Borislav Marušić - UNIOS · 2015. 11. 27. · Helbig/Buscha erklären folgenderweise das...

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Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku Filozofski fakultet Poslijediplomski doktorski studij Jezikoslovlje Borislav Marušić Funktionsverbgefüge in deutscher Konzernsprache Doktorski rad Mentor: prof. dr. sc. Tomislav Talanga Osijek, 2015.

Transcript of Borislav Marušić - UNIOS · 2015. 11. 27. · Helbig/Buscha erklären folgenderweise das...

  • Sveučilište Josipa Jurja Strossmayera u Osijeku Filozofski fakultet

    Poslijediplomski doktorski studij Jezikoslovlje

    Borislav Marušić

    Funktionsverbgefüge in deutscher Konzernsprache

    Doktorski rad

    Mentor: prof. dr. sc. Tomislav Talanga

    Osijek, 2015.

  • Meinen Töchtern Ana und Ema

  • Vorwort

    Mein großer Dank gilt in erster Linie meinem Mentor Herrn Professor Tomislav

    Talanga, ohne dessen Unterstützung und Hilfe diese Arbeit nicht zum Abschluss

    gekommen wäre und dessen Hinweise mir große Hilfe leisteten. Ich bedanke

    mich auch bei meinem Kollegen Leonard Pon für wertvolle Ratschläge.

    Ansporn und Motivation zu intensiver wissenschaftlicher Untersuchung schuf

    ich immer wieder aus meiner Faszination für die deutsche Wirtschaft, die mich

    seit immer begeisterte.

    Mein besonderer Dank gilt jedoch meiner Familie, vor allem meiner Ehefrau

    Kristina, ohne deren unbegrenzte Geduld und Aufmunterung in all den Jahren

    diese Arbeit nie ans Tageslicht gekommen wäre, und meinen Töchtern Ana und

    Ema, die seit mehreren Jahren „ertragen müssen“, dass ihr Vati immer etwas

    lernt und geistig abwesend ist.

    Mein weiterer Dank gilt meiner Mutter Đurđica und ihrer Familie, die für

    meinen erzielten Erfolg und meine bisherigen Leistungen von besonderer

    Bedeutung sind.

  • Inhalt

    1. EINLEITUNG

    1.1. Zum Thema der Dissertation und zur Motivation

    1.2. Funktionsverbgefüge in der bisherigen Forschung

    1.3. Funktionsverbgefüge im Wirtschaftsdeutschen

    1.4. Zur Struktur und zum Ziel der Arbeit

    1.5. Zum Korpus

    2. THEORETISCHE GRUNDLAGE

    2.1. Der Phänomenbereich

    2.1.1. Grundlegende Merkmale der FVG

    2.1.2. Definitionsproblematik

    2.2. Abgrenzungskriterien

    2.2.1. Abgrenzung der FVG von freien verb-nominalen Verbindungen

    2.2.2. Abgrenzung der FVG von phraseologischen Verbindungen

    2.3. Nominalstil

    2.4. Wie ist die Bezeichnung deutsche Konzernsprache in der vorliegenden Arbeit

    zu verstehen?

    3. SYNTAKTISCHE, SEMANTISCHE, MORPHOLOGISCHE MERKMALE DER

    FVG SOWIE DEREN LEISTUNGEN

    3.1. Syntaktische Merkmale der FVG

    3.1.1. Syntaktische Valenz der FVG

    3.1.2. Syntaktische Typen der FVG

  • 3.2. Semantische Merkmale der FVG

    3.2.1. Semantische Merkmale der FN

    3.2.2. Semantische Merkmale der FV

    3.2.2.1. FV und Aktionsart

    3.2.2.2. FV und Genera

    3.2.3. Semantische Merkmale der FPrp

    3.2.4. Semantische Typen der FVG

    3.2.4.1. FVG mit einfacher Prädikation

    3.2.4.2. FVG mit eingebetteter Prädikation

    3.2.5. Lexikalisierte und nicht-lexikalisierte FVG

    3.3. Morphologische Merkmale der FVG

    3.3.1. Funktionsverb

    3.3.1.1. Die Einteilung der FV hinsichtlich ihrer Bildung

    3.3.1.2. Die Einteilung der FV hinsichtlich ihrer Verwendung

    3.3.2. Funktionsnomen

    3.3.2.1. Artikel

    3.3.3. Funktionale Präposition

    3.3.4. Morphologische Typen der FVG nach FN

    3.4. Leistungen der FVG

    3.4.1. Syntaktische Leistungen der FVG

    3.4.2. Semantische Leistungen der FVG

    3.4.3. Pragmatische Leistungen der FVG

    4. ANALYSE DER FVG IN DEUTSCHER KONZERNSPRACHE

    4.1. Hypothesen

    4.2. Zum Korpus

  • 4.3. Quantitative Analyse des Korpus

    4.3.1. Die häufigsten FVG im Korpus

    4.3.2. Quantitative Analyse der FVG im Korpus nach morphologischen Typen

    4.3.3. Quantitative Analyse der Konstituenten der FVG im Korpus

    4.3.3.1. Quantitative Analyse der FV

    4.3.3.2. Quantitative Analyse der FN

    4.3.3.3. Quantitative Analyse der FPrp

    4.3.4. Analyse anderer Merkmale der FVG

    4.3.4.1. Lexikalisierbarkeit der FVG

    4.3.4.2. Ausgleichen der Valenz und andere Kommutationsreihen

    4.3.4.3. Passivwertige FVG

    4.3.4.4. Ausfüllen von Lücken im Sprachsystem

    4.3.4.5. FVG als Fachtermini

    4.4. Hypothesenbestätigung

    5. FAZIT (UND AUSBLICK)

    6. ABSTRACT

    7. SAŽETAK

    8. ABKÜRZUNGEN

    9. QUELLEN

  • 10. LITERATURVERZEICHNIS

    10.1. Bücher, Grammatiken, Monographien

    10.2. Wissenschaftliche Artikel

    11. ANHÄNGE

    Anhang 1: Liste der FVG mit mehr als 15 Belege

    Anhang 2: Alphabetische Liste der im Korpus belegten FV

    Anhang 3: Alphabetische Liste der im Korpus belegten FN

    Anhang 4: Liste der FN nach Häufigkeit ihres Vorkommens

    Anhang 5: Erweiterbarkeit der 10 häufigsten FVG

  • 1. Einleitung

    1.1. Zum Thema der Dissertation und zur Motivation

    Das Thema dieser Arbeit fügt sich an meine bisherigen wissenschaftlichen

    Untersuchungen des Sachgebiets Verwaltungs- und Wirtschaftsdeutsch an. Die

    FVG sind laut Untersuchungen des Registers des Sachgebiets

    Verwaltungsdeutsch schon im 18. Jh. als frequente Konstruktionen und als ein

    Merkmal dieser Art der Fachsprache gekennzeichnet. Obgleich die FVG in

    deutscher Standardsprache in den letzten 50 Jahren oft untersucht wurden, war

    das im Bereich der Wirtschaftssprache nicht der Fall. Es gibt nur einige

    (Doktor)arbeiten zu diesem Thema, wobei es sich vor allem um Teile des

    Wirtschaftsdeutschen (Unterkorpora) handelt. Ein Sondersegment der

    Wirtschaftssprache stellt die Konzernsprache dar, die im Wirtschaftsdeutschen

    ein noch unerforschtes Sprachgebiet ist. Die Konzernsprache kennzeichnet die

    Sprache, durch die die Konzerne mit ihren Mitarbeitern(innen), Aktionären und

    Öffentlichkeit im Allgemeinen kommunizieren. Als Korpus im emipirischen Teil

    der Untersuchung fungieren die Geschäftsberichte zehn größter deutscher

    Konzerne, und zwar derjenigen aus dem DAX-Index. Der erwartete

    Korpusumfang besteht aus ca. 2500 Seiten des geschriebenen Textes mit etwa

    7300 FVG-n. Das gewonnene Korpus wird die Abgrenzung der FVG in deutscher

    Konzernsprache von denjenigen im Rahmen der existierenden Untersuchungen

    in der deutschen Wirtschaftssprache ermöglichen, sowie ihren gegenseitigen

    Vergleich.

    Es ist an dieser Stelle auch mein ganz persönlicher Grund für die

    Themenauswahl zu erwähnen. Das ist nämlich meine seit immer existierende

    Faszination für die deutsche Wirtschaft, einem wahren und einzigartigen

    Wirtschaftswunder, das auch zur Zeit der größten wirtschaftlichen Krise seit es

    die Europäische Union gibt, seine magische Kraft ausstrahlt und neue Umsatz-

    und Absatzrekorde immer wieder aufstellt. Deutsche Tugenden wie Fleiß,

  • Präzision, Sorgfalt, Zuverlässigkeit, Verantwortungsgefühl und Terrier-

    Beharrlichkeit spiegeln sich nirgendwo besser als in deutscher Wirtschaft wider.

    Ein stichhaltiger Grund für die Begeisterung. In germanistischen

    Untersuchungen ist m.E. ungenügende Aufmerksamkeit diesem Teil der

    angewandten Linguistik, dem Sachgebiet Wirtschaftsdeutsch im Allgemeinen

    gewidmet, geschweige denn dem Sachgebiet deutscher Konzernsprache.

    1.2. Funktionsverbgefüge in der bisherigen Forschung

    Obwohl die FVG schon im Althochdeutschen zu finden waren (vgl. Yuan,

    1986:16), wurden sie in der deutschen Sprache (wenigstens in germanistischen

    Kreisen) lange als etwas Überflüssiges und stilistisch Schlechtes gekennzeichnet.

    Es ging nach manchen Germanisten um falsches Deutsch, eine Art

    Substantivierung des Prädikats. Die Konstrukte sind „Papieridiome“,

    „Sprachbeulen“, „Spielart der Hauptwörterkrankheit“, „Hauptwörterseuche“,

    „Verbalsurrogat“, „Zeitworttrappen“ etc. genannt (vgl. Blažević, 1999:7). Diese

    Betrachtungsweise hat 1963 mit der Veröffentlichung des Beitrags

    „Funktionsverben im heutigen Deutsch: Sprache in der rationalisierten Welt“

    von Peter von Polenz grundlegenden Wandel erfahren. Der Autor führt Begriffe

    „Funktionsverb“ und „Funktionsverbformel“ ein, während Engelen 1968 im

    Beitrag „Zum System der Funktionsverbgefüge“ den Terminus

    „Funktionsverbgefüge“ einführt, der sich später als passend zur Beschreibung

    des Phänomens eingebürgert hat. Sein Beitrag warf außerdem ein neues Licht

    auf die FVG als zusätzliche Ausdrucksmöglichkeiten in der Sprache, und nicht

    mehr als etwas unbedingt Schlechtes und stilistisch Unakzeptables. Der

    Nominalstil stellt eine Entwicklungstendenz in der deutschen

    Gegenwartssprache dar: „Einige Studien haben nämlich ergeben, dass der

    Verbalstil des 19. Jh.s zum Nominalstil des 20. Jh.s wurde.“ (Pon, 2011:3) Vom

    Entwicklungsstandpunkt der deutschen Sprache ist es daher völlig begründet,

    dass die FVG in der Gegenwartssprache in großem Ausmaß präsent sind. Die

  • bisherigen sehr fruchtbaren Untersuchungen der FVG in deutscher Sprache

    können in mehrere Gruppen eingeteilt werden:

    1. Arbeiten, die sich auf diachronische Untersuchungen der FVG beziehen:

    Blažević (1999:13f.) führt folgende auf diachronische Untersuchungen der FVG

    bezogene Arbeiten auf: Heringer (1968) weist auf den Einfluss des Lateinischen

    auf, Relleke (1974) auf den Gebrauch der FVG im Althochdeutschen, Watanabe

    (1981) und Ogino (1983) auf den Gebrauch der FVG im Mittelhochdeutschen,

    Seifert (2004) gibt einen diachronischen Überblick der FVG in der Sprache der

    Gesetzestexte 18. – 20. Jh. an.

    2. Untersuchungen, die sich auf semantische, syntaktische und kognitive

    Aspekte der FVG beziehen:

    Heringer (1968), Klein (1968), Persson (1975), Helbig (1979), Yuan (1986),

    Winhart (2005), Kamber (2008), Gradečak-Erdeljić (2009).

