Blickpunkt Region 2010 16. Nov. · 2017. 3. 15. · Blickpunkt Region 2010 6 Beteiligung am...

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Blickpunkt Region 2010 - Jahresbericht - vorgelegt von der Geschäftsstelle des Regionalverbandes Südniedersachsen e. V. zur 20. Regionalkonferenz (Mittwoch, 1. Dezember 2010 im Muthaus Hardegsen)

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  • Blickpunkt Region 2010

    - Jahresbericht -

    vorgelegt von der Geschäftsstelle des Regionalverbandes

    Südniedersachsen e. V. zur 20. Regionalkonferenz

    (Mittwoch, 1. Dezember 2010 im Muthaus Hardegsen)

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    Inhaltsverzeichnis 1. Überblick..................................................................................................... 3 2. Zwischenergebnisse ................................................................................... 5 3. Rahmenbedingungen.................................................................................. 6 4. Handlungsfelder.......................................................................................... 8

    4.1 Daten und Fakten.................................................................................. 9 4.11 Veranstaltungen in Stichworten........................................................ 9 4.12 Gremienarbeit ................................................................................ 10

    5. Schwerpunkte der Projektarbeit ................................................................ 11

    5.1 Bildungsregion Göttingen .................................................................... 11 5.11 SchulBetrieb .................................................................................. 12 5.12 Haus der kleinen Forscher ............................................................. 15 5.13 Projekt Zukunft............................................................................... 16 5.14 Untersuchung über die Schulstruktur in der Stadt Göttingen.......... 17 5.15 Konsequenzen der Abschaffung der Orientierungsstufen .............. 18

    5.2 Entwicklung von Siedlungsflächen....................................................... 19 5.21 Immobilien- und Wohnungsmärkte im Umbruch............................. 21 5.22 Umnutzung und Rückbau – Chancen Innenentwicklung ................ 24 5.23 Folgekosten kommunaler Infrastruktur in der ................................. 27 Siedlungsentwicklung ............................................................................ 27

    5.3 Einzelhandel........................................................................................ 30 5.31 Das Konzept „Treffpunkt mit virtuellem Dorfladen“ ......................... 31

    5.4 Entwicklung des Vereins „Gesundheitsregion Göttingen ..................... 32 6. Planungen für 2011................................................................................... 34 7. Mitglieder des Regionalverbands Südniedersachsen e. V......................... 35 8. Organigramm............................................................................................ 36 9. Mitglieder des Vorstands........................................................................... 37 10. Zusammensetzung der Arbeitskreise ...................................................... 38

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    1. Überblick Die Regionalkonferenz 2009 des Regionalverbandes Südniedersachsen am 19. No-vember im Neuen Rathaus in Göttingen befasste sich intensiv mit zentralen Aspekten der „Bildungsregion Göttingen“. Prof. Dr. Herrmann Veith vom Pädagogischen Semi-nar der Universität Göttingen wies während der Veranstaltung darauf hin, dass die Schullandschaft in Südniedersachsen angesichts sinkender Schülerzahlen und hoher Erwartungen von Gesellschaft und Wirtschaft vor tief greifenden Umbrüchen stehe – eine Analyse, die in die Vorschläge von Kultusminister Dr. Bernd Althusmann zur Ges-taltung einer langfristig tragfähige Schulstruktur in Niedersachsen einfloss. Der Land-tag diskutierte diese Vorschläge am 9. November erstmals ausführlich. Die Kommunen sollen nach dem im Oktober 2010 vorgestellten Konzept zur Siche-rung einer wohnortnahen Schulversorgung einen erweiterten Gestaltungsspielraum erhalten. Schülerinnen und Schüler bekommen eine weitere Option auf einen höchst-möglichen Bildungsabschluss. Staatssekretär Dr. Stefan Porwol hat sich für die Regi-onalkonferenz am 1. Dezember in Hardegsen angekündigt. Er will die Planungen des Kultusministeriums vorstellen. Titel des Referats des Staatssekretärs: „Entwicklung der Schulstruktur in ländlichen Räumen Niedersachsens“

    Die im Zusammenhang mit dem demographischen Wandel entstehenden Probleme müssten, so hatte Prof. Veith im November 2009 vor kommunalpolitisch Verantwortlichen der Region gefordert, frühzeitiger er-kannt und bewertet werden. In der Kommunalpolitik gibt es nach Einschätzung Veiths nichts Unangenehmeres, als kurzfristig Schulen schließen zu müssen. Schulen hätten als staatliche Infrastrukturangebote gerade im ländlichen Raum eine große Bedeutung. Unter Exis-tenzsorgen litten, so die vor einem Jahr formulierte Erkenntnis des Wissenschaftlers, nicht nur Grund- und Hauptschulen, sondern auch Realschulen. Die Gymna-sien stünden vor der neuen Herausforderung der Arbeit mit einer heterogenen Schülerstruktur.

    Veith betonte indes, viele Schulen in der Bildungsregion Göttingen seien gut aufge-stellt. Sie müssten allerdings noch stärker die Möglichkeit nutzen, voneinander zu lernen. Schulen müssten mehr und häufiger die Gelegenheit erhalten, sich als „gute Beispiele“ zu präsentieren. Seit dieser Regionalkonferenz hat der Regionalverband Südniedersachsen gemeinsam mit der Bürgerstiftung Göttingen, dem Verein „Schule und Wirtschaft“ und der Bil-dungsgenossenschaft Südniedersachsen (BIGS) die „Bildungsregion Göttingen“ kon-zeptionell und praktisch weiterentwickelt. Der Prozess geht zurück auf eine Parteigren-zen und Wahlkreisgrenzen übergreifende Initiative der Landtagsabgeordneten Dr. Gabriele Andretta, Dr. Harald Noack und Stefan Wenzel aus dem Jahr 2006. Der vor-liegende „Blickpunkt Region 2010“ dokumentiert die Schwerpunkte der Arbeit in die-sem sowie anderen regionalpolitisch relevanten Handlungsfeldern. Ebenso wie in den Vorjahren stand auch im Jahr 2010 die Bearbeitung konkreter Pro-jekte, die Netzwerkarbeit sowie der Ausrichtung von Veranstaltungen im Mittelpunkt der Arbeit der Geschäftsstelle. Besondere Bedeutung kam den Beiträgen zur Bewälti-gung des demographischen Wandels der Region zu. Satzungsgemäße Aufgabe des Regionalverbandes ist es, Kooperation, Kommunikati-on und Koordination in den Landkreisen Göttingen, Osterode am Harz und Northeim mit der Stadt Göttingen als Oberzentrum zu verbessern, Beiträge zu Wertschöpfung

    Prof. Dr. Hermann Veith

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    und Beschäftigung in der Region Göttingen zu leisten und Regionalmarketing nach innen und außen zu treiben. Weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Regionalverbandes Südniedersachsen war die Vorbereitung des Projektes „Gesundheitsregion Göttingen“. Nach der Gründung des Vereins „Gesundheitsregion Göttingen“ entschied der neue Vorstand im Mai, die Ge-schäftsführung einer privaten Agentur zu übergeben. Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Gründung des Vereins „Gesund-heitsregion Göttingen“ wurde von manchen Beteiligten als gutes Beispiel für die Impul-se gewertet, die der Regionalverband mit seiner projektorientierten Tätigkeit auch im Jahr 2010 gegeben hat. Grundlage ist die mit der Landesregierung - und hier insbe-sondere mit der Regierungsvertretung Braunschweig – schon im Jahr 2006 abge-stimmte Regionale Entwicklungs-Strategie (RES) für die EU-Strukturförderperiode 2007 bis 2013. Intensiviert wurde im Jahr 2010 die Zusammenarbeit mit den Regionalplanungsträ-gern der Landkreise und der Stadt Göttingen, der Regierungsvertretung Braun-schweig, dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und dem Niedersächsischen Kultusministerium. Erheblich weiterentwickelt wurde auch die Kooperationen mit der Freien Altenarbeit Göttingen (FAG), der Agentur für Arbeit Göttingen, dem Institut für angewandte Sozi-alfragen (IFAS, Göttingen), der Mobilen Wohnberatung Südniedersachsen, den Regi-onalmanagement-Projektträgern der Landkreise Göttingen (LEADER), Osterode am Harz (NLG) und Northeim (M-Con) sowie dem Kreisverband Göttingen der Arbeiter-wohlfahrt (AWO). Besondere Bedeutung bei der Arbeit der Geschäftsstelle hatten auch die Verbindun-gen zur Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ in Berlin, den Leitstellen „Regionen des Lernens“ der drei südniedersächsischen Landkreise, der Handwerkskammer Hildes-heim/Südniedersachsen sowie der Geschäftsstelle der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg. Besonders hervorzuheben sind auch die vielfältigen und engen Verbindungen zur Universität Göttingen - namentlich zum Pädagogischen Seminar, zur Wirtschaftswis-senschaftlichen Fakultät, zur Stabsstelle Beteiligungsmanagement, Technologietrans-fer und Metropolregion, zur Universitätsmedizin Göttingen (UMG) sowie zur Koopera-tionsstelle Hochschule und Gewerkschaften. Die Arbeit des Jahres 2010 leitet sich ab aus den Vorhaben der Satzung des Regio-nalverbandes, den Gremienbeschlüssen sowie den Schwerpunktsetzungen der RES. Zu den Aufgaben der Geschäftsstelle gehören Vor- und Nachbereitung von Gremien-sitzungen sowie die Projektarbeit. In erheblichem Umfang bringen Fachleute aus den Kreis-, Stadt- und Gemeindeverwaltungen sowie der nicht-kommunalen Mitglieder ihre Kompetenzen in die Arbeit des Regionalverbandes ein. Diese, in vielen Fällen mit erheblichem Einsatz zeitlicher Ressourcen verbundene Zusammenarbeit ist wesentli-che Grundlage für Erfolge, die dem Regionalverband zugeschrieben werden. Allen Partnern ist für die vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit zu danken. Verbunden wird dieser Dank mit der Hoffnung auf Fortsetzung und Vertiefung der Kooperationen im Jahr 2011.

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    2. Zwischenergebnisse

    Im November 2010 legten der Polygo Verlag GmbH (Sitz: Lotzestraße 29 in Göttingen) und der Regionalverband Südniedersachsen die sechsundfünfzigste Ausgabe des RegJo Südniedersachsen vor. Daneben wurden in großer Zahl Sonderausgaben mit anderen Vertriebswegen herausgegeben. Verlag und Verband gehen im Jahr 2011 ins 16. Jahr ihrer Partnerschaft. Auch künftig wird das RegJo Südniedersachsen vier mal im Jahr erscheinen und Schlaglichter auf die vielfältigen Bezüge werfen, die zwischen den vier südniedersächsischen Landkreisen und ihrem Oberzentrum, der Universitätsstadt Göttingen, bestehen. Neben den regionalen Ausgaben gibt der Polygo Verlag auch eine

    Niedersachsen-Ausgabe heraus. Sie liegt u. a. in der Ersten Klasse der ICE aus und stellt die Qualitäten des Wirtschaftsstandorts Niedersachsen heraus. Basierend auf dem gemeinsam mit dem Regionalverband entwickelten Konzept gibt es inzwischen das RegJo auch in den Regionen Braunschweig, Leipzig und Hannover. In Hamburg entstand aus dem Konzept ein Magazin für die dortige Metropolregion. Das RegJo zählt zu den Arbeitsergebnissen des Regionalverbandes, die eine beson-ders große Außenwirkung erzielen. Zu den weiteren umgesetzten und zum Teil abge-schlossenen Arbeiten seit der Verbandsgründung im Jahr 1993 zählen: Inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Gründung des Vereins „Ge-

    sundheitsregion Göttingen“. Die Gründung erfolgte am 6. Mai 2010 in Göttingen mit mehr als 60 Gründungsmitgliedern

    Statusbericht „Bildungsregion Göttingen“ vom März 2010 Erarbeitung der 110 Seiten umfassende Broschüre „Gesundheitsregion Göttingen

    - Material zum Kooperationsprojekt ´ViTAL37`“ (2009) Modellvorhaben „Unterstützung von Gemeinden bei der Neuausrichtung ihrer

    Flächenpolitik im Rahmen der Regionalentwicklung“ (2008, gemeinsam mit der Regierungsvertretung Braunschweig)

