BIZZ energy today 4/2012

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Amerikas Schiefergas-Revolution schwappt über den Atlantik nach Europa, prognostizieren Handelsprofis. Das macht den Betrieb von Gaskraftwerken in Deutschland wieder lukrativer. Und die sind als Partner von Wind- und Solarparks unverzichtbar. weiter ab seite 16 Die Gas-Brücke aus den USA Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft bizzenergytoday.com NOV / 12 Ausgabe 04/2012 1. Jahrgang 9,80 DOSSIER Energie aus dem Keller oder der Wüste – welche Kraft- werke die Zukunft dominieren werden seite 44 KOLUMNE Auto-Papst Dudenhöffer über enttäuschte Hersteller und das drohende Ende der deutschen Elektromobilitäts-Träume seite 60 INTERVIEW Alstom-Chef Alf Henryk Wulf über Offshore-Wind, Konkurrenten und Kapazitätsmärkte seite 32 ANALYSE Nach der Finanzkrise: Warum die Landesbanken jetzt ihre Chancen in erneuerbaren Energien suchen seite 24

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Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft.

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Amerikas Schiefergas-Revolution schwappt über den Atlantik nach Europa, prognostizieren Handelsprofis. Das macht den Betrieb von Gaskraftwerken in Deutschland wieder lukrativer. Und die sind als Partner von Wind- und Solarparks unverzichtbar. weiter ab seite 16

Die Gas-Brücke aus den USA

Das Wirtschaftsmagazin für die Entscheider der Energiezukunft

bizzenergytoday.com

NOV/12Ausgabe 04/20121. Jahrgang 9,80 €

DOSSIER

Energie aus dem Keller oder der Wüste – welche Kraft- werke die Zukunft dominieren werden

seite 44

kOlumnE

Auto-Papst Dudenhöffer über enttäuschte Hersteller und das drohende Ende der deutschen Elektromobilitäts-Träume

seite 60

IntERvIEw

Alstom-Chef Alf Henryk Wulf über Offshore-Wind, Konkurrenten und Kapazitätsmärkte

seite 32

analySE

Nach der Finanzkrise: Warum die Landesbanken jetzt ihre Chancen in erneuerbaren Energien suchen

seite 24

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Sonne Statt Schiffe

Landesbanken entdecken die erneuerba-ren Energien als lukratives Geschäftsfeld und investieren Milliarden seite 24

Kolumne Gerard reid

Warum börsennotierte Ökofirmen Under-performer sind. Und welche Investments langfristig trotzdem lohnen seite 28

BmW trotzt der KriSe Der Autobauer im Unternehmenscheck von BIZZ energy today seite 30

QuicK lunchmit Rainer Baake (Agora Energiewende) seite 12

fraGe deS monatSSollen sich die Bürger finanziell am Netzausbau beteiligen? seite 14

„PreiSe im Keller“

Alstom-Deutschlandchef Alf Henyk Wulf über Gaskraftwerke, Offshore-Wind und Kapazitätsprämien seite 32

Kolumne friedBert PflüGerWie der Schiefergasboom die amerikanische Wirtschaft beflügelt seite 38

zuKunftSSicherunGDie deutsch-amerikanische Energiewende seite 16

deutSchlandtour

Wo Gaskraftwerke geplant und gebaut werden seite 20

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editorial seite 3imPreSSum seite 8foto deS monatS seite 6/7zahl deS monatS seite 8innovation deS monatS seite 10mal Ganz GrundSätzlich GefraGt seite 66

auf- und aBSteiGer deS monatSSusanne Grabler (Greenpeace Energy) und Shai Agassi (Better Place) seite 62

carSharinGDaimler und Co. rufen die Revolution aus seite 56

Kolumne ferdinand dudenhöffer

Der Auto-Papst über das Scheitern der E-Mobilität seite 60

KraftWerKe der zuKunft

Strom auS der tiefeKellerkraftwerke stehen vor dem Marktdurchbruch seite 44

mit oder ohne SPieGel

Bei Solarkraftwerken tobt der Technikkampf seite 48

„nichtS entSchieden“Desertec-Chef Paul van Son im Interview über den Wettbwerb zwischen Solarthermie und Photovoltaik seite 52