    3. Untersuchungen der FVG in anderen Sprachen:

    Folgende Arbeiten beziehen sich auf Untersuchungen der FVG in anderen

    Sprachen (vgl. Blažević, 1999:14): Rensky (1964), Hofmann (1967, 1972), Müller

    (1978), Allerton (2002) im Englischen, Günter (1976) im Russischen, Wittig

    (1977, 1981) im Arabischen, Detgers (1996), Kotschi (2009) im Französischen,

    Klinger (1983) im Polnischen, Groß (1988) im Japanischen.

    4. Untersuchungen einiger FVG-Typen:

    Heringer (1968) untersucht FVG mit kommen und bringen und ihren Einfluss

    auf die Aktionsart des ganzen Konstruktes, Herlitz (1973) schreibt über FVG

    Typs “in Erfahrung bringen”, Persson (1992) untersucht die kausativen FVG,

    (1984) die Konstruktionen Typs “zur Darstellung kommen / gelangen” und (1981)

    FVG mit FV finden, Grimm (1981) untersucht den Artikelgebrauch bei

  • präpositionalen FVG-n, Rösch (1994) untersucht FVG, die als Äquivalent zu

    Passivkonstruktionen dienen.

    5. Kontrastive Untersuchungen der FVG

    Busch (1964) vergleicht den Gebrauch der FVG in romanischen und

    germanischen Sprachen, Fischer (1978) und Gradečak-Erdeljić (2009) im

    Deutschen, Englischen (und Kroatischen), Blažević (1995) im Deutschen und

    Kroatischen, Heine (2008) im Deutschen und Finnischen, Hinderdael (1981) und

    (1985) im Deutschen und Niederländischen, Yuan (1983) im Deutschen und

    Chinesischen, Konieczna (1980), (1981), (1991) und Grunt (2011) im Deutschen

    und Polnischen, Popadić (1988) im Deutschen und Serbischen.

    6. Arbeiten aus der Methodik deutscher Sprache, die die Wichtigkeit der FVG im

    DaF Unterricht durchnehmen:

    Götze (1973) setzt sich dafür ein, die Schüler mit syntaktischen und

    semantischen Merkmalen der FVG im DaF Unterricht bekanntzumachen, Frein-

    Plischke (1992) weist auf Schwierigkeiten im Verständnis dieser Konstruktionen

    auf und schlägt Sprachübungen für ihren Erwerb vor.

    7. Arbeiten des Sachgebiets angewandte Linguistik:

    Da die vorliegende Dissertation auch zu dieser Gruppe gehört, führe ich die mir

    zugänglichen Arbeiten samt Autoren und Veröffentlichungsjahren an:

    a) Popadić (1971). Untersuchungen zur Frage der Nominalisierung des

    Verbalausdrucks im heutigen Zeitungsdeutsch.

    b) Tuchel (1982). Streckformen in der Fachsprachlichen Kommunikation.

    c) Richter (1988). Funktionsverbgefüge in der gegenwärtigen Alltagssprache

    und frei gesprochenen Wissenschaftssprache – einige methodische

    Grundlagen und Analyseergebnisse.

    d) Schaarschuh (1990). Zur Typologisierung von Funktionsverbgefügen in

    Wirtschaft und Handel.

  • e) Kordulová (2007). Funktionsverbgefüge in der Fachsprache.

    f) Marušić (2009). Das Funktionsverbgefüge in der deutschen

    Verwaltungsrechtssprache.

    g) Marušić/Herceg (2013). Leistungen der Funktionsverbgefüge in deutscher

    Verwaltungsrechtssprache.

    Auf dem Sachgebiet FVG im Wirtschaftsdeutschen sind folgende

    Untersuchungen zu finden:

    a) Schaarschuh (1990). Zur Typologisierung von Funktionsverbgefügen in

    Wirtschaft und Handel.

    b) Blažević (1995). Sintagme s funkcionalnim glagolima u njemačkom poslovnom

    dopisivanju u turizmu i njihovi ekvivalenti u hrvatskom.

    c) Unverricht (1996). Verbale Analytismen in der französischen und deutschen

    Wirtschaftssprache.

    d) Blažević (1999). Leistungen der Funktionsverbgefüge in deutschen

    Geschäftsbriefen im Tourismus.

    e) Blažević (1999). Sintagme s funkcionalnim glagolima u njemačkom jeziku

    hotelijerstva i turizma.

    f) Marušić (2011). Funktionsverbgefüge im Wirtschaftsdeutsch.

    g) Marušić/Barišić (2012). Leistungen der Funktionsverbgefüge in deutscher

    Konzernsprache.

    Obwohl die FVG in den letzten 50 Jahren ziemlich oft und intensiv untersucht

    wurden, was aus diesem kurzen Überblick hervorgeht, ist es auch ersichtlich,

    dass es nur einige Untersuchungen der FVG auf dem Sachgebiet

    Wirtschaftsdeutsch gibt. Diese Dissertation wird ihren Beitrag auch dazu leisten,

    diese Lücke durch Untersuchung der FVG in deutscher Konzernsprache zu

    schließen.

  • 1.3. Funktionsverbgefüge im Wirtschaftsdeutschen

    Die FVG stellen nicht nur ein wesentliches Kennzeichen in der deutschen

    Standardsprache dar, sondern auch in der Fachsprache. Dabei sei der Begriff die

    Fachsprache am besten mit Hilfe von Hoffmanns Definition festzulegen:„…die

    Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich begrenzbaren

    Kommunikationsbereich verwendet werden, um die Verständigung zwischen den

    in diesem Bereich tätigen Menschen zu gewährleisten.“ (Hoffmann, 1985:53)

    Hier präsentiere ich nur einige Anhaltspunkte zum Thema FVG und die

    Fachsprache:

    „Iako su SFG prisutne u svim sferama komunikacije, neprijeporna je činjenica da

    su najfrekventnije u jeziku struke.“ (Blažević, 1995:343)

    „Obwohl die FVG in allen Kommunikationssphären vertreten sind, ist es eine

    unabänderliche Tatsache, dass sie am häufigsten in der Fachsprache

    vorkommen1.“

    „Die Funktionsverbgefüge (FVG) nehmen einen wichtigen Platz in der

    Fachsprache ein, weil sie hohe Informationsdichte haben. Sie werden besonders

    häufig in Texten zur Informationsvermittlung verwendet. Man benutzt sie

    meistens in der geschriebenen Sprache, besonders der Sprache der Verwaltung,

    der Presse und der wissenschaftlichen Texte.“ (Kordulová, 2007:3)

    Helbig/Buscha erklären folgenderweise das Phänomen des Gebrauchs von FVG

    in der Fachsprache: „Da die FVG formelhaft sind und Modellcharakter haben,

    werden sie bevorzugt in solchen Textsorten (z.B. Fach- und

    Wissenschaftssprache) verwendet, in denen eine Art Dispositionsausdruck

    vorherrscht. Ein solcher Dispositionsausdruck arbeitet stärker mit vorgeformten

    Fertigteilen, die Denkarbeit erleichtern können.“ (Helbig/Buscha, 1993:105)

    1 Alle Zitate aus anderen Sprachen wurden ins Deutsche vom Autor der Dissertation übersetzt.

  • Die bisherigen Untersuchungen auf dem Sachgebiet Wirtschaftsdeutsch haben

    ergeben:

    Schaarschuh (1990) macht in seiner Arbeit „Zur Typologisierung von

    Funktionsverbgefügen in Wirtschaft und Handel“ eine typologische

    Untersuchung auf dem Gebiet Wirtschaft und Handel, die vor allem im DaF

    Unterricht ihre Anwendung findet. Die Aufgabe war festzustellen, ob in

    deutschen Geschäftsbriefen die Vollverben gegenüber ihnen konkurrierenden

    FVG als Prädikate vorherrschen. Der Nominalstil spielt dabei eine wichtige Rolle

    und darin kommt den FVG entscheidende Bedeutung zu. Die Empfehlung zum

    Gebrauch der FVG lautet: in amtlichen oder dienstlichen Schreiben und zu

    kommerziellen Zwecken sind die FVG zu gebrauchen. Ist aber eine Aussage mit

    einem einmaligen Fachterminus verbunden oder geht es um ein persönliches

    Schreiben, sind die Vollverben aus stilistischen und sprachökonomischen

    Gründen zu empfehlen.

    Unverricht (1996) analysiert im Beitrag „Verbale Analytismen in der

    französischen und deutschen Wirtschaftssprache“ fachsprachliche und

    stilistische Funktionen der FVG oder verbaler Analytismen, wie sie sie nennt:

    „Es wird die Annahme bestätigt, dass verbale Analytismen eher

    fachsprachenübergreifend verwendet werden, dafür allerdings die

    Verwirklichung anderer fachtexttypischer Strukturen sowie fachsprachlicher

    Terminologien erleichtern. Durch ihre Besonderheiten erhalten verbale

    Analytismen Signalcharakter für Fachsprachlichkeit und vereinfachen die

    Strukturierung von Fachtexten.“ (Unverricht, 1996:16)

    Blažević (1999) nimmt im Beitrag „Leistungen der Funktionsverbgefüge in

    deutschen Geschäftsbriefen im Tourismus“ die syntaktischen, semantischen und

    pragmatischen Leistungen der FVG durch. Ihre Untersuchung hat bewiesen, die

  • FVG seien „ein multifunktionales, in manchen Fällen sogar ein verbindliches

    Sprachmittel...“ (Blažević, 1999:156) Die Hauptfunktionen der FVG bestehen in

    der Bedeutungsspezifizierung und in der Bereicherung der

    Ausdrucksmöglichkeiten. Die erste werde vor allem durch Attribuierung des FN

    und durch Aktionsarten verwirklicht. Die FVG sind, im Unterschied zu oft

    Polysemie aufweisenden Vollverben, immer eindeutig. Diese Tatsache sei für ihre

    häufigere Wahl gegenüber mit ihnen konkurrierenden Vollverben in deutschen

    Geschäftsbriefen im Tourismus ausschlaggebend.

    Blažević (1999) untersucht die FVG des Sachgebiets Hotellerie und Tourismus

    und analysiert die Frequenz, Funktionen und Motive des Gebrauchs dieser

    Konstruktionen auf diesem Gebiet des Wirtschaftsdeutschen. Die Untersuchung

    wurde an 25 500 Sätzen, die 2415 FVG ergaben, durchgeführt. Die frequentesten

    FVG im Korpus sind: zur Verfügung stehen, in Anspruch nehmen, zur Verfügung

    stellen, von Bedeutung sein, Wert legen, eine Auskunft geben, zur Folge haben,

    Aufschluss geben, zum Ausdruck kommen, eine Entscheidung treffen, einen

    Anspruch haben, Auswirkungen haben. Nach morphologischen Typen kommt die

    folgende Einteilung vor: FV + FNAkk (57.9 %), FV + PrP (35.7 %), FV + FNNom (4.8

    %), FV + FNDat (0.9 %) und FV + FNGen (0.7 %). Im Korpus wurden 106

    verschiedene FV errechnet. Die frequentesten sind: haben, geben, machen, sein,

    stehen, nehmen, kommen und bringen. Im Korpus wurden 570 verschiedene FN

    gezählt. Die produktivsten sind: Verfügung (132 Belege), Anspruch (71 Belege),

    Bedeutung (56 Belege) und Frage (45 Belege). Die häufigsten Präpositionen im

    Rahmen der Syntagmen mit FV + PrP sind in (451 Belege), zu (48 Belege) und

    von (48 Belege). Der Gebrauch der FVG sei nach der Autorin vielseitig motiviert.