    Beteiligung an der Antragstellung der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) für den Wettbewerb „Gesundheitsregionen der Zukunft“ des BMBF (2008)

    Erarbeitung und Vorlage des Konzeptentwurfs „Regionales Bildungsmanagement der Bildungsregion Göttingen“ (2007)

    Potenzialanalyse Seniorenwirtschaft, Regionalanalyse des Landkreises Göttingen und Studie „Ältere Menschen im Betrieb“ (gemeinsam mit der Gesellschaft für Prospektive Entwicklungen, Zoom) im Rahmen des Projektes „50plus – Erfahrung zählt“ des Landkreises Göttingen (2006)

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    Beteiligung am Modellvorhaben der Raumordnung (MoRo) „Infrastruktur und de-mographischer Wandel“ des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (2004 bis 2006)

    Erarbeitung und Vorlage der Regionalen Entwicklungs-Strategie (RES) „Wissens-region Göttingen“(2006)

    Antragstellung für das Projekt „Modellregion Südniedersachsen“ der Niedersäch-sischen Landesregierung mit anschließender Umsetzung (2004)

    Beteiligung an der Gründung der Bundes-Arbeitsgemeinschaft FutuRegio (2002). Aus dieser Arbeitsgemeinschaft entstand im Jahr 2007 der Verein „Regionen im Dialog (RID)“

    Formulierung eines Beitrags zum Wettbewerb „Regionen aktiv“ (2001) Beteiligung am bundesweiten „Netzwerk Regionen der Zukunft“ des Bundesamtes

    für Bauwesen und Raumordnung (2000 und 2001) Teilnahme an den Wettbewerben „Regionen der Zukunft“ (Präsentation auf der

    Weltstädtebaukonferenz URBAN 21 in Berlin im Juli 2000) Koordination dezentraler EXPO-Projekte (1997 bis 2000) Qualifikationsinitiative Elektrotechnik (Finanzierung durch EU-Mittel, 1996) Gewerbeflächenkataster Südniedersachsen (1996) Beiträge zur Sicherung des ICE-Systemhalts Göttingen (1996) Anforderungsprofil zur Herausgabe eines Regionalmagazins (1995) Branchenkonferenzen Feinmechanik/Optik (1994) Formulierung und Verabschiedung von „Zielvorstellungen für die Entwicklung der

    Region Südniedersachsen“ (1995) Gründung der ÖPNV-Vorbereitungsgesellschaft und Vorbereitung des Zweckver-

    bands Verkehrsverbund Süd-Niedersachsen (1994 und 1995)

    3. Rahmenbedingungen Die Auswirkungen der prozessorientierten Arbeit des Regionalverbandes Südnieder-sachsen auf Wachstum und Beschäftigung der Region Göttingen sind mittel- und

    langfristig zu sehen. Eine Quantifizierung der Ergebnisse der Verbandsarbeit ist methodisch schwierig. Angesichts der von Landkreisen sowie Städten und Gemeinden geprägten Mitgliedschaft bezogen sich die Leistungen

    des Regionalverbandes im Jahr 2010 im Wesentlichen auf kommunale Beiträge zur Regionalentwicklung. Nachdem in den Jahren zuvor Darstellung und Analyse des demographischen Wan-dels eine besondere Rolle gespielt hatten, konzentrierte sich der Regionalverband im Jahr 2010 auf Projekte, die sich auf die konkrete Gestaltung dieses Prozesses bezie-hen. Dazu gehören sowohl Aspekte der Siedlungsentwicklung und der Konzentration auf die Innenentwicklung als auch die Förderung der Kooperation von Bildungseinrich-tungen zur Stärkung der „Bildungsregion Göttingen“ nach innen und außen. Die Arbeit des Regionalverbandes erfolgte auch im Jahr 2010 projektorientiert gem. § 2 (Zweck des Vereins und Gemeinnützigkeit) der am 18. November 2003 novellierten Satzung. Zweck und Aufgabe des Regionalverbandes ist es, durch Kommunikation, Koordination und Kooperation die Position der Region Südniedersachsen zu stärken und zu fördern. Zu den Aufgaben gehört nicht die operative Wirtschaftsförderung - d. h. weder die einzelbetriebliche Förderung noch die Förderung der Infrastruktur. Auswahl und Bearbeitung der Projekte des Regionalverbandes erfolgen auf der Basis der im Jahr 2006 in Abstimmung mit der Niedersächsischen Landesregierung erarbei-teten RES. Effekte solcher Aktivitäten des Regionalverbandes Südniedersachsen sind zum einen in der Außenwirkung zu sehen, zum anderen in der Vermittlung der Ergeb-

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    nisse raumordnerischer Diskussionen von der EU- und Bundesebene für die regional-politische Diskussion in der Region Göttingen. Der Regionalverband Südniedersachen befasst sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit unterschiedlichen Aspekten des demographischen Wandels. Auch bei den im Jahr 2010 bearbeiteten Handlungsfeldern des Verbandes - Bildung, Siedlungsent-wicklung, Einzelhandel, Gesundheit - spielen die Veränderungen in Bevölkerungszahl und -struktur eine große Rolle. Es wurde deutlich, dass sich die Region inmitten die-ses Prozesses befindet. Dabei sind die Teilregionen unterschiedlich stark betroffen. Während die Stadt Göttingen mit ihrem engen Umland konstante bis leicht wachsen-de Einwohnerzahlen aufweist, sind die Orte der ländlichen Region besonders stark betroffen, die weiter von Göttingen entfernt liegen. Dass zwischen Wirtschaftsentwicklung, finanzieller Leistungsfähigkeit der Kommunen und demographischem Wandel enge Zusammenhänge bestehen, zeigen Untersu-chungen des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW, Hannover). Gemeinden, denen es an ertragsstarken Unternehmen mangelt, fehlen Einnahmen aus Gewerbe- und Einkommensteuer. Damit gerät ihre Handlungsfähigkeit in Gefahr. Und wer über zu wenig Arbeitsplätze verfügt, riskiert die Abwanderung von Bürgerin-nen und Bürger in andere Regionen: Zusammenhänge wie diese skizzierte Prof. Dr. Hans-Ulrich Jung vom NIW in seinem Referat „Kommunale Finanzen – Entwicklungs-tendenzen bei abnehmender Bevölkerung im ländlichen Raum“ Ende Oktober in der Stadthalle Northeim. Dabei wurde deutlich, dass keineswegs ein Zustrom auf die Zentren begonnen hat. Vielmehr hat sich deren Position gefestigt, weil Altersgruppen, die noch vor Jahren die Städte verlassen haben und auf Land gezogen sind, das Leben in den Zentren bevorzugen und auch beispielsweise nach der Geburt ihrer Kinder hier wohnen bleiben. Im Verlauf der Veranstaltungsreihe „Auf den Ortskern kommt es an“, die die Regie-rungsvertretung Braunschweig im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung in Kooperati-on mit dem Regionalverband Südniedersachsen in der zweiten Jahreshälfte 2010 ausrichtet, verwies Jung auf die weiter zunehmenden Unterschiede zwischen prospe-rierenden Zentren Deutschlands und den strukturschwachen Regionen. In Niedersachsen ist das Spannungsverhältnis zwischen schrumpfenden und wach-senden Regionen besonders ausgeprägt. Wenn es Zuzüge in die Zentren gibt, dann sind es häufig die jungen und gut ausgebildeten Menschen, die die ländlichen Regio-nen verlassen. Zwar wenden sich andererseits ältere Menschen nach Abschluss ihres Berufslebens von der Großstadt ab, doch kann in Niedersachsen von diesem Trend zwar die Nordseeküste profitieren, nicht jedoch Harz, Weserbergland und Sol-ling. Zumindest bislang nicht. Die aus der wirtschaftlichen Schwäche der ländlichen Teile Südniedersachsens resul-tierende geringe Steuereinnahmekraft reduziert nach Jungs Darstellungen nicht nur die Möglichkeiten der Kommunen, attraktive Kultur-, Sport- und Freizeitangebote zu finanzieren. Sie birgt auch die Gefahr, dass sie aus Unternehmenssicht nicht attraktiv genug sind. Die umseitige, vom NIW im Oktober 2010 erarbeitete Grafik zeigt die Bevölkerungs-entwicklung seit der Grenzöffnung und den Trends, auf den sich die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und Unternehmen in Südniedersachsen bis zum Jahr 2025 einrichten müssen.

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    Kommunale Finanzen -Entwicklungstendenzen bei abnehmender Bevölkerung im ländlichen Raum

    NIW-Bevölkerungsprognose 2010-2025

    Jung: Dienstag, 2. November 2010 Folie 12

    70

    75

    80

    85

    90

    95

    100

    105

    110

    115

    120

    125

    130

    135

    140

    145

    1989 1993 1997 2001 2005 2009 2013 2017 2021 2025

    Bevölkerungsentwicklung, 1989 = 100 LK Cloppenburg

    LK Emsland

    Niedersachsen

    LK Göttingen

    LK Northeim

    LK Osterode

    4. Handlungsfelder Vor dem Hintergrund der skizzierten demographischen Veränderungen erfolgte die Arbeit des Regionalverbandes im Jahr 2010 im Rahmen von Schwerpunktsetzungen, die aus der Satzung und den Zielsetzungen der Regionalen Entwicklungs-Strategie „Wissens-Region Göttingen“ (RES) sowie den jeweiligen Gremienbeschlüssen abge-leitet wurden. Die Bearbeitung erfolgte in Abstimmung mit zahlreichen Partnern in folgenden Hand-lungsfeldern.

    1. Entwicklung der „Bildungsregion Göttingen“ 2. Demographischer Wandel mit seinen verschiedenen Facetten (insbesondere

    Siedlungsflächenentwicklung und Innenentwicklung) 3. Einzelhandel (unter besonderer Berücksichtigung der Nahversorgung) 4. Entwicklung der „Gesundheitsregion Göttingen“ 5. Mitarbeit in der Metropolregion „Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg 6. Öffentlichkeitsarbeit und Standortmarketing.

    Diesen Handlungsfeldern sind die bearbeiteten Projekte zugeordnet.

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    4.1 Daten und Fakten 4.11 Veranstaltungen in Stichworten

    1. Sechste Bildungskonferenz der Bildungsregion Göttingen „Die Fachkräfte von morgen – Ausbildungsreife auf dem Prüfstand“ am 2. Dezember 2009 bei der ContiTech GmbH in Northeim (halbtägig mit 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern)

    2. Erstes Pädagogisches Forum am 3. Februar 2010 im Pädagogischen Seminar der Universität Göttingen zum Thema „Eltern raus … der neue Streit über die Schulempfehlung“ (30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer)

    3. Gesundheitskongress in der Göttinger Lokhalle am Sonnabend, 20. Feb-ruar, (120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) mit einem Referat des Vor-sitzenden des Vereins „Deutscher Gesundheitsregionen“, Dr. Josef Hilbert

    4. Erster Nahversorgungstag Südniedersachsen am 25. Februar im Dorfge-meinschaftshaus in Krebeck - gemeinsam mit der Mobilen Wohnberatung Südniedersachsen, den Regionalmanagement-Projektträgern der Land-kreise Göttingen (LEADER), Osterode am Harz (NLG) und Northeim (M-Con), der Stadt Osterode am Harz, dem Kreisverband Göttingen der Ar-beiterwohlfahrt (AWO)

    5. Siebte Bildungskonferenz der Bildungsregion Göttingen „Die Fachkräfte von morgen – Herausforderung Übergang Schule-Beruf“ am 22. April in der Stadthalle Göttingen (halbtägig im Rahmen der ersten Göttinger Bil-dungsmesse der Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen, 80 Teil-nehmerinnen und Teilnehmer)

    6. Gründungsversammlung des Vereins „Gesundheitsregion Göttingen e. V.“ in der alten Mensa am 6. Mai am Wilhelmsplatz (100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer)

    7. Zweites Pädagogisches Forum (gemeinsam mit dem Pädagogischen Se-minar der Universität Göttingen und der IGS) am 11. Mai in der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen-Geismar zu Erfolgsfak-toren Integrierter Gesamtschulen (35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer)

