BMZeit 02/2015

12
FAIR SEIN. UND FAIR HANDELN WIR TRAGEN VERANTWORTUNG AUSGABE 2/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG VERANTWORTUNG TRAGEN: Ein Appell von Entwicklungsminister Gerd Müller GEMEINSAM HANDELN: Das Bündnis für nachhaltige Textilien GERECHT BEZAHLEN: Über die Schwerstarbeit der Näherinnen MIT GUTEM BEISPIEL VORANGEHEN: Fair produzieren SICH ENGAGIEREN: Interview mit Maria Furtwängler WELTWEIT TÄTIG: So arbeitet das Ministerium

description

NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG … FAIR SEIN. UND FAIR HANDELN Wir tragen Verantwortung VERANTWORTUNG TRAGEN: Ein Appell von Entwicklungsminister Gerd Müller GEMEINSAM HANDELN: Das Bündnis für nachhaltige Textilien GERECHT BEZAHLEN: Über die Schwerstarbeit der Näherinnen MIT GUTEM BEISPIEL VORANGEHEN: Fair produzieren SICH ENGAGIEREN: Interview mit Maria Furtwängler WELTWEIT TÄTIG: So arbeitet das Ministerium

Transcript of BMZeit 02/2015

Page 1: BMZeit 02/2015

…FAIR SEIN.UND FAIRHANDELNWIR TRAGEN VERANTWORTUNG

AUSGABE 2/2015 NACHRICHTEN AUS DEM BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFTLICHE ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG

VERANTWORTUNG TRAGEN:

Ein Appell von Entwicklungs minister Gerd Müller

GEMEINSAM HANDELN: Das Bündnis für nachhaltige Textilien

GERECHT BEZAHLEN: Über die Schwerstarbeit der Näherinnen

MIT GUTEM BEISPIEL VORANGEHEN: Fair produzieren

SICH ENGAGIEREN: Interview mit Maria Furtwängler

WELTWEIT TÄTIG: So arbeitet das Ministerium

Page 2: BMZeit 02/2015

BMZeit · Ausgabe 2/2015

AM START – DAS BÜNDNIS FÜR  NACHHALTIGE TEXTILIEN

Vor knapp zwei Jahren kamen in Bangladesch in einer

Textilfabrik mehr als 1.100 Menschen auf grausame Weise

ums Leben. Dieses Unglück war mit der Auslöser für das

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung (BMZ), das Bündnis für nachhaltige

Textilien (kurz: Textilbündnis) ins Leben zu rufen. Ziel ist

es, die Kraft und Expertise seiner Mitglieder zu bündeln,

um soziale, ökologische und ökonomische Verbesserun-

gen entlang der Textillieferkette zu erreichen. Lesen Sie

hier, welche Schwerpunkte das Textilbündnis setzt.

In fast jedem Kleidungsstück, das wir am

Leib tragen, steckt die Arbeitskraft unzähliger

Menschen aus anderen Teilen der Welt. Und da-

mit zugleich ungezählte Geschichten über die Arbeit

auf dem Baumwollfeld, in der Spinnerei, beim Färben, in der

Textilfabrik, auf den Containerschiffen und in den Lastwa-

gen beim Transport über Tausende von Kilometern hinweg.

Ich will es klar sagen: Die Produktion von Kleidung be-

deutet für viele Menschen in ärmeren Ländern die Chance,

sich wirtschaftlich zu entwickeln. Der Preis

für diese Entwicklung darf aber nicht sein,

dass dafür Arbeiterinnen und Arbeiter gegen

einen Hungerlohn ihre Gesundheit oder gar

ihr Leben aufs Spiel setzen, während die Pro-

duzenten immer höhere Gewinne einfahren.

Der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangla-

desch, bei dem 2013 mehr als 1.100 Menschen ums Leben

kamen, hat uns auf tragische Weise vor Augen geführt, wie

katastrophal die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie

teilweise sind: unsichere Gebäude, fehlender Brandschutz,

Einsatz giftiger Chemikalien, Löhne, die kaum zum Überle-

ben reichen, mangelnder Gesundheitsschutz und fehlende

soziale Sicherung.

Jeder von uns muss sich selbst fragen, ob er Kleidung tra-

gen will, bei deren Herstellung Menschenrechte mit Füßen

getreten und Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden.

Wir brauchen überall auf der Welt verbindliche soziale und

ökologische Mindeststandards, um menschenwürdige Ar-

beit zu ermöglichen. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein!

Das Ziel, vom Baumwollfeld bis zum Bügel Mindeststan-

dards umzusetzen, ist sehr ambitioniert. Wir können nicht

auf einen Schlag sämtliche Produktionsschritte nachhalti-

ger gestalten. Aber es ist wichtig, diesen Faden aufzuneh-

men und weiter zu spinnen. Deshalb habe ich im Oktober

2014 unter anderem mit Vertreterinnen und Vertretern

der Textil- und Bekleidungsindustrie und des Handels, der

Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen das

Bündnis für nachhaltige Textilien auf den Weg gebracht. Zu-

sammen werden wir Verbesserungen in der Textil- und Be-

kleidungsbranche erreichen.

An unserem Ende der Lieferkette – im Fachgeschäft oder

im Supermarkt – wird diese Verantwortung greifbar. Nur

wenn es Ihnen nicht egal ist, wie Ihre Kleidung hergestellt

wird, können wir gemeinsam Verbesserungen erreichen.

Wir wollen Sie bei Ihrer Kaufentscheidung unterstützen

und sorgen für Transparenz. Ab sofort können Sie sich auf

dem neuen Verbraucherportal der Bundesregierung unter

www.siegelklarheit.de über Umwelt- und Sozialstandards

aus dem Textilbereich informieren. Gleich im Laden kann

man die Siegel mit der App „Siegelklarheit“ auch einscan-

nen und so die Bewertung vor Ort abrufen.

Machen Sie bitte mit! Wir alle tragen Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gerd Müller, MdB

Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung

Berlin und Bonn, im März 2015

VERANTWORTUNG TRAGEN

LIEBE LESERINNEN, LIEBE LESER,

BUNDESMINISTER MÜLLER informiert sich persönlich in einer Textilfabrik in China über die Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

1NACH HALTIGE

ENTWICKLUN G

DIE SITUATION: In der Textilindustrie arbeiten weltweit

60 Millionen Menschen, meist Frauen. Der Wirtschaftszweig

und einzelne Verarbeitungsschritte sind international stark

arbeitsteilig organisiert, die Lieferketten sind eng verflochten.

In Ländern wie Bangladesch zum Beispiel machen Textilien

und Bekleidung bis zu 80 Prozent der Exporte aus.

