer Positionierung. Mit Hilfe dieser beiden Informationen können dann Hypothesen für die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland abgeleitet werden. Oder wie es Goldthorpe am Ende seiner Mikro-theorie-Skizze ausdrückt:

�However, in so far as such theory is also called upon to explain processes of change, suggestive of a significant weakening � or, should the case arise, a strengthening � of the influence of class, it would seem likely that it will then have to turn to the analysis of action at a different level: that is, the action of political élites, and of the organizations they command, which is specifically directed to modifying relations in labour markets and production units that constitute the matrix of class.� (Goldthorpe 1996a: 500).

32

35 Dies ist der zweite Parameter, den Müller-Benedict vorstellt, auf den er aber nicht weiter eingeht, da er sich nur �längerfristiger ändern kann� (Müller-Benedict 1999: 331). Stattdessen konzentriert sich Müller-Benedict auf die Entwicklung der Chancengleichheit, die aber nach dem Ansatz von Breen und Goldthorpe nicht unab-hängig von der Erfolgsquote ist, sondern direkt von ihr beeinflusst wird.

2.3. Institutionelle, makrostrukturelle und historische Gegebenheiten bzw. Entwicklungen

Die Diskussion der mikrotheoretischen Ansätze im vorangegangen Abschnitt hat gezeigt, welche Mechanismen bei einer Analyse der sozialen Mobilität in Deutschland vermutlich von zentraler Bedeutung sind, nämlich die subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten im Bildungs-system und im Platzierungsprozess sowie die relative Risikobereitschaft der verschiedenen Klassen. Es wurde aber auch deutlich, dass für eine solche Untersuchung eine Betrachtung der Handlungen von Akteuren auf der Mikroebene nicht ausreicht, sondern dass diese Hand-lungen in einen institutionellen bzw. makrostrukturellen Rahmen eingebettet werden müssen. Entscheidend für Deutschland werden hierbei insbesondere das institutionelle Arrangement des Bildungssystems und des Übergangs vom Bildungssystem in den Beruf sein. Aber auch andere Entwicklungen, die die Makrostruktur beeinflussen wie wirtschaftliches Wachstum oder Arbeitsmarktsituation, oder spezifische historische Ereignisse können auf diese Mecha-nismen einwirken.

Es werden daher in diesem Unterkapitel die bisherigen theoretischen Überlegungen durch die Betrachtung der institutionellen, makrostrukturellen und historischen Gegebenheiten bzw. Entwicklungen weiter kontextualisiert. Hierdurch soll zweierlei möglich werden: Erstens soll durch die Kenntnis dieser Gegebenheiten � vor allem vor dem Hintergrund des Zusammen-hangs von sozialer Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung (siehe Schaubild 2) � die voraussichtliche Entwicklung der sozialen Mobilität abgeleitet werden. Zweitens soll darüber hinaus versucht werden, durch eine Rückanbindung dieser Gegebenheiten an die Mikroebene eine Erklärung für diese voraussichtliche Entwicklung zu skizzieren.

2.3.1. Gegebenheiten auf der Makro-Ebene und ihr Einfluss auf die Entwicklung sozialer Mobilität

Auf der Makro-Ebene werden drei Faktorenbündel unterschieden: Als institutionelle Ein-flüsse werden in erster Linie das Bildungssystem, der Übergang von der Bildung in den Beruf sowie das institutionelle Arrangement des Arbeitsmarktes erörtert. Weitere makrostrukturelle Einflüsse beziehen sich auf die wirtschaftliche Lage insgesamt sowie auf die Entwicklung der Erwerbstätigenstruktur. Schließlich werden historische, d.h. einmalige und im Unterschied zu den beiden ersten Faktoren nicht-systematische Einflüsse auf die soziale Mobilität vorgestellt. Im spezifisch deutschen Fall handelt es sich hierbei vor allem um den Einfluss des Zweiten Weltkrieges und seine Folgen. 33

2.3.1.1. Institutionelle Kontinuitäten und Veränderungen im Bildungswe-sen und bei Bildungserträgen

Bei der Betrachtung der institutionellen Gegebenheiten bzw. Veränderungen ist vor allem entscheidend, welche Einflüsse sich in Hinblick auf die Bildungsbeteiligung und auf die sozi-ale Positionierung geändert haben. Es werden deshalb das Bildungssystem, der Übergang vom Bildungssystem in den Beruf und der institutionalisierte Unterschied zwischen Arbei-tern/Arbeiterinnen und Angestellten untersucht.

2.3.1.1.1. Institutionelle Gegebenheiten bzw. Veränderungen im Bildungssystem

Das deutsche Bildungssystem wird im internationalen Kontext als ein standardisiertes und insbesondere auf der sekundären Ebene als ein stark stratifiziertes System charakterisiert, d.h. erstens, dass die jeweiligen Bildungsabschlüsse landesweit ein einheitliches Niveau haben und zweitens, dass insbesondere auf der sekundären Ebene die Dauer der Bildungsbeteiligung stark variiert und die auf dieser Ebene erworbenen Abschlüsse sich deutlich voneinander un-terscheiden (Allmendinger 1989). Letzterer Punkt bezieht sich vor allem auf die frühe Auf-teilung der Schülerinnen und Schüler in Haupt- und Realschule bzw. in das Gymnasium und anschließend daran in eine meist berufsbezogene Ausbildung. Ein weiteres Merkmal des deutschen (Aus-)Bildungssystems ist die sehr stark berufsbezogene Ausbildung. Auf dem sekundären Bildungsniveau stehen mit dem �Dualen System� einer gleichzeitig schulischen und betrieblichen Ausbildung und mit den verschiedenen berufsbildenden Schulen zwei Bil-dungswege zur Verfügung, die die Lehrlinge bzw. Schülerinnen und Schüler in meist institu-tionell genau definierten Ausbildungsberufen ausbilden (siehe Steinmann 2000).36 Auf dem Tertiärniveau kommt es ebenfalls zu einer deutlich berufsbezogenen Orientierung der Ausbil-dungsgänge. Einige bestimmte Universitätsabschlüsse mit meist eng eingegrenzten Berufsfel-dern (z.B. Medizin, Jura, Ingenieurwissenschaften) und Fachhochschulabschlüsse37 unterstrei-chen auf dem Tertiärniveau den berufsspezifischen Charakter des Bildungssystems (Mül-ler/Steinmann/Ell 1998).

An diesem institutionellen Arrangement hat sich sowohl im allgemeinbildenden als auch im berufsbildenden Bereich in den letzten Jahrzehnten wenig geändert. Reformbestrebungen, wie sie in anderen Ländern stattgefunden haben, fielen in Deutschland deutlich geringer aus, es kam lediglich zu zwei weiter reichenden Reformen: Zum einen wurde die Dauer des Pflicht-

36 Bestimmte berufsbildende Schulen wie die Fachoberschulen oder Berufsaufbauschulen vergeben allgemein-bildende Abschlüsse. Außerdem sind im Bereich der berufsbildenden Schulen die Berufsvorbereitungsjahre und die Berufsgrundbildungsjahre von Bedeutung, die ebenfalls keinen berufsbezogenen Abschluss vergeben. In Bezug auf den Anteil einer Schüler- bzw. Schülerinnenkohorte aber sind diese Bildungspfade, die nicht (oder erst später) zu einem berufsbildenden Abschluss führen, von geringem Gewicht.

3437 Weitere Institutionen sind je nach Bundesland die Berufsakademien und die Pädagogischen Hochschulen.

schulbesuchs um ein Jahr auf neun Jahre erhöht, wodurch sich die Hauptschule als Minimal-schule nur noch um ein Jahr von der im Niveau höheren Realschule unterscheidet. Zum an-deren wurde erst in den 1970er Jahren die Fachhochschule als tertiärer Bildungsgang unter-halb des Universitätsniveaus mit deutlich berufsbezogenem Studieninhalt eingeführt.

Das institutionelle Arrangement des Bildungssytems blieb somit weitgehend unverändert. Durch die Anhebung der Mindestschulzeit und einer Stratifizierung auf dem Tertiärniveau wurden Änderungen nur �ganz unten� und �ganz oben� vorgenommen. Empirisch zeigt sich neben einem deutlichen Anstieg der Bildungsbeteiligung eine merkliche Abnahme der Bil-dungsungleichheit (siehe Seite 31f.). Diese Abnahme des Einflusses der sozialen Herkunft tritt insbesondere bei dem Übergang in weiterführende Schulen auf. Arbeiter- und Bauern-kinder profitieren von dieser Entwicklung am meisten (vgl. Müller/Haun 1994). Fraglich ist, inwieweit es auch zu Veränderungen beim Übergang von dem Bildungssystem in den Ar-beitsmarkt gekommen ist.

2.3.1.1.2. Institutionelle Gegebenheiten beim Übergang vom Bildungssystem in den Beruf

Die Kenntnis institutioneller Verbindungen zwischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt ist eine unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis der Besetzung von Arbeitsplätzen und damit von sozialen Positionen in einer Gesellschaft (siehe z.B. Breen/Hannan/O�Leary 1995). Deutschland weist hierbei im internationalen Vergleich durch die starke Stellung der berufs-bezogenen (Aus-)Bildung einen sehr ausgeprägten Zusammenhang zwischen Bildungssystem und beruflicher Platzierung auf. Maurice, Sellier und Silvestre (1986) charakterisieren den Arbeitsmarkt in Deutschland als einen qualificational space, Marsden (1990) nennt Deutsch-land als Beispiel für einen stark nach Berufen strukturierten Arbeitsmarkt (occupational labour market). Zentrales Merkmal dieser Konzepte ist es, dass in einem solchen Arbeits-markt die Beschäftigten Zugang zu spezifischen Berufen in vielen verschiedenen Unterneh-men finden können, da dieser Zugang auf allgemein anerkannten Bildungszertifikaten oder Qualifikationen beruht. Diese enge Verbindung von Bildung und Beruf hat zur Folge, dass im internationalen Vergleich Herkunftsunterschiede bei gegebener Bildung in Deutschland den geringsten Einfluss auf die soziale Positionierung haben (Checchi 1997). Das Duale System, in dem die Mehrheit einer Schülerpopulation eine berufliche Ausbildung erlangt, umfasst praktisch alle Bereiche der Wirtschaft, selbst der Staat tritt als Ausbilder innerhalb des Dualen Systems für manche Positionen im öffentlichen Dienst auf. Insofern kann das Ausbildungs-system mit seinen 370 verschiedenen anerkannten Ausbildungsberufen die unterschiedlichs-ten Segmente des Arbeitsmarktes bedienen. Die Festlegung der Ausbildungsinhalte und -dauer, formale Examina und bestimmte Anforderungen an Ausbildungsbetriebe sowie ein-

35

heitlich geschultes Ausbildungspersonal sichern ein hohes Maß an Standardisierung der Aus-bildungsabschlüsse.

Die Festlegung der Ausbildungsprogramme sowie ihre Einhaltung werden durch ein (neo-) korporatistisches System aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und Staat geregelt (Mül-ler/Steinmann/Ell 1998, Steinmann 2000). Industrie- und Handelskammern bzw. Handwerks-kammern, in denen alle Betriebe per Gesetz zwangsweise zusammengeschlossen sind, über-wachen die Ausbildungen bzw. nehmen die Prüfungen ab. Durch diesen Zwangszusammen-schluss ist auch zum Teil ein Mechanismus geschaffen, durch den die Betriebe veranlasst werden, die sich ändernden Qualifikationsanforderungen immer wieder in die Diskussion der Lehrinhalte einzubringen, so dass Lehrlinge nicht am Bedarf für bestimmte Qualifikationen vorbei ausgebildet werden.38 Die herausragende Bedeutung beruflicher Abschlüsse wird aber auch dadurch deutlich, dass bestimmte formale berufsbildende Abschlüsse per Gesetz bzw. gemäß Ordnung Voraussetzung dafür sind, um sich in bestimmten Bereichen (z.B. im Hand-werk) selbstständig machen zu dürfen. Ebenso sind in großen Firmen bestimmte Aufsichts-positionen (z.B. Meister) ebenfalls an solche formalen Abschlüsse gebunden. Schließlich gibt es auch in Bereichen außerhalb des Dualen Systems zahlreiche staatlich anerkannte Berufs-abschlüsse (z.B. im Gesundheitswesen), und auch im tertiären Bereich wird z.B. durch Staats-examina und Approbationsordnungen die Bedeutung berufsbezogener Studiengänge unter-strichen.

An diesem institutionellen Arrangement hat sich seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wenig geändert. Durch die Einführung der Fachhochschulen ist ein weiterer Ab-schluss hinzu hinzugekommen, den die Absolventen dieses Bildungsgangs auf dem Arbeits-markt sehr gut verwerten können (siehe Brauns/Müller/Steinmann 1997). Aber davon abge-sehen kam es lediglich zu kleineren Reformen, die sich in erster Linie auf inhaltliche, nicht aber auf strukturelle Gegebenheiten bezogen. So wurden z.B. die Curricula der Ausbildungs-berufe den jeweils aktuellen Anforderungen der Betriebe angepasst, was insgesamt auch zu einer Verringerung der Zahl der Ausbildungsberufe führte. Die in den 1980er Jahren aufge-kommene Diskussion um eine Krise und den Fortbestand des Dualen Systems hat vermutlich zu einiger Verunsicherung geführt, jedoch zeigt sich empirisch zumindest bis Anfang der 1990er Jahre, dass man nicht von einer solchen Krise des Dualen Systems ausgehen kann (Steinmann 2000). Es ist daher nicht verwunderlich, dass die empirische Forschung kaum eine Veränderung in den Bildungserträgen berichten kann. Generell sind durch die berufsspe-

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38 Ein weiterer Punkt zur Sicherung der Verwertbarkeit von Abschlüssen ist das Tarifvertragssystem, im Rahmen dessen Gewerkschaften darauf drängen können, dass bei der Einstellung von Personal bestimmte Kriterien, d.h. Bildungsqualifikationen, als Voraussetzung gelten müssen. In manchen anderen Ländern ist dies nur im öffent-lichen Dienst gewährleistet (siehe Jonsson/Mills 1993).

zifische Ausbildung bei der beruflichen Platzierung sowohl das Bildungsniveau (vertikal) als auch die jeweilige Fachrichtung (horizontal) entscheidend (Steinmann 2000). Müller, Stein-mann und Ell (1998) finden beim Übergang vom Bildungssystem in die erste Klassenposition keinen Hinweis auf eine Veränderung des Bildungsertrages. Eine Ausnahme hiervon ist das Abitur ohne weitere Berufsausbildung bzw. Studium. Die Verwertbarkeit dieses Bildungsab-schlusses sinkt deutlich über die Zeit. Dies deutet darauf hin, dass der Besitz eines beruflichen Abschlusses in diesem Bereich an Bedeutung sogar gewonnen hat. Erst in der neuesten Zeit scheinen sich Bildungserträge etwas zu verringern. So berichten Müller (1999) und Handl (1996) von einer leichten Abnahme der Verwertbarkeit der Bildungserträge beim Übergang in den ersten Beruf ab Mitte der 1980er Jahre. Generell ist jedoch in Deutschland nach wie vor von einem sehr engen Zusammenhang zwischen (Aus-)Bildungssystem und beruflicher Plat-zierung geprägt. Die exponierte Fokussierung auf eine berufliche Ausbildung und der beruf-lich organisierte Arbeitsmarkt (OLM) sind weiterhin Hauptcharakteristika dieses Zusammen-hangs.

2.3.1.1.3. Das institutionell geregelte Verhältnis von Arbeiter- und Angestelltenstatus

Ein weiteres Charakteristikum für Deutschland ist die Unterscheidung zwischen Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenstatus. Diese Differenzierung wurde vor allem durch die Bis-marck�sche Sozialgesetzgebung festgeschrieben. Sie sah für die drei Gruppen verschiedene institutionelle Regelungen vor allem bei der Kranken- und Rentenversicherung vor, die durch getrennte Versicherungsinstitutionen ausgeübt wurden. Hierbei schnitten die Arbeiter bzw. Arbeiterinnen meist schlechter ab als die Angestellten in Bezug auf Leistungen, vor allem aber auch in Bezug auf den Arbeits- bzw. den Kündigungsschutz. Allerdings kam es in der Bundesrepublik zu einer zunehmenden Angleichung dieser Leistungen und Rechte zwischen Arbeitern/Arbeiterinnen, die eher manuelle Tätigkeiten ausüben, und Angestellten, die eher in nicht-manuellen Bereichen eingesetzt werden. Auch wenn die getrennten Institutionen wei-terhin bestehen, so ist doch im Falle eines Geldmangels einer Institution für einen Ausgleich zwischen den Kassen gesorgt. Die Beamten hingegen konnten ihre privilegierte Stellung mehr oder weniger behaupten. Insgesamt ist eine Tendenz der Angleichung der Leistungen und Rechte zu verzeichnen, was vor allem auf eine deutliche Besserstellung der Arbeiterschaft zurückzuführen ist. Gänzlich aufgehoben sind diese Unterschiede zwischen den Gruppen jedoch noch nicht.

37

2.3.1.1.4. Implikationen der institutionellen Gegebenheiten für die Entwicklung der sozialen Mobilität

Sowohl das Bildungssystem als auch der Übergang von Bildungssystem in den Beruf zeich-nen sich in Deutschland durch eine hohe Kontinuität aus. Vor allem der institutionalisierte, sehr stark ausgeprägte Zusammenhang zwischen (beruflicher) Bildung und Platzierung hat in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts keine nennenswerten Veränderungen erlebt. Daher ist es nicht unbedingt verwunderlich, dass auch in empirischen Untersuchungen eine hohe Kontinuität der Bildungserträge zu verzeichnen ist. Lediglich die Chancen der wenigen Personen mit Abitur als einzigem Bildungsabschluss haben sich verschlechtert, während Per-sonen mit FH-Abschluss gute Platzierungen erwarten können. Dagegen findet man im Bil-dungssystem trotz nur geringer institutioneller Veränderungen eine merkliche Abnahme der Bildungsungleichheit in Bezug auf die soziale Herkunft, vor allem bei dem Übergang in die weiterführende Schule. Es ist zu vermuten, dass die Anhebung der Mindestschulzeit diese Entwicklung zumindest gefördert, wenn nicht gar mitverursacht hat.

Setzt man diese beiden Befunde miteinander ins Verhältnis, dann ist zu erwarten, dass der Einfluss der sozialen Herkunft auf die soziale Platzierung über die Zeit hinweg abnimmt. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Bildung und sozialer Positi-onierung. Da der Einfluss von Herkunft auf Bildung abnimmt, der Einfluss von Bildung auf Platzierung aber konstant bleibt, wird sich der Einfluss der Herkunft auf die Positionierung verringern (Schaubild 3). Voraussetzung dafür ist, dass keine anderen Faktoren dieser Ent-wicklung entgegenwirken.

Schaubild 3: Beziehung zwischen Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung II

Soziale Klassenposition

Soziale Herkunftsklasse

Bildung

(Education)

- 0

-

38

Diese Tendenz zu mehr sozialer Mobilität kann zusätzlich durch die Lockerung des institu-tionellen Arrangements des Verhältnisses zwischen Arbeitern bzw. Arbeiterinnen und Ange-stellten verstärkt werden, da hierdurch Übergänge zwischen diesen beiden Gruppen wahr-scheinlicher werden. Es ist aber fraglich, ob nicht andere Faktoren diese Tendenz abschwä-chen könnten.

2.3.1.2. Entwicklungen in der Wirtschaft und in der Erwerbstätigen-struktur

Auf die Entwicklung der sozialen Mobilität könnten vor allem drei Faktoren einen Einfluss haben: die Immigration von aus dem Ausland kommenden Arbeitskräften, die für die meisten Jahre die Emigration von Arbeitskräften übersteigt; die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und schließlich die wirtschaftliche Entwicklung mit der damit verbundenen Arbeitslo-senrate. In allen drei Fällen könnte es zu einer Verschärfung der Konkurrenz um Arbeitsplätze und somit zu einer schwierigeren Platzierung auf dem Arbeitsmarkt kommen.

Netto-Zuwanderung nach Deutschland: In der Geschichte der Bundesrepublik gab es zwei große Zuwanderungswellen. Die erste wurde verursacht durch gezielte Anwerbung von aus-ländischen Arbeitskräften (so genannte �Gastarbeiter�), um den Arbeitskräftemangel in der deutschen Wirtschaft zu beheben. Diese Anwerbeverfahren liefen seit Mitte der 1950er Jahre bis zum Anwerbestopp im Jahr 1973, so dass bis zu 2,6 Millionen ausländische Arbeitskräfte die Wirtschaft vor allem durch un- oder niedrig qualifizierte Tätigkeiten unterstützten, wo-durch die Chancen einer Aufwärtsmobilität für die einheimische Bevölkerung stiegen. Eine zweite Zuwanderungswelle gab es seit Ende der 1980er Jahre. Diese wurde vor allem aus-gelöst durch den Zusammenbruch des Ostblocks, wodurch viele deutschstämmige Aussiedler nach Westdeutschland kamen. Aber auch Übersiedler aus der DDR bzw. aus den fünf neuen Bundesländern, Asylbewerber (v.a. bis 1992) und Kriegsflüchtlinge trugen zu dieser Ent-wicklung bei, wobei die letzten beiden Gruppen in der Regel keine Arbeitserlaubnis bekamen. Auch wenn diese Zuwanderer im Schnitt ebenfalls einen geringeren Qualifikationsgrad als die Einheimischen hatten, so ist diese Gruppe der Einwanderer deutlich heterogener als die erste Welle der angeworbenen ausländischen Arbeitskräfte. Insofern kann nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Aufstiegschancen der Einheimischen durch diese Zu-wanderer gestiegen sind.

Steigende Frauenerwerbstätigkeit: Der Anteil der Erwerbstätigen unter den Frauen stieg in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts um acht Prozent auf knapp 40%. Bei den verheirateten Frauen verdoppelte sich sogar der Anteil von 25% im Jahr 1950 auf knapp 50% im Jahr 1993. Zwar konkurrieren Frauen nicht immer direkt mit Männern um Arbeitsplätze, 39

dennoch kann man durch die gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen etwas geringere Aufstiegschancen für Männer vermuten.

Wirtschaftsentwicklung und Arbeitslosigkeit: Das seit Mitte der 1950er Jahre andauernde ste-tige Wirtschaftswachstum schwächte sich Anfang der 1970er Jahre deutlich ab und folgte fortan einem mehr oder weniger zyklischen Verlauf. Allerdings kam es nach einer Phase der Vollbeschäftigung in den 1960er Jahren ab 1974 zu einem deutlichen Anstieg der Arbeits-losigkeit, die sich nach fast jedem wirtschaftlichen Abschwung weiter verstärkte (Anstieg der Sockelarbeitslosigkeit). Die Arbeitslosenrate schwankt seit 1983 zwischen ungefähr 7.5-9.5%. Von der Arbeitslosigkeit sind in erster Linie gering qualifizierte Arbeitskräfte betroffen. Inso-fern ist bei der Interpretation der Mobilitätsraten besonders bei niedriger sozialer Herkunft zu prüfen, ob hier nicht der Ausnahmefall der beati laborantes betrachtet wird, während aber der größere Teil dieser Klassen arbeitslos sind.

Eine Gesamtbetrachtung dieser Rahmenbedingungen lässt keine eindeutige Tendenz hinsicht-lich der Entwicklung sozialer Mobilität erkennen. Man könnte vermuten, dass es während der ersten Immigrationswelle zusammen mit der Vollbeschäftigung und einer wachsenden Wirt-schaft zu verbesserten Chancen für einen Aufstieg der einheimischen Bevölkerung kam, dieser Trend sich jedoch gegen Ende des letzten Jahrhunderts zunächst verlangsamt und dann umgedreht hat, da durch die gestiegene Frauenerwerbstätigkeit bei gleichzeitigem großen Arbeitskräfteüberschuss der Wettbewerb um Arbeitsplätze sich deutlich verschärft hat. Es kommt daher vermutlich durch die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und durch das Überangebot an Arbeitskräften zu einer Verknappung an offenen Aufstiegspositionen. Das wirkt sich allerdings zunächst einmal nur auf die absoluten Mobilitätsraten aus. Ob davon auch die relativen Mobilitätsraten betroffen sind, ist zu bezweifeln, da die wirtschaftliche Entwicklung praktisch nicht mit der sozialen Mobilität einer Gesellschaft korreliert (vgl. Ka-pitel 2.1.3.1). Allenfalls könnte das erhöhte Arbeitslosigkeitsrisiko für untere Klassen die re-lativen Mobilitätsraten beeinflussen.

2.3.1.3. Der Einfluss des Zweiten Weltkrieges und der dadurch verursachten Vertreibung

Schließlich ist zu überprüfen, ob spezifische historische Gegebenheiten einen Einfluss auf die soziale Mobilität ausüben. Sorokin (1959) vermutet, dass es durch große Kriege und deren Folgen oder durch Invasionen zu einer temporär höheren sozialen Mobilität kommt (siehe Kapitel 2.1.2). Tatsächlich könnte man erwarten, dass es in Deutschland im Verlaufe und als Folge des Zweiten Weltkrieges durch die Millionen von Todesopfern, durch große Zerstörun-gen, massive Gebietsverluste, durch die spätere Teilung und durch die immensen Flüchtlings- 40

ströme in das Land hinein zu einem kräftigen Durcheinanderwirbeln der Sozialstruktur kam. Um so überraschender ist das Ergebnis von Erikson und Goldthorpe bezüglich der sozialen Mobilität in (West-)Deutschland: �it would appear that historically formed influences on class-mobility chances have very largely retained their power� (Erikson/Goldthorpe 1992a: 151). Betrachtet man sich aber bei Erikson und Goldthorpe die sich über die Geburtskohorten verändernden Parameter der sozialen Mobilität genauer, dann stellt man fest, dass es für die Kohorte 1930-1939 einen ungewöhnlich deutlichen Ausreißer in Richtung Immobilität gibt (Erikson/Goldthorpe 1992a: 94). Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass diese Kohorte am deutlichsten vom Zweiten Weltkrieg bzw. seinen Folgen getroffen wurde. Die Personen in dieser Kohorte waren 6-15 Jahre alt, als der Krieg zu Ende ging. Mitunter haben sie eine un-vollständige Schulbildung und fanden nach Kriegsende eine am Boden liegende Wirtschaft wieder, die ihnen keine oder nur schlechte Arbeitsplätze anbieten konnte. Es ist zu vermuten, dass in dieser Zeit Mechanismen wie soziale Netzwerke eine größere Bedeutung bei der Ar-beitsplatzsuche hatten als dies in anderen Kohorten der Fall war. Jedoch haben wohl eher äl-tere Mitglieder der Kohorte 1930-1939 mit diesen Problemen zu kämpfen gehabt, eventuell noch in Konkurrenz zu den in den späten 1920er Geborenen.39 Es ist daher sehr unwahrscheinlich, dass der starke Anstieg der Immobilität in dieser Kohorte allein auf die dargestellten Gründe zurückzuführen ist. Vielmehr ist zu vermuten, dass es durch den Krieg noch zu anderen, schwer wiegenderen Folgen für die soziale Mobilität kam. Es ist zu er-warten, dass in erster Linie die großen Flüchtlingsströme, die als Folge des Krieges in West-deutschland ankamen, die Hauptursache für ein irreguläres Mobilitätsmuster in den Kohorten 1920-1939 und 1930-1939 sind.

2.3.1.3.1. Das Ausmaß der Vertreibung und Flucht aus den Ostgebieten

Bereits während des Zweiten Weltkrieges kam es zu einzelnen Vertreibungen und Fluchtbe-wegungen der deutschstämmigen Bevölkerung Richtung Westen, beispielsweise ab 1941 aus dem Baltikum. Zu großen Flüchtlingswellen kam es aber vor allem ab 1944, als Hunderttau-sende vor der heranrückenden Roten Armee auf das Gebiet der späteren Sowjetischen Besat-zungszone (SBZ) flohen (Hoffmann 2000). Noch vor der Kapitulation im Mai 1945 begannen so genannte �wilde Vertreibungen� der deutschen Bevölkerung aus Ostmitteleuropa. Während die Siegermächte auf der Potsdamer Konferenz noch versuchten, diese Bevölkerungsvertrei-bung als eine geregelte �Umsiedlung� Richtung Westen zu planen, wurden sie von dem Aus-maß der millionenfachen Vertreibungen überrannt. Die vereinbarten Aufteilungen der Flücht-lingsströme in die einzelnen Besatzungszonen bzw. Bundesländer konnten durch die Masse der Flüchtenden oft nicht eingehalten werden. Von den insgesamt 18,3 Mio. Deutschen bzw.

4139 Meist zeigen die Geburtskohorten 1929-1931 die deutlichsten Abweichungen, siehe z.B. Henz/Maas 1995.

Deutschstämmigen, die vor dem Krieg in den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, im Sudetenland oder in Ländern Ost- und Südosteuropas lebten, wurden während des Krieges und danach knapp 14 Mio. Menschen sehr oft gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben.40 Bis 1950 siedelten sich 7,9 Millionen Vertriebene in der Bundesrepublik an, weitere 4,6 Millio-nen kamen in das Gebiet der DDR. Knapp 1,5 Millionen Menschen überlebten die Ver-treibung nicht.41 Der Großteil der Vertreibung fand zwischen 1944 und 1946 statt. Bis Oktober 1946 waren bereits 5,9 Mio. Vertriebene in der späteren Bundesrepublik angekom-men, was damals einem Bevölkerungsanteil von 13,1% entspricht. Bis 1950 stieg der Anteil der Vertriebenen auf 16% der westdeutschen Wohnbevölkerung an. Neben dem Zustrom von Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten und anderen osteuropäischen Ländern kam es zeitlich verzögert auch zu einem Zustrom von Flüchtlingen aus der SBZ. Der Großteil der Flüchtlinge kam erst nach 1950 in die Bundesrepublik. Im Jahr 1950 waren 1,037 Mio. Per-sonen aus der SBZ (ohne Berlin-Ost) in die Bundesrepublik übergesiedelt, im Jahr des Mau-erbaus 1961 ist die Zahl auf 3,099 Mio. Menschen (mit Berlin-Ost) angewachsen. Die in dem Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen wohnhafte Bevölkerung bestand somit zu einem Sechstel bis einem Fünftel aus Vertriebenen und Flüchtlingen, die in die Sozialstruktur der westdeutschen Gesellschaft integriert werden mussten.

2.3.1.3.2. Auswirkungen der Vertreibung und Flucht in Hinblick auf soziale Mobilität

Auch wenn man bei den Vertriebenen und Flüchtlingen nicht von �homogenen gesellschaftli-chen Einheiten� sprechen kann (Lüttinger 1986), so zeigen sich doch Merkmale, die die Posi-tionierung und die soziale Mobilität der Vertriebenen und Flüchtlinge nachhaltig beeinflusst haben. Meist waren die Vertriebenen bei ihrer Ankunft in Westdeutschland bei der einheimi-schen Bevölkerung als zusätzliche Belastung nicht sehr willkommen. Oft wurden sie vor allem in ländlichen Gebieten untergebracht. Bei ihrer Vertreibung mussten die Vertriebenen praktisch alles zurücklassen, was sie besaßen, falls ihnen ihr Besitz nicht schon vorher ent-wendet wurde. Der Bund der Vertriebenen (2000) schätzt die Verluste an Privatvermögen auf 300 Milliarden Mark (in Preisen von 1945, was heute ca. 600 Mrd. Mark entspricht). Vor dem Krieg waren ein Fünftel der Vertriebenen in der Landwirtschaft beschäftigt (im Vergleich hierzu Einheimische: 14,4%, Flüchtlinge 9,2%).42 Durch den Krieg und die Vertreibung hatten diese Menschen deutlich schlechtere Bildungschancen als Einheimische oder Flücht-linge, da zum Beispiel bis 1948/49 keine Deutschen östlich der Oder-Neiße-Linie eine Schule

40 weitere 830.000 Personen wurden in die Sowjetunion verschleppt, 3,3 Mio. blieben in ihrer alten Heimat. 41 Die Zahlen stammen aus dem Datenreport des Statistischen Bundesamtes und aus Reichling (1987)

42

42 Die folgenden Zahlen beziehen sich auf Berechnungen von Lüttinger (1986) auf der Grundlage der Mikro-zensus-Zusatzerhebung 1971.

besuchen durften (von Thadden 1987). Für die Kohorten 1920-1929 und 1930-1939 zeigt sich, dass die Vertriebenen deutlich öfter nur einen Volksschulabschluss ohne Lehre haben als Einheimische oder Flüchtlinge. Vertriebene waren in den 1950er Jahren besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Sie stellten mit 37% der Arbeitslosen einen deutlich höheren An-teil als ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung. Erst Ende der 1950er sank dieser Anteil auf das Niveau des Bevölkerungsanteils. Wenn Vertriebene in diesen Jahren Arbeit gefunden hatten, waren dies oft unqualifizierte Beschäftigungen oder Saisonarbeiten. Durch den Verlust von Hof, Betrieb und Vermögen waren die Vertriebenen gezwungen, sich neue Beschäftigungen zu suchen. Während im Jahr 1939 � also vor der Vertreibung � noch 21.6% der später Ver-triebenen selbstständig waren (einschließlich Landwirtschaft), brach dieser Anteil auf 7.5% im Jahr 1950 ein, während für die Einheimischen und Flüchtlinge der jeweilige Anteil kon-stant blieb.43 Die Vertriebenen fanden später meist eine Beschäftigung als Arbeiter bzw. Arbeiterin, wobei der Anteil an unqualifizierten Arbeiterpositionen deutlich höher war als bei den anderen Gruppen, was auch noch für die Kinder der Vertriebenen gilt (Lüttinger 1986: 26f.).