SchnellStarterFlexible Kraftwerks-Turbinen aus Deutschland sind Exportschlager seite 54

auf GroSSem fuSS

Bis zum Jahr 2015 sollen 800 Offshore-Mühlen auf dem Meeresboden verankert werden. Ein gutes Geschäft für die Anbieter von Fundamenten – und eine große technische Herausforderung seite 40

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kurz & gut.seite 14

Fünf Prozent garantierte Rendite ab einem Investment von 500 Euro – kein schlechtes Geschäft in Zeiten, in denen Banken mit Zinsen geizen. Bundesumweltminister Peter Altmaier will mit dieser „Bürgerdividende“ Verbraucher zu einem Investment in den Netzausbau locken. Dabei geht es ihm nicht nur darum, Geld für das teure Projekt einzusammeln. Sein Kalkül: Wer am Netzausbau verdient, hat weniger Probleme mit der Stromleitung in seiner Nachbarschaft. Beim Netzbetreiber Tennet kommt die Idee gut an: Das Unternehmen braucht dringend Geld, um den Leitungsbau zu stemmen. Vier Milliarden Euro sollen vom US-Investor Anbaric kommen, die Bürgerdividende könnte weiteres Kapital bringen. Umweltschützer mahnen indess: Akzeptanz lässt sich nicht kaufen.

… Zur besseren AkZeptAnZ: sollen sich die bürger finAnZiell Am netZAusbAu beteiligen ?

frage des monats ...

Peter AhmelsDeutsche Umwelthilfe

„Die Windbauern in Nordfriesland haben es gezeigt: Mit Bürger-windparks lässt sich Akzeptanz schaffen.

Doch lässt sich damit nicht alle benötigte Energie regional erzeugen, Leitungen bleiben notwendig, auch für den Ausgleich der Regionen untereinan-der. Das Modell des Bürgerwindparks lässt sich auch auf Netze übertragen: Diejenigen, die di-rekt betroffen sind, können sich an den Netzaus-baukosten beteiligen und bekommen dafür eine Rendite deutlich über dem Bankenzins. Warum sollte das Geschäft nur ein australischer Pensions-fond machen? Privatkapital ist sicher auch vor Ort vorhanden. Und diejenigen, die Veränderungen ihres Wohnumfeldes hinnehmen müssen, haben wenigstens einen kleinen Nutzen davon. Wohl-gemerkt: Die Beteiligung ist kein Freifahrtschein. Eine frühzeitige Beteiligung der Bürger an der Planung ist Voraussetzung für Akzeptanz. Ohne sie läuft nichts.“

DAviD KrügerPartner, Deloitte & touche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

„Der zügige Ausbau der Stromübertragungsnetze ist das Fundament für das Gelingen der Energiewende. Doch die Netze müssen auf den Transport der zunehmenden erneuerbaren Energien ausgelegt werden und wir laufen Gefahr, die Ziele der Energiewende zu verfehlen – wenn

der Netzausbau beispielsweise durch schwierige Genehmigungsprozesse oder mangelnde Akzeptanz zeitlich verzögert wird. Direkte Bürgerbeteiligungen können steigende Belastungen durch die Ökostromumlage kompensieren sowie die notwen-dige Akzeptanz bei den Bürgern schaffen. Sie versprechen auch stabile Erträge in Höhe der vorgeschlagenen Verzinsung von 5 Prozent. Bei einem Investitionsbedarf der Energiewende von jährlich circa 25 Milliarden Euro können Bürgerbeteiligun-gen zudem als innovative Finanzierungsform eingesetzt werden.“ Fo