DIE ZIELE: Die Globalisierung eröffnet große Chancen für

Entwicklungs- und Schwellenländer. Da die einzelnen Pro-

duktionsprozesse international verteilt sind, können an vie-

len Orten neue Arbeitsplätze geschaffen werden, meist für

Frauen. Zum Teil wird dort aber unter extrem schlechten

Bedingungen produziert. Dabei könnten gezielte Maßnah-

men die Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort erheblich

verbessern. Menschenwürdige Arbeit unterstützt die nach-

haltige Entwicklung und fördert den Wohlstand sowie den

sozialen Zusammenhalt und politische Stabilität.

WUSSTEN SIE, DASS in Deutschland heute 120.000 Beschäf-

tigte in 1.200 überwiegend kleinen und mittelständischen

Unternehmen im Textilsektor tätig sind?

2SOZIAL- UND

UMWELTSTANDARDS

DIE SITUATION: Lange Arbeitszeiten ohne Bezahlung von

Überstunden und niedrige Löhne sind in den Fabriken an

der Tagesordnung. Unzureichende Sicherheit im Umgang

mit Chemikalien sowie Mangel an Brandschutz und Gebäu-

desicherheit gefährden Gesundheit und Leben der Arbeite-

rinnen und Arbeiter. Die Bildung von Gewerkschaften wird

häufig behindert.

DIE ZIELE: Ziel des Textilbündnisses ist, soziale, ökologische

und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten

textilen Wertschöpfungskette zu erreichen. Konkret: Verbot

von Kinder- und Zwangsarbeit, Orientierung der Arbeitszei-

ten an nationalen Gesetzen bzw. internationalen Standards,

angemessene Entlohnung, Umweltmanagement, Schulung

im Umgang mit chemischen Stoffen, Bereitstellung von

Schutzbekleidung. Die Beschäftigten müssen das Recht ha-

ben, sich Gewerkschaften anzuschließen. Bestechung und

Korruption müssen wirkungsvoll bekämpft werden.

WUSSTEN SIE, DASS viele Beschäftigte in Textilfabriken

in Bangladesch trotz zehn Stunden Arbeitszeit pro Tag mo-

natlich umgerechnet nur ca. 70 Euro verdienen? Lokale Ge-

werkschaften fordern einen Mindestlohn von 80 Euro im

Monat. Erst dieser würde annähernd zum Leben ausreichen.

VERBOT VON KINDERARBEIT. Dieses Mädchen hat in Rana Plaza gearbeitet und bei dem Unglück ein Bein verloren.

VERBESSERUNG DER ARBEITSBEDINGUNGEN für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken muss oberste Priorität haben.

2

Page 3: BMZeit 02/2015

AM START – DAS BÜNDNIS FÜR  NACHHALTIGE TEXTILIEN Menschenwürdige Arbeitsbedingungen vom Baumwollfeld bis zum Bügel

3VERBINDLICHKEIT

SCHAFFEN

DIE SITUATION: Die Standards und ihre Umsetzung

werden im Textilbündnis gemeinsam von den Mitgliedern

definiert und mit konkreten Zeitzielen versehen, um so eine

kontinuierliche Verbesserung sicher zu stellen.

DIE ZIELE: Die Standards beschreiben konkrete Ziele für

jede Stufe in der Lieferkette. Die Bündnispartner verpflich-

ten sich, diese Standards schrittweise entlang der vorgege-

benen Zeitziele umzusetzen. Einige Beispiele: die Festlegung

auf eine bestimmte Menge von nachhaltig produzierter

Baumwolle, die Durchführung von Weiterbildungsmaßnah-

men und die Einführung von Überprüfungs- und Verbesse-

rungssystemen an den Produktionsstätten. Schrittweises

Vorgehen ermöglicht es, die Maßnahmen und Fortschritte

der Bündnispartner transparent zu dokumentieren.

WUSSTEN SIE, DASS gerade in kleineren Produktionsbe-

trieben schon durch eine einfache Optimierung der Arbeits-

abläufe der Abbau von Überstunden oder die Reduzierung

von Ressourcen- und Materialeinsatz erreicht werden kann?

4PRIORITÄTEN

SETZEN

DIE SITUATION: Aufgrund der komplexen, internationa-

len Lieferketten stellt derzeit die lückenlose und flächen-

deckende Überwachung sämtlicher Produktionsprozesse

für Industrie- und Handelsunternehmen nach wie vor eine

große Herausforderung dar.

DIE ZIELE: Im Textilbündnis werden verschiedene vordring-

liche Handlungsfelder festgelegt – so genannte „Hot spots“.

So sind zum Beispiel der Umgang mit Chemikalien, die

Durchsetzung von existenzsichernden Löhnen und man-

gelnde Transparenz zentrale Herausforderungen und Hür-

den.

WUSSTEN SIE, DASS der Energieverbrauch und damit ein-

hergehende CO2-Emissionen besonders hoch beim Spinnen

der Baumwolle und den jeweils vorbereitenden Schritten

sind? Lebenszyklusstudien kommen zu dem Ergebnis, dass

die Phase des Spinnens mehr als 50 Prozent der Umweltaus-

wirkungen bei Baumwollprodukten ausmacht, wobei der

Energieverbrauch besonders ausschlaggebend ist.

5INTERNATIONALER

SCHULTERSCHLUSS

DIE SITUATION: Zunächst richtet sich das Textilbündnis

an in Deutschland besonders aktive Unternehmen, an Ver-

treter von deutschen Gewerkschaften und der Zivilgesell-

schaft sowie an internationale Nachhaltigkeitsinitiativen.

DIE ZIELE: Schnellstmöglich sollen aber auch andere

Schlüsselakteure, wie multinationale Unternehmen, lokale

Zulieferer, Gewerkschaften und die Regierungen der Produ-

zentenländer, eingebunden werden. Um das Textilbündnis

und seine Ziele international zu verankern, werden Part-

nerschaften innerhalb der EU, mit den G7-Staaten und mit

internationalen Organisationen aufgebaut.

WUSSTEN SIE, DASS schon sechs Hersteller aus

Bangla desch die Partnerschaftsvereinbarung im Textil-

bündnis unterzeichnet haben? Es handelt sich um große

Firmen mit einem Gesamtjahresumsatz von 865 Millionen

Euro und rund 36.400 Beschäftigten. Durch deren weit ver-

zweigten Beziehungen zu Zulieferern und aufgrund ihrer

Bedeutung in der Branche wirken diese Unternehmen als

Vorreiter und haben Vorbildcharakter auch für kleinere

Unternehmen.

6TEXTILSEKTOR

ALS  VORBILD

DIE SITUATION: Deutsche Unternehmen beziehen ihre tex-

tilen Produkte aus verschiedenen Ländern. Das Streben nach

mehr Transparenz und höheren Nachhaltigkeitsstandards in

der Bekleidungsindustrie soll den Partnerländern aber kei-

neswegs den Zugang zu unseren Märkten erschweren.