Die Situation für die Flüchtlinge unterschied sich mitunter deutlich von der Situation der Vertriebenen. Die Flüchtlinge wurden meist nicht gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben, vielmehr war es eine mehr oder weniger freiwillige Entscheidung, die DDR zu verlassen und in den Westen überzusiedeln. Aufgrund der geringeren Anzahl der Flüchtlinge und der zeitli-chen Streckung über die 1950er Jahre hinweg hatte die Zuwanderung in den Westen einen anderen Charakter als die erzwungene Vertreibung aus Ostmitteleuropa. Flüchtlinge konnten mitunter ihr Kapital und ihre Produktionsmittel mit in den Westen bringen,44 außerdem hatten die Flüchtlinge im Durchschnitt ein deutlich höheres Bildungsniveau als Einheimische und Vertriebene. Besonders markant war der hohe Anteil von Professoren und Habilitierten, die in den Westen übersiedelten (Mößlang 2000). Insgesamt verlor die DDR ca. ein Drittel ihrer Akademiker und eine große Zahl von Technikern und Facharbeitern (Lüttinger 1986). Schließlich waren die Flüchtlinge durch ihre späte Flucht durch das einsetzende so genannte Wirtschaftswunder weniger von dem angespannten Arbeitsmarkt in Westdeutschland betrof-fen als die Vertriebenen, die 5-15 Jahre früher nach Westdeutschland kamen.

Für die Vertriebenen ist nun nach diesen Ausführungen zu erwarten, dass ihre soziale Mo-bilität außergewöhnlich hoch sein wird: Erstens können sie nicht wie die Einheimischen einen Hof oder einen Betrieb direkt von ihren Eltern erben, d.h. die Eltern konnten ihre soziale Po-

43 Der Anteil in der Gesamtbevölkerung sank von 19.6% auf 18.0%. Für die Flüchtlinge, die meist erst in Laufe der 1950er Jahre geflohen sind, sinkt der Anteil zwischen 1950 und 1960 von 13.7% auf 8.6% (siehe Lüttinger 1986: 27, Tabelle 2).

4344 Jolles 1965: 242 in Lüttinger 1986: 28

sition nicht direkt durch Vererbung weitergeben. Zweitens sind die Vertriebenen aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen, d.h. sie können weniger als Einheimische soziale Netzwerke nutzen, um sich eine günstigere Positionierung zu verschaffen (siehe z.B. Burt 1992). Vertrie-bene fanden in Westdeutschland überdurchschnittlich häufig nur unqualifizierte Beschäfti-gungen im primären und sekundären Sektor bzw. ihr Anteil in der Arbeiterklasse war deutlich höher als der Anteil der Einheimischen oder Flüchtlinge. Schließlich haben drittens damals junge Vertriebene auch deutliche Nachteile hinsichtlich ihrer Bildungsqualifikationen, was sich ebenfalls auf ihre soziale Positionierung auswirken sollte. Es ist daher zu erwarten, dass die Vertriebenen der Geburtskohorte 1920-1929 eine deutlich höhere soziale Mobilität (v.a. Abwärtsmobilität) aufweisen als die Vertriebenen der Kohorte 1930-1939. Dies liegt daran, dass der Beruf des Vaters zum Zeitpunkt gemessen wird, als der Befragte 15 Jahre alt war (vgl. Kapitel 3.1.2). Das heißt die Befragten, die 1920-1929 geboren wurden, beziehen sich bei der Angabe des Berufs des Vaters auf den Zeitpunkt 1944 und früher, i.e. auf einen Zeit-punkt vor der Vertreibung. Die Folgekohorte 1930-1939 sollte aber den Beruf des Vaters 1945 und später angeben, das heißt nach der Vertreibung. Zwar wird es hier vermutlich zu kleinen methodischen Ungenauigkeiten kommen, da die Vertreibung teilweise vor 1944 be-gann bzw. auch mitunter erst nach 1946 abgeschlossen wurde. Allerdings sollten diese kaum ins Gewicht fallen. Die frühen Vertreibungen sollten aufgrund ihres geringen zahlenmäßigen Ausmaßes das Gesamtergebnis nicht stark beeinflussen, bei späteren Vertreibungen ist nicht zu erwarten, dass die Väter der Vertriebenen ihren alten Beruf in den besetzten Gebieten nach 1945 ausüben durften. Vielmehr kam es schon hier zu Enteignungen von Besitz und Zwangs-arbeit, so dass auch hier nicht der ursprüngliche Beruf des Vaters angegeben werden dürfte. Somit käme es in der Kohortenfolge 1920-29 zu 1930-39 zu einem Anstieg der Immobilität bei den Vertriebenen, was aber letztlich nur auf die außergewöhnlich hohe Mobilität der frü-heren Kohorte zurückzuführen ist.

Bei den Flüchtlingen ist der Befund vermutlich weniger eindeutig. Zwar nimmt auch unter den Flüchtlingen der Anteil der Selbstständigen nach der Flucht in den Westen ab, jedoch ist die Ansiedlung im Westen nicht zwangsläufig mit einem Vermögensverlust verbunden. Fer-ner sind Flüchtlinge überdurchschnittlich hoch gebildet, so dass sie vermutlich leichter in der Phase des beginnenden Wirtschaftswachstums eine bessere Position finden. Schließlich war die Flucht in den Westen mehr oder weniger freiwillig, so dass manche (nicht alle) Flücht-linge sicherlich nur unter der Erwartung einer angemessenen Positionierung in den Westen übergesiedelt sind. Es ist daher zu erwarten, dass sich bei den Flüchtlingen in der Kohorten-folge zwar ein ähnliches Muster wie bei den Vertriebenen zeigt, allerdings sollten die Effekte erstens deutlich schwächer ausfallen und zweitens um 5-15 Jahre verzögert sein, d.h. die Ko-horte 1930-1939 ist vermutlich unter den Flüchtlingen mobiler als die Kohorte 1940-1949.

44

Für die Mobilität der Gesamtbevölkerung sollte es � ceteris paribus � aufgrund des großen Anteils der Vertriebenen zu einem Anstieg der Immobilität in der Kohorte 1930-1939 kommen. Die Flüchtlinge tragen eventuell für die Kohorte 1940-1949 zu einer höheren Im-mobilität bei, allerdings ist zu vermuten, dass dieser Effekt deutlich geringer ist als der Effekt durch die Vertriebenen für die Vorgängerkohorte.45

2.3.2. Zusammenfassung der institutionellen, makrostrukturellen und historischen Einflüsse

Zusammenfassend scheint für die Entwicklung der sozialen Mobilität der entscheidende Ef-fekt die Abnahme der Bildungsungleichheit bei gleichzeitiger Konstanz der Bildungserträge zu sein. Dies führt dann zu einer Abnahme des Einflusses der sozialen Herkunft auf die so-ziale Platzierung, wenn keine anderen Effekte merklich in die entgegengesetzte Richtung wirken. Die sich abschwächende institutionelle Trennung von Arbeiter- und Angestelltensta-tus führt vermutlich eher zu einer weiteren Zunahme der sozialen Mobilität. Die sich ver-schärfende Wettbewerbssituation um Arbeitsplätze und das abgeschwächte Wirtschafts-wachstum sollten ebenfalls keine Schwächung des Trends zu mehr Offenheit verursachen, da gerade durch den stark berufsbezogenen Arbeitsmarkt (occupational labor market) weiterhin eine klare Zuordnung von Bildungsabschlüssen zu beruflichen Positionen gegeben ist und somit eine generelle Wachstumsschwäche auch generell alle Bildungsabschlüsse treffen sollte. Eine Ausnahme könnten untere Klassen darstellen, da sie ein etwas höheres Arbeitslo-sigkeitsrisiko haben, was aber meist durch einen entsprechend niedrigen Bildungsabschluss entsteht (Brauns/Gangl/Scherer 1999). Insofern ist nicht zu erwarten, dass diese Entwicklung den allgemeinen Trend zu mehr Offenheit merklich hemmt. Eine Ausnahme von diesem Muster ist aber durch die historischen Einflüsse des Zweiten Weltkrieges und der daraus her-vorgegangenen Vertreibungen zu erwarten. Entscheidend ist hier in erster Linie der bildungs-ferne Platzierungsmechanismus der Vererbung. Die Kinder der Vertriebenen hatten nicht die Möglichkeit wie die Einheimischen, von ihren Eltern einen Hof oder einen Betrieb zu erben. Je nach Zeitpunkt der Messung des Berufs des Vaters kommt es damit erzwungenermaßen zu sozialer Mobilität. Es ist daher von einem irregulären Mobilitätsmuster auszugehen. Ein wei-terer, vermutlich schwächerer Mechanismus, der einer Tendenz zu mehr Offenheit entgegen-wirken sollte, ist die unregelmäßige Beschulung der Kohorte 1930-1939 als direkte Folge des Zweiten Weltkrieges. Dies sollte für alle Bevölkerungsgruppen, d.h. Einheimische, Vertrie-bene und Flüchtlinge gelten.

45

45 Tatsächlich könnten diese Hypothesen zum Teil die von Erikson und Goldthorpe gefundenen Mobilitätspara-meter der Kohorten 1920-1949 erklären.

Mit diesen Befunden auf der Makro-Ebene kann man somit recht präzise Vermutungen über die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland aufstellen. Diese Vermutungen beru-hen im Wesentlichen auf Bildungseffekten und zu einem kleineren Teil auf Vererbungseffek-ten. Während der Mechanismus des Vererbungseffektes selbstevident ist, bleibt bei der Be-trachtung der Makro-Ebene der genaue Mechanismus der Bildung auf soziale Mobilität un-spezifiziert. Bevor die oben dargestellten Ergebnisse in Hypothesen für die folgenden empiri-schen Analysen zusammengefasst werden, soll daher versucht werden, die Vorschläge der Mikro-Theorie von Breen und Goldthorpe wieder aufzunehmen, indem die Befunde der Makro-Ebene � d.h. die institutionellen, makrostrukturellen und historischen Gegebenheiten � in das Modell zurückgeführt werden. Eventuell ist es so möglich, einen Vorschlag für eine mikrofundierte Analyse der sozialen Mobilität in Deutschland anbieten zu können.

2.3.3. Rückanbindung der Gegebenheiten auf der Makro-Ebene an die Mikrotheorie von Breen und Goldthorpe

Nach dem Modell von Breen und Goldthorpe kann es zu Veränderungen bei der Bildungs-ungleichheit und bei der sozialen Mobilität kommen, wenn sich etwas an der Ressourcenver-teilung, der relativen Risikobereitschaft oder den subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten ändert, wobei im deutschen Fall empirisch nur die beiden letzten Mechanismen in Betracht kommen (siehe Kapitel 2.2.4). Fraglich ist, ob die Entwicklungen auf der Makro-Ebene Hin-weise für solche Veränderungen in der relativen Risikobereitschaft und vor allem in den sub-jektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten geben können.

Trotz Zweitem Weltkrieg, �Wirtschaftswunder�, Bildungsexpansion, Reformbestrebungen und aufkommenden Wirtschaftskrisen zeigt sich eine hohe Kontinuität im institutionellen Arrangement des Bildungssystems in der Bundesrepublik. Das standardisierte und vor allem im Sekundarbereich stark stratifizierte (Aus-)Bildungssystem ist weiterhin von einer deutlich vorherrschenden Ausrichtung auf berufliche Bildungsabschlüsse gekennzeichnet, was durch die Einführung der Fachhochschulen sogar noch verstärkt wurde. Es fand lediglich eine An-hebung der Mindestschulzeit um ein Jahr statt. Auch das institutionelle Arrangement des Übergangs zwischen (Aus-)Bildung und Beruf weist praktisch keine Veränderungen auf. Deutschland ist traditionell durch einen stark beruflich organisierten Arbeitsmarkt geprägt, in dem es nach wie vor zu einer klaren Zuordnung von Bildungsqualifikationen zu Berufen kommt. Diese institutionellen Regelungen blieben auch trotz des Zusammenbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg und der Bildung eines neuen Staates praktisch unverändert (Steinmann 2000: 26).

46

Man könnte daher argumentieren, dass durch diese hohe Kontinuität das Vertrauen von Fa-milien bzw. deren Kinder in das Bildungssystem bzw. in das System der beruflichen Platzie-rung über die Zeit hinweg kontinuierlich gewachsen ist. Gerade vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges und einer damit einhergehenden generellen Verunsicherung (Zusammen-bruch, Zerstörung, hohe Arbeitslosigkeit) ist zu vermuten, dass sich seither durch die Zuver-lässigkeit der Allokationsmechanismen die subjektiven Wahrscheinlichkeiten bezüglich eines Bildungs- und Platzierungserfolges erhöht haben. Dies gilt wahrscheinlich in besonderem Maße für untere Klassen, da diese in der Regel zu einem geringeren Ausmaß auch über an-dere Ressourcen verfügen, die sie gewinnbringend bei der sozialen Platzierung ihrer Kinder einsetzen können (z.B. Goldthorpe 2000b: 248f.). Insofern haben vor allem diese Familien ein Potenzial zur Erhöhung der subjektiven Wahrscheinlichkeiten gehabt. Verstärkt werden könnte dieser Effekt durch die Anhebung der Pflichtschulzeit, wodurch die Schülerinnen bzw. Schüler zeigen müssen, dass sie auch neun Bildungsjahre erfolgreich abschließen können. Der Abstand zum nächst höheren Bildungsabschluss (Mittlere Reife) verkürzt sich auf ein Jahr, so dass man erwarten kann, dass durch den geringeren Unterschied die Eltern und ihre Kinder auch die subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten für einen besseren Bildungsabschluss höher einschätzen werden.46 Tatsächlich zeigen auch Müller und Haun, dass die abnehmende Bildungsungleichheit vor allem durch eine relativ erhöhte Bildungsbeteiligung von Arbeiter- und Bauernkindern hervorgerufen wird. Sie vermuten, dass die Ursache hierfür in einer Ver-änderung der Nutzeneinschätzung dieser Familien in Bezug auf eine Bildungsbeteiligung liegt (Müller/Haun 1994: 37). Schließlich könnte der Effekt einer gestiegenen subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit insbesondere in den unteren Klassen zusätzlich dadurch hervorge-rufen werden, dass die Unterscheidung zwischen Arbeitern bzw. Arbeiterinnen und Ange-stellten im Laufe der Zeit immer geringer wird. Arbeiterkinder werden dadurch ihre Chancen zunehmend besser einschätzen, auch einen Bildungsabschluss für einen Angestelltenberuf verwerten zu können. Vor allem aber könnte dies eine Veränderung in der relativen Risikobe-reitschaft bewirken. Zwar besteht für die Kinder aus der Arbeiterklasse immer noch die Ge-fahr eines Abstiegs in die Unterklasse, aber der Abstand zu der Angestelltenklasse hat sich so deutlich verringert, dass nun auch Bildungswege mit diesem Positionsziel mit einem gerin-geren Risiko des Scheiterns behaftet sind.

Es lassen sich somit aus den institutionellen, makrostrukturellen und historischen Gegeben-heiten Vermutungen ableiten, wie sich die subjektiven Wahrscheinlichkeiten der Akteure sowie deren relative Risikobereitschaft über die Zeit entwickelt haben. Man könnte deshalb

47

46 Die Anhebung der Schulpflichtdauer könnte durchaus eine Erklärung für eine zunehmende Bildungsbetei-ligung sein, obwohl dies auf der Makroebene nicht durch einen �Knick� in der Ungleichheitsentwicklung zum Zeitpunkt der Reform zu belegen ist (Müller/Haun 1994).

mit dem Modell von Breen und Goldthorpe spekulieren, dass insbesondere eine gestiegene subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit in den unteren Klassen, aber auch eine sich anglei-chende relative Risikobereitschaft vor allem zwischen Arbeiter- und Angestelltenklassen zu einer Abnahme der Bildungsungleichheit führen. Da sich aber gleichzeitig der Zusammen-hang zwischen (Aus-)Bildungsabschluss und beruflicher Platzierung nicht geändert hat, würde man bei Konstanthaltung anderer Einflüsse eine Abnahme der Herkunftseffekte bei der sozialen Platzierung, d.h. einen Anstieg der sozialen Mobilität vorhersagen.

Inwieweit sich eine solche Anwendung des mikrotheoretischen Ansatzes von Breen und Goldthorpe auf den deutschen Fall tatsächlich bewährt, muss allerdings aus zwei Gründen offen bleiben. Erstens können Befunde auf der Makroebene nicht ohne weiteres auf die Mik-roebene übertragen werden. Die Betrachtung der institutionellen Gegebenheiten kann besten-falls einen Hinweis auf die Wahrnehmung der einzelnen Akteure auf der Mikroebene liefern. Ob die einzelnen Familien bzw. ihre Kinder die �Logik der Situation� (Esser 1993), d.h. die hohe Kontinuität im institutionellen Gefüge, tatsächlich so wahrnehmen und daraus sich stei-gende subjektive Erfolgswahrscheinlichkeiten ergeben, muss letztendlich Spekulation blei-ben. Der zweite, damit direkt verbundene Grund ist die Tatsache, dass zur Messung sozialer Mobilität zumindest in der soziologischen Tradition große Datensätze aus Bevölkerungs-umfragen oder Zensus mit möglichst vielen Befragten über einen möglichst großen Zeitraum hinweg notwendig sind, um die eventuell auftretenden geringen Effekte erfassen zu können. In diesen Umfragen sind aber sehr selten subjektive Einschätzungen bezüglich der Verwert-barkeit von Bildungsabschlüssen abgefragt, so dass wohl auch bis auf weiteres der Ansatz von Breen und Goldthorpe in Hinblick auf die Entwicklung sozialer Mobilität ungetestet bleiben muss. Nicht zuletzt aus diesen Gründen wird daher auf eine Verfeinerung des Modells, wie sie in der Modellkritik angedacht wurde (siehe Kapitel 2.2.3), im Rahmen dieser Arbeit ver-zichtet und stattdessen die Betrachtung der Institutionenebene bevorzugt. Auch wenn sich das Modell nicht direkt testen lässt, so kann man aber eine andere, empirisch testbare Implikation ableiten, um dadurch eventuell die Plausibilität der Situationslogik und des Modells zu untermauern. Falls es stimmt, dass es durch die hohe Zuverlässigkeit des Bildungs- und Allokationssystems zu einem Anstieg in den subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten insbe-sondere in unteren Klassen kommt, dann sollten bei einer wahrgenommenen Krise des Systems die Erfolgserwartungen wieder sinken. Dies hätte zur Folge, dass die Tendenz einer Verringerung der Bildungsungleichheit sich abschwächt bzw. verschwindet. Tatsächlich zeigt sich empirisch für Deutschland, dass die vermeintliche Krise des Dualen Systems und die sehr

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deutlich angestiegene Jugendarbeitslosigkeit in den 1980er Jahren47 zeitnahe liegt zu dem Befund des sich Mitte bzw. Ende der 1980er Jahre abschwächenden Trends zu mehr Bildungsgleichheit (z.B. Müller/Haun 1994). Dies kann als Hinweis für die Angemessenheit des Modells gewertet werden. Letztendlich müssten aber die subjektiven Motive und Wahr-scheinlichkeitseinschätzungen in weiteren Untersuchungen mit anderen Daten direkt getestet werden, um eine solidere Beurteilung dieses mikrotheoretischen Ansatzes treffen zu können.

2.4. Hypothesen zur Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland

Vor dem Hintergrund mikrotheoretischer Überlegungen ergeben sich in der Zusammenschau mit den institutionellen, makrostrukturellen und historischen Entwicklungen folgende Hypo-thesen bezüglich der Entwicklung der relativen sozialen Mobilität, d.h. der Offenheit der Ge-sellschaft in Deutschland:

Hypothese 1: Es kommt im Kohortenverlauf zu einem kontinuierlichen Anstieg der sozialen Mobilität.

Diese Hypothese setzt sich im wesentlichen aus zwei Argumenten zusammen: Erstens ist zu erwarten, dass die Bildungsungleichheit im Kohortenverlauf abnimmt (Hilfshypothese 1.1), vermutlich weil insbesondere untere Klassen bessere Erfolgswahrscheinlichkeiten für be-stimmte Ausbildungsabschlüsse erwarten und sich daher zunehmend im Bildungssystem beteiligen. Zweitens ist aufgrund der hohen Kontinuität der institutionellen Gegebenheiten beim Übergang vom Bildungssystem in den Beruf zu erwarten, dass der Zusammenhang zwi-schen Bildung und sozialer Positionierung konstant bleibt (Hilfshypothese 1.2). Setzt man voraus, dass andere Einflüsse auf die soziale Mobilität konstant bleiben, dann ergibt sich der in Schaubild 3 bereits dargestellte Zusammenhang:

49

47 zwischen 1980 und 1983 stieg die Arbeitslosenrate der 20-24 Jährigen von fünf auf 13% (Statistisches Bundesamt: Datenreport 1994)

Schaubild 3: Beziehung zwischen Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung II

Soziale

Klassenposition Soziale

Herkunftsklasse

Bildung

(Education)

- 0

-

Es ist fraglich, ob man von einem konstanten Einfluss anderer Ursachen für die soziale Po-sitionierung und damit für die soziale Mobilität ausgehen kann. Was den Vererbungseffekt betrifft, kam es bei der einheimischen Bevölkerung zu keiner entscheidenden Diskontinuität. Land- und Unternehmensbesitz konnten ungehindert vererbt werden. Die Währungsreform 1948 führte im Wesentlichen ebenfalls nicht zu einer Vernichtung von Geldkapital. Für an-dere mögliche Einflüsse wie soziale Netzwerke, �social skills� und anderweitige Bevorzu-gungen (Erikson/Jonsson 1998) gibt es aufgrund des stark ausgeprägten berufsbezogenen Ar-beitsmarktes ebenfalls keine Hinweise darauf, dass diese Einflüsse über die Kohorten hinweg unterschiedlich stark wirken könnten (Ausnahme siehe Hypothese 2). Erst in der neuesten Zeit könnte man vermuten, dass sich das in Schaubild 3 dargestellte Verhältnis zwischen so-zialer Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung ändert. Es ist eine Konstanz des Her-kunftseffektes auf die Bildung zu erwarten bei einer gleichzeitigen Abnahme des Bildungser-trages (siehe Müller/Haun 1994, Handl 1996, Müller 1999). Falls auch hier andere Einflüsse konstant bleiben, würde man weiterhin eine Zunahme an sozialer Mobilität erwarten. Aller-dings ist zu vermuten, dass Eigenschaften von Individuen wie �social skills�, Teamfähigkeit etc. bei der sozialen Positionierung an Bedeutung gewinnen (Breen 1997b), diese Attribute aber nicht gleichmäßig über die Klassen verteilt sind, so dass es zu stärkeren Herkunftseffek-ten kommen kann (Erikson/Jonsson 1998). Diese neuesten Entwicklungen sind mit den vor-handenen Daten aber noch nicht zu beobachten.

50

Hypothese 2: Die Kohorten 1920-1929 und 1930-1939 werden von diesem generellen Mus-ter abweichen: Es sollte sich im Kohortenverlauf ein Anstieg der Immobilität zeigen.

Auch diese Hypothese setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: Hilfshypothese 2.1: Die Kohorte 1920-1929 ist aufgrund der Vertriebenen in der Gesamtbe-völkerung vermutlich mobiler, auf keinen Fall aber immobiler als die Folgekohorte. Wie in Kapitel 2.3.1.3 beschrieben, können die Vertriebenen wegen des Verlustes ihres gesamten Besitzes und ihrer sozialer Netzwerke ihren Kindern die ursprüngliche soziale Position nicht oder nur schwer weitergeben bzw. ermöglichen. Sie sind gezwungen, nach der Vertreibung andere, niedrigere Positionen zu besetzen (Lüttinger 1986). Daher wird diese Kohorte inner-halb der Vertriebenen viel mobiler sein als ihre Folgekohorte (Hilfshypothese 2.1.1), sie wird auch deutlich mobiler sein als die einheimische Kohorte 1920-1929 (Hilfshypothese 2.1.2). Da die Vertriebenen ein Sechstel bis ein Fünftel der Bevölkerung ausmachten, kommt es zu einem merklichen Effekt in der Gesamtbevölkerung.

Hilfshypothese 2.2: Die Kohorte 1930-1939 ist aufgrund der schlechten Bildungsmöglich-keiten durch den Zweiten Weltkrieg immobiler. Durch die Kriegswirren ist zu erwarten, dass keine regelmäßige Beschulung dieser Kohorten möglich war und ihre Mitglieder somit bei der sozialen Positionierung auf andere Mechanismen außer Bildung zurückgreifen mussten (z.B. soziale Netzwerke), die in der Regel zu einem stärkeren Herkunftseffekt führten. Da dies vor allem Personen betraf, die Anfang der 1930er Jahre geboren wurden, und sich mitunter ähn-liche Befunde auch noch für Personen zeigen lassen, die in den späten 1920ern geboren wurden, sollte sich insgesamt dieser Effekt einer höheren Immobilität in der Kohorte 1930-1939 nicht sehr deutlich zeigen.

Hilfshypothese 2.3: Flüchtlinge sollten dem generellen Trend zu mehr Immobilität in der Ko-horte 1930-1939 entgegenwirken. Für die Flüchtlinge sollten sich zwar ähnliche, aber deutlich schwächere Effekte wie für die Vertriebenen ergeben. Allerdings werden diese Effekte zeit-versetzt auftreten, also ungefähr in der Kohorte 1930-1939, da die meisten Flüchtlinge erst 5-15 Jahre nach den Vertriebenen in die Bundesrepublik kamen. Aufgrund ihrer relativ geringen Gruppengröße und ihren generell besseren Chancen sollte sich jedoch der Flüchtlingseffekt in der Gesamtbevölkerung für die Kohorte 1930-1939 nicht deutlich auswirken.

Der Effekt der Vertriebenen wird vermutlich den größten Anteil an einem Anstieg der Im-mobilität in der Kohortenfolge 1920-1929 zu 1930-1939 haben. Auch die schlechteren Bil-dungschancen der zweiten Kohorte tragen zu diesem Anstieg bei, jedoch weniger stark. Die Flüchtlinge wirken dieser Entwicklung entgegen, werden aber aufgrund ihrer Gruppengröße

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in der Gesamtbevölkerung nur einen geringen Effekt haben. Daher ist der Anstieg der Immo-bilität (Hypothese 2) vor allem auf die Vertriebenen zurückzuführen.

Diese Hypothesen werden im Verlaufe dieser Arbeit anhand der folgenden Operationalisie-rungen und Datensätze überprüft.

52

3. Operationalisierungen zentraler Konzepte

3.1. Der Klassenansatz nach Goldthorpe

3.1.1. Soziale Klassen als Sozialstrukturmerkmal

Es gibt viele verschiedene Konstrukte, mit denen man die soziale Mobilität von Individuen zwischen bestimmten Gruppen bzw. Positionen in einer Gesellschaft messen kann. In der so-ziologischen Forschungstradition ist es üblich, Einteilungen vorzunehmen, die auf den Be-rufen von Individuen beruhen (Rustichini/Ichino/Checchi 1997). Bis in die 1970er Jahre do-minierten Prestige-Skalen bzw. sozio-ökonomische Skalen die Literatur (für eine Übersicht siehe Kurz 1985). Diese Skalen gehen von einer eindimensionalen hierarchischen Anordnung der Berufe aus. Sie beruhen empirisch auf dem Prestige, dem Einkommen und den Bildungs-voraussetzungen für solche Berufe. Auch wenn diese Methode heute noch in den USA oft bevorzugt wird, ist man in der europäischen Forschungstradition als Folge der Kritik an diesen Skalen dazu übergegangen, die Sozialstruktur einer Gesellschaft wieder in sozialen Klassen zu messen und damit eines der bedeutendsten Konzepte des Faches wieder zu bele-ben (Sørensen 1994).48 Klassen werden hierbei verstanden als:

��sets of structural positions. Social relationships within markets, especially within labor markets, and within firms define these positions. Class positions exist independently of individual occupants of these positions. They are �empty places� (Simmel 1908).� (Sørensen 1991)

Dieser Ansatz hat gegenüber den Prestige- und sozio-ökonomischen Skalen den Vorteil, dass Klassen nicht zwingend hierarchisch angeordnet sein müssen. Es kann demnach durch einen Klassenansatz das Problem umgangen werden, dass zwei Berufe auf dem gleichen Niveau angesiedelt sind, obwohl sie �nach ihrer sozialstrukturellen Lage völlig ungleichwertig sind� (Goldthorpe 1985: 178). Schließlich kann der Skalenansatz im Hinblick auf soziale Mobilität nicht den Einfluss von strukturellem Wandel berücksichtigen, der durch die zunehmende Ter-tiärisierung der Wirtschaft entsteht.

Soziale Klassen müssen einen gewissen Grad an demographischer Konsistenz aufweisen, um eine sozio-kulturelle Identität zu erreichen und so eine Basis für gemeinsames Handeln bzw. für bestimmte Lebenschancen sein zu können (Goldthorpe 1985). Fraglich ist, wie viele und welche Klassen es in einer Gesellschaft gibt. Während Goldthorpe der Meinung ist, dass dies eine empirische Frage ist (Erikson/Goldthorpe 1992a, Goldthorpe/Marshall 1996), kritisieren u.a. Pahl (1996) und Sørensen (1991), dass insbesondere bei der Betrachtung von sozialer Mobilität auf eine theoretische Begründung der Klasseneinteilung nicht verzichtet werden

5348 kritisch jedoch hierzu auch im europäischen Kontext Savage (1991) und Prandy (1998)

kann.49 Klassen müssten vielmehr deduktiv abgeleitet werden können und als Kategorien vor der Untersuchung feststehen. Eine Analyse sozialer Prozesse mit Hilfe von Klassen ist daher nach Breen und Rottman (1995) nur dann sinnvoll, wenn gezeigt werden kann, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialen Klassen und der jeweiligen abhängigen Variablen gibt und wenn Mechanismen angegeben werden können, warum erstens die Ressourcen bzw. �Beloh-nungen� einer Gesellschaft unterschiedlich auf die sozialen Klassen verteilt sind und zwei-tens, wie diese verschiedenen Ressourcen unterschiedlich im Hinblick auf die abhängige Va-riable wirken. Mit Hilfe eines Klassenschemas von Goldthorpe und anderen (Erikson/Goldthorpe/Portocarero 1979, Erikson/Goldthorpe 1992a) können diese Anforde-rungen an eine Klassenanalyse für die Untersuchung sozialer Mobilität in Deutschland erfüllt werden.50

3.1.2. Das Klassenschema nach Goldthorpe

In einer der ersten bekannt gewordenen Versionen des Klassenschemas teilen Goldthorpe und seine Kollegen die Klassen aufgrund von ähnlichen Markt- und Arbeitssituationen ein (Erikson/Goldthorpe/Portocarero 1979). Später präzisiert Goldthorpe dies, indem er als ent-scheidendes Merkmal für eine Klasseneinteilung das Beschäftigungsverhältnis (employment relations) ansieht (Erikson/Goldthorpe 1992a, Goldthorpe 1995). Dadurch soll betont werden, dass das Schema nicht arbeitszentriert ist, sondern sich auf Positionen im Arbeitsmarkt und innerhalb einer Unternehmung bezieht. Ausgehend von Beschäftigungsverhältnissen können drei generelle Klassenpositionen unterschieden werden: 1) Arbeitgeber bzw. Arbeitge-berinnen, 2) Selbstständige und 3) abhängig Beschäftigte. Für die Positionen der abhängig Beschäftigten wird unterschieden, welche spezifische Art des Beschäftigungsverhältnisses sie haben.

49 Pahl (1996) zeigt anhand eines abstrusen Beispiels sehr einleuchtend, dass der Verzicht auf theoretische Begründungen keinen Sinn macht, sondern schlichtweg reiner Empirismus ist.

54

50 Das andere weit verbreitete Klassenschema in der empirischen Forschung wurde von Erik Olin Wright ent-wickelt (1985). Auch wenn die Kernelemente bei Goldthorpe und Wright recht ähnlich sind, unterscheiden sich ihre Klassenschemata deutlich (Sørensen 1991). Da der Wright-Ansatz theoretisch dem Goldthorpe-Ansatz nicht überlegen ist (Sørensen 1991) und da das speziell für die Analyse sozialer Mobilität entwickelte Modell von Goldthorpe besser in empirischen Analysen abschneidet als das Schema von Wright (Marshall et al. 1988), wird das Goldthorpe-Klassenschema in dieser Arbeit bevorzugt.

Tabelle 3.1: Das Goldthorpe-Klassenschema, ausführliche Version

I Higher-grade professionals, administrators, and officials; managers in large industrial establishments; large proprietors

II Lower-grade professionals, administrators, and officials; higher-grade techni-cians; managers in small industrial establishments; supervisors of non-manual employees

IIIa Routine non-manual employees, higher grade (administration and commerce) IIIb Routine non-manual employees, lower grade (sales and services) IVa Small proprietors, artisans, etc., with employees IVb Small proprietors, artisans, etc., without employees IVc Farmers and smallholders; other self-employed workers in primary production V Lower-grade technicians; supervisors of manual workers VI Skilled manual workers VIIa Semi- and unskilled manual workers (not in agriculture, etc.) VIIb Agricultural and other workers in primary production

Quelle: Erikson/Goldthorpe (1992a: 38f.)