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lex hArtmAnvorstand tennet

„Umfragen zeigen, dass die meisten Bürger grundsätzlich erkennen, wie notwendig der Netzausbau ist. Aber dieses Verständnis endet allzu oft, sobald es um konkrete Leitungen geht, von denen die Bürger direkt betroffen sind. Um das zu ändern, müssen wir neue Wege gehen, zum Beispiel mit der sogenannten Bürgerleitung, wie sie Bundesumweltmi-

nister Altmaier vorschlägt. Es geht nicht darum, mit solchen Bürgerbeteiligungen an Leitungen den notwendigen Netzausbau zu finanzieren. Angesichts der Milliarden, die in den kommenden zehn Jahren für den bundesweiten Netzausbau investiert werden müssen, kann das kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Aber diese Beteiligungen der Bürger an Leitungen können mehr Akzeptanz erzeugen. Denn wer von den neuen Leitungen auch finanziell profitiert, wird bereit sein, sie zu akzeptieren. Bestes Beispiel sind die Bürgerwindparks in Norddeutsch-land. Ein Pilotprojekt für eine Bürgerbeteiligung an neuen Stromleitungen gibt es bereits. Tennet treibt es als erster Übertragungsnetzbetreiber in Schleswig-Holstein voran. Wenn alle rechtlichen und regulatorischen Voraussetzungen geklärt sind, kann der Startschuss fallen.“

rAiner josWiggeschäftsführer transnetBW

„Die Energiewende und das Projekt Netzausbau als ihr elementarer Bestandteil können nur gelingen, wenn unsere Gesell-schaft an einem Strang zieht. So brauchen wir als Übertragungsnetzbetreiber ebenso

wie die Politik die Unterstützung der gesamten Öffentlichkeit. Denn eines ist klar: Die große Herausforderung für das Netz der Zukunft ist die lokale und regionale Akzeptanz derjenigen Bürgerinnen und Bür-ger, die von einzelnen Maßnahmen unmittelbar betroffen sind. Eine finanzielle Beteiligung von Privatpersonen an Netzbaumaßnahmen stellt dabei grundsätzlich eine Möglichkeit dar, für mehr Akzeptanz zu werben. Im Sinne eines möglichst breiten gesellschaftlichen Kon-senses ist es daher wichtig und richtig, neue Ansätze ergebnisoffen zu diskutieren und sich fundiert mit ihnen auseinanderzusetzen.“

michAel Feistvorstandsvorsitzender stadtwerke hannover

„Bei vielen Stadtwerken gibt es bereits seit längerem entsprechende Modelle zur Bürgerbeteiligung beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese Modelle erfreuen sich großer öffentlicher Akzep-

tanz, weil sie von den regionalen Energieversorgern für regionale Projekte eingesetzt werden. Dabei ist eine effiziente Vermarktung der Anteilsscheine mit breiter Streuung durch kleine Stückelungen ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Das zeigt jedoch auch, dass die

notwendigen Investitionen allein mit Bürgerbeteiligungen nicht zu stemmen sein werden. Vielmehr erweitert diese Art der Finanzierung die bisherigen Möglichkeiten durch institutionelle Investoren und bindet gleichzeitig die Bürger für den notwendigen Leitungsausbau positiv mit ein. Bei der Umsetzung von Bürgerbeteiligungsmodellen ist jedoch auch zu beachten, dass der Verwaltungsaufwand in einem begrenzten Rahmen gehalten wird. Eine Kopplung dieser Modelle an regionale Institutionen wie z.B. Stadtwerke und Sparkassen mit ihren dezentralen und bei den Bürgern hoch akzeptieren Strukturen sind hierbei von großem Vorteil.“Fo

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„Preise im Keller“

Alf Henryk Wulf, Deutschland-Chef des Industrieriesen Alstom, über Konkurrenten, Kraftwerke und Kapazitätsmärkte_Das Gespräch führten joachim müller-soares und karsten wiedemann

