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Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr.: 72, 18. Oktober 2006 Autor: Werner Heß _________________________________________________________________ Biomasse – Renaissance einer Energiequelle Inhalt Zusammenfassung 1. Einleitung 2. Biomasse – vielseitiger Energieträger mit beachtlichem Potenzial 3. Feste Biomasse für die Wärmegewinnung 4. Rasant wachsender Markt für Biokraftstoffe 5. Neue Perspektiven für Biogas 6. Schafft Bioenergie zusätzliche Einkommen für die Landwirtschaft? 7. Fazit Verwendete Literatur

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Allianz Dresdner Economic Research Working Paper Nr.: 72, 18. Oktober 2006 Autor: Werner Heß _________________________________________________________________

Biomasse – Renaissance einer Energiequelle Inhalt Zusammenfassung 1. Einleitung 2. Biomasse – vielseitiger Energieträger mit beachtlichem Potenzial

3. Feste Biomasse für die Wärmegewinnung 4. Rasant wachsender Markt für Biokraftstoffe 5. Neue Perspektiven für Biogas 6. Schafft Bioenergie zusätzliche Einkommen für die Landwirtschaft? 7. Fazit Verwendete Literatur

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Zusammenfassung

Die Möglichkeiten der energetischen Nutzung von Biomasse sind besonders vielfältig: Sie eignet sich

nicht nur zur Erzeugung von Strom und Wärme, sondern auch zur Gewinnung von biogenen Kraftstof-

fen, die herkömmliche fossile Treibstoffe ersetzen können. Das derzeit in Deutschland nutzbare Po-tenzial an Biomasse besteht zum weitaus größten Teil aus Holz (156 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr),

gefolgt von halmgutartigen Stoffen (8 bis 53 Mrd.), sonstigen Rückständen (40 Mrd.) und Energie-

pflanzen (24 bis 28 Mrd.). Die verschiedenen Arten von Biomasse lassen sich auf sehr unterschiedli-

che Weise aufbereiten und in feste, flüssige oder gasförmige Veredelungsprodukte umwandeln. Län-

gerfristig angelegte Schätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass Biomasse in Deutschland bis zum

Jahr 2030 bis zu 17% des Primärenergieverbrauchs decken könnte.

Der weitaus überwiegende Teil der festen Biomasse (über 90 %) wird heute in Anlagen zur Wärme-

gewinnung genutzt. Neben der traditionellen Stückholzbefeuerung werden im häuslichen Bereich zu-

nehmend die als besonders zukunftsträchtig geltenden innovativen Pelletheizungen eingesetzt. Für

einen verstärkten Einsatz von Biomasse in Heizwerken und Heizkraftwerken ist der Aufbau von Nah-

wärmenetzen eine entscheidende Voraussetzung. Impulse sind aber auch von innovativen, effiziente-

ren Formen der Nutzung von fester Biomasse zu erwarten. Eine weitere Nutzungsoption ist die Mit-

verbrennung in Kohlekraftwerken.

Obwohl das Interesse an umweltfreundlichen Biokraftstoffen in den letzten Jahren stark zugenom-

men hat, liegt deren Anteil am gesamten Kraftstoffverbrauch in Deutschland erst bei gut 3½ %. Dies

liegt daran, dass Biokraftstoffe gegenüber traditionellen Treibstoffen bei weitem noch nicht wettbe-

werbsfähig sind. Zur Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit beigetragen hat aber, dass sie ab Anfang

2004 vollständig von der Mineralölsteuer befreit waren. Allerdings reduziert das neue Energiesteuer-

gesetz die bisherigen steuerlichen Vergünstigungen. In Zukunft kann mit einem noch weitaus stärke-

ren Wachstum der Märkte für Biokraftstoffe als bisher gerechnet werden. Neben der staatlichen För-

derung begünstigen hohe bzw. steigende Erdölpreise die zunehmende Verwendung von Biokraftstof-

fen. In Europa ist ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber herkömmlichen Kraftstoffen allerdings erst bei

Ölpreisen von 80 bis 100 USD (Biodiesel) bzw. 90 bis 110 USD (Bioethanol) pro Barrel erreicht. Infol-

ge der zu erwartenden dynamischen Marktentwicklung ist mit umfangreichen Investitionen in neue

Technologien und entsprechende Raffinerie-Kapazitäten zu rechnen. Generell ist die derzeitige Pro-

duktion von Biokraftstoffen im Vergleich zur Nutzung von Biomasse für die Erzeugung von Strom und

Wärme aufwendig und teuer. Doch momentan bieten primär Biokraftstoffe einen Lösungsansatz, um

die hohe Abhängigkeit des Verkehrssektors von Ölimporten zu verringern. Zusätzliches Potenzial für

einen effizienteren Einsatz von Biokraftstoffen entsteht längerfristig durch die Einführung neuer Tech-

nologien (Ethanol aus Lignozellulose, Biomass-to-Liquids, Biogas), die auf einer wesentlich breiteren

Rohstoffbasis beruhen und die gesamte Pflanze sowie Rest- und Abfallstoffe verwerten können.

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Mit dem im August 2004 in Kraft getretenen novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Vor-

aussetzungen der energetischen Nutzung von Biomasse im Strombereich entscheidend verbessert

hat, setzte ein regelrechter Bauboom von Anlagen zur Gewinnung von Biogas ein. Dessen Möglich-

keiten der Verwertung erstrecken sich von der Wärmegewinnung mit Hilfe einfacher Gasheizkessel

über die kombinierte Wärme- und Stromgewinnung in Blockheizkraftwerken oder über Brennstoffzel-

len bis hin zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Gegenwärtig wird Biogas vor allem in der

Stromproduktion eingesetzt, die Potenziale im Wärme- und Kraftstoffsektor sind bisher kaum er-

schlossen. Hier eröffnen sich in Zukunft neue Perspektiven. Denn grundsätzlich lässt sich entschwe-

feltes und gereinigtes Biogas ähnlich vielseitig nutzen wie Erdgas. Insofern bietet sich über die Ein-

speisung in das Erdgasnetz eine interessante Perspektive für die kombinierte Strom- und Wärmenut-

zung. Schätzungen zufolge könnte Biogas in Deutschland bis zum Jahr 2030 über 10 % des Erdgas-

absatzes ersetzen.

Durch die Produktion von Biomasse und deren Umwandlung in Energie eröffnen sich für die heimi-

sche Landwirtschaft neue Erwerbschancen. Gleichwohl besteht ein Konflikt zwischen der Förderung

von Bioenergie und der Förderung des Agrarsektors. Um konkurrenzfähig zu sein, muss Bioenergie

aus möglichst kostengünstigen Rohstoffen produziert werden. Dies jedoch widerspricht dem Ziel der

Förderung der Landwirtschaft, die in Deutschland nur über höhere Preise zu erreichen ist, da zusätzli-

che Flächen kaum verfügbar sind. Daher ist das Ziel der Schaffung von zusätzlichen Einkommen im

heimischen Agrarsektor durch die Förderung von Bioenergie kaum zu erreichen. Dies gilt insbesonde-

re unter den sich längerfristig abzeichnenden Rahmenbedingungen steigender Erdölpreise und eines

stärker liberalisierten Welthandels. Dagegen könnten sich gute Chancen für die Schaffung dauerhaft

wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze im Bereich des Anlagenbaus zur Umwandlung von Biomasse er-

geben, wenn man in diesem Marktsegment von Anfang an konsequent auf technologischen Vor-

sprung und Exportorientierung setzt.

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1. Einleitung Erneuerbare Energien sind die Energiequelle, die der Mensch am allerlängsten nutzt. In der vorindus-

triellen Zeit beruhte sogar die gesamte Energieversorgung überwiegend auf den regenerativen Quel-

len Wasserkraft, Wind und Biomasse. Mit zunehmender Industrialisierung wurde dann der Anteil er-

neuerbarer Energien an der Weltenergieversorgung durch die fossilen Energieträger immer mehr zu-

rückgedrängt. Mittlerweile ist aber ein Punkt erreicht, an dem wir diesen Prozess wieder umkehren

müssen: In den nächsten Jahrzehnten geht es bei der Energieversorgung im Wesentlichen darum, die

fossilen Energieträger sukzessive durch erneuerbare Energien zu ersetzen.

Nicht nur, weil Knappheiten bei den fossilen Energieträgern längerfristig zu deutlich höheren Preisen

führen, sondern vor allem auch, weil die mit ihrer Verbrennung verbundenen Klimaprobleme schon

heute Einschränkungen des Verbrauchs notwendig machen. Das Kernproblem besteht darin, den

weltweit steigenden Energiebedarf zu decken – gleichzeitig aber auch Rohstoffe zu sparen und klima-

schädliche Emissionen zu senken. Die Industrieländer haben dieses Problem erkannt und fördern

deshalb die Nutzung erneuerbarer Energiequellen. Hierbei kommt neben der Windkraft und der Solar-

energie gerade die Biomasse wieder verstärkt zum Einsatz, denn die Möglichkeiten ihrer energeti-

schen Nutzung sind besonders vielfältig: Biomasse eignet sich nicht nur zur Erzeugung von Strom und

Wärme, sondern auch zur Gewinnung von biogenen Kraftstoffen, die herkömmliche fossile Treibstoffe

ersetzen können. Im Jahr 2005 stammten gut 67½ % der aus erneuerbaren Energien bereitgestellten

Endenergie aus Biomasse (siehe Tabelle 1). Hiervon wiederum entfielen 68 % auf Wärme, 20 % auf

Kraftstoffe und 12 % auf Strom.

