Bpkmu 02 07 Management1
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Mentoring in KMU
Ein konkreter Ansatz zumKompetenztransfer
Klassisch könnte der Begriff „Mentoring“ wohl bestimmt werden als
Weitergeben von Fakten von einem Menschen, der über bestimmte
Firmenprozesse Bescheid weiss, zu einem, der diese Prozesse noch
nicht in dem Umfang beherrscht.
Autor: Franz Stowasser
Der alte Begriff des Mentors ist noch anden Göttern orientiert. In der griechischen
Mythologie begleitet die Göttin der Weisheit,
Athene, den jungen Telemachos als Mentor
und gibt ihm gute Ratschläge. Das klingt
allerdings nach einer Einbahnstrasse und
zeigt auch schon den Grund, weshalb in der
Vergangenheit neben Coaching-, Lehr-, und
Weiterbildungsprozessen auch Mentoren
gescheitert sind.
„Eintrichtern“ ist nicht der WegKompetenztransfer kann sich niemals in
einer Einbahnstrasse bewegen. Kein „Nürn-
berger Trichter“ kann dafür sorgen, dass zum
Beispiel jüngere Nachfolger in einem Unter-
nehmen das Wissen eines älteren Mitarbeiters
eins zu eins übernehmen. Wir kennen dieses
Problem aus der Familie. Denken Sie nur da-
ran, wie kompliziert es manchmal sein kann,
wenn Sie innerhalb der Familie eine Lebens-
weisheit weiter geben wollten, mit wie viel
Widerstand da zu rechnen war. Unter Men-
toring muss deshalb heute mehr verstanden
werden als nur die Förderung besonders
begabter Mitarbeiter. Im heutigen Milieu
internationaler Märkte und multinationaler
Projektteams werden Lehrveranstaltungen
mit Zeigefinger im Sinne von „So müssen
Sie das richtig machen …“ an der Form
scheitern, auch wenn hervorragende Inhalte
vermittelt werden. Die Lernerwartung der
Mitarbeiter hat sich geändert. Vor allem
nachdem Coaching-Prozesse nun auch von
Personalabteilungen vieler Firmen als Mittel
zur Organisationsentwicklung eingesetzt
werden, wird Lernen heute viel mehr mit
Selbstaktualisierung verknüpft.
Was können wir also unter Mentoring ver-
stehen? Ich empfehle, den Begriff als eine
Beschreibung der Zusammenarbeit zwischen
zwei Mentoren zu benutzen. Die eine Person
weiss über eine komplexe Vielzahl betrieb-
licher Abläufe, integrierte Netzwerke, Macht-
strukturen und Personalitäten Bescheid, die
andere Person will dies durchaus lernen und
bietet dafür Elan, Einsatz von Lebenszeit,
Idealismus, Eifer und Zukunftsvisionen. Wir
können uns in der heutigen Zeit wohl kaum
erlauben, auch nur auf einen dieser Punkte
zu verzichten.
Auch alte Hasen können lernenLassen Sie uns also „Mentoring“ als das Zu-
sammenspiel von zwei Mentoren begreifen,
die voneinander lernen. Im Fall eines Firmen-
chefs, der nach Erreichung seines Pensions-
alters den Chefsessel an eine jüngere Nach-
folgerin übergeben will, wird deutlich, dass
nicht nur die junge Führungskraft etwas zu
lernen hat, sondern auch der „alte Hase“ –
nämlich, wie er seine Kenntnisse zum Wohl
des Betriebes effizient weitergeben kann.
Jeder Widerstand, jede Unaufmerksamkeit,
jede Abwehrreaktion verzögert den Prozess,
und zwar auf beiden Seiten. Ungeprüfte
Erwartungen wirken hier ebenso als Bremse
wie Ängste vor Gesichtsverlust, die wichtiges
Nachfragen unmöglich machen.
10 Blickpunkt:KMU 2/2007
MANAGEMENT
Die Weitergabe von Know-how kann gebremst
werden durch:
• Widerstand
• Unaufmerksamkeit
• Übereifer
• Ängste Fragen zu stellen
• Abwehrreaktionen
• Ungeprüfte Erwartungen
• Zeitdruck, Stress
• Ungenügende Delegation
• Ungeeignete „Verpackung der Daten“ (zu
grosse, zu kleine Know-how-Häppchen)
Um einen Punkt herauszugreifen – am Beispiel
älterer Mitarbeiter, die ja eine Quelle von
Können und Fähigkeiten sein können, lässt
sich die Wirkung von ungeprüften Erwartun-
gen gut aufzeigen: „Die grosse Mehrheit der
Arbeitgeber nimmt die Motivationsprobleme
ihrer älteren Belegschaften als unvermeid-
liches Symptom verbrauchter Ressourcen
hin. Sie lässt sich damit eine interessante
und zunehmend kostbare Ressource entge-
hen.“ Dabei wird „der verbleibende Zeitraum
zur Steigerung der Produktivität älterer Be-
völkerungsschichten für den EU-Wirtschafts-
raum in einer neuen Ecofin-Studie (2006) der
EU-Finanzminister als sehr knapp bemessen.