    „Ove konstrukcije uglavnom se koriste: kao distinktivan element jezičnog stila

    (sve SFG), kao jezično sredstvo koje omogućava atribuiranje FI (47.70 %

    primjera), kao stručni termin (10 %), kao jednoznačan termin (12 %), za

    izražavanje načina vršenja glagolske radnje koji se razlikuje od načina vršenja

    radnje ekvivalentnog glagola ili pridjeva (+spona) (21.50 % primjera), kao

    parafraza pasiva (20.34 % primjera), kao jezično sredstvo koje omogućava

  • promjenu rečeničnog naglaska (15 % primjera), kao jezično sredstvo koje

    omogućava izostavljanje objekta (12 % primjera), te za popunjavanje praznina u

    njemačkom glagolskom sustavu (7 % primjera). Iz ovoga proizlazi da su najvažniji

    motivi upotrebe SFG u njemačkom JHT obilježavanje jezičnog stila i atribuiranje

    FI.“ (Blažević, 1999:206)

    „Diese Konstruktionen werden vor allem gebraucht: als Distinktivelement des

    Sprachstils (alle FVG), als Sprachmittel, das Attribuierung des FN ermöglicht

    (47.70 % der Belege), als Fachterminus (10 %), als eindeutiger Terminus (12 %),

    zum Ausdruck der Aktionsart, die von Aktionsart des entsprechenden Verbs oder

    Adjektivs (+ Kopulaverb) abweicht (21.50 % der Belege), als Passiversatz (20.34

    % der Belege), als Sprachmittel, das die Veränderung der Satzintonation

    ermöglicht (15 % der Belege), als Sprachmittel, das die Auslassung des Objekts

    ermöglicht (12 % der Belege), und zum Schließen von Lücken im deutschen

    Verbalsystem (7 % der Belege). Daraus geht hervor, dass die wichtigsten Motive

    des Gebrauchs von FVG in deutscher Sprache der Hotellerie und Tourismus das

    Kennzeichnen des Sprachstils und die Attribuierung des FN sind.“ Die Autorin

    gelangte zu folgender Schlussfolgerung:

    „Ovo istraživanje je pokazalo da SFG u njemačkom jeziku hotelijerstva i turizma

    predstavljaju nezaobilazan jezični element, koji je često precizniji i ekonomičniji

    od ekvivalentnog punoznačnog glagola, ukoliko isti postoji.“ (Blažević, 1999:206)

    „Diese Untersuchung hat ergeben, dass die FVG in deutscher Sprache der

    Hotellerie und Tourismus ein unumgängliches Sprachmittel darstellen, das oft

    präziser und ökonomischer als das equivalente Vollverb ist, falls es ein solches

    gibt.“

    Marušić (2011) Funktionsverbgefüge im Wirtschaftsdeutschen

    Der Autor nahm eine Analyse der FVG im Wirtschaftsdeutschen vor. Das aus

    1061 Belegen bestehende Korpus wurde verschiedensten Texten und Webseiten

    des Sachgebiets Wirtschaftsdeutsch entnommen und linguistischer Analyse

  • unterzogen. Die Grundgebiete der Untersuchungen waren: Mikro- und

    Makroökonomie, Wirtschaftspolitik, Finanzwissenschaft, Betriebswirtschaft,

    Bank-, Börsen- und Versicherungsgeschäfte.

    Die Resultate der Analyse haben folgendes ergeben:

    1. Die FVG sind nicht nur in der deutschen Standardsprache produktiv, sondern

    auch auf diesem Gebiet der deutschen Fachsprache – im Wirtschaftsdeutsch.

    2. Die ersten zehn FV nach dem Häufigkeitsgrad ihres Vorkommens sind: haben

    (16.87 %), stehen (9.61 %), erhalten (7.35 %), kommen (7.16 %), führen (6.59 %),

    machen (5.93 %), treffen (5.18 %), stellen (4.9 %), sein (4.42 %), nehmen (3.58 %).

    3. Die häufigsten zehn FN innerhalb der FVG sind: Verfügung – 57, Anspruch –

    39, Bedeutung – 38, Einfluss – 28, Druck – 18, Möglichkeit – 18, Entscheidung –

    15, Ziel – 12, Ausdruck – 12, Gewinn – 8.

    4. Die häufigsten zehn Syntagmen aus dem Korpus des Wirtschaftsdeutsch sind:

    Rangierung FVG

    1. von Bedeutung sein 34

    2. zur Verfügung stehen 31

    3. in Anspruch nehmen 26

    4. zur Verfügung stellen 23

    5. (k)einen Einfluss haben 21

    6. Auswirkungen haben 15

    7. Entscheidung treffen 14

    8. die Möglichkeit haben 11

    9. Anspruch haben 8

    10. zum Ausdruck kommen 7

    Tabelle 1. Die häufigsten zehn FVG auf dem Sachgebiet Wirtschaftsdeutch

    nach Marušić (2011:153f.)

    5. Folgende FV binden an sich mehr als 10 verschiedene Nomina: haben – 57

    Nomina, machen – 25 Nomina, führen – 20 Nomina, kommen – 20 Nomina,

    stehen – 20 Nomina, erhalten – 19 Nomina, bringen – 17 Nomina, geben – 17

    Nomina, finden – 11 Nomina, setzen – 11 Nomina.

  • 6. Die Mehrheit der FVG im Korpus machen die nicht-lexikalisierten FVG aus.

    7. Eine ganze Reihe der FVG ist aufgrund ihrer semantischen Merkmale für das

    Wirtschaftsdeutsch kennzeichnend: in Abzug bringen, Anhebungen geben, zur

    Ausschüttung gelangen, in den Handel kommen, zur Herabsetzung kommen, im

    Kurs stehen, einen Rückzieher machen, in Schwung kommen, Umsatz machen,

    eine Verschuldung haben, eine Verzinsung haben, Wachstum bringen, eine

    Zahlung leisten.

    Marušić/Barišić (2013) führten eine Untersuchung von Leistungen der FVG auf

    dem Sachgebiet deutscher Konzernsprache durch. Die Untersuchung erfolgte

    nach dem Modell der umrahmten Schnittmengen von Alain Kamber. Es handelt

    sich um einen flexiblen theoretischen Rahmen, dessen Grenzen breit aufgefasst

    und fließend sind. Die Prototypensemantik wird zum Instrument der Analyse:

    „Davon ausgehend, dass es häufig keine klaren Grenzen zwischen den

    grammatischen Kategorien gibt, sondern graduelle Abstufungen, haben Forscher

    versucht, die Prototypensemantik auf die sprachwissenschaftliche Terminologie

    anzuwenden.“ (Kamber, 2008:20)

    Abbildung 1. Subklassifizierung der FVG im Modell der umrahmten

    Schnittmengen (Kamber, 2008:22)

  • Zur Ermittlung der FVG nach dem Modell der umrahmten Schnittmengen

    wurden vier Kriterien aufgestellt: ein zentrales Kriterium und drei

    Nebenkriterien. Das grundlegende Kriterium [Kriterium A] ist der

    Bedeutungsverlust des Hauptverbs. Die Nebenkriterien sind:

    - Ist das FN ein Verbalabstraktum? [Kriterium B]

    - Ist das FV ein Bewegungs- bzw. Zustandsverb? [Kriterium C]

    - Ist in dem FVG eine Präpositionalgruppe enthalten? [Kriterium D]

    „Diese Kombination von Kriterien unterschiedlicher Natur (Semantik,

    Wortbildung und sogar Syntax) ist natürlich kritisierbar, doch sie ist u.E. die

    einzige Möglichkeit, ein komplexes Phänomen einzugrenzen und ihm letztlich

    gerecht zu werden. Die vier oben aufgeführten Kriterien erlauben es, neun Fälle

    zu unterscheiden:

    (1) zum Ausdruck kommen; in Aufregung geraten

    (2) Stellung nehmen

    (3) zur Verfügung haben; in Besitz haben

    (4) zur Welt kommen; zu Papier bringen

    (5) Zurückhaltung üben; Wache halten; Anwendung finden

    (6) in Angst halten

    (7) Platz nehmen

    (8) Lust haben / ein Foto machen

    (9) zur Geburtstagsfeier gehen / Zucker nehmen / Kuchen essen.“ (Kamber,

    2008:22)

    Die Ergebnisse des Beitrags (vgl. Marušić/Barišić, 2013:301):

    1. Die gesteigerte Produktivität der FVG in jährlichen Geschäftsberichten

    deutscher Konzerne ist dem erhöhten Bedarf an Informationsvermittlung, einer

    Art des Bedarfs an Informationsdichte, zurückzuführen.

  • 2. Die festgestellten Leistungen der FVG sind vielfältig. Die syntaktischen,

    pragmatischen und semantischen Leistungen sind meistens nicht voneinander zu

    trennen, denn sie sind miteinander eng verwoben und bilden daher ein

    vielschichtiges Leistungsphänomen.

    3. Die FVG in deutscher Konzernsprache stellen daher ein unumgängliches

    Sprachmittel dar, das durch seine Vielschichtigkeit komplexe

    Leistungskombinationen ermöglicht und besserer Informationsvermittlung auf

    syntaktischer, pragmatischer und semantischer Ebene dient. Sie sind sogar ein

    verbindliches Sprachmittel, denn ohne komplexe Kombination in ihnen

    beinhalteten Leistungen, wären die Ausdrucksmöglichkeiten in deutscher

    Konzernsprache ziemlich karg.

    1.4. Zur Struktur und zum Ziel der Arbeit

    Die vorliegende Arbeit ist aus vier Großteilen zusammengesetzt. Im ersten Teil,

    dem einleitenden Teil, werden das Thema und die Motivation zur Untersuchung

    beschrieben. Zusätzlich wird ein Überblick über die bisherigen Forschungen der

    Funktionsverbgefüge gegeben und die Struktur und das Ziel der Arbeit

    dargelegt. Abschließend werden einige Angaben zum Korpus spezifiziert.

    Der zweite Teil der Arbeit bezieht sich auf die theoretische Grundlage und

    beinhaltet folgende Elemente: die Beschreibung des Phänomenbereichs, die

    Methodologie in den bisherigen Untersuchungen, die Abgrenzungskriterien der

    FVG von freien verb-nominalen Verbindungen und Phraseologismen, die

    Angaben zum Nominalstil im Deutschen sowie die Definition des Terminus

    Konzernsprache.

    Im dritten Teil der Doktorarbeit werden syntaktische, semantische und

    morphologische Merkmale der Funktionsverbgefüge sowie deren Leistungen in

    allen Einzelheiten durchgenommen.

  • Der vierte Teil stellt die Analyse der Funktionsverbgefüge in deutscher

    Konzernsprache dar. Er umfasst die aufgestellten Hypothesen, die detaillierte

    quantitative Analyse des Korpus, die Angaben zur Motivation zum Gebrauch der

    FVG in deutscher Konzernsprache und den Vergleich unserer Ergebnisse mit

    denjenigen früherer Untersuchungen.

    Die verbliebenen Elemente der Arbeit machen das Fazit (und Ausblick), das

    Abkürzungsverzeichnis, die Zusammenfassungen auf Englisch und Kroatisch,

    das Literaturverzeichnis und die Anhänge aus.

    Diese Untersuchung hat zum Ziel eine empirische Untersuchung der FVG in

    deutscher Konzernsprache, einem Unterkorpus des Sachgebiets

    Wirtschaftsdeutsch, vorzunehmen. Die Untersuchung wird klare Antworten auf

    die Fragen zur Funktion, zur Rolle und zu den Leistungen der FVG auf diesem

    Gebiet des Wirtschaftsdeutsch geben. In der Arbeit wird von der Voraussetzung

    ausgegangen, dass der Gebrauch der FVG in deutscher Konzernsprache nicht

    zufällig ist, sondern eine wichtige syntaktische, semantische und stilistische

    Funktion hat. Wir setzen weiter voraus, dass sich dieser Teil des

    Wirtschaftsdeutschen in einigen Segmenten von anderen Bereichen des

    Wirtschaftsdeutschen unterscheidet. Die Unterschiede sind an häufigsten FVG,

    Funktionsverben und Funktionsnomina, an der Frequenz der morphologischen

    Typen, im Maße der Attribuierung des FN zu verzeichnen. Es wird davon

    ausgegangen, dass die Ergebnisse der Untersuchung meine These bestätigen

    werden, dass es sich bei der deutschen Konzernsprache um eine gesonderte

    Untergruppe des Wirtschaftsdeutschen handelt. Das durchgenommene Korpus

    von cirka 7300 Belegen dient als Ausgangspunkt zum Vergleich mit Ergebnissen

    einer anderen wissenschaftlichen Untersuchung auf dem Sachgebiet

    Wirtschaftsdeutsch, nämlich FVG des Sachgebiets Hotellerie und Tourismus. Ein

    weiteres Ziel der Arbeit besteht darin, auf mittelbare Weise die deutsche

    Konzernkultur, als eine der angesehensten in aller Welt, zu promovieren und

    einen Ansporn für weitere wissenschaftliche Untersuchungen in diese Richtung

    zu geben.