    8. Drittes Pädagogisches Forum (gemeinsam mit dem Pädagogischen Se-minar der Universität Göttingen und der IGS) am 8. Juni zu Erfolgsfakto-ren Integrierter Gesamtschulen in der IGS in Göttingen-Geismar (40 Teil-nehmerinnen und Teilnehmer)

    9. Auftakt zur Veranstaltungsreihe (im Auftrag des Ministeriums für Ernäh-rung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und in Kooperation mit der Regierungsvertretung Braunschweig) „Auf den Orts-kern kommt es an“ am 24. August in der Stadthalle Northeim: Südnieder-sächsische Immobilien- und Wohnungsmärkte im Umbruch (120 Teilneh-merinnen und Teilnehmer)

    10. Zweite Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Auf den Ortskern kommt es an“ am 14. September in der Stadthalle Northeim: Umnutzung und Rück-bau - Chancen und Grenzen der Innenentwicklung (110 Teilnehmerinnen und Teilnehmer)

    11. Viertes Pädagogisches Forum (gemeinsam mit dem Pädagogischen Se-minar der Universität Göttingen und der IGS) am 22. September zu der Bedeutung von Lernentwicklungsberichten von Integrierten Gesamtschu-len in der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen-Geismar (25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer)

    12. Dritte Veranstaltung im Rahmen der Reihe „Auf den Ortskern kommt es an“ am 26. Oktober in der Stadthalle Northeim: Folgekosten kommunaler Infrastruktur in der Siedlungsentwicklung (100 Teilnehmerinnen und Teil-nehmer)

    13. Fünftes Pädagogisches Forum (gemeinsam mit dem Pädagogischen Se-minar der Universität Göttingen und der IGS) am 10. November zu Er-folgsfaktoren von Integrierten Gesamtschulen in der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen-Geismar (20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer)

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    4.12 Gremienarbeit Vorstand und Geschäftsführenden Vorstand definieren die Rahmenbedingungen für die Aktivitäten von Geschäftsstelle und Arbeitskreisen. In den letztgenannten Gremien sind Fachleute aus Kommunalverwaltungen, der Landesregierung und sonstigen Mit-gliedern projektorientiert tätig. Besondere Bedeutung kam dem Arbeitskreis der Regi-onalplaner, dem Kernbeirat der Bildungsregion Göttingen sowie dem „regionalen Bil-dungsbeirat“ zu. Der Vorstand tagte am 25. Mai sowie am 12. August im Neuen Rathaus in Göttingen. Dabei nahm der die CSC Computer-Schulung & Consulting GmbH (Göttingen) auf deren Antrag in den Verein „Regionalverband Südniedersachsen“ auf. Der Geschäfts-führende Vorstand tagte am 8. Februar. Themen der Entscheidungsgremien waren die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg, die Intensivierung der Zusammenarbeit im Einzelhandel, die Innenentwicklung von Städten und Ge-meinden, die „Bildungsregion Göttingen“, die „Gesundheitsregion Göttingen“, die Ein-nahmeüberschussrechnung 2009 sowie der Wirtschaftsplan 2011. Wesentliche Gremiensitzungen in Einzelnen:

    1. Vorstand (Sitzung am 22. Juni im Neuen Rathaus in Göttingen) 2. Geschäftsführender Vorstand am 8. Februar im Neuen Rathaus in Göttin-

    gen 3. Regionaler Bildungsbeirat (teilweise in Untergruppen): 12. Februar, 26.

    Februar, 25. Juni und 1. September 4. Kernbeirat: 28. Januar und 10. Februar 5. Arbeitskreis der Regionalplaner (Sitzungen 20. November und am 17.

    Dezember 2009 sowie am 10. Februar, 11. Mai und 28. September 2010) 6. Interkommunaler Arbeitskreis Einzelhandel (IAE, 27. Mai und 7. Septem-

    ber) 7. Steuerungsgruppe und Arbeitsgruppen „Gesundheitsregion Göttingen“ (1.

    Dezember 2009 und mehr als ein Dutzend Gespräche mit Expertinnen und Experten in den ersten vier Monaten des Jahres 2010)

    Weitere Aktivitäten des Geschäftsführers

    1. Mitglied des Kuratoriums der Fagus-Werke in Alfeld (Zielsetzung: Aner-kennung des Werkes als Weltkulturerbe durch die UNESCO, Verleihung am 10. September 2011)

    2. Mitglied im Vorstand des Vereins RID „Regionen im Dialog“ auf Bundes-ebene

    3. Mitglied im Netzwerk der Bildungsgenossenschaft Südniedersachsen (BIGS)

    4. Mitglied im Kernbereit sowie im Regionalen Bildungsbeirat 5. Mitglied im Beirat „Mobile Wohnberatung Südniedersachsen“ 6. Mitglied im Beirat „Virtuelle Kommunikation – Führung in verteilten

    Teams“ der Kooperationsstelle Hochschule und Gewerkschaften der Ge-org-August-Universität Göttingen

    7. Mitglied im „Marketing-Club Göttingen“ Öffentlichkeitsarbeit 1. Regelmäßige Aktualisierung der Portale www.regionalverband.de,

    www.bildungsregion-goettingen.de, www.gesundheitsregiongoettingen.de 2. Positionierung des Regionalverbandes in relevanten sozialen Netzwerken

    im Internet 3. Ankündigung von Veranstaltungen durch Herausgabe von Faltblättern,

    Plakaten etc.

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    4. Vortrag im Sozialausschuss der Stadt Göttingen am 19. Januar über den Stand der Vorbereitungen für die Gründung des Vereins „Gesundheitsre-gion Göttingen“

    5. Vortrag „Regionales Demographie-Projekt des Regionalverbandes Süd-niedersachsen“ vor dem Demographie-Ausschuss des Landkreises Nort-heim am 5. Februar

    6. Vortrag zur Vorbereitung der „Gesundheitsregion Göttingen“ im Sozial-ausschuss des Landkreises Northeim am 8. Februar

    7. Herausgabe des Statusberichtes „Bildungsregion Göttingen – Südnieder-sachsen aktiv für Bildung“ im März

    8. Vortrag in der Ev. Akademie in Loccum am 24. April: Bildung als Bestand-teil regionaler und kommunaler Entwicklungsstrategie: Handlungsfelder und Herausforderungen

    9. Vorstellung des Projekts „Bildungsregion Göttingen“ am 27. April im Aus-schuss für Schule, Kultur und Sport des Landkreises Northeim

    10. Vorstellung des Projekts „Bildungsregion Göttingen“ am 27. Mai in einer gemeinsamen Sitzung des Jugendhilfeausschusses und des Schulaus-schusses der Stadt Göttingen

    11. Vortrag „Verantwortungsgemeinschaft Schule – Betrieb; können systema-tische Kooperationen die Ausbildungsreife der Schulabgänger verbes-sern?“ Der Vortrag erfolgte im Rahmen der Genius-Göttingen Fachtagung „Fachkräftemangel – Arbeitskräfte sichern und gewinnen“ am 6. Mai im Sartorius-College in Göttingen

    12. Vortrag am 1. Juni in Herzberg „Leerstände in Herzberg: Wir sind alle gefordert - Ideen für ein l(i)ebenswertes Herzberg 2010“

    13. Teilnahme an einer Podiumsdiskussion am 4. Juni in Nörten-Hardenberg im Rahmen des ersten Fachwerktags Südniedersachsen: „Fach- und Werkgespräche nicht nur für Fachwerk-Leute“

    14. Vortrag am 8. Juni im Schulausschuss des Landkreises Osterode am Harz; Thema: „Bildungsregion Göttingen Südniedersachsen aktiv für Bil-dung“

    15. Vortrag vor Teilnehmern eines Seminars der Hauptabteilung „Begabten-förderung und Kultur“ der Konrad-Adenauer-Stiftung am 12. August in Os-terode am Harz: „Die Generationenaufgabe: Die Bevölkerungsentwicklung im Landkreis Osterode und deren Auswirkungen auf die sozioökonomi-sche Entwicklung“

    5. Schwerpunkte der Projektarbeit 5.1 Bildungsregion Göttingen

    Schwerpunkt der Arbeit der Geschäftsstelle seit der Regionalkonferenz am November 2009 in Göttingen war die Aufgabenstellung „Bildungsregion Göttingen“. Die Konzent-ration auf dieses Thema manifestiert sich in dem Kommunikationsprozess mit Part-

    nern – im Rahmen von Beirat und Kernbeirat, aber auch mit weiteren Bildungsträgern und Netzwerken wie den bei den Landkreisen angesiedelten „Regionen des Lernens“.

    Außerdem wurden fünf Veranstaltungen im Rahmen des neuen Formats „das Päda-gogische Forum“ und zwei Bildungskonferenzen ausgerichtet. Wichtige Kooperations-partner waren dabei das Pädagogische Seminar der Universität Göttingen sowie die Leitung der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen-Geismar. Sie gestalten die Pädagogischen Foren inhaltlich. Weiterer Schwerpunkt war die Umset-zung des Konzepts „SchulBetrieb“ und die Ratifizierung der ersten Verträge. Hier ist die gute Zusammenarbeit zur Leitstelle „Region des Lernens“ des Landkreises Oster-ode am Harz hervorzuheben. Das „Projekt Zukunft“ mit Schülerinnen und Schülern von Haupt- und Förderschulen sowie (seit dem 1. Oktober) für Gymnasiasten und

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    Fachoberschüler als wichtige Zielgruppen wird inhaltlich vom Institut für angewandte Sozialfragen (IFAS) gestaltet. Erhebliche zeitliche Investitionen erfordert in der Ge-schäftsstelle des Regionalverbandes die regionale Koordination des Projekts „Haus der kleinen Forscher“. Die Arbeit an der „Bildungsregion Göttingen“ erfolgt in der Einsicht, dass sich in einer parlamentarischen Demokratie durch Bildung zunächst für jeden Einzelnen Lebens-perspektiven zur umfassenden gesellschaftlichen und kulturellen Teilhabe eröffnen. Für die eigene Berufslaufbahn ist die Teilhabe an Bildungsangeboten ohnehin von zentraler Bedeutung. Initiatoren und Verantwortliche der „Bildungsregion Göttingen“ unterstützen vor diesem Hintergrund Kindertagestätten und Schulen, Hochschulen und Universitäten, Weiterbildungsträger und betriebliche Ausbildungsstätten in ihrem Engagement für eine verbesserte Aus- und Weiterbildung junger Menschen und wei-terbildungsinteressierter Erwachsener. Zu den Kerngedanken der „Bildungsregion Göttingen“ zählt der Anspruch, soziale Unterschiede in der Gesellschaft durch die Förderung von Bildung zu reduzieren. Nicht in erster Linie die Höhe von Transferleistungen prägt die Chancen bildungsfer-ner Schichten auf gleichberechtigte Teilhabe an der politischen und ökonomischen Entwicklung der Region. Vielmehr können sich nur ausreichend ausgebildete und in ihren sozialen und kommunikativen Kompetenzen unterstützte Personen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft behaupten. Der Vorstand hatte am 11. Juni 2008 entschieden, das Projekt Bildungsregion Göttin-gen zunächst für drei Jahre beim Regionalverband Südniedersachsen anzusiedeln. Am 22. Juni 2010 fasste der Vorstand den Grundsatzbeschluss, das Projekt bis Ende Juli 2014 fortzusetzen – allerdings unter dem Vorbehalt der Bereitstellung der Finan-zierung in den einzelnen Haushaltsjahren. Den Fachgremien der beteiligten Gebiets-körperschaften waren die Ergebnisse der bisherigen Arbeit erläutert worden. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die Geschäftsstelle mehrfach versucht hatte, weitere Finanzierungsquellen zu erschließen. So wurde im März 2010 ein Antrag bei der RWE-Stiftung gestellt – außerdem wurde an das Kultusministerium ein Schreiben mit der Bitte um Unterstützung zugesandt. Im Juni gab es Kontakte zu Unternehmen, die signalisiert hatten, sich angesichts des Fachkräftemangels in der Bildungsregion engagieren zu wollen. Die RWE-Stiftung lehnte den Antrag im Sommer ab – es wurde deutlich, dass vorwiegend Anträge aus dem Ruhrgebiet bewilligt werden. Bis Mitte November 2010 lagen der Geschäftsstelle keine Finanzierungszusagen anderer An-sprechpartner vor. Den Ausgangspunkt zum Projekt „Bildungsregion Göttingen“ bildete eine Initiative, die die Landtagsabgeordneten Dr. Gabriele Andretta (SPD), Dr. Harald Noack (CDU) und Stefan Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen) bereits im Jahr 2006 Wahlkreis- und Partei übergreifend gestartet hatten. Gemeinsame Erkenntnis: Die Zukunftsfähigkeit der Region hängt vom Verlauf der Bildungsbiographien der Kinder und Jugendlichen ab. Die Initiatoren gingen dabei von der Erkenntnis aus, dass kurzfristige - zumal messba-re - Erfolge der gemeinsamen Bemühungen nicht zu erwarten sind. Sie verbinden deshalb die Politik des entschiedenen und konsequenten Handelns mit der Strategie des langen Atems. 5.11 SchulBetrieb Viele Jugendliche klagen darüber, dass ihnen keine echte Chance auf einen Einstieg in das Berufsleben eröffnet wird - andererseits sprechen Betriebe von mangelnder Ausbildungsreife der Bewerber. Man kennt sich zu wenig und kann sich nicht ausrei-chend in die Lage des anderen hineinversetzen. Bei Jugendlichen spielen Aspekte wie der fehlende Rückhalt in der Familie, die dürftige Ausbildungsmotivation und ge-ringe Kenntnisse über die Arbeitswelt eine Rolle. Nicht zuletzt mit dem Ziel, die Aus-bildungsreife der Jugendlichen zu fördern setzt der Regionalverband das Projekt „SchulBetrieb“ um.