Das vorliegende Working Paper beleuchtet die längerfristigen Perspektiven der verschiedenen energetischen Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse. Nach einem Überblick über die techni-schen Umwandlungsverfahren und die Potenziale der Biomasse in Deutschland (Abschnitt 2)

werden die drei Haupteinsatzfelder dieses Energieträgers betrachtet. Für den verstärkten Einsatz fes-ter Biomasse für die Wärmegewinnung in Heizwerken und Heizkraftwerken ist der Ausbau von Nah-

wärmesystemen eine wichtige Voraussetzung ebenso wie technologische Weiterentwicklungen bei

der Nutzung von Festbrennstoffen (Abschnitt 3). Auf dem Markt für Biokraftstoffe ist in Zukunft mit

einem noch weitaus stärkeren Wachstum als bisher zu rechnen. Dabei werden neben Biodiesel, Bio-

ethanol und dem Erdgassubstitut durch Aufbereitung von Biogas auch BTL-Kraftstoffe (Biomass-to-

Liquid) zunehmend Anteile am Kraftstoffmarkt gewinnen (Abschnitt 4). Für die Vergärung von Bio-

masse zu Biogas, das bisher hauptsächlich der Stromerzeugung dient, bieten sich künftig im Wärme-

und Kraftstoffsektor neue Perspektiven durch den verstärkten Einsatz von Energiepflanzen und die

Aufbereitung von Biogas zu Erdgas (Abschnitt 5). Der abschließende Abschnitt 6 geht der Frage nach,

ob durch die staatliche Förderung von Bioenergie zusätzliche Arbeitsplätze in der Landwirtschaft entstehen können.

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Tabelle 1

Bereitstellung von Endenergie aus erneuerbaren Energien für Strom, Wärme und Kraftstoffe

2005 2000 GWh Anteil in % GWh Anteil in %

Stromerzeugung

Wasserkraft Windenergie Biomasse Fotovoltaik Geothermie

62.468 21.524 26.500 13.444 1.000 0,2

37,8 13,0 16,0 8,1 0,6 -

36.679 24.936 7.550 4.129 64 -

38,1 25,9 7,8 4,3 0,1 -

Wärmeerzeugung

Biomasse Solarthermie Geothermie

80.560 76.014 2.960 1.586

48,7 46,0 1,8 1,0

57.026 54.314 1.279 1.433

59,2 56,4 1,3 1,5

Kraftstoffe

Biodiesel Pflanzenöl Bioethanol

22.330 18.600 2.047 1.683

13,5 11,2 1,2 1,0

2.583 2.583 - -

2,7 2,7 - -

Insgesamt 165.358 100,0 96.288 100,0

Quellen: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit; eigene Berechnungen.

2. Biomasse – vielseitiger Energieträger mit beachtlichem Potenzial Als Biomasse bezeichnet man ganz allgemein die Gesamtheit der in einem Lebensraum vorkommen-

den organischen Substanz. Sie umfasst damit alle Pflanzen und Tiere sowie deren Abfall- und Rest-

stoffe. Grundsätzlich ist dabei zu unterscheiden zwischen schon vorhandenen Rückständen, Neben-produkten und Abfällen (z.B. Rest- und Abfallholz, Stroh oder organische Abfälle aus Landwirt-

schaft, Industrie und Gewerbe) und eigens für die energetische Nutzung angebauten Energiepflan-zen (nachwachsende Rohstoffe). Beide Arten von Biomasse lassen sich auf sehr unterschiedliche

Weise aufbereiten und in die gewünschte Energieform umwandeln (siehe Schaubild 1).

Bei den Techniken zur Umwandlung von Biomasse (biogene Primärenergie) in feste, flüssige oder

gasförmige Veredelungsprodukte (Sekundärenergieträger) unterscheidet man thermochemische, phy-

sikalisch-chemische und biochemische Verfahren. Bei der thermochemischen Umwandlung (Ver-

kohlung, Verflüssigung bzw. Pyrolyse, Vergasung) werden die organischen Stoffe in erster Linie durch

den Einsatz von Wärme umgewandelt. Einige Biomassen (z.B. Raps- oder Sonnenblumensaat) ent-

halten Öle und Fette, die mit Hilfe von physikalisch-chemischen Verfahren gewonnen werden. Da-

bei kann noch eine Umesterung notwendig werden, damit der gewonnene Biodiesel (Rapsölmethyles-

ter – RME) in herkömmlichen Dieselmotoren einsetzbar ist. Bei den biochemischen Verfahren er-

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folgt die Umwandlung der Biomasse mit Hilfe von Mikroorganismen. Von Bedeutung ist dabei vor al-

lem der anaerobe Abbau organischer Stoffe, bei dem durch die Aktivität bestimmter Bakterien ein

Mischgas (Biogas) gebildet wird, das zu 55 bis 70% aus Methan besteht.

Ernergetische Nutzung von BiomasseSchaubild 1

Energiepflanzen

keineUmwand-

lung

holzartig

Rückstände, Nebenprodukte und Abfälle

Biomasse

flüssige Brennstoffe

Pressung/Extraktion

feste Brennstoffe

thermochemischeUmwandlung

gasförmigeBrennstoffe

halmgutartig sonstige

physikalisch-chemischeUmwandlung

biochemischeUmwandlung

Ver-gasung

Ver-flüssigung

Alkohol-gärung

anaeroberAbbau

Umesterung

Ver-kohlung

z. B.Holzpellets Kohle Synthesegas Pyrolyseöl Pflanzenöl Biodiesel Ethanol Biogas

Quellen: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe; eigene Darstellung.

Nach Schätzungen des Wuppertal Instituts existieren in Deutschland signifikante Potenziale von Biomasse für die energetische Nutzung (siehe Tabelle 2). Das mit Abstand größte Potenzial besteht

für Holz (157 Mrd. Kilowattstunden pro Jahr), gefolgt von halmgutartigen Stoffen (53 bzw. 8), sonsti-

gen Rückständen (40) und Energiepflanzen (28 bzw. 24). Die Nutzung der bestehenden Potenziale

von Biomasse hängt im Wesentlichen ab von den Brennstoffkosten der biogenen Energieträger, den

fixen und variablen Kosten der Konversionsanlagen und ordnungsrechtlichen Anforderungen (z.B.

Baurecht), die wesentliche Auswirkungen auf die Investitionskosten der Anlagen haben. Letztlich ent-

scheidend sind damit die Bereitstellungskosten für Energie aus Biomasse im Vergleich zu anderen

klassischen und regenerativen Energiequellen.

Das Wachstum des Potenzials der Biomasse ist mit der Entwicklung in der Forst- und Landwirt-

schaft sowie in der Abfallwirtschaft verbunden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, inwieweit der Anbau von

Biomasse mit dem Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln sowie der Flächennutzung für Siedlung

und Verkehr konkurriert. Da in Deutschland bei den landwirtschaftlichen, industriellen und kommuna-

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len Reststoffen u.a. aufgrund sinkender Bevölkerungszahlen tendenziell stagnierende bis rückläufige

Mengen zu erwarten sind, wird die künftig verfügbare Biomasse maßgeblich durch die Entwicklung

der Anbauflächen und der Ernteerträge von nachwachsenden Rohstoffen bestimmt.

Tabelle 2

Potenziale von Biomasse in Deutschland

Energieträgerpotenzial Mrd. Kilowattstunden pro Jahr als biogener

Festbrennstoff nach Umwandlung

zu Biogas

Rückstände, Nebenprodukte und Abfälle- holzartige Waldrestholz Schwachholz Zusätzlich nutzbares Waldholz Landschaftspflegeholz Industrieholz Altholz

156,6 46,9 34,2 36,7 1,1 15,8 21,7

0 - - - - - -

- halmgutartige Stroh Gras aus Dauergrünland Landschaftspflegematerial

53,5 * 36,1 12,8 * 4,6 *

8,6 * - 5,3 * 3,3 *

- sonstige Exkremente und Einstreu Ernterückstände Abfälle aus Gewerbe und Industrie Siedlungsabfälle

0 - - - -

39,6 26,7 5,0 3,5 4,4

Energiepflanzen 28,1 * 24,0 *

Gesamtsumme 238,2 72,2

* Diese Stoffströme können entweder als Festbrennstoffe oder nach biochemischer Umwandlung als Biogas eingesetzt werden. Quelle: Wuppertal Institut u. a.

Beim derzeitigen Bioenergie-Mix ist von einem Energie-Ertrag von rund 2,4 Tonnen Steinkohleeinhei-

ten (SKE) pro Hektar Ackerfläche auszugehen. Die in Deutschland insgesamt genutzte Ackerfläche

liegt bei 11,7 Millionen Hektar. Würde die Hälfte dieser Fläche für die Produktion von Bioenergie mit

der vorhandenen Technologie genutzt, ließen sich damit brutto 14 Millionen Tonnen SKE Energie her-

stellen. Das entspricht einem Anteil von knapp 5 % am gesamten Endenergieverbrauch in Deutsch-

land. Einen deutlich höheren Anteil könnte man mit einem veränderten Bioenergie-Mix erzielen. So

ermöglicht z.B. die Getreide-Ganzpflanzenverbrennung Energieerträge in der Größenordnung von 7

Tonnen SKE pro Hektar Ackerfläche, so dass mit der Hälfte der deutschen Ackerfläche ein Anteil von

etwa 13 % des Endenergieverbrauchs (brutto) gedeckt werden könnte. Zum Vergleich: Derzeit beträgt

der gesamte Endenergieverbrauch Deutschlands rund 314 Millionen Tonnen SKE. Davon werden 2,9

Millionen Tonnen SKE (knapp 1 %) aus Energiepflanzen hergestellt (vor allem Raps für Biodiesel und

Mais für die Verstromung von Biogas). Hierfür werden rund 1,2 Millionen Hektar oder gut 10 % der

genutzten Ackerfläche in Anspruch genommen.