Die Klassen I und II bieten Positionen, die mit einem �Dienstverhältnis� (service relation-ship) ausgestattet sind, d.h. es wird ein Gehalt ausbezahlt, das sich in aller Regel nicht an ir-gendeiner produzierten Stückzahl oder ähnlichem orientiert, vielmehr wird eine �Kompen-sation� für geleistete und zukünftige Arbeit bezahlt (Goldthorpe 1995). Dem gegenüber ste-hen die Klassenpositionen VI und VII, die mit einem Arbeitsvertrag (labour contract) aus-gestattet sind, die Entlohnung wird meist als Lohn geleistet und orientiert sich an direkt mess-bar geleisteter Arbeit.51 Die Aufteilung in die Klassen I und II bzw. VI und VII ist graduell: Positionen der Klasse I sind mit den vorteilhaftesten Konditionen und den weitreichendsten Befugnissen ausgestattet, in der Klasse II sind diese Vorteile nicht ganz so deutlich aus-geprägt. Im Gegensatz hierzu bietet die Klasse VII kaum Sicherheiten, die Kontrolle über die Arbeitsleistungen kann am rigidesten ausgeübt werden, der Arbeitsvertrag kann in seiner �reinsten� Form verwirklicht werden. Etwas besser dagegen stellen sich die Mitglieder in der Klasse VI der qualifizierten Arbeiter, die durch ihre fachliche Kompetenz gegenüber dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin etwas besser abgesichert sind.

Die Unterscheidung zwischen den Klassen III und V ist etwas schwieriger im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis. Beide bilden mittlere Klassenpositionen. Dabei sind die nicht-

55

51 Hier wird deutlich, dass mit dieser Aufteilung in aller Regel auch ein deutliches Gefälle in der Autonomie der abhängig Beschäftigten besteht. Während Dienstklassenmitglieder mitunter sehr viele Freiheiten haben, unter-liegen die Mitglieder der Arbeiterklasse oft direkter Kontrolle durch den Arbeitgeber/die Arbeitgeberin.

manuellen Routinetätigkeiten in der Regel eher an der Schwelle zu der Dienstklassenposition II, während die Klasse V der Techniker, Vorarbeiter und Meister eher Ähnlichkeit zu der Klasse der qualifizierten Arbeiter hat.52 Eine weitere Unterteilung gibt es bei den nicht-ma-nuellen Routinetätigkeiten (Klasse III). Je nach Qualifikationsanforderung werden die Klas-senpositionen IIIa und IIIb unterschieden, wobei die Klasse IIIb ursprünglich für Frauen ein-geführt wurde und starke Ähnlichkeiten mit der Klasse der ungelernten Arbei-ter/Arbeiterinnen hat (Erikson/Goldthorpe 1992a: 44).

Bei den Selbstständigen und Unternehmern bzw. Unternehmerinnen wird nach der Größe des Betriebes unterschieden. In Klasse IVb sind Selbstständige ohne Beschäftigte, in Klasse IVa entsprechend Unternehmer/Unternehmerinnen mit Beschäftigten. Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es bei Besitzern/Besitzerinnen sehr großer Betriebe. Sie werden der Klasse I zuge-teilt, was zwar einen faute de mieux darstellt, aber aufgrund der geringen Besetzung vertretbar ist (Goldthorpe 1995: 314).

Schließlich wird eine zweite Dimension eingeführt, nämlich die Trennung nach Sektoren. Hierdurch werden zum einen Selbstständige in der Industrie und der Dienstleistung (Klassen IVa und IVb) von Selbstständigen im primären Sektor, vor allem in der Landwirtschaft (Klasse IVc), unterschieden. Zum anderen werden un- und angelernte Arbeiterpositionen im sekundären und primären Sektor differenziert (Klassen VIIa und VIIb).

Die von Breen und Rottman geforderte theoretische Begründung für die unterschiedliche Verteilung von Ressourcen liefert Goldthorpe zumindest zum Teil implizit durch die Beto-nung des Beschäftigungsverhältnisses und hier speziell durch den Unterschied zwischen Dienstverhältnissen und Arbeitsverträgen (Breen/Rottman 1995: 459f.). Evans (1992) zeigt empirisch die Validität der Unterscheidung zwischen diesen beiden Beschäftigungsverhält-nissen. Die Übertragung des Klassenmodells auf Deutschland ist im großen und ganzen eben-falls unproblematisch (Kurz 1985).

Es werden daher die Klassenposition der Befragten und ihrer Väter für die Analyse sozialer Mobilität mit Hilfe des Goldthorpe-Klassenschemas gemessen. Die Klassenpositionen der Befragten (�Zielklassen� oder destinations) ergeben sich aus den beruflichen Angaben, die für die Befragten zum Zeitpunkt der Befragung galten. War ein Befragter zum Zeitpunkt der Um-frage nicht erwerbstätig, dann werden Angaben zu der letzten beruflichen Tätigkeit verwen-det, um die Klassenposition des Befragten zu bestimmen. Die Zuordnung erfolgt über die

56

52 Hier wird deutlich, dass die Differenzierung allein anhand des Beschäftigungsverhältnisses schwierig ist, wie Erikson und Goldthorpe (1992a: 44) auch unumwunden zugeben. An der bisherigen Ausführungen wird deut-lich, dass das Klassenschema nicht auf einer Unterteilung zwischen manueller und nicht-manueller Arbeit beruht. Allerdings wird diese Unterscheidung hier als Hilfskonstruktion für die Ähnlichkeit der Klassen ver-wendet.

Variablen der beruflichen Stellung und des ISCO-1968-Berufes. Die Klassenpositionen der Herkunft der Befragten (�Herkunftsklassen� oder origins) ergeben sich aus den Angaben zu dem Beruf des Vaters zu einem Zeitpunkt, als der Befragte 15 Jahre alt war. Hierzu werden die Variablen der beruflichen Stellung und des ISCO-1968-Beruf des Vaters verwendet.53

3.1.3. Verwendung der 7-Klassen-Version nach Erikson/Goldthorpe (1992)

Für die Analysen zur relativen Mobilität wird aus Gründen der Vergleichbarkeit ein redu-ziertes Klassenschema verwendet. Dabei werden analog zu dem Vorgehen von Erikson und Goldthorpe (1992a) die Klassen I und II, die Klassen IIIa und IIIb, die Klassen IVa und IVb und die Klassen V und VI zusammengefasst. Evans (1992) zeigt für britische Daten, dass es hierdurch zu keinem großen Informationsverlust kommt. Der Vorteil dieser Zusammen-fassung ist, dass die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit direkt mit früheren Untersuchungen von Erikson und Goldthorpe verglichen werden können und auch leichter in einen interna-tionalen Kontext einzuordnen sind. Außerdem ist es möglich, das von ihnen entwickelte Core-Modell auf neuere Daten anzuwenden, um festzustellen, inwieweit es hier zu Veränderungen kam.

3.2. Die CASMIN-Bildungsvariablen

Die Bildungsvariablen werden ebenfalls aus Gründen der Vergleichbarkeit mit dem CAS-MIN-Bildungsklassifikationsschema bzw. einer Erweiterung davon wiedergegeben (Müller 2000, vgl. auch Müller et al. 1989, Brauns/Steinmann 1999). Es ist jedoch durch die An-wendung dieser internationalen Klassifikation kein Informationsverlust zu erwarten. Die ein-zelnen Kategorien mit den entsprechenden deutschen Abschlüssen sind in Tabelle 3.2 dar-gestellt.

Für die Analysen der relativen Mobilitätsraten werden diese Kategorien der Bildungs-variablen (education) ebenfalls zusammengefasst, um in den Mobilitätstabellen die Zahl der nicht besetzten Zellen zu minimieren. Es werden fünf Bildungsgruppen in diesen Analysen unterschieden: 1ab, 1c, 2ab, 2c_gen + 2c_voc und 3ab.

5753 siehe hierzu auch Kapitel 4: Datensätze.

Tabelle 3.2: CASMIN-Bildungsklassifikation

1a Inadequately completed elementary education � nicht abgeschlossene Haupt- bzw. Volksschule

1b Completed (compulsory) elementary education � Haupt- bzw. Volksschulabschluss

1c (Compulsory) elementary education and basic vocational qualification � Haupt-/Volksschulabschluss mit Abschluss einer Lehr-/Anlernausbildung oder Meister-/Technikerausbildung

2a Secondary, intermediate vocational qualification or intermediate general qualification and vocational training � Realschulabschluss (Mittlere Reife) mit Abschluss einer Lehr-/Anlernausbildung oder Meister-/Technikerausbildung

2b Secondary, intermediate general qualification � Realschulabschluss (Mittlere Reife)

2c_gen Full general maturity qualification � Fachhochschulreife, Hochschulreife (Abitur)

2c_voc Full vocational maturity certificate or general maturity certificate and vo-cational qualification � Fachhochschulreife, Hochschulreife (Abitur) mit Abschluss einer Lehr-/Anlernausbildung oder Meister-/Technikerausbildung

3a Lower tertiary education � Fachhochschulabschluss, Ingenieurschulabschluss

3b Higher tertiary education � Hochschulabschluss

3.3. Der Männer zentrierte Ansatz

In der soziologischen Mobilitätsforschung wird eine Debatte darüber geführt, inwieweit es Sinn macht, Individuen als Untersuchungseinheit für die Analyse sozialer Mobilität zu ver-wenden. Der überzeugende Einwand dagegen ist, dass sich verschiedene Mitglieder eines Haushaltes oder einer Familie vermutlich nicht in ihrer klassenspezifischen Lage unter-scheiden, da innerhalb einer solchen Einheit die gleichen materiellen, sozialen und kulturellen Bedingungen und damit verbunden gleiche Lebenschancen vorherrschen (vgl. z.B. Parkin 1971, Breen/Goldthorpe 1997). Im Gegenzug werden Entscheidungen insbesondere in Bezug auf die Beteiligung im Bildungssystem oder im Erwerbsleben meist in einer Familie bzw. einem Haushalt gemeinsam getroffen, zumindest aber sind die Entscheidungen der Familien- bzw. Haushaltsmitglieder wechselseitig voneinander abhängig (Erikson/ Goldthorpe 1992a). Daher empfiehlt es sich, den einzelnen Haushalt bzw. die einzelne Familie auch als Untersu-chungseinheit zu verwenden (z.B. Miller 1998). Es kann jedoch problematisch sein, die Klas-

58

senposition einer solchen Familie zu bestimmen, da sowohl der Mann als auch die Frau er-werbstätig sein können und somit jeweils individuell einer Klasse zugeordnet werden können. In praktisch allen früheren Studien wurde dieses Zuordnungsproblem umgangen, indem man einfach die Klassenposition des männlichen Haushaltsvorstands der Klassenposition der Fa-milie gleichsetzte (z.B. Parkin 1971: 14f.). Dieses Vorgehen scheint jedoch besonders durch die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen � und hier vor allem von verheirateten Frauen �zunehmend bedenklich. Daher wurde von Erikson (1984) die �Dominanz-Methode� vor-gestellt, nach der die Klassenposition einer Familie von der Person bestimmt wird, die in Bezug auf zwei Erwerbskriterien �dominant� ist:54 Es wird zuerst die Klassenposition der-jenigen Person verwendet, die eine höhere Arbeitszeit im Beruf hat. Falls beide Partner die gleiche Arbeitsdauer haben, wird der Familie diejenige Klassenposition einer der Ehepartner zugewiesen, die gemäß einer von Erikson vorgeschlagenen Hierarchie höher eingeordnet ist (siehe auch Erikson/Goldthorpe 1992a: 266).55 Die Ergebnisse dieser Prozedur fassen Erikson und Goldthorpe dann in �kompletten Mobilitätstabellen� (�complete tables�) zusammen und vergleichen die Ergebnisse dieser Tabellen mit den Ergebnissen, die sie bei der Analyse von Männern ermittelt haben. Dabei vermuteten sie, dass �for so long as wives are less likely to be in employment than their husbands, less likely to work full time, and more likely to be in lower level employment, it cannot be expected that the dominance method will produce any markedly different class distributions of conjugal families than would be obtained by taking only husband�s employment into account� (Erikson/Goldthorpe 1992a: 238f.). Tatsächlich finden sie in ihren Daten zwar signifikante, aber generell nur geringe Unterschiede, die die Ergebnisse, welche sie durch die Analyse von Männern erhalten haben, nicht wesentlich än-dern. Als Hauptmechanismus für diese Unterschiede identifizieren sie aber nicht die Hinzu-nahme von weiblichen Singles oder die zunehmende Zahl von verheirateten Frauen mit domi-nanter Berufsposition in den Analysen der kompletten Mobilitätstabellen. Vielmehr seien die Abweichungen auf die Herkunft der Frauen aus den Selbstständigen-Klassen zurückzuführen, da diese Frauen im Gegensatz zu ihren Brüdern meist nicht den Hof oder den Betrieb erben. Es sei deshalb auch nicht zu erwarten, dass eine steigende Frauenerwerbsbeteiligung zu stär-keren Abweichungen des Mobilitätsmusters der kompletten Mobilitätstabellen führt (Erikson/Goldthorpe 1992a: 273).

54 Es gibt insbesondere in der neueren Zeit viele Untersuchungen, die Männer und Frauen jeweils getrennt in Bezug auf ihre soziale Mobilität untersuchen (für Deutschland siehe Ketzer 1999, Hartmann 1998). Dies ist insbesondere für Frauen problematisch, da ein weiterer Mechanismus für soziale Mobilität die Klassenver-änderung durch Heirat darstellt. Daher geben diese Untersuchungen eher die berufliche Mobilität zwischen Vater und Tochter als vielmehr die soziale Mobilität dieser Frauen wieder.

59

55 Dieser Ansatz ist insofern problematisch, als dass er eine ausgesprochene Stärke des Klassenansatzes, nämlich die Freiheit, auf eine Hierarchie zu verzichten, hier wieder über Bord werfen muss, um zu einer Zuteilung von Positionen zu kommen. Dabei ergeben sich insbesondere für die mittleren Klassenpositionen III und V/VI mas-sive Probleme der Zuordnung (siehe Erikson/Goldthorpe 1992a: 266).

Für Deutschland berichten Erikson und Goldthorpe, dass bei einer sehr konservativen Klas-sifizierung mit der Dominanzmethode56 mindestens 82% der Familien die gleiche Position zugeordnet bekommen wie bei einem Männer zentrierten Ansatz. Zwar beziehen sich diese Daten auf die Jahre 1976-1980, doch unterscheiden sich Männer und Frauen in ihrem Er-werbsverhalten auch noch zu späteren Zeitpunkten gerade in Westdeutschland sehr deutlich: Frauen haben eine geringere Erwerbsquote, sie haben häufiger Teilzeitbeschäftigungen und ihr Einkommen trägt im Durchschnitt weniger zum Familieneinkommen bei als das Einkom-men der Männer (Datenreport 1994). Es scheint daher für diese Diplomarbeit vorläufig ver-tretbar zu sein, sich die Entwicklung der sozialen Mobilität nur anhand der Daten von Män-nern zu betrachten. Man muss dabei berücksichtigen, dass es vor allem durch den Wegfall der allein lebenden Frauen hier zu Verzerrungen kommen könnte. Jedoch deutet vieles darauf hin, dass diese Vereinfachung die Ergebnisse in Bezug auf die Mobilität der gesamten Be-völkerung nicht sehr beeinträchtigen wird. Eine genauere Untersuchung hierzu wird es in dem Länderkapitel zu Deutschland im Rahmen des internationalen Mobilitätsprojektes von Richard Breen geben.

3.4. Der Kohortenansatz und das A-P-K - Problem

Schließlich ist zu klären, mit welcher Perspektive man sich die Entwicklung sozialer Mobi-lität im Zeitverlauf betrachten möchte. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem Pe-riodenansatz und einem Kohortenansatz. Beim Periodenansatz bzw. Trendansatz stehen in der Regel mehrere Querschnittsbefragungen, die zu verschiedenen Zeitpunkten erhoben wurden, zur Verfügung. Man kann damit zum einen je nach Datenqualität die bestmögliche Abschätzung bzgl. der sozialen Mobilität in einer Gesellschaft für den Erhebungszeitpunkt treffen und zum anderen durch den Vergleich mehrerer solcher Umfragen über den Zeitver-lauf hinweg eine Trendaussage bzgl. dieser Mobilität formulieren. Allerdings ist man mit dieser Methode aufgrund der Datenlage meist auf einen relativ kurzen Zeitraum beschränkt. Im vorliegenden Fall wäre nur eine Untersuchung für die Jahre 1976-1999 möglich (siehe Kapitel 4.1). Ein weiterer Nachteil ist, dass die Trendaussagen stark von der Stichproben-qualität der einzelnen Umfragen abhängen. Betrachtet man alternativ hierzu die Entwicklung sozialer Mobilität in der Geburtskohortenfolge auf der Basis mehrerer Querschnittsunter-suchungen, dann kann man diese beiden Probleme umgehen, denn erstens kann ein größerer Zeitabschnitt betrachtet werden und zweitens verringert die Zusammensetzung einer Geburts-

60

56 Erikson und Goldthorpe konnten bei ihren Daten nicht nach der Arbeitszeit von Männern und Frauen unterscheiden, d.h. der erste Dominanz-Mechanismus fiel weg, was bei gegebener höherer Teilzeitbeschäftigung von Frauen deren Klassenpositionen bei der Anwendung der Dominanzmethode zu viel Gewicht verleiht.

kohorte aus mehreren Stichproben die Anfälligkeit für Stichprobenschwankungen. Für die vorliegende Arbeit ist es aber vor allem aus theoretischen Gründen geboten, eine Un-tersuchungsanlage mit Kohorten zu wählen: Wenn � wie vermutet �die soziale Mobilität in Deutschland wesentlich von dem erreichten Bildungsabschluss abhängt, dann bietet sich nur die Betrachtung von Kohorten an, um festzustellen, inwieweit es in der Beschulung der Ko-horten und bei deren Platzierung auf dem Arbeitsmarkt zu Veränderungen kommt. Wenn dar-über hinaus erwartet wird, dass die durch den Zweiten Weltkrieg ausgelöste Vertreibung das Mobilitätsmuster wesentlich beeinflusst hat, dann ist dies mit den vorhandenen Daten eben-falls nur durch eine Kohortenbetrachtung zu ermitteln. Insofern ist insbesondere theoretisch der Kohortenansatz zu bevorzugen. Dieser Ansatz ist jedoch voraussetzungsvoll: Streng ge-nommen werden keine Geburtskohorten betrachtet, sondern nur quasi-Kohorten, da es zu Veränderungen in der Kohortenbesetzung durch Mortalität und Migration kommen kann. Ba-sieren die Beobachtungen wie im vorliegenden Fall auf Querschnittsanalysen, so schaut man sich daher die �Überlebenden� zusammen mit den Immigrierten (z.B. den Vertriebenen) einer Geburtskohorte an. Das bedeutet aber, dass man keine Aussage über die Situation in einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt treffen kann, sondern vielmehr nur eine Trend-aussage in der quasi-Kohortenfolge möglich ist. Des weiteren finden Breen und Jonsson (1997) bei ihrer Untersuchung der Reliabilität von Berufsangaben in schwedischen Daten, dass es bei älteren Kohorten verstärkt zu Erinnerungsfehlern in Bezug auf die berufliche Tä-tigkeit des Vaters kommt. Dies kann ebenfalls zu Verzerrungen führen. Das schwierigste Problem aber taucht auf, wenn man feststellen will, ob die ermittelten Befunde wirklich auf die Kohortenzugehörigkeit zurückzuführen sind, oder ob es sich vielleicht doch um Perioden-effekte (d.h. Bedingungen zum Zeitpunkt der Befragung) oder gar um Lebenszykluseffekte (d.h. Alterseffekte) handelt. Diese prinzipielle Nicht-Unterscheidbarkeit von Alters-, Peri-oden- und Kohorteneffekten stellen einen vor das so genannte �Identifikationsproblem�. Es besteht darin, dass

Geburtskohorte + Alter = Periode (Befragungszeitpunkt)

ergibt, d.h. diese drei Größen linear voneinander abhängig sind: Hält man eine der drei Grö-ßen konstant und variiert eine zweite Größe, ändert sich zwangsläufig auch die dritte Größe. Letztendlich kann man daher nur vermuten, welche der beiden anderen Größen für den ge-fundenen Effekt verantwortlich ist. Bei der Verwendung eines Kohortenansatzes ist es somit notwendig, möglichst viele Informationen und theoretische Gründe zu liefern, warum aller Wahrscheinlichkeit nach die Kohortenfolge die entscheidende Einflussgröße für bestimmte Entwicklungen ist (vgl. für soziale Mobilität Erikson/Goldthorpe 1992a).

Für die vorliegende Untersuchung wurden bereits im Theorieteil dargestellt, warum sich vor allem in der Kohortenfolge die soziale Mobilität in die jeweils angenommenen Richtungen 61

entwickeln sollte. Die Interpretation einer Veränderung als Kohorteneffekt wäre um so über-zeugender, wenn man zeigen könnte, dass es neben den Kohorteneffekten vermutlich zu kei-nen entscheidenden Lebenszyklus- oder Periodeneffekten kommt. Die soziale Mobilitäts-forschung geht allgemein davon aus, dass es ab einem Lebensalter von 30-35 Jahren zu einer beruflichen Maturität kommt, so dass spätere Klassenwechsel eher unwahrscheinlich sind, d.h. die intragenerationale (i.e. Karrieremobilität) im Hinblick auf Klassenwechsel stark nach-lässt (vgl. Erikson/Goldthorpe 1992a, Ch. 3). Für Deutschland wird dieser Befund auch in neueren Veröffentlichungen bestätigt: Vor allem westdeutsche Lebensverläufe seien �noch immer in einem hohen Maße regelhaft, institutionalisiert und standardisiert� (Mayer 1998: 450). Die Karrieremobilität ist aufgrund des beruflich organisierten Arbeitsmarktes stark an erworbene Bildungszertifikate gebunden. Der soziale Wandel in der Beschäftigungsstruktur findet im Wesentlichen in der Kohortenfolge statt, nicht innerhalb einer Kohorte (Steinmann 2000, Lüttinger 1986). Diese auch mit neueren Daten gefundene Stabilität der Karriere-mobilität lässt vermuten, dass mögliche Veränderungen in der sozialen Mobilität tatsächlich auf Kohorteneffekte zurückzuführen sind. Die in Kapitel 2.3.1.2 dargelegten makrostruktu-rellen Einflüsse (erhöhte Frauenerwerbsbeteiligung, Nettozuwanderung und vor allem die steigende Arbeitslosigkeit) sollten sich somit � wenn überhaupt � nur in der Kohortenfolge auswirken (vgl. Steinmann 2000: 219ff.). Das heißt es ist nach der bestehenden Literatur nicht mit nennenswerten Lebenszyklus- oder Periodeneffekten zu rechnen.

Um das Identifikationsproblem aber auch methodisch möglichst exakt einzugrenzen, werden bei den folgenden Analysen jeweils bestimmte Untersuchungsanlagen verwendet, die durch die Zuordnung bestimmter Altersgruppen für bestimmte Kohorten versuchen, das Alter-Peri-ode-Kohorte-Problem zu minimieren. Dies geschieht spezifisch für die jeweils verwendeten Datensätze vor den entsprechenden Analysen. Damit sollen die hier dargestellten theoreti-schen Hinweise auf Kohorteneffekte weiter untermauert werden.

62

4. Daten

4.1. Der neue Mobilitäts-Datensatz

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde der für die neuere Zeit wohl umfangreichste Datensatz zu sozialer Mobilität in Deutschland erstellt. Er deckt einen Befragungszeitraum von 1976-1999 ab und setzt sich aus insgesamt fünf verschiedenen Datenquellen zusammen:

- 11 Erhebungswellen der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) 1980-1998, ZA-Nummern 1795 und 3000

- ZUMABUS 1976, ZA-Nummer 0861

- Sozioökonomisches Panel (SOEP) 1986, Samples A+B

- ZUMA-Standarddemographie, ZA-Nummer 1233

- SOEP 1999, Sample E57

4.1.1. Verschiedene Datenquellen

Die Allgemeinen Bevölkerungsumfragen der Sozialwissenschaften (ALLBUS) sind zwei-jähr-lich stattfindende Querschnittsbefragungen der erwachsenen Wohnbevölkerung in Privat-haushalten. Die ALLBUS-Erhebungen werden vom Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) Mannheim konzipiert und durchgeführt; die Datenerhebung übernehmen verschiedene Umfrageinstitute.58 Bis 1990 wurden die Umfragen nur in der alten Bundes-republik und nur für die deutsche Wohnbevölkerung durchgeführt. Seit der zusätzlichen Er-hebung 1991im Zuge der Deutschen Einheit ist das Befragungsgebiet auch auf die neuen Bundesländer ausgeweitet. Die Stichprobenziehung erfolgt ab 1991 disproportional zugunsten der ostdeutschen Bevölkerung (oversampling). Außerdem werden in den neueren Umfragen auch deutschsprachige Ausländer bzw. Ausländerinnen interviewt. Die Auswahl der Be-fragten erfolgte in den Jahren 1980-1992 und 1998 dreistufig nach dem ADM-Design. In den Jahren 1994 und 1996 wurde ein zweistufiges Ziehungsverfahren aus Einwohnermelde-registern angewandt. Beide Ziehungsverfahren führen zu repräsentativen Stichproben für die Bevölkerung der Bundesrepublik, wenngleich die mit der Einwohnermelderegistermethode ermittelten Daten für 1994 und 1996 in den Randverteilungen etwas genauer mit den Rand-verteilungen des Mikrozensus übereinstimmen (vgl. Koch 1997). Aus Gründen der Ver-

57 Hierbei handelt es sich um eine Vorablieferung einer Arbeitsversion. Besonderer Dank gilt Dr. Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, der dies ermöglichte.

63

58 GETAS Bremen (1980-1984), GFM-GETAS Hamburg (1988), INFAS Bonn (1990), INFRATEST München (1986, 1991, 1992, 1994, 1996), GFM-GETAS (IPSOS) Hamburg (1998)

gleichbarkeit werden nur Befragte mit deutscher Staatsangehörigkeit für den Mobilitäts-Da-tensatz berücksichtigt. Die 11 Erhebungswellen des ALLBUS von 1980-1998 tragen 34.311 Beobachtungen (28.400 für Westdeutschland und 5911 für Ostdeutschland) hierzu bei.

Die ZUMA-Standarddemographie inklusive des ZUMABUS 1976 besteht aus zehn verschie-denen Querschnittsbefragungen, die in der Zeit zwischen 1976 und 1982 von ZUMA oder in Zusammenarbeit mit ZUMA durchgeführt wurden. Im einzelnen sind dies der ZUMABUS 1 bis ZUMABUS 6, zwei Befragungen mit dem Titel �Politik in der Bundesrepublik Deutsch-land� 1978 und 1980, der Wohlfahrtssurvey 1978 sowie die erste ALLBUS-Welle 1980.59 Vor allem die ZUMABUS-Umfragen können als Vorläufer der späteren ALLBUS-Befragun-gen angesehen werden, sie ähneln den älteren ALLBUS-Wellen in ihren Auswahlverfahren und ihrer Grundgesamtheit. Die Stichprobenziehung der einzelnen Datensätze aus der ZUMA-Standarddemographie erfolgte ebenfalls durch eine mehrstufig geschichtete Zu-fallsauswahl von erwachsenen Personen in Privathaushalten mit deutscher Staatsangehörig-keit in dem Gebiet der alten Bundesrepublik einschließlich West-Berlin.60 Insgesamt steuert die ZUMA-Standarddemographie zusammen mit dem ZUMABUS 1976 weitere 15.986 + 2036 = 18.022 Beobachtungen zu dem Mobilitäts-Datensatz bei.

Das sozioökonomische Panel (SOEP) ist eine jährliche repräsentative Wiederholungsbefra-gung privater Haushalte in Deutschland. Die Konzeption und Durchführung obliegt dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin.61 Das SOEP beinhaltet verschiedene Unterstichproben (samples) für unterschiedliche Subpopulationen. Das im Jahr 1984 gestar-tete �westdeutsche� Sample A umfasst westdeutsche Haushalte, deren Vorstand nicht eine türkische, griechische, jugoslawische, spanische oder italienische Staatsbürgerschaft besitzt. Das ebenfalls 1984 gestartete, disproportionale (oversampling) Sample B enthält Haushalte, deren Vorstand Angehöriger eben einer dieser Nationen ist. In einem befragten Haushalt werden alle Haushaltsmitglieder befragt, so dass es sein kann, dass auch in Haushalten des Sample B einige wenige Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit leben. Das 1998 begon-nene Auffrischungs-Sample E wurde durch eine ungewichtete Stichprobe in der neuen Bun-desrepublik gezogen. Die Stichprobenziehung erfolgte in Sample A und E nach dem ADM- 59 Der ZUMABUS 1 (1976) wurde oben als gesonderte Quelle ausgewiesen, da dieser Datensatz Teil eines bereits bestehenden Datensatzes am Lehrstuhl Prof. Müller war. Dieser Datensatz dient als Grundlage für den neuen Mobilitäts-Datensatz. Er enthält für den ZUMABUS 1976 Informationen zur Bildung, die in der kumu-lierten ZUMA-Standarddemographie nicht angeboten werden. Der ALLBUS 1980 ist ebenfalls in der ZUMA-Standarddemographie enthalten, findet aber Eingang in den Mobilitäts-Datensatz durch die ALLBUS-Wellen. Die technische Datenerhebung der einzelnen Umfragen wurde von externen Umfrageinstituten übernommen: Die meisten Umfragen wurden von INFRATEST München erhoben, Ausnahmen sind der ZUMABUS 1 (GETAS Bremen) und der ZUMABUS 4 (GETAS Bremen, ZUMA Mannheim). 60 Leider ist hier die Dokumentation im Zentralarchiv sehr inkonsistent. Bei manchen Umfragen wird explizit auf das ADM-Design verwiesen, bei manchen auf die Altersbeschränkung und wieder bei anderen auf die Staats-angehörigkeit.

6461 Die Feldarbeit wird von INFRATEST Burke Sozialforschung, München durchgeführt.

Design, die Ziehung des Sample B erfolgte über Einwanderungsregisterdaten.62 Befragt wurden alle Personen ab 16 Jahren in den Haushalten. In den Jahren 1986 für Sample A und B und im Jahr 1999 für Sample E wurden Fragen zu der sozialen Herkunft gestellt. Daher werden diese jeweiligen Wellen als �Querschnittsdaten� aus dem Panel für den Mobilitäts-Datensatz verwendet. Hierbei ist die hohe Kontinuität des SOEP hilfreich, so dass keine gro-ßen Abweichungen von den ursprünglich gezogenen Samples zu erwarten sind.63 Aus Grün-den der Vergleichbarkeit werden auch hier nur deutsche Staatsangehörige für den Mobilitäts-Datensatz verwendet, so dass 7897 Personen aus Sample A (und B) und 1594 Personen (1290 Westdeutsche, 340 Ostdeutsche) aus Sample E in den Mobilitätsdatensatz eingehen.

Insgesamt umfasst der neu erstellte Datensatz somit 61.824 Personen, die in Privathaushalten leben, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und 18 bzw. 16 Jahre und älter sind. Ab dem Jahr 1991 umfasst der Datensatz auch das Gebiet der fünf neuen Bundesländer.

4.1.2. Vergleichbarkeit der Datensätze

4.1.2.1. Vergleichbarkeit in der Stichprobenauswahl

Wesentlich für die Analyse sozialer Mobilität mit verschiedenen Bevölkerungsumfragen ist die Vergleichbarkeit dieser Stichproben (vgl. Mayer/Müller 1978). Für die einzelnen Erhe-bungen wurden fast immer die gleiche Grundgesamtheit (erwachsene deutsche Wohnbevöl-kerung) und das gleiche Stichprobenverfahren (ADM-Design) verwendet. Es ist daher gene-rell von einer sehr hohen Vergleichbarkeit der Datensätze auszugehen. Jedoch gibt es drei Ausnahmen: Die ALLBUS-Wellen 1994 und 1996 wurden durch ein Einwohnermelde-register-Verfahren gezogen. Hierbei kommt es zwar zu kleineren Unterschieden, diese sind aber vernachlässigbar (Koch 1997, 1998). Die zweite Ausnahme betrifft das SOEP 1986, das als �Querschnittsdatensatz� in den Gesamtdatensatz eingeht. Da dieser �Querschnitt� die dritte Welle eines Panels ist und aus zwei verschiedenen Samples stammt, könnte man ver-muten, dass dies die Vergleichbarkeit der Datensätze schwierig macht.64 Jedoch zeigen Müller und Haun für die auch in dieser Untersuchung relevanten Variablen, dass diese sich zwischen den ALLBUS- und den SOEP-Daten nicht signifikant unterscheiden (Müller/ Haun 1994: 12). Es stellt somit kein Problem dar, diese Datensätze zu kombinieren. Schließ-lich ist auch die 1999er Stichprobe aus dem SOEP (Sample E) streng genommen nicht als Querschnittsdatensatz aufzufassen. Da das Sample aber noch sehr �neu� und die Panel-

62 siehe Desk Top Companion der SOEP-Gruppe für nähere Einzelheiten (Haisken-DeNew/Frick 2000). 63 Im Jahr 1986 waren noch 10.646 von ursprünglich 12.245 Personen in Sample A und B enthalten, in 1999 waren es 1651 von ursprünglich 1923 Personen in Sample E.

65

64 Möglicherweise können durch Panelmortalität und unterschiedlicher Auswahlwahrscheinlichkeiten der Per-sonen in den zwei Samples Probleme auftreten.

mortalität vergleichsweise gering ist, kann man davon ausgehen, dass auch dieser Datensatz mit den anderen Datensätzen vergleichbar ist.65

4.1.2.2. Vergleichbarkeit der Konzepte

Eine besondere Stärke des neuen Mobilitäts-Datensatzes ist die Tatsache, dass die relevanten Variablen in allen Subfiles praktisch wortgleich abgefragt wurden. Dies war vor allem für die Erstellung der Klassenvariablen von Bedeutung. In allen Datensätzen gibt es Angaben zu der beruflichen Stellung und zum ISCO-1968-Beruf sowohl für die Befragten als auch für ihre Väter. Es war somit möglich, die Klassenvariablen für verschiedene Datenquellen mit einem einzigen einheitlichen Kodierungsschema zu bilden, d.h. es wurde nicht auf bereits beste-hende Klassenzuordnungen in den Datensätzen (z.B. Beckmann/Trometer (1991) für die ALLBUS-Daten) zurückgegriffen, sondern alle Befragte ihren Angaben zu beruflicher Stel-lung und Beruf entsprechend einer Klassenposition neu zugeordnet. Da es hierfür aber noch kein geeignet erscheinendes systematisches Rekodierungsschema66 gibt, wurden andere empi-rische Klassifikationsschemata weiterentwickelt und vereinheitlicht. Die umfangreichen Re-kodierungsjobs hierzu sind in einem Dokumentationsordner am Lehrstuhl Prof. Müller ab-gelegt. Ebenso wie die Angaben zum Beschäftigungsverhältnis sind auch die Daten zu dem höchsten Bildungsabschluss praktisch wortgleich erhoben worden und konnten somit einheit-lich verkodet werden. Die verschiedenen Datensätze sind somit auch in Bezug auf die Opera-tionalisierungen der abgefragten Variablen problemlos vergleichbar und ermöglichen homo-gene Klassifikationen.