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    SchulBetrieb werden Unternehmen, die sich auf eine langfristige Partnerschaft mit einer Schule einlassen. Sie geben damit ihr virulentes Interesse an einer guten Aus-bildung von Jugendlichen in Südniedersachsen zu erkennen und knüpfen Kontakte zu jungen Menschen, die für sie als spätere Auszubildende interessant sind. SchulBe-trieb werden aber auch Schulen, die mit einem oder mehreren Betrieben kooperieren. Sie erweitern ihr Bildungsangebot durch die Einbeziehung betriebspraktischer Kennt-nisse und Erfahrungen. Bislang wurden drei Kooperationsverträge unterzeichnet, oder, - wie es in der Projekt-terminologie heißt – „ratifiziert“: Am 2. Juni unterzeichneten die Verantwortlichen Ver-träge zwischen der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule und der Deutschen Telekom in Göttingen. Am 23. Juni erfolgte die „Ratifizierung“ der zuvor ausgehandel-ten Vereinbarungen zwischen Kodak Graphic Communications GmbH und der Haupt-schule Am Neustädter Tor in Osterode am Harz. Am 13. August vereinbarten das Toyota Autohaus Tschuck und die Realschule Redderberg ebenfalls in Osterode eine Zusammenarbeit für die nächsten Jahre – die beiden Osteroder Ratifizierungen wur-den inhaltlich und organisatorisch von der Leitstelle der Region des Lernens des Landkreises Osterode am Harz vorbereitet. Die nächsten Vertragsunterzeichnungen erfolgen noch im Jahr 2010 in Bovenden und Northeim. Im Rahmen der Partnerschaft mit der Telekom statteten Auszubildende gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern des achten Jahrgangs die Gesamtschule in Geismar mit einem neuen WLAN-Netz aus. Die Tätigkeiten erfolgten nach den Regeln des klassischen Projektmanagements: Es zählte praxisorientiertes Lernen, verbunden mit der Öffnung von Schule und Unterricht für betriebliches Denken und Handeln. Grund-lage war die genannte Kooperationsvereinbarung. Unterzeichnet wurde das acht Sei-ten umfassende Papier im Lichtenberg-Saal der IGS in Geismar in Anwesenheit des damaligen Göttinger Bildungsdezernenten Ludwig Hecke, des Geschäftsstellenleiters der IHK Hannover in Göttingen, Dr. Martin Rudolph, von IGS-Schulleiter Wolfgang Vogelsaenger und Anne Gonschor, Leiterin des Ausbildungszentrums Hannover der Deutschen Telekom AG. Die Idee, Unternehmen und Schulen zusammenzubringen, ist nicht neu. Innovativ jedoch ist, dass Lernpartnerschaften nicht nur der bekannten Problematik von freiblei-benden Ausbildungsstellen und dem durch den demographischen Wandel verschärf-ten Arbeitskräftemangel begegnen, sondern die aktuelle schulpolitische Diskussion um eine fächerübergreifende Berufsorientierung und die Zunahme an Berufs- und Praxistagen für Schüler aufgreifen. Schulen wird eine Entlastung und ein deutlicher Mehrwert geboten - Unternehmen erhalten schon ab Jahrgang 5 die Möglichkeit, Mit-verantwortung für die Ausbildungsreife ihrer späteren Auszubildenden und Mitarbeiter zu übernehmen: Mathe im Gewächshaus, Chemie in der Metzgerei, Deutsch in der Werbeagentur. Nach Angaben von Anne Gonschor erhält die Deutsche Telekom eine große Anzahl von Bewerbungen auf Ausbildungsplätze. Es sei schwierig, den damit verbundenen Erwartungen gerecht zu werden. Das Engagement innerhalb des Projektes „SchulBe-trieb“ ermögliche es der Telekom, frühzeitig in Kontakt zu geeigneten jungen Leuten zu treten. Dass die erste Schulpartnerschaft mit einer Integrierten Gesamtschule ein-gegangen wurde, sei kein Zufall. Als international aufgestellter Konzern braucht die Telekom Mitarbeiter, die Sozialkompetenz und Kommunikations- sowie Teamfähigkeit mit Fachwissen und hoher Motivation verbinden. Die frühe Berufsorientierung, die an der IGS geboten wird, kommt dem Unternehmen entgegen. Dr. Martin Rudolph betonte, in Südniedersachsen gebe es eine große Zahl an Koope-rationen zwischen Schulen und Betrieben. Sie gingen allerdings längst nicht so weit wie das Konzept „SchulBetrieb“. Der IHK liege daran, dass auch kleinere und mittlere Betriebe bei ihrer Kontaktpflege zu Schulen unterstützt würden. Rudolph erklärte, er halte es für denkbar, dass das Projekt SchulBetrieb auch in Form von Verbundmodel-len mit der Beteiligung mehrerer Betreibe realisiert wird. Rudolph lobte die Arbeit der

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    Bildungsmanagerin Nina Zastrow bei der Vorbereitung der ersten SchulBetriebs-Vereinbarung. Da sie sich national und europaweit als „Stadt, die Wissen schafft“ positionieren wolle, unterstützte die Stadt Göttingen erfolgreiche Modelle der Unterstützung von Betrieben – so betonte der inzwischen als Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen tätige damalige Göttinger Bildungsdezernent Ludwig Hecke. Die Stadt werbe dafür, dass junge Men-schen nach Abschluss der Ausbildung in der Region bleiben. Dafür seien gute Koope-rationen zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen wichtig. Als Schulträgerin, die für die inhaltliche Ausprägung von Bildung nur wenige Eingriffsmöglichkeiten habe, unterstütze die Stadt Göttingen das Konzept „SchulBetrieb“ nachhaltig. Erfolg in der Umsetzung biete zudem die Chance der Einwerbung weiterer Drittmittel. Zu Beginn der Veranstaltung hatte Gesamtschuldirektor Wolfgang Vogelsaenger die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung als sichtbares Zeichen einer engen Zusammenarbeit einer Schule mit einem angesehenen Unternehmen charakterisiert. Zwischen dem, was Schule zu leisten vermöge, und dem, was Betriebe brauchten, gebe es häufig Unterschiede. Das Projekt SchulBetrieb, so Vogelsaenger, biete eine exzellente Chance, diese Differenz zu verringern. Betrieb und Schule rückten enger zusammen. Schülerinnen und Schüler würden motiviert, sich besonders in den Fä-chern anzustrengen, die für Unternehmen besonders wichtig sind. In der Hauptschule Neustädter Tor trafen sich am 14. Juni die Lehrerinnen und Lehrer der Schule mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Kodak, um den Auftakt der lang-fristig angelegten Kooperation zu feiern. Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung überreichten Landrat Bernhard Reuter, die IHK und Mekom gemeinsam mit der Leit-stelle Region des Lernens die SchulBetriebs-Urkunden sowie Schilder, die an den Gebäuden der Hauptschule und von Kodak auf diese ausgezeichnete Zusammenar-beit hinweisen. Die Gemeinschaftsinitiative „SchulBetrieb“ der Region des Lernens Osterode und der Bildungsregion Göttingen startete nach den Sommerferien zunächst mit den fünften und sechsten Klassen der Hauptschule Neustädter Tor. Zahlreiche Mitarbeiter von Kodak hatten im Vorfeld der Unterzeichnung gemeinsam mit Lehrkräften Praxisbezüge für bis zu zwanzig Themenbereiche aus dem Lehrplan entwickelt. Ergänzend zu den üblichen Praktika wird den Jugendlichen durch fachliche Unterstützung aus der Wirtschaft eine neue Perspektive auf den Unterrichtsstoff ver-mittelt. Interesse und Motivation werden durch praxisnahen Unterricht gesteigert. Zwi-schen Unternehmen und Schule besteht Einvernehmen, dass neben der Vermittlung und Vertiefung von Kenntnissen in bestimmten Fachgebieten wie Naturwissenschaf-ten und Sprachen Faktoren wie Persönlichkeitsentwicklung, Sozialverhalten, Team- und Kommunikationsfähigkeit und Methodenwissen wichtig sind. In der fünften Klasse stehen nach einem Schnuppertag bei der Partnerfirma interessante Experimente und Praxisbeispiele in den Fächern Erdkunde, Englisch, Physik, Deutsch, Chemie und Mathe an. Der erste Bezug zum Projekt für die fünften Klassen wurde in den Fächern Erdkunde und Englisch mit dem Thema „Region und Umwelt“ über Interviews umgesetzt, um den Betrieb und seine Bedeutung für die Region näher kennen zu lernen. Die sechs-ten Klassen experimentierten in Chemie gemeinsam mit einem Kodak-Mitarbeiter zum Thema „Wasser zum Leben“. Am Ende des Schuljahres 2010/2011 gibt es für die Schülerinnen und Schüler einen Mathematikwettbewerb „Kodak-Kniffel“ auf Basis der bisherigen Lerninhalte des jewei-ligen Schuljahres. Schülerinnen und Schülern soll damit vermittelt werden, welche Bedeutung das in den Schulen vermittelte Wissen für die Arbeitswelt hat.

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    5.12 Haus der kleinen Forscher „Haus der kleinen Forscher übertrifft Erwartungen“ titelt das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer Pressemitteilung im August 2010 und informiert dar-über, dass die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ ab 2011 zu den bisherigen 1,25 Mio. Euro mit weiteren zwei Millionen Euro gefördert werde. Das „Haus der kleinen Forscher“ ist damit kein zeitlich befristetes Projekt mehr, sondern - mit der Implemen-tierung in mittlerweile allen Bundesländern - ein Hebel zur Weiterbildung und Profes-sionalisierung frühpädagogischer Fachkräfte. Mehr als 12.500 Kindertageseinrichtungen kooperieren seit 2007 in 165 regionalen Netzwerken – darunter auch das vom Regionalverband betreute Netzwerk Südnieder-sachsen -, um bei Kindern frühzeitig Interesse an naturwissenschaftlichen Phänome-nen und an Technik zu wecken. Dazu wurden bereits mehr als 25.000 Erzieherinnen und Erzieher qualifiziert. Mehr als 230.000 Mädchen und Jungen experimentieren inzwischen bundesweit regelmäßig in der Kita.