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Das in Deutschland kurz- bis mittelfristig nutzbare Potenzial von Biomasse wird auf etwa 8½ % des

derzeitigen Primärenergieverbrauchs geschätzt (2005: 3¼ %). Unterstellt ist dabei ein konstanter

Verbrauch an Primärenergie. Angenommen wird außerdem, dass in Deutschland dauerhaft auf einer

Fläche von etwa 2 Millionen Hektar nachwachsende Rohstoffe angebaut werden können. Längerfristig

angelegte Schätzungen kommen zu dem Ergebnis, dass Biomasse bis zum Jahr 2030 bis zu 17 %

des Primärenergieverbrauchs decken könnte. Unterstellt ist dabei allerdings eine Steigerung der E-

nergieeffizienz und ein entsprechend geringerer Primärenergieverbrauch sowie ein Anbau von Ener-

giepflanzen auf rund 4½ Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Gegenwärtig werden die bereits wirtschaftlich nutzbaren Potenziale der Biomasse nur zum Teil aus-

geschöpft. Dabei dominiert die Verbrennung von biogenen Festbrennstoffen (feste Biomasse) vor der

Herstellung von Biokraftstoffen und der Vergärung von Biomasse in Biogasanlagen. In den folgenden

drei Abschnitten werden diese Haupteinsatzfelder von Biomasse näher betrachtet.

3. Feste Biomasse für die Wärmegewinnung Biogene Festbrennstoffe werden üblicherweise untergliedert in holzartige und halmgutartige Biomasse

(siehe Tabelle 2). Beide Brennstoffarten fallen entweder als Nebenprodukte (Rückstände und Abfälle)

an oder werden gezielt angepflanzt (Energiepflanzen). Zu den holzartigen Brennstoffen zählt vor al-

lem das Waldrestholz, welches das gesamte Holz außerhalb der Qualität und Aufarbeitungsgrenze

für die Holzindustrie umfasst. Hierzu gehören das Kronenmaterial, Äste, Stammabschnitte, qualitativ

minderwertiges Holz und schwache Bäume. Außerdem fällt in dieses Segment so genanntes Indust-rieholz, das als Abfall- und Restholz zum Beispiel in Sägewerken und Schreinereien anfällt, und Alt-holz, das hölzerne Abfälle wie Kisten, Paletten, Konstruktionsholz, Holzverschalungen sowie Türen,

Fenster und Treppen aus Gebäudeabbrüchen umfasst. Im Gegensatz zu den als Neben- und Abfall-

produkte anfallenden Brennstoffen aus Holz werden schnell wachsende Baumarten (Holz aus Kurz-umtrieb) gezielt zur Energieerzeugung auf entsprechenden Plantagen angebaut. Begrenzt wird der

verstärkte Einsatz von Holz als Energieträger allerdings durch die zunehmende Nutzung zur stoffli-

chen Verwertung, vor allem als Papier. Der rasch steigende Papierverbrauch beansprucht mittlerweile

bereits ein Fünftel der globalen Holzproduktion.

Die halmgutartige Biomasse ist vor allem in der Landwirtschaft anzutreffen. Grundsätzlich ist auch

hier zwischen Reststoffen (Ernterückständen) und Energiepflanzen zu unterscheiden. Deren Anbau

ist zugelassen auf landwirtschaftlichen Flächen, die im Rahmen des EU-Flächenstillegungspro-

gramms aus der Nahrungsmittelproduktion herausgenommen wurden. Bei Energiepflanzen spielen

hauptsächlich Gräser und Getreideganzpflanzen eine Rolle. Bei letzteren können sowohl die Halme

als auch die Körner energetisch genutzt werden. Neben dem gezielten Anbau fällt Halmgut vor allem

bei der Getreideernte in Form von Stroh an.

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Charakteristisch für biogene Festbrennstoffe ist ihr im Vergleich zu konventionellen Energieträgern ge-

ringer Energiegehalt. Infolgedessen ist das für Lagerung und Transport benötigte Volumen bis zu

zehn mal größer, weshalb die Nutzung überwiegend in kleinen, dezentralen Einheiten mit geringen

Transportwegen erfolgt. Der weitaus überwiegende Teil der festen Biomasse (über 90 %) wird heute

in Anlagen zur Wärmegewinnung genutzt. Daran einen großen Anteil haben die rund 9.000 Kleinfeu-erungsanlagen (Stand 2004) im Leistungsbereich von 15 Kilowatt bis 1 Megawatt. Hierunter fallen

Stückholz-, Hackschnitzel- und Pelletfeuerungen. Neben der traditionellen Stückholzbefeuerung (z.B.

im offenen Kamin) werden im häuslichen Bereich zunehmend die als besonders zukunftsträchtig gel-

tenden innovativen Pelletheizungen eingesetzt.

Holzpellets werden aus getrocknetem, naturbelassenem Restholz hergestellt und haben einen

Durchmesser von ca. 6 bis 8 Millimeter und eine Länge von 5 bis 45 Millimeter. Ihr Heizwert beträgt

ca. 5 Kilowatt pro Kilogramm. Damit entspricht der Energiegehalt von einem Kilogramm Pellets unge-

fähr dem von einem halben Liter Heizöl. Schon heute sind Pellets hinsichtlich ihres Brennstoffpreises

eine kostengünstige Alternative zu fossilen Brennstoffen. Bereits Anfang 2005 kostete eine mit Pellets

erzeugte Kilowattstunde mit 2,8 bis 3,4 Cent nur halb soviel wie Heizöl (5 bis 6 Cent/Kilowattstunde) –

und seither ist der Ölpreis sogar noch weiter gestiegen. Die Verwendung von Holzpellets hat aber

nicht nur gegenüber fossilen Energieträgern Vorteile, sondern auch im Vergleich zu anderen biogenen

Festbrennstoffen wie Stückholz und Hackschnitzeln, da sie aufgrund ihrer hohen Energiedichte weit-

aus weniger Lagerraum beanspruchen.

Vor diesem Hintergrund wird der in den letzten Jahren in Deutschland exponentiell angestiegene Zuwachs an Holzpellet-Heizungen verständlich (siehe Schaubild 2). Mittlerweile sind rund 44.000

Anlagen installiert und für das Jahr 2006 rechnet die Branche mit einem weiteren Anstieg um mehr als

20.000 Heizungen. Bezogen auf die rund 40 Millionen Wohnungen in Deutschland wären dies aber

immer noch weniger als 0,2 %. Längerfristig kann allerdings durch Innovationen und gesetzliche Neu-

regelungen weiteres erhebliches Potenzial erschlossen werden. So sind schon erste Biomasse-Kessel

auf dem Markt, die zusätzlich zu Holz- auch Stroh- und Grünlandpellets sowie Getreide verbrennen.

Außer in Kleinfeuerungsanlagen wird feste Biomasse in Heizwerken und Heizkraftwerken verwendet.

Schätzungsweise etwa die Hälfte des Aufkommens wird in etwa 1.100 Anlagen mit über 500 Kilowatt

Leistung eingesetzt (Stand 2004). Heizwerke zur Nutzung von Biomasse haben eine Leistung von ca.

100 Kilowatt bis 20 Megawatt und dienen der Versorgung von Nah- und Fernwärmenetzen sowie von

industriellen und öffentlichen Abnehmern. Heizwerke mit Nahwärmesystemen sind eine sehr interes-

sante Alternative für die kommunale und gewerbliche Wärmeversorgung. Heizkraftwerke dagegen

erzeugen Strom, wobei die dabei frei werdende Wärme zu Heizzwecken eingesetzt wird (Kraft-

Wärme-Kopplung).

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800 3.000

70.000

44.000

27.000

19.000

13.0008.000

0

10.000

20.000

30.000

40.000

50.000

60.000

70.000

80.000

90.000

100.000

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Pelletheizungen in DeutschlandSchaubild 2

Quelle: Landesinitiative Zukunftsenergien NRW.

Für einen verstärkten Einsatz von Biomasse in Heizwerken und Heizkraftwerken ist der Aufbau von

Nahwärmenetzen eine entscheidende Voraussetzung. Impulse sind aber auch von innovativen For-

men der Nutzung von fester Biomasse zu erwarten. So werden beispielsweise verschiedene Verga-

sertechnologien und deren Kopplung mit motorischen Blockheizkraftwerken (längerfristig mit Brenn-

stoffzellen), Stirlingmotoren u.a.m. die Möglichkeiten und die Effizienz der Biomassenutzung weiter

steigern und dazu führen, dass der Anteil der Stromerzeugung aus Biomasse deutlich zunehmen wird.

Eine weitere Option zur Nutzung fester Biomasse ist die Mitverbrennung in Kohlekraftwerken, also

die Substitution des fossilen Brennstoffs Kohle durch Biomasse. Bei geringeren Anteilen an der Feue-

rungsleistung sind keine nennenswerten Modifikationen der Anlage erforderlich, so dass die Investiti-

onskosten zur Nachrüstung niedrig sind. Insbesondere der Brennstoff Stroh eignet sich gut zur Mit-

verbrennung.