_BIZZ energy today |Herr Wulf, Ihr Un-ternehmen hat kürzlich eine eigene Offshore-Windturbine präsentiert. Welche Ziele verfolgt Alstom bei der Windenergie?_Alf Henryk Wulf | Wir sind bei Offshore-Wind Spätstarter. Technologisch liegen wir aber mit 30 Jahren Erfahrung bei Onshore-An-wendungen ziemlich weit vorn, auch durch die Übernahme des spanischen Turbinenherstellers Ecotècnia vor einigen Jahren. Unsere Offshore-Turbine „Haliade 150“, die weltweit größte dieser Art, hat eine Leistung von sechs Megawatt und einen Rotordurchmesser von 150 Metern. Ab 2014 wollen wir sie in Frankreich in Serie produzieren._BIZZ e.t. | Wo werden Sie Anlagen aufstel-len?_Wulf | In Frankreich haben wir gemeinsam mit DONG Energy und WPD die Ausschrei-bung für zwei Windparks mit einem Gigawatt Leistung gewonnen. Die Regierung Sarkozy hatte das Thema vorangetrieben und Offshore-Windparks von sechs Gigawatt Leistung ausge-schrieben. Präsident Hollande wird diesen Weg weitergehen._BIZZ e.t. | Wie sieht es in Deutschland aus?

_Wulf | In Deutschland sind wir bisher in Gesprächen. Aber solange der Abtransport des Stromes nicht gesichert ist, will niemand in Windanlagen investieren. Wir stehen da also vor einem Henne-Ei-Problem. Die neuen Haftungs-regeln für den Netzanschluss führen aber dazu, dass sich die Risiken besser kalkulieren lassen. Das merken wir bereits in den Verhandlungen mit Investoren. _BIZZ e.t. | Die Preise für Windturbinen sind zuletzt stark gesunken. Lässt sich damit über-haupt noch Geld verdienen?_Wulf | Im Onshore-Markt sind die Preise im Keller. Wir gehen aber davon aus, dass sich mit guter Technik Preise erzielen lassen, die ver-nünftige Margen ermöglichen. Dazu bedarf es innovativer Produkte. Den Bau ganz normaler 1,5-Megawatt-Mühlen überlassen wir anderen. Wir setzen auf Anlagen für besondere Stand-orte. Deshalb haben wir uns bewusst für das Offshore-Geschäft und auch für getriebelose Anlagen entschieden._BIZZ e.t. | Warum?_Wulf | Aus gutem Grund: Der Wartungs-aufwand sinkt deutlich. Auf hoher See ist jede Wartung extrem teuer. Mit unseren Anlagen Fo

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können wir die Zyklen verlängern und erreichen Einsparungen von bis zu 15 Prozent. _BIZZ e.t. | Wie sieht es bei der Verfügbarkeit der Anschlusskabel für Windparks aus, speziell im Bereich der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ)?_Wulf | Bei den Kabeln gibt es momentan einen Engpass. Offshore-Kabel sind mit das Schwierigste, was es gibt. Die HGÜ-Technik bieten außer uns nur Siemens und ABB an. Wir werden die Kabel dafür nicht selber bauen, sondern sind derzeit in Gesprächen mit zwei möglichen Partnern, die sie uns zuliefern._BIZZ e.t. | Wie groß ist der Markt für die HGÜ-Technik?_Wulf | Die Technik ist bei Offshore-Wind nur in Deutschland ein Thema, denn die Windparks werden hier wegen der Vorgaben so weit vor der Küste gebaut, dass sie per HGÜ-Leitung angeschlossen werden müssen. Für Deutschland gehen wir bei HGÜ in den kommenden Jahren von einem Marktvolumen über 30 Milliarden Euro aus.

_BIZZ e.t. | Sie könnten in Zukunft also Wind-parks inklusive Verkabelung liefern?_Wulf | Ja. Wir bauen auch die Wechselstrom-plattformen selbst, die zuweilen auch „Mee-ressteckdosen“ genannt werden. Dort wird der Strom aus den Anlagen gesammelt und etwa über eine HGÜ-Leitung ans Festland geschickt. Für die Offshore-Parks haben wir bereits neun dieser Plattformen fertiggestellt – beziehungs-weise in den Auftragsbüchern._BIZZ e.t. | Die Technik ist beim Thema Off-shore also keine Hürde mehr?_Wulf | Ein paar Hürden gibt es natürlich noch, bisher hat schließlich noch niemand einen Windpark mit Multi-Megawatt-Turbinen über eine HGÜ-Leitung angeschlossen. Auch haben wir noch wenig Erfahrung in den Bereichen Wartung und Betrieb von Offshore-Parks. In Deutschland gibt es ja bisher nur Alpha Ventus. Die Entwicklungen sind hier aber sehr positiv. Die Anlagen produzieren mehr Strom und sind weniger wartungsanfällig als erwartet._BIZZ e.t. | Was ist mit dem regulatorischen Fo