    Das Ergebnis des Evaluationsberichtes 2010 des „Haus der kleinen Forscher“ zeigt eine hohe Zufriedenheit von beteiligten Erzieherinnen und Erzieher, Trainerinnen und Trainer sowie Koordinationsnetzwerke von über 90 Prozent. Bei den Erzieherinnen und Erziehern wurden Vorbehalte gegenüber Naturwissenschaften und Technik ab-gebaut (von 22 auf zwei Prozent der Befragten) sowie Interesse an diesem Bereich geweckt (von 62 auf 96 Prozent). Erzieherinnen und Erzieher betonen den hohen praktischen Nutzen der Fortbildungen und die hohe Qualität der Arbeitsunterlagen (Zufriedenheitsindex über 95 Prozent). Das „Haus der kleinen Forscher“ hat inzwischen ein festes Weiterbildungsprogramm für die Trainerinnen und Trainer der Netzwerke zu den Themen Wasser, Luft, Spru-delgasse, Elektrizität, Farbe/Licht und Mathematik etabliert. Für 2011 wird das Thema Magnetismus hinzukommen. Der theoretische Teil der Ausbildung umfasst pädagogi-

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    sche Grundlagen, Sprachförderung in Verbindung mit naturwissenschaftlichen Expe-rimenten und die Reflexion der Lernprozesse. Neben neuer Kooperationen der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ mit dem Ver-band Deutscher Ingenieure, der Vernetzung und Bündelung der Kompetenzen mit der Deutschen Telekom Stiftung zur Aus- und Weiterbildung von elementaren Fachkräften und der Kooperation mit dem deutschen Bundesverband für Logopädie sind in den nächsten Jahren weitere Projekte geplant. Eine wissenschaftliche Begleitstudie soll klären, ob und in wie weit das Prinzip „Haus der kleinen Forscher“ dem Kind in der Kita Naturwissenschaft und Technik wirklich näher bringt. Zudem wird sich die Stiftung mit Modell- und Pilotprojekten der neuen Zielgruppe der Sechs- bis Zehnjährigenjähri-gen widmen. Die Bildungsregion Göttingen betreut im Rahmen ihrer Funktion als Netzwerkkoordi-natorin derzeit über 90 Kindertagesstätten in Südniedersachsen. Inzwischen wurden über 400 Erzieherinnen und Erzieher in Workshops zu allen Themenbereichen des „Haus der kleinen Forscher“ weitergebildet. Die Bildungsregion arbeitet mit drei Trai-nerinnen (freigestellte Mitarbeiterinnen des Kinderhaus e.V. und der Heinz-Sielmann-Stiftung) zusammen. In einer qualitativen Studie innerhalb der Bildungsregion Göttin-gen wurden die zufrieden stellenden Zahlen der Evaluation des „Haus der kleinen Forscher“ bestätigt. Auch die Bildungsregion möchte die Zielgruppe auf Kinder zwi-schen drei und zehn Jahren erweitern. Sie wird dafür mit den Mitarbeitern der Stiftung gemeinsam ein Projekt entwickeln. Die Workshops kosten 7,50 Euro für halbtägige Termine und 15 Euro für ganztägige Termine pro Teilnehmer und Teilnehmerin. Für diesen Herbst/Winter werden folgende Workshops angeboten: 5.13 Projekt Zukunft Am 1. Oktober 2010 begann eine neue, zunächst bis zum 31. Juli 2011 befristete Phase des „Projekts Zukunft“. Sie dient der erweiterten vertieften Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern der Fachgymnasien Wirtschaft in Einbeck, Northeim und Osterode am Harz, der Fachoberschule Wirtschaft in Hann.Münden, der Fach-oberschule Gesundheit und Soziales Hann.Münden, der IGS Göttingen und des Eichsfeldgymnasiums Duderstadt. Ziele sind die Integration von Jugendlichen in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, die Prävention im Zusammenhang mit dem Abbruch von Ausbildungsgängen und Studien, sowie die Zusammenführung ausbildungswilli-ger Unternehmen und ausbildungsfähiger Schulabgänger auf gehobenem Niveau. Unterstützt wird das Projekt von folgenden Partnern: Bundesagentur für Arbeit in Göt-tingen, Bürgerstiftung Duderstadt, Caritas-Centrum Duderstadt, DB Station&Service AG, Einbecker Brauhaus AG, Initiative Arbeiterkind.de, Jugendstiftung des Landkrei-ses Northeim, Piller Group GmbH in Osterode, Private Fachhochschule in Göttingen, Refratechnik Cement GmbH, Sparkasse Einbeck, Sycor GmbH Göttingen, Volksbank im Harz eG, Wilvorst-Herrenmoden GmbH Northeim sowie Weser-Metall-Umformtechnik in Hann. Münden. Konzipiert wurde das Projekt vom Institut für angewandte Sozialfragen gGmbH (IFAS) im Rahmen seiner Projektreihe „Projekt Zukunft – Lebens- und Berufsplanung in der Schule“. Dem IFAS obliegt auch die pädagogische und organisatorische Arbeit. Pro-jektträger ist der Regionalverband Südniedersachsen. Die Initiativen im Rahmen des „Projektes Zukunft“ hatte im Jahr 2005 mit dreißig Schülerinnen und Schülern einer Schule in Northeim begonnen. Die positive Reso-nanz in den Folgejahren führte dazu, dass das Projekt auf immer mehr Schulen aus-geweitet wurde.

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    Im SEK-I-Bereich sind es insbesondere Schülerinnen und Schüler von Haupt- und Förderschulen, die zu den Zielgruppen gehören. Sie haben es oft schwer, einen direk-ten Einstieg in betriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Die Anforderungen der Wirtschaft an die Jugendlichen sind hoch. Viele dieser Jugendlichen erfüllen die An-forderungen der Betriebe nicht. Aber warum? Liegt es an den Jugendlichen, oder sind die Anforderungen der Betriebe zu hoch? Im Rahmen dieser Fragestellungen hat sich das „Projekt Zukunft“ in seinen bisherigen Phasen an Schülerinnen und Schüler der Vorentlassklassen der jeweiligen Schulen gewandt. Im jeweils ersten Projektjahr werden die jungen Leute in 14-tägig stattfin-denden Unterrichtseinheiten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestärkt. Sie erhalten professionelle Unterstützung im Bereich der Kommunikation, Problemlösungstechni-ken und Teamfähigkeit. In zweitägigen arbeitsweltbezogenen Praxismodulen können sie sich in verschiedenen Berufen ausprobieren und ihre Fähigkeiten unter fachlicher Anleitung erkennen und Selbstvertrauen entwickeln. Im zweiten Jahr werden sie durch intensive Bewerbungstrainings auf die Anforderungen bei Vorstellungsgesprächen vorbereitet. Weitere arbeitsweltbezogene Praxismodule stärken sie in ihrer Berufs-wahlkompetenz. Während des Projektes wurden und werden Betriebskontakte herge-stellt und intensiviert. Im SEK-I-Bereich betreut das IFAS zurzeit zwölf Klassen, im SEK-II-Bereich acht Klassen. 5.14 Untersuchung über die Schulstruktur in der Stadt Göttingen Im Rahmen seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter des Pädagogischen Seminars der Universität Göttingen sowie als Mitglied des regionalen Bildungsbeirats der „Bildungs-region Göttingen“ hat der Bildungsexperte Peter Brammer die Schulstruktur in der Stadt Göttingen sowie im Landkreis Osterode am Harz und in den Städten Northeim und Einbeck untersucht. Das Ergebnis für die Stadt Göttingen liegt seit dem Sommer 2010 vor – die anderen Studien sollen noch bis zum Jahreswechsel 2010/2011 vorge-legt werden. Für Göttingen kommt Brammer zu dem Ergebnis, dass die Schullandschaft der Stadt zentrale bildungspolitische und gesellschaftspolitische Zielvorgaben in hervorragender Weise erfüllt. Nach Brammers Erhebungen besuchen fast 85 Prozent der Schülerin-nen und Schüler eines Jahrgangs ab Klasse 5 Schulen, die sich zwar in ihren Profilen unterscheiden, aber nach ihrem Auftrag direkt (Gymnasien) oder überwiegend (Ge-samtschulen) zum Abitur führen. Rund zwei Drittel eines Schülerjahrgangs in den Allgemeinbildenden Schulen erwerben mit dem Abitur die Hochschulreife. Brammer ist der Auffassung, dass damit zumindest im Göttinger Stadtgebiet die traditionelle Schulsystemdebatte mit ihren Disputen zwischen Befürwortern und Gegnern des ge-

    gliederten Schulsystems ihre faktische Grundlage weitgehend verloren hat. Die Auswertungen der Ergebnisse des Zentralabiturs haben für die Göttinger Schulen exzellente und weit über dem Landesdurchschnitt liegende Ergebnisse zutage gefördert. Mit Ausnahme einer Hauptschule seien alle Schulen der Sekundarstufen I und II Ganz-tagsschulen oder aber Schulen mit einem Ganz-tagsangebot. Brammer weist nach, dass in Göttin-gen weniger als zwei Prozent der Schülerinnen und Schüler die Allgemeinbildenden Schulen ohne Ab-schluss verlassen. Angesichts der Angebotsvielfalt und der Gleichwertigkeit des Schulangebots hätten

    Peter Brammer

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    die Schullaufbahnempfehlungen der Grundschulen ihren selektiven Charakter verlo-ren. Die Schulen insgesamt hätten sich stark für die Verbesserung der Schulqualität engagiert. Andererseits habe der Stellenwert von Bildung bei Eltern und Schülern, aber auch in der Öffentlichkeit, stark zugenommen. Erheblichen Handlungsbedarf sieht Brammer jedoch bei der Lehrerversorgung. Der Bildungsexperte weist darauf hin, dass das Land an einer von ihm näher untersuchten Schule die Lehrerversorgung in den vergangenen 15 Jahren um zwanzig Prozent reduziert hat – bei gleich bleibender Schülerzahl. Die Unterversorgung führe zu einer permanenten Überbelastung der Lehrkräfte und berge Gefahren für die Unterrichts-qualität. In seiner Studie (http://www.bildungsregion-goettingen.de/docs/publikationen/ Peter_Brammer__Eine_Schullandschaft_in_Bewegung.pdf) fordert Brammer eine Schulentwicklungs- und Bildungsplanung unter Einbeziehung der Landkreise Göttin-gen, Northeim und Osterode am Harz. Die Ergebnisverantwortung für den Schulerfolg müsse verbindlich gleichermaßen auf Schule, Schüler und Eltern übertragen werden. 5.15 Konsequenzen der Abschaffung der Orientierungsstufen Brisante Ergebnisse haben die Untersuchungen des Göttinger Bildungsexperten Peter Brammer zu den Auswirkungen der Auflösung der Orientierungsstufe (OS) zutage gefördert. Danach hat die Entscheidung der Landesregierung aus dem Jahr 2003, die OS als eigenständige Schulform für die Klassen 5 und 6 aufzulösen und die Kinder gleich nach der Grundschulklasse 4 auf die weiterführenden Schülen zu schicken, die Akzeptanz der Haupt- und Realschulen geschwächt und damit zumindest in Göttingen zur Erosion des gegliederten Schulwesens beigetragen. Ziel der Untersuchungen war es nicht, den unabhängig von der OS-Abschaffung ent-standenen Imageproblemen von Haupt- und Realschulen sowie anderen gesellschaft-lichen Veränderungen, insbesondere dem demographischen Wandel und seinen Kon-sequenzen, auf den Grund zu gehen. Vielmehr ging es darum, die Bedeutung der Orientierungsstufen für die weitere Schullaufbahn der Kinder und Jugendlichen zu analysieren. Während Eltern der Empfehlung der abgebenden Schulen vor der OS-Abschaffung noch überwiegend gefolgt seien, ignorierten sie sie seither weitgehend. Brammer hält es für bemerkenswert, dass die prozentuale Verteilung der Schullaufbahnempfehlun-gen der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer auf das gegliederte Schulsys-tem nicht signifikant von derjenigen der Orientierungsstufenlehrerinnen und -lehrer abweicht. 55 Prozent der Kinder erhielten eine Gymnasialempfehlung, 30 Prozent eine Realschulempfehlung und 15 Prozent eine Hauptschulempfehlung. Verändert habe sich aber das Schulwahlverhalten der Eltern. Während heute mehr als zwei Drit-tel der Eltern Realschulempfohlener Kinder die Empfehlungen der Grundschule nicht mehr akzeptieren, seien es bei den Hauptschulempfohlenen Kindern sogar nahezu einhundert Prozent. Brammer erinnert in seiner Studie an die bildungspolitischen Diskussionen der ver-gangenen drei Jahrzehnte. Die OS sei 1980 von einer CDU-geführten Landesregie-rung eingeführt und 2003/2004 ebenfalls unter einem christdemokratischen Minister-präsidenten, nämlich Christian Wulff aufgelöst worden. Im Endeffekt hätten sich so-wohl Kritiker als auch Befürworter der OS-Auflösung in ihren Einschätzungen ge-täuscht. Die Abschaffung der Orientierungsstufen habe keineswegs zu einer Benach-teiligung von schwächeren Schülern geführt. Im Gegenteil. Nach der vierten Klasse wechselten mehr Schülerinnen und Schüler auf die Gymnasien als zu OS-Zeiten – und kämen dort auch zurecht. Brammer diagnostiziert, dass die eher konservative Bildungspolitik, die die Auflösung der OS über Jahre mit dem Ziel betrieben habe, das gegliederte Schulwesen zu stabilisieren, mit diesem bildungspolitischen Kraftakt das Gegenteil ihres Zieles erreicht habe. Aber auch die bildungspolitischen Kräfte, die für den Fortbestand dieser Schulform eingetreten seien, weil sie sich von ihr ein größeres