4. Rasant wachsender Markt für Biokraftstoffe

Die Herstellung alternativer Kraftstoffe hat vor allem durch den in den letzten Jahren stark gestiege-

nen Ölpreis Auftrieb erhalten. Ein weiterer Grund ist, dass der Anteil des Verkehrs an den Emissionen

von Treibhausgasen kontinuierlich zunimmt. Um sie einzudämmen, müssen Verbrennungskraftma-

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schinen unter Einsatz neuer Antriebstechniken (z.B. Brennstoffzellen) nicht nur effizienter und emissi-

onsärmer werden, sondern längerfristig auch mit einem steigenden Anteil regenerativer Kraftstoffe

versorgt werden. Von den verschiedenen Möglichkeiten, diese Kraftstoffe bereitzustellen, kommt auf

absehbare Zeit nur die Erzeugung aus Biomasse in Frage. Erst auf sehr lange Sicht sind darüber hin-

aus regenerativ erzeugte Elektrizität und Kohlendioxid als unbegrenzt vorhandene „Rohstoffe“ für die

Kraftstoffherstellung verfügbar.

Obwohl das Interesse an umweltfreundlichen Biokraftstoffen in den letzten Jahren stark zugenommen

hat, liegt deren Anteil am gesamten Kraftstoffverbrauch in Deutschland erst bei gut 3½ %. Dies liegt

daran, dass Biokraftstoffe gegenüber traditionellen Treibstoffen bei weitem noch nicht wettbe-werbsfähig sind: Ihre Produktionskosten liegen je nach Verfahren und eingesetztem Rohstoff unge-

fähr zwischen 50 Cent und 1 Euro pro Liter – die Herstellung vergleichbarer fossiler Kraftstoffe kostet

bei einem Rohölpreis von rund 60 USD pro Barrel nur knapp 38 Cent (Benzin) bzw. 47 Cent (Diesel;

siehe Tabelle 3). Um diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen, fördern immer mehr Länder Produk-

tion und Absatz von Biokraftstoffen.

Tabelle 3

Kosten und Rentabilität von Biokraftstoffen

Herstellungskosten Euro pro Liter

Kraftstoffequivalent

rentabel bei Rohölpreisen von ... Dollar pro Barrel

Biodiesel 0,69 80 - 100

Rapsöl 0,51 75 - 80

Bioethanol aus - Zuckerrohr (Brasilien) - Getreide - Zuckerrüben

0,31 0,72 0,88

30 - 40 90 - 110 -

Biomethan (Biogas) 0,74 -

Biomass-to-Liquid (BTL) 1,03 155 - 160

zum Vergleich Benzin 1) Diesel 1)

0,38 0,47

- -

1) Nettopreis bei einem Rohölpreis von 61 Dollar pro Barrel. Quelle: Meó Consulting.

Auch in Deutschland sind Biokraftstoffe aus heimischer Produktion durch verschiedene Instru-mente begünstigt. So wird der Anbau von Energiepflanzen durch die Gemeinsame Agrarpolitik sub-

ventioniert. Gefördert wird auch die Konversion der Rohstoffe zu Biokraftstoffen in Form von Investiti-

onszuschüssen für die Produktionsanlagen. Bis zu 50 % der Investitionskosten können dabei durch

staatliche Hilfen und Zuschüsse finanziert werden. Geschützt wird die deutsche Produktion von Bio-

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ethanol darüber hinaus durch einen Importzoll von 19 Cent je Liter für Konkurrenzprodukte aus dem

Ausland, die dort – vor allem in Brasilien – kostengünstiger hergestellt werden können. In der Land-

wirtschaft verschafft die seit 2005 verminderte Agrardieselvergütung den Biokraftstoffen einen Vorteil.

Unter dem Strich kostet traditioneller Diesel heute rund 10 Cent pro Liter mehr als subventionierter

Biodiesel.

Zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Biokraftstoffen beigetragen hat aber vor allem, dass sie

ab Anfang 2004 vollständig – auch in Höhe ihres Anteils in Kraftstoffmischungen – von der Mineral-

ölsteuer befreit waren. Allerdings reduziert das neue Energiesteuergesetz, welches das Mineral-

ölsteuergesetz ablöst, die bisherigen steuerlichen Vergünstigungen, da die völlige Steuerfreiheit zu ei-

ner „Überförderung“ geführt hatte. Seit Anfang August 2006 wird Biodiesel mit 9 Cent pro Liter be-

steuert. Diese Belastung steigt dann ab 2008 jährlich um 6 Cent bis auf 45 Cent pro Liter im Jahr

2012. Bioethanol dagegen ist weiter von der Steuer befreit ebenso wie die in der Land- und Forstwirt-

schaft eingesetzten Biokraftstoffe. Sämtliche Biokraftstoffe unterliegen jedoch dem vollen Satz der Mi-

neralölsteuer immer dann, wenn sie herkömmlichen Kraftstoffen beigemischt werden. Das so genann-

te Biokraftstoffquotengesetz sieht vor, ab 2007 eine Zwangsbeimischung einzuführen. Danach muss

die Mineralölindustrie in Benzin 2 % Bioethanol und in Diesel 4,4 % Biodiesel beimischen. All diese

Fördermaßnahmen dienen nicht zuletzt dem Ziel der EU, den Anteil von Biokraftstoffen am Kraft-stoffmarkt bis zum Jahr 2010 auf 5¾ % zu erhöhen (siehe Tabelle 4).

Tabelle 4

Angestrebter Anteil alternativer Kraftstoffe am gesamten Kraftstoffverbrauch in der EU

in % 2005 2010 2015 2020

biogene Kraftstoffe 2 6 7 8

Erdgas - 2 5 10

Wasserstoff - - 2 5

Summe 2 8 14 23

Quelle: EU-Kommission.

In Deutschland entfiel im Jahr 2005 von den insgesamt produzierten gut 2,2 Mrd. Tonnen an Biokraft-

stoffen gut 80 % auf Biodiesel, gut 10 % auf Bioethanol und knapp 9 % auf Pflanzenöl. Biodiesel wird

hierzulande hauptsächlich durch Umesterung von Rapsöl mit Methanol hergestellt. Er ist in modernen

Dieselmotoren problemlos einsetzbar und kann herkömmlichem Dieselkraftstoff in jedem Mischungs-

verhältnis zugesetzt werden. Der Anteil von Biodiesel am Dieselmarkt beträgt derzeit etwa 5½ %. Seit

2004 ist es der Mineralölindustrie erlaubt, dem traditionellen Diesel 5 % Biodiesel beizumischen. Dies

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hat die Nachfrage nach Biodiesel sprunghaft steigen lassen. Infolgedessen wurde die Produktionska-

pazität von 1,2 Millionen Tonnen im Jahr 2004 auf 2 Millionen Tonnen im Jahr 2005 ausgeweitet (sie-

he Schaubild 3). Insgesamt hat sich damit die Anlagenkapazität zur Herstellung von Biodiesel in den letzten 10 Jahren verzehnfacht. Werden die geplanten Projekte alle realisiert, wird Deutschland

Ende 2007 voraussichtlich über eine Biodieselkapazität von über 3 Millionen Tonnen verfügen und

weltweit der mit Abstand größte Hersteller von Biodiesel sein. Nach einer Prognose von Frost & Sulli-

van soll in Deutschland die Produktion von Biodiesel von geschätzten knapp 2,3 Millionen Tonnen im

Jahr 2006 auf etwa 4 Millionen Tonnen im Jahr 2011 steigen.

Während sich die ab 2008 jährlich steigende Besteuerung von Biodiesel auf den Absatz als Rein-

kraftstoff vermutlich negativ auswirken wird, ist infolge der geplanten Beimischungspflicht mit einer

deutlich steigenden Nachfrage nach Biodiesel zu rechnen. Die Beimischungspflicht führt allerdings zu

einer starken Abhängigkeit der Branche von der Mineralölindustrie, die künftig zum größten inlän-

dischen Abnehmer wird. Deshalb dürfte in den kommenden Jahren aufgrund der schwächeren Markt-

position der mittelständischen Hersteller von Biodiesel der Preisdruck entlang der gesamten Wert-

schöpfungskette zunehmen.

Ein die Biodiesel-Produktion auf längere Sicht begrenzender Faktor ist die für den Rohstoff Raps nutzbare Anbaufläche, die in Deutschland aus Gründen der Fruchtfolge zur Zeit bei maximal 2 Milli-

onen Hektar liegt. Die derzeitige Produktion von Biodiesel beansprucht ca. 700.000 bis 900.000 Hek-

tar Anbaufläche. Berücksichtigt man die Rapsproduktion für andere Verwendungszwecke, ist das Po-

tenzial für die Herstellung von Biodiesel weitgehend ausgeschöpft. Daher ist davon auszugehen, dass

die Hersteller von Biodiesel künftig auf alternative Rohstoffe wie Sojaöl oder Palmöl zurückgreifen

werden, zumal diese auch deutlich kostengünstiger als Rapsöl sind. Mittelfristig wird deshalb deren

Import steigen, aber auch die Einfuhr von Biodiesel selbst dürfte weiter zunehmen. Allerdings ist es

mit Palmöl und Sojaöl schwieriger, normgerechten Biodiesel herzustellen. Daher wird die Fähigkeit

der Anbieter zur technologischen Nutzung eines größeren Rohstoffspektrums ein entscheidender Fak-

tor für das künftige Wachstum des Biodieselmarktes sein.