4.1.3. Verzicht auf eine Gewichtung der Datensätze

Die Beobachtungen in den Datensätzen aus den ALLBUS-Wellen und der ZUMA-Standard-demographie wurden mit Ausnahme der Jahre 1994 und 1996 durch Haushaltsstichproben gewonnen. Daher müsste � prinzipiell � die unterschiedliche Ziehungswahrscheinlichkeit je nach Haushaltsgröße korrigiert werden. Ein solches Transformationsgewicht steht für die ALLBUS-Wellen zur Verfügung und lässt sich für alle Datensätze der ZUMA-Standard-

65 Eine Überprüfung dieser These bietet sich mit der endgültigen Version dieses Datensatzes an, dann eventuell im Vergleich zu den ALLBUS-Wellen 1998 und 2000.

66

66 Es gibt ein systematisches Rekodierungsschema von Harry Ganzeboom (z.B. Ganzeboom/Luijkx/Treiman 1989), das allerdings als primäre Zuordnung den Beruf nimmt und nur teilweise die Zuordnungen durch die berufliche Stellung korrigiert. Dabei zeigen Ganzeboom et al. aber ganz offensichtlich ein unterschiedliches theoretisches Verständnis des Goldthorpe-Klassenschemas, was sich entsprechend in ihrem Rekodierungs-schema ausdrückt (Ganzeboom/Luijkx/Treiman 1989: 10ff.). Nimmt man aber die Idee des Beschäftigungs-verhältnisses (employment relationship) als Zuordnungskriterium ernst, dann ist eine Rekodierung primär über berufliche Stellungen geboten.

demographie außer dem ZUMABUS 6 (1982) ermitteln.67 Zumindest für die ALLBUS-Wel-len zeigt sich aber, dass ungewichtete Daten eher den Randverteilungen im Mikrozensus ent-sprechen als gewichtete Daten, weil die ungewichteten Daten einer Unterrepräsentierung von Single-Haushalten entgegenwirken.68 Daher wird in der Praxis meist auf eine Gewichtung verzichtet. Probleme durch die Überrepräsentierung von Ostdeutschen entstehen ebenfalls nicht, da die Analysen sich nur auf Westdeutschland beziehen.

Für die SOEP 1986-Daten steht eine Gewichtungsvariable zur Verfügung, die als Quer-schnittsgewichtung neben einer Korrektur der Panelmortalität unter anderem auch eine An-passung an die Randverteilungen im Mikrozensus bietet.69 Müller und Haun (1994) konnten aber bei dem Vergleich der ALLBUS- mit den SOEP86-Daten zeigen, dass es bei ihren mul-tivariaten Analysen keine Rolle spielt, ob eine Gewichtung vorgenommen wird oder nicht. Schließlich lag für das SOEP 1999 zum Zeitpunkt der Erstellung des Mobilitäts-Datensatzes noch keine Gewichtungsvariable vor. Da aber das Sample E erst ein Jahr zuvor mit einem ADM-Design neu gezogen wurde und sich die Panelmortalität in der zweiten Welle in Gren-zen hält, ist zu vermuten, dass hier eine Gewichtung ebenfalls nicht erforderlich ist.

Aufgrund der verschiedenen Gewichtungskonzepte und den Hinweisen darauf, dass eine Ge-wichtung keinen Unterschied ausmacht bzw. zu einer Verschlechterung in Hinblick auf die Randverteilungen führt, werden für die folgenden Analysen nur ungewichtete Daten ver-wendet. Tatsächlich lässt sich für die durchgeführten Analysen zeigen, dass eine Gewichtung zu keiner Verbesserung bzgl. der Randverteilungen führt70 und die Ergebnisse der log-linea-ren Modelle sich durch eine Gewichtung der Daten nicht verändern.

4.1.4. Güte der Stichproben

Ein Vergleich der Randverteilungen einiger Variablen des Datensatzes mit Ergebnissen von Mikrozensus-Stichproben (Datenreport 1994) weist auf nur kleinere Abweichungen hin. Die zentrale Variable der Klassenzugehörigkeit kann nicht direkt verglichen werden, da diese An-gabe aus der beruflichen Stellung und dem ISCO-1968-Beruf generiert ist. Allerdings zeigen die Randverteilungen für die berufliche Stellung hohe Ähnlichkeiten auf:

67 Das Transformationsgewicht errechnet sich aus der Anzahl der Personen im Haushalt. Im ZUMABUS 6 (1982) fehlt diese Angabe zur Haushaltsgröße. 68 siehe ALLBUS 1980-96- Codebuch mit weiteren Hinweisen 69 Im Datensatz wird diese Variable cphrf so umgewandelt, dass sie auch einen Mittelwert von 1,0 hat: Gewicht für SOEP86 = cphrf * N(Stichprobe) / N(Grundgesamtheit) = cphrf * 7897 / 46880093.

67

70 Es kommt hier zu unterschiedlichen Befunden: in neueren Erhebungen kommt es durch eine Gewichtung zu einer Verschlechterung in Bezug auf die Randverteilungen, bei älteren Datensätzen ist eine leichte Verbesserung zu beobachten.

Tabelle 4.1: Berufliche Stellung für Männer, Vergleich Mikrozensus 1993 mit Mobilitäts-Daten 1992-1994

Berufliche Stellung ungewichtete Daten 1992-1994

gewichtete Daten 1992-1994

Mikrozensus 1993

Arbeiter 39.9 39.7 43.4 Angestellte 36.1 36.1 34.5 Beamte 11.1 11.3 10.0 Selbstständige 12.7 12.7 11.6 mithelf. Familienangehörige 0.2 0.2 0.4

Man findet das aus Bevölkerungsumfragen bekannte Muster: die Arbeiter sind in solchen Umfragen unterrepräsentiert, die Angestellten dagegen leicht überrepräsentiert (Koch 1998). Allerdings sind diese Abweichungen recht gering. Es wird zudem deutlich, dass eine Ge-wichtung keinerlei Verbesserung mit sich bringen würde. Insgesamt deutet dieser erste Ver-gleich auf eine hohe Güte der zusammengestellten Daten hin, die somit vermutlich ein gutes Abbild der Grundgesamtheit darstellen.

4.1.5. Variablen und Stichprobenumfang je nach Variablenauswahl

In den nachfolgenden Untersuchungen werden fünf Variablen verwendet:

- die soziale Herkunftsklasse (origin) des oder der Befragten entsprechend des Goldthorpe-Klassenschemas, gemessen mit der beruflichen Stellung und dem ISCO-1968-Beruf des Vaters zu dem Zeitpunkt, als der oder die Befragte 15 Jahre alt war;

- die soziale �Zielklasse� (destination) des oder der Befragten entsprechend des Goldthorpe-Klassenschemas, gemessen mit der (letzten) beruflichen Stellung und dem (letzten) ISCO-1968-Beruf der Befragten;

- das Alter (age) des Befragten in Jahren;

- das Geburtsjahr des Befragten, zusammengefasst in Geburtskohorten (cohorts);

- und schließlich der höchste Bildungsabschluss (education) entsprechend dem CASMIN-Bildungsschema.

Die Daten umfassen Befragte, die zwischen 1880 und 1982 geboren wurden bzw. zwischen 16 und 98 Jahre alt sind. Für die Analyse sozialer Mobilität mittels Klassenpositionen schränkt man aber gewöhnlich die analysierte Gruppe ein. In dieser Arbeit werden nur west-deutsche Männer untersucht, von denen man annehmen kann, dass ihre Klassenposition sinn-

68

voll durch ihr Beschäftigungsverhältnis abgebildet werden kann.71 Durch diese Beschrän-kungen verringert sich sukzessive im Laufe der verschiedenen Analysen der Stichproben-umfang wie folgt:

Tabelle 4.2: Entwicklung des Stichprobenumfangs je nach Variablenauswahl

Einschränkungen Stichprobenumfang (N)

Gesamtdatensatz 61.824

nur westdeutsche Männer zwischen 20-64 Jahren 20.789

ohne fehlende Werte bei origin oder destination 16.201

entsprechend dem A-P-K-Design (siehe Kapitel 5.2.3) 12.565

A-P-K-Design ohne missings in der Bildungsvariablen 12.410

Eine genaue Auflistung der Fallzahlen der jeweiligen einzelnen Datensätze, die in den Mo-bilitäts-Datensatz eingegangen sind, befindet sich nach Jahren sortiert in Appendix A1.

In den Mobilitäts-Datensatz sind leider keine Angaben darüber enthalten, ob es sich bei den Befragten um Einheimische, Vertriebene oder Flüchtlinge handelt. Zur Überprüfung der oben dargestellten Hypothese 2 (als Folge der Vertreibung ist die Kohorte 1930-1939 immobiler als die Kohorte 1920-1929) muss daher auf einen anderen Datensatz zurückgegriffen werden, der diese Angaben enthält.

4.2. Die Mikrozensus-Zusatzerhebung 1971

Die Mikrozensus-Zusatzerhebung �Berufliche und soziale Umschichtung der Bevölkerung� wurde im April 1971 zusätzlich zu der regulären Mikrozensus-Befragung durchgeführt. Diese Mikrozensus-Zusatzerhebung (MZU 71) ist eine 1%-Stichprobe der Wohnbevölkerung der alten Bundesrepublik. Es wurden nur Personen befragt, die die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und die 1956 oder früher geboren wurden. Zur Teilnahme an dieser Erhebung waren die Befragten gesetzlich verpflichtet. Der Fragenkatalog der MZU 71 umfasste für Befragte, die 1920 oder später geboren wurden, neben Angaben zur eigenen Person auch Fragen zur sozialen Herkunft, d.h. es wurde auch nach der beruflichen Stellung des Vaters zu dem Zeit-punkt, als die Befragten 15 Jahre alt waren, gefragt. Zusammen mit den Informationen zur eigenen beruflichen Stellung ist es somit möglich, auch mit diesem Datensatz inter-

69

71 Erikson und Goldthorpe (1992a) beschränken ihre Analysen auf Männer zwischen 20-64 Jahren. Diese Ein-schränkung wird vorerst aus Gründen der Vergleichbarkeit übernommen (siehe auch Kapitel 5.2.1f.)

generationale Mobilitätstabellen zu erstellen (vgl. Müller/Mayer 1976).72 Die MZU 71 bein-haltet daneben Informationen darüber, ob ein Befragter aus den Ostgebieten bzw. aus Ost-europa vertrieben wurde (Vertriebener), ob er aus der SBZ bzw. der DDR geflüchtet ist (Flüchtling) oder ob der Befragte seine Heimat auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik hat (Einheimischer).73 Nach Bereinigung der Daten von gedoppelten und anderen Fällen (siehe Tegtmeyer 1975) und der Auswahl von Männern verbleiben 209.262 Personen im Datensatz, wovon 111.269 Männer zwischen 1920 und 1949 geboren wurden.74 Darunter sind 76.7% Einheimische, 18.0% Vertriebene und 5.3% Flüchtlinge. Mit diesen Daten ist es in Kapitel 6 möglich, den Einfluss der Vertriebenen und Flüchtlinge auf die soziale Mobilität in Deutsch-land zu bestimmen.

72 Die Klasseneinteilung weicht aber aufgrund der fehlenden Angaben zum Beruf und der weniger exakten Kategorisierung der beruflichen Stellung (es wird nicht zwischen Professionen und anderer Selbstständigkeit unterschieden) von der im Mobilitäts-Datensatz benutzten Klasseneinteilung ab (siehe Kapitel 6.2). 73 Die Einteilung erfolgt analog zu Lüttinger (1986): Die Vertriebenen umfassen Personen mit Vertriebenen-ausweis A und B und Wohnsitzvertriebene, Flüchtlinge sind Zugezogene aus dem Gebiet der SBZ/DDR mit oder ohne Flüchtlingsausweis C, die Einheimischen haben schon 1939 auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik gelebt. Personen, die zum Zeitpunkt dieser Ereignisse noch nicht geboren waren, erben von ihren Eltern den jeweiligen Status. Personen, die keine Angabe zu ihrer Herkunft gemacht haben, werden als Einheimische betrachtet.

70

74 In erster Linie geht es bei der Hinzunahme der MZU 71-Daten um eine Überprüfung der zweiten Forschungs-hypothese (Abweichung von dem generellen Trend zu mehr Offenheit). Es sind daher insbesondere die Kohorten 1920-1929 und 1930-1939 betroffen. Die Ausdehnung auf die Kohorte 1940-1949 bietet sich zur weiteren Untermauerung der nachfolgenden Befunde an.

5. Die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland

Nach der ausführlichen theoretischen Diskussion mit den daraus folgenden Hypothesen sowie den Beschreibungen von Operationalisierungen und Datengrundlage werden in den nächsten Kapiteln die Ergebnisse der empirischen Analysen dargestellt. In diesem Kapitel soll zunächst die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland insgesamt aufgezeigt werden. Dabei wird nach absoluten und relativen Mobilitätsraten unterschieden.

5.1. Absolute Mobilitätsraten – direkt erlebte soziale Mobilität

Absolute Mobilitätsraten sind direkt beobachtbare Maßzahlen für soziale Mobilität: Mit Hilfe einer Kreuztabellierung von Herkunfts- und Zielklasse kann man unmittelbar ablesen, wieviel Personen aus einer bestimmten Herkunftsklasse sich in einer bestimmten Zielklasse positio-nieren. Aus diesen absoluten Zahlen werden durch einfache Prozentuierung Mobilitätsraten errechnet, die somit die direkt erlebte soziale Mobilität der Befragten widerspiegeln. Ge-wöhnlich werden drei verschiedene absolute Mobilitätsraten unterschieden. Die Abstromraten (outflow rates) geben an, wie sich die Befragten aus einer bestimmten Herkunftsklasse auf die verschiedenen Zielklassen verteilen. Die Zustromraten (inflow rates) zeigen, zu welchen An-teilen verschiedene Herkunftsklassen eine bestimmte Zielklasse bilden. Totale Mobilitätsraten (total mobility rates) beschreiben, wieviel Prozent der Befragten sich in einer anderen als der eigenen Herkunftsklasse befinden.

Für einen ersten Überblick über die Entwicklung der absoluten Mobilitätsraten in Deutsch-land werden für fünf Geburtskohorten die totalen Mobilitätsraten sowie die Häufigkeiten eines Auf- bzw. eines Abstiegs und einer horizontalen Mobilität betrachtet. Tabelle 5.1 ist hier an Erikson und Goldthorpe (1992a: 195) angelehnt. Es werden � wie oben erwähnt � sieben Klassen unterschieden. Dabei werden drei Hierarchiestufen angenommen: auf der ersten Stufe die Dienstklassen (Klassen I/II); auf der zweiten Stufe nicht-manuelle Routine-tätigkeiten (Klassen IIIab), Selbstständige (Klassen IVab und IVc) und Vor- und Facharbeiter (Klassen V/VI); und auf der dritten Stufe die un- und angelernten Arbeiter in Industrie (Klasse VIIa) und Landwirtschaft (Klasse VIIb).75

71

75 Diese Hierarchisierung entspricht der Einteilung bei Erikson und Goldthorpe (1992a: 124). Die Klasse IVc wird jedoch nicht unterschiedlich als Herkunfts- und Zielklasse eingeteilt. In beiden Fällen wird die Klasse zu der Mittelgruppe gezählt.

Tabelle 5.1: Totale Mobilitätsrate (TMR) und ihre Aufteilung in vertikale (TV) und horizontale (TNV) sowie in Aufwärts- (TU) und Abwärtsmobilität (TD) jeweils in Prozent für fünf Geburtskohorten 1920-1969

1920-1929 (N=2368)

1930-1939 (N=3406)

1940-1949 (N=3906)

1950-1959 (N=3708)

1960-1969 (N=1999)

TMR 64.2 59.5 61.3 62.6 59.6

TV 44.8 43.5 46.7 47.4 43.7 TNV 19.4 16.1 14.7 15.2 15.9 TV/TNV 2.3 2.7 3.2 3.1 2.8

TU 31.6 31.4 36.5 34.2 24.5 TD 13.2 12.1 10.2 13.2 19.2 TU/TD 2.4 2.6 3.6 2.6 1.3

Ein Blick auf die totalen Mobilitätsraten zeigt, dass diese Rate im Schnitt für die fünf Ko-horten etwas über 60% liegt, d.h. etwas mehr als 60% der Befragten unterscheiden sich in ihrer Klassenposition von der Klassenposition ihrer Väter. Jedoch ist dieser Befund nicht für alle Kohorten gleich. In der ersten Kohorte sind deutlich mehr Personen �sozial mobil� als in den folgenden Kohorten. Die zweite Kohorte dagegen ist vergleichsweise immobil. Der Un-terschied in der Mobilität zwischen den beiden ersten Kohorten ist vor allem auf die ver-stärkte horizontale Mobilität der älteren Kohorte (19.4% vs. 16.1%) zurückzuführen, während der kleinere Unterschied in der vertikalen Mobilität in erster Linie von der etwas höheren Abwärtsmobilität der älteren Kohorte kommt (13.2% vs. 12.1%). Schon bei diesem ersten groben Überblick scheint es, dass man bereits hier den Einfluss des Zweiten Weltkrieges er-kennen kann, der sich bis zu dem Befragungszeitpunkt im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts konserviert hat. Ein etwas genaueres Bild der Mobilitätsentwicklung dieser bei-den Kohorten bekommt man, wenn man zusätzlich die Vererbung der Klassenpositionen (Immobilität) in Tabelle 5.2 betrachtet.

Tabelle 5.2: Immobilität bzw. Vererbung der Klassenposition auf die Söhne (outflow rates) für fünf Geburtskohorten 1920-1969

1920-1929 (N=2368)

1930-1939 (N=3406)

1940-1949 (N=3906)

1950-1959 (N=3708)

1960-1969 (N=1999)

I/II 67.1 70.4 72.2 59.2 46.3 IIIab 13.0 12.2 14.2 14.4 15.7 IVab 24.6 29.1 22.1 16.2 12.1 IVc 15.5 25.0 21.3 21.3 19.3 V/VI 49.1 51.4 45.2 47.0 56.3 VIIa 24.9 24.6 17.9 21.6 24.6 VIIb 7.3 1.9 1.3 3.5 7.7

Kursiv gedruckte Zahlen bedeuten Zellbesetzungen von n<10

72

Es ist deutlich zu sehen, dass vor allem Landwirte (Klasse IVc) ihren Hof zu einem erheblich geringeren Maße an ihre Söhne der Kohorte 1920-1929 weitergeben als dies für die Söhne der Folgekohorte der Fall ist. Auch bei den Dienstklassen I und II und bei den Selbstständigen der Klassen IVab findet man eine geringere Vererbung in der ersten Kohorte. Diese Befunde de-cken sich mit den Vermutungen, dass als Folge des Zweiten Weltkriegs und der Vertreibung die Kohorte 1930-1939 immobiler ist als die Kohorte 1920-1929. Ein Blick in die Abstrom-tabelle (Appendix A2a) zeigt an, dass für die erhöhte horizontale Mobilität vor allem Bauern-söhne verantwortlich sind, da sie überdurchschnittlich häufig in die Arbeiterklasse wechseln. Zu erklären wäre dieser Befund damit, dass unter den Vertriebenen besonders viele Landwirte waren, die durch die Vertreibung ihren Besitz nicht weiter vererben konnten.

Betrachtet man die beiden Tabellen auch im Hinblick auf die folgenden Kohorten, zeigt sich ab der Kohorte 1930-1939 ein schwacher Trend zu mehr totaler Mobilität mit Ausnahme der jüngsten Kohorte. Bei dieser Entwicklung bleibt die horizontale Mobilität mehr oder weniger stabil, dagegen nimmt die vertikale Mobilität zu. Von dem Anstieg der vertikalen Mobilität scheint aber nur die Kohorte 1940-1949 wirklich profitieren zu können. Die Zusammen-setzung der vertikalen Mobilität in Aufwärts- und Abwärtsmobilität ist für diese Kohorte mit Abstand am günstigsten (3.6 zu 1 zugunsten von Aufstiegen). Die jüngste Kohorte hingegen hat nicht nur eine generell niedrigere totale Mobilität (nur 59.6%), sie hat auch mit großem Abstand das schlechteste Verhältnis zwischen Auf- und Abstiegen (1.3 zu 1).

Dieser Befund ist einigermaßen überraschend, da er eine deutliche Trendwende darstellen würde. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Mitglieder dieser Kohorte (und auch die Mitglieder der zweitjüngsten Kohorte) zu dem Zeitpunkt ihrer Befragung relativ jung waren. Mehr als die Hälfte der Mitglieder der jüngsten Kohorte waren 26 Jahre und jünger, als sie befragt wurden. In der zweitjüngsten Kohorte waren immerhin noch die Hälfte der Mitglieder 30 Jahre und jünger bei ihrer Teilnahme an der Befragung. Berechnet man daher die Tabelle für diese beiden Kohorten noch einmal mit einer Alterseinschränkung (27 Jahre und älter), ergibt sich folgendes Bild: Für die zweitjüngste Kohorte verändert sich wenig. Ein nennens-werter Unterschied taucht nur bei dem Verhältnis zwischen Auf- und Abstiegen auf, das Ver-hältnis ist bei den �Älteren� dieser Kohorte deutlich günstiger (3.1 im Vergleich zu 2.6 mit den jüngeren Kohortenmitgliedern zusammen) und gleicht damit eher dem Verhältnis der Kohorte 1940-1949.76 Bei der jüngsten Kohorte 1960-1969 dagegen bleiben die Abweichun-gen bestehen. Die totale Mobilitätsrate sinkt sogar auf 58.6%, das Verhältnis zwischen verti-kaler und horizontaler Mobilität steigt deutlich zugunsten der vertikalen Mobilität (3.5), und

73

76 Als weitere Werte für die Kohorte 1950-1959 ergeben sich: TMR: 62.3, TV: 47.9, TNV: 14.4, TV/TNV: 3.3, TU: 36.3, TD: 11.7. Darüber hinaus ist mit dieser Alterseinschränkung vor allem ein deutlicher Anstieg bei der Vererbungsrate der Dienstklassen zu verzeichnen, nämlich von 59.2% auf 66.0%.

das Verhältnis zwischen Aufwärts- und Abwärtsmobilität bleibt mit 1.9 weit unter dem Ni-veau der vorherigen Kohorten.77 Dieser Befund könnte mehrere Ursachen haben: Zum einen ist von einem Lebenszykluseffekt auszugehen, da sich die Zahlen nach der Alterskontrolle etwas mehr an die anderen Kohorten angleichen. Es ist durchaus denkbar, dass diese Ent-wicklung weiter anhält, wenn die Mitglieder der Kohorte noch älter werden. Ein Blick auf die Vererbungsraten unterstützt diese Vermutung, da insbesondere die Klasse I/II und die Selbst-ständigen deutlich niedrigere Vererbungsraten in dieser Kohorte zeigen und da sich die Werte ein gutes Stück den anderen Kohorten nähern, wenn man die jüngeren Mitglieder der Kohorte aus den Analysen ausschließt.78 Allerdings bleiben dennoch merkliche Unterschiede bestehen. Es ist daher zu vermuten, dass auch andere Einflüsse für die Umkehrung des Trends zu mehr Netto-Aufwärtsmobilität verantwortlich sind. Dabei ist vor allem an die geänderten wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen zu denken (siehe Kapitel 2.3.1.2). Die Mitglieder der Ko-horte 1940-1949 hatten offensichtlich die besten Voraussetzungen für eine Aufwärtsmobilität, da sie am Ende ihrer Ausbildungszeit in einen boomenden Arbeitsmarkt entsendet wurden. Für jüngere Kohorten scheint es dagegen deutlich weniger offene Stellen in gehobenen Po-sitionen (d.h. in der Dienstklasse) zu geben. Ein Vergleich der Klassengrößen zwischen 1976 und 1999 (siehe Appendix A3) zeigt, dass sich in dieser Hinsicht nicht viel verändert hat. Die Anzahl der Dienstklassenpositionen wächst bei weitem nicht mehr so schnell wie früher, die Anzahl der Arbeiterpositionen schrumpft nur noch langsam. Dieser Periodeneffekt zeigt sich auch bei einer Analyse der Perioden 1976-1980, 1982-1990 und 1991-1999 (siehe Appendix A4). Bei gleichzeitiger Abnahme der totalen Mobilitätsrate in dieser Zeit sinkt der Vorsprung der Aufwärtsmobilität vor der Abwärtsmobilität von 2.55 über 2.44 auf 2.29. Das heißt dass es in Deutschland zwar immer noch zu weit mehr als doppelt so viel Aufwärtsmobilität wie Abwärtsmobilität kommt, aber dieses Verhältnis ist in neuerer Zeit tendenziell weniger aus-geprägt. Der Befund eines sich ähnlicher werdenden Anteils von Aufstiegs- und Abstiegs-mobilität in der jüngsten Kohorte in absoluten Raten ist somit vermutlich ein Zusammenspiel von Lebenszyklus- und Periodeneffekt.

Neben dem verlangsamten Wirtschaftswachstum ist vor allem die aufkommende Arbeits-losigkeit ab Mitte der 1970er ein zunehmendes Problem, das sich unterschiedlich je nach Klassenherkunft auswirken könnte. Tabelle 5.3 zeigt die Abstromrate der einzelnen Her-kunftsklassen in die Arbeitslosigkeit für die drei untersuchten Befragungsperioden:

77 Weitere Werte für die Kohorte 1960-1969: TV: 45.6, TNV: 13.1, TU: 29.7, TD: 15.9

74

78 Die Vererbung der Klassen I/II beträgt dann 59.3%, die der Selbstständigen 18.0%. Die Vererbung der Klassen V/VII nimmt hingegen von 56.3 auf 50.2 Prozent ab.

Tabelle 5.3: Anteil der Söhne einer Herkunftsklasse, die zum Befragungszeitpunkt arbeitslos waren in Prozent (outflow rates) für drei Befragungsperioden

1976-1980 (N=5596)

1982-1990 (N=7085)

1991-1999 (N=3584)

I/II 2.5 3.1 3.3 IIIab 1.7 3.4 3.5 IVab 1.6 3.1 4.0 IVc 1.3 1.2 2.9 V/VI 1.3 3.4 4.8 VIIa 1.4 4.3 5.7 VIIb 0.0 3.4 6.3

gesamt 1.6 3.3 4.3

Kursiv gedruckte Zahlen bedeuten Zellbesetzungen von n<10

Verglichen mit den Randverteilungen in Mikrozensus-Befragungen unterschätzen die hier benutzten Daten die Arbeitslosigkeit etwas. Die Zahlen in der Tabelle zeigen, dass man bei-nahe von einem gleichverteilten Herkunftsrisiko für Arbeitslosigkeit ausgehen kann. Ledig-lich die Klasse VIIa (ungelernte Arbeiter) hat einen höheren Anteil an arbeitslosen Söhnen als andere Klassen. Für die Söhne der Klasse V/VI geht der Befund in eine ähnliche Richtung, allerdings liegen sie nur knapp über dem Durchschnitt. Es ist zu vermuten, dass dieses Muster bei einer genaueren Schätzung der Arbeitslosigkeitsraten deutlicher zu Tage treten würde. Fraglich ist, ob die Kohorten alle gleich von der aufkommenden Arbeitslosigkeit betroffen sind oder ob der Strukturwandel � wie in Kapitel 3.4 vermutet � sich in der Kohortenfolge vollzieht. Tabelle 5.4 stellt hierzu die Abstromraten der einzelnen Klassen in die Arbeits-losigkeit über die fünf Geburtskohorten hinweg dar.

Tabelle 5.4: Anteil der Söhne einer Herkunftsklasse, die zum Befragungszeitpunkt arbeitslos waren in Prozent (outflow rates) für fünf Geburtskohorten

1920-1929 (N=2368)

1930-1939 (N=3407)

1940-1949 (N=3913)

1950-1959 (N=3737)

1960-1969 (N=2020)

I/II 2.2 2.1 2.1 4.4 3.8 IIIab 0.5 1.1 1.5 5.3 4.8 IVab 1.8 1.5 1.8 6.0 4.5 IVc 0.3 1.8 1.0 1.6 3.4 V/VI 1.7 2.5 2.9 3.0 3.9 VIIa 1.5 2.9 3.6 4.4 5.8 VIIb 1.2 1.9 5.1 3.5 0.0

gesamt 1.4 2.2 2.5 3.9 4.2

Kursiv gedruckte Zahlen bedeuten Zellbesetzungen von n<10; die Fallzahlen erhöhen sich hier leicht, da nun auch Arbeitslose berücksichtigt werden können, die keine Angabe zu einem früheren Beruf gemacht haben bzw. machen konnten.

75

Es zeigt sich deutlich, dass die Kohorten sehr unterschiedlich von der Arbeitslosigkeit be-troffen sind. Mit der Kohortenfolge steigt die Arbeitslosigkeit zum Befragungszeitpunkt von 1.4% für die älteste Kohorte auf 4.2% für die jüngste Kohorte. Im Hinblick auf den Anteil der Arbeitslosen in den jeweiligen Herkunftsklassen ergibt sich ein identischer Befund wie bei den Perioden. Insgesamt kann man festhalten, dass sich wirtschaftliche Veränderungen wie das abschwächende Wirtschaftswachstum oder die steigende Arbeitslosigkeit in erster Linie auf die jeweiligen Kohorten auswirken, die zu diesen Gegebenheiten in das Berufsleben eintreten. Ältere, bereits platzierte Kohorten sind von diesen Entwicklungen deutlich weniger betroffen.

Zum Abschluss werden die in Tabelle 5.5 aufgeführten Selbstrekrutierungsraten betrachtet, d.h. der prozentuale Anteil, zu dem sich eine bestimmte Zielklasse aus der gleichen Her-kunftsklasse zusammensetzt. Es zeigt sich, dass die Dienstklassen (Klassen I/II) über die Ko-horten hinweg tendenziell zu einer verstärkten Selbstrekrutierung neigen. Zwar ist in der Ko-horte 1950-1959 ein Ausreißer zu verzeichnen, aber in der jüngsten Kohorte wird der Trend wieder aufgenommen, der sich noch deutlicher zeigt, wenn für diese beiden Kohorten nur Befragte analysiert werden, die älter als 26 Jahre sind.79

Tabelle 5.5: Selbstrekrutierung der Klassen (inflow rates) für fünf Geburtskohorten

1920-1929 (N=2368)

1930-1939 (N=3406)

1940-1949 (N=3906)

1950-1959 (N=3708)

1960-1969 (N=1999)

I/II 29.5 35.6 36.6 32.3 37.4 IIIab 11.5 14.1 17.9 14.4 13.6 IVab 37.2 39.5 30.9 22.4 20.0 IVc 83.1 95.2 95.4 93.2 88.5 V/VI 48.1 49.0 45.9 48.7 53.4 VIIa 26.7 31.1 36.1 36.4 27.5 VIIb 23.1 12.5 7.7 10.5 7.7 Zustromraten aus den Klassen V-VIIb in die Klassen V/VI 69.2 71.8 70.8 71.2 68.9 VIIa 60.8 67.4 72.2 77.2 75.0 VIIb 76.9 62.5 46.2 57.9 61.5

Kursiv gedruckte Zahlen bedeuten Zellbesetzungen von n<10

Noch auffälliger ist die abnehmende Selbstrekrutierungsrate für Selbstständige außerhalb der Landwirtschaft. Sie fällt von 39.5% in der Kohorte 1930-1939 auf 20.0% für die jüngste Ko-horte 1960-1969.80 Eine Ursache hierfür könnte der Wandel der Selbstständigkeit sein, da in neuerer Zeit zunehmend Aufgaben im Dienstleistungsbereich von selbstständigen Unter-

79 Für die Kohorte 1950-1959 erhöht sich der Wert auf 33%, für die Kohorte 1960-1969 auf 38.9%

7680 Die Werte der beiden letzten Kohorten ändern sich auch nicht bei einer Kontrolle des Alters der Befragten.

nehmern übernommen werden. Tatsächlich zeigt sich insbesondere für die jüngste Kohorte ein deutlicher Anstieg von Kindern aus den Dienstleistungsklassen in der Selbstständigen-klasse (siehe Appendix Tabelle A2e). Für die einzelnen Arbeiterklassen lassen sich keine kla-ren Trendaussagen treffen. Für die große Gruppe der Vor- und Facharbeiter pendelt die Selbstrekrutierungsrate zwischen 46 und 53%. Es scheint, dass in den beiden jüngeren Ko-horten diese Gruppe etwas homogener wird.81 Betrachtet man dagegen die drei Arbeiterklas-sen als eine �zusammengefasste Herkunftsklasse�, so zeigt sich, dass Vor- und Facharbei-terpositionen zu einer konstant hohen Rate aus den drei Arbeiterklassen besetzt werden, wäh-rend ungelernte Arbeiterpositionen in zunehmendem Maße durch Mitglieder dieser drei Ar-beiterklassen eingenommen werden (siehe untere Tabellenhälfte).82 Somit ist insgesamt neben der sich erhöhenden Selbstrekrutierungsrate bei den Dienstklassen auch von einer leicht zu-nehmenden Homogenisierung der Arbeiterklassen auszugehen.