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Schnelldreher: Die Alstomturbine erreicht einen Wirkungsgrad von 61 Prozent

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Umfeld? Ziehen Sie da auch ein positives Fazit?_Wulf | Nein, leider nicht. Das Errichten von Windparks und das Abführen des produzierten Stroms sind in Deutschland regulatorisch ge-trennt. Anders als beispielsweise in Großbritan-nien oder Frankreich benötigt man hierzulande gleich ein ganzes Bündel an Genehmigungen. Das macht die Projekte sehr komplex und schreckt die großen Investoren ab, die man für Offshore-Projekte braucht. _BIZZ e.t. | Wie ließe sich das Problem lösen? Etwa durch ein Energieministerium?_Wulf | Es sollte ein zuständiges Ministerium geben – und nicht fünf. Derzeit sind die Res-sorts Wirtschaft, Umwelt, Verkehr, Forschung und Landwirtschaft allesamt involviert. Dadurch dauern die Verfahren einfach zu lange. Wir wollen beileibe keine Normen und Vorgaben aufweichen, wünschen uns aber dringend ver-einfachte Prozesse._BIZZ e.t. | Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2020 zehn Gigawatt Leistung auf hoher See installieren lassen. Die aktuellen Werte sind davon weit entfernt..._Wulf | Ob es zehn Gigawatt werden oder am Ende nur acht, ist unwichtig. Entscheidend ist, dass der Pfad funktioniert und das peu à peu mehr Last ans Netz kommt._BIZZ e.t. | Wo sehen Sie beim Thema Off-shore die wichtigsten Märkte?_Wulf | Die größten Märkte für uns sind Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Auch die USA, Brasilien und Japan wollen stärker in Offshore investieren. Da müssen wir abwarten, wie viel neue Leistung es am Ende wird. _BIZZ e.t. | Die erneu-erbaren Energien wach-sen im Rekordtempo. Brauchen wir überhaupt noch fossile Kraftwer-ke?_Wulf | Es gibt mittlerweile einen Konsens, dass wir trotz des Zubaus von Solar- und Wind-energie neue Kraftwerke benötigen. Die Sonne scheint eben nachts nicht und auch der Wind macht mal Pause._BIZZ e.t. | Über welche Art von Kraftwerken reden wir denn? Für traditionelle Grundlastkraftwerke, die rund um die Uhr laufen, wird es kaum mehr Bedarf

geben. Allerdings brauchen wir steuerbare und flexible Kraftwerke, die bei Bedarf einspringen. Umso mehr fluktuierende erneuerbare Energien ans Netz gehen, umso mehr solcher flexiblen Anlagen brauchen wir. _BIZZ e.t. | Wenn es Bedarf gibt, warum wer-den die Kraftwerke dann nicht gebaut?_Wulf | Aufgrund von schlechten Rahmenbedin-gungen ist es momentan unwirtschaftlich, neue Kraftwerke zu bauen. Des-halb investieren weder die großen Energieversorger noch die Stadtwerke in mögliche Projekte. Selbst die Ertüchtigung von Anlagen lohnt sich nicht._BIZZ e.t. | Woran liegt das? Wo müsste der Marktpreis liegen?_Wulf |Entweder benötigen wir einen signi-fikant höheren Strompreis für die Zeiten, in denen regelbare Kraftwerke Strom produzieren, oder viel geringere Subventionen für den produ-zierten Strom aus erneuerbaren Quellen, damit regelbare Kraftwerke auf deutlich mehr Laufzeit kommen. _BIZZ e.t. | Wann brauchen wir neue Kraft-werke, um die Versorgung zu sichern?_Wulf | Bis 2016 sind noch einige Projekte in der Pipeline, etwa in Karlsruhe, Mannheim oder Hamburg. Geht Grundlast bis dahin vom Netz, wird sie ersetzt. Ab 2016 bekommen wir aber ein Problem, denn schon seit mehr als einem