  • 1.5. Zum Korpus

    Seit meiner Beschäftigung mit der Problematik der FVG im Deutschen habe ich

    festgestellt, dass sich die Sprachwissenschaftler bei der Beschreibung der FVG

    nicht viel mit Korpuslinguistik beschäftigt haben. Es gibt zwar Ausnahmen, die

    aber nur die Regel bestätigen. Manche wissenschaftliche Arbeiten seit den 60-er

    Jahren des 20. Jh. waren nur die theoretischen Ansätze, das Phänomen der FVG

    zu definieren, ohne dabei eine korpusbasierte Untersuchung durchzuführen.

    Dabei wurden Konstrukte und deren Funktionen und Leistungen aufgrund

    einiger vereinzelter Beispiele erörtert (s. Starke 1975, von Polenz 1963, Klein

    1968). Die Beispiele der FVG, die zur Analyse dienten, waren manchmal von

    Autoren selbst erfunden oder selbst konstruiert, so dass sie der Sprachrealität

    überhaupt nicht entsprachen. Ihre Verwendung als Beispiele konnte man nur

    insofern zulassen, als sie zur Rechtfertigung der vorher aufgestellten Hypothesen

    fungierten. Manche von diesen Beispielen sind in verschiedenen Korpora der

    deutschen Sprache überhaupt nicht belegt, d.h. sie haben keine empirisch

    bestätigte Anwendung. Kamber (2008:38f.) gibt einige Beispiele dafür an:

    „Starke (1989) führt in ihren Ausführungen neben dem FVG zur Kenntnis

    kommen (S. 95) auch in Vorschlag kommen (S. 95), von dem sie behauptet, es

    werde [als stilistisch schlecht empfunden] – Anmerkung des Autors – . Dieses

    Syntagma kommt aber weder im Spiegel-Korpus (5 Millionen Wörter) noch im

    Tages-Anzeiger-Korpus (61 Millionen Wörter) noch in der gesamten COSMAS II-

    Datenbank (alle öffentlichen Korpora geschriebener Gegenwartssprache des IDS:

    rund 2 Milliarden Wörter) vor. Es handelt sich also unter empirischem

    Gesichtspunkt schlicht um ein Phantomphänomen.“ (Kamber, 2008:38)

    Pon (2011:9) begründet den Einsatz der Korpora in sprachwissenschaftlichen

    Untersuchungen folgenderweise:

    „An dieser Stelle wollen wir betonen, wie notwendig und gewinnbringend

    diejenigen Untersuchungen sind, die auf empirischen Daten basieren. Unsere

    Grammatiken bieten mancherlei Erklärungen für diese oder jene Erscheinung,

  • aber die Urteile über die Akzeptabilität und den realen Gebrauch einzelner

    Konstruktionen stammen von Einzelpersonen – von einem Autor oder einer

    Autorengruppe. Diese Urteile reflektieren somit eher das Idiolekt (und das

    Soziolekt) dieser Person(engruppe) oder die Vorstellung von der deutschen

    Gegenwartssprache dieser Person(engruppe), als dass sie Auskunft über den

    state of affairs gäben.“

    Die empirische Korpusarbeit weist sich als geeignete Methode auch zur

    Ermittlung der FVG in deutscher Konzernsprache aus. Denn es gibt meines

    Erachtens nach keine andere Möglichkeit, die Ergebnisse einer Untersuchung zu

    verifizieren, ohne dass sie empirisch bestätigt worden sind. Das Korpus wird in

    dem Fall als das objektivste Mittel der Hypothesenüberprüfung zum Einsatz

    gebracht.

    Die korpusbasierte Untersuchung wurde anhand von Geschäftsberichten der 10

    DAX-Konzerne für das Geschäftsjahr 2011 vorgenommen: Adidas AG, Bayer AG,

    Beiersdorf AG, Daimler AG, Deutsche Börse Group AG, Fresenius Medical Care

    AG, Metro Group AG, Münchener Rück AG, RWE AG, SAP AG. Das Korpus,

    das aus cirka 2000 Seiten und 37982 Sätzen besteht, enthält 7327 FVG. Die

    Anzahl der Belege macht das Korpus repräsentativ für die Analyse der deutschen

    Konzernsprache. Die Belege wurden den Geschäftsberichten entnommen, in eine

    gesonderte Datei eingegeben und abschließend nach verschiedenen Parametern

    analysiert. Das Korpus kann auch als Ausgangspunkt für andere linguistischen

    Untersuchungen dienen, auf dem Gebiet der angewandten, vergleichenden und

    kontrastiven Linguistik.

  • 2. Theoretische Grundlage

    2.1. Der Phänomenbereich

    Das Phänomen des zweiteiligen Prädikats, das aus einem FV und einem FN oder

    einer PrP besteht und eine syntaktische und semantische Einheit bildet, ist im

    Deutschen nicht neueren Datums. Yuan gibt einen kurzen Überblick über die

    Diachronie der FVG in deutscher Sprachgeschichte:

    „FV und FVG sind keine neuen sprachlichen Phänomene. v. Polenz erwähnt ihre

    ersten Spuren in der wissenschaftlichen Literatur des 18 Jhs… Schon im

    Althochdeutschen finden sich solche Erscheinungen nicht selten… Heringer

    findet anhand des Notker-Glossars frühe Belege im Althochdeutschen… Im

    Mittelhochdeutschen finden sich die FVG schon häufiger. Im [Gregorius] –

    Anmerkung des Autors – Hartmanns kann man z.B. beobachten, dass sie eine

    wichtige Rolle spielen, insbesondere in ihrer semantischen Leistung… Im

    Frühneuhochdeutschen verbreiten sich solche Erscheinungen in einem relativ

    weiten Umkreis… Auch bei Autoren des 18./19. Jahrhunderts wie z.B. G.E.

    Lessing und J.W. Goethe kann man solche Erscheinungen finden.“ (Yuan,

    1986:15ff.)

    Es wirft sich die Frage auf, warum die FVG seit der Zeit von Luther bis 60-er

    Jahre des 20. Jh. kein Gegenstand der sprachwissenschaftlichen

    Untersuchungen waren, obwohl es, wie oben angeführt wurde, zahlreiche

    Beweise für deren Gebrauch in allen Registern der damaligen deutschen Sprache

    gab. Die Antwort liegt in der Tatsache, dass sie für eine Stilkrankheit gehalten

    wurden und erst mit der Entwicklungstendenz der deutschen Sprache (zum

    Nominalstil) erfolgte die Anerkennung des FVG. Es wurde zu dieser Zeit

    festgestellt, dass die FVG ihre eigenen Funktionen im Satz ausüben, und somit

    nicht einfach von anderen Wörtern ersetzt werden können. (s. Yuan, 1982:2)

  • An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass die Entwicklung der FVG im Deutschen

    als auch in anderen germanischen Sprachen stark vom Prozess der oben

    erwähnten Nominalisierung beeinflusst wurde:

    „Die FVG haben sich in allen germanischen Sprachen im Zusammenhang mit der

    Tendenz zur Nominalisierung und zum analytischen Sprachtyp parallel

    entwickelt.“ (v. Polenz, 1987:171).

    „Proces nominalizacije pritom je vrlo snažan mehanizam koji, upotrebljavajući

    gotovo sve mogućnosti kognitivnih metaforičkih i metonimijskih preslikavanja,

    uspijeva postupkom jezične kondenzacije (Radovanović 1990) uravnotežiti opreku

    zalihosti i jezične ekonomije koja je tako očita pri analizi tvorbe i uporabe

    analitičkih glagolsko-imenskih konstrukcija u svim trima jezicima.“ (Gradečak-

    Erdeljić, 2009:4)

    „Der Nominalisierungsprozess ist dabei ein sehr starker Mechanismus, der fast

    alle Möglichkeiten von kognitiven, metaphorischen und metonymischen

    Zuordnungen einsetzt und dem es durch das Verfahren der sprachlichen

    Kondensation (Radovanović 1990) gelingt, die Redundanz und die

    Sprachökonomie in Balance zu bringen, die so offensichtlich bei der Bildungs-

    und Gebrauchsanalyse von FVG in allen drei Sprachen ist.“

    Für Detges (1996:4) ist es unanfechtbar, dass man als FVG komplexe, feste und

    halbfeste Prädikatsausdrücke im Grenzbereich zwischen Syntax und Lexikon

    bezeichnet:

    „Es handelt sich um eine wenig homogene Gruppe komplexer Prädikate, deren

    Grenzen zu freien Wortverbindungen auf der einen Seite und zu phraseologisch

    fixierten Konstruktionen auf der anderen unscharf sind.“

    Einige Autoren wie Popadić (1971:11) und Kamber siedeln die FVG zwischen

    zwei Polen an:

    „Zwischen diesen beiden Polen sozusagen finden wir die nominalen Prädikate als

    nicht idiomatische Phraseologismen (eine Rede halten, Angst ausstehen, in

    Erscheinung treten, Vorwürfe machen), die sich sowohl von den spezifischen

  • Lexem-Kombinationen als auch von den Idiomen unterscheiden. In solchen

    Konstruktionen haben Verb und Objekt eine besondere semantische und

    syntaktische Beziehung, denn sie bilden zusammen das Prädikat des Satzes.“

    (Kamber, 2008:14)

    „Laut Literatur handelt sich bei den relevanten Verbindungen um feste oder

    halbfeste Prädikatsausdrücke, die zwischen idiomatischen Verbindungen und

    Kollokationen angesiedelt werden (z.B. zur Verfügung stehen, eine (nützliche)

    Anregung bekommen).“ (Winhart, 2005:1)

    Das Phänomen allein kann am besten folgenderweise spezifiziert werden: Auf

    der einen Seite gibt es sogenannte freie Wortverbindungen (wie beispielsweise

    Zucker nehmen), auf der anderen die Phraseologismen (etw. für bare Münze

    nehmen), die nicht wortwörtlich sondern bildlich verstanden werden müssen.

    Dazwischen liegen die FVG: die Redensarten, die sprichwörtlich zu verstehen

    sind (in Empfang nehmen).

    Gradečak-Erdeljić schreibt in der Einleitung ihrer Doktorarbeit über den

    Phänomenbereich der FVG:

    „Nijedno lingvističko područje nije toliko podložno ideološkim i metodološkim

    prijeporima kao što je to područje sjecišta frazeologije i sintakse, a upravo

    činjenica da su se engleske analitičke glagolsko-imenske konstrukcije tipa have a

    drink ili give somebody a kick vrlo često nalazile bilo na marginama temeljnih

    gramatičkih djela engleske gramatike kao što je Jespersenova (1942)…“

    (Gradečak-Erdeljić, 2009:1)

    „Kein anderes linguistisches Gebiet wird so viel ideologischen und

    methodologischen Auseinandersetzungen ausgesetzt wie das Gebiet der

    Kreuzung von Phraseologie und Syntax, und gerade die Tatsache, dass sich die

    englischen analytischen verbal-nominalen Konstruktionen des Typs have a drink

    oder give somebody a kick sehr oft entweder am Rande der grundlegenden

  • grammatischen Werke englischer Grammatik wie derjenigen von Jesperson

    (1942) befanden …“

    Warum ein Phänomen? Es gab in den vergangenen mehr als 50 Jahren sehr viele

    Definitionsansätze der FVG, die zu keinem eindeutigen Ergebnis, was die

    allgemeine Akzeptanz betrifft, geführt haben. Laut Kamber (2008:9) handelt es

    sich „tatsächlich vielmehr um ein Phänomen, das einen gewissen Raum für

    Interpretationen freilässt.“

    2.1.1. Grundlegende Merkmale der FVG

    Die Funktionsverben werden als eine Untergruppe von Verben angesehen, die

    gewöhnlich Hilfs- oder Nichtvollverben genannt werden, weil sie in der Regel

    nicht imstande sind, das Prädikat alleine zu bilden. Zum Prädikatsausdruck

    bedürfen sie eines Nomens, mit dem sie eine semantische und syntaktische

    Einheit bilden und als komplexes, zweiteiliges Prädikat betrachtet werden. Dabei

    ist die ursprüngliche Bedeutung des FV verlorengegangen, und das FN ist zum

    Haupträger der Semantik des ganzen Konstruktes geworden (s. Marušić,

    2009:244 und Marušić, 2012:146). Nicht nur die Bedeutung hat ein FVG von

    seinem FN übernommen, sondern meistens auch seine Valenz.