DIE ZIELE: Das Textilbündnis wird positiv darauf einwir-

ken, dass der Wettbewerb unter den Produktionsländern

nicht auf der Grundlage niedriger Standards ausgefochten

wird. Es werden die modernsten und effizientesten Betriebe

sein, die sich im globalen Wettbewerb durchsetzen.

WUSSTEN SIE, DASS China mit einem Marktanteil von 37

Prozent (159,6 Milliarden US$, Stand 2012) mit deutlichem

Abstand der weltweit führende Exporteur von Bekleidung ist?

SCHULUNG IN UMWELTBEWUSSTSEIN ist nötig. Unrat und Chemieabfall dürfen nicht in die

Flüsse  entsorgt werden.

EINHALTEN DER ARBEITSZEITEN kann nur funktionieren, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter wissen, wie sie die Uhr lesen können.

FASHION WEEK BERLIN: Im Green Showroom und auf der Ethical Fashion Show zeigen deutsche und internationale Designer nachhaltig hergestellte Mode.

EINHALTUNG VON SOZIALSTANDARDS ist Unterrichtsprogramm am Bangladesh Institute of Management in der Hauptstadt Dhaka.

Rund 60 Organisationen und Unternehmen sind der Ini-

ti ative bisher beigetreten. Weiterführende Informationen

zum Textilbündnis, zum Aktionsplan und die aktuelle Liste

der Mitgliedsunternehmen finden Sie auf der Website des

Bündnisses für nachhaltige Textilien.

Mehr auf: www.textilbuendnis.com Foto

s: B

MZ.

Tho

mas

Imo

(2)/

phot

othe

k.de

. Flo

rian

Oel

lers

(4)/

ww

w.fl

oria

noel

lers

.de.

Tim

or E

mek

/Get

ty Im

ages

für

ww

w.e

thic

alfa

shio

nsho

w.c

om

3

Page 4: BMZeit 02/2015

Die Näherinnen von Bangladesch schuften für die  Zukunft  ihrer Kinder

WIR BITTEN UM RESPEKT FÜR UNS UND UNSERE ARBEIT

EIN HARTES LEBEN VOLLER HOFFNUNG UND  SOLIDARITÄT

Immer mehr Näherinnen versammeln sich nach der Arbeit in einem der von der Gewerkschaftsführerin Nazma Akter gegründeten Frauen-Cafés in Dhaka. Hier tauschen sie sich über ihre Probleme und über ihre Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen aus. Hier werden sie über ihre Rechte aufgeklärt, zum Beispiel die Bezahlung von Überstunden und die Lohnfortzahlung während des Mutterschutzes. Besonders beliebt ist ein Spiel, das Nazma erfunden hat, eine Art Quiz, bei dem das Wissen über Arbeits-bedingungen abgefragt wird. Nazma hat selbst mit elf Jahren als Näherin in einer Textilfabrik angefan-gen. Heute ist sie 40 und seit mehr als 20 Jahren in ihrer Gewerkschaft aktiv. Mit ihrer Energie über-zeugt sie nicht nur die Frauen, sondern auch viele Betriebsleiter und Unternehmer.

Page 5: BMZeit 02/2015

Parmin M., die Näherin aus Bangladesch, Esther Perbandt,

die junge Berliner Modedesignerin, und Nazma Akter,

die einflussreiche Gewerkschaftsführerin, haben sich in

Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, getroffen. Esther

war dorthin gereist, um sich persönlich ein Bild von

den Arbeitsbedingungen und den Lebensumstän-

den der Näherinnen in den Textilfabriken des

Landes zu machen.

PARMIN: Ich bin 27 Jahre alt. Vor sieben Jah-

ren bin ich allein aus meinem Heimatdorf nach

Dhaka gekommen, weil ich Geld verdienen musste,

damit meine Töchter Pia und Kia zur Schule gehen kön-

nen. Seitdem arbeite ich hier als Näherin in einer großen

Textil fabrik. Ohne meine Familie fühle ich mich sehr

einsam. Meine Töchter und meine Familie kann

ich nur zweimal im Jahr sehen. Für mehr Besu-

che reicht mein Verdienst nicht. Ich bekomme

bei zehn Stunden täglicher Arbeit 70 Euro im

Monat ausgezahlt. Davon schicke ich das meiste

nach Hause – für das Schulgeld meiner Töchter. Sie

sollen einmal Ärztin oder Lehrerin werden. Vor allem

sollen sie ein besseres Leben haben als ich. Dafür ist mir kei-

ne Arbeit zu viel. Aber ich möchte, dass wir Frauen gerecht

bezahlt werden.

ESTHER: Vor Parmin und ihren Kolleginnen habe ich größ-

te Hochachtung. Ich habe in der Textilfabrik ein Experiment

gemacht und wie sie T-Shirts im Akkord genäht. Zehn Stun-

den lang immer dieselbe Naht. Eigentlich nähe ich sehr gut,

dachte ich ... Aber der Vorarbeiter hat mir die schlechteste

Note gegeben, eine 7. Der Druck, der auf den Arbeiterinnen

5

PARMIN, NAZMA UND ESTHER BERICHTEN

Foto

s: F

lori

an O

elle

rs (3

)/w

ww

.flor

iano

elle

rs.d

e

lastet, ist enorm, und der Feinstaub, dem sie in der Produk-

tion ausgesetzt sind, ist unerträglich. Nicht einen Tag würde

ich das aushalten. Parmin hat mir ihr Zuhause gezeigt, eine

zehn Quadratmeter große Wellblech-Hütte in einem Slum

von Dhaka, die sie sich mit zwei anderen Näherinnen

teilt. Ich war sehr beeindruckt von der Einfachheit

und der Würde, mit der die drei Frauen dort zu-

sammen leben.

NAZMA: Ich bin nicht grundsätzlich gegen die

Arbeit in den Fabriken. Es ist für die oft sehr ar-

men Frauen durchaus eine Stärkung ihrer sozialen

Position, dass sie überhaupt ein eigenes Einkommen ha-

ben. Allerdings kämpfe ich entschieden gegen die ausbeute-

rischen und lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen

in den Fabriken. Und ich fordere Respekt gegen-

über den Arbeiterinnen. Wir kämpfen gemein-

sam dafür, dass sie und ihre Familien eine bessere

Zukunft haben. Alle Beteiligten müssen an einem

Strang ziehen. Wir müssen die Probleme dort lö-

sen wo sie entstehen, nämlich hier in Bangladesch.

Ein zweites Rana Plaza darf es nicht geben.