Jahr ist kein neues Kraftwerk bestellt wor-den. In unserem Mannheimer Gasturbinen-Werk mussten wir bereits auf Kurzarbeit umstellen, weil die Nachfrage fehlt. Dabei ist immer zu bedenken: Die übliche Pla-nungs- und Bauzeit für ein neues Kraft-werk beträgt sechs Jahre._BIZZ e.t. | Könnte der Schiefergasboom in den USA helfen, Projekte wirtschaftli-

cher zu machen? _Wulf | Wenn das Gasangebot steigt und die Preise sinken, hat das natürlich auch Folgen für die Wirtschaftlichkeit von Projekten. Die Frage ist allerdings, ob es Handelswege für das US-Schiefergas geben wird – etwa nach Europa. Gibt es die, könnte Schiefergas dazu führen, dass sich das eine oder andere Projekt lohnt. _BIZZ e.t. | Reicht das aus?_Wulf | Nein. Wir benötigen einen regulato-rischen Impuls. Dazu brauchen wir auch

„Es sollte ein zuständiges Ministerium geben – und nicht fünf.“

„Ab 2016 bekommen wir ein Problem.“

Alf Henryk Wulf

Der studierte Elektro-techniker ist seit dem 1. April 2012 Vor-stands-Vorsitzender von Alstom Deutsch-land. Vor seinem Wechsel zu Alstom war Wulf 20 Jahre lang für die Alcatel-Lucent Deutschland AG tätig, zuletzt als deren Vorstandschef. Seit November 2010 ist Wulf zudem Präsi-dent des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE).

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unter den einzelnen Energieträgern noch mög-lichst viel Wettbewerb. Vor der Bundestagswahl erwarte ich hier allerdings nicht viel._BIZZ e.t. | Was halten Sie von den vielzitier-ten Kapazitätsmärkten als Anreiz zum Neubau von Kraftwerken?_Wulf | Das ist eine Möglichkeit, es gibt aber noch andere Vorschläge wie beispielsweise die strategische Reserve: Die Kraftwerke werden aus dem Markt genommen und auf Stand-by gehal-ten. Fragwürdig ist die Effizienz dieser Methode, denn die Kraftwerke würden nur bei Bedarf ein-gesetzt, verursachten aber trotzdem Kosten. Ich könnte mir auch ein Modell vorstellen, das sich an der Ausschreibung von Nahverkehrs strecken orientiert._BIZZ e.t. | Wie würde das funktionieren?_Wulf | Vom Staat käme ein fixer Geldanteil, die Ausschreibungen wären aber in der Hand der Kommunen und Regionen. Die könnten ihren Bedarf am Markt platzieren. Im Regio-nalverkehr hat diese Vorgehensweise zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung geführt. Wa-rum sollte das nicht auch auf dem Strommarkt funktionieren?_BIZZ e.t. | Wer soll sich an einer Ausschrei-bung beteiligen?_Wulf | Ein Kraftwerksbetreiber könnte etwa eine Stromleitung zu einem bestehenden Kraft-werk bauen und eine bestimmte Leistung garan-tieren. Es wäre auch möglich, dass ein anderer Betreiber ein neues Gaskraftwerk baut, weil er einen bestimmten Preis für seine Reserveleis-