    Es gibt fünf morphologische Typen der FVG:

    1. FV + PrP Die Situation brachte ihn in Verwirrung.

    2. FV + NPAkk Wir stellten Untersuchungen an.

    3. FV + NPNom Es besteht kein Zweifel daran.

    4. FV + NPGen Diese Aktion bedarf einer Erklärung.

    5. FV + NPDat Die Maßnahmen unterliegen keinen Einschränkungen.

  • Die frequentesten sind die ersten zwei morphologischen Typen der FVG.

    Hinsichtlich ihrer Bildung unterscheidet man zwischen den einfachen (eine

    Bestätigung erfahren, ins Gespräch bringen) und komplexen FV (sich in

    Abhängigkeit befinden, in Betrieb begriffen sein, vonstatten gehen, Gerechtigkeit

    walten lassen). Die FV unterscheiden sich voneinander in Fähigkeit der Bildung

    der morphologischen Typen von FVG. Das FN kann sein: der nominalisierte

    Infinitiv (ins Schleudern geraten), die Verbalableitung (in Verwunderung setzen),

    die Adjektivalableitung (in Gefahr sein) und Primäres Nomen (in Kraft treten).

    Es kann nur im Singular, nur im Plural, oder in der Mehrheit der Fälle sowohl

    im Singular als auch im Plural vorkommen. Hinsichtlich der Bildung kann das

    FN ein Simplex (Angst haben), eine Ableitung (zur Verfügung stellen) oder eine

    Zusammensetzung (in Geschäftsbeziehung stehen) sein. Vor dem FN kann ein

    unbestimmter, bestimmter oder Nullartikel stehen.

    2.1.2. Definitionsproblematik

    Seit den 60-er Jahren des 20. Jh. gab es verschiedene Definitionsansätze der

    FVG. Diese Definitionsansätze sind immer so heterogen gewesen, dass das

    Definieren der FVG oft in eine Sackgasse geriet. Das Hauptproblem bestand

    immer darin, dass zur Definitionsfeststellung eindeutige Kriterien nötig waren,

    die es unter Germanisten nie gab.

    „Eine klare, eindeutige Definition für Funktionsverbgefüge (FVG) ist in der

    Literatur nicht zu finden, obwohl der Begriff FVG gerade in der traditionellen

    Grammatik des Deutschen eine wichtige Rolle spielt. Aus den verschiedenen

    Definitionsansätzen lassen sich einige zentrale Kriterien extrahieren, die zur

    Eingrenzung der oft intuitiven Bestimmung einer Nomen-Verb-Kombination als

    FVG verwendet werden. Die Kriterien selbst sind jedoch problematisch, da sie

    unscharfe, wiederum intuitive Begriffe verwenden.“ (Winhart, 2002:1)

  • Manche Sprachwissenschaftler begrenzen sich in ihren Definierungsversuchen

    auf den Kernbereich der lexikalisierten FVG:

    „Die Schwierigkeiten der Definition liegen sicherlich nicht in einem Mangel an

    Kriterien begründet, wie der nachfolgende Literaturüberblick zeigen wird.

    Vielmehr scheinen mir die meisten Kriterien nur für einen sehr engen Bereich

    der im Allgemeinen als FVG bezeichneten Verb-Nomen-Kombinationen

    zutreffend zu sein, nämlich für lexikalisierte Verbindungen. Dennoch gehen in

    jede Untersuchung über FVG auch nicht-lexikalisierte und produktive

    Verbindungen ein.“ (Winhart, 2002:3)

    Unten gebe ich einen Überblick über die bisherigen, relevanten Definitionen der

    FVG in germanistischer Sprachwissenschaft:

    Für v. Polenz ist eine Funktionsverbformel „ … eine Wortgruppe, in der der

    sachliche Kern des Vorgangsbegriffs durch ein Abstraktsubstantiv und die

    formale Satzfunktion durch ein anderes Verbum ausgedrückt wird, das durch

    präpositionale Fügung mit dem Substantiv verbunden wird.“ (v. Polenz, 1963:11)

    „Man versteht darunter im allgemeinen die Verbindung eines Verbalsubstantivs

    oder Adjektivabstraktums mit einem (mehr oder weniger) bedeutungsarmen

    Verbum. Entscheidend ist dabei, dass das Verbum nur noch Funktionselement

    ist, weil es seinen Inhaltswert an das mit ihm verbundene Substantiv abgetreten

    hat. Sinnentleert scheint es nur noch Hilfsverb zu sein, was uns in einigen Fällen

    dazu bewogen hat, auch die Kombination eines solchen Funktionselements mit

    einem Konkretum (z.B. zu Papier bringen, vollere Kassen bringen etc.) zu

    berücksichtigen.“ (Popadić, 1971:4)

    Im Lexikon der Sprachwissenschaft von Bußmann aus dem Jahre 1983 wird das

    FVG als eine Verknüpfung von einem FV und einer Präpositionalgruppe

    definiert: „Funktionsverbgefüge Auch: [Schwellform, Streckform]. Syntaktische

  • Fügung, die aus einem präpositionalen Objekt und einem → Funktionsverb

    besteht (zur Aufführung bringen). …“ (Bußmann, 1983:155)

    „FVG sind Prädikativgefüge, die aus einer Nominal- oder Präpositionalphrase

    und einem FV bestehen und meistens durch ein dem darin vorkommenden

    Nomen zugrundeliegendes Vollverb (oder Adjektiv + Kopula) mit semantischen

    oder stilistischen Unterschieden paraphrasiert und entsprechend als eine

    semantische Einheit betrachtet werden können.“ (Yuan, 1986:33)

    Engel (1991) gibt in Deutscher Grammatik im Kapitel Klassifikation nach der

    Kombinierbarkeit folgende Definition der FV und somit der FVG:

    „Diese Verben verbinden sich regelmäßig mit Präpositional- oder

    Nominalphrasen, in denen das Nomen ein Geschehen bezeichnet:

    zum Vortrag bringen

    Hilfe leisten

    In solchen Funktionsverbgefügen ist das Nomen der eigentliche Sinnträger. Das

    Verb hat seine ursprüngliche Bedeutung fast völlig verloren, es ist nur noch

    Träger der Konjugationsendungen und hat somit (fast) nur noch eine

    ausdruckssyntaktische Funktion – daher die Bezeichnung [Funktionsverb] –

    Anmerkung des Autors –. Das Nomen in derartigen Gefügen bezeichnen wir als

    Gefügenomen“ (Engel, 1991:407)

    „Ein FVG besteht aus einem FV und einem nominalen Bestandteil (in der Regel

    Substantiv im Akkusativ oder Präpositionalgruppe), die beide zusammen eine

    semantische Einheit darstellen und als solche Prädikat bilden. Das FV kann

    nicht ohne den nominalen Teil des FVG vorkommen (und umgekehrt); dieser

    wird nach seinem Satzgliedcharakter als lexikalischer Prädikatsteil aufgefaßt.

    Diese semantische Einheit drückt sich darin aus, daß das FVG in der Bedeutung

    weitgehend einem Vollverb oder einem Adjektiv (+ Kopula) entspricht (die den

    gleichen Stamm haben wie das Nomen im FVG)…“ (Helbig/Buscha, 1993:79)

  • „Als Funktionsverbgefüge (FVG) wird in der Literatur eine Fügung aus

    Substantiv und Verb bezeichnet, die im Satz prädikative Funktion ausübt. Sie

    kann für einen Vorgang, einen Zustand oder eine Eigenschaft stehen, vgl. Arbeit

    leisten, in Blüte stehen, Fähigkeit haben.“ (Rösch, 1994:14)

    „FVG repräsentieren den markierten Fall, dass nicht ein lexikalisches Vollverb,

    sondern eine Sequenz aus Funktionsverb und Nomen strukturelles Zentrum des

    Satzes im Sinne eines Prädikats ist, innerhalb derer wiederum das Nomen als

    Zentrum fungiert…. Funktionsverbgefüge sind komplexe Prädikate, deren

    verbale Formative keine lexikalischen Vollverben, sondern Funktionsverben

    sind. Diese treten nur zusammen mit nominalen Formativen N (FVG) auf, denen

    sie keinen Aktantenstatus, sondern die Funktion von Prädikatskernen zuweisen.

    Auf syntaktischer Ebene sind N (FVG) keine E der FV und aus diesem Grund

    weder erfragbar noch anaphorisierbar.“ (Detges, 1996:17ff.)

    „Unter Funktionsverbgefügen (FVG) versteht man im Deutschen vorwiegend

    Verbalkomplexe (z.B. zur Verfügung stehen, Bezug nehmen), die aus einem

    verbalen und einem nominalen Teil bestehen, eine semantische Einheit bilden

    und als solche in der Funktion des Prädikats auftreten. Die eigentliche

    Bedeutung liegt nicht im Funktionsverb (FV), sondern in dem zum FVG

    gehörenden Nomen, das Funktionsnomen (FN) genannt wird.“ (Blažević,

    1999:143)

    Unter FVG versteht Eisenberg (1999:300) nur eine Verknüpfung vom FV und

    Präpositionalphrase, wobei als FV nur der engste Kreis der FV (bringen, geraten,

    halten, kommen, nehmen, setzen, stehen, stellen) fungieren kann.

    „Mit dem Terminus Funktionsverbgefüge (FVG) bezeichnet man im Allgemeinen

    eine Verknüpfung von einem Funktionsverb (FV) und einer Nominal- oder

    Präpositionalphrase: Wachstum bringen, zur Ausschüttung gelangen. Dabei hat

    das FV seine ursprüngliche Bedeutung eingebüßt, wobei der Nominalteil des

    Konstruktes zum Bedeutungsträger des Prädikats geworden ist…“ (Marušić,

    2011:146)

  • Kamber schließt sich an die einleitenden Gedanken von Winhart vom Anfang

    dieses Kapitels an, im Sinne dass er alle bisherigen Definitionsansätze des

    Funktionsverbgefüges als [Definitionsakrobatik] – Anmerkung des Autors –

    betrachtet. Im Kapitel Heterogenität der Definitionen nimmt er vorweg:

    „Das Hauptanliegen der vorliegenden Studie ist nicht etwa eine neue

    [Definitionsakrobatik] – Anmerkung des Autors –, sondern eine möglichst genaue

    Beschreibung ausgewählter Fakten. Die Auseinandersetzung über die [richtige] –

    Anmerkung des Autors – Definition der FV und der FVG dauert nun schon seit

    etwa vier Jahrzehnten an und hat bisher noch zu keinem allgemein akzeptierten

    Ergebnis geführt.“ (Kamber, 2008:10)

    Deswegen sieht er von einer endgültigen Definition ab, indem er in seinen

    Untersuchungen sein eigenes auf Prototypensemantik beruhendes System (s.

    Kamber, 2008:20ff.) entwickelt.

    Aus den Untersuchungen der deutschen Sprachwissenschaft geht hervor, dass

    das FVG in germanistischer Literatur zweierlei formuliert wurde. Auf der einen

    Seite gibt es Linguisten (meistens aus der älteren Generation zu Beginn der

    intensiveren Untersuchungen in diesem Bereich, in den 60-er Jahren des 20.

    Jh.), die als FVG eine Verknüpfung von einem FV und einer Präpositionalgruppe

    mit einem Abstraktum darin (zur Ausschüttung gelangen, in Bewegung setzen)

    betrachten. Zu dieser Gruppe gehören von Polenz (1963), Heringer (1968),

    Engelen (1968) und Götze (1973). Auf der anderen Seite kam es mit weiterer

    Entwicklung von Untersuchungen in dem Bereich zu einer erweiterten Definition

    und Übereinstimmung darüber, dass diese prädikativen Konstrukte entweder

    eine Verknüpfung von einem FV und einer Präpositionalgruppe mit einem

    Abstraktum darin darstellen, oder eine Verknüpfung von einem FV und einer

    Nominalphrase, die im Nominativ, Genitiv, Dativ oder (meistens) Akkusativ

    vorkommen kann. Daher gehören zur Gruppe der FVG die Konstrukte wie: in

  • Erwägung ziehen, Uneinigkeit besteht, einer Erklärung bedürfen, einer

    Kontrolle unterziehen, Druck ausüben.