Alles in allem können aufgrund der begrenzten Anbauflächen Biodiesel und Pflanzenöl herkömmli-

che Kraftstoffe nur in begrenztem Maße ersetzen. Sie sollten deshalb – neben der Zumischung zu

Diesel – vor allem dort eingesetzt werden, wo der ökologische Vorteil der biologischen Abbaubarkeit

dieser Kraftstoffe zum Tragen kommt, z.B. bei der Substitution von Dieselkraftstoff in sensiblen Um-

weltbereichen wie der Landwirtschaft, in Wasserschutzgebieten und bei der Schifffahrt. Derzeit erfolgt

die Distribution von Biodiesel zu 45 % über Flottenbetreiber des Transportgewerbes (vor allem

Busse und Lastwagen). Etwa 40 % des Absatzes gehen an die Mineralölkonzerne für die Beimi-

schung zum mineralischen Diesel. Die restlichen 15 % werden überwiegend an Tankstellen als Rein-

kraftstoff an Pkws und zu einem geringeren Teil an die Landwirtschaft abgegeben.

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0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

2000 2001 2002 2003 2004 2005 * 2006 * 2007 *

Produktionskapazitäten für Biodiesel in Deutschland

Schaubild 3

*) Schätzung.Quelle: Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien (NRW).

Millionen Tonnen

Bioethanol, das durch Fermentation zucker- und stärkehaltiger Pflanzen gewonnen wird, kann so-

wohl als Reinkraftstoff als auch als Beimischung zu Ottokraftstoffen eingesetzt werden. Die Beimi-

schung kann entweder in Form des Antiklopfmittels Ethyl-Tertiär-Butyl-Ether (ETBE) erfolgen, das

Benzin bis zu 15 % zugesetzt werden kann, oder direkt durch Reinethanol („direct blends“). Gebräuch-

lich sind dabei die Bezeichnungen E-5, E-10, E-85 und E-100. Die dem E angefügte Zahl gibt jeweils

an, wie viel Volumenprozent Bioethanol dem Benzin beigemischt wurden. Herkömmliche Ottomotoren

vertragen bis zu 10 % Beimischung, höhere Anteile erfordern so genannte „Flexibel Fuel Vehicles“

(FFV), deren Motoren durch eine relativ einfache technische Modifikation sowohl mit herkömmlichem

Kraftstoff als auch mit Benzin-Ethanol-Gemischen betrieben werden können. Der Absatz solcher FFVs

steigt zwar weltweit kontinuierlich an. Allerdings ist dieser Markt in Deutschland im Vergleich zu Län-

dern wie Brasilien oder Schweden bislang noch kaum entwickelt. Nur wenige Hersteller bieten in

Deutschland derzeit Modelle mit FFV-Motoren an.

Ebenso wie der FFV-Markt ist hierzulande auch der Markt für Bioethanol vor allem nachfrageseitig

noch wenig entwickelt. Obwohl Deutschland nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Na-

turschutz und Reaktorsicherheit mit einer Produktionskapazität von 600.000 Tonnen pro Jahr der

größte Hersteller von Bioethanol in Europa ist, erreichte der Absatz im Jahr 2005 nur 226.000 Tonnen.

Die Nachfrage soll allerdings Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2011 auf fast 1,3 Millionen Tonnen

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Tabelle 5

Biokraftstoffe im Vergleich

Stärken Schwächen

Biodiesel • Genormt und bereits etabliert im wachsenden Dieselmarkt

• Verwendung als Beimischung ohne technische/logistische Probleme

• Ausgereifte Technologie • Beimischung ohne zusätzliche

Freigabe möglich

• Teilweise Imageprobleme aufgrund schwankender Qualität

• Begrenztes Rohstoffpotenzial • Fossiles Methanol für die

Produktion erforderlich

Reines Pflanzenöl • Technologisch unkompliziertes Herstellungsverfahren

• Biologische Abbaubarkeit • Einsatz im Lkw- sowie land- und

bauwirtschaftlichem Bereich möglich

• Geringe Herstellungskosten

• In Zukunft keine Verwendung mehr im Pkw-Bereich

• Bisher keine Herstellerfreigabe • Begrenztes Rohstoffpotenzial,

allerdings Importe möglich

Bioethanol aus Zucker bzw. Stärke

• Ausgereifte Technologien • Insbesondere bei Zucker hohe

Kraftstofferträge pro Hektar • Verschiedene Einsatzoptionen

(Oktanzahlverbesserer) • Heimisches Rohstoffpotenzial

groß • Brasilianisches Ethanol im

Vergleich zu Benzin wettbewerbsfähig

• Europäische Ethanolproduktion im Vergleich zu Brasilien nicht wettbewerbsfähig

• Technische Anpassungen erforderlich

• Beimischungskosten der Mineralölindustrie

• Bei Beimischungen über 10 % eigene Tankstelleninfrastruktur erforderlich

Bioethanol aus Lignozellulose

• Verwendung von Reststoffen • Ganzheitliche

Biomasseverwertung • Soll langfristig kostengünstiger

sein und zu höheren Einsparungen von Kohlendioxid führen.

• Noch keine Anwendung • komplexer Konversionsprozess • Herausforderung

Rohstoffversorgung • Technische Anpassungen

erforderlich • Beimischungskosten der

Mineralölindustrie Biomass-to-Liquid • Breite Rohstoffbasis

• Möglichkeit der begrenzten Anpassung von Kraftstoffen an Motorbedarf

• Verringerung Abgas- und Rußpartikelemissionen

• Verbesserungspotenziale bei Verfahrenstechnik

• Bisher noch keine großtechnische Produktion

• Hohe Investitionskosten • Rohstoffversorgung noch nicht

etabliert

Biogas • Zur Speicherung bzw. Verteilung kann das bestehende Erdgas-Tankstellennetz genutzt werden

• Nutzung kostengünstiger Neben- und Abfallprodukte

• Relativ hoher energetischer Wirkungsgrad

• Relativ hohe Umrüstungskosten• Nur in Gasfahrzeugen mit

bislang nur kleinen, allerdings stark wachsenden Flotten einsetzbar

• Gasförmiger Kraftstoff mit reduzierter Reichweite

• Einsatz im Transportsektor erfordert aufwendige Gasreinigung zur Einhaltung künftiger Erdgasnorm

Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe.

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steigen. Weltweit ist Bioethanol bereits der bedeutendste biogene Kraftstoff. Hinter den USA ist Brasi-lien der zweitgrößte Produzent, aber größter Exporteur. Das Land produziert Bioethanol derzeit zu

Kosten, die weniger als halb so hoch sind wie hierzulande (siehe Tabelle 3). Obwohl Deutschland

selbst längerfristig das brasilianische Kostenniveau kaum erreichen dürfte, ist vorerst nicht zu erwar-

ten, dass Brasilien durch Exporte von Ethanol den deutschen Markt in größerem Umfang bedient.

Denn zum einen sorgt der Außenschutz gegenüber importiertem Bioethanol dafür, dass das Angebot

der deutschen Produzenten wettbewerbsfähig ist, und zum anderen nimmt auch außerhalb Europas

die Nachfrage nach brasilianischem Bioethanol zu.

Neben den inzwischen etablierten Technologien zur Herstellung von Biodiesel und Bioethanol richten

in jüngster Zeit vor allem große Automobilhersteller und Mineralölkonzerne verstärkt Anstrengungen

auf die Entwicklung neuer Verfahren zur Erzeugung von Biokraftstoffen. Hierzu zählt die Herstellung von Bioethanol aus Lignozellulose, was das Potenzial möglicher Rohstoffe um zellulosehaltige Ma-

terialien erheblich erweitert (z.B. Gras, Stroh, Holz und verschiedene Rest- und Abfallprodukte aus der

Landwirtschaft und Holzverarbeitung sowie kommunale Abfälle und Reststoffe). Die zellulosehaltigen

Rohstoffe gelten mittel- bis längerfristig als sehr vielversprechend, da sie nicht nur in sehr großen

Mengen, sondern vermutlich auch zu geringeren Kosten als die traditionellen Rohstoffe verfügbar

sind. Die Verwendung nicht zucker- und stärkehaltiger Pflanzen könnte der Ethanolerzeugung aus

Biomasse – sobald das Verfahren kommerzialisiert ist – auch in Deutschland zu einem Durchbruch

verhelfen.

Darüber hinaus werden in den kommenden Jahren neben Biodiesel, Bioethanol und dem Erdgassub-

stitut durch Aufbereitung von Biogas (Substitute Natural Gas – SNG) auch so genannte BTL-Kraftstoffe (Biomass-to-Liquid, auch synthetische Biokraftstoffe, SunFuel, Sun-Diesel oder Designer-

kraftstoffe genannt) zunehmend Anteile am Kraftstoffmarkt gewinnen. Diese Biotreibstoffe der zwei-ten Generation entstehen durch die Vergasung von Biomasse in einem komplexen thermochemi-

schen Prozess. Gegenüber anderen Biotreibstoffen haben sie zwei entscheidende Vorteile. Erstens

lässt sich BTL-Kraftstoff unabhängig vom verwendeten Rohstoff im Hinblick auf bestimmte Bedürfnis-

se etwa der Automobilindustrie regelrecht „maßschneidern“. Zweitens kann dabei eine große Band-

breite an Biomasse (Holz, Stroh, diverse Rest- und Abfallstoffe) die Rohstoffbasis bilden. Da auch der

nicht essbare Teil von Pflanzen verwendet wird und nicht mehr nur der Samen von Raps oder Wei-

zen, ist auch die Ausbeute je Anbaufläche deutlich höher als bei den derzeit genutzten Rohstoffen.