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    Maß an Chancengleichheit erhofft hätten, müssen zur Kenntnis nehmen, dass sie sich in ihrer Annahme getäuscht hätten. Die Orientierungsstufe als eigenständige Schulform der Klassen fünf und sechs hat in Göttingen bis 2003/2004 nach Brammers Bewertung wesentlich dazu beigetragen, das gegliederte Schulsystem zu stabilisieren; sie habe ihre Lenkungsfunktion im Sinne dieses Schulsystems erfüllt. Sie minderte damit die Chancen für diejenigen Schülerin-nen und Schüler, denen sie von ihrer bildungspolitischen Intention eigentlich zu mehr Chancengerechtigkeit verhelfen wollte. Gymnasien und Gesamtschulen seien die großen Gewinner der OS-Auflösung – Gewinner seien insbesondere aber auch die Schülerinnen und Schüler, die jetzt höherwertige Schulabschlüsse erreichten. Brammer leitet aus seiner Untersuchung eine Reihe von Konsequenzen für die Wei-terentwicklung der Schulstruktur in Südniedersachsen ab. So fordert er, dass alle Schulen der Sekundarstufen I und II rechtlich so ausgestattet werden sollten, dass sie alle Abschlüsse bis hin zu Abitur ermöglichten. Jede Schule müsse dabei ihr eigenes, spezifisches und auf ihre Schüler und deren Bedürfnisse zugeschnittenes Profil entwi-ckeln. Der Kern einer zukunftsweisenden Schulentwicklung einer Region liege also in der Entwicklung gleichwertiger, aber in ihren Profilen unterschiedlicher Schulen, die in einen fairen Wettbewerb um die beste Ausbildung ihrer Schüler eintreten. Die Reform-fähigkeit und Bereitschaft der Gymnasien sowie parallel die Einrichtung gleichwertiger und gut ausgestatteter Gesamtschulen der Klassen 5 bis 13 seien der Schlüssel zu einer erfolgreichen Schulentwicklung. 5.2 Entwicklung von Siedlungsflächen In den beteiligten Modellkommunen hat das 2008 gemeinsam mit der Regierungsver-tretung Braunschweig bearbeitete Modellvorhaben „Unterstützung von Gemeinden bei der Neuausrichtung ihrer Flächenpolitik im Rahmen der Regionalentwicklung“ zu kon-kreten Ergebnissen geführt. Auch andere Städte und Gemeinden nutzen die Ergeb-nisse des Modellvorhabens, das die Regierungsvertretung Braunschweig und der Regionalverband Südniedersachsen im Jahr 2009 umgesetzt haben. Die Ergebnisse, die die genannten Partner in einer Kurzversion, einer ausführlichen Fassung und als Faltblatt vorgelegt haben, sind unter http://www.regionalverband.de/presse_veroeffentlichungen_innenentwicklungen ab-rufbar. Im Anschluss daran hat sich der Arbeitskreis der Regionalplanungsträger beim Regio-nalverband Südniedersachsen mehrfach ausführlich mit der Fortsetzung dieser Arbeit auf regionaler Ebene befasst. Das Niedersächsische Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung beauftragte den Regional-verband Südniedersachsen, in der zweiten Jahreshälfte 2010 in enger Kooperation mit der Regierungsvertretung Braunschweig die Veranstaltungsreihe „Auf den Orts-kern kommt es an“ auszurichten. Die Veranstaltungsreihe wurde von der Kreis-Sparkasse Northeim finanziell unterstützt.

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    Veranstaltungsreihe: Auf den Ortskern kommt es anZusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer

    nach vertrenen Institutionen/Gruppen

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    24. August 14. September 26. Oktober

    EnergieMaklerSonstigePlanungsbürosArchitektenKreditinstituteVerwaltungPolitik

    Bearbeitung: Adrian Sprenger

    Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den ersten drei Veran-staltungen (24. August, 14. September und 26. Oktober 2010) im Rahmen der Veran-staltungsreihe „Auf den Ortskern kommt es an“ jeweils in der Stadthalle Northeim

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    LK Göttingen LK Northeim LK Osterode am Harz Satd Göttingen

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    5.21 Immobilien- und Wohnungsmärkte im Umbruch

    Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe in der Stadthalle Northeim wies die Ministerin Astrid Grotelüschen auf die Bedeutung des demographischen Wandels für viele ländlich geprägte Regionen in Niedersachsen hin. Es sei wichtig, dass sich die Verantwortlichen offensiv mit den damit verbundenen Herausforderungen auseinan-dersetzten. Der Wohnungsüberhang in peripheren ländlichen Räumen werde immer deutlicher. Das über Jahrzehnte selbstverständliche Wachstum sei in vielen Orten beendet. Auch wenn der Markt vieles regele, so die Ministerin, bedürfe es auch der regulierenden Öf-fentlichen Hand und der Zusammenarbeit über Ge-meindegrenzen hinweg. Zwar seien die Handlungs-

    möglichkeiten der Landesregierung begrenzt. Doch es gebe sie. Astrid Grotelüschen wies auf die Städtebauförderung und das Programm zur Förde-rung des ländlichen Raumes hin. Daneben gebe es Modellvorhaben wie etwa das Siedlungsflächenprojekt, das die Regierungsvertretung Braunschweig gemeinsam mit dem Regionalverband Südniedersachsen im Jahr 2008 erfolgreich umgesetzt habe. Die Veranstaltungsreihe „Auf den Ortskern kommt es an“ setze hier folgerichtig an. Ein radikales Umdenken in der Stadt- und Dorfent-wicklungspolitik forderte der Northeimer Landrat Michael Wickmann. Angesichts sinkender Bevölke-rungszahlen müsse das Wohnungsangebot, so Northeims Landrat, reduziert werden – nur so lasse sich der in vielen Orten zu beobachtende und statis-tisch nachweisbare Verfall der Immobilienpreise stoppen oder zumindest etwas abmildern. Wick-mann forderte, das Thema Abriss zu enttabuisieren. Von unrentabler und nicht mehr sanierbarer Bau-substanz müsse man sich trennen. Diese Strategie setze aber bei der Kommunalpolitik die Bereitschaft zum Paradigmenwechsel voraus. Städte und Ge-meinden in den ländlichen Räumen stünden vor tief greifenden Schrumpfungsprozessen – das gelte auch für die Infrastruktur, die unter dem Gesichtspunkt der langfristigen Finanzierbar-keit angepasst werden müsse. Wickmann machte deutlich, dass die Kommunen die-se Anpassungsleistungen allein nicht bewältigen könnten. Der Landrat forderte des-halb nachdrücklich neue Steuerungs- und Förderinstrumente auf der Ebene der Re-gionen, des Landes und des Bundes.

    Bürgermeister Harald Kühle wies auf die Vorsicht hin, die die Stadt Northeim seit Jahren bei der Ausweisung von Baugebieten an den Tag gelegt habe. Kühle plädierte in der aktuellen Diskussion für Gelassenheit; ein Blick auf das Mittelalter könne dabei hilfreich sein. Damals seien Wüstungen entstanden – und es sei nicht ausgeschlossen, dass in den nächsten Jahren des 21. Jahrhunderts das eine oder andere Dorf leer falle. Das gelte nicht nur für Südniedersachsen, sondern für viele andere Regionen bundesweit. Von der Stadt Göttingen forderte Kühle, die Region nicht als Ballast zu empfinden, sondern sich in die

    Regionalentwicklung aktiv einzuschalten. Der Bür-germeister schlug die Erarbeitung eines regionalen

    Astrid Grotelüschen

    Michael Wickmann

    Harald Kühle

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    Leitbilds für Südniedersachsen vor - und forderte, bei den Formulierungen auf Begriffe wie ´demographischer Wandel` und ´Schrumpfung` zu verzichten. Der demographische Wandel, aber auch Aspekte wie steigende Mobilitätskosten und der häufigere Wechsel von Arbeitsplätzen, haben tiefe Spuren auf dem südniedersächsischen Immobilienmarkt hinter-lassen. Während selbst in den ländlichen Teilräumen das Preisniveau für unbebaute Grundstücke in den vergangenen 15 Jahren weitgehend konstant blieb, brachen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser in diesem Zeitraum massiv ein. Ingo Gerloff, Dezer-natsleiter der Behörde für Geoinformation, Landent-wicklung und Liegenschaften (GLL), beziffert den Preisniveaurückgang bei Gebäuden, die nach 1946 entstanden sind, auf 25 Prozent seit 1995. Der Rückgang bei älteren Gebäuden liegt nach Berechnungen der Behörde im Schnitt sogar bei 40 Prozent. Als Vorsitzender des beim GLL angesiedelten Gutachterausschusses für Grund-stückswerte, der für die drei südniedersächsischen Landkreise alle notariell beurkun-deten Kaufverträge auswertet, wies Gerloff darauf hin, dass die Zahl der Kaufverträge für Ein- und Zweifamilienhäuser in den vergangenen Jahren weitgehend konstant blieb. Dies sei aber nur möglich gewesen, weil die Verkäufer erhebliche Preiszuge-ständnisse gemacht hätten. In vielen Lagen gebe es keine ausreichende Nachfrage – der vielfach schlechte bauliche Zustand gerade älterer Häuser trage dazu bei, dass die Käufer niedrigere Preise durchsetzen könnten. Eine Sondersituation besteht in der Stadt Göttingen und ihrem engeren Umland. In guten Lagen ist bei Gebäuden der verschiedenen Altersklassen bereits wieder ein Trend zu steigenden Preisen festzustellen. Die registrierten Probleme beim Verkauf von Baugebieten betreffen nach Angaben Gerloffs fast ausschließlich den ländlichen Raum. So wurden in Hann.Münden im Jahr 2008 lediglich drei Grundstücke für den individuellen Wohnungsbau verkauft - in Staufenberg waren es zwei, in Bodenfelde nur eines. Und in der Gemeinde Kalefeld wurde im Jahr 2008 kein einziges Grund-stück vermarktet. Gerloff stellte die für viele Beobachter verblüffenden Unterschiede zwischen der Preisentwicklung für Altimmobilien und dem Trend für Baulandpreise heraus. Selbst in Orten mit besonders ungünstiger demographischer Entwicklung sei bei den Grund-stückpreisen kein signifikanter Rückgang festzustellen – allerdings sei die Zahl der Kaufverträge drastisch zurückgegangen. Gegenüber den Höchstständen aus den Jahren 1993 und 1997 wird derzeit nur noch ein Drittel des Umsatzes getätigt. Mittel-zentren wie Northeim, Einbeck, Osterode am Harz, Hann.Münden und Duderstadt weisen in Bezug auf die Nachfrage nach Bauland gegenüber dem Umland keine be-sondere Attraktivität auf. Banken und Sparkassen der Region sind in vielfältiger Weise von den Umbrüchen auf dem Immobilienmarkt betroffen – die Veränderungen auf diesen Märkten wirken sich sowohl auf das Neugeschäft als auch auf laufende Finanzierungen und die Verwer-tungsfälle aus, also Verkäufe, die erforderlich werden, wenn Kreditnehmer ihren Ver-pflichtungen nicht mehr nachkommen. Guido Mönnecke, Mitglied des Vorstands der Kreis-Sparkasse Northeim, machte am 24. August während der Veranstaltung „Süd-niedersächsische Immobilien- und Wohnungsmärkte im Umbruch“ in der Stadthalle Northeim auf die Bedeutung der Lage eines Objektes aufmerksam. Sie sei prägend für den Beleihungsspielraum und müsse jeweils unter dem Blickwinkel der Wirtschaft-lichkeit, unter sozialen Gesichtspunkten und im Hinblick auf die vorhandene Infrastruk-tur im Umfeld der Immobilie bewertet werden. Berücksichtigt werde natürlich auch, ob die Herstellungs- oder Anschaffungskosten eines Objektes den Gegebenheiten des

    Ingo Gerloff

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    Marktes entsprechen oder doch eher von persönlichen Präferenzen des potenziellen Kreditnehmers geprägt seien.