    Das FVG wird in dieser Arbeit folgenderweise definiert:

    Das FVG ist eine Verknüpfung von einem Funktionsverb (FV) und einer

    Nominal- oder Präpositionalphrase. Diese Teile üben nur zusammen die

    Funktion des Prädikats aus. Das FV kann nicht vereinzelt ohne das FN oder PP

    vorkommen und umgekeht.

    Das FV hat seine ursprüngliche Bedeutung des Vollverbs zum Nutzen des FN

    oder PrP mehr oder weniger eingebüßt, die zum Bedeutungsträger des ganzen

    Konstruktes geworden sind. Das FV übt nur noch die grammatische Funktionen

    (Person und Numerus, Tempus, Genus verbi, Modus) innerhalb des Satzes aus.

    Das FN oder PrP verleihen dem Konstrukt ihre Bedeutung und in den meisten

    Fällen ihre Valenz. Das FN kann im Nominativ, Genitiv, Dativ oder (in der

    Mehrheit der Fälle) Akkusativ vorkommen.

    Die FVG können dreierlei paraphrasiert werden. Zum einen können sie als eine

    Streckform des morphologisch und semantisch einschlägigen Vollverbs dienen.

    Die Streckform definieren wir dabei wie bei Schmidt:

    „Schmidt (1963, S. 80) begründet diesen Terminus folgendermaßen: Die

    Streckformen entstehen dadurch, dass ein vollbedeutendes Verb zu einer

    nominalen Fügung mit Hilfsverb ’gestreckt’ wird, […]“. (Rösch, 1994:15)

    Beispiele zu dieser Gruppe: Anwendung finden = angewendet werden, zur

    Aufführung kommen = aufgeführt werden. Zum zweiten können diese

    Konstrukte mit einem morphologisch ähnlichen aber semantisch verschiedenen

    Vollverb paraphrasiert werden: in Gang sein ≠ gehen, Beziehungen aufnehmen ≠

    beziehen. Zum dritten gibt es eine Gruppe von FVG, die nicht mit einem

    morphologisch identischen Vollverb paraphrasierbar sind: Stellung nehmen,

    einen Vertrag abschließen.

  • 2.2. Abgrenzungskriterien

    Auf dem Gebiet der Abgrenzungskriterien herrschte seit immer eine große

    Heterogenität der Meinungen und Abgrenzungsdefinitionen:

    „In der Literatur über FVG herrscht zwar weitgehend Übereinstimmung darin,

    dass die FVG eine Mittelstellung zwischen den freien Wortverbindungen und den

    idiomatischen Wendungen einnehmen. Jedoch in der Frage danach, aufgrund

    welcher Merkmale die Abgrenzung erfolgen soll, gehen die Meinungen weit

    auseinander. Die Anzahl der Kriterien, die auch auf verschiedenen

    Beschreibungsebenen (morphologischen, syntaktischen und semantischen)

    liegen, schwanken je nach Verfasser zwischen drei und sechzehn.“ (Rösch,

    1994:20)

    Es war nicht einfach (und es ist noch immer der Fall) die an der Kreuzung von

    Phraseologie und Syntax angesiedelten FVG von freien verbal-nominal

    Kombinationen und auf der anderen Seite von Phraseologismen abzugrenzen. Es

    wurden manche Abgrenzungsansätze gemacht, die danach von anderen

    Sprachwissenschaftlern (vgl. Winhart, 2005:7ff.) relativiert und in Frage gestellt

    wurden.

    2.2.1. Abgrenzung der FVG von freien verb-nominalen Verbindungen

    Es war sehr schwierig die FVG von freien verb-nominalen Verbindungen

    abzugrenzen. Zu diesem Zwecke wurden in bisherigen sprachwissenschaftlichen

    Untersuchungen verschiedene Kriterien aufgestellt. Das Problem mit diesen

    aufgestellten Kriterien liegt darin, dass ihre Mehrheit keine Anwendung auf alle

    FVG finden kann, sondern sie können nur selektiv angewendet werden und

    wegen vieler Ausnahmen sind sie nur beschränkt zur Abgrenzung geeignet.

    Blažević gibt an, dass die Heterogenität der FVG zugrunde ihrer semantischen

    Stabilität liegt:

  • „Poznato je da jezik nije potpuno autonoman sustav već je, poput društva u

    okviru kojeg djeluje, podložan stalnim promjenama. Te promjene ne mimoilaze ni

    SFG. Radi se, zapravo, o tome da tijekom razvoja ovih konstrukcija s jedne strane

    dolazi do sve veće gramatikalizacije FG, a s druge strane do sve izraženije

    leksikalizacije samih SFG. Od leksičkih pojmova (punoznačnih glagola) glagoli

    postaju gramatičke riječi (pomoćni glagoli u širem smislu), pri čemu gube svoje

    prvotno leksičko značenje (Steinitz, 1977). Kod pojedinih FG ovaj razvoj nije

    tekao ujednačeno. Izgleda da je najdalje odmakao kod FG stehen, kommen i

    bringen, koji se mogu povezati s velikim brojem imenica tvoreći dugačke nizove.

    Procesu gramatikalizacije FG odgovara proces leksikalizacije SFG. Veći stupanj

    gramatikalizacije FG znači veću semantičku stabilnost SFG. Što su ti procesi

    dalje odmakli, to će SFG prema spomenutim kriterijima biti lakše odrediti. SFG,

    koje u tom procesu nisu daleko odmakle, spomenute kriterije samo će djelomično

    ispunjavati. Stoga treba imati u vidu više različitih slojeva SFG, a sve kriterije

    može ispuniti samo tzv. [centralni] – Anmerkung des Autors – sloj, odnosno

    leksikalizirane SFG.“ (Blažević, 1999:36f.)

    „Es ist bekannt, dass die Sprache kein völlig autonomes System ist, sondern sie

    ist wie die Gesellschaft, in deren Rahmen sie funktioniert, ständigen

    Wandlungen unterzogen. Diese Wandlungen umgehen auch die FVG nicht. Es

    handelt sich tatsächlich darum, dass im Verlauf der Entwicklung dieser

    Konstruktionen auf der einen Seite zu immer größer Grammatikalisierung des

    FV und auf der anderen zu immer ausgeprägter Lexikalisierung der FVG kommt.

    Aus den lexikalisierten Wörtern (Vollverben) werden die Verben zu

    grammatischen Wörtern (Hilfsverb im erweiterten Sinne), wobei sie ihre

    ursprüngliche Bedeutung verlieren (Steinitz, 1977). Bei einigen FV verlief diese

    Entwicklung nicht gleichmäßig. Es scheint, dass sie am weitesten bei FV stehen,

    kommen und bringen vorangekommen ist, die viele Nomen an sich binden

    können und dabei Reihenbildung ermöglichen. Dem

    Grammatikalisierungsprozess des FV entspricht der Lexikalisierungsprozess des

    FVG. Ein höherer Grad an Grammatikalisierung des FV bedeutet eine erhöhte

    semantische Stabilität des FVG. Je mehr diese Prozesse vorangegangen sind,

  • desto leichter wird nach den aufgestellten Kriterien die FVG festzustellen, die in

    diesem Prozess nicht weit vorangegangen sind und die erwähnten Kriterien nur

    teilweise erfüllen. Deswegen soll man mehrere verschiedene Schichten der FVG

    im Auge behalten, und alle Kriterien kann nur die sog. [zentrale] – Anmerkung

    des Autors – Schicht, beziehungsweise die lexikalisierten FVG erfüllen.“

    2.2.2. Abgrenzung der FVG von phraseologischen Verbindungen

    Die FVG machen eine Untergruppe der festen Prädikativgefüge aus. Die

    Festigkeit dieser Gefüge ist ein anderes Wort für ihre Lexikalisierung, wobei die

    Teile des Gefüges nur gemeinsam die Bedeutung des Gefüges wiedergeben.

    „Trotz dieser Lexikalisierung dürfen die FVG nicht mit den [phraseologischen

    Verbindungen] bzw. [phraseologischen Ganzheiten] (vom Typ [ins Wort fallen],

    [schwarz sehen], [unter den Nagel reißen]) – Anmerkungen des Autors –

    identifiziert werden, die ebenfalls semantische Einheiten darstellen, sich in ihrer

    Bedeutung nicht oder nicht völlig in die Teilbedeutungen der einzelnen

    Bestandteile auflösen lassen und sich meist durch ein anderes Lexem (als Wort)

    paraphrasieren lassen. Während jedoch die Bedeutung der phraseologischen

    Einheit nur insgesamt faßbar ist (sie verteilt sich nicht auf die einzelnen Teile),

    bewahrt das FV im FVG eine bestimmte – wenn auch sehr allgemeine –

    Bedeutung, …“ (Helbig/Buscha, 1991:80)

    Von Polenz sieht keine klare Abgrenzung zwischen festen Prädikativgefügen

    sondern nur Grenzen, die ziemlich fließend sind: „Es gibt einen breiten

    Übergangsbereich zwischen FVG und idiomatisch gebundenen NVG (s. Bahr 46

    ff.).“ (von Polenz, 1987:176)

    Zu den festen Prädikativgefügen (vgl. Yuan, 1986:41f.) gehören:

    1. Vollidiomatisierte Prädikativgefüge – es handelt sich um Phraseologismen,

    die ihre Bedeutung nicht aus ihren Bestandteilen sondern aus ihrer Ganzheit

    schöpfen: die Katze im Sack kaufen, etw. für bare Münze nehmen.

  • 2. Teilidiomatisierte Prädikativgefüge – in diesen Gefügen ist das Nomen der

    Bedeutungsträger des Gefüges: zum Erliegen bringen, in Aussicht stehen.

    3. FVG als Streckform eines Vollverbs oder Adjektivs (+ Kopula), dessen

    Paraphrase nur mit Bedeutungsunterschied erfolgen kann: unter Beobachtung

    stellen (caus) → beobachten (dur), in Bewegung setzen (caus) → bewegen (dur).

    4. FVG die sich nur stilistisch vom entsprechenden Vollverb oder Adjektiv (+

    Kopula) unterscheiden: Kritik üben → kritisieren, seinen Dank abstatten →

    danken.

    Die festen Prädikativgefüge in der ersten Untergruppe sind von den festen

    Prädikativgefügen in übrigen Untergruppen zu trennen, denn die letzten drei

    stellen das Phänomen der FVG im Deutschen dar. Die Grenzen zwischen ihnen

    sind doch zum einen ziemlich fließend, zum anderen sind die

    Sprachwissenschaftler über die obige Klassifikation nicht einig. Es gibt

    diejenigen, die für eine scharfe Abgrenzung der Phraseologismen gegenüber den

    FVG plädieren, um die zwei Gruppen kontrastiert betrachten zu können. Die

    FVG lassen sich in folgenden Punkten von Phraseologismen unterscheiden: die

    FVG sind meistens durch ein semantisch ähnliches Verb oder Adjektiv (+

    Kopula) paraphrasierbar; die Bedeutung des Konstruktes ist auf eine

    Bedeutungskomponente seiner Teile zurückzuführen (es gibt keine Teile, die

    semantisch völlig leer sind – die Bedeutung des FV ist nur verblaßt, weil das FV

    die Aktionsart bestimmt); die FN sind meistens Deverbativa oder Deadjektiva;

    die Konstrukte sind als Vertreter des „Papierdeutschen“ bzw. das Kennzeichen

    des Amtsdeutschen und der Fachsprache; die FVG sind das Ergebnis des

    Lexikalisierungsprozesses – im Prozess der Sprachentwicklung ist es zu einer

    neuen semantischen Einheit gekommen, die im Fall der FVG ein zweiteiliges

    Prädikat bildet.

  • Viehweger u.a. (1977:299ff.) stellen folgenden Unterschied zwischen festen

    Verbalverbindungen und phraseologischen Ganzheiten fest:

    1. Die festen Verbalverbindungen (=FVG) werden als Paralexeme aufgefasst. Sie

    stellen die lexikalischen Einheiten dar, deren Gesamtbedeutung nicht auf die

    Bedeutungen der Einzelteile zurückzuführen ist.