ESTHER: Als ich Nazma traf, hat sie mich sofort zutiefst

beeindruckt. Mit welchem Elan sie ihre schwierige Aufga-

be angeht, diese Hoffnung, die sie ausstrahlt, die überträgt

sich sofort auf die Frauen, für die sie sich einsetzt und die

sie ihre Schwestern nennt. Das Strahlen in ihren Augen und

ihre ganze positive Art haben auch mir, der Besucherin aus

Deutschland, viel Kraft gegeben.

Informationen und Video auf: www.bmz.de/textil

Page 6: BMZeit 02/2015

6

BÜNDNIS FÜR NACHHALTIGE TEXTILIEN – DIE MITGLIEDERIn alphabetischer Reihenfolge

Aid by Trade Foundation

Better Cotton Initiative (BCI)

BIEHLER Sportswear

Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V.

Bremer Baumwollbörse

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit

und Entwicklung (BMZ)

Christliche Initiative Romero

Common Works Modeproduktion GmbH

Cotton Council International

DBL Group

Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG)

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Bundesvorstand

Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI)

Dialog Textil-Bekleidung

Die Verbraucherinitiative e.V.

EcoPlanet Bamboo Group

elkline GmbH

Fashion Revolution Germany e.V.

FEMNET e.V.

Garment Industries Transparency Initiative (GITI)

Global Standard gemeinnützige GmbH (GOTS)

gotsutsumu GmbH

Hans Natur e.K.

Hess Natur-Textilien GmbH

Hochschule für Wirtschaft und Recht (Global Labor

University e.V.)

HUMANA Kleidersammlung GmbH

IG Metall

INKOTA-netzwerk e.V.

interloom

HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN – WIR MACHEN MITIm Textilbündnis werden Erfahrung und Knowhow gebündelt

BMZeit · Ausgabe 2/2015

`SWITCHER. MADE WITH RESPECT

DAS UNTERNEHMEN: Gegründet wurde die Bekleidungs-

marke Switcher 1981 von Robin Cornelius, einem leiden-

schaftlichen Schweizer Unternehmer. Schon 1992 – nach

dem 1. Klimagipfel in Rio – erkannte er die oftmals zerstö-

rerischen Auswirkungen der industriellen Textilproduktion

auf Mensch und Natur. Seitdem setzt sich das Unternehmen

unablässig für eine Verbesserung der Lebens- und Arbeits-

bedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter ein. Soziales

Engagement und Verantwortungsbewusstsein wurde zur

Unternehmenskultur.

DAS BESONDERE: Auf www.respect-code.org kann jeder die

Lieferkette von den Rohstoffen über die Produktion bis zum

fertigen Produkt verfolgen. Mehr auf: www.switcher.com

`HESSNATUR. EINE KLARE VISION

DAS UNTERNEHMEN: Lebensstil und Lebensfreude lassen

sich bestens mit der Verantwortung für Mensch und Natur

vereinbaren. In diesem Sinne sorgt Deutschlands größtes

Naturmodelabel seit über 35 Jahren für Mode, die auf dem

Weg vom Baumwollfeld bis in den Laden rundum ökologisch

und fair hergestellt wird. Mehr auf: www.hessnatur.com

DAS BESONDERE: hessnatur fördert Jung- und Nach-

wuchsdesigner, die nachhaltige Mode entwerfen und unter-

stützt mit der Partnerplattform New Creatives den Sprung

von der Kreatividee zum Markterfolg.

` INKOTA. FÜR GERECHTIGKEIT

DIE ORGANISATION: Hunger besiegen, Armut bekämp-

fen, Globalisierung gerecht gestalten – seit über 40 Jahren

setzen sich bei INKOTA engagierte Menschen für weltweite

Gerechtigkeit ein. Sie fordern unter anderem, dass Unter-

nehmen, die von der Fertigung in den weltweiten Zulie-

ferbetrieben der Textilbranche profitieren, für die sozialen

Missstände Verantwortung übernehmen müssen. Mehr auf:

www.inkota.de

DAS BESONDERE: Die INKOTA-Partner aus dem globalen

Süden sind häufig Impulsgeber für die entwicklungspolitische

Bildungs- und Kampagnenarbeit von INKOTA in Deutschland.

` FEMNET. DIE WÜRDE DER FRAUEN

DIE ORGANISATION: FEMNET ist ein bundesweiter ge-

meinnütziger Frauenrechtsverein. Der Verein setzt sich

für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte

von Frauen weltweit ein. FEMNET widmet seine Arbeit vor

allem Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie im Rah-

men der Kampagne für Saubere Kleidung und unterstützt

mit einem Solidaritätsfonds Frauen im Süden, die für ihre

Rechte kämpfen. Der Verein betreibt Bildungs- und Aufklä-

rungsarbeit, so auch an deutschen Mode-Hochschulen, um

die zukünftigen Einkäuferinnen großer Modeunternehmen

frühzeitig für Sozial- und Umweltstandards zu sensibilisie-

ren. Mehr auf: www.femnet-ev.de

DAS BESONDERE: FEMNET hat eine umfassende Studie

über Sumangali, Zwangsarbeit in indischen Spinnereien

herausgebracht, zeigt in einer Wanderausstellung aber auch

Fotos von Gewerkschafterinnen, Frauen die sich aus ihrer

Opferrolle befreit haben.

Page 7: BMZeit 02/2015

7

Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft e.V. (IVN)

Kampagne für Saubere Kleidung

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)

Lillika Eden Muthig & Schmidt GbR

loud + proud GmbH

Maas Naturwaren GmbH

Manufaktur Sant

MaxTex

MDC Sportswear GmbH

Monagoo GmbH

MUVEO GmbH

NKD Deutschland GmbH

Oxfam Deutschland e.V.

POLOLO OHG

Product DNA SA (Respect Code)

Schweikardt Moden GmbH

Seidentraum

Stiftung Warentest

SÜDWIND e.V. – Institut für Ökonomie und Ökumene

Switcher Textil Vertriebs GmbH

TEXAID Deutschland GmbH

Trans Fair e.V.

Transparency International Deutschland e.V.

Triaz Group GmbH

Trigema

Umweltbundesamt

UTT Technische Textilien GmbH & Co

VAUDE Sport GmbH & Co. KG

Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

vista textil GmbH

Zwergengrün – Nadja Lüders und Gabriela Wahl GbR

HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN – WIR MACHEN MIT

`DIE MACHT DER VERBRAUCHER

Die Mode ist wunderbar! Sie ist ein sinnliches Kulturprodukt,

das unbegrenzte Ausdrucksmöglichkeiten verleiht, Zugehö-

rigkeiten kommuniziert und Individualität unterstreicht.