Ein letzter Augenmerk soll auf die Kohorte 1920-1929 gelenkt werden. Sie weist in der Selbstrekrutierung der ungelernten Arbeiter einen erstaunlich niedrigen Wert von nur knapp 61 Prozent auf. Schaut man in der Mobilitätstafel für die Kohorte nach, stellt man fest, dass beinahe ein Viertel der ungelernten Arbeiter dieser Kohorte Kinder von Landwirten sind. Zum einen ist dies sicherlich auf den Strukturwandel der Wirtschaft zurückzuführen. Zum anderen tragen wahrscheinlich aber auch hier Vertriebene zu dieser hohen Übergangsrate bei. Die niedrige Selbstrekrutierungsrate der Bauern in dieser Kohorte (Klasse IVc) könnte mit der Stadtflucht während des Krieges und gefallenen Söhnen von Bauern zusammenhängen.83

5.2. Relative Mobilitätsraten – wird die westdeutsche Gesellschaft offener?

Die Analysen der absoluten Mobilitätsraten haben gezeigt, dass die Mehrheit in den jeweili-gen Kohorten intergenerational mobil ist, wobei die Aufwärtsmobilität die Abwärtsmobilität um das 2.5 bis 3-fache übersteigt. Es gab bzw. gibt somit für viele Personen gute Aufstiegs-chancen in höhere Positionen, da besonders in den Dienstklassen neue Positionen entstanden. Aus soziologischer Sicht ist es aber noch interessanter zu fragen, wer diese Chancen nutzen konnte. Ist die Gesellschaft quasi als �Block� auf ein insgesamt höheres Klassenniveau auf-gestiegen oder gab es Veränderungen in der Binnenstruktur der Gesellschaft? Sind die Ver- 81 Eine Kontrolle des Alters verstärkt diesen Befund; für die Kohorte 1950-1959: 49.9%, für die Kohorte 1960-1969: 57.5% 82 Eine Interpretation der Werte für die Klasse VIIb (ungelernte Landarbeiter) macht aufgrund der geringen Zellbesetzungen keinen Sinn.

77

83 Auch bei den Selbstständigen außerhalb der Landwirtschaft ist die Selbstrekrutierungsrate in dieser Kohorte niedriger.

hältnisse innerhalb des �Blocks� gleich geblieben oder ist die Gesellschaft offener bzw. durchlässiger geworden, d.h. gibt es vermehrte Chancen auf soziale Mobilität innerhalb der Gesellschaft? Um dies zu überprüfen, bedarf es einer Größe, die das Verhältnis von Mobili-tätschancen zwischen den Klassen beschreibt � die relativen Mobilitätsraten. Sie geben an, wie sich die Chancen einer Klasse relativ zu einer anderen Klasse entwickelt. Als Maß dafür werden die so genannten �odds ratios� verwendet. Sie sind der Quotient aus den Chancen für eine Klasse, auf- oder abzusteigen, geteilt durch die Chancen einer anderen Klasse auf- oder abzusteigen.84 Sie beschreiben somit das Verhältnis der Chancen zweier Klassen, eben ein �odds�ratio� (�Chancen�verhältnis�). Der besondere Vorteil dieses Maßes ist die Unabhän-gigkeit von den jeweiligen Randverteilungen, d.h. Einflüsse des Strukturwandels wirken sich nicht auf dieses Maß aus. Es ist daher zum Standardmaß für die Analyse der Offenheit einer Gesellschaft geworden (vgl. Breen/Goldthorpe 1999). Mit Hilfe von log-linearen Modellen (vgl. Hagenaars 1990, Vermunt 1997a),85 in denen diese odds ratios eingebettet sind, sollen die folgenden Analysen zeigen, inwieweit die Erwartung bzgl. einer Öffnung der Gesellschaft über die Kohorten hinweg gemäß den Hypothesen gerechtfertigt ist.

5.2.1. Bestätigen sich Erikson und Goldthorpes Kohortenergebnisse?

Eine der Hauptaufgaben, die sich Erikson und Goldthorpe im Rahmen des CASMIN-Pro-jektes (vgl. Müller/Goldthorpe 1988) gestellt haben, war es herauszufinden, ob es einen Trend zu mehr Offenheit in den einzelnen Gesellschaften gibt. Hierfür wurden vor allem zwei Mo-delle getestet, das constant social fluidity Modell (CnSF), das von keiner Veränderung über die Zeit ausgeht, und das uniform change Modell (auch UNIDIFF-Modell genannt), das eben eine solche Veränderung abbilden kann. Die Logik des ersten Modells besteht darin, dass in den jeweiligen Daten ein einziges konstantes Zusammenhangsmuster zwischen sozialer Her-kunft und sozialer Platzierung über alle Kohorten gefunden werden kann, das die Daten an-gemessen reproduzieren kann.86 Das UNIDIFF-Modell hingegen behauptet, dass es dieses eine Zusammenhangsmuster zwar gibt, dass es aber je nach Kohorte stärker oder schwächer ausgeprägt ist. Diese �Gewichtung� des Zusammenhangsmusters geschieht durch einen Fak-

84 Natürlich gilt dies auch für horizontale Mobilität. Für eine 2x2-Tabelle errechnet sich ein odds ratio aus (f11/f12)/(f21/f22), wobei f die Zellhäufigkeit bedeutet, die Indizes geben die Zeilen und Spalten der Tabelle an. 85 Die Idee von log-linearen Modellen ist es, mit möglichst sparsamen Modellen empirisch gefundene Vertei-lungen in Mobilitätstabellen möglichst exakt zu reproduzieren.

78

86 In einer Formel ausgedrückt: log Fijk = µ + λiO + λj

D + λkC + λik

OC + λjkDC + λij

OD mit O der Herkunftsklasse (origin), D der Zielklasse (destination), C der Kohorte (cohort), F der Häufigkeit (frequency) in der jeweiligen Zelle und µ einem Sklalierungsfaktor.

tor, der je nach Stärke eine Abschwächung (<1) oder eine Zunahme (>1) des Zusammenhangs bedeutet.87

In der bereits in Kapitel 2.1.3.1 erwähnten Studie berichten Erikson und Goldthorpe (1992a) für Deutschland auf der Grundlage von 3570 Befragten, dass sowohl das CnSF-Modell als auch das UNIDIFF-Modell die Daten nicht angemessen reproduzieren kann, allerdings bietet das UNIDIFF-Modell eine signifikante Verbesserung in diese Richtung (Erikson/Goldthorpe 1992: 94).88 Eine exakte Replikation dieser Analysen mit der dreifachen Datenmenge aus dem neuen Mobilitätsdatensatz kommt zu einem ähnlichen Befund. Sie ist im Appendix in Tabelle A5 dargestellt.89 Das UNIDIFF-Modell passt zwar nun auf die Daten, dafür ist die Ver-besserung gegenüber den CnSF-Modell nicht mehr statistisch signifikant.90 Entscheidender ist aber, wie sich die Faktoren des UNIDIFF-Modells (UNIDIFF-Parameter) über die Kohorten entwickelt haben. Hier findet sich eine nahezu komplette Übereinstimmung zwischen den von Erikson und Goldthorpe veröffentlichten Ergebnissen und den im Appendix replizierten Analysen: Der UNIDIFF-Parameter wird zunächst für die Kohorte 1912-1919 auf 1.0 gesetzt, für die Kohorte 1920-1929 sinkt er auf 0.87 bzw. 0.89, dann steigt er für die Kohorte 1930-1939 auf 1.18 bzw. 1.04, bevor er für die letzte Kohorte wieder auf 0.95 sinkt. Erikson und Goldthorpe schließen aus diesem unregelmäßigen Muster, dass für Deutschland kein konsi-stenter Trend vorliegt (Erikson/Goldthorpe 1992a: 95).

Es spricht für die Qualität der Analysen von Erikson und Goldthorpe, dass sie mit ver-gleichsweise geringer Fallzahl in der Lage waren, einen Befund zu ermitteln, der auch mit dreimal so vielen Beobachtungen praktisch identisch repliziert werden kann. Insofern bestä-tigen die neueren Daten die empirischen Ergebnisse der beiden Forscher. Ob sie mit ihrer Interpretation eines fehlenden Trends Recht behalten, ist vor dem Hintergrund der Ausfüh-rungen in Kapitel 2 jedoch fraglich. Daher werden im nächsten Schritt die Analysen auch auf jüngere Kohorten ausgeweitet. Außerdem sind die Analysen aufgrund der Datenlage nicht wie bei Erikson und Goldthorpe auf ein 5-Klassen-Schema beschränkt. Es wird wie für die übrigen Analysen dieser Arbeit das 7-Klassen-Schema verwendet.

87 Die Formel hierzu lautet: log Fijk = µ + λi

O + λjD + λk

C + λikOC + λjk

DC + βkXij mit Xij dem geschätzten Zusammenhangsmuster und βk der relativen Stärke des Zusammenhangs (manchmal wird dieser Faktor auch mit φ gekennzeichnet). Die letzten beiden Werte werden in einem iterativen Prozess gewonnen. Zu dem genaueren Verfahren siehe Erikson/Goldthorpe (1992a) und Xie (1992). 88 Erikson und Goldthorpe benutzen hierbei ein 5-Klassen-Schema, die Klassen I/II und IIIab sowie die Klassen IVc und VIIb sind zusammengefasst (Erikson/Goldthorpe 1992: 87). 89 Alle log-linearen Analysen in dieser Arbeit werden mit Hilfe des Computerprogramms LEM berechnet (siehe Vermunt 1997b).

7990 bei einem 5%-Signifikanzniveau.

5.2.2. Analysen für alle Befragten zwischen 20-64 Jahren

Berechnet man das CnSF- und das UNIDIFF-Modell für alle Befragten im Datensatz, die zwischen 20 und 64 Jahre alt sind, zeigt sich über die nun sieben Kohorten hinweg eindeutig ein Trend zu mehr Offenheit. Die Tabelle 5.6 (siehe folgende Seite) beschreibt in der ersten Zeile ein bedingtes Unabhängigkeitsmodell. Hier wird angenommen, dass es keinen Zusam-menhang zwischen Herkunft (origin) und Zielklasse (destination) gibt. Dieses Modell passt jedoch sehr schlecht für die Daten. Bei einer Fallzahl (N) von 16201 Befragten und 252 Frei-heitsgraden (df) hat dieses Modell einen hohen Wert in dem Devianzmaß G2 (4700.0), das sich aus den Abweichungen zwischen geschätzten und beobachteten Zellbesetzungen er-rechnet. Die vierte Spalte (sig.) gibt an, dass bei gegebenem G2 und 252 Freiheitsgraden dieses Modell signifikant von den beobachteten Daten abweicht.91 Die fünfte Spalte gibt den Dissimilaritätsindex (∆) an, der besagt, wieviel Prozent der Fälle fehlklassifiziert sind, in diesem Fall 19.97%. Die sechste Spalte schließlich zeigt ein weiteres Fit-Maß, das Bayesian Information Criterion BIC (hier 2257.4), das in dieser Arbeit aber nur der Vollständigkeit wegen berichtet wird. Für Modellbewertungen wird aufgrund einiger Kritik an BIC (vgl. Erikson/Goldthorpe 1992a: 101) das andere Fit-Maß G2 verwendet.

Betrachtet man nun das CnSF-Modell, dann stellt man eine deutliche Verbesserung des Modellfits fest. Das Devianzmaß G2 verringert sich um 92.7% gegenüber dem Unabhängig-keitsmodell (siebte Spalte) auf einen Wert von 344.5. Das CnSF-Modell passt aber ebenfalls nicht auf die vorhandenen Daten. Mit dem gegebenen G2-Wert und 216 Freiheitsgraden un-terscheidet sich das Modell immer noch signifikant von den Daten. Dies bedeutet, dass sich etwas am Zusammenhang zwischen Herkunft und Zielklasse geändert haben muss.92 Es wird daher als nächstes ein UNIDIFF-Modell gerechnet. Dieses Modell fittet die Daten zwar immer noch nicht, aber es zeigt sich eine signifikante Verbesserung des CnSF-Modells. Das UNIDIFF-Modell bewirkt mit nur sechs weiteren Freiheitsgraden eine Verringerung der Devianz um 38.7, was statistisch signifikant ist auf dem 5%-Niveau (letzte Spalte).

91 Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei unendlich vielen Stichprobenziehungen aus der Grundgesamtheit eine Mobilitätstabelle erhält, die dem Modell entspricht, ist kleiner als 0.005. Dieser Wert wird in den folgenden Tabellen gerundet mit 0.00 angegeben.

80

92 Der einzige Term, der in dem Modell zur Saturierung des Modells fehlt, ist ODC, das heißt die Veränderung des Zusammenhangs OD über die Kohorten hinweg. Da das Modell nicht fittet, kann für diese signifikante Abweichung von den Daten nur die Veränderung von OD über C verantwortlich sein.

Tabelle 5.6: Fit Statistiken für Constant Social Fluidity- und UNIDIFF-Modelle für sieben Kohorten und drei Befragungsperioden für alle Befragten zwischen 20-64 Jah-ren*

Art des Modells N df G2 sig. ∆ BIC rG2 df ∆G2

Untersuchung nach Kohorten

Unabhängigkeitsmodell (B1=O,D,C,OC,DC) 16201 252 4700.0 0.00 19.97 2257.4 -

CnSF (B1 + OD) 16201 216 344.5 0.00 4.08 -1749.2 92.7 -

UNIDIFF (B1 + φOD,C*XOD) 16201 210 305.8 0.00 3.43 -1729.7 93.5 6

38.7

UNIDIFF linear (B1 + φOD,lin(C)*XOD) 16201 215 319.2 0.00 3.63 -1764.7 93.2 1

25.3

Untersuchung nach Perioden

Unabhängigkeitsmodell (B2=O,D,P,OP,DC) 16201 108 4496.7 0.00 19.44 3449.9 -

CnSF (B2 + OD) 16201 72 82.5 0.19 2.00 -615.4 98.2 -

UNIDIFF (B2 + φOD,P*XOD) 16201 70 81.0 0.17 1.96 -597.2 98.2 2

1.5

UNIDIFF linear (B2 + φOD,lin(P)*XOD) 16201 71 81.0 0.19 1.96 -607.2 98.2 1

1.5

UNIDIFF-Parameter

für sieben Kohorten 1912-19 1920-29 1930-39 1940-49 1950-59 1960-69 1970-79 linear

1.0 0.88 0.98 0.89 0.76 0.72 0.79 -0.051

für drei Perioden 1976-80 1982-90 1991-99 linear

1.0 0.97 0.94 -0.036

* Es werden die Kohorten 1912-1919, 1920-1929, 1930-1939, 1940-1949, 1950-1959, 1960-1969 und 1970-1979 sowie die Befragungsperioden 1976-1980, 1982-1990 und 1991-1999 untersucht. Kursivschrift in der Spalte df/∆G2 bedeutet signifikant auf dem 5%-Niveau.

81

Das bedeutet inhaltlich, dass es zu Veränderungen über die Kohorten hinweg kommt. Die Tendenz der Entwicklung erkennt man durch die Betrachtung der UNIDIFF-Parameter für die einzelnen Kohorten. Für die ersten vier Kohorten zeigt sich ein ähnliches Muster wie bei den Analysen von Erikson und Goldthorpe, jedoch ist ab der Kohorte 1939-1949 eindeutig ein Trend zu einer Abnahme des Zusammenhangs zwischen Herkunft und Zielklasse zu beo-bachten (Ausnahme ist die jüngste Kohorte). Man kann nun diesen Trend auf seine statisti-sche Überlegenheit gegenüber dem CnSF-Modell testen. Hierzu wird ein UNIDIFF-Modell

geschätzt, bei dem nicht für jede einzelne Kohorte ein �Gewichtungsfaktor� für den Zusam-menhang zwischen Herkunft und Zielklasse berechnet wird, sondern bei dem ein linearer Faktor bestimmt wird, um den dieser Zusammenhang in jeder Kohorte abnimmt. In der Ta-belle erkennt man (viertes Modell), dass mit einem zusätzlichen Freiheitsgrad gegenüber dem CnSF-Modell eine Reduktion der Devianz von 25.3 erreicht wird. Dies ist eine signifikante Verbesserung. Der lineare Faktor von -0.051 bedeutet, dass der Zusammenhang zwischen Herkunft und Zielklasse, d.h. sozialer Platzierung, im Schnitt pro 10-Jahres-Kohorte um 5.1% abnimmt. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass das lineare UNIDIFF-Modell schlechter ab-schneidet als das UNIDIFF-Modell mit variierenden Faktoren. Das UNIDIFF-Modell erreicht mit fünf weiteren Freiheitsgraden eine statistisch signifikante Verbesserung des Fit um 13.4. Dies ist auch nicht verwunderlich, da es in den älteren Kohorten (und in der jüngsten) zu Ab-weichungen von dem linearen Trend kommt. Insgesamt jedoch weisen die Befunde auf einen eindeutigen Trend zu mehr Offenheit in der Kohortenfolge hin.

Wenn es für den deutschen Fall stimmt, dass Veränderungen in der Sozialstruktur vor allem in der Kohortenfolge erfolgen, Alterseffekte hingegen aber eine geringe Rolle spielen (siehe Kapitel 3.4), dann müsste sich die Tendenz zu mehr Offenheit auch in der Abfolge der Befra-gungszeitpunkte zeigen lassen. Daher werden im zweiten Teil der Tabelle 5.6 die Ergebnisse der Modelle für drei Befragungsperioden dargestellt. Wie man leicht erkennen kann, gibt es praktisch keine Unterschiede zwischen dem CnSF- und den UNIDIFF-Modellen. Die Ein-führung von UNIDIFF-Parametern bzw. einem linearen Trend führt nur zu einer minimalen, nicht signifikanten Verbesserung des CnSF-Modells. Man könnte daher argumentieren, dass hier das CnSF-Modell zu bevorzugen sei, da es die Daten am sparsamsten modelliert. Jedoch zeigen alle Parameter der UNIDIFF-Modelle in eine Trendrichtung zu mehr Offenheit. Der Wert für den linearen Trend ist mit 4% pro Jahrzehnt93 nur etwas geringer als in der Kohortenanalyse. Daher lässt sich auch argumentieren, dass es zwar einen Trend in Deutsch-land zwischen 1976-1999 gab, aber dass der Beobachtungszeitraum zu kurz ist, um statistisch signifikante Ergebnisse beobachten zu können.

Fraglich ist, ob die ansteigende Arbeitslosigkeit in dem Befragungszeitraum die Ergebnisse der relativen Mobilitätsraten beeinflusst. Es wurden daher die gleichen Analysen erneut ge-rechnet, nun aber mit Arbeitslosigkeit als weiterer �Zielklasse�. Die Ergebnisse sind im Ap-pendix in Tabelle A6 dargestellt. Es zeigen sich praktisch keine Veränderungen gegenüber den oben berichteten Werten. Lediglich der lineare Trend für die Befragungsperioden fällt etwas geringer aus (3.2% pro Jahrzehnt) als in den Analysen ohne Arbeitslosenkategorie. Dagegen bleibt der lineare Trend für die Kohorten unverändert.

82

93 Der Wert von -0.036 bezieht sich auf einen Zeitraum von neun Jahren. Um ihn mit den Kohortenergebnissen vergleichbar zu machen, wurde er mit 10/9 multipliziert.

Insgesamt widersprechen die Analysen der Befragungsperioden den Ergebnissen aus den Kohortenanalysen nicht. Auch durch die steigende Arbeitslosigkeit kommt es zu keinen deut-lichen Veränderungen der relativen Mobilitätsraten. Es ist davon auszugehen, dass es trotz unklarer Ergebnisse in der Periodenanalyse zu mehr Offenheit kommt. Der zweideutige Be-fund aus den Periodenanalysen bzgl. des geeignetsten Modells wird unterstrichen durch die Tatsache, dass sowohl das CnSF- als auch die UNIDIFF-Modelle die Daten in angemessener Weise reproduzieren würden. Dies zeigt umso deutlicher, wie wichtig theoretische Vor-überlegungen bei der Analyse der sozialen Mobilität sind. In dieser Arbeit wird argumentiert, dass Mobilitätsprozesse in erster Linie vermittelt über die Bildung ablaufen und daher ein Kohortenansatz die geeignete Analysemethode ist. Daher werden im Folgenden die Kohorten genauer betrachtet. Die Modelle der Kohortenanalyse aus Tabelle 5.6, die alle Befragte zwi-schen 20 und 64 Jahren umfassen, können die Daten nicht in angemessener Weise reprodu-zieren. Sie unterscheiden sich signifikant von den beobachteten Daten. Es ist denkbar, dass dies auf einige wenige Ausreißer zurückzuführen ist. Es könnte aber auch sein, dass es in den Kohorten doch zu Alterseffekten kommt. Um diese Möglichkeiten auszuschließen, soll eine Untersuchungsanlage entworfen werden, die solche Abweichungen anzeigen könnte.

5.2.3. Untersuchungsanlage für das A-P-K-Problem

Dieser Abschnitt ist die methodische Fortführung des A-P-K-Problems aus Kapitel 3.4 für die Daten des neuen Mobilitätsdatensatzes. Die Schwierigkeit bei �quasi-Kohorten�-Analysen aus Querschnittsuntersuchungen besteht darin, dass die Befragten je nach Kohorten-zugehörigkeit zu einem unterschiedlichen Alter befragt wurden. Der Periodenansatz umgeht das Problem, da hier angenommen werden kann, dass die Alterszusammensetzung einer Stichprobe kaum mit dem Erhebungszeitpunkt korreliert. Ist jedoch aufgrund theoretischer Überlegungen eine Kohortenanalyse zu bevorzugen, müssen eventuelle Alterseffekte mit einer geeigneten Untersuchungsanlage möglichst ausgeschlossen werden.

83

Im vorliegenden Datensatz erstrecken sich die Befragungszeitpunkte über 23 Jahre. Es ist somit möglich, die Mitglieder einer bestimmten Kohorte in verschiedenen Altersgruppen zu beobachten. Fraglich ist, welche Altersspannweite generell geeignet ist, ein möglichst un-verzerrtes Abbild für die Entwicklung der sozialen Mobilität zu erlangen. Da in den Analysen die Klassenposition über das (frühere) Beschäftigungsverhältnis ermittelt wird, erscheint es sinnvoll, die Analysen auf die Personengruppen zu beschränken, die mit großer Wahrschein-lichkeit aktiv im Erwerbsleben sind bzw. sein könnten und bei gegebener Operationalisierung die Möglichkeit zur sozialen Mobilität haben. Die bisherigen Analysen umfassten Befragte, die zwischen 20 und 64 Jahre alt waren. Es könnte daher gerade bei den ganz �jungen� und bei den ganz �alten� Befragten zu Verzerrungen kommen: Von den 60-64-jährigen Befragten

im Gesamtdatensatz sind nur noch ein Drittel erwerbstätig. Diejenigen, die noch in den Ana-lysen verbleiben, stellen somit eindeutig eine Minderheit dar. Es ist durchaus vorstellbar, dass hierdurch Abweichungen von dem generellen Mobilitätsmuster zu finden sind.94 Daher werden die Personen, die 60 Jahre und älter sind, aus den Analysen ausgeschlossen. Damit fällt auch die Kohorte 1912-1919 weg. Sie umfasste bisher nur 531 Personen, von denen mehr als drei Viertel 60 Jahre und älter sind. Die Fallzahl dieser Kohorte wird damit zu klein, um noch eine sinnvolle Analyse durchführen zu können.

Bei den jüngsten Befragten ist das Problem noch offensichtlicher. Es zu erwarten, dass diese Gruppe noch nicht ihre �berufliche Maturität� erreicht hat. Dies stellt allerdings ein kleineres Problem dar, da mit der folgenden Untersuchungsanlage eben solche Alters- bzw. Lebens-zykluseffekte aufgezeigt werden sollen. Schwerwiegender ist hingegen die Tatsache, dass viele Personen in diesem Alter ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben. Insbe-sondere betrifft dies Studierende, die sich nach ihrem Studium meist für Dienstklassenposi-tionen bewerben. Nimmt man demnach junge Befragte mit in die Analysen auf, wird man sehr wahrscheinlich die Ergebnisse systematisch verzerren. Die Befragten sollten daher min-destens 27-30 Jahre alt sein.95 Dies bedeutet, dass auch die Kohorte 1970-1979 wegfällt. Sie umfasste bisher nur 283 Personen, von denen über die Hälfte 23 Jahre und jünger sind.

Tabelle 5.7: Zellbesetzungen nach dem A-P-K-Untersuchungsdesign

Altersgruppen

27-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre Total

1920-1929 1654 1654

1930-1939 1939 1157 3096

Kohorten 1940-1949 2012 1411 483 3906

1950-1959 2400 515 2915

1960-1969 994 994

Total 5406 3865 3294 12565

94 Es ist z.B. zu vermuten, dass Selbstständige und Landwirte eher bis ins hohe Alter arbeiten. Sie können somit auch noch in ihrem späten Erwerbsleben z.B. durch einen möglichen Periodeneffekt gezwungen sein, vorzeitig in Ruhestand zu gehen oder noch einmal eine andere Position zu besetzen. Im ersten Fall käme es zu keiner Verzerrung, wenn man auch ältere Befragte in der Analyse lässt, da bei Nichterwerbstätigkeit entsprechend des letzten Beschäftigungsverhältnisses die Klassenposition zugeteilt wird. Im zweiten Fall käme es aber zu Ver-zerrungen.

84

95 Es soll somit durch den Ausschluss der jüngsten Befragten eine systematische Verzerrung vermieden werden, weil zu diesem Zeitpunkt nur ein Teil von ihnen erwerbstätig ist. Ein Einschluss dieser Gruppe würde bedeuten, dass die Idee der beruflichen Maturität, i.e. ein Ende der Karrieremobilität, mit systematischen Ausfällen auf-grund längerer Ausbildungszeiten vermischt werden würde.

Alle anderen Befragten werden in drei 10-Jahres-Altersgruppen eingeteilt. Somit kann jede dieser Altersgruppen in drei verschiedenen Kohorten beobachtet werden; darüber hinaus va-riieren die Altersgruppen in den jeweiligen Kohorten außer in der ältesten und jüngsten Ko-horte. Es ist somit möglich, die Alterseffekte von den Kohorteneffekten zu trennen. Durch die gleiche Größe des Einteilungsintervalls wird der Beobachtungszeitraum auf maximal 18 Jahre eingeschränkt. Nach den theoretischen und empirischen Vorarbeiten ist nicht zu vermuten, dass ein Periodeneffekt nachhaltig auf die Befunde wirkt. Sollte es aber einen solchen Perio-deneffekt geben, dann kann er in der Kohortenanalyse mit Hilfe dieser Untersuchungsanlage durch eine systematische Streuung der Alterseffekte identifiziert werden.

Schließlich bildet die erste Altersgruppe bei der 10-Jahres-Einteilung der Altersgruppen eine Ausnahme. Um nicht zu viele Beobachtungen zu verlieren, beginnt diese Gruppe bereits bei 27 Jahren.96 Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass hierdurch noch viele Studierende ausge-schlossen werden. Insgesamt verringert sich die Fallzahl durch diese Untersuchungsanlage deutlich auf 12565 Beobachtungen. Dies scheint jedoch notwendig zu sein, um mögliche Störgrößen zu identifizieren.

5.2.4. Kohortenanalyse nach dem A-P-K-Design

Mit Hilfe der vorgestellten Untersuchungsanalyse (A-P-K-Design) soll im Folgenden ver-sucht werden, die Ergebnisse aus den Kohortenanalysen in Kapitel 5.2.2 zu replizieren und somit methodisch exakt die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland zu ermitteln. Durch das A-P-K-Design erhält man neun Mobilitätsmatrizen, die je nach Anordnung zu den Ergebnissen in Tabelle 5.8 führen. In der ersten Zeile wird das bedingte Unabhängigkeits-modell berichtet, das wiederum von keinem Zusammenhang zwischen Herkunft (origin) und Zielklasse (destination) ausgeht.97 In der zweiten Zeile wird ein CnSF-Modell geschätzt. Wie man sehen kann, passt dieses Modell beinahe auf die Daten (sign.=0.04). Allerdings schnei-den auch diesmal die UNIDIFF-Modelle in der Kohortenperspektive deutlich besser ab. Beide Modelle verbessern das CnSF-Modell auf statistisch signifikante Weise. Darüber hinaus kann man mit den Modellen die Daten angemessen reproduzieren, die Modelle fitten die beobach-teten Daten. Der Vergleich zwischen den beiden UNIDIFF-Modellen ergibt, dass das lineare UNIDIFF-Modell schlechter abschneidet als das UNIDIFF-Modell mit variierenden Faktoren für jede Kohorte: die drei Freiheitsgrade, die die lineare Variante einspart, führen zu einer

96 Die mittlere Altersgruppe beginnt für die Kohorte 1930-1939 aus gleichen Gründen bereits ab 37 Jahren, die letzte Altersgruppe beginnt für die Kohorte 1920-1929 bereits bei 47 Jahren. Insgesamt kommt es aber zu keiner Dopplung von Beobachtungen.

85

97 Da es sich hier um hierarchische Modelle handelt, kann das Modell in dieser Weise abgekürzt dargestellt werden. Ausführlich lautet es: B1=A,C,O,D,AC,AO,AD,CO,CD,ACO,ACD.

Erhöhung des Devianzmaßes von 10.1, dies ist eine signifikante Verschlechterung. Damit ist bis auf weiteres das UNIDIFF-Modell mit variierenden Parametern das zu bevorzugende Mo-dell.

Im nächsten Schritt macht man sich nun die Eigenschaften des A-P-K-Designs zu Nutze, indem man nicht nur die UNIDIFF-Parameter für fünf Kohortenmatrizen, sondern für jede der neun Matrizen variieren lässt, die aus dem A-P-K-Design (siehe Tabelle 5.8) entstanden sind.

Tabelle 5.8: Fit Statistiken für Constant Social Fluidity- und UNIDIFF-Modelle nach dem A-P-K-Design für fünf Kohorten und drei Altersgruppen*

Art des Modells N df G2 sig. ∆ BIC df ∆G2

df ∆G2

Unabhängigkeitsmodell (B1=ACO,ACD) 12565 324 3873.9 0.00 20.9 815.8

Untersuchung nach Kohorten

Constant Social Fluidity (B1 + OD) 12565 288 332.6 0.04 4.53 -2385.8 -

UNIDIFF (B1 + φOD,C*XOD) 12565 284 316.8 0.09 4.37 -2363.8 4

15.8 -

UNIDIFF linear (B1 + φOD,lin(C)*XOD) 12565 287 326.9 0.05 4.34 -2382.0 1

5.7 3

10.1

Untersuchung nach Kohorten und Altersgruppen

UNIDIFF (B2 + φOD,CA*XOD) 12565 280 312.0 0.09 4.2 -2330.8 8

20.6 4

4.8

Untersuchung nach Altersgruppen

UNIDIFF (B2 + φOD,A*XOD) 12565 286 323.4 0.06 4.2 -2376.1 2

9.2

Untersuchung nach Kohorten ohne Berücksichtigung des Alters (ohne A-P-K-Design)

UNIDIFF (O,D,C,OC,DC + φOD,C*XOD) 12565 140 175.4 0.02 3.04 -1146.0 144

141.4

UNIDIFF-Parameter

für fünf Kohorten 1920-29 1930-39 1940-49 1950-59 1960-69 linear

nach A-P-K-Design 1.0 1.16 1.06 0.97 0.91 -0.04 ohne A-P-K-Design 1.0 1.16 1.06 0.97 0.91

für drei Altersgruppen 27-39 J. 40-49 J. 50-59 J.

nach A-P-K-Design 0.88 1.00 1.0

* Es werden die Kohorten 1920-1929, 1930-1939, 1940-1949, 1950-1959 und 1960-1969 sowie die Alters-gruppen 27-39 Jahre, 40-49 Jahre und 50-59 Jahre untersucht. Kursivschrift in der Spalte df/∆G2 bedeutet signifikant auf dem 5%-Niveau.

86

Es zeigt sich, dass auch dieses Modell die Daten angemessen reproduzieren kann. Es ist deutlich besser als das CnSF-Modell, aber es ist nicht besser als das UNIDIFF-Modell, das nur die Kohorten berücksichtigt: die vier Freiheitsgrade, die das Modell mit Kohorte und Al-ter mehr verbraucht, bringen nur eine Verringerung der Devianz um 4.8. Dies ist nicht signi-fikant. Das heißt eine Berücksichtigung der Alterseffekte führt zu keiner Verbesserung des Modells. Man kann vorläufig daraus schließen, dass es in Deutschland keine nennenswerten Alterseffekte gibt, die das Muster der sozialen Mobilität entscheidend beeinflussen können. Es scheint, als laufen alle wesentlichen Entwicklungen diesbezüglich über die Kohorten ab.