tung erzielen kann. Auch eine Ertüchtigung von bestehenden Kraftwerken wäre möglich._BIZZ e.t. | Wäre das nicht die wirtschaftlichs-te Variante?_Wulf |Alte Anlagen haben einen deutlich schlechteren Wirkungsgrad. Sie holen aus dem Brennstoff nicht das Bestmögliche an Energie heraus. Moderne Gas- und Dampfkraftwerke er-reichen mittlerweile Wirkungsgrade von 61 Pro-zent allein beim Strom. Vor zwanzig Jahren hatten wir gerade einmal einen Wirkungsgrad von 30 Prozent. _BIZZ e.t. | Welche Variante favorisieren Sie?_Wulf | Wichtig ist, dass man nicht einen Weg festschreibt, das hemmt Innovationen. Schauen Sie sich die Entwicklung bei den Kraftwerken an. Vor einigen Jahren sprach noch niemand da-von, dass Anlagen regelbar sein müssen. Heute ist das bei modernen Gaskraftwerken selbstver-ständlich _BIZZ e.t. | Die Bundesregierung will das Ab-schalten von alten Kraftwerken verbieten. Was halten Sie davon?_Wulf |Ein heftiger Eingriff in den Markt – und das in einem Umfeld, das sich ohnehin im-mer mehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien entfernt. Ganz kurzfristig ist es akzeptabel, um eine Unterversorgung im kommenden Winter zu vermeiden. Darüber hinaus muss viel mehr fairer Wettbewerb zwischen den Energieträgern entstehen. Die Produktion elektrischer Energie sollte ein Geschäftsmodell sein und keine plan-wirtschafliche Grundversorgung.

Alstom

Der französische Industriekonzern

Alstom baut Anla-gen zur Stromer-

zeugung wie Gas oder Windturbinen

und liefert Kabel für Stromleitungen. Ein weiteres Standbein

ist der Bau von Schienenfahrzeu-

gen. Im vergange-nen Jahr setzten

die Franzosen rund 20 Milliarden Euro um. Für dieses Jahr strebt der Konzern

ein Umsatzplus von fünf Prozent an. Fo

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Rekord-Mühle: Die „Haliade150“,

Offshore-Turbine von Alstom,

mit 6 MW Leistung

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Beim jüngsten E-Mobility-Gipfel im Kanzler-amt hat Angela Merkel erneut Kaufprämien für Elektroautos abgelehnt. Damit liegt die Kanzle-rin richtig. Selbst hohe Kaufprämien bringen wenig, wie zum Beispiel die Erfahrung in den USA lehrt. Mit bis zu 7.500 US-Dollar Zuschuss pro Fahrzeug wurde versucht, Begeisterung bei Autofahrern zu wecken. Ohne Erfolg: Weniger als 20.000 Fahrzeuge oder 0,2 Prozent aller

Was läuft beim Elektro- auto schief ?Fünf Milliarden Euro haben die Autobauer ins Batterie­auto investiert – das Geld können sie nun abschreiben_Text ferdinand dudenhöffer

ine Million Elektroautos auf deut-schen Straßen bis 2020. Dieses Ziel der Bundesregierung war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Batteriegetriebene

Elektroautos haben ihre Nachteile: Geringe Reichweite, hohe Preise und lange Ladezeiten. Darüber wurde viel geschrieben, nicht nur in Deutschland.

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verkauften Neuwagen waren im größten Auto-markt der Welt in den ersten acht Monaten Elektroautos. In Deutschland sieht die Bilanz noch trüber aus. 2.272 zugelassene Elektroautos oder 0,1 Prozent Marktanteil in den ersten acht Monaten. Rechnet man die Zulassungen von Autobauern und Händlern heraus, bleiben 1.036 Elektroautos übrig. Eine traurige Bilanz.

Am Angebot liegt es nicht. Es herrscht kein Mangel an Modellen. Opel hat den Ampera. Bei Citroen, Peugeot und Mitsubishi steht der i-MIEV in verschiedenen Formen bei den Händ-lern. Nissan hat den Leaf, Renault den Fluence und auch der Elektro-Smart ist zu haben.