    Bei bestehenden Finanzierungen erfolgt nach Anga-ben Mönneckes eine Überprüfung der Beleihungs-werte, wenn innerhalb eines Zeitraums von drei Jah-ren eine rechnerische Wertminderung von mehr als zwanzig Prozent erfolgt ist. In diesem Fall müssen Banken und Sparkassen ihre eigenen Finanzierungen mit mehr Eigenkapital unterlegen – die Vorschrift engt damit den Spielraum für künftige Neugeschäfte ein. Wenn etwa nach dem Verlust des Arbeitsplatzes ein Kreditnehmer gezwungen ist, sein Haus oder seine Wohnung zu verkaufen, wird der Gutachterausschuss für Grundstückswerte häufig gebeten, ein Verkehrs-wertgutachten zu erstellen. Es dient dann der Orien-tierung bei der Preisfindung.

    Hohe Immobilienpreise sind in der bundesweiten Betrachtung Zeichen für hohe Ein-kommen und Wohlstand. Beispielsweise bei den Baulandpreisen gibt es nach Anga-ben von Mönnecke gravierende Unterschiede zwischen den Preisen in Bayern oder Baden-Würtemberg einerseits und den neuen Bundesländern andererseits. Insgesamt sei aber auffällig, dass in Deutschland insgesamt pro eintausend Einwohner im Jahr 2010 statistisch nur 1,7 Wohnungen fertig gestellt würden. In Frankreich, Polen und Österreich seien es fast fünf, in der Schweiz sogar mehr als sechs. Die Zahl der ins-gesamt in Deutschland erteilten Baugenehmigung sei seit Jahren rückläufig. Ausführlich ging Mönnecke auf die Situation des Wohnungsmarktes im Landkreis Northeim ein. So sei der Wert neuerer Eigentumswohnungen allein in den vergange-nen fünf Jahren um zwanzig Prozent gesunken. Eigentumswohnungen, die mehr als 60 Jahre alt seien, hätten im selben Zeitraum sogar die Hälfte ihres Wertes aus dem Jahr 2004 verloren – Vermögensverluste, die Auswirkungen beispielsweise auf die Altersversorgung vieler Immobilienbesitzer hätten. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern ist der Substanzverlust nach Angaben Mönneckes nicht ganz so ausgeprägt. Mehr als 60 Jahre alte Häuser hätten seit 2004 ein Viertel ihres damaligen Wertes verloren, Neubauten aus der Zeit nach 1970 lediglich fünf Prozent. Dabei gebe es innerhalb der Region erhebliche Unterschiede. Während in Göttingen bis zu 2.000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche in freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern gezahlt würden, liege dieser Wert in den Kernen von Einbeck, Northeim, Nörten-Hardenberg, Angerstein und Bad Gandersheim bei 1.000 Euro, in Uslar und Dassel bei 920 Euro sowie in anderen Teilen des Landkreises Northeim teilweise noch deutlich unter dem zuletzt genannten Wert. Drohende Leerstände in vielen Teilen Südnie-dersachsens stellen die Kommunalpolitik vor neue Herausforderungen. Achim Däbert, Woh-nungsmarktexperte der Investitions- und För-derbank Niedersachsen (NBank), hält nüchter-ne Bestandsaufnahmen der Kommunen für ebenso unverzichtbar wie die Erarbeitung von Entwicklungsstrategien mit Entscheidungen über konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der Leerstände. Die meisten Städte und Gemein-den in den Landkreisen Osterode am Harz und Northeim sowie Teile des Landkreises Göttin-gen müssen sich nach Einschätzung Däberts darauf gefasst machen, dass künftig mehr als 15 Prozent der Häuser und Wohnungen leer stehen. Selbst wenn Prognosen mit unrealis-

    Achim Däbert

    Guido Mönnecke

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    tisch optimistischen Annahmen über die Bevölkerungsentwicklung durchgerechnet werden, ergeben sich für das Jahr 2025 in weiten Teilen Südniedersachsens Leer-standsquoten von fünf bis 15 Prozent. Nur in Göttingen mit seinem unmittelbaren Um-land werden Leerstände die große Ausnahme bleiben – hier erwartet Däbert in vielen Preissegmenten sogar einen Nachfrageüberhang mit der Tendenz zu Preissteigerun-gen. Für Däbert bestimmt der Arbeitsmarkt wesentlich die Entwicklung auf dem Woh-nungsmarkt. Während er für den Landkreis Göttingen noch eine leichte Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze erwartet, zeigt sich der Wohnungsmarktexperte in Bezug auf die Landkreise Northeim und Osterode am Harz deutlich skeptischer: Hier sei schon bis zum Jahr 2020 von einem Rückgang von fünf Prozent und mehr auszugehen. Für den Wohnungsmarkt ist die Zahl der Haushalte maßgeblich: Die NBank geht in ihren Vorausberechnungen selbst für den Landkreis Göttingen von einem Rückgang der Haushaltszahl zwischen 2008 und 2025 von acht Prozent aus – im Landkreis Northeim erwartet sie 18 Prozent, im Landkreis Osterode am Harz sogar zwanzig Prozent. Die Zahl der Personen in der Altersgruppe der 30 bis 44-Jährigen – also die klassische „Häuslebauer-Generation“ – sinkt in den Landkreisen Osterode am Harz und Northeim innerhalb der nächsten 17 Jahre um ein Drittel. Im Landkreis Göttingen sind es zwanzig Prozent. Und selbst in der Stadt Göttingen werde die Einwohnerzahl in dieser Altersgruppe um 14 Prozent niedriger liegen als derzeit. Mit Ausnahme Göt-tingens sowie seines unmittelbaren Umlandes wird Neubau also immer zu Leerstand an anderer Stelle führen. Däbert hält es für alternativlos, dass sich die Verantwortlichen in den Kommunen mit diesen Prognosen ehrlich auseinandersetzen. Sie müssten versuchen, die Siedlungs-kerne zu sichern und zu stabilisieren und Neubürger anzuwerben. Unverzichtbar sei eine strategisch angelegte Innenentwicklung. Zudem müsse versucht werden, Quar-tiere zu entwickeln und vielfältige Wohnungsangebote bereit zu halten. 5.22 Umnutzung und Rückbau – Chancen und Grenzen der Innenentwicklung Sinkende Immobilienpreise und ein großes Angebot von Häusern und Wohnungen bieten nach Auffassung des Stadt- und Regionalplaners Dr. Michael Glatthaar Chan-cen, jüngere Neubürgerinnen und Neubürger zu gewinnen. Sie könnten jedoch nur genutzt werden, wenn die Kommunen bereit seien, Ortsentwicklungskonzepte zu er-arbeiten und eigene Profile zu entwickeln. Dazu gehöre auch die Frage, wie sich künf-tig Lebensstile entwickelten. Samtgemeindebürgermeister Friedrich Mönckemeyer aus Eschershausen macht den kleineren Gemeinden Mut: Statt zu klagen sollten sie ihre Standortvorteile gegenüber den Zentren - wie etwa die Sicherheit im öffentlichen Raum, Überschaubarkeit und intakte soziale Bezüge - offensiv vertreten. Parallel dazu müsse allerdings auch das Ortsbild angepasst werden. So seien in der Stadt E-schershausen einige Häuser abgerissen und der Ortskern umgestaltet worden. Es sei wichtig, rechtzeitig zu erkennen, in welchen Häusern und Wohnungen Leerstand dro-he. Dass Kommunikation wichtig ist, aber als alleinige Problemlösungsstrategie nicht aus-reicht, machte Peter Schwinger, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Samtgemeinderat Bad Grund, deutlich. Schwinger wies darauf hin, dass viele ältere Immobilienbesitzer auf Sanierungen ihrer Häuser verzichteten, weil sie sie für unverkäuflich hielten. Wenn Gebäude dann aufgegeben würden, erfolge dies zu Lasten der Kommunen. Aufhalten lässt sich der demographische Wandel nicht. Daran hat der Landrat des Werra-Meißner-Kreises, Stefan Reuss keinen Zweifel. Doch gerade weil das so ist, müssen die bestehenden geringen Handlungsoptionen im Rahmen einer abgestimmten, von der Kommunalpolitik aktiv unterstützten Strate-

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    gie klug und konsequent genutzt werden. Als Leitbild nutzt der Werra-Meißner-Kreis den Demographiebericht, den er unter starker öffentlicher Beteiligung jährlich aktualisiert. Im Jahr 2009 befasste sich der Landkreis mit dem Schwerpunkt „Motor Alter im Tourismus“. Reuss macht deutlich, dass gerade beim demographischen Wan-del zwischen Nordhessen und Südnieder-sachsen Parallelen bestehen. So stehen in beiden Regionen bereits Wohnhäuser in relevanter Anzahl leer. Reuss erwartet, dass der Leerstand außerhalb der Zentren zunehmen wird – und zwar nicht zuletzt deshalb, weil viele Gebäude einen hohen Sanierungsstau aufweisen und es an Nachfrage nach diesen Immobilien mangelt. Reuss hält es für unerlässlich, dass der jährliche Demographiebericht auch Empfeh-lungen für öffentliche Einrichtungen und private Investoren formuliert. So soll das Pro-jekt „Familienbildung in Kindertagesstätten“ ausgebaut und die Zusammenarbeit zwi-schen Schulen und Jugendhilfe verbessert werden. Aufwerten will der Werra-Meißner-Kreis die Rolle des Kreisseniorenbüros als zentrale Anlauf- und Koordinierungsstelle. Weiterer Schwerpunkt ist die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrati-onshintergrund. Die Bevölkerung konnte nach den Darstellungen des Landrats auch deshalb intensiv zur Diskussion und zum Mitmachen motiviert werden, weil der Werra-Meißner-Kreis als einer von zwei Landkreisen der alten Länder 2008 in das Programm „Region schafft Zukunft“ aufgenommen wurde und dafür eine Million Euro Bundesmittel erhielt. Einen Antrag hatte für diesen Wettbewerb auch der Regionalverband Südniedersach-sen für die Landkreise Northeim und Osterode am Harz gestellt – leider ohne in die zweite Runde vordringen zu können. Jährlich veranstaltet der Werra-Meißner-Kreis ein Bürgerforum, das der Diskussion von Projekten dient, bei dem es aber auch darum geht, wie der Öffentliche Personen-nahverkehr den sinkenden Schülerzahlen angepasst werden kann. Besonders wichtig ist Reuss, dass ruinöser Wettbewerb zwischen den kreisangehörigen Gemeinden unterbleibt. So werden keine neuen Bauplätze mehr ausgewiesen. Neubauten erfol-gen nur auf „alten Flächen“, also beispielsweise in Baulücken. Mehr noch: In ver-schiedenen Orten wurden potenzielle Bauflächen aus Flächennutzungsplänen he-rausgenommen. Das war möglich, weil inzwischen überall klar ist, dass bei sinkenden Bevölkerungszahlen hohe Aufwendungen für Instandhaltung und Sanierung öffentli-cher Infrastruktur langfristig nicht mehr finanzierbar sind.