    2. Das FV „bringt nur sehr geringe oder gar keine semantische Spezifik in das

    Gesamtsemem ein, aber es ist, im Gegensatz zur phraseologischen Ganzheit,

    nicht semantisch leer, vielmehr erstreckt sich sein minimaler semantischer

    Beitrag vorwiegend und mindestens auf eine strukturell-grammatische

    Funktion“.

    3. Die FVG als Paralexeme sind „als ganzes im allgemeinen von geringerer

    semantischer Festigkeit als die phraseologischen Ganzheiten“. Dabei geben die

    Autoren „verschiedene Stufen semantischer Stabilität“ an.

    Pilz (1978:712) bezeichnet die FVG wie von Polenz als einen Übergangsbereich

    zwischen freien Wortverbindungen und idiomatisierten Konstrukten:

    „Wenn diese verbalen / prädikativen Gefüge, in denen die Substantive die

    entscheidende bedeutungstragende Rolle spielen und die (zumeist)

    Funktionsverben notwendig ergänzen, eine vom einfachen Verb abweichende

    entscheidende Bedeutungsnuancierung oder –differenzierung leisten, rechne ich

    sie zu den Phraseolexemen und deshalb zum Sprachschatz.“

    Yuan (1986:39f.) nimmt an, dass bei der Beschreibung der Phraseologismen

    (Redensarten / Wortgruppenlexeme / phraseologischen Ganzheiten bei

    verschiedenen Autoren), diese Konstruktionen nicht mit FVG kontrastierbar

    sind, sondern wegen bestimmter Gemeinsamkeiten unter einen Oberbegriff

    einzubringen sind. Den Oberbegriff benennt sie Paralexem.

  • Auch Kamber (2008:17) hebt die Schwierigkeiten bei der Grenzziehung zwischen

    FVG und Idiomen hervor. Er gibt die Tatsache an, dass „Phraseologie-Forscher in

    ihren Aufsätzen, Lexika und Wörterbüchern oft auch FVG aufführen“.

    „Schemann (1994:1995) beispielsweise führt in seinen zweisprachigen Idiomatik-

    Wörterbüchern die meisten Top-Ten-Vertreter unserer Studie auf und schlägt

    dafür französische und englische Übersetzungen vor. Fleischer (1997:134ff.;

    253f.) seinerseits behandelt innerhalb seiner Phraseologie der deutschen

    Gegenwartssprache das [Übergangsfeld] – Anmerkung des Autors – der FVG,

    die er zu den Phraseoschablonen zählt.“ (Kamber 2008:17)

    Derselbe Autor gibt weiterhin folgende Auflistung von auszuschließenden

    Syntagmen (Phraseologismen) an:

    „– Syntagmen mit obligatorischem, nicht ersetzbarem Adjektiv:

    – auf die schiefe Bahn geraten (‘vom Wege der geordneten Verhältnisse

    abkommen’)

    – auf freien Fuß setzen (‘aus der Haft entlassen’)

    – Syntagmen mit obligatorischem, festgelegtem Adverb:

    – die Hürde hoch setzen (‘sich viel vornehmen’)

    – Syntagmen mit koordiniertem doppeltem Substantiv:

    – Rede und Antwort stehen (‘gegenüber jm sein Tun verantworten’)

    – phraseologisch feste Einheiten, die eine ausschließlich übertragene Bedeutung

    besitzen:

    – sich jenseits von Gut und Böse befinden (‘weltfremd sein’)

    – auf (k)einen grünen Zweig kommen (‘(keinen)Erfolg haben, (nicht)

    vorankommen’)“ (Kamber, 2008:19f.)

    2.3. Nominalstil

    Der Nominalstil ist durch Konzentrierung der Informationen innerhalb einer

    Nominalgruppe gekennzeichnet, indem diese Nominalgruppe die führende

  • Position im Satz, die üblicherweise das Verb ausübt, übernimmt. Dabei wird die

    Zahl der im Satz zu gebrauchenden Elemente (Wörter) reduziert, was der

    Sprachökonomie beiträgt. Einige Autoren behaupten, der Einfluss des

    Nominalstils in der deutschen Gegenwartssprache sei so groß, dass sie das

    deutsche Satzgefüge verdrängen vgl. Pon (2009a) und Pon (2009b).

    Die FVG sind, wie auch andere Konstrukte des Nominalstils, das Ergebnis der

    Sprachentwicklung, die eigentlich nur der gesellschaftlichen Entwicklung folgte.

    Mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft entstand auch das

    Bedürfnis, alle technischen und technologischen Errungenschaften sowie die

    Gegenstände aus dem Alltagsleben benennen zu können. Pon (2011:3) führt an,

    dass nach einigen Studien „der Verbalstil des 19. Jh.s zum Nominalstil des 20.

    Jh.s wurde.“

    Zu dieser Benennung bedarf es Nomen, die mit jedem neuen Gegenstand, oder zu

    letzter Zeit mit jedem neuen Produkt oder zustande kommender Technologie

    permanent entstehen. Verben, die eine Tätigkeit, ein Geschehen oder einen

    Zustand ausdrücken, sind mit Nomen im ständigen gegenseitigen Verhältnis.

    Daniels (1963:215) schreibt über die Verfassung der verbal-nominalen

    Verhältnisse in der Sprache:

    „Wo das Verb allein nicht imstande ist, die sprachlich-geistige Aufgabe zu

    meistern, wächst ihm Hilfe zu aus dem Bereich des Substantivs. Umgekehrt

    bildet das Verb oft Anlass zu neuen Substantivierungen. So tragen und ergänzen

    sich die Wortarten gegenseitig, die Grenzen zwischen den Wortarten scheinen

    ausgeweitet. Nominale Umschreibungen spielen hierbei durch ihre eigentümliche

    Zwischenstellung zwischen Substantiv und Verb eine nicht zu unterschätzende

    Vermittlerrolle. Sie haben ihre unbezweifelbare Berechtigung in unserer

    Sprache.“

    Von Polenz (1978:144) berechtigt den Gebrauch des Nominalstils:

    „Der Substantivstil bedeutet nicht immer eine Verkümmerung des vorgänglichen

    Denkens, sondern bietet die grammatische Möglichkeit über Vorgangsbegriffe

  • etwas auszusagen. Ohne diese Art gedanklicher Abstrahierung wäre die moderne

    Zivilisation und Geisteskultur nicht denkbar. Was die frühdt. Übersetzer und die

    Mystiker mit ihren Verbalabstrakten in der dt. Sprache angebahnt und die dt.

    Gelehrten mit ihrem Nominalgruppenstil seit dem 17 Jh. weiterentwickelt

    haben, ist zu einem der wesentlichsten Kennzeichen des modernen Deutsch

    geworden.“

    Sommerfeldt/Starke (1982:193) stellen den Kommunikationsbedarf und

    Informationsvermittlung der modernen Zeit dar, als Hauptursache für immer

    größere Wichtigkeit und Häufigkeit des Vorkommens des Nominalstils:

    „Man muss heute mit weniger Aufwand mehr Informationen übermitteln

    können. Ein Mittel der Verdichtung ist die nominale Wortgruppe, speziell die

    Substantivgruppe, denn sie ermöglicht es, ganze Satzinhalte auszudrücken“.

    Der Nominalstil stellt ein wichtiges Merkmal der deutschen Fachsprachen dar:

    „Ein wichtiges Segment der Nominalisierung stellen im Deutschen neben den

    Transformationstypen auf der Wortbildungsebene (Derivation, Konversion und

    Komposition) auch Nominalisierungstransformationen auf der syntaktischen

    Ebene dar: als wesentliche Stilmittel der sprachlichen Ökonomie in den

    deutschen Fachtexten fungieren [erweiterte] – Anmerkung des Autors –

    pränominale Attribute und Funktionsverbgefüge. Die Letzteren sind

    strukturmäßig als Nominalisierungstransformationen besonders interessant; als

    strukturelle Alternative zum verbalen Ausdruck weist ihr Gebrauch aufgrund

    ihrer Funktionsvielfalt auf eine deutliche Nominalisierungstendenz hin.

    Göpferich (1995:421) stellt angesichts der hohen Frequenz fest, dass dieser

    Nominalisierungstyp – abgesehen von Fachlichkeitsgrad einzelner Textsorten –

    im Fachtextbereich allgemeingebräuchlich ist.“ (Kuster, 2014:162f.)

    „Im Allgemeinen gewinnt der Nominalstil an Wichtigkeit in der

    Wissenschaftssprache und gilt als eine herrschende Stilrichtung. Besonders in

    heutigen deutschen Wissenschaftstexten und in offiziellen Dokumenten im

  • Kommunikationsbereich von Presse und Publizistik sowie im Amtsverkehr wie

    Verwaltung und Gesetzangelegenheit finden sich zahlreiche Beispiele.“

    (Kaewwipat, 2001:2)

    Gradečak-Erdeljić (2009:4) führt an, dass „njihov odabir nije strogo

    kontekstualno uvjetovan, već nosi izvjesnu razinu izvorne preferencije za tipično

    uobličavanje svijeta oko nas pomoću njegovih referencijalnih vrijednosti, tj.

    imenica, dakle vidljivih, opipljivih tvorevina. Proces nominalizacije pritom je vrlo

    snažan mehanizam koji, upotrebljavajući gotovo sve mogućnosti kognitivnih

    metaforičkih i metonimijskih preslikavanja, uspijeva postupkom jezične

    kondenzacije (Radovanović 1990) uravnotežiti opreku zalihosti i jezične

    ekonomije koja je tako očita pri analizi tvorbe i uporabe analitičkih glagolsko-

    imenskih konstrukcija u svim trima jezicima.“

    „deren Auswahl [FVG] – Anmerkung des Autors – nicht strikt kontextuell

    bedingt ist, sondern trägt einen gewissen Grad der ursprünglichen Präferenz für

    typische Gestaltung der Welt um uns herum mittels ihrer Referenzwerte, d.h.

    Nomen, folglich sichtbare, tastbare Schöpfungen. Der Nominalisierungsprozess

    ist dabei ein sehr starker Mechanismus, dem es gelingt, von allen Möglichkeiten

    der kognitiven metaphorischen und metonymischen Nachbildung Gebrauch

    machend, durch Verfahren der sprachlichen Kondensation (Radovanović 1990)

    die Gegensätze zwischen Redundanz und Sprachökonomie auszugleichen, die so

    offensichtlich bei der Bildungs- und Gebrauchsanalyse von FVG in allen drei

    Sprachen sei.“

    Die FVG tendieren zu der sprachökonomischen Formgebung des

    fachsprachlichen Ausdrucks:

    „Dies erfolgt hauptsächlich, wenn Fachtermini in den syntaktischen

    Zusammenhang eingefügt werden und der semantische Gehalt des Prädikats

    durch attributive Ergänzungen weitgehend präzisiert wird, des weiteren, wenn

    das SF am Satzanfang steht und die Mitteilungsperspektive festlegt, und

  • schließlich, wenn die Aussage rational gerafft wird, indem auf ein FV mehrere

    SF bezogen sind“. (Richter, 1988:340f.)

    Obwohl manche Grammatiken von dem Gebrauch der FVG als Vertreter des

    schwerverständlichen Nominalstils abraten (s. Duden 2004:112), sind sie durch

    ihre komprimierte Ausdrucksweise in der Wissenschafts- und Fachsprache in

    einem solchen Ausmaß präsent, dass sie eine komprimierte, informationsdichte

    Ausdruckweise ermöglichen und deswegen einer sprachwissenschaftlichen

    Untersuchung völlig wert sind. Ihre Ausdrucksmöglichkeiten (vgl.

    Marušić/Barišić, 2013) sind in ihren Leistungen verborgen, die auf syntaktischer,

    semantischer und pragmatischer Ebene realisiert werden. Die Leistungen

    kommen nicht vereinzelt vor, sondern stellen komplexe Leistungskombinationen

    dar und sind in manchen Situationen ein verbindliches, unumgängliches

    Sprachmittel. Mehr darüber im Kapitel 3.

    2.4. Wie ist die Bezeichnung deutsche Konzernsprache in der

    vorliegenden Arbeit zu verstehen?