Der Einfluss des Alters ist jedoch nicht vollkommen zu vernachlässigen. Betrachtet man ein UNIDIFF-Modell, in dem nur die Altersgruppen variieren, findet man auch eine Verbesse-rung gegenüber den CnSF-Modell. Problematischer ist allerdings, dass sich dieses sparsame Modell nicht signifikant von dem Modell unterscheidet, das Alter und Kohorte beinhaltet (11.4 bei 6 Freiheitsgraden ist gerade nicht signifikant (0.077)).98 Schaut man sich die UNI-DIFF-Parameter für das Modell an, erkennt man, dass die Variation nach Altersgruppen aus-schließlich von der jüngsten Altersgruppe her rührt, also von denjenigen, die ihre berufliche Maturität noch nicht erreicht haben. Der zweite Parameter hingegen ist verblüffend, da er überhaupt keine Abweichung zur dritten Altersgruppe anzeigt. Es ist demnach anzunehmen, dass es so etwas wie berufliche Maturität gibt, d.h. die Alterseffekte verschwinden laut diesem Modell spätestens mit 40 Jahren. Insofern ist es inhaltlich nicht verwunderlich, dass es zu keiner Verbesserung des Modells kommt, wenn man bei der Betrachtung der Kohorten das Alter in den Kohorten variieren lässt. Der umgekehrte Befund lässt sich vermutlich nur statis-tisch erklären: Die Altersgruppen korrelieren trotz A-P-K-Design mit den Kohorten, d.h. die jüngste Altersgruppe ist nur in der jüngsten und zweitjüngsten Kohorte zu finden. Umgekehrt ist die älteste Altersgruppe nur in den beiden ältesten Kohorten zu finden. Könnte man auf einen größeren Befragungszeitraum zurückgreifen, würde vielleicht der Unterschied zwischen dem UNIDIFF-Modell mit Alter und dem UNIDIFF-Modell mit Kohorte und Alter statistisch signifikant werden.

Die bisherigen Befunde lassen sich in Schaubild 4 zusammenfassen. Dieses Schaubild basiert auf dem UNIDIFF-Modell, das nur die Kohorten variieren lässt, und dem UNIDIFF-Modell, in dem die Parameter für Kohorte und Alter sich verändern (siehe Tabelle 5.8). Die dicke Linie verdeutlicht den Verlauf der sozialen Mobilität in den Kohorten von 1920-1969, die einzelnen Symbole geben die UNIDIFF-Parameter für die neun Mobilitätsmatrizen aus dem Modell mit Kohorten und Alter an. Man sieht, dass es beim Übergang von der ersten zur zweiten Kohorte zu einem Anstieg des Parameters kommt, das heißt es kommt in der Kohorte

87

98 Ein direkter Vergleich mit dem UNIDIFF-Modell, das nur nach Kohorten variiert, ist leider nicht möglich, da die Modelle nicht genestet sind.

1930-1939 zu mehr Immobilität als in der vorangegangenen Kohorte. Ab der Kohorte 1930-1939 jedoch nimmt der Zusammenhang zwischen Herkunft und Zielklasse bis zur letzten Ko-horte 1960-1969 praktisch linear ab. Betrachtet man sich die Abweichungen der Alters-kategorien von den jeweiligen Kohortenmittelwerten, so kann man auch graphisch nicht von einem eindeutigen Muster ausgehen. Die älteste Altersgruppe ist in der Kohorte 1930-1939 immobiler als die mittlere Altersgruppe, in der Folgekohorte dreht sich dieses Verhältnis um. Die jüngste Altersgruppe allerdings ist � wie erwartet � für alle drei Kohorten am mobilsten. Von einem bedeutenden Alterseffekt kann aber auch bei der Betrachtung des Schaubildes nicht ausgegangen werden. Problematisch wäre es aber, wenn man in den Daten ein Muster erkennen würde, das auf einen Periodeneffekt deutet. Dies ist aber auch bei intensiver Be-trachtung der Daten nicht der Fall.99

Schaubild 4: Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland nach fünf Kohorten und drei Altersgruppen

0,850

0,900

0,950

1,000

1,050

1,100

1,150

1,200

1,250

1,300

1920-1929 1930-1939 1940-1949 1950-1959 1960-1969Kohorten

27-39 Jahre

40-49 Jahre

50-59 Jahre

Kohorteneffekte(ohne Alterskontrolle)

Es deutet somit mittlerweile alles darauf hin, dass mit einer Kohortenanalyse die Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland erschöpfend dargestellt werden kann. Es können keine Belege dafür gefunden werden, dass Alterseffekte oder Periodeneffekte dieses generelle Muster in Frage stellen. Man kann sich somit auf ein Modell beschränken, das neben sozialer

88

99 Man kann sich für die einzelnen UNIDIFF-Parameter des Modells mit Kohorte und Alter die jeweiligen Befra-gungszeiträume errechnen. Hieraus ergibt sich aber kein Muster. Mit Phantasie könnte man behaupten, dass die Werte oberhalb der Kurve alle aus neueren Umfragen kommen. Aber für die Kohorte 1940-1949 ist die später befragte älteste Altersgruppe (Befragungsjahre 1990-1998) mobiler als die mittlere Altersgruppe, die von 1980-1998 befragt wurde. Aus diesen Befunden einen Periodeneffekt in Richtung mehr Immobilität abzuleiten, ist zu gewagt.

Herkunft und Zielklasse nur die Kohortenvariable enthält (siehe Tabelle 5.8). Das Weglassen der Altersvariable führt zu keiner signifikanten Verschlechterung des Modells.100

Was bedeuten die bisher gefundenen Ergebnisse inhaltlich? Zum einen hat sich gezeigt, dass der Kohortenansatz das geeignete Instrument zur Analyse sozialer Mobilität in Deutschland ist. Zum anderen zeigt sich aber auch, dass beide zentralen Hypothesen, die in Kapitel 2 ent-wickelt worden sind, durch die Daten bestätigt werden. Hypothese 1 behauptet einen konti-nuierlichen Anstieg der sozialen Mobilität im Kohortenverlauf. Als Ursache hierfür wurde die abnehmende Bildungsungleichheit bei ungefähr gleich bleibenden Bildungserträgen vermutet. Dieser generelle Trend zu mehr Offenheit zeigt sich ganz eindeutig in den Analysen und in dem Schaubild 4. Hypothese 2 vermutet eine Abweichung von diesem generellen Muster beim Übergang von der Kohorte 1920-1929 zu der Kohorte 1930-1939. In der zweiten Ko-horte sollte es zu einem Anstieg der Immobilität kommen. Hauptursachen hierfür könnten die Folgen des Zweiten Weltkrieges sein, insbesondere die Vertriebenen und zu einem geringeren Maße die schlechten Bildungsvoraussetzungen in dieser Zeit. Auch diese zweite Hypothese wird durch die Daten bestätigt. Es kommt zu einem sehr deutlichen Anstieg der Immobilität zwischen den ersten beiden Kohorten. Die Analysen der relativen Mobilitätsraten belegen somit die theoretisch abgeleiteten Vermutungen bzgl. der Entwicklung der sozialen Mobilität. Ob das Entwicklungsmuster jedoch tatsächlich auf die vermuteten Ursachen zurückzuführen ist, wird in den beiden nachfolgenden Kapiteln untersucht.

89

100 Allerdings fittet das Modell die Daten nun nicht mehr. Der Abstand zur Signifikanzschwelle ist jedoch recht gering. In jedem Fall ist dieses Modell einem CnSF-Modell auf gleicher Datenbasis deutlich überlegen.

6. Der Einfluss der Vertriebenen auf die soziale Mobilität

In diesem Kapitel wird untersucht, inwieweit spezifisch historische Gegebenheiten dafür ver-antwortlich sind, dass es in dem generellen Trend zu mehr sozialer Mobilität für die Kohorte 1930-1939 zu einer deutlichen Abweichung kommt. Als Hauptursache für diesen Befund wird der große Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen auf das Gebiet der späteren Bundes-republik vermutet (siehe Kapitel 2.3.1.3). Da in dem Mobilitätsdatensatz keine Angaben zu einem möglichen Vertriebenenstatus enthalten sind, muss zur Überprüfung der aufgeführten Hypothesen auf einen anderen Datensatz � die Mikrozensus-Zusatzerhebung 1971 (MZU71) � zurückgegriffen werden.

6.1. Kontinuität vs. „Durcheinanderwirbeln“ der Gesellschaft

Man könnte vermuten, dass es durch den Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen unmittelbar zu einem �Durcheinanderwirbeln� der Sozialstruktur und zu deutlichen Veränderungen in den Beschäftigungsverhältnissen kam. In der MZU71 wurden die Befragten 1971 retrospektiv nach ihren beruflichen Stellungen in den Jahren 1939, 1950 und 1960 gefragt. Es ist daher möglich, sich die Veränderungen in der Karrieremobilität bzw. -immobilität der Befragten für den Zeitraum vor dem Krieg (1939) und nach dem Krieg (1950) zu betrachten, um so eine Einschätzung über das Ausmaß der Veränderungen zu bekommen.101

Tabelle 6.1: Totale intragenerationale Immobilität zwischen 1939 und 1950 für vier verschiedene Kohorten in Prozent

1876-1889 1890-1899 1900-1909 1910-1919

Gesamt 85.7 84.1 78.3 67.3

Einheimische 89.6 88.7 82.5 69.8

Vertriebene 62.1 62.3 60.0 58.7

Flüchtlinge 83.6 77.3 70.9 63.2

Betrachtet man die Karriereimmobilität der gesamten Bevölkerung, findet man ein erstaunlich kontinuierliches Bild. Bis auf die jüngste Kohorte bleiben knapp 80-85% der Befragten trotz Kriegswirren in ihrer bisherigen sozialen Klassenposition. Der Rückgang bei den jüngeren Kohorten ist auf einen Alterseffekt zurückzuführen, da sie 1939 nur zwischen 20 und 29 Jahre

90

101 Es wurde versucht, die beruflichen Stellungen ebenfalls in ein 7-Klassen-Schema nach Goldthorpe einzu-teilen. Hierfür musste jedoch im Vergleich zu dem Mobilitätsdatensatz auf ein anderes Zuordnungsschema zurückgegriffen werden (siehe Kapitel 6.2).

alt waren. Untersucht man die zum Erinnerungszeitpunkt 30-40-Jährigen, ergeben spätere Vergleiche dieser Altersgruppe praktisch unveränderte Immobilitätsraten (zwischen 1950 und 1960: 80%, zwischen 1960 und 1971: 79%). Analysiert man jedoch die Immobilitätsraten zwischen 1939 und 1950 getrennt nach Einheimischen, Vertriebenen und Flüchtlingen, so zeigt sich sehr deutlich, dass vor allem die Vertriebenen erheblich öfter einen Wechsel in ihrer Klassenposition zu verzeichnen hatten. Weitere Analysen zeigen, dass die Vertriebenen für alle Klassenpositionen eine höhere Mobilität haben als die Einheimischen. Vor allem werden die Vertriebenen durch den Verlust von Unternehmensbesitz (Klasse IVab) und Landbesitz (Klasse IVc) in andere Klassenpositionen gezwungen. So wechseln Vertriebene, die 1939 noch einen eigenen Hof besaßen, zu 60-75% in ungelernte Arbeiterpositionen im Jahr 1950.

Diese Zahlen machen insgesamt deutlich, dass die Klassenstruktur der westdeutschen Ge-sellschaft durch den Zusammenbruch des Dritten Reiches keineswegs �durcheinander-gewirbelt� wurde. Gleichzeitig wird aber auch sehr deutlich, dass dies nur für die Einheimi-schen und in begrenzterem Maße für die Flüchtlinge gilt. Die Vertriebenen hingegen waren erzwungenermaßen bedeutend mobiler als die beiden anderen Bevölkerungsgruppen. Die Tabellenwerte für diese sehr alten Kohorten spiegeln die Karrieremobilität jener Generationen wider, die in etwa die Vätergenerationen bei den Befragten ab 1920 bilden. Mit der Kenntnis ihrer Karrieremobilität zwischen den Jahren 1939 und 1950 wird im Folgenden die inter-generationale Mobilität für die Kohorten ab dem Jahr 1920 untersucht.

6.2. Replikation der Mobilitätsentwicklung mit der MZU71

Versucht man, mit den Daten der MZU71 die im Mobilitätsdatensatz gefundene Entwicklung der sozialen Mobilität mit Hilfe des UNIDIFF-Modells aus Kapitel 5.2.4 zu replizieren, stellt man überraschend fest, dass dies nur bedingt möglich ist. Mit der MZU71 können aufgrund der Datenlage nur die Kohorten 1920-1929, 1930-1939 und 1940-1949 untersucht werden.102 Die UNIDIFF-Parameter für diese drei Kohorten sind 1.0, 1.01 und 0.96 (im Vergleich hierzu die Parameter aus Kapitel 5.2: 1.0, 1.16 und 1.06). Eine Quelle für die Abweichungen stellen die unterschiedlichen Zuordnungen der beruflichen Angaben zu Klassenpositionen dar. In der MZU71 fehlt die Angabe zu dem ISCO1968-Beruf, man kann nur auf die berufliche Stellung zurückgreifen,103 wobei auch diese nicht ganz deckungsgleich mit der beruflichen Stellungs-variablen im Mobilitätsdatensatz ist. Rekodiert man beide Datensätze exakt gleich, werden die Abweichungen deutlich geringer:

102 Die Kohorte 1940-1949 ist zum Befragungszeitpunkt 22-31 Jahre alt; für die Kohorten vor 1920 wurde nicht nach der beruflichen Stellung des Vaters gefragt.

91

103 Das Verkodungsschema für die berufliche Stellung in der MZU71 ist in einem Ordner am Lehrstuhl Prof. Müller hinterlegt.

Tabelle 6.2: Vergleich der UNIDIFF-Parameter für den Kohortenverlauf zwischen MZU71 und Mobilitätsdatensatz

1920-1929 1930-1939 1940-1949 1950-1959 1960-1969

MZU71 1.0 1.01 0.96 Mobilitätsdatensatz (MZ-Rekodierung) 1.0 1.08 1.03 0.9536 0.9163

Die proportionale Zunahme an Mobilität zwischen den Kohorten 1930-1939 und 1940-1949 ist bei gleicher Operationalisierung in beiden Datensätzen praktisch identisch (gut 0.95). Würde man eine Proportionalität auch auf das Verhältnis der ersten beiden Kohorten an-wenden, müsste die älteste Kohorte im Mobilitätsdatensatz einen Parameter von ungefähr 1.06 aufweisen. Eine detaillierte Analyse der beiden Datensätze deutet darauf hin, dass man aller Wahrscheinlichkeit nach die Mobilität der ältesten Kohorte in dem Mobilitätsdatensatz etwas überschätzt.104 Grundsätzlich aber bestätigt sich auch in der MZU71 der vermutete Be-fund, dass es zwischen den Kohorten 1920-1929 und 1930-1939 nicht zu einer Abnahme des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und sozialer Platzierung kommt, es aber da-gegen in der Kohortenfolge danach Anzeichen für eine Öffnung der Gesellschaft gibt.

6.3. Überprüfung der Hypothesen bzgl. der Vertriebenen

Fraglich ist, ob die Folgen der Vertreibungen für das irreguläre Mobilitätsmuster in den ersten beiden Kohorten verantwortlich sind. Es wird vermutet, dass es aufgrund der Vertriebenen in der Gesamtbevölkerung zu einem Anstieg der Immobilität zwischen den ersten beiden Ko-horten kommt (Hilfshypothese 2.1), da für die Vertriebenen in dieser Kohortenfolge die Im-mobilität zunimmt bzw. die Mobilität in der ersten Kohorte außergewöhnlich hoch ist (Hilfs-hypothese 2.1.1).105 Um diese Hypothesen zu testen, wurden für Tabelle 6.3 vier UNIDIFF-Modelle berechnet, drei Modelle für je eine Bevölkerungsgruppe und das bereits oben dar-gestellte Modell für die Gesamtbevölkerung im Jahr 1971. Es werden in der Tabelle die ent-sprechenden UNIDIFF-Parameter angegeben.

104 Ein Alterseffekt ist unplausibel, da die Befragten im Mobilitätsdatensatz zum Befragungszeitpunkt älter waren als die Befragten in der MZU71. Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass zwischen 1971 und 1976 ein Periodeneffekt für diese Befunde verantwortlich ist, da er in Richtung Immobilität wirken müsste. Dennoch wurden die Effekte ausführlich getestet, mit negativem Resultat. In diesem Zusammenhang ist auf die schon in Kapitel 3.4 vorgestellte Studie von Breen und Jonsson (1997) zu verweisen. Die beiden Forscher finden in schwedischen Daten für ältere Kohorten Rückerinnerungsfehler bei der Frage nach der sozialen Herkunft.

92

105 Dies liegt an der Art der Fragestellung nach dem Beruf des Vaters. Die Kohorte 1920-1929 wird sich auf einen Zeitpunkt vor der Vertreibung beziehen, die Kohorte 1930-1939 auf einen Zeitpunkt nach der Vertreibung (siehe Kapitel 3.1.2).

Tabelle 6.3: UNIDIFF-Parameter für Kohorten aus vier verschiedenen Modellen für die jeweiligen Bevölkerungsgruppen, Daten aus MZU71

Einheimische Vertriebene Flüchtlinge

1920-1929 1.0 (N=29640) 1.0

(N=22061) 1.0

Gesamt-bevölkerung

(N=5927) 1.0

(N=1652)

1930-1939 1.01 (N=26690) 0.98

(N=21295) 1.03

(N=4160) 0.93

(N=1335)

1940-1949 0.96 (N=23676) 0.93

(N=23676) 0.91

(N=3314) 0.97

(N=1012)

Fallzahlen in Klammer

Wie man bereits oben gesehen hat, kommt es in der Gesamtbevölkerung zu einem leichten Anstieg der Immobilität zwischen den Kohorten 1920-1929 und 1930-1939. Betrachtet man die einzelnen Bevölkerungsgruppen getrennt, findet man den für die Vertriebenen vermuteten Effekt. Die Vertriebenen sind in der Kohorte 1930-1939 weniger mobil als in der Kohorte 1920-1929. In der dritten Kohorte hingegen kehrt sich die Entwicklung um, es kommt zu einer deutlichen Zunahme an Mobilität. Im Gegensatz hierzu kann man für die einheimische Bevölkerung einen generellen Trend zu mehr Offenheit feststellen, der in der zweiten Kohorte noch schwach ist, aber in der Kohorte 1940-1949 deutlich zu erkennen ist. Schließlich weisen die Flüchtlinge ebenfalls das für sie erwartete Muster auf. Es ist anzunehmen, dass sie auf-grund ihrer Flucht, die für die meisten Flüchtlinge in den 1950er Jahren erfolgte, in der mittle-ren Kohorte ein ungewöhnlich hohes Mobilitätsmuster aufweisen (Hilfshypothese 2.3). Tat-sächlich sind die Flüchtlinge in dieser zweiten Kohorte deutlich mobiler als in der ersten Ko-horte, aber in der dritten Kohorte wiederum deutlich immobiler als in der zweiten Kohorte. Es zeigt sich der gleiche Effekt wie bei den Vertriebenen, allerdings zeitlich versetzt um eine Kohorte (10 Jahre).

Für die Gesamtbevölkerung erkennt man, dass die leicht ansteigende Immobilität in der zweiten Kohorte allein durch die Vertriebenen verursacht wird. Die Vertriebenen haben als einzige Bevölkerungsgruppe einen Anstieg der Immobilität zu verzeichnen, Einheimische und vor allem Flüchtlinge sind in der Kohorte 1930-1939 mobiler als in der Kohorte 1920-1929. In der dritten Kohorte findet man sowohl für Einheimische als auch für Vertriebene eine Ten-denz zu mehr Offenheit. Die zunehmende Immobilität der Flüchtlinge in der letzten Kohorte beeinflusst aufgrund der geringen Gruppengröße die Tendenz zu mehr Offenheit in der Ge-samtbevölkerung nicht.

93

Somit haben sich bisher die aufgestellten Vermutungen bestätigt. Man hätte bei den Vertrie-benen vielleicht eine deutlichere Zunahme der Immobilität zwischen den ersten beiden Ko-horten erwarten können, aber die Tendenz und die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Ver-treibungen konnten klar belegt werden. Um auch einen Vergleich zwischen den einzelnen

Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, werden schließlich die Mobilitätsunterschiede zwi-schen diesen Gruppen innerhalb einer Kohorte untersucht. Auch hierfür wurden UNIDIFF-Modelle geschätzt, allerdings variieren in diesen Modellen die Bevölkerungsgruppen, nicht mehr die Kohorten. Die Ergebnisse für drei verschiedene Kohorten werden in Tabelle 6.4 zusammengefasst. Dabei wird auch noch einmal das Gesamtmodell mit seinen über die Ko-horten variierenden Parametern berichtet.

Tabelle 6.4: UNIDIFF-Parameter für Bevölkerungsgruppen aus drei verschiedenen Modellen für die jeweiligen Kohorten, Daten aus MZU71

Einheimische Vertriebene Flüchtlinge Gesamt- bevölkerung

1920-1929 1.0 (N=22061)

0.80 (N=5927)

0.85 (N=1652) 1.0

(N=29640)

1930-1939 1.0 (N=21295)

0.86 (N=4160)

0.81 (N=1335) 1.01

(N=26690)

1940-1949 1.0 (N=23676)

0.88 (N=3314)

0.91 (N=1012) 0.96

(N=23676)

Fallzahlen in Klammer

Diese Analyse zeigt, dass auch die Vermutung, Vertriebene seien insbesondere in der ersten Kohorte mobiler als Einheimische, deutlich bestätigt werden kann (Hilfshypothese 2.1.2). Generell findet man für Vertriebene und Flüchtlinge eine merklich höhere intergenerationale Mobilität als für die Einheimischen. Auch an diesen Werten wird deutlich, dass die Ver-treibung aus den Ostgebieten vor allem die Kohorte 1920-1929 in ihrer Mobilität beeinflusste, während die Flucht aus der SBZ bzw. der DDR vor allem auf die Mobilität der Kohorte 1930-1939 einwirkte. Schließlich ist aus diesen Werten zumindest für die Einheimischen und Ver-triebenen ein Angleichungstrend im Ausmaß ihrer sozialen Mobilität zu beobachten. Für die Flüchtlinge ist ein analoger Befund zu erwarten, da es in der Kohorte 1930-1939 zu der Flucht bedingten Abweichung des Mobilitätsmusters kommt.

Insgesamt konnten mit den Daten der MZU71 in der Kohortenperspektive gezeigt werden, dass sich die Hypothesen bzgl. einer Abweichung von einem generellen Trend zu mehr Offenheit allesamt bestätigen lassen. Es ist vor allem das große Ausmaß der Vertreibungen aus den Ostgebieten nach Westdeutschland als Folge des Zweiten Weltkrieges, das als Ur-sache für diese irreguläre Mobilitätsentwicklung ausgemacht werden kann. Die bisherigen Analysen der MZU71 beschränkten sich auf eine Kohortenperspektive bzw. auf einen Grup-penvergleich. Mit dem besonderen Design der Retrospektivbefragung in der MZU71 ist es aber möglich, die Analysen zu verfeinern und nach Alters-, Perioden- und Kohorteneffekten zu unterscheiden. Somit kann genauer überprüft werden, ob es sich bei den gefundenen Ent-wicklungen in den Bevölkerungsgruppen wirklich um Kohorteneffekte handelt. 94

6.4. Verfeinerte Analysen nach Alter, Perioden und Kohorten

In der MZU71 wurden Personen, die ab 1920 geboren wurden, unter anderem nach der beruf-lichen Stellung ihres Vaters gefragt, so dass es für diese Befragten möglich ist, ihre inter-generationale Mobilität zu untersuchen. Gleichzeitig wurde aber nicht nur die aktuelle beruf-liche Stellung der Befragten im Jahr 1971 erhoben, sondern die Befragten wurden auch ge-beten, Angaben zu ihrer berufliche Stellung in den Jahren 1939, 1950 und 1960 zu machen. Es ist somit möglich, für diese verschiedenen Zeitpunkte die jeweilige Klassenposition der Befragten zu ermitteln. Betrachtet man zunächst die Angaben zu den fixen Zeitpunkten, erhält man bei einer Einteilung der Geburtskohorten in 5-Jahres-Abschnitte die in Tabelle 6.5 auf-geführte Alters-, Kohorten- und Periodenstruktur in den Daten.

Tabelle 6.5: Alters-, Perioden- und Kohortenstruktur in der MZU71 für Befragte ab 1920

1939 1950 1960 1971

1920-1924 26-30 36-40 47-51

1925-1929 21-25 31-35 42-46

1930-1934 26-30 37-41

1935-1939 21-25 32-36

1940-1944 27-31

1945-1949 22-26

Die Kohorteneinteilung ist an die Einteilung der bisherigen Untersuchungen angelehnt, als untere Altersgrenze werden 21 Jahre angenommen, auch wenn diese Grenze vermutlich zu niedrig gezogen ist (siehe Kapitel 5.2.3). Für die Analyse intergenerationaler Mobilität macht es demnach keinen Sinn, die Angaben der Befragten für 1939 zu verwenden.106

Für die nachfolgenden Untersuchungen soll diese Struktur als Analysedesign dienen. Es werden dabei sechs 5-Jahres-Kohorten in sechs verschiedenen Altersabschnitten zu drei unter-schiedlichen Erinnerungszeitpunkten beobachtet. Mit den vorliegenden Daten sind diese auf zwölf verschiedene Weisen kombinierbar, entsprechend der Anzahl besetzter Zellen in Ta-belle 6.5. Das bedeutet, man kann zwölf verschiedene Mobilitätstabellen erstellen und diese einer Analyse unterziehen. Dabei wird es vorkommen, dass Befragte mehrfach in den Ana-lysen vertreten sind, z.B. werden die 1930-1934-Geborenen sowohl für den Zeitpunkt 1960

95106 Der Einschluss dieser jungen Altersgruppe verändert die unten berichteten Ergebnisse nicht.

als 26-30-Jährige als auch für den Zeitpunkt 1971 als 37-41-Jährige in die Analyse aufge-nommen.

Es ist nun die Absicht zu testen, inwieweit sich die Ergebnisse des 10-Jahres-Kohorten-ansatzes im vorangegangenen Unterkapitel auch mit diesem verfeinerten Analysedesign bes-tätigen lassen. Hierzu wurden eine Reihe von Analysen gerechnet. Stellvertretend werden in Tabelle 6.6 die Ergebnisse von drei UNIDIFF-Modellen für Einheimische, Vertriebene und Flüchtlinge vorgestellt. In diesen Modellen variieren die UNIDIFF-Parameter nicht mehr über die Kohorte, sondern über die zwölf Mobilitätstabellen hinweg. Dadurch ist es möglich, einen direkten Vergleich der Stärke des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und sozialer Positionierung über sechs Kohorten und drei Erinnerungszeitpunkte hinweg vorzunehmen. In der Tabelle weisen die Zeilen die Geburtskohorten auf, in den Spalten stehen die ver-schiedenen Altersgruppen, und die verschieden grau unterlegten Zellen geben den unter-schiedlichen Erinnerungszeitpunkt an. Veränderungen innerhalb der Zeilen sind entweder auf Alters- oder auf Periodeneffekte zurückzuführen, Variationen in den Spalten beruhen entwe-der auf Kohorten- oder auf Periodeneffekten.

Ein erster Blick auf Tabelle 6.6 zeigt, dass man das klar strukturierte Ergebnis der 10-Jahres-Kohortenanalysen nicht ohne weiteres in diesen Analysen wiederfinden kann. Zunächst scheint vor allem ein Periodeneffekt zwischen den Jahren 1960 und 1971 erkennbar zu sein. Betrachtet man sich die Zahlen intensiver, stellt man fest, dass es bei den Einheimischen bis auf eine Ausnahme im Kohortenverlauf zu einem Anstieg der sozialen Mobilität kommt. Al-lerdings könnte dies auch auf einen Periodeneffekt zurückzuführen sein. Analysiert man aber die Vertriebenen genauer, stellt man fest, dass es eindeutig einen Kohorteneffekt zumindest für die Vertriebenen gibt: Bei drei von vier Übergängen von den ersten beiden Kohorten zu den mittleren beiden Kohorten kommt es zu einem Anstieg der Immobilität, wie dies erwartet wurde und auch in den Analysen zuvor schon zu beobachten war.

Einzige Ausnahme von diesem Muster sind die 36-40-Jährigen. Sie haben in der Kohorte 1920-1924 eine ungewöhnlich hohe Immobilität, während sie bei den 1930-1934-Geborenen eine besonders hohe Mobilität aufweisen. Dies liegt an spezifischen Abweichungen von dem generellen Mobilitätsmuster, wobei deren genaue Ursache hier offen bleiben muss.107. Bei dem Übergang von den mittleren Kohorten zu den beiden jüngsten Kohorten nimmt die sozi-ale Mobilität wieder wie erwartet zu.

96

107 Die ältere Kohorte hat vor allem in dem odds ratio zwischen den Klassen I/II und III einen dreimal höheren Wert als in anderen Tabellen, während unter den 1930-1934-Geborenen die Bauernsöhne ein vergleichsweise geringes Risiko haben, in die ungelernte Arbeiterklasse (Klasse VIIa) abzusteigen.

97

Tabelle 6.6: UNIDIFF-Parameter für 12 Mobilitätstabellen nach MZU71-Analysedesign, jeweils für Einheimische, Vertriebene und Flüchtlinge

Einheimische (nach Altersgruppen) Vertriebene (nach Altersgruppen) Flüchtlinge (nach Altersgruppen)

21-25 26-30 31-35 36-40 42-46 47-51 21-25 26-30 31-35 36-40 42-46 47-51 21-25 26-30 31-35 36-40 42-46 47-51Kohorten 1920-1924 1.0 0.964 0.910 1.0 1.104 1.036 1.0 1.030 0.939

1925-1929 1.017 0.984 0.928 0.946 1.065 1.018 0.681 0.872 0.790

1930-1934 0.985 0.894 1.098 0.976 0.931 0.826

1935-1939 1.045 0.940 1.156 1.098 0.789 0.795

1940-1944 0.907 0.905 0.786

1945-1949 0.893 0.956 0.828

G2 2762.2 574.1 390.1df 385 385 385

sig. (0.000) (0.000) (0.418)∆ 4.17 4.07 5.88N 122225 27921 8143

Angaben für 1950 Angaben für 1960 Angaben für 1971

Bei den Flüchtlingen zeigt sich ein ähnliches Bild. Auch hier gibt es eine Ausnahme von dem erwarteten Muster in der Kohortenfolge für die 26-30-Jährigen zum Zeitpunkt 1971. Außerdem würde man für die 21-25-Jährigen im Jahr 1950 einen niedrigeren Wert annehmen. Die anderen Übergänge jedoch verlaufen auch hier in die jeweils erwartete Richtung zwischen den Kohorten.

Insgesamt betrachtet zeigen auch die Untersuchungen mit dem verfeinerten Analysedesign, dass es sich bei den Abweichungen von dem allgemeinen Mobilitätstrend eindeutig um einen Kohorteneffekt handelt. Die Vertriebenen sind die Ursache dafür, dass es in der Gesamt-bevölkerung Westdeutschlands in der Kohortenfolge zu einem (leichten) Anstieg der Im-mobilität zwischen den Kohorten 1920-1929 und 1930-1939 kommt. Die Ergebnisse des vorangegangenen Unterkapitels werden durch eine detailliertere Analyse nicht in Frage gestellt.

Allerdings deuten die Befunde auf die Existenz eines Periodeneffekts für die Zeit zwischen 1960 und 1971 hin � einer Periode, in der die wirtschaftliche Prosperität besonders ausgeprägt war. Wie man in Tabelle 6.6 erkennen kann, kommt es innerhalb der Zeilen zwischen den Angaben für 1960 und 1971 fast immer zu einer Abnahme der Parameter. Dies mit einem Alterseffekt zu erklären ist schwierig, da Personen mit zunehmendem Alter in aller Regel intergenerational weniger mobil werden. Betrachtet man die Veränderungen der Parameter für die Einheimischen108 aber genauer, stellt man fest, dass diese Veränderungen über die Ko-horten hinweg nicht das gleiche Ausmaß haben, sondern für die jüngeren Kohorten und damit für die jüngeren Altersgruppen besonders vorteilhaft sind. Dies deutet darauf hin, dass es nicht so sehr entscheidend ist, wie gut die wirtschaftliche Lage während des Erwerbslebens allgemein ist, sondern wie gut die wirtschaftliche Lage ist, wenn man in den Arbeitsmarkt eintritt. Diese Überlegungen werden im nun folgenden letzten empirischen Kapitel auf-gegriffen, das den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft, Bildung und die Verwertung von Bildungszertifikaten bei der sozialen Positionierung untersucht.

98

108 Diese Gruppe ist der Entwicklung der Gesamtbevölkerung am ähnlichsten. Analysen für die Gesamtbevöl-kerung bestätigen die folgenden Ausführungen bzgl. der Einheimischen auch für die Gesamtbevölkerung.

7. Der Einfluss der Bildung auf die soziale Mobilität

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Überprüfung der Hypothesen bzgl. der Vertrie-benen mit einer zusätzlichen Datenquelle durchgeführt wurde, greifen die Analysen in diesem abschließenden empirischen Kapitel wieder auf den in dieser Arbeit vorgestellten Mobilitäts-datensatz zurück. Es soll untersucht werden, inwieweit die Bildung einen Einfluss auf die soziale Mobilität in der Kohortenfolge hat. Für den deutschen Fall wird allgemein an-genommen, dass die Bildung einer Person einen deutlich stärkeren Einfluss auf die soziale Platzierung hat als die soziale Herkunft, dieser Einfluss der sozialen Herkunft unter Kontrolle von Bildung aber nicht ganz verschwindet (vgl. Müller 1999). Ein Indiz für die Richtigkeit dieses Befundes erhält man, wenn man für die vorliegenden Daten von einem Unabhängig-keitsmodell ausgeht und durch sukzessives Hinzufügen der Variablen Bildung und soziale Herkunft die Verbesserung im Devianzmaß G2 betrachtet (siehe Appendix A7). Die Werte bestätigen die Befunde vorheriger Forschung. Fraglich ist, ob die Bildung auch die entschei-dende Variable bzgl. des Trends zu mehr sozialer Mobilität im Kohortenverlauf ist, welcher als zentrales Ergebnis dieser Untersuchung in Kapitel 5.2 festgestellt wurde.