    Mit einem guten Konzept, engagierten Kom-munalpolitikern und einer begeisterungsfähi-gen Bürgerschaft lässt sich viel erreichen – doch fast ebenso wichtig ist, dass das Land neue Förderinstrumente schafft, die geeignet sind, die Innenentwicklung von Städten und Gemeinden zu fördern. Der Eschershäuser Samtgemeindebürgermeister Friedrich Mön-ckemeyer nutzte seinen Vortrag „Umbau statt Zuwachs am Beispiel der Stadt Eschershau-sen“ in der Northeimer Stadthalle, um Gren-zen und Möglichkeiten kommunaler Initiati-ven zur Anpassung an den Bevölkerungs-rückgang aufzuzeigen. In den fünfziger Jah-ren, so erinnert sich Mönckemeyer, zog das Wirtschaftswunder nach Escherhausen ein. Handel und Industrie florierten, vom Amtsge-

    Friedrich Mönckemeyer

    Stefan Reuss

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    richt über zwei Kinos, Bahnhof und Freibad verfügte die Stadt Escherhausen mit ihren gut 5.000 Einwohnern über eine exzellente Infrastruktur. Nach und nach entstanden fünf Neubaugebiete, die den Stadtkern inzwischen umarmen. Zwar gibt es jetzt noch nimmer eine Reihe florierender Unternehmen bis zu einer Sozialstation und einem Taxiunternehmen. Doch durch den angesichts hoher Mobilität vieler Menschen ein-hergehenden Kaufkraftabfluss wurde die heimische Wirtschaft geschwächt. Arbeits-plätze gingen verloren. Das Leben in Eschershausen wird nicht zuletzt durch die 15.000 Fahrzeuge geprägt, die auf der B 64 täglich durch die Kleinstadt rollen. Im-merhin: Zwanzig Jahre nach Beginn der ersten Planungen wird jetzt eine Umge-hungsstraße gebaut. Mönckemeyer machte deutlich, dass die Kommunalpolitik den Rückgang der Einwoh-nerzahl auf jetzt 2.600 als Herausforderung interpretiert habe. Man habe sich kritisch mit der Stadtentwicklung auseinandergesetzt und die verschiedenen Funktionsberei-che untersucht. Im Ergebnis seien städtebaulich wichtige Entscheidungen getroffen worden, die jetzt zur Belebung des Ortes beigetragen hätten. Sechs Häuser seien abgerissen, ein Penny-Markt in das Zentrum geholt worden. Salzbachgasse und Salzbachbrunnen seien komplett umgestaltet und ein Seniorenpark angelegt worden. Nunmehr würden im Bereich des Otto-Elster-Platzes vier Cafés betrieben. Die Inves-toren für ein Altenzentrum und ein Altenheim hätten sich für Escherhausen entschie-den, weil die Stadt eine geeignete Infrastruktur vorhalte. Einen Teil dieser Maßnah-men wurde über die Städtebauförderung finanziert. Besondere Bedeutung kommt nach Einschätzung des noch bis zum 31. Dezember 2010 amtierenden Samtgemein-debürgermeisters dem Verkehrssystem zu – einschließlich der Frage, wie das Ober-zentrum Göttingen erreicht werden kann. Bei dem weiter zu erwartenden Bevölke-rungsrückgang wird allerdings auch der Leerstand weiter zunehmen. Entscheidend aber für die weitere Stadtentwicklung sei die Mentalität der Einwohnerinnen und Ein-wohner. Die Stadt Eschershausen will sich jetzt konsequent auf die Innenentwicklung konzentrieren. Das Fernsehprogramm N3 befasste sich am 4. November in einem ausführlichen Bericht, bei dem die Redakteure den Samtgemeindebürgermeister beim Gang durch die Stadt begleiteten, mit dem Konzept in Eschershausen und seiner Umsetzung. Am 7. November fand die Kommunalwahl für die neue, mit Wirkung zum 1. Januar 2011 gebildete Samtgemeinde Eschershausen-Stadtoldendorf statt. Mönckemeyer trat als Bürgermeister-Kandidat nicht an – gewählt wurde der parteilose Politiker Wolf-gang Anders. Bei der Wahl zum neuen Samtgemeinderat wurde die SPD mit 33,63 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Es folgten die CDU mit 31,64 Prozent, die UWG mit 21,97 Prozent, die FDP mit 7,4 Prozent und die Grünen mit 5,86 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei gut 56 Prozent. Wer die Lebensqualität peripher gelegener Städ-te und Dörfer entwickeln will, braucht einen lan-gen Atem: Erfolgsfaktoren sind darüber hinaus ein klarer Handlungswille der Verantwortlichen in Politik und Kommunalverwaltungen, bürger-schaftliches Engagement sowie finanzielle An-reize der Öffentlichen Hand. Der Stadt- und Re-gionalplaner Dr. Michael Glatthaar analysierte während seines Vortrags in der Stadthalle Nort-heim konkrete kommunalpolitische Handlungs-ansätze in mehreren Bundesländern. Deren Gemeinsamkeit liegt zunächst darin, dass sie allesamt nicht geeignet sind, den demographi-sche Wandel aufzuhalten. Andererseits kann kluges Handeln dazu beitragen, dass der Prob-lemdruck reduziert wird. So verwirklicht die Stadt Leipzig seit einigen Jahren das Konzept der „Wächterhäuser“. Motto: Hauserhalt durch Nutzung. Im Rahmen so genannter Gestattungsverträge stellt die Kommune

    Dr. Michael Glatthaar

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    Interessenten Wohnungen für fünf Jahre kostenfrei zur Verfügung. Die Mieter ver-pflichten sich im Gegenzug, die Wohnungen zu renovieren und instand zu halten. Mit diesem Konzept senkt die Stadt die Leerstandsquote in ausgesuchten Quartieren und wertet die betreffenden Gebäude baulich auf. Nachdrücklich warb Glatthaar für die Erstellung von Baulücken- und Leerstandskatas-tern. Damit werde der Leerstand auch in seiner Verteilung auf die verschiedenen Stadt- und Dorfteile sichtbar – erst recht, wenn die Angaben auf Karten übertragen werden. Glatthaar forderte aber, die Kataster müssten mehr sein als Defizitbeschrei-bungen. Vielmehr müssten sie immer mit Vermarktungsinitiativen verbunden sein. Glatthaar nannte aber auch die Probleme, die mit Baulücken- und Leerstandskatas-tern verbunden sind: Die aufwändige Datenerhebung zählt ebenso dazu wie die Prob-leme bei der Aktualisierung und die Notwendigkeit, bei allen Vermarktungsansätzen die Zustimmung der Immobilieneigentümer einholen zu müssen. Glatthaar ging in diesem Zusammenhang auch auf die interkommunale Kooperation „Hinterland“ mehrerer Gemeinden in Hessen mit der Stadt Bad Laasphe in Nordrhein-Westfalen ein. Sie wurde als bislang einzige länderübergreifende Zusammenarbeit in das Programm Stadtumbau West aufgenommen. Eine der Aufgaben des 2007 ge-gründeten Zweckverbands besteht darin, die Auswirkungen des demografischen Wandels zu analysieren und Problemlösungsansätze zu definieren. So hat der Zweckverband die Vermarktung von Immobilien in den beteiligten Städten und Ge-meinden übernommen. Die Stadt Eschwege unterstützt nach den Darstellungen Glatthaars Sanierungsmaß-nahmen im Baubestand auch finanziell. Übernommen werden bei Gebäuden, die älter als fünfzig Jahre sind, investive Maßnahmen mit bis zu zwanzig Prozent mit einer Obergrenze von 15.000 Euro. Im Jahr 2009 wurden in diesem Rahmen sechs Maß-nahmen gefördert. 5.23 Folgekosten kommunaler Infrastruktur in der Siedlungsentwicklung Wer den Rückgang der Bevölkerungszahlen in vielen Städten und Gemeinden außerhalb des Kernraums Göttingen und die Veränderungen in der Altersstruktur Südniedersachsens verstehen will, kommt um die Einsicht nicht herum, dass zwischen Wirtschaftsentwicklung, finanzieller Leistungsfähigkeit der Kommunen und demogra-phischem Wandel enge Zusammenhänge beste-hen. Gemeinden, denen es an ertragsstarken Unternehmen mangelt, fehlen Einnahmen aus der Gewerbe- und der Einkommensteuer. Damit gerät ihre Handlungsfähigkeit in Gefahr. Und wer über zu wenig Arbeitsplätze verfügt, riskiert die Abwanderung von Bürgerinnen und Bürger in andere Regionen: Zusammenhänge wie diese skizzierte Prof. Dr. Hans-Ulrich Jung vom Nie-dersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung (NIW, Hannover) in seinem Referat „Kommunale Finanzen - Entwicklungstendenzen bei abnehmender Bevölkerung im ländlichen Raum“ in der Stadthalle Northeim. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Auf den Ortskern kommt es an“ verwies Jung auf die Unterschiede zwischen prosperierenden Zentren Deutschlands und den struk-turschwachen Regionen, zu denen der Wirtschaftswissenschaftler auch Südnieder-sachsen zählt. Dabei ist das Spannungsverhältnis zwischen schrumpfenden und wachsenden Regionen in Niedersachsen besonders ausgeprägt. Es sind insbesonde-

    Prof. Dr. Hans-Ulrich Jung

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    re die jungen und gut ausgebildeten Menschen, die aus den ländlichen Regionen ab-wandern und in die Zentren ziehen. Zwar verlassen andererseits ältere Menschen nach Abschluss ihres Berufslebens häufig die Großstadt, doch kann von diesem Trend in Niedersachsen nur die Nordseeküste in größerem Umfang profitieren, nicht jedoch Harz, Weserbergland und Solling. Südniedersachsen zeichnet sich nach Jungs Darstellung im Saldo durch eine „schleichende Abwanderung“ aus. Die Arbeitslosen-zahlen seien deshalb relativ moderat, weil Menschen im erwerbsfähigen Alter die Re-gion verließen, ohne dass es Zuwanderungen in ausreichendem Umfang gäbe. Die aus der wirtschaftlichen Schwäche der ländlichen Teile Südniedersachsens resul-tierende geringe Steuereinnahmekraft reduziert nach Jungs Darstellungen nicht nur die Möglichkeiten der Kommunen, attraktive Kultur-, Sport- und Freizeitangebote zu finanzieren. Sie birgt auch die Gefahr, dass sie aus Unternehmenssicht nicht attraktiv genug sind. Schwache Kommunen bekommen also zunehmend Probleme, die Stand-ortbedingungen für Unternehmen zu gestalten. Nach aktuellen Prognosen geht die Bevölkerungszahl in Niedersachsen von 2010 bis 2025 um fünf, in Südniedersachsen jedoch um 16 Prozent zurück. Das bedeutet für die drei Landkreise und die Stadt Göttingen in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten den Verlust von 80.000 Bürgerinnen und Bürgern – das entspricht fast der derzeitigen Einwohnerzahl des gesamten Landkreises Osterode am Harz (siehe auch Seite 8 dieses Berichts). Die Zahl der Kinder im schulpflichtigen Alter wird von 2010 bis 2015 am Veranstal-tungsort - der Stadt Northeim - um 40 Prozent sinken. Für die Existenzfähigkeit vieler Schulen sind Quoten wie diese deshalb besonders beunruhigend, weil viele Schulen schon jetzt geringe Schülerzahlen aufweisen. Wenn die Zahlen weiter bröckelten, werde der Druck auf die Verantwortlichen, Mini-Schulen zu schließen, immer größer. Nach Jungs Einschätzung kommt es jetzt aber nicht nur darauf an, wohnortnahe Schulangebote vorzuhalten. Angesichts des hohen Fachkräftebedarfs der Wirtschaft ist die Qualität des Bildungsangebots viel ausschlaggebender für die Regionalentwick-lung. Straßen, Fußwege, Friedhöfe, Kanäle, Feuerwehrhäu-ser, Kindergärten, Schulen, Altenbegegnungsstätten und vieles mehr: Die Liste der Infrastruktureinrichtun-gen, die Städte und Gemeinden vorhalten, ist lang. Was es kostet, eine neue Sporthalle zu bauen oder einen Spielplatz anzulegen, lässt sich noch relativ leicht errechnen. Welche Folgekosten jedoch für Un-terhalt, Pflege und Sanierung solcher Einrichtungen entstehen, weiß kaum jemand. Etwas Licht in dieses Dunkel zu bringen ist Ziel eines Forschungsvorha-bens, das der Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mit-telstandsforschung der Universität Göttingen und die Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL, Hannover) gemeinsam im Auftrag des Nieder-sächsischen Wissenschaftsministeriums bearbeiten. Die ARL-Referatsleiterin Dr. Mareike Köller beschrieb die Rahmenbedingungen des auf drei Jahre angelegten Forschungsvorhabens, das seit dem 1. Oktober 2010 bearbeitet wird. Schon jetzt gibt es eine Reihe