Doch der Verkaufserfolg bleibt aus. Der Mitsubishi i-MIEV befindet sich bereits in sei-nem zweiten Verkaufsjahr – und floppt. Nach 683 Verkäufen im letzten Jahr wurden in den ersten acht Monaten nur 53 Wagen abgesetzt. Selbst die kräftige Preissenkung in Höhe von 5.200 Euro auf 29.300 Euro hat nichts gebracht. Solche Hiobsbotschaften ziehen weitere nach sich: Toyota baut zwar noch immer Hybridautos, gab aber Ende September bekannt, seine Elek-troautopläne ad acta zu legen. Wenn sich an der Situation nichts ändert, ist das Elektroauto auf dem besten Weg ins Museum.

Die wirtschaftlichen Folgen dieser Malaise: Allein bei deutschen Autobauern dürften insge-samt mehr als fünf Milliar-den Euro in die Entwicklung von Elektroautos geflossen sein, von denen jetzt vermut-lich drei Viertel abgeschrie-ben werden müssen. Daimler legte Smart und A-Klasse als Elektroautos aus und schloss ein Lithium-Ionen Joint Venture mit Evonik für die Batterielieferung ab. Bei BMW starten nächstes Jahr völlig neu entwi-ckelte Elektrofahrzeuge, der i3 und i8. Bei VW und Audi läuft die Entwicklung für eine Reihe von Elektrofahrzeugen, darunter auch der E-Golf. Eine stärkere Unterstützung dieser Aktivitäten wäre wichtig gewesen, allein, um die jetzt drohenden Steuerausfälle zu vermeiden. Bei deutlich über drei Milliarden Euro Abschrei-bungen gehen dem Fiskus mit Sicherheit mehr als eine Milliarde Euro verloren.

In Sonntagsreden haben deutsche Politiker gern über die Nutzung von Busspuren, kostenlo-sem Parken und anderen Vergünstigungen für

Elektroautos schwadroniert. Umgesetzt wurde nichts.

Sinnvoll wäre es auch, in Großstädten stren-gere Abgaswerte vorzuschreiben und den Liefer-verkehr in Fußgängerzonen nur noch durch Elektroautos zuzulassen. Doch diese Vorschläge wurden nicht umgesetzt. Es fehlen auch Carsha-ring-Systeme mit Elektroautos, die jedermann die Möglichkeit geben, diese Fahrzeuge kennen-zulernen und Vorurteile abzubauen.

EU-weite Regulierun-gen würden verhindern, dass jeder Mitgliedsstaat beim E-Auto allein vor sich hin wurschtelt. Doch die EU-Kommission bleibt beim Thema Elektroauto stumm. Keine gemein-same Anstrengung, keine Abstimmung. In der Bundesregierung sind gleich vier Ministerien für das Elektroauto zuständig. Viele Köche verderben den Brei.

Diese Aufzählung verpasster Chancen soll zeigen: Das Scheitern hat viele Gründe. Das Elektroauto braucht keine Verkaufsprämie, sondern einen Verkaufsmultiplikator. Der kommt nur zustande, wenn möglichst viele Menschen das Auto kennenlernen. Bei einem Großexperiment an der Universität Duisburg im

Herbst 2011 ließen wir 230 Autofahrer mit Elektroautos fahren. Die Teilnehmer waren begeistert – vom leisen Fahrge-räusch, von der nicht erwarte-ten Agilität und der Abgasfrei-heit.

38 Prozent der Teilnehmer konnten sich vorstellen, ein

Elek troauto zu kaufen und waren auch bereit, dafür 5.000 Euro Aufpreis gegenüber der Ben-zinvariante zu bezahlen. Sie haben das Elektro-auto kennen- und lieben gelernt. Durch prakti-sches Fahren.

Aber die tägliche Praxis in den Autohäusern sieht leider anders aus. Nach all den negativen Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate bittet kaum ein (potenzieller) Kunde um eine Probefahrt im E-Auto. Warum sollte er sich das antun?

Also stirbt das Elektroauto. Langsam. Die großen Versprechungen der Politik haben einen Wettlauf angezettelt, der nur Verlierer kennt.

Ferdinand dudenhöFFer

ist Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebs-wirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.

Kaufprämien al-leine helfen nicht weiter, es braucht Multiplikatoren.

Wenn sich nichts ändert, ist das Elektroauto auf dem besten Weg ins Museum.