Die zunehmende Offenheit in der Gesellschaft bestätigt die in Kapitel 2.4 formulierte erste Hypothese. Diese Hypothese beruht vor dem Hintergrund mikrotheoretischer Überlegungen und institutioneller Gegebenheiten auf zwei weiteren Annahmen (Hilfshypothesen 1.1 und 1.2). Erstens wird erwartet, dass es im Kohortenverlauf zu einer Abnahme der Bildungs-ungleichheit kommt, zweitens wird erwartet, dass bei dem Übergang vom Bildungssystem in den Beruf keine Veränderungen auftreten. Es soll daher zum einen untersucht werden, inwie-weit auch diese beiden Hilfshypothesen zutreffen. Zum anderen muss aber auch getestet werden, ob die zwischengelagerten Mechanismen von Bildungsbeteiligung und Bildungs-erträgen wirklich die Ursache für den abnehmenden Zusammenhang zwischen sozialer Her-kunft und sozialer Platzierung sind oder ob andere Faktoren den Anstieg der sozialer Mobi-lität verursachen.

7.1. Abnehmende Bildungsungleichheit im Kohortenverlauf

Die erste Hilfshypothese bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildung. Die neuere Forschungsliteratur zu Bildungsungleichheit geht von einer Verringerung der Ungleichheit aus. Fraglich ist, ob mit den vorliegenden Daten diese Ergebnisse bestätigt werden können. Die Tabelle 7.1 beschreibt die Entwicklung des Zusammenhangs von sozialer Herkunft und Bildungserfolg in der Kohortenfolge. Die Fallzahl verringert sich gegenüber den A-P-K-Designs aufgrund von fehlenden Angaben zum Bildungsabschluss um 155 Fälle.

99

Tabelle 7.1: Fit Statistiken für den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildung

Art des Modells N df G2 sig. ∆ BIC df ∆G2

df ∆G2

Unabhängigkeitsmodell (B1=E,C,O,OC,EC) 12410 120 2945.7 0.00 18.4 1814.6

konstante Assoziation (B1 + OE) 12410 96 150.7 0.00 3.3 -754.3 -

UNIDIFF (B1 + φOE,C*XOE) 12410 92 128.5 0.01 3.1 -738.7 4

22.2 -

UNIDIFF linear (B1 + φOE,lin(C)*XOE) 12410 95 129.1 0.01 3.1 -766.4 1

21.6 3

0.6

UNIDIFF-Parameter

für fünf Kohorten 1920-29 1930-39 1940-49 1950-59 1960-69 linear

1.0 0.97 0.87 0.80 0.71 -0.07

Kursivschrift in der Spalte df/∆G2 bedeutet signifikant auf dem 5%-Niveau.

Es ist in dieser Tabelle deutlich zu erkennen, dass es einen herkunftsspezifischen Effekt auf die Bildung gibt, da das Unabhängigkeitsmodell sehr schlecht auf die Daten passt. Das zweite Modell geht von einem konstanten Zusammenhang aus. Die Aufnahme dieses Zusammen-hangs verringert zwar die Devianz erheblich, doch ist dieses Modell den beiden UNIDIFF-Modellen signifikant unterlegen. Das heißt der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bil-dung verändert sich im Kohortenverlauf. Betrachtet man die UNIDIFF-Parameter für die einzelnen Kohorten, stellt man in jeder Kohorte eine Abnahme des Einflusses der sozialen Herkunft auf den Bildungserfolg fest, wobei diese Abnahme nahezu linear verläuft. Eine kleine Abweichung von diesem streng linearen Trend ist in der Kohorte 1930-1939 zu ent-decken. In dieser Kohorte ist der Zusammenhang praktisch gleich mit dem Zusammenhang in der ältesten Kohorte. Erst ab 1930-1939 setzt eindeutig eine kontinuierliche Abnahme der Bildungsungleichheit ein. Diese Ausnahme in der Kohorte 1930-1939 deckt sich mit vor-herigen Vermutungen (Hilfshypothese 2.2, siehe Kapitel 2.4), die von einer unregelmäßigen Beschulung dieser Kohorte aufgrund von Kriegswirren ausgehen. Inwieweit es dabei im ein-zelnen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, kann hier nicht genauer untersucht werden (siehe Henz/Maas 1995). Die Feststellung, dass diese Kohorte von einem allgemeinen Trend abweicht, ist aber als Hinweis auf Unregelmäßigkeiten zu bewerten.

Der lineare Faktor gibt eine Stärke von 7% für die Abnahme des Zusammenhangs zwischen sozialer Herkunft und Bildung über alle Kohorten hinweg an. Aus statistischer Sicht passt das lineare UNIDIFF-Modell am besten auf die Daten, was die generelle Tendenz unterstreicht. Es zeigt sich aber, dass keines der Modelle in der Lage ist, die Daten angemessen zu reprodu- 100

zieren. Alle Modelle weisen signifikante Abweichungen von den Daten auf. Das heißt die Abnahme der Bildungsungleichheit hat nicht für alle Klassen gleichermaßen stattgefunden. Dieser Befund deckt sich jedoch ebenfalls mit früheren Untersuchungen, die vor allem eine Verbesserung der Bildungschancen für Arbeiter- und Bauernkinder zeigen (vgl. Müller/Haun 1994). Insgesamt wird durch diese Ergebnisse die erste Hilfshypothese bestätigt, es kommt im Kohortenverlauf zu einer stetigen Abnahme der Bildungsungleichheit.

7.2. Einfluss der Bildung auf die soziale Platzierung

Die Befunde der abnehmenden Bildungsungleichheit können nun in ein Gesamtmodell ein-gebaut werden, in welchem der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Platzierung untersucht wird. Entsprechend der zweiten Hilfshypothese wird angenommen, dass dieser Zusammenhang über die Kohorten hinweg konstant bleibt. Ausgangspunkt für dieses Ge-samtmodell ist der Befund in Kapitel 5.2, wonach ein UNIDIFF-Modell mit variierenden Ko-hortenparametern das angemessenste Modell zur Beschreibung des Zusammenhangs zwi-schen sozialer Herkunft und sozialer Platzierung darstellt. Schaubild 5 verdeutlicht noch einmal graphisch die Zusammenhänge für dieses Modell.

Schaubild 5: Schematische Darstellung der Zusammenhänge des Gesamtmodells mit Kohorten (C), sozialer Herkunft (O), Bildung (E) und sozialer Positionierung (D)

D E

O

C

Es wird angenommen, dass es im Kohortenverlauf zu einer Abnahme sowohl des Zusam-menhangs Herkunft � Bildung als auch des Zusammenhangs Herkunft � Positionierung kommt (gepunktete Pfeile auf die jeweiligen Zusammenhänge). Der Zusammenhang zwi-schen Bildung und Platzierung sollte sich über die Kohorten hinweg nicht ändern. Eine Linie ohne eine Pfeilspitze bedeutet, dass kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den jeweiligen

101

Variablen hergestellt wird.109 Der Kreis um die ersten drei Variablen weist darauf hin, dass das Modell innerhalb des Kreises von dem Computerprogramm LEM zuerst ohne Einbezie-hung der nachgelagerten Variable (soziale Positionierung) geschätzt wird und danach saturiert den Hintergrund für die Analysen in Bezug auf die soziale Positionierung bildet.110

Tabelle 7.2: Fit Statistiken für Gesamtmodelle nach dem A-P-K-Design ohne Bildungs-missings

Modell Art des Modells N df G2 sig. ∆ BIC df ∆G2

df ∆G2

Gesamtmodell mit

1 φOE,C*XOE + ED + φOD,C*XOD 12410 1048 965.9 .97 7.2 -8912.9 -

2 φOE,C*XOE + φED,C*XED + φOD,C*XOD 12410 1044 955.8 .98 7.1 -8885.3 4

10.1 -

3 φOE,C*XOE + EDC + φOD,C*XOD 12410 952 870.5 .97 6.8 -8103.4 92

85.3

4 φOE,C*XOE + φED,C*XED + OD 12410 1048 963.8 .97 7.1 -8914.9 4

8.0

UNIDIFF-Parameter nach Modell 2 und 4

1920-1929 1930-1939 1940-1949 1950-1959 1960-1969

φOE,C*XOE 1.0 0.97 0.87 0.80 0.71 φED,C*XED (Modell 2) 1.0 1.18 1.12 1.13 1.02 φED,C*XED (Modell 4) 1.0 1.19 1.13 1.14 1.03

Kursivschrift in der Spalte df/∆G2 bedeutet signifikant auf dem 5%-Niveau.

Die Ergebnisse aus den Analysen des Gesamtmodells sind in Tabelle 7.2 zusammengefasst. Modell 1 stellt dabei das theoretisch abgeleitete Modell dar. Es kann mit einer Devianz von 965.9 bei 1048 Freiheitsgraden die Daten angemessen reproduzieren, d.h. es ist ein geeignetes Modell, um die Realität in den Daten abzubilden. Verglichen mit anderen Modellen dieser Diplomarbeit ist der Dissimilaritätsindex (∆) allerdings relativ hoch, was mit der großen Zahl an Zellen in dieser Mobilitätsmatrix zusammenhängt (5*5*7*7=1225 Zellen). Hierdurch kommt es auch zu einer hohen Zahl von Freiheitsgraden, so dass generell recht leicht ein Mo-dellfit erreicht werden kann.111 Das soll aber die Leistung des Modells nicht entwerten. Unter konventionellen statistischen Methoden ist es ein passendes Modell für die beobachteten Da-ten.

109 Das Schaubild ist zwar an die Darstellung eines Pfaddiagramms angelehnt, aber wegen einiger Abwei-chungen nicht streng als solches zu lesen. 110 Für einen LEM-Output des Modells 4 aus Tabelle 7.2 siehe Appendix A8.

102111 Fraglich ist, ob es hier keine besseren Maßzahlen gibt. Der BIC-Wert hilft an dieser Stelle auch nicht weiter.

Wenn man wie im vorliegenden Fall insbesondere den zweiten Mechanismus, nämlich den Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Positionierung, untersuchen möchte, muss man nicht unbedingt auf den Gesamtfit des Modells zurückgreifen. Man kann auch überprü-fen, inwieweit sich das Modell verbessern würde, wenn nicht ein konstanter Zusammenhang modelliert wird, sondern wenn die Stärke des Zusammenhangs zwischen den Kohorten variie-ren kann. Das Modell 2 in Tabelle 7.2 testet diesen Fall, indem für die Assoziation zwischen Bildung und sozialer Positionierung ein UNIDIFF-Modell angenommen wird. Es zeigt sich, dass die Verwendung von vier weiteren Freiheitsgraden für diese Spezifikation zu einer Ver-ringerung der Devianz um 10.1 führt. Dies ist statistisch signifikant. Das heißt das Gesamt-modell wird besser, wenn man nicht � wie angenommen � von einem konstanten Zusammen-hang zwischen Bildung und sozialer Positionierung ausgeht, sondern wenn dieser Zusam-menhang über die Kohorten variiert. Dieser Befund widerspricht somit der zweiten Hilfs-hypothese.

Um diesen variierenden Zusammenhang etwas genauer bestimmen zu können, wird in Modell 3 getestet, ob allein die Stärke des Zusammenhangs zwischen den Kohorten variiert oder ob sich der Zusammenhang für bestimmte Bildungsgruppen verändert, etwa für Abiturienten ohne weitere Ausbildung (vgl. Müller/Steinmann/Ell 1998). Hierzu wird analog zu den Überlegungen bei der Bildungsungleichheit ein saturierter Zusammenhang zwischen Kohorte, Bildung und sozialer Positionierung modelliert. Wenn sich mit dieser Spezifikation das Mo-dell weiter verbessert, ist von zeitlich sich verändernden Effekten je nach Bildungsgruppe auszugehen. Die Werte in Tabelle 7.2 zeigen, dass in diesem Modell 92 Freiheitsgrade mehr verbraucht werden. Dies führt zu einer Reduzierung der Devianz um 85.3, was nicht sta-tistisch signifikant ist. Somit kann gezeigt werden, dass das generelle Assoziationsmuster zwischen Bildung und sozialer Positionierung für die fünf Kohorten von 1920-1969 gleich geblieben ist, dass es allerdings je nach Kohorte unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Ab-nehmende Bildungserträge für Abiturienten, wie sie in anderen Untersuchungen gefunden wurden, haben offensichtlich keine statistisch signifikante Bedeutung für den Gesamt-zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Positionierung.112

Betrachtet man sich die UNIDIFF-Parameter aus dem Modell 2 am unteren Ende der Tabelle, stellt man fest, dass die Schwankungen des Zusammenhangs von Bildung und Positionierung vor allem die älteste und die jüngste Kohorte betreffen. In den drei Kohorten dazwischen sind die Werte recht ähnlich. Für die jüngste Kohorte könnte man vermuten, dass ihre Mitglieder

103

112 Dies könnte zwei Gründe haben: Zum einen ist die Größe der Gruppe von Personen, die nur Abitur ohne eine weitere Ausbildung haben, recht klein. Zum anderen sind die Personen mit nur Abitur in dieser Analyse mit den Personen zusammengefasst, die neben dem Abitur noch eine abgeschlossene Lehre haben (CASMIN-Variablen 2c_gen und 2c_voc).

vielleicht aufgrund ihres Alters noch nicht in ihrer endgültigen Klassenposition angekommen sind. In Bezug auf die Bildungsungleichheit weichen sie zumindest nicht von dem Trend-muster ab. Es ist aber auch denkbar, dass sich hier generell eine Abschwächung der Ver-wertbarkeit von Bildungsabschlüssen andeutet. Die Mitglieder dieser Kohorte kamen Anfang der 1980er Jahre auf den Arbeitsmarkt zu einer Zeit, in der die Jugendarbeitslosigkeit stark anwuchs und sich das wirtschaftliche Wachstum abschwächte. Eine solche Interpretation würde im Einklang mit Analysen von Handl (1996) stehen, der ab Mitte der 1980er Jahre eine Verringerung der Bildungserträge aufzeigt. Für die älteste Kohorte könnte man ähnlich argu-mentieren. Es ist die Kohorte, die während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf einen Arbeitsmarkt kam, der vermutlich in dieser Zeit wenig Positionen angeboten hat, in denen man die Bildung gut verwerten konnte. Für die drei Kohorten dazwischen ist jedoch von einem nahezu konstanten Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Platzierung aus-zugehen.113

7.3. Hat Bildung eine vermittelnde Wirkung?

Die Ergebnisse bisher zeigen, dass es erstens gemäß der ersten Hilfshypothese (1.1) zu einer Abnahme der Bildungsungleichheit kommt, aber dass zweitens die Annahme eines konstanten Zusammenhangs zwischen Bildung und sozialer Positionierung (Hilfshypothese 1.2) durch die Daten falsifiziert wurde. Allerdings stellt man fest, dass die Abweichungen von dem kon-stanten Zusammenhang nur die älteste und die jüngste Kohorte betreffen. Die mittleren Ko-horten hingegen mit ihrer übergroßen Zahl an Beobachtungen im Datensatz weisen einen konstanten Zusammenhang auf. Insofern kann man von einer bedingten Gültigkeit der zweiten Annahme ausgehen. Schließlich konnte in den Analysen gezeigt werden, dass � wie generell vermutet � die Bildung einen bedeutenderen Einfluss auf die soziale Platzierung hat als die soziale Herkunft.

Um die beiden Mechanismen der abnehmenden Bildungsungleichheit und der bedingt kon-stanten Bildungserträge aber tatsächlich als Ursache für die Zunahme an sozialer Mobilität identifizieren zu können, muss gezeigt werden, dass ein wesentlicher Teil dieser Entwicklung auf den vermittelnden Einfluss der beiden Bildungsmechanismen zurückzuführen ist.114 Hierzu wurde ein weiteres Modell spezifiziert: In dem bisher bevorzugten Modell 2 (siehe

113 In diesen drei Kohorten lassen sich somit für den Übergang vom Bildungssystem in den Beruf keine Periodeneffekte für die Zeit zwischen 1960 und 1971 erkennen, so wie es eventuell durch die Analysen in Kapitel 6.4 zu vermuten gewesen wäre.

104

114 Es könnte auch sein, dass die Gegebenheiten in der Bildungsbeteiligung bzw. der Bildungsverwertung unab-hängig von anderen Faktoren wirken und diese anderen Faktoren für die Entwicklung der sozialen Mobilität in der Gesellschaft verantwortlich sind. Dies ist ein Befund, den Breen (1998) für Irland findet. Im deutschen Fall erscheint dies jedoch eher unwahrscheinlich. Nichtsdestotrotz zeigt es die Notwendigkeit einer Überprüfung der vermittelnden Rolle.

Tabelle 7.2) wurde davon ausgegangen, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Positionierung am besten durch ein UNIDIFF-Modell abgebildet wird (vgl. Kapitel 5.2). Wenn aber die Bildung der entscheidende Vermittlungsmechanismus zwischen sozialer Her-kunft und sozialer Positionierung ist, dann sollte unter Kontrolle der beiden Bildungs-mechanismen der Trend in dem Zusammenhang zwischen Herkunft und Positionierung ver-schwinden oder sich zumindest deutlich abschwächen. Um dies zu überprüfen, nimmt man für das Gesamtmodell nun nicht mehr ein UNIDIFF-Modell für den Zusammenhang zwischen Herkunft und Positionierung an, sondern geht von einer konstanten Assoziation (OD) über die Kohorten hinweg aus. Das heißt man nimmt an, dass alle Herkunftseffekte außer denjenigen, die über das Bildungssystem vermittelt sind, über die Kohorten hinweg konstant bleiben.

Die Ergebnisse dieser Analyse sind als Modell 4 in der Tabelle 7.2 aufgeführt. Man erkennt, dass sich das Modell bei vier eingesparten Freiheitsgraden in der Devianz nur um 8.0 ver-schlechtert. Diese Verschlechterung ist nicht signifikant. Es ist somit dieses sparsamere Mo-dell 4 zu bevorzugen, welches einen konstanten Effekt von Herkunft auf Positionierung unter Kontrolle der Bildung spezifiziert. Das bedeutet, dass nach dem Modell alle anderen Effekte außer Bildung, die einen Einfluss auf die soziale Mobilität ausüben, nicht über die Zeit variie-ren. Dass diese anderen Effekte zusammen einen signifikanten Einfluss haben, kann man prüfen, indem man den OD-Term ganz aus dem Modell nimmt. Hier kommt es wie erwartet zu einer deutlichen Verschlechterung. Das Modell würde die Daten nicht mehr fitten. Lässt man dagegen die UNIDIFF-Spezifikation für den Übergang von Bildung in eine soziale Posi-tion an Stelle des OD-Terms weg, fällt die Verschlechterung noch deutlicher aus (Daten nicht in Tabelle aufgeführt).115

Folglich haben andere Mobilitätsmechanismen (wie z.B. die Vererbung) zusammen einen signifikanten Einfluss auf die soziale Mobilität. Aber die Stärke dieser Effekte variiert nicht über die Zeit, und daher können andere Mobilitätsmechanismen auch nicht für den generellen Trend zu mehr Offenheit in der Gesellschaft verantwortlich sein. Vor dem Hintergrund des vorangegangen Kapitels (Kapitel 6) kann der Befund eines konstanten Effektes aller anderer Mobilitätsmechanismen etwas verwunderlich erscheinen. Aufgrund der Situation der Vertrie-benen würde man viel eher erwarten, dass sich deutliche Unterschiede in dem Vererbungs-mechanismus zwischen den Kohorten zeigen. Tatsächlich weisen die UNIDIFF-Parameter (φOD,C*XOD) für Modell 2, das den Zusammenhang zwischen Herkunft und Positionierung über die Kohorten variieren lässt, ein Muster auf, das den Einfluss der Vertriebenen erkennbar macht: 1.0; 1.30; 1.19; 1.12 und 1.15 für die fünf untersuchten Kohorten. Die Unregelmäßig-

105

115 Durch das Weglassen des OD-Terms steigt die Devianz in dem Gesamtmodell auf 2649.5 bei 1084 Freiheits-graden. Lässt man die φED,C*XED-Spezifikation weg, weist die Devianz einen Wert von 6366.0 bei 1076 Frei-heitsgraden auf.

keiten für die ersten beiden Kohorten sind eindeutig zu erkennen. Insgesamt sind diese Ef-fekte aber nicht stark genug, um zusätzlich zu der Bildung einen signifikanten Einfluss auf den Trend der Mobilitätsentwicklung auszuüben. Eine Ursache hierfür ist sicherlich auch die Unregelmäßigkeit in der Beschulung der Kohorte 1930-1939, d.h. die Abweichungen in die-ser Kohorte sind auch zu einem Teil über die Bildung vermittelt.

Insgesamt zeigen die dargestellten Analysen, dass die Bildung bzw. die abnehmende Bildung-sungleichheit bei bedingt konstanten Bildungserträgen in der Kohortenfolge die ent-scheidenden Ursachen für die zunehmende Offenheit der westdeutschen Gesellschaft sind. Alle anderen Mobilitätsmechanismen zusammen haben zwar einen Einfluss auf das Mobi-litätsniveau, aber sie haben neben der Bildung keinen entscheidenden Einfluss auf die Ent-wicklung der sozialen Mobilität.

106

8. Diskussion und Ausblick

Die vorliegende Untersuchung hatte sich die Beantwortung zweier Fragen zur Aufgabe ge-stellt: Wie entwickelt sich die soziale Mobilität in Westdeutschland, und welchen Einfluss hat die Bildung auf diese Entwicklung? Die Ergebnisse diesbezüglich sind eindeutig: Die soziale Mobilität nimmt in der Kohortenfolge zu, und für diese Zunahme ist praktisch ausschließlich der vermittelnde Effekt der Bildung verantwortlich.

Die Entwicklung der sozialen Mobilität zeigt einen klaren Trend zu mehr Offenheit in der Gesellschaft. Dabei ist das Muster dieser Entwicklung nicht linear, sondern zeigt in der Ko-horte 1930-1939 zunächst einen deutlichen Anstieg der Immobilität. Es wurde vermutet, dass dies weniger eine spezifische Eigenschaft dieser zweiten Kohorte ist, vielmehr wurde ange-nommen, dass die Vorgängerkohorte 1920-1929 außergewöhnlich mobil ist. Als mögliche Ursache für diese höhere Mobilität in der ältesten Kohorten wurde der Einfluss der Ver-triebenen auf die Mobilität in der westdeutschen Gesamtbevölkerung ermittelt, da sich die Angaben zur sozialen Herkunft dieser Kohorte auf einen Zeitpunkt vor der Vertreibung be-ziehen. Durch die Vertreibung war es aber den Kohortenmitgliedern nicht möglich, Unter-nehmens- und Landbesitz von ihren Vätern zu erben. Somit kam es erzwungenermaßen zu mehr Mobilität.

Die externe Überprüfung durch Daten der Mikrozensus-Zusatzuntersuchung 1971 (MZU71) erbrachte zwei wesentliche Resultate. Erstens wird in dem Mobilitätsdatensatz die Mobilität der ersten Kohorte 1920-1929 etwas überschätzt. Das Ausmaß der Mobilität in dieser Kohorte ist geringer und somit der Anstieg der Immobilität zwischen den ersten beiden Kohorten etwas weniger stark ausgeprägt als dies die Ergebnisse des Mobilitätsdatensatzes zeigen. Das generelle Muster des Mobilitätsverlaufs wird jedoch mit den Daten der MZU71 bestätigt. Zweitens können alle Hypothesen bzgl. des Vertriebeneneffekts bestätigt werden. Für die Vertriebenen wird deutlich, dass deren Kohorte 1920-1929 deutlich mobiler war � sowohl im Vergleich zur Folgekohorte der Vertriebenen als auch im Vergleich zur gleichen Kohorte bei den Einheimischen. Da sich bei den Einheimischen hingegen ein kontinuierlich steigender Trend zu mehr Offenheit in den Kohorten zeigt, ist der Anstieg der Immobilität in der Ge-samtbevölkerung tatsächlich durch die Vertriebenen verursacht worden. Die Folgen der Ver-treibung wirken demnach in den Klassenpositionen der älteren Befragten noch bis in das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts nach. Für die Einheimischen dagegen und für die Kohorten ab 1930-1939 kommt es zu einem sehr deutlichen Trend zu mehr sozialer Mobilität. Der

107

Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und sozialer Platzierung nimmt um je 7% pro Jahrzehnt in der Kohortenfolge ab 1930-1939 ab.116

Betrachtet man diesen Befund zur Entwicklung der sozialen Mobilität in Deutschland im Lichte der in Kapitel 2.1 vorgestellten Trendansätze, dann ist festzustellen, dass sich weder die FJH-These noch die liberale Theorie des Industrialismus aufrecht erhalten lassen. Featherman, Jones und Hauser (1975) gehen in ihrer These implizit davon aus, dass es zu keinem Trend in der Entwicklung der sozialen Mobilität eines Landes kommt. Dies wird jedoch für Deutschland klar widerlegt. Aber auch die weniger strikte Fassung von Erikson und Goldthorpe (1992a) kann nicht aufrecht erhalten werden. Ihr zufolge ist die FJH-These nur dann zu verwerfen ist, wenn systematische Einflüsse auf die relativen Mobilitätsraten wirken. Genau dies trifft im vorliegenden Fall aber zu, denn die intervenierende Variable der Bildung zeigt einen systematischen Einfluss auf die Entwicklung der sozialen Mobilität.

Die liberale Theorie des Industrialismus hingegen würde den Trend zu mehr Offenheit richtig vorhersagen. Die Annahmen, die dieser Vorhersage zugrunde liegen, behaupten eine zu-nehmende Meritokratisierung des Positionierungsprozesses. Dies trifft aber für West-deutschland nicht zu. Es konnte gezeigt werden, dass der Zusammenhang zwischen Bildung und sozialer Positionierung über die Kohorten weitgehend stabil ist und sogar in der jüngsten Kohorte abnimmt, d.h. in die entgegengesetzte Richtung zur Theorieannahme tendiert. Folglich kann auch die liberale Theorie des Industrialismus verworfen werden, da sie zwar das richtige Ergebnis, aber eine falsche Begründung hierfür liefert und insofern nicht zum Verständnis für die Einwicklung der sozialen Mobilität beiträgt.

Auf der Grundlage mikrotheoretischer Überlegungen in Zusammenschau mit dem institutio-nellen Arrangement in Deutschland wurden die zentralen Mechanismen für die Entwicklung der sozialen Mobilität aufgezeigt. Es ließ sich anhand der Daten bestätigen, dass es erstens zu einer Abnahme der Bildungsungleichheit im Kohortenverlauf kommt und zweitens, dass die Bildungserträge � d.h. die Verwertbarkeit von Bildungsabschlüssen bei der sozialen Positio-nierung � über den Kohortenverlauf zumindest bedingt konstant geblieben sind. Schließlich zeigte sich drittens, dass allein diese beiden Mechanismen zusammen den zunehmenden Trend in der sozialen Mobilität erklären. Das bedeutet nicht, dass andere Einflüsse auf die soziale Mobilität zu vernachlässigen wären. Beispielsweise zeigt sich indirekt ein Ver-erbungseffekt durch den Einfluss der Vertriebenen auf die Mobilitätsentwicklung.

108

116 Linearer UNIDIFF-Parameter für das Kohortenmodell ohne Altersvariable aus Tabelle 5.8 für die Kohorten 1930-1969

Diese bildungsfremden Mechanismen zusammen haben zwar einen Einfluss auf das Mobi-litätsniveau117, aber unter Kontrolle der beiden Bildungsmechanismen üben sie keinen Ein-fluss auf die Mobilitätsentwicklung aus. Ihr Effekt ist über die Kohorten hinweg mehr oder weniger konstant, wenn die Bildung als intervenierende Variable in die Modelle aufge-nommen wird.

Das große Verdienst der mikrotheoretischen Ansätze zur sozialen Mobilität ist es, die ent-scheidenden Mechanismen für eine Entwicklung dieser Mobilität aufzeigen zu können. Das in dieser Arbeit vorgestellte Modell von Breen und Goldthorpe (1997) geht davon aus, dass die Akteure eine herkunftsspezifische Strategie bei der Bildungsbeteiligung wählen, um die von ihnen herkunftsspezifisch präferierten sozialen Klassenpositionen zu erreichen. Somit werden die zwei Mechanismen der Bildungsbeteiligung und des Bildungsertrags als zentrale Größen für die Analyse der sozialen Mobilität identifiziert. Die Akteure können aber nur bzgl. der Bildungsbeteiligung eine Handlungsentscheidung treffen. Wie es zu einer Veränderung dieser Bildungsbeteiligung kommen kann, erläutern Breen und Goldthorpe anhand von drei Fak-toren, wobei eine Übertragung des Modells auf Deutschland zeigte, dass nur zwei davon rele-vant sind: die subjektiven Wahrscheinlichkeiten eines Bildungs- und Positionierungserfolges und die relative Risikoaversion bzgl. der sozialen Positionierung.

Das Problem dieses Ansatzes ist es, dass er subjektive Einschätzungen von Bildungserfolgen und Bildungserträgen in den Mittelpunkt des Modells stellt, es hierzu aber nur sehr wenige Daten gibt und es mit diesen wenigen Daten schwer sein dürfte, langfristige Mobilitätstrends abzubilden. Um dieses Problem zu umgehen, wurden institutionelle Gegebenheiten betrachtet, deren Veränderungen als entscheidende Signale für die subjektiven Wahrscheinlichkeiten der Akteure. Hierbei sind das institutionelle Arrangement des Bildungssystems und des Über-gangs von dem Bildungssystem in die beruflichen Positionen von zentraler Bedeutung. Für diese Verbindung zwischen Mikroebene und Institutionenebene konnten plausible Argumente aufgeführt werden.

Insgesamt stellt der mikrotheoretische Ansatz von Breen und Goldthorpe eine deutliche Ver-besserung des Verständnisses von Mobilitätsprozessen und Mobilitätsentwicklungen dar � vor allem im Vergleich zu den Trendansätzen. Durch den Ansatz wird die überragende Bedeutung der Bildung bzw. der beiden beschriebenen Bildungsmechanismen für die Entwicklung der sozialen Mobilität deutlich herausarbeitet. Bis auf weiteres wird es aber nicht möglich sein, die Mikrotheorie als umfangreiche empirische Mobilitätsuntersuchung implementieren

109

117 Es zeigt sich aber, dass der Einfluss von Bildung auf das Mobilitätsniveau deutlich stärker ist als der Einfluss dieser anderen Mobilitätsmechanismen zusammen.

zu können. Für die weitere Forschung erscheint es daher sinnvoller, in kleineren Fallstudien zu überprüfen, inwieweit erstens Bildungsentscheidungen von den drei von Breen und Goldthorpe vorgeschlagenen Faktoren abhängen und inwieweit zweitens institutionelle Gegebenheiten und Veränderungen diese Faktoren beeinflussen. Ein positives Resultat in diesen Untersuchungen vorausgesetzt, ist es für die Mobilitätsforschung selbst viel-versprechender, weiterhin mit großen Bevölkerungsumfragen zu arbeiten und sich dabei auf die institutionellen Gegebenheiten und Veränderungen in dem jeweiligen Land zu konzentrie-ren.

Mit Hilfe des umfangreichen Mobilitätsdatensatzes, der im Rahmen dieser Diplomarbeit zu-sammengeführt wurde, können mit dem Trend zu mehr Offenheit sowie der Bildung als Ursa-che für diesen Trend zwei eindeutige Ergebnisse präsentiert werden. Dies ist Ansporn genug, sich auch den Folgefragen dieser Analyse zuzuwenden, die teilweise ebenfalls mit dem neuen Mobilitätsdatensatz untersucht werden können. In den vorangegangenen Analysen wurde ein Männer zentrierter Ansatz verwendet. Es ist anzunehmen, dass hierdurch keine ent-scheidenden Verzerrungen entstanden sind. Es ist aber in dringendem Maße geboten, sich darüber mit Hilfe der Daten zu vergewissern. Hierbei können mehrere Aspekte von Interesse sein: erstens, wie entwickelt sich die soziale Mobilität für erwerbstätige Frauen; zweitens, inwieweit kam es durch den Ausschluss von Haushalten mit weiblichem Haushaltsvorstand zu Verzerrungen in der Einschätzung der gesellschaftlichen Offenheit; und drittens, inwieweit ändern sich die Ergebnisse, wenn man einen Dominanz-Ansatz (vgl. Erikson 1984) für die Bestimmung der Klassenposition eines Haushaltes verwendet. Es ist mit den Daten außerdem möglich, die Entwicklung der sozialen Mobilität in den fünf neuen Bundesländern zu analy-sieren. Hierzu liegen Daten ab 1991 vor, so dass man für die neuere Zeit einen Ost-West-Ver-gleich erstellen kann. Zu überlegen wäre hierbei, ob man nach Prüfung der Vergleichbarkeit auch die Daten des SOEP-Samples C mit einschließen will.

Auch eine Erweiterung der Analysen in methodischer Hinsicht ist mit den Daten möglich. In den bisherigen Untersuchungen wurde mit dem 7-Klassen-Schema nach Goldthorpe ge-arbeitet, um die Ergebnisse mit bereits veröffentlichten Resultaten leichter vergleichen zu können. Es ist aber mittelfristig eher angebracht, das Klassenschema weiter auszuschöpfen. Insbesondere ist an eine Trennung der oberen und unteren Dienstklassen (Klassen I und II) zu denken, die sich in Deutschland relativ gut unterscheiden lassen. Aber auch eine Aufteilung der Klassen V und VI bietet sich an, während die Klasse VIIb in Deutschland eine zunehmend geringere Rolle spielt und daher mit der Klasse VIIa kombiniert werden sollte.