Kein Wunder, dass sie ein so beliebtes Konsumgut ist. Aber

die Mode ist auch brutal. Ihre Produktion ist der Schauplatz

für Katastrophen wie Rana Plaza, der Textilfabrik in Bangla-

desch, bei deren Einsturz im Jahr 2013 über tausend Men-

schen ums Leben kamen. Um den Konsumenten das schö-

ne Produkt Mode zu bescheren, führen Textilarbeiterinnen

und Textilarbeiter ein Leben unter menschenunwürdigen

Bedingungen. Ihr Lohn reicht oft nicht, um ihre Existenz zu

sichern. Ihr Elend aber spielt in unserer Wahrnehmung kaum

eine Rolle. Medial kennen wir nur die schöne Seite der Mode:

Wir kennen die kreativen Designer, wir sehen die makellosen

Models, die die Kollektionen auf den internationalen Mo-

` ELKLINE. DRAUSSEN WIE DIE ELCHE

DAS UNTERNEHMEN: Die Hamburger Outdoor-Fashion

Marke elkline fühlt sich dem Prinzip der Ganzheitlichkeit

verpflichtet. Mit der nachhaltigen Herstellung von qualita-

tiv hochwertigen, langlebigen und modernen Wegbeglei-

tern für alle Lebenslagen und für die ganze Familie, soll der

CO2-Fußabdruck, der zwangsläufig hinterlassen wird, so

klein wie möglich gehalten werden.

DAS BESONDERE: Familien und Sportgruppen können sich

mit Selfies und Berichten von ihren Outdoor-Abenteuern auf

dem elkline-Blog austauschen. Mehr auf: www.elkline.de

` WIEVIELE MENSCHEN

ARBEITEN WELTWEIT

IN TEXTILFABRIKEN?

1,2 Millionen

130 Millionen

60 Millionen

Wenn Sie die Frage richtig beantwor-

ten, können Sie einen der Rucksäcke

Tecographic 23 von Bündnismitglied

VAUDE gewinnen (www.vaude.com).

Unter den richtigen Einsendungen

werden 10 Rucksäcke verlost. Mitarbei-

terinnen und Mitarbeiter des BMZ und deren Angehörige

dürfen nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Bitte senden Sie Ihre Antwort bis zum 31.03.2015

per Email an: [email protected]

Oder schicken Sie eine Postkarte an:

BMZ Referat L5/BMZeit, Stresemannstr. 94, 10963 Berlin

A

B

C

` SIEGELKLARHEIT: NACHHALTIG

EINKAUFEN, SIEGEL VERSTEHEN

DIE AUFGABE: Die Zahl der Umwelt- und Sozialsiegel

wächst rasant. Aber welche Siegel sind eigentlich glaub-

würdig? Siegelklarheit.de, ein neues Portal der Bundes-

regierung, sorgt für mehr Klarheit und Wahrheit. Die un-

terschiedlichen Siegel werden bewertet und miteinander

verglichen. Die App ist eine wichtige Hilfe für den nachhal-

tigen Einkauf und kann gleich im Laden eingesetzt werden.

DAS BESONDERE: Die Verbraucherinnen und Verbrau-

cher können sich schnell und unkompliziert auf ihrem

Smartphone darüber informieren, ob sie tatsächlich ein fair

produziertes Kleidungsstück kaufen. Mehr über die App auf:

www.siegelklarheit.de

QUIZBMZeit

denschauen vorführen. Die vielen Menschen, die hinter der

Mode stehen, die unsere Mode mit ihren eigenen Händen

fertigen, kennen wir nicht. Mode ist für uns ein anonymes

Produkt, das appetitlich angerichtet in den Regalen der Kauf-

häuser und Online-Stores darauf wartet, gekauft zu werden.

Bei Lebensmitteln fragen wir nach ihrer Herkunft und sind

zufrieden, wenn wir wissen, auf welcher Wiese die Kuh, de-

ren Fleisch wir essen, ihr Gras gefressen hat. Unsere Kauf-

entscheidungen für Mode hingegen treffen wir zum größ-

ten Teil blind. Bestenfalls wissen wir über die Auszeichnung

„Made in“ etwas über das Land, in dem die Mode haupt-

sächlich gefertigt wurde. Aber hinter „Made in China“ kann

eine faire Produktion stehen – ebenso wie eine menschliche

Katastrophe. Von einem mündigen Modekonsum sind wir

Lichtjahre entfernt. Zum Glück gibt es immer mehr Men-

schen, die diesen Zustand ändern. Viele Modedesigner und

Unternehmen lassen ihre Mode unter ökologisch und sozial

fairen Bedingungen anfertigen und verzichten teils sogar

auf den Einsatz tierischer Materialien. Aber nicht nur die

Unternehmen müssen sich engagieren, der Verbraucher –

wir – sind gefragt. Um das sinnliche Vergnügen zu genießen,

das die Mode bietet, müssen wir sie mit gutem Gewissen

kaufen können. Und das gelingt nur, wenn wir es als unsere

Pflicht begreifen, uns zu informieren. Dann können wir et-

was bewegen. Konsum kann die Welt verändern. Die ganze

Macht liegt bei uns Verbrauchern.

Alex Bohn ist Modejournalistin (Die Zeit, Süddeutsche Zeitung, Vanity Fair, etc.). Sie ist Gründerin der Plattform Fair-a-porter, auf der sie ausgewählte Mode aus transparenter Produktion kuratiert und so den Verbrauchern ermöglicht, sich zu informieren, damit sie Ihren Einfluss als Konsument verantwortungsvoll geltend machen können. Mehr auf: www.fairaporter.com

Foto

s: S

wit

cher

. Hes

snat

ur. f

emne

t/M

arie

ke v

an d

er V

elde

n (4

). In

kota

. Elk

line/

Elks

hots

(2).

Vaud

e. K

rist

in L

osch

ert/

ww

w.k

rist

inlo

sche

rt.c

om. G

IZ/L

GM

i Ber

lin

www.textilbuendnis.com

Page 8: BMZeit 02/2015

DU TRÄGST VERANTWORTUNGEin Gespräch mit der Schauspielerin, Ärztin und Aktivistin Maria Furtwängler

Dr. Maria Furtwängler ist Mutter von zwei erwachsenen

Kindern. Seit vielen Jahren engagiert sie sich für die Ver-

besserung der Lebensumstände von Frauen und Mäd-

chen. Beate Wedekind hat sich mit ihr über ihr soziales

Engagement unterhalten.

BMZeit: EineWelt – unsere Verantwortung. Welche Bedeu-

tung hat dieser Satz für Sie?

Maria Furtwängler: Wie wir heutzutage leben, global ver-

netzt und gut informiert, wissen wir über die Lebensum-

stände der Menschen überall auf der Welt so gut Bescheid,

dass sie uns nahe sind wie Nachbarn. Dabei ist die Vielzahl

der Probleme überwältigend, in gewisser Weise auch läh-

mend. Von der Erderwärmung bis zur Bedrohung durch

Radikalisierung, von der Müttersterblichkeit in den ärmsten

Ländern, bis zu den verheerenden Arbeitsbedingungen für

Frauen in den Textilfabriken. So viel Wichtiges müsste getan

werden. Man weiß gar nicht, wie und wo man anfangen soll.