Von Vorteil ist außerdem, dass keine neuen Motoren und keine eigene Infrastruktur erforderlich sind.

Die Inbetriebnahme der ersten kommerziellen BTL-Anlage in Deutschland mit einer Jahreserzeugung

von rund 16.500 Kubikmetern ist für das Jahr 2007 durch die Firma Choren Industries geplant. Weite-

re Standorte mit einer Jahreserzeugung von jeweils rund 225.000 Kubikmetern sind in Vorbereitung.

Allerdings sind die Produktionskosten gegenwärtig noch deutlich höher als bei Biodiesel oder Bioethanol (siehe Tabelle 3). Mittelfristig sind aber Kostensenkungen um bis zu 30 % zu erwarten.

Langfristig versprechen BTL-Kraftstoffe gegenüber Pflanzenölen und Bioethanol wesentlich

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größere Potenziale. Da jedoch BTL nur in Großanlagen erzeugt werden kann, werden Landwirte im

Gegensatz zu Biogas in diesem Segment vorrangig Rohstofflieferanten sein.

In Zukunft ist mit einem noch weitaus stärkeren Wachstum des Marktes für Biokraftstoffe zu rechnen als bisher. Neben ihrer staatlichen Förderung begünstigen hohe bzw. steigende Erdölpreise

die zunehmende Verwendung von Biokraftstoffen. In Brasilien ist bereits bei einem Preis von 30 bis 40

Dollar pro Barrel die Produktion von Bioethanol für den Kraftstoffsektor rentabel – und zwar ohne

staatliche Subventionen. Oberhalb von 40 bis 45 Dollar pro Barrel wird die Schwelle der Rentabilität

für Biokraftstoffe an zahlreichen anderen Standorten der Welt erreicht. In Europa dagegen liegt diese

Schwelle bei 80 bis 100 Dollar (Biodiesel) bzw. 90 bis 110 Dollar (Bioethanol) pro Barrel (siehe Tabel-

le 3).

Nach Schätzungen von A.T. Kearney wird der Verbrauch von Biokraftstoffen in Europa von heute 2 Millionen Tonnen auf etwa 12 Millionen Tonnen im Jahr 2010 steigen und im Jahr 2020 ein Ni-veau von bis zu 21 Millionen Tonnen erreichen. Im Zuge dieser Entwicklung ist damit zu rechnen,

dass in Europa die Produktionskapazitäten traditioneller Mineralölraffinerien bis 2020 um etwa ein

Fünftel schrumpfen werden. Den stark steigenden Bedarf an Biokraftstoffen wird die EU allerdings

nicht eigenständig decken können, so dass mit zunehmenden Importen sowohl von pflanzlichen Roh-

stoffen als auch von Biotreibstoffen zu rechnen ist. Im Jahr 2010 dürften etwa 45 % der in Europa ein-

gesetzten Biokraftstoffe aus Importen stammen, bis zum Jahr 2020 wird diese Quote voraussichtlich

sogar bis auf 70 % steigen.

Um die stark zunehmenden Importe von Biokraftstoffen abwickeln zu können, bedarf es umfang-

reicher Investitionen in Logistikeinrichtungen entlang der gesamten Lieferkette – sowohl in der EU als

auch in den Ausgangsländern. Dabei werden vor allem die europäischen Überseehäfen Rotterdam,

Willhelmshafen und Marseille ihre jeweilige Position als Umschlagplatz ausbauen. Gleichzeitig ist in-

folge der zu erwartenden dynamischen Marktentwicklung für Biokraftstoffe mit umfangreichen Investi-

tionen in neue Technologien und entsprechende Raffinerie-Kapazitäten zu rechnen. Investoren sind

zum einen Unternehmen, die im Bereich der Agrarwirtschaft anzusiedeln sind und hauptsächlich Bio-

kraftstoffe der ersten Generation (Biodiesel und Bioethanol) produzieren. Zum anderen werden sich auch traditionelle Mineralölfirmen verstärkt im Marktsegment der Biokraftstoffe engagieren und sich dabei vor allem auf die BTL-Technologien konzentrieren, um sich einen Ausgleich für ihr

schrumpfendes mineralölbasiertes Kerngeschäft zu schaffen.

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5. Neue Perspektiven für Biogas Obwohl die Energiegewinnung durch Vergärung schon seit langem bekannt ist, wird in Deutschland

Biogas erst seit Anfang der neunziger Jahre in nennenswertem Umfang gewonnen. Mit dem im Au-

gust 2004 in Kraft getretenen novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Vorausset-

zungen der energetischen Nutzung von Biomasse im Strombereich entscheidend verbessert hat, setz-

te dann ein regelrechter Bauboom von Biogasanlagen ein. Ende 2005 erzeugten hierzulande rund

2.700 Anlagen mit einer installierten Leistung von gut 650 Megawatt etwa 2,9 Mrd. Kilowattstunden

Strom – das sind etwa ½ % der gesamten Stromproduktion in Deutschland. Allein im Jahr 2005 nah-

men mehr als 600 neue Biogasanlagen den Betrieb auf.

Tabelle 6

Vergütung für Strom aus Biomasse nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz

Vergütungshöhe in Cent/kWh

Grundvergütung für Anlagen bis 150 kW bis 500 kW bis 5 MW ab 5 MW bis 20 MW und für den Einsatz von Altholz

11,5 9,9 8,9 8,4 3,9

Biomasse-Bonus für Anlagen bis 500 kW ab 500 kW bis 5 MW bis 5 MW bei Einsatz von Holz

6,0 4,0 2,5

Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus 2,0

Technologie-Bonus 2,0

Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe.

Das EEG garantiert dem Betreiber einer Biogasanlage eine Grundvergütung, wenn er seinen Strom

aus Biogas in das öffentliche Stromnetz einspeist. Zudem kann er die Vergütung über verschiedene

Boni aufstocken. Einen Überblick hierzu gibt Tabelle 6. So erhält beispielsweise ein Betreiber einer

kleinen Anlage bis 150 Kilowatt neben der Grundvergütung von 11½ Cent je Kilowattstunde zusätzlich

6 Cent, wenn er nachwachsende Rohstoffe einsetzt, und weitere 2 Cent, wenn er die entstehende

Abwärme über Kraft-Wärme-Kopplung nutzt. Die maßgebliche Vergütung verringert sich für Anlagen,

die ab 2005 in Betrieb genommen wurden, jährlich um 1½ % des jeweils im Vorjahr geltenden Betra-

ges. Neben dem EEG fördert das Bundesumweltministerium Biogas über die „Richtlinie zur Förde-rung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien“ und über das ERP-Umwelt- und Ener-

giesparprogramm. Die Konditionen hierfür sind in Tabelle 7 zusammengefasst.

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Biogas entsteht durch einen in Biogasanlagen technisch optimierten mehrstufigen Prozess der bakte-

riellen Zersetzung organischer Substanzen. Dabei werden die Eingangsstoffe von fermentativen Bak-

terien zunächst in Zucker, organische Säuren und Alkohole umgesetzt. Hieraus produzieren essigsäu-

rebildende Bakterien Essigsäure und Wasserstoff. Schließlich entsteht durch methanbildende Bakteri-

en das Biogas, das je nach Art und Zusammensetzung der Ausgangsstoffe zwischen 50 und 75 Vo-

lumenprozent Methan enthält, und außerdem Kohlendioxid sowie geringe Anteile von Wasser, Schwe-

felwasserstoff und Spurengasen.

Für die Biogasgewinnung können zusammen mit dem Grundsubstrat Gülle zahlreiche biogene Rest-

stoffe und Abfälle sowie Energiepflanzen vergoren werden (Kofermentation), um die Erzeugung zu

erhöhen. Aus der Landwirtschaft selbst kommen hiefür z.B. Grüngut, Mais und Getreide in Frage, dar-

über hinaus aber auch Abfälle aus der Ernährungs- und Futtermittelindustrie, Schlachtabfälle, Gemü-

seabfälle von Großmärkten, Speiseabfälle oder Rasenschnitt und Bioabfall aus der Kommunalentsor-

gung. Der größte Anteil unter den eingesetzten Substraten entfiel 2005 auf tierische Exkremente

(51 %), gefolgt von nachwachsenden Rohstoffen (22 %), organischen Reststoffen aus Landwirtschaft

und Ernährungsindustrie (16 %) sowie Bioabfall (11 %).

Tabelle 7

Konditionen der „Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien“

Förderhöhe Bei Anlagen bis 70 kW: Darlehen über KfW und Teilschulderlass von maximal 40 % der Investitionssumme. Bei Erweiterung und Errichtung: 15.000 € je Einzelanlage Bei Anlagen über 70 kW:

Darlehen über KfW: Auszahlung: 96 % Laufzeit: maximal 20 Jahre tilgungsfrei: maximal 3 Jahre Finanzierungsanteil: 100 % Netto-Investitionskosten. Kumulierungen mit weiteren Fördermöglichkeiten sind möglich. Die Gesamtförderung beträgt jedoch maximal 40 % der Investitionskosten.

Fördervoraussetzung kein vorzeitiger Maßnahmebeginn, ausgenommen Planungsleistungen. Anlagen müssen gemäß §2 der Biomasse-Verordnung mit anerkannter Biomasse betrieben werden.

Antragsberechtigt Privatpersonen, Freiberufler, kleine und mittelständische Unter- nehmen, Kommunen und kommunale Betriebe, Zweckverbände, eingetragene Vereine, sonstige Körperschaften

Quelle: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe.