    Es bedarf an dieser Stelle einer kurzen Erklärung des Syntagmas aus dem Titel

    dieser Doktorarbeit „deutsche Konzernsprache“. Die Globalisierung als ein

    unaufhaltsames, sich durchsetzendes Weltphänomen der letzten Jahrzehnte, hat

    nicht nur die Wirtschaft, Politik, Kultur und Kommunikationsgewohnheiten,

    sondern auch die Sprachpolitik global tätiger Konzerne verändert. Die englische

    Sprache wird nämlich auch hier dem internationalen Wirtschaftspublikum im

    weitesten Sinne des Wortes aufgedrängt. In der Zeitschrift Forbes Magazine vom

    18. April 2012 wurde eine Liste mit hundert größten börsennotierten

    Unternehmen der Welt erstellt. Die Liste hat ergeben, dass es darunter 30

    amerikanische Unternehmen gibt, 6 britische, 4 australische, 3 kanadische

    (insgesamt 43 % aus englischsprachigem Raum). Es gibt nur 7 deutsche

    Konzerne (Volkswagen, Daimler, Allianz, Siemens, Deutsche Bank, BMW und

    BASF) und 3 aus der Schweiz (Nestlé, Zurich Financial Services und Glencore),

  • die wir bedingt zu dem deutschsprachigen Raum zählen können. In meinen

    Untersuchungen der deutschen Wirtschaftssprache bin ich auf die Tatsache

    gestoßen, dass es unter deutschen Konzernen auch diejenigen gibt, die zwar ihre

    Webseiten auf Deutsch haben, doch ihre Firmenpräsentationen, Quartals- und

    Jahresberichte nur auf Englisch herunterzuladen sind. Das verteidigt die These

    von Verdrängung der „kleineren Sprachen“ sogar aus ihrem natürlichen

    Sprachraum, in diesem Fall des Deutschen, zugunsten Englischen, als Ergebnis

    der Globalisierung und der Tatsache, dass die englische Sprache immer mehr zu

    lingua franca wird. Das adjektivische Attribut deutsch aus dem Titel der

    Doktorarbeit ist zweierlei aufzufassen. Zum einen geht es um Texte, die von

    deutschen Muttersprachlern verfasst sind, zum anderen sind sie auf Deutsch

    verfasst.

    Bei der Konzernsprache handelt es sich um eine Untergruppe des

    Wirtschaftsdeutschen. Albert (1995:83) gibt folgende Definition des Begriffs:

    „Das Wort Wirtschaftsdeutsch wird als Sammelbegriff gebraucht für jede Art von

    sprachlichen Fertigkeiten im Deutschen, die in im weitesten Sinne

    kaufmännischen beruflichen Situationen gebraucht werden. Darunter fällt

    Verhandlungstraining für Manager in der Industrie ebenso wie die

    Berufssprache des Hotel- und Gaststättengewerbes; es gibt also ein sehr großes

    Spektrum, das sicher nicht im selben Kurs oder Lehrbuch zu vermitteln ist“.

    Es handelt sich um die geschriebene Sprache, die dialektfrei ist und als solche

    allen deutschen Muttersprachlern und daran interessiertem Breitpublikum aus

    aller Welt verständlich ist. Um die Falle des Idiollekts zu vermeiden (eine

    Autorengruppe kann einen solchen entwickeln), bedarf es einer breiten

    Untersuchung (deswegen besteht das Korpus aus 10 Geschäftsberichten der Dax-

    Konzerne, die zu verschiedenen Wirtschaftsbranchen gehören). Dieses noch

    unerforschte Segment des Wirtschaftsdeutschen stellt die Sprache, in der die

    Konzerne mit ihren Mitarbeitern, Aktionären und (internationalem)

    Breitpublikum im allgemeinen kommunizieren. Das aus ca. 7300 FVG

    bestehende Korpus wird m.E. ermöglichen, eine umfangreiche Analyse der FVG

    des Sachgebiets Konzernsprache vorzunehmen und sie mit Ergebnissen anderer

  • empirischen Untersuchungen auf dem Sachgebiet Wirtschaftsdeutsch zu

    vergleichen.

  • 3. Syntaktische, semantische, morphologische Merkmale der

    FVG sowie deren Leistungen

    3.1. Syntaktische Merkmale der FVG

    3.1.1. Syntaktische Valenz der FVG

    Manche sprachwissenschaftliche Untersuchungen haben sich mit der Valenz der

    FVG und deren Unterschieden zu der Valenz des entsprechenden Vollverbs

    befasst. Unter der Valenz versteht man die Fähigkeit eines Verbs, bestimmte

    Leerstellen im Satz zu eröffnen. Die Leerstellen können besetzt werden (falls es

    sich um fakultative Aktanten oder Angaben handelt) oder müssen besetzt

    werden (falls es sich um obligatorische Aktanten handelt). In früheren Arbeiten

    des Sachgebiets FVG wurde davon ausgeganen, dass das FV, das innerhalb eines

    FVG vorkommt, nur eine Variante des entsprechenden Vollverbs ist, und dass

    sich dasselbe auch auf die Valenz bezieht. Diese Betrachtungsweise ist in

    folgenden Punkten falsch:

    1. Zu manchen FVG dienen als Paraphrase Adjektiv (+ Kopula):

    die Fähigkeit besitzen – fähig sein, Geduld haben – geduldig sein

    2. Zu manchen FVG gibt es weder entsprechende Vollverben noch Adjektive (+

    Kopula):

    Attentat verüben, Beifall spenden, den Dialog aufnehmen

  • 3. In manchen Fällen verlangt das Vollverb den OAkk und das mit ihm

    konkurrierende FVG die PrP:

    Der Konzern gibt seinen Mitarbeitern die Möglichkeit zur Weiterbildung.

    Der Konzern ermöglicht seinen Mitarbeitern Weiterbildung.

    4. Manche Vollverben können als Paraphrase mehr als ein FVG haben, welche

    die Reihenbildung bilden können. Dabei unterscheidet sich die Anzahl der

    obligatorischen und fakultativen Aktanten von denjenigen des Vollverbs:

    bewegen = in Bewegung bringen / versetzen [caus]

    in Bewegung kommen / gelangen / geraten [incho]

    in Bewegung sein / sich befinden [dur]

    S OAkk

    Der elektrische Strom bewegt die Maschinen.

    Das Vollverb bewegen verlangt zwei obligatorische Aktanten: S und OAkk.

    Das FVG in Bewegung bringen verlangt zwei obligatorische Aktanten: S und

    OAkk.

    S OAkk

    Der elektrische Strom bringt die Maschinen in Bewegung.

    Das FVG in Bewegung sein verlangt einen obligatorischen Aktanten: S.

    S

    Die Maschinen sind in Bewegung.

    Das FVG in Bewegung kommen verlangt einen obligatorischen Aktanten: S.

    S

  • Die Maschinen kommen in Bewegung.

    Die obigen Beispiele zeigen, dass die Valenz des Vollverbs bewegen nur mit

    erstem FVG in Bewegung bringen übereinstimmt. Das beweist, dass die Valenz

    des FVG in manchen Fällen von derjenigen des entsprechenden Vollverbs

    abweicht.

    Später wurde die initielle Betrachtungsweise korrigiert, im Sinne dass das

    Vollverb beim Übergang zu einem FV nicht nur seine Bedeutung eingebüßt hat,

    sondern auch seine Valenz:

    „… es werden im FVG Valenzverhältnisse konstruiert, die sich quantitativ und

    qualitativ von den Valenzverhältnissen bei den gleichlautenden Vollverben

    unterscheiden.“ (Helbig/Buscha, 1993:102)

    Wir gehen davon aus, dass die NP oder PrP keine Aktanten zum Vollverb sind,

    sondern nur ein Teil des komplexen Prädikats, wofür auch die Unmöglichkeit

    deren Anaphorisierung spricht:

    Der Fall kam zur Sprache.

    → *Der Fall kam dorthin.

    Die Dividende gelangte am 1. Mai zur Ausschüttung.

    → * Die Dividende gelangte am 1. Mai dorthin.

    Dasselbe gilt für die Unmöglichkeit der Erfragung der NP und PrP in einem

    FVG:

    Die Kinder sind zur Schule gekommen. (Vollverb)

    → Wohin sind die Kinder gekommen?

    Die neuen Maßnahmen kamen seit dem 1. Januar zum Einsatz. (FV)

    → * Wohin kamen die neuen Maßnahmen seit dem 1. Januar?

  • Dass das nominale Glied innerhalb eines FVG obligatorisch ist,

    veranschaulichten Helbig/Buscha (1993:101) an folgenden Beispielen:

    (a) Er bringt die Arbeit zum Abschluss. (FV)

    → Er bringt die Arbeit. (Veränderung der Bedeutung)

    Aber: Er bringt die Arbeit zum Lehrer. (Vollverb)

    → Er bringt die Arbeit.

    (b) Das Verfahren kommt zur Anwendung. (FV)

    → *Das Verfahren kommt. (grammatisch unakzeptabler Satz)

    Aber: Der Lehrer kommt zur Bahnhofshalle. (Vollverb)

    → Der Lehrer kommt.

    Da das FV seine Valenz eingebüßt hat, bestimmt die Valenz des ganzen

    Konstruktes das FN, das zum Träger der Bedeutung des komplexen Prädikats

    geworden ist.

    Zu diesem Punkt führen Helbig/Buscha (1993:102) die folgenden Beispiele an:

    Wir nehmen Einfluss auf seine Entwicklung. (FV)

    Die Kinder haben Angst vor der Fahrt. (FV)

    Sie gerät in Abhängigkeit von ihren Eltern. (FV)

    Aber:

    Die Mutter setzt das Kind in den Wagen. (Vollverb)

    (Obj.) (Adv.)

  • Die Aktanten der FVG seien nach denselben Autoren nicht Attribute zum

    Verbalsubstantiv, sondern selbständige Satzglieder, die sich auf das Prädikat

    beziehen und im Satz selbständig permutierbar sind:

    Mit den Kollegen setzen wir uns in Verbindung.

    Wir setzen uns in Verbindung mit den Kollegen.

    Wir setzen uns mit den Kollegen in Verbindung.

    3.1.2. Syntaktische Typen der FVG

    Yuan (1986:114) teilt die FVG in 8 Gruppen, wenn es um ihre Valenz geht, ein:

    1. Typ 1: (Es+) FVG

    Zu dieser Gruppe gehören Verben wie bestehen, entstehen, erfolgen, herrschen

    und stattfinden, diejenigen also des morphologischen Typs FV + NPNom. Dieser

    Typ von FVG verlangt keinen Aktanten, sondern manchmal nur ein expletives

    nicht als Aktant sondern als Platzhalter fungierendes es:

    FVG FVG

    Der Besuch findet statt. Die Auszahlung erfolgt.

    Es + FVG Es + FVG

    Es herrscht Schweigen. Es bestehen Uneinigkeiten.

    2. Typ 2: (Es+) FVG + xPrP / NS

    Zu dieser Gruppe gehören einige FVG des morphologischen Typs FV + NPNom, die

    einen obligatorischen Aktanten in Form einer PrP oder eines Nebensatzes

    verlangen:

  • a) Präpositionalphrase als obligatorischer Aktant:

    FVG + PrP

    Der Nachweis wird für die Fälschung geführt.

    b) Nebensatz als obligatorischer Aktant:

    FVG NS

    Es besteht die Gefahr, dass das Unternehmen pleite gehen wird.

    3. Typ 3: xn + FVG

    Zu dieser Gruppe gehören die FVG mit einem obligatorischen Aktanten im

    Nominativ. Dabei unterscheiden wir drei Typen:

    a) FVG, welche die passivische Bedeutung aufweisen und ein von diesen Verben

    beinhalten (bedürfen, bekommen, erfahren, erhalten, finden, gelangen, genießen,

    geraten, kommen, kriegen, stehen), bedürfen eines Aktanten im Nominativ:

    xn + FVG

    Der Geschäftsführer genießt Anerkennung.

    xn + FVG

    Die Sache bedarf einer Erklärung.

    b) FVG, die ein intransitives Verb beinhalten:

    xn + FVG

    Die Abteilungsleiter sind in eine Diskussion eingetreten.

    xn + FVG

    Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind zum Einsatz gelan