Meiner Meinung nach kann der Einzelne am besten etwas

tun, wenn man sich auf ein Thema fokussiert. Was mich

persönlich sehr bewegt ist die fehlende Gleichbe-

rechtigung für und die Verachtung von Frau-

en. Das gilt für Entwicklungsländer genau-

so wie für unsere westliche Welt.

Ich engagiere mich deshalb aktiv für

die Stärkung von Frauen und Mäd-

chen. Zum Beispiel habe ich auf Initia-

tive meiner Tochter, die damals 18 war,

gemeinsam mit den German Doctors

auf den Philippinen das MalisaHome, ein

Heim für junge Mädchen gegründet, deren Le-

bensweg von viel Leid gezeichnet war. Sie wurden

entweder verschleppt oder von der eigenen Familie – zum

Teil unwissentlich – in die Prostitution verkauft und haben

meist keine Chance aus eigener Kraft da wieder rauszukom-

men. Das Selbstwertgefühl dieser Mädchen, die bei uns ein

geschütztes Zuhause und eine Ausbildung erhalten, ist voll-

kommen zerstört. Sie werden behandelt wie Dreck und so

fühlen sie sich auch. Es ist sehr berührend zu erleben, wie

sich die Mädchen öffnen, wenn sie durch die Mitarbeiterin-

nen dort zum ersten Mal wirkliche Zuneigung erleben.

BMZeit: Und was bedeutet Engagement für Ihren persön-

lichen Alltag?

Maria Furtwängler: Ich versuche, eine verantwortungsvol-

le Verbraucherin zu sein und bemühe mich, vor allem fair

hergestellte Produkte zu kaufen. Bei Lebensmitteln aber

auch bei Kleidung. Hier achte ich vor allem darauf, wo sie

hergestellt wird. Aber ich gebe zu, dass mir erst durch das

Unglück von Rana Plaza vor zwei Jahren das volle Ausmaß

der katastrophalen Arbeitsbedingungen, unter denen be-

sonders die Frauen in den Textilfabriken zu leiden haben,

klar geworden ist. Ich finde aber, dass generell viel zu wenig

ersichtlich ist, welche Produkte tatsächlich nachhaltig pro-

duziert werden. Der Verbraucher ist weitgehend überfor-

dert. Es gibt einen großen Informationsbedarf und insofern

finde ich die Initiative des Ministeriums, das Bündnis für

nachhaltige Textilien, extrem wichtig. Wir als Konsumen-

ten brauchen viel mehr Informationen über die Arbeits-

prozesse, die ungerechte Bezahlung, die Diskriminierung,

die Gefahren, denen die Menschen in den Fabriken ausge-

setzt sind. Erst wenn sich jeder diese Konsequenzen klar vor

8

Augen führt, wird sich das Konsumverhalten entscheidend

ändern. Was Lebensmittel angeht, so verzichte ich weitest-

gehend auf Fleisch, seit ich mich für meinen letzten Tatort

intensiv über die Bedingungen in der Tierzucht informiert

habe. Das heißt, ich kaufe soweit wie möglich lokal produ-

zierte Bio-Lebensmittel.

BMZeit: Wie setzen Sie als erfolgreiche Schauspielerin

Ihren Bekanntheitsgrad ein, um auf Missstände aufmerk-

sam zu machen?

Maria Furtwängler: Ich habe die einmalige Möglichkeit,

dass ich bei der Entwicklung von Stoffen und Drehbüchern

für Filme, in denen ich spiele, Einfluss nehmen darf. Dabei

achte ich darauf, dass der Kern der Story gesellschaftlich

relevant ist. Wir haben zum Beispiel in dem Tatort „Weg-

werfmädchen“ Zwangsprostitution in Deutschland the-

matisiert. Das Thema fand in allen Medien eine enorme

Präsenz; von Talksendungen bis zu Schwerpunktseiten in

vielen Zeitungen. Es ist ein großes Privileg als „Promi“ so

eine Möglichkeit zu haben. In Summe haben wir auf

diese Art viele Millionen Menschen erreicht und

für das Thema sensibilisieren können.

BMZeit: Sie setzen in letzter Zeit auch

Akzente auf der politischen Bühne. Wie

kam es dazu?

Maria Furtwängler: Letztes Jahr rief mich Melinda

Gates an und fragte mich, ob ich ONE-Botschafterin für

Kindergesundheit werden möchte, um insbesondere die

Impfkampagne von Gavi zu unterstützen. Das habe ich als

Ärztin und als Mutter sehr gern getan und bin mir dabei

auch bewusst geworden, wie wichtig es ist zu versuchen,

auf das politische Leben und auf politische Entscheidungen

einzuwirken. Im Zusammenhang mit dem anstehenden

G7 Gipfel, für den die Bundeskanzlerin die Präsidentschaft

übernommen hat, werde ich mich weiter für die Stärkung

von Mädchen und Frauen einsetzen. Was wir erreichen

können, zeigen nicht zuletzt die starken Frauen in der

Bundesregierung.

Investition in die Gleichberechtigung und den Respekt

gegenüber Frauen ist eine Investition in die Zukunft. Es

kann nicht angehen, dass weltweit immer noch zwei Drit-

tel aller Analphabeten Frauen und Mädchen sind, dass die

Müttersterblichkeit im Wochenbett in der Subsahara 100

Mal so hoch ist wie bei uns! Wir dürfen nicht hinnehmen,

dass Männer in Entwicklungsländern durchschnittlich ge-

rade Mal 30 bis 40 Prozent ihres Lohnes zuhause abgeben,

während Frauen 90 Prozent ihres Lohnes in die Familie in-

vestieren.

Die Stärkung von Frauen und Mädchen darf allerdings nicht

reine Frauensache sein. Natürlich sind auch die Männer und

die Jungen gefragt: Wir alle müssen uns solidarisieren. Nur

dann können wir wirkliche gesellschaftliche Veränderun-

gen bewirken. Ob in Bangladesch, auf den Philippinen, auf

dem afrikanischen Kontinent – und bei uns zu Hause.

GEMEINSAM MIT IHRER TOCHTER Elisabeth hat Maria Furtwängler auf den Philippinen ein Heim für junge Frauen und Mädchen gegründet, die Opfer von Zwangsprosti tution wurden.