Die Perspektiven für die Biogas-Branche werden unterschiedlich beurteilt. Nach einer Prognose

des Fachverbands Biogas soll sich in Deutschland die kumulierte Leistung von Biogasanlagen von

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derzeit 650 MW auf 9.500 MW im Jahr 2030 erhöhen, das entspricht einem durchschnittlichen Zu-

wachs von knapp 11½ % pro Jahr. Die jährliche Stromerzeugung aus Biogas könnte dann 76 Mrd. Ki-

lowattstunden erreichen und damit 17 % der nationalen Stromproduktion decken. Derart optimistische

Erwartungen werden aus betriebswirtschaftlicher Sicht dadurch gedämpft, dass derzeit die Rentabili-tät von Biogasanlagen nur durch die erhöhten Vergütungssätze für die Stromeinspeisung ge-währleistet ist. Ein Fortbestand des gegenwärtigen Förderniveaus ist jedoch nicht zu erwarten.

Gleichwohl ist angesichts steigender Energiepreise davon auszugehen, dass Politik und Wirtschaft

gerade die Erzeugung biogener Energie aus denjenigen Stoffen forcieren, für die andere Nutzungs-

formen kaum in Frage kommen. Dies gilt vor allem für organische Abfälle, Grüngut aus der Flächen-

pflege und Exkremente. Demgegenüber konkurriert die Erzeugung von Biogas aus Energiepflanzen

nicht nur mit der Produktion von Nahrungsmitteln, sondern auch mit dem Anbau von Grundstoffen für

die Gewinnung von Biodiesel oder Bioethanol (siehe Abschnitt 4).

Dennoch eröffnen sich in Zukunft neue Perspektiven für Biogas. Grundsätzlich erstrecken sich die

Möglichkeiten der Verwertung von der Wärmegewinnung mit Hilfe einfacher Gasheizkessel über die

kombinierte Wärme- und Stromgewinnung in Blockheizkraftwerken oder mittels Brennstoffzellen bis

hin zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Gegenwärtig wird Biogas vor allem in der Strom-

produktion eingesetzt, die Potenziale im Wärme- und Kraftstoffsektor sind bisher kaum erschlos-sen. In der Schweiz und in Schweden ist Kraftstoff aus Biogas bereits im Einsatz, in Deutschland

dagegen steckt diese Art der Biogasnutzung noch in den Anfängen. Mit ihr eröffnet sich Landwirten

mit Biogasanlagen zusätzliches Marktpotenzial. Um allerdings Biogas als Kraftstoff nutzen zu können,

muss es auf Erdgasqualität aufbereitet werden.

Grundsätzlich lässt sich entschwefeltes und gereinigtes Biogas (SNG) ähnlich vielseitig nutzen wie

Erdgas. Insofern bietet sich über die Einspeisung in das Erdgasnetz eine interessante Perspektive

für die kombinierte Strom- und Wärmenutzung – auch für Verbraucher, die sich nicht in unmittelbarer

Nähe von Biogasanlagen befinden. Nach einer aktuellen Studie des Bundesverbandes Gas- und

Wasserwirtschaft könnte Biogas in Deutschland bis 2030 über 10 % des Erdgasabsatzes erset-zen und damit einen Beitrag für eine krisensichere und preisstabile Erdgasversorgung leisten.

Eine neue Option zur Gewinnung von biogenem Erdgas bietet die Vergasung von holzartiger Bio-masse. Da sich die Technik noch in der Entwicklung befindet, ist mit einem großtechnischen Einsatz

nicht vor 2020 zu rechnen. Aber es zeichnen sich wirtschaftlich und ökologisch interessante Perspek-

tiven ab, die teilweise mit alternativen Holznutzungen und der Produktion von synthetischen Kraftstof-

fen (BTL) konkurrieren können (siehe Abschnitt 4).

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6. Schafft Bioenergie zusätzliche Einkommen für die Landwirtschaft?

Die Landwirtschaft durchläuft schon seit längerem einen Prozess des Umbruchs, der ihre gesellschaft-

liche und wirtschaftliche Rolle neu definiert. Längerfristig prägend ist dabei u. a. auch, dass im Zuge

des Ausbaus von Umweltprogrammen und der Förderung ländlicher Räume die ökologische und lan-

deskulturelle Funktion der Landwirtschaft erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Hinzu kommt, dass

durch die Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik weg von der über Jahrzehnte verfolgten pro-

tektionistischen Grundlinie hin zu einer stärkeren Marktorientierung die Risiken der landwirtschaftli-

chen Produktion tendenziell zunehmen.

Zur Diversifizierung der landwirtschaftlichen Produktion bietet sich daher an, die Erzeugung von Biomasse neben der Produktion von Nahrungsmitteln zu einem weiteren Standbein des Agrarsektors auszubauen. Dabei bestehen grundsätzlich zwei Optionen. Zum einen kann sich ein

Landwirt auf die Produktion von Biomasse beschränken und diese an die Erzeuger von Bioenergie

verkaufen. Dabei geht es im Wesentlichen um den Anbau spezieller Energiepflanzen, die auf nicht

stillgelegten Flächen neben den Ernteerlösen zusätzlich eine Prämie von in Höhe von bis zu 45 EUR

pro Hektar einbringen. Zum anderen kann ein Landwirt die selbst produzierte Biomasse eigenständig

in unterschiedlich nutzbare Energie umwandeln und diese selbst nutzen und/oder verkaufen. Hierfür

kommt in erster Linie die Umwandlung von Biomasse in Biogas in Frage (siehe Abschnitt 5).

Da allerdings die Investition in eine Biogasanlage eine umfangreiche und langfristige Kapitalbindung

bedeutet, ist es für einen Landwirt existenziell, dass die Anlage dauerhaft wirtschaftlich arbeitet. Die

Wirtschaftlichkeit einer Biogasanlage ist von verschiedenen Faktoren abhängig, vor allem aber von

den künftigen politischen Förderbedingungen. Entscheidend ist außerdem, dass für die entstehende

Abwärme eine ganzjährige Nutzung besteht und dass kostengünstige Eingangssubstrate zur Verfü-

gung stehen. Darüber hinaus spielen u.a. die baulichen Verhältnisse vor Ort, die Größe des Viehbe-

stands und des Blockheizkraftwerkes sowie der Beitrag der Kofermentation eine Rolle.

Die Investitionskosten haben in den letzten Jahren generell zugenommen, was u.a. auf die stärkere

Verwendung vorgefertigter Komponenten anstelle des Eigenbaus zurückzuführen ist. Die relativen In-

vestitionskosten einer Anlage sinken mit ihrer Größe deutlich. Sie liegen bei Kleinanlagen mit einer

Leistung von 25 Kilowatt bei ca. 6.000 bis 7.000 EUR pro Kilowattstunde, bei größeren mit 150 Kilo-

watt Leistung betragen sie nur noch ca. 3.500 EUR pro Kilowattstunde. Die Stromgestehungskosten

pro Kilowattstunde liegen bei reinen „Gülleanlagen“ zwischen ungefähr 18 Cent (25 Kilowatt) und 11

Cent (150 Kilowatt). Bei Anlagen mit einer Kofermentation von etwa 30% können die Kosten – je

nach Marktlage – auch 3 bis 5 Cent niedriger liegen.

Zweifelsohne eröffnen sich durch die Produktion von Biomasse und deren Umwandlung in Energie für

heimische Landwirte neue Erwerbschancen. Positive Arbeitsplatzeffekte sind vor allem dort zu erwar-

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ten, wo die Produktion von Bioenergie auf die Erschließung von bisher nicht genutzten Energieträgern

ausgerichtet ist und dabei nicht mit der Produktion von Nahrungsmitteln konkurriert (z.B. Stroh, Knick-

holz). Ob allerdings durch die staatliche Förderung von Bioenergie zusätzliche Arbeitsplätze in der

heimischen Landwirtschaft entstehen können, erscheint im Hinblick auf sich abzeichnende Änderun-

gen wichtiger Rahmenbedingungen höchst fraglich.

Bei anhaltend hohen oder noch weiter steigenden Erdölpreisen wird die Produktion von Bioenergie an

vielen Überseestandorten, die diese kostengünstig erzeugen können, hochgradig rentabel sein. Des-

halb wird immer mehr Agrarfläche für die Produktion von Bioenergie genutzt und somit der Nah-

rungsmittelerzeugung entzogen. Dies führt im Laufe der Zeit zu einem deutlichen Anstieg der Welt-marktpreise für alle wichtigen Agrarprodukte. Parallel zu dieser Entwicklung zeichnet sich eine

weitere Liberalisierung des Welthandels ab. Die laufenden Verhandlungen der Welthandelsorgani-

sation WTO verdeutlichen, dass Europa in den Schwellenländern für seine Waren und Dienstleistun-

gen nur dann mehr Marktzugang erreichen kann, wenn es sich im Gegenzug stärker für Agrarproduk-

te aus Drittstaaten öffnet. Bei sinkenden Zollsätzen kann sich die Agrarproduktion global stärker aus-

differenzieren: Jeder Standort spezialisiert sich auf die Herstellung derjenigen Produkte, für die er am

besten geeignet ist. Gleichzeitig nimmt der Handel zwischen den Standorten zu.

Dies wirft die Frage auf, welche Regionen sich künftig auf welche Produkte spezialisieren werden.