110

Schließlich kann man mit den vorliegenden Daten versuchen, die Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft, Bildung und sozialer Positionierung genauer zu modellieren. Wie zu sehen war, kam es nicht zu einer für alle Klassen gleichmäßigen Verringerung des Einflusses von sozialer Herkunft auf Bildung, sondern vermutlich zu einem Aufholen der Arbeiter- und Bauernkinder in der Bildungsbeteiligung. Dies ließe sich mit speziellen Design-Matrizen testen. Ebenso könnte man den Übergang vom Bildungssystem in die berufliche Position modellieren, um hier unter Umständen einen verringerten Bildungsertrag der Personen mit nur Abiturabschluss zu entdecken.

In einem internationalen Vergleich wäre interessant zu beobachten, ob der Einfluss der Bil-dung auch in anderen Ländern entscheidend auf die Mobilitätsentwicklung wirkt. Insbeson-dere ist dies spannend für Länder, die ein ähnliches institutionelles Arrangement wie Deutschland haben, d.h. ein auf der Sekundarebene stratifiziertes Bildungssystem mit starker berufsbildender Komponente sowie einen beruflich organisierten Arbeitsmarkt (occupational labor market). In erster Linie ist hier an Österreich und die Schweiz zu denken, in neuerer Zeit eventuell auch an Ungarn. Zudem könnte ein Vergleich mit den Niederlanden vor dem Hintergrund sich öffnender Gesellschaften interessante komparative Ergebnisse hervor-bringen.

Inwieweit haben sich die Hoffnungen aus den späten 1960er und frühen 1970er Jahren bes-tätigt, die in der Bildung den großen ungleichheitsreduzierenden Mechanismus sahen? Die Ergebnisse der Analysen zeigen, dass sich diese Erwartungen bisher bestätigen. Es sind die Mechanismen bei der Bildungsbeteiligung und bei dem Bildungsertrag gewesen, die zu einer zunehmenden Offenheit der Gesellschaft und damit zu einer geringeren Reproduktion der sozialen Ungleichheit beigetragen haben. Darüber hinaus zeigen die absoluten Mobilitätsraten an, dass es in den untersuchten Kohorten zu zwei- bis dreimal mehr sozialen Aufstiegen als zu sozialen Abstiegen gekommen ist. Die im Schnitt höhere Klassenposition der jüngeren Ko-horten zusammen mit der zunehmenden Offenheit geben den Mitgliedern dieser Kohorten objektiv gesehen zunehmend gesichertere Verhältnisse und im klassischen Weber�schen Sinne bessere Lebenschancen.

Bleibt abschließend die Frage zu klären, ob sich die Gesellschaft weiterhin öffnen wird oder ob es zu gegenläufigen Tendenzen kommt. Es gibt einige Hinweise in den Daten, dass sich der Trend zu mehr Offenheit in den jüngeren Kohorten nicht fortsetzen wird. Betrachtet man Schaubild 4 (siehe Seite 91) mit dem eingezeichneten Mobilitätsverlauf nach Kohorten und den Abweichungen der Altersgruppen von diesem Muster, stellt man fest, dass die jüngste Altersgruppe immer mobiler war als die beiden älteren Altersgruppen. Da für die jüngste Ko-

111

horte nur eine Messung, nämlich die der jüngsten Altersgruppe, vorliegt, ist anzunehmen, dass sich der Wert für diese Kohorte noch etwas in Richtung Immobilität verändern wird. Dies würde eine Abschwächung der Öffnungstendenz bedeuten. Ein weiterer Hinweis ist die ansteigende Immobilität in der Kohorte 1970-1979 (Tabelle 5.6), wobei man bei dieser Ko-horte mit Interpretationen vorsichtig sein muss. Auch die absoluten Mobilitätsraten � obwohl nicht zwangsläufig mit den relativen Raten verbunden � deuten ein Ende des Trends zu mehr totaler Mobilität und deutlicher Aufwärtsmobilität an. Bei den Bildungsmechanismen deutet sich ebenfalls eine Änderung an. Die Tendenz zu abnehmender Bildungsungleichheit schwächt sich in den 1980er Jahren ab (vgl. Müller/Haun 1994), die Bildungserträge nehmen allerdings vom etwa gleichen Zeitpunkt an ab (Handl 1996). Diese Effekte würden sich zwar aufheben, aber es ist zu vermuten, dass andere Attribute wie �social skills� oder Team-fähigkeit an Bedeutung gewinnen, die vermutlich nicht gleichverteilt über die Klassen sind (Breen 1997). Schließlich kommen auch bestehende Allokationsprinzipien in der öffentlichen Diskussion unter Druck. Universitäten möchten das Abitur nicht mehr als alleinige Zugangs-berechtigung akzeptieren, sondern wollen eigene Eingangstests einführen; es gibt Ansätze für eine Diskussion bzgl. einer Differenzierung beruflicher Abschlüsse nach erreichtem all-gemeinen Bildungsabschluss; und die Hauptschule wird von manchen nur noch als �Rest-schule� bezeichnet oder � wie im Saarland � ganz abgeschafft. Wenn man die institutionellen Gegebenheiten nach dem Modell von Breen und Goldthorpe als Hinweise für die subjektiven Wahrscheinlichkeiten betrachten kann, dann wird es auf der Grundlage dieses Modells (zu-sammen mit der zunehmenden Bedeutung von �soft skills�) wieder zu konservativeren Bil-dungsstrategien der Arbeiterklasse kommen und somit eher zu mehr Immobilität. Interessan-terweise reichen nach diesem Modell allein die Diskussionen über mögliche Reformen aus, um diesen Trend zu mehr Immobilität auszulösen.

112

Appendix

Tabelle A1: Übersicht über die in dem Mobilitätsdatensatz enthaltenen Datensätze mit ihren jeweiligen Fallzahlen für bestimmte Selektionen

Erhebungs-jahr Datensatzquelle Gesamt-

datensatz

nur west-deutsche Männer,

20-64 Jahre

ohne mis-sings bei

origin und destination

nach A-P-K-Design

nach A-P-K-Design ohne missings bei

Bildung

1976 ZUMABUS 1 2036 794 716 538 523

1977 ZUMABUS 2 2002 714 606 446 434

1978 Politik in der BRD 1978 Wohlfahrtssurvey 1978

2030 2012

704 641

618 559

479 430

454 425

1979 ZUMABUS 3 ZUMABUS 4

2012 2001

698 698

600 529

465 431

441 413

1980 Politik in der BRD

ZUMABUS 5 ALLBUS 1980

1939 1997 2955

670 717 1072

583 522 834

465 432 672

433 431 672

1982 ZUMABUS 6 ALLBUS 1982

1993 2991

752 1100

567 795

437 619

437 619

1984 ALLBUS 1984 3004 1140 831 649 648

1986 ALLBUS 1986 GSOEP (Sample A+B)

3095 7897

1200 3049

391 2220

663 1722

663 1709

1988 ALLBUS 1988 3052 1081 823 611 611

1990 ALLBUS 1990 3051 1202 934 722 715

1991 ALLBUS 1991 3017 585 442 320 320

1992 ALLBUS 1992 3464 867 695 536 536

1994 ALLBUS 1994 3294 940 774 623 623

1996 ALLBUS 1996 3306 917 740 604 604

1998 ALLBUS 1998 3082 743 584 441 440

1999 GSOEP (Sample E) 1594 505 338 260 259

Gesamt N 61.824 20.789 16.201 12.565 12.410

113

Tabelle A2a: Mobilitätstabelle für die Kohorte 1920-1929; Zellbesetzungen, Abstromraten und Zustromraten

Vaters | Klasse 7er | Befragter Klasse 7er Schema Schema | I/II IIIab IVab IVc V/VI VIIa VIIb | Total -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- I/II | 216 27 28 1 38 11 1 | 322 | 67.08 8.39 8.70 0.31 11.80 3.42 0.31 | 100.00 | 29.51 11.89 15.30 1.54 4.61 3.54 3.85 | 13.60 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IIIab | 89 26 21 0 55 7 2 | 200 | 44.50 13.00 10.50 0.00 27.50 3.50 1.00 | 100.00 | 12.16 11.45 11.48 0.00 6.67 2.25 7.69 | 8.45 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVab | 95 34 68 1 48 30 0 | 276 | 34.42 12.32 24.64 0.36 17.39 10.87 0.00 | 100.00 | 12.98 14.98 37.16 1.54 5.83 9.65 0.00 | 11.66 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVc | 65 18 21 54 113 74 3 | 348 | 18.68 5.17 6.03 15.52 32.47 21.26 0.86 | 100.00 | 8.88 7.93 11.48 83.08 13.71 23.79 11.54 | 14.70 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- V/VI | 203 79 35 4 396 82 8 | 807 | 25.15 9.79 4.34 0.50 49.07 10.16 0.99 | 100.00 | 27.73 34.80 19.13 6.15 48.06 26.37 30.77 | 34.08 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIa | 57 37 10 2 138 83 6 | 333 | 17.12 11.11 3.00 0.60 41.44 24.92 1.80 | 100.00 | 7.79 16.30 5.46 3.08 16.75 26.69 23.08 | 14.06 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIb | 7 6 0 3 36 24 6 | 82 | 8.54 7.32 0.00 3.66 43.90 29.27 7.32 | 100.00 | 0.96 2.64 0.00 4.62 4.37 7.72 23.08 | 3.46 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- Total | 732 227 183 65 824 311 26 | 2368 | 30.91 9.59 7.73 2.74 34.80 13.13 1.10 | 100.00 | 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 | 100.00

114

| 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 | 100.00

115

Tabelle A2b: Mobilitätstabelle für die Kohorte 1930-1939; Zellbesetzungen, Abstromraten und Zustromraten

Vaters | Klasse 7er | Befragter Klasse 7er Schema Schema | I/II IIIab IVab IVc V/VI VIIa VIIb | Total -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- I/II | 401 32 43 1 79 14 0 | 570 | 70.35 5.61 7.54 0.18 13.86 2.46 0.00 | 100.00 | 35.55 13.28 17.00 0.96 6.29 3.43 0.00 | 16.74 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IIIab | 139 34 13 0 74 17 1 | 278 | 50.00 12.23 4.68 0.00 26.62 6.12 0.36 | 100.00 | 12.32 14.11 5.14 0.00 5.89 4.17 6.25 | 8.16 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVab | 106 22 100 1 90 25 0 | 344 | 30.81 6.40 29.07 0.29 26.16 7.27 0.00 | 100.00 | 9.40 9.13 39.53 0.96 7.17 6.13 0.00 | 10.10 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVc | 60 24 20 99 111 77 5 | 396 | 15.15 6.06 5.05 25.00 28.03 19.44 1.26 | 100.00 | 5.32 9.96 7.91 95.19 8.84 18.87 31.25 | 11.63 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- V/VI | 312 95 55 3 615 113 4 | 1197 | 26.07 7.94 4.59 0.25 51.38 9.44 0.33 | 100.00 | 27.66 39.42 21.74 2.88 48.96 27.70 25.00 | 35.14 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIa | 96 30 15 0 244 127 4 | 516 | 18.60 5.81 2.91 0.00 47.29 24.61 0.78 | 100.00 | 8.51 12.45 5.93 0.00 19.43 31.13 25.00 | 15.15 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIb | 14 4 7 0 43 35 2 | 105 | 13.33 3.81 6.67 0.00 40.95 33.33 1.90 | 100.00 | 1.24 1.66 2.77 0.00 3.42 8.58 12.50 | 3.08 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- Total | 1128 241 253 104 1256 408 16 | 3406 | 33.12 7.08 7.43 3.05 36.88 11.98 0.47 | 100.00

| 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 | 100.00

116

Tabelle A2c: Mobilitätstabelle für die Kohorte 1940-1949; Zellbesetzungen, Abstromraten und Zustromraten

Vaters | Klasse 7er | Befragter Klasse 7er Schema Schema | I/II IIIab IVab IVc V/VI VIIa VIIb | Total -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- I/II | 596 44 47 1 123 14 1 | 826 | 72.15 5.33 5.69 0.12 14.89 1.69 0.12 | 100.00 | 36.63 13.79 17.09 1.54 9.35 4.81 7.69 | 21.15 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IIIab | 208 57 25 0 98 13 1 | 402 | 51.74 14.18 6.22 0.00 24.38 3.23 0.25 | 100.00 | 12.78 17.87 9.09 0.00 7.45 4.47 7.69 | 10.29 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVab | 166 33 85 2 80 18 0 | 384 | 43.23 8.59 22.14 0.52 20.83 4.69 0.00 | 100.00 | 10.20 10.34 30.91 3.08 6.08 6.19 0.00 | 9.83 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVc | 63 25 16 62 84 36 5 | 291 | 21.65 8.59 5.50 21.31 28.87 12.37 1.72 | 100.00 | 3.87 7.84 5.82 95.38 6.38 12.37 38.46 | 7.45 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- V/VI | 442 119 76 0 604 92 4 | 1337 | 33.06 8.90 5.68 0.00 45.18 6.88 0.30 | 100.00 | 27.17 37.30 27.64 0.00 45.90 31.62 30.77 | 34.23 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIa | 135 35 22 0 290 105 1 | 588 | 22.96 5.95 3.74 0.00 49.32 17.86 0.17 | 100.00 | 8.30 10.97 8.00 0.00 22.04 36.08 7.69 | 15.05 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIb | 17 6 4 0 37 13 1 | 78 | 21.79 7.69 5.13 0.00 47.44 16.67 1.28 | 100.00 | 1.04 1.88 1.45 0.00 2.81 4.47 7.69 | 2.00 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- Total | 1627 319 275 65 1316 291 13 | 3906 | 41.65 8.17 7.04 1.66 33.69 7.45 0.33 | 100.00

| 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 | 100.00

117

Tabelle A2d: Mobilitätstabelle für die Kohorte 1950-1959; Zellbesetzungen, Abstromraten und Zustromraten

Vaters | Klasse 7er | Befragter Klasse 7er Schema Schema | I/II IIIab IVab IVc V/VI VIIa VIIb | Total -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- I/II | 424 93 34 0 132 29 4 | 716 | 59.22 12.99 4.75 0.00 18.44 4.05 0.56 | 100.00 | 32.29 24.80 17.71 0.00 9.40 8.38 21.05 | 19.31 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IIIab | 170 54 28 0 104 18 0 | 374 | 45.45 14.44 7.49 0.00 27.81 4.81 0.00 | 100.00 | 12.95 14.40 14.58 0.00 7.41 5.20 0.00 | 10.09 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVab | 109 17 43 2 77 16 1 | 265 | 41.13 6.42 16.23 0.75 29.06 6.04 0.38 | 100.00 | 8.30 4.53 22.40 3.39 5.48 4.62 5.26 | 7.15 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVc | 58 19 16 55 91 16 3 | 258 | 22.48 7.36 6.20 21.32 35.27 6.20 1.16 | 100.00 | 4.42 5.07 8.33 93.22 6.48 4.62 15.79 | 6.96 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- V/VI | 428 143 57 1 683 135 7 | 1454 | 29.44 9.83 3.92 0.07 46.97 9.28 0.48 | 100.00 | 32.60 38.13 29.69 1.69 48.65 39.02 36.84 | 39.21 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIa | 113 45 14 1 282 126 2 | 583 | 19.38 7.72 2.40 0.17 48.37 21.61 0.34 | 100.00 | 8.61 12.00 7.29 1.69 20.09 36.42 10.53 | 15.72 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIb | 11 4 0 0 35 6 2 | 58 | 18.97 6.90 0.00 0.00 60.34 10.34 3.45 | 100.00 | 0.84 1.07 0.00 0.00 2.49 1.73 10.53 | 1.56 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- Total | 1313 375 192 59 1404 346 19 | 3708 | 35.41 10.11 5.18 1.59 37.86 9.33 0.51 | 100.00

| 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 100.00 | 100.00

118

Tabelle A2e: Mobilitätstabelle für die Kohorte 1960-1969; Zellbesetzungen, Abstromraten und Zustromraten

Vaters | Klasse 7er | Befragter Klasse 7er Schema Schema | I/II IIIab IVab IVc V/VI VIIa VIIb | Total -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- I/II | 190 52 25 1 116 24 2 | 410 | 46.34 12.68 6.10 0.24 28.29 5.85 0.49 | 100.00 | 37.40 24.30 31.25 3.85 12.87 9.84 7.69 | 20.51 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IIIab | 64 29 4 1 70 16 1 | 185 | 34.59 15.68 2.16 0.54 37.84 8.65 0.54 | 100.00 | 12.60 13.55 5.00 3.85 7.77 6.56 3.85 | 9.25 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVab | 39 19 16 1 45 11 1 | 132 | 29.55 14.39 12.12 0.76 34.09 8.33 0.76 | 100.00 | 7.68 8.88 20.00 3.85 4.99 4.51 3.85 | 6.60 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- IVc | 18 9 4 23 49 10 6 | 119 | 15.13 7.56 3.36 19.33 41.18 8.40 5.04 | 100.00 | 3.54 4.21 5.00 88.46 5.44 4.10 23.08 | 5.95 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- V/VI | 150 81 24 0 481 111 8 | 855 | 17.54 9.47 2.81 0.00 56.26 12.98 0.94 | 100.00 | 29.53 37.85 30.00 0.00 53.39 45.49 30.77 | 42.77 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIa | 43 23 6 0 127 67 6 | 272 | 15.81 8.46 2.21 0.00 46.69 24.63 2.21 | 100.00 | 8.46 10.75 7.50 0.00 14.10 27.46 23.08 | 13.61 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- VIIb | 4 1 1 0 13 5 2 | 26 | 15.38 3.85 3.85 0.00 50.00 19.23 7.69 | 100.00 | 0.79 0.47 1.25 0.00 1.44 2.05 7.69 | 1.30 -----------+-----------------------------------------------------------------------------+---------- Total | 508 214 80 26 901 244 26 | 1999 | 25.41 10.71 4.00 1.30 45.07 12.21 1.30 | 100.00

Tabelle A3: Angaben zu den Randverteilungen und den Selbstrekrutierungsraten der Zielklassen (inflow rates) in Prozent für drei Befragungsperioden

Randverteilungen der Zielklassen Selbstrekrutierung der Klassen

1976-1980 (N=5567)

1982-1990 (N=7061)

1991-1999 (N=3573)

1976-1980 (N=5567)

1982-1990 (N=7061)

1991-1999 (N=3573)

I/II 33.0 33.6 35.8 33.9 33.4 36.3 IIIab 9.5 9.2 8.6 13.9 14.2 14.7 IVab 5.8 6.8 6.2 35.5 35.1 20.8 IVc 2.2 1.9 2.2 90.1 92.5 92.5 V/VI 37.9 37.4 36.4 46.2 48.9 53.1 VIIa 11.0 10.5 10.1 34.2 30.5 28.3 VIIb 0.7 0.6 0.7 29.3 15.6 4.0

V/VI VIIa 49.6 48.5 47.2 VIIb

Tabelle A4: Totale Mobilitätsrate (TMR) und ihre Aufteilung in vertikale (TV) und horizontale (TNV) sowie in Aufwärts- (TU) und Abwärtsmobilität (TD) jeweils in Prozent für drei Befragungsperioden

1976-1980 (N=5567)

1982-1990 (N=7061)

1991-1999 (N=3573)

TMR 62.0 61.8 60.2

TV 45.0 45.3 46.0 TNV 17.0 16.5 14.2 TV/TNV 2.6 2.7 3.2

TU 32.3 32.1 32.0 TD 12.7 13.2 14.0 TU/TD 2.6 2.4 2.3

119

Tabelle A5: Constant Social Fluidity Modell und UNIDIFF Modell mit 5-Klassen-Schema für vier Kohorten 1912-1919, 1920-1929, 1930-1939 und 1940-1949; Replikation der Ergebnisse aus Erikson/Goldthorpe (1992)

Erikson/ Goldthorpe 1992 neuer Mobilitätsdatensatz

Constant Social Fluidity Modell

N 3570 10211 df 48 48 G2 81.9 67.3 sig. 0.00 0.03

UNIDIFF Modell

N 3570 10211 df 45 45 G2 69.1 58.0 sig. 0.01 0.09

UNIDIFF-Parameter 1912-1919 1920-1929 1930-1939 1940-1949

Erikson/Goldthorpe 1.0 0.87 1.18 0.95 eigene Berechnungen 1.0 0.89 1.04 0.95

Berichtete Ergebnisse aus Erikson/Goldthorpe (1992: 89, 94)

120

Tabelle A6: Fit Statistiken für Constant Social Fluidity- und UNIDIFF Modelle für sieben Klassen plus Arbeitslosenkategorie; für sieben Kohorten und drei Befragungsperioden*

Art des Modells N df G2 sig. ∆ BIC rG2 df ∆G2

Untersuchung nach Kohorten

Unabhängigkeitsmodell (B1=O,D,C,OC,DC) 16265 294 4679.0 0.00 19.85 1828.2 -

CnSF (B1 + OD) 16265 252 387.5 0.00 4.31 -2056.1 91.7 -

UNIDIFF (B1 + φOD,C*XOD) 16265 246 350.8 0.00 3.66 -2034.6 92.5 6

36.7

UNIDIFF linear (B1 + φOD,lin(C)*XOD) 16265 251 366.6 0.00 3.83 -2071.3 92.1 1

20.9

Untersuchung nach Perioden

Unabhängigkeitsmodell (B2=O,D,P,OP,DC) 16265 126 4460.8 0.00 19.26 3239.0 -

CnSF (B2 + OD) 16265 84 98.6 0.12 2.14 -714.9 97.8 -

UNIDIFF (B2 + φOD,P*XOD) 16265 82 98.5 0.10 2.11 -696.6 97.8 2

0.1

UNIDIFF linear (B2 + φOD,lin(P)*XOD) 16265 83 98.6 0.12 2.10 -706.2 97.8 1

0.0

UNIDIFF-Parameter

1912-19 1920-29 1930-39 1940-49 1950-59 1960-69 1970-79 linear

für sieben Kohorten 1.0 0.89 0.98 0.89 0.77 0.73 0.79 -0.052

1976-80 1982-90 1991-99 linear

für drei Perioden 1.0 0.97 0.95 -0.029

* Die Arbeitslosigkeit wird als weitere, achte Zielklasse eingeführt. Es werden die Kohorten 1912-1919, 1920-1929, 1930-1939, 1940-1949, 1950-1959, 1960-1969 und 1970-1979 sowie die Befragungsperioden 1976-1980, 1982-1990 und 1991-1999 untersucht. Kursivschrift in der Spalte df/∆G2 bedeutet signifikant auf dem 5%-Niveau.

121

Tabelle A7: Fit Statistiken für verschiedene Modelle zur Bewertung der Einflussstärke von Bildung und sozialer Herkunft; nach A-P-K-Design ohne Bildungsmis-sings

Art des Modells N df G2 sig. ∆ BIC rG2 df ∆G2

Unabhängigkeitsmodell (B1=O,D,E,C,OC,DC,EC,OE) 12410 1116 9900.8 0.00 34.81 -618.9 -

mit sozialer Herkunft (B1 + OD) 12410 1080 6388.5 0.00 26.95 -3791.9 35.5

mit Bildung (B1 + ED) 12410 1092 2684.7 0.00 12.97 -7608.8 72.9 -

mit Bildung und sozialer Her-kunft (B1 + ED + OD)

12410 1056 998.4 0.90 7.46 89.9 36 1686.3 -8955.7

Kursivschrift in der Spalte df/∆G2 bedeutet signifikant auf dem 5%-Niveau.

122

Tabelle A8: Beispiel für einen LEM-Output (gekürzte Fassung) LEM: log-linear and event history analysis with missing data. Developed by Jeroen Vermunt (c), Tilburg University, The Netherlands. Version 1.0 (September 18, 1997). *** INPUT *** * Diplomarbeit * Analyse des Gesamtmodells fuer Zusammenhang Bildung und soziale Mobilitaet * Modell 4: UNIDIFF fuer OE und ED, CnSF fuer OD * Dateiname: Dipl_Modell4.inp * letzte Berechnung: 26.03.2001 * Bearbeiter: Reinhard Pollak man 4 dim 5 5 7 7 lab E C O D mod OC {OC} E|OC {CE,fac(OE,24,C,b)} D|COE {CD,fac(DE,24,C,b),OD)} dum 1 1 7 7 ite 10000 des [ 1 2 3 4 0 5 6 7 8 0 9 10 11 12 0 13 14 15 16 0 17 18 19 20 0 21 22 23 24 0 0 0 0 0 0 1 2 3 4 0 5 6 7 8 0 9 10 11 12 0 13 14 15 16 0 17 18 19 20 0 21 22 23 24 0 0 0 0 0 0 ] dat ~1\Diplomarbeit\Analysen\coheduc.fre

123

*** STATISTICS *** Number of iterations = 7642 Converge criterion = 0.0000009996 X-squared = 1064.8367 (0.3518) L-squared = 963.8406 (0.9696) Cressie-Read = 965.2675 (0.9673) Dissimilarity index = 0.0712 Degrees of freedom = 1048 Log-likelihood = -68753.47275 Number of parameters = 176 (+1) Sample size = 12410.5 BIC(L-squared) = -8914.9189 AIC(L-squared) = -1132.1594 BIC(log-likelihood) = 139165.9738 AIC(log-likelihood) = 137858.9455 WARNING: no information is provided on identification of parameters Häufigkeiten und bedingte Wahrscheinlichkeiten werden weggelassen (ergäben 44 Seiten Output) *** PSEUDO R-SQUARED MEASURES *** * P(E|CO) * baseline fitted R-squared entropy 1.3643 1.2231 0.1035 qualitative variance 0.3453 0.3141 0.0904 classification error 0.5224 0.4705 0.0993 -2/N*log-likelihood 2.7285 2.4462 0.1035/0.2202 likelihood^(-2/N) 15.3106 11.5446 0.2460/0.2632 * P(D|ECO) * baseline fitted R-squared entropy 1.4650 1.0984 0.2503 qualitative variance 0.3584 0.2679 0.2525 classification error 0.6307 0.3887 0.3838 -2/N*log-likelihood 2.9301 2.1967 0.2503/0.4231 likelihood^(-2/N) 18.7290 8.9952 0.5197/0.5490 *** LOG-LINEAR PARAMETERS *** * TABLE CO [or P(CO)] * effect beta exp(beta) C 1 0.0000 1.0000 2 0.5181 1.6789 3 0.3603 1.4338 4 -0.0991 0.9057 5 -1.3297 0.2646 O 1 1.4410 4.2248 2 0.9566 2.6029 3 1.2605 3.5270

124

4 1.5141 4.5454 5 2.3554 10.5427 6 1.5347 4.6398 7 0.0000 1.0000 CO 1 1 0.0000 1.0000 1 2 0.0000 1.0000 1 3 -0.0000 1.0000 1 4 -0.0000 1.0000 1 5 0.0000 1.0000 1 6 0.0000 1.0000 1 7 0.0000 1.0000 2 1 0.2987 1.3481 2 2 0.0840 1.0876 2 3 0.0159 1.0160 2 4 -0.1337 0.8749 2 5 0.1542 1.1667 2 6 0.0990 1.1041 2 7 0.0000 1.0000 3 1 0.9275 2.5282 3 2 0.6759 1.9659 3 3 0.3381 1.4023 3 4 -0.1787 0.8364 3 5 0.4936 1.6382 3 6 0.4852 1.6245 3 7 0.0000 1.0000 4 1 1.0028 2.7258 4 2 0.8101 2.2482 4 3 0.1958 1.2163 4 4 -0.0676 0.9346 4 5 0.8011 2.2281 4 6 0.7007 2.0153 4 7 0.0000 1.0000 5 1 1.4028 4.0666 5 2 0.9351 2.5474 5 3 0.1931 1.2130 5 4 -0.0944 0.9099 5 5 1.0197 2.7723 5 6 0.5866 1.7978 5 7 0.0000 1.0000 * TABLE ECO [or P(E|CO)] * effect beta exp(beta) E 1 0.0000 1.0000 2 0.9092 2.4824 3 0.1695 1.1847 4 -1.6830 0.1858 5 -0.5792 0.5603 EC 1 1 0.0000 1.0000 1 2 0.0000 1.0000 1 3 0.0000 1.0000 1 4 0.0000 1.0000 1 5 0.0000 1.0000 2 1 0.0000 1.0000 2 2 0.2079 1.2310 2 3 0.6880 1.9897 2 4 0.7526 2.1225 2 5 0.7092 2.0323 3 1 0.0000 1.0000

125

3 2 0.0775 1.0806 3 3 1.0329 2.8092 3 4 1.4026 4.0656 3 5 1.7187 5.5772 4 1 -0.0000 1.0000 4 2 -0.1025 0.9026 4 3 0.7190 2.0524 4 4 1.7641 5.8361 4 5 2.1783 8.8316 5 1 0.0000 1.0000 5 2 0.3730 1.4521 5 3 1.3514 3.8626 5 4 1.7018 5.4837 5 5 1.7282 5.6304 C [fac(EO)] 1 1.0000 2 0.9703 3 0.8701 4 0.7995 5 0.7086 fac(EO) [C] 1 -1.7421 0.1752 2 -1.6603 0.1901 3 -1.0354 0.3551 4 1.2716 3.5666 5 1.6577 5.2470 6 1.9994 7.3848 7 -0.6495 0.5223 8 -0.6613 0.5162 9 1.0147 2.7586 10 0.8927 2.4416 11 1.6313 5.1103 12 1.6588 5.2529 13 -0.4360 0.6466 14 -0.0834 0.9200 15 -0.0416 0.9593 16 0.1056 1.1114 17 0.1698 1.1851 18 1.3647 3.9146 19 0.2438 1.2761 20 0.6235 1.8655 21 0.7149 2.0440 22 0.5117 1.6682 23 0.6200 1.8589 24 1.4014 4.0610 * TABLE ECOD [or P(D|ECO)] * effect beta exp(beta) D 1 1.8084 6.1006 2 1.2910 3.6363 3 1.8034 6.0700 4 -1.4921 0.2249 5 2.4072 11.1027 6 0.2241 1.2512 7 0.0000 1.0000 CD 1 1 0.0000 1.0000 1 2 0.0000 1.0000 1 3 0.0000 1.0000 1 4 0.0000 1.0000

126

1 5 0.0000 1.0000 1 6 0.0000 1.0000 1 7 0.0000 1.0000 2 1 0.8587 2.3600 2 2 0.7166 2.0474 2 3 1.0946 2.9880 2 4 0.9125 2.4906 2 5 0.8524 2.3453 2 6 0.3862 1.4714 2 7 0.0000 1.0000 3 1 0.8447 2.3273 3 2 0.7609 2.1403 3 3 0.9566 2.6029 3 4 0.7940 2.2121 3 5 0.8482 2.3355 3 6 0.3500 1.4190 3 7 0.0000 1.0000 4 1 -0.0589 0.9428 4 2 0.1878 1.2065 4 3 0.2018 1.2236 4 4 0.3322 1.3941 4 5 0.4046 1.4986 4 6 0.0566 1.0582 4 7 0.0000 1.0000 5 1 -1.2505 0.2864 5 2 -0.8696 0.4191 5 3 -1.0989 0.3332 5 4 -0.6907 0.5012 5 5 -0.4570 0.6332 5 6 -0.3892 0.6776 5 7 0.0000 1.0000 OD 1 1 2.3922 10.9380 1 2 2.2435 9.4259 1 3 2.2713 9.6924 1 4 0.8765 2.4025 1 5 1.0887 2.9704 1 6 0.5664 1.7618 1 7 0.0000 1.0000 2 1 2.4796 11.9365 2 2 2.7671 15.9121 2 3 2.3454 10.4371 2 4 0.0781 1.0812 2 5 1.5202 4.5730 2 6 0.9297 2.5337 2 7 -0.0000 1.0000 3 1 7.2786 1.45E+0003 3 2 7.1525 1.28E+0003 3 3 8.4642 4.74E+0003 3 4 6.8315 926.5738 3 5 6.2246 505.0059 3 6 6.1209 455.2642 3 7 -0.0000 1.0000 4 1 0.8196 2.2695 4 2 1.0201 2.7736 4 3 1.1101 3.0347 4 4 4.1504 63.4583 4 5 0.3707 1.4487 4 6 0.3583 1.4308 4 7 0.0000 1.0000 5 1 1.9342 6.9186 5 2 2.0002 7.3907

127

5 3 1.6427 5.1692 5 4 0.2602 1.2972 5 5 1.5942 4.9243 5 6 0.9368 2.5519 5 7 -0.0000 1.0000 6 1 1.4329 4.1910 6 2 1.4140 4.1123 6 3 0.9677 2.6320 6 4 -0.2408 0.7860 6 5 1.1924 3.2948 6 6 1.2768 3.5851 6 7 0.0000 1.0000 7 1 0.0000 1.0000 7 2 0.0000 1.0000 7 3 0.0000 1.0000 7 4 0.0000 1.0000 7 5 -0.0000 1.0000 7 6 0.0000 1.0000 7 7 0.0000 1.0000 C [fac(ED)] 1 1.0000 2 1.1931 3 1.1295 4 1.1379 5 1.0320 fac(ED) [C] 1 -1.0074 0.3652 2 -0.7978 0.4503 3 -1.7232 0.1785 4 0.4460 1.5621 5 3.1243 22.7448 6 1.2066 3.3422 7 0.7910 2.2057 8 0.7507 2.1185 9 1.4081 4.0883 10 1.8225 6.1872 11 2.7658 15.8918 12 1.6342 5.1256 13 -0.5872 0.5559 14 -1.5835 0.2053 15 -0.7125 0.4904 16 -0.7684 0.4637 17 -1.5954 0.2028 18 1.7882 5.9784 19 0.5248 1.6901 20 -0.0750 0.9277 21 0.7061 2.0262 22 1.5341 4.6373 23 -3.4691 0.0311 24 3.2672 26.2382

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Erklärung nach § 31 der Prüfungsordnung für den Diplomstudiengang Sozialwissenschaften an der Universität Mannheim

Ich versichere, dass ich diese Diplomarbeit ohne Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Diese Arbeit hat in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.

Mannheim, den 31. März 2001

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