Page 9: BMZeit 02/2015

FRAUEN STÄRKEN

Sich für Frauen einzusetzen ist eine gute Tradition in der Familie von Maria Furtwängler. Ihre Urgroß-mutter Katharina von Oheimb war eine der 36 Frauen im 1. Reichstag der Weimarer Republik. Sich gegen die 430 Männer zu behaupten und Kurt Tucholsky zu veranlassen, ein Gedicht „An die Gräfin Oheimb“ zu richten – zeigt, dass sie wohl eine sehr durchsetzungsstarke Feministin gewesen sein muss. Schon Anfang der 1920er Jahre gab sie Bildungs-kurse für Frauen. Fo

tos:

Mar

kus T

edes

kino

/ww

w.te

desk

ino.

de. P

riva

t

Page 10: BMZeit 02/2015

FÜR ALLE MENSCHEN – DAS BMZ ERGREIFT DIE INITIATIVEDiskutieren, verhandeln, gemeinsam Lösungen finden

Die vom BMZ mitveranstaltete Konferenz der globalen

Impfallianz Gavi fand Ende Januar als Auftaktveranstal-

tung der deutschen G7-Präsidentschaft unter der Schirm-

herrschaft der Bundeskanzlerin in Berlin statt. Minister

Müller zeigte sich mit dem Ergebnis äußerst zufrieden:

„Mit den zugesagten 7,539 Milliarden Dollar können von

2016 bis 2020 weitere 300 Millionen Kinder in den ärms-

ten Ländern der Welt geimpft werden. Mit dem deutschen

Beitrag von 600 Millionen Euro wollen wir darüber hinaus

auch grundlegende Gesundheitsstrukturen in diesen Län-

dern unterstützen.“ Bereits am Vortag der Konferenz hatten

300 Expertinnen und Experten über die Frage diskutiert,

wie die Gesundheitssysteme auch in den ärmsten Ländern

eine medizinische Basisversorgung sicherstellen können.

Mehr auf: www.gavi.org

`DIE KLIMAREISE

Waldschutz, Klimaanpassung und erneuerbare Energien  –

das waren die Themen, zu denen Minister Müller verschie-

dene Projekte und Finanzierungen bei der UN-Klimakon-

ferenz in der peruanischen Hauptstadt Lima auf den Weg

gebracht hat. Bei der Gründungsveranstaltung eines globa-

len Netzwerks zur Anpassung an den Klimawandel sagte er:

„Der Klimawandel ist eine Überlebensfrage der Menschheit.

Es ist eine gewaltige Kraftanstrengung, uns global auf das

Zwei-Grad-Ziel zu verständigen. Wenn wir jetzt scheitern,

wird eine menschenwürdige Anpassung an den Klimawan-

del kaum noch möglich sein. Vielerorts verlieren die Men-

schen schon jetzt ihre Lebensgrundlage. Viele Millionen

Menschen verlassen ihre Heimat nicht zuletzt wegen des

Klimawandels – etliche Millionen werden dazu kommen.“

Der Minister startete ein Programm zur Nutzung von Geo-

thermie in Lateinamerika und sagte mehr Mittel für ein

Waldschutzprogramm zu.

BMZeit · Ausgabe 2/2015

10

ABSTIMMUNGSGESPRÄCHE: die norwegische Premierministerin Erna Solberg, Bill Gates und Jakaya Kikwete, Präsident von Tansania

Um Kindern Zugang zu lebensrettenden Gesundheitsdiens-

ten zu ermöglichen, ist ein Impfprogramm oft der erste

Schritt. Die Impfallianz Gavi unterstützt darum Länder, die

die Versorgung der Kinder mit wichtigen Grundimpfungen

verbessern wollen.

DIE BUNDESKANZLERIN SPRICHT bei der Wiederauffüllungs-Konferenz der Impfallianz Gavi am 27. Januar 2015 im Berliner Congress Centrum.

PROGRAMME ZUR RETTUNG DES REGENWALDES standen auf der Agenda der UN-Klimakonferenz in Lima, an der die Delegation aus Deutschland teilnahm.

`GAVI-KONFERENZ: ERSTER HÖHEPUNKT DER DEUTSCHEN G7-PRÄSIDENTSCHAFT

Foto

s: T

hom

as T

ruts

chel

(1),

Mic

hael

Got

tsch

alk

(3),

Thom

as Im

o (1

), U

te G

rabo

wsk

y (1

)/ph

otot

hek.

de.

BUNDESKANZLERIN MERKEL mit Dagfinn HØybråten, dem Vor-sitzenden des Gavi-Aufsichtsrates, und Gavi-CEO Dr. Seth Berkley sowie Minister Müller auf dem Weg zur Konferenz

Page 11: BMZeit 02/2015

WAS MACHTeigentlich Yiannis Neophytou in Hanoi/ VietnamYiannis Neophytou (Foto) arbeitet als Referent für wirt-

schaftliche Zusammenarbeit in Hanoi, einer Metropole

mit fast 6,5 Millionen Einwohnern. Hier sein Bericht:

FÜR ALLE MENSCHEN – DAS BMZ ERGREIFT DIE INITIATIVE

Als ich 2012 als Referent des Bundesministeriums für wirt-

schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach Hanoi

kam, war der Umbruch unserer Entwicklungszusammenar-

beit mit Vietnam bereits in vollem Gange. Zusammen mit

meiner Partnerin, die ebenfalls Referentin des BMZ hier

ist, galt es, unsere Zusammenarbeit auf die zwei zukünfti-

gen Herausforderungen des Landes neu auszurichten: zum

einen die Nachhaltigkeit des Wachstums für zukünftige

Generationen zu gewährleisten, zum anderen dem akuten

Mangel an Fachkräften in allen Wirtschaftsbereichen durch

ein praxisorientierteres Ausbildungsangebot zu begegnen.

Für beides wird Deutschland in Vietnam als der ideale Part-

ner angesehen.

Meine bisherigen Projektreisen haben gezeigt, dass Vietnam

ein Land mit zwei Gesichtern ist. Einerseits gibt es hohe

Wachstumsraten – gerade in den Wirtschaftszentren Hanoi

und Ho Chi Minh Stadt. Andererseits ist eine fortbestehende

Armut auf dem Land und immer mehr auch in den Vorstäd-

ten zu beobachten. Der Spagat zwischen dem Anspruch, in

fünf Jahren Industrieland sein zu wollen und dem harten

Lebensalltag vieler Menschen entlang der Armutsgrenze ist

allerorten sichtbar.

Hanoi ist nach Addis Abeba und New York mein dritter Aus-

landsposten. Im Ministerium in Deutschland arbeitete ich

unter anderem mit den Partnerländern Indonesien, Mon-

golei und China. Es war daher nur eine Frage der Zeit, wann

ich mich auf den Weg nach Asien machen werde.