Bezogen auf den Markt für Bioenergie deuten Kostenanalysen darauf hin, dass in Deutschland bei steigenden Erdölpreisen (ohne staatliche Förderung) die Verbrennung von Holz, Getreide und Stroh sowie die Produktion von Biogas aus Reststoffen am ehesten die Schwelle der Ren-tabilität erreichen. Im Gegensatz dazu wäre die Produktion von Biokraftstoffen und Strom aus Ackerfrüchten wahrscheinlich dauerhaft auf Subventionen bzw. Zollschutz angewiesen, weil an Überseestandorten Rohstoffe nicht nur kostengünstiger erzeugt, sondern auch effizienter in entsprechende Energieträger umgewandelt werden können.

Doch auch die deutsche Produktion von Energiepflanzen und daraus hergestellter Bioenergie (Bio-

kraftstoffe) muss sich bei einem Abbau von Importbarrieren dem internationalen Wettbewerb stellen.

Dies wird einen entsprechenden Preisdruck auf die deutschen Energierohstoffe (und auf die Biokraft-

stoffe) ausüben und Importe (von Biokraftstoffen) begünstigen. Gleichzeitig jedoch schrumpft der Ab-

satz aus heimischer Produktion, was im Widerspruch zur Förderung der heimischen Landwirtschaft

steht. Offensichtlich herrscht ein Konflikt zwischen der Förderung von Bioenergie und der Subventionierung des Agrarsektors. Der entscheidende Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der

Bioenergie sind die Rohstoffkosten: Soll Bioenergie konkurrenzfähig sein, muss sie aus möglichst

günstigen Rohstoffen produziert werden. Dies aber widerspricht dem Ziel, die Landwirtschaft zu för-

dern, was in Deutschland nur über höhere Preise zu erreichen ist, da zusätzliche Flächen kaum ver-

fügbar sind.

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Es bleibt also festzuhalten, dass das Ziel der Schaffung von zusätzlichen Einkommen im heimischen

Agrarsektor durch die Förderung von Bioenergie unter den sich abzeichnenden Rahmenbedingungen

– hohe Erdölpreise, liberalisierter Welthandel – kaum zu erreichen ist.

Dagegen könnten sich gute Chancen für die Schaffung dauerhaft wettbewerbsfähiger Arbeits-plätze im Bereich des Anlagenbaus zur Umwandlung von Biomasse ergeben, wenn man in die-

sem Marktsegment von Anfang an konsequent auf technologischen Vorsprung und Exportorientierung

setzt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Weltmarkt für Bioenergie in den kommenden Jahren

stürmisch expandieren. Entsprechend günstig stehen die Chancen, innovative technische Lösungen

und gute Verarbeitungsanlagen auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Deutschland verfügt hier über eine

hervorragende Ausgangsposition, da technisch ausgerichtete Forschung und Entwicklung sowie quali-

tativ hochwertiger Anlagenbau ohnehin zu seinen Stärken zählen.

7. Fazit Unter den verschiedenen Formen der Umwandlung und Nutzung von Biomasse ist die Erzeugung von Strom und Wärme die kostengünstigste Art der Verwendung. Dabei ist vor allem der Haus-

haltssektor ein Markt, in dem Biomasse viel versprechend und effizient eingesetzt werden kann. Hier

wurden in den letzten Jahren entsprechende Feuerungsanlagen und Brennstoffe entwickelt, die eine

umwelt- und bedienungsfreundliche Nutzung fester Biomasse insbesondere im kleinen Leistungsbe-

reich ermöglichen. Dies gilt vor allem für Pelletsfeuerungen, die in den letzten Jahren in Deutschland

exponentiell zugenommen haben.

Am effizientesten ist die Nutzung von Biomasse in Anlagen, die Strom und Wärme gemeinsam erzeu-

gen, weshalb die Kraft-Wärme-Kopplung eine entscheidende Rolle beim Ausbau der Bioenergie spielt. Eine Schlüsselposition bei der künftigen Nutzung von Bioenergie fällt den Umwandlungsver-fahren von Biomasse in gasförmige Energieträger zu. Dazu zählt die anaerobe Vergärung (Fer-

mentation), die bereits Stand der Technik ist, aber auch die Vergasung von Festbrennstoffen (Holz),

die allerdings noch großen Entwicklungsbedarf hat. Grundsätzlich lassen sich die Nutzungsmöglich-

keiten von Biogas erheblich erweitern, wenn das produzierte Rohgas zu Erdgasqualität aufbereitet

wird.

Im Vergleich zur Nutzung von Biomasse für die Erzeugung von Strom und Wärme ist die derzeitige

Produktion von Biokraftstoffen in Deutschland aufwendig und teuer. Flüssige Bioenergieträger

sind etwa fünf- bis zehnmal weniger energieeffizient als Biogas, Holz oder holzartige Biomasse. Hinzu

kommt, dass es sich bei Biodiesel und Bioethanol um homogene, leicht zu transportierende Produkte

handelt, die auf der Südhalbkugel wesentlich kostengünstiger hergestellt werden können als in

Deutschland. Noch besteht ein Schutz der heimischen Erzeugung durch Zölle und/oder technische

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Vorgaben, mit denen importierte Rohstoffe und Kraftstoffe benachteiligt werden. Zu bedenken ist al-

lerdings, dass dieser Schutz im Zuge einer weiteren Liberalisierung des globalen Agrarhandels

wahrscheinlich unter erheblichen handelspolitischen Druck geraten, schrittweise aufgeweicht und

langfristig vollständig aufgehoben werden wird. Dies wird einen entsprechenden Preisdruck auf die deutschen Energierohstoffe (und auf die Biokraftstoffe) ausüben und Importe (von Bio-kraftstoffen) begünstigen. Gleichzeitig schrumpft der Absatz aus heimischer Produktion. Auch

wenn sich der Ölpreis von seinen jüngst erreichten Rekordständen von fast 80 USD pro Barrel mittel-

bis längerfristig wieder auf einem deutlich niedrigeren Niveau einpendeln sollte, würde der Einsatz von

Biokraftstoffen unter dem Gesichtspunkt Rentabilität entsprechend unattraktiver. Vor diesem Hinter-

grund sehen wir im Bereich von Biodiesel und Bioethanol die Gefahr des Aufbaus von Überkapazi-täten.

Abgesehen davon haben Biodiesel und Bioethanol auch nicht das Potenzial, einen angestrebten Bio-

anteil von 20 bis 30 % an der Kraftstoffversorgung zu erreichen. Zusätzliches Potenzial für den effi-zienteren Einsatz von Biokraftstoffen besteht jedoch längerfristig durch die Einführung neuer Technologien (Ethanol aus Lignozellulose, Biomass-to-Liquids, Biogas), die auf einer wesentlich brei-

teren Rohstoffbasis beruhen und die gesamte Pflanze sowie Rest- und Abfallstoffe verwerten können.

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Verwendete Literatur (Auswahl) Auer, Josef: Bio-Energien für die Zeit nach dem Öl, Deutsche Bank Research, Aktuelle Themen Nr. 327, Juli 2005. A.T. Kearney: Structural Shift in EU Energy Portfolio ahead – Bio fuel growth expected at the expense of mineral oil refinery capacities, München 2006. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erneuerbare Energien in Zahlen – nationale und internationale Entwicklung, Berlin 2006. Deffke, Uta: Heizen mit Weizen, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 1.10.2006. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (Hrsg.): Biokraftstoffe – eine vergleichende Analyse, Gül-zow 2006. Dieselbe: Biogas – eine Einführung, Gülzow 2005. Fachverband Biogas: Biogas – das Multitalent für die Energiewende, Freising 2006. Franke, Uwe: Zur Biomasse drängt sich alles …, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.9.2006. Forum Umwelt und Entwicklung (Hrsg.): Weltmarkt für Bioenergie zwischen Klimaschutz und Ent-wicklungspolitik, Bonn 2005. Henke, Jan M.: Biokraftstoffe – Eine weltwirtschaftliche Perspektive, Institut für Weltwirtschaft, Kieler Arbeitspapier Nr. 1236, Februar 2005. Henke, Jan M.; Klepper, Gernot: Biokraftstoffe: Königsweg für Klimaschutz, profitable Landwirtschaft und sichere Energieversorgung?, Institut für Weltwirtschaft, Kieler Diskussionsbeiträge 427, 2006. Isermeyer, Folkhard; Zimmer, Yelto: Thesen zur Bioenergie-Politik in Deutschland, Arbeitsberichte des Bereichs Agrarökonomie, Braunschweig 2006. Öko-Institut: Bioenergie – Nachwuchs für Deutschland, Freiburg, Darmstadt, Berlin, 2004. Ramthun, Christian; Delhaes, Daniel; Reimer, Hauke: Grüne Alchemie, WirtschaftsWoche Nr. 40, 2.10.2006 Schöpe, Manfred: Biogaserzeugung der aktuelle Renner unter den landwirtschaftlichen Erwerbsal-ternativen, ifo Schnelldienst 13/2006. Derselbe: Volkswirtschaftliche Effekte der Erzeugung von Biodiesel zum Einsatz als Kraftstoff, ifo Schnelldienst 17/2006. Specht, Michael; Zuberbühler, Ulrich; Bandi, Andreas: Kraftstoffe aus erneuerbaren Ressourcen – Potenziale, Herstellung, Perspektiven, Nova Acta Leopoldina NF 91, Nr. 339, 2004. Wuppertal Institut u.a.: Analyse und Bewertung der Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse, Wupper-tal, Leipzig, Oberhausen, Essen 2005.