Biotechnologische Leckerbissen || Gelman eggs – die Rache

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Jeden Samstag gehe ich auf meinen Markt in Hongkong und decke den wö- chentlichen Bedarf an Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch. Dort begegne ich regel- mäßig Mr. Wong, dem Eiermann. Mr. Wong hat Sorgen, große Sorgen. Seine Spezialität waren bisher teure Gelman eggs. Er hatte dazu extra ein Schild gemalt. (Zur Erklärung: Der Cartoon spielt mit dem verbreiteten R/L-Lautproblem »meiner« Chinesen.) Ich habe ihm das mit den aus Deutschland importierten Eiern nie so recht geglaubt: Es fehlten die vorgeschriebenen deutschen Frische-Stempel! Nun rächt sich seine kleine Gaunerei: Kein Chinese, der auf sich hält, kauft mehr Eier bei Mr. Wong. Die flotte chine- sische Eierfrau nebenan dagegen triumphiert laut; auch sie hat voller Stolz ein Plakat gemalt. Zur Erinnerung: China hatte seine Skandale mit toxischen Chemikalien in Kinderspielzeug, Malachitgrün in Fischen und giftigem Melamin in Milchpulver. Die Welt zeigte mit Fingern auf China. Unverhohlene Scha- denfreude bei den Amerikanern. Das alles habe ich meinen Studenten zur Abschreckung in Umweltchemie-Vorlesungen in voller Breite demonstriert. Doch nun ist der deutsche Professor in Erklärungsnot. Zum Dioxin hatte ich den Seveso-Unfall vorgetragen, aber der war in Italien... Dabei war Made in West Germany für Chinesen ein abso- lutes Qualitätslabel. Dann kamen deutsche Autos und deut- scher Fußball. Und nun das! China hat soeben wegen des Dioxin-Skandals die Einfuhr von Schweinefleisch und Eiern Gelman eggs die Rache 64 22.01.11 R. Renneberg, V. Berkling, Biotechnologische Leckerbissen, DOI 10.1007/978-3-642-37111-0_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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Jeden Samstag geheich auf meinenMarkt in Hongkongund decke den wö-chentlichen Bedarf

an Gemüse, Obst, Fisch und Fleisch. Dort begegne ich regel-mäßig Mr. Wong, dem Eiermann.

Mr. Wong hat Sorgen, große Sorgen. Seine Spezialitätwaren bisher teure Gelman eggs. Er hatte dazu extra einSchild gemalt.

(Zur Erklärung: Der Cartoon spielt mit dem verbreitetenR/L-Lautproblem »meiner« Chinesen.)

Ich habe ihm das mit den aus Deutschland importiertenEiern nie so recht geglaubt: Es fehlten die vorgeschriebenendeutschen Frische-Stempel!

Nun rächt sich seine kleine Gaunerei: Kein Chinese, derauf sich hält, kauft mehr Eier bei Mr. Wong. Die flotte chine-sische Eierfrau nebenan dagegen triumphiert laut; auch sie hatvoller Stolz ein Plakat gemalt.

Zur Erinnerung: China hatte seine Skandale mit toxischenChemikalien in Kinderspielzeug, Malachitgrün in Fischen undgiftigem Melamin in Milchpulver.

Die Welt zeigte mit Fingern auf China. Unverhohlene Scha-denfreude bei den Amerikanern.

Das alles habe ich meinen Studenten zur Abschreckung inUmweltchemie-Vorlesungen in voller Breite demonstriert.

Doch nun ist der deutsche Professor in Erklärungsnot. ZumDioxin hatte ich den Seveso-Unfall vorgetragen, aber der warin Italien...

Dabei war Made in West Germany für Chinesen ein abso-lutes Qualitätslabel. Dann kamen deutsche Autos und deut-scher Fußball. Und nun das! China hat soeben wegen desDioxin-Skandals die Einfuhr von Schweinefleisch und Eiern

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R. Renneberg, V. Berkling, Biotechnologische Leckerbissen,DOI 10.1007/978-3-642-37111-0_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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aus Deutschland verboten, auch in verarbeiteter Form. Diestaatliche Behörde für Qualitätsaufsicht in Peking (jaja, die gibtes!) stoppte alle neuen deutschen Importe.

Waren, die bereits unterwegs nach China sind oder inHäfen lagern, müssen gesondert untersucht werden, bevor sie

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freigegeben werden können. Wie die Behörde mitteilte, »wur-den die Importe ausgesetzt, um nach den Dioxinfunden inSchweinefleisch und Eiern in Deutschland zu vermeiden, dassLebensmittel mit schädlichen Substanzen in China in den Um-lauf kommen«.

2010 ging allerdings nur rund ein Prozent aller deutschenFleischexporte ins Reich der Mitte.

Meine Studenten erzählen mir sofort eifrig, dass in Chinadie Verantwortliche für den Milchskandal zum Tode verurteiltwurde. Auch der korrupte Chef der Pekinger Arzneimittelbe-hörde SFDA wurde nach einem Gerichtsverfahren hingerich-tet.

Ein wenig folgt nun die Regierung dem bekannten Gauner-Trick „Haltet den Dieb!“

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