Die Entwicklungszusammenarbeit mit Vietnam ist in der

Tat ein großer „Tanker“. Ein großes und breit gefächertes

Portfolio, zahlreiche Delegationsbesuche und viele zum

Teil neue Partner insbesondere in der deutschen und viet-

namesischen Wirtschaft machen Hanoi zu einem ebenso

arbeitsintensiven wie interessanten Posten.

Hanoi – das ist eine Metropole, die ihren asiatischen Cha-

rakter bisher weitgehend bewahren konnte. Die Stadt mit

ihrem morbiden Charme ist eingebettet in zahlreiche Seen,

grüne Oasen und verfügt noch über viele Alleen mit post-

kolonialer Architektur. Klimatisch ist das Leben allerdings

eine echte Herausforderung, denn feuchtkühle Winter und

extrem heiße Sommer mit kurzen milden Intermezzos

zeichnen das Wetter hier besonders aus. Die Luftverschmut-

zung liegt zumeist viermal über dem zulässigen Grenzwert.

Das Reisen in die Nachbarländer ist natürlich ein Muss und

zeigt immer wieder auch die Einmaligkeit von Vietnam.

`DAS BMZ, EIN OFFENES HAUS

Wussten Sie schon, dass sich der Anteil der Menschen, die in

extremer Armut leben, im Vergleich zum Jahr 1990 halbiert

hat, trotzdem aber heutzutage noch immer ca. 1,3 Milliar-

den Menschen in extremer Armut leben? Wollen Sie diese

und andere Fragen mit dem Team des BMZ diskutieren?

Dann kommen Sie uns besuchen. Das BMZ bietet Gruppen

von 15 bis 50 Personen in Bonn und Berlin die Möglichkeit,

praxisnahe Einblicke in die entwicklungspolitische Arbeit

zu bekommen. Was wir tun, wer sich daran beteiligt und wie

auch Sie sich engagieren können, darüber informieren wir

Sie gern. Wir berichten Ihnen aus dem entwicklungspoliti-

schen Arbeitsalltag in Deutschland und in unseren Partner-

ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und Südosteuropa.

Haben Sie Interesse? Dann senden Sie uns bitte eine E-Mail

an [email protected].

Der erste Dienstsitz des BMZ in Bonn ist übrigens im ehe-

maligen Bundeskanzleramt direkt am Rhein untergebracht.

Der zweite Dienstsitz des BMZ in Berlin-Kreuzberg befindet

sich im Europahaus, einem Bau der Neuen Sachlichkeit,

fertig gestellt 1931. Mehr über unseren Besucherdienst

erfahren Sie auf der Website www.bmz.de

`WEITERE INTERESSANTE TERMINE

11

2015/2016 DIE ZUKUNFTSCHARTA GEHT AUF DEUTSCHLAND-TOUR. Nachdem Minister Müller die Zukunftscharta im November der Bundeskanzlerin in Anwesenheit von mehr als 3.000 Besuchern – darunter viele Kinder und Jugendliche – vorgestellt hat, wird der Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern nun vor Ort fortgesetzt. In allen Bundesländern wird das BMZ ganzjährig Veranstaltungen anbieten, die sich mit der Umsetzung der acht Charta-Schwerpunkte befassen und zum Nachdenken und Mitmachen einladen. Was kann jede und jeder Einzelne zur Bekämpfung von extremer Armut beitragen? Welche Allianzen und Partnerschaften brauchen wir, um für faire Arbeitsbedingungen weltweit einzutreten? Mehr auf: www.zukunftscharta.de

10./11.03. GUTE ARBEIT WELT-WEIT DURCH NACHHALTIGE LIEFER-KETTEN FÖRDERN. Thema der Konferenz des BMZ und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft im März in Berlin: Wie können Politik, Verbraucher, Un-ternehmen und Zivilgesellschaft gemeinsam durchsetzen, dass international anerkannte Sozial- und Umweltstandards in der gesamten Lieferkette eingehalten werden.

24./25.03. EINEWELT OHNE HUNGER – UNSERE VERANTWORTUNG. Mit der Sonder initiative EINEWELT ohne Hunger nimmt sich das BMZ einer der größten Herausforderungen weltweit an: dem Kampf gegen Hunger und Mangelernährung. Internationale und nationale Expertinnen und Experten diskutieren, wie das Ziel EINEWELT ohne Hunger bis 2030 Wirklichkeit werden kann. Die Veranstaltung in Berlin ist Teil des Zukunfts chartaprozesses.

16./17.04. FRAUEN UND MÄDCHEN STÄRKEN. Der Par lamen tarische Beirat für Bevölkerung und Entwicklung, die Stiftung Weltbevölkerung und das European Forum for Population and Development laden 140 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus G7-, G20- Staaten und Entwicklungslän-dern zu einer inter nationalen Konferenz ins BMZ in Berlin ein. Das Ab schlussdokument von „ Empowering women and girls“ soll in den G7-Prozess einfließen. Mehr auf: www.weltbevoelkerung.de

BMZ BERLIN, IM FOYER: Die Fotoinstallation in der Eingangshalle zeigt einen primären Regenwald, eine Aufnahme von Christian Ziegler.

BMZ BERLIN, IM FILMSAAL: Hier werden die Besucher mit Vor-trägen, Filmen und Fotostrecken über die Arbeit vor Ort informiert. Fo

tos:

Pau

l Hah

n (2

)/w

ww

.pau

lhah

n.de

. And

rea

Kün

zig/

ww

w.a

ndre

akue

nzig

.de.

Tob

ias W

ille/

ww

w.to

bias

will

e.co

m, w

ww

.neo

-stu

dio.

de. P

riva

t

Page 12: BMZeit 02/2015

IMPRESSUM

HERAUSGEBERBundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Referat Öffentlichkeitsarbeit, digitale Kommunikation und Besucherdienst

KONZEPTION UND REDAKTIONBeate Wedekind, Berlin und Addis Abeba

GESTALTUNGAtelier Hauer+Dörfler/Besscom AG, Berlin

DRUCKBonifatius GmbH, PaderbornGedruckt auf PEFZ-zertifiziertem Papier

WEITERFÜHRENDE LINKS

www.bmz.dewww.textilbuendnis.comwww.siegelklarheit.dewww.zukunftscharta.de

Titelbild: Florian Oellers www.florianoellers.de

STANDORTE DER BMZ-DIENSTSITZE

BMZ BONNDahlmannstraße 4 · 53113 BonnTel.: +49(30)228 99 535-0 · Fax: +49(30)228 99 535-3500

BMZ BERLIN Europahaus · Stresemannstraße 94 · 10963 BerlinTel.: +49(30)30 18 535-0 · Fax: +49(30)30 18 535-2501E-Mail: [email protected]

VERANTWORTUNG

DU TRÄGST

Foto

s: s

hutt

erst

ock/

Hua

ng Z

heng

. Flo

rian

Oel

lers