Nach dieser Studie wird eine Steigerung der
Erwerbsaktivität in späteren Lebensphasen
Voraussetzung für das künftige Wachstum
im EURaum sein und sich das Zeitfenster
für die dazu notwendigen Strukturreformen
bereits 2011 schliessen.“
Zitat aus: PERSONALFÜHRUNG 7/2006 SPECIAL
http://www.respect.net/2006/pics/Koper.pdf
Know-how nicht verschwendenKMU wissen, dass Know-how zu einer wich-
tigen Ressource zählt. Auch deshalb scheint
es wichtig, immer neue Möglichkeiten und
konkret anwendbare Methoden wie das Men-
toring zum Transfer betrieblicher Fähigkeiten
und Ressourcen zu finden. Dies sind sensi-
ble Prozesse, die beiderseitiges Verständnis
voraussetzen. Befehlsgewalt und Strafan-
drohung haben in anderen gesellschaftlichen
Bereichen ihre Berechtigung, hier wirken sie
nicht besonders produktiv.
Blickpunkt:KMU 2/2007 11
MANAGEMENT
Blickpunkt:KMU 2/2007 13
MANAGEMENT
Mentoring schliesst die Lücke zwischen Füh-
rung und Coaching. Es hat sich herausgestellt,
dass die Führungskraft kein Coach sein kann,
die Anforderungen sind zu entgegengesetzt.
Coaching setzt absolutes Vertrauen voraus,
verlangt eine Entwicklungsperspektive und
gerade nicht die schnelle Anpassung, sondern
das Finden und Austesten persönlicher Ziele
in Kommunikation mit den Firmenzielen.
Dies ist ein sensibler Prozess. Wird er vorzeitig
durch zweckrationales Vorgehen nach dem
Motto „genug gecoacht, jetzt sein Sie mal
nicht so zimperlich …“ beendet, so droht
Vertrauensverlust und die Basis einer guten
Zusammenarbeit ist gefährdet.
Klare ZielsetzungenMentoring hingegen kann ein Mittel werden,
Anpassung zu ermöglichen, ohne sie zu
erzwingen. Gerade dann, wenn eine Person
nicht weiss, wie sie sich an die gegebenen
Kontexte anpassen soll, um mit ihnen zu
arbeiten, wird Mentoring erfolgreich sein.
Ich gehe hier von der These aus, dass die
Mitarbeiter erfolgreich sein wollen, dass sie
einen Beitrag zum Unternehmenserfolg leis-
ten wollen und manchmal konkrete Hinweise
brauchen, wie das am Besten zu tun ist. Dies
hat natürlich ernste Konsequenzen für die
Delegationspraxis der Chefs. Delegationsge-
baren à la „nun machen Sie mal, ich melde
mich schon, wenn’s nicht stimmt!“ sind mit
Mentoring-Prozessen unvereinbar. Klare Ziel-
setzungen und deutliche Vereinbarungen
werden gebraucht.
Ziele des Mentoring:• Fachwissen und Fähigkeiten sollen schnell
und aktuell weitergegeben werden.
• Direktes Umsetzen neuer Erkenntnisse
am Arbeitsplatz, wie bei „training on the
job“ Konzepten. Möglichkeiten zur Rück-
meldung und Besprechung der neuen
Erfahrungen.
• Entstehung eines Kompetenz-Zirkels
in der Arbeit.
• Bekannt machen und Weiterentwickeln
von Netzwerken
• Gegenseitige Anerkennung im Wirken
für das Unternehmen.
• Gegenseitiges Ausbilden über den momen-
tanen Erwartungshorizont hinaus.
Jeder dieser Zielpunkte kann durch Mento-
ring erreicht werden. Vor allem dann, wenn
dabei beachtet wird, dass nicht nur Person
M e n t o r i n g i n S e r i e
Der vorliegende Beitrag ist der Auftakt zu einer Artikelreihe überdas Mentoring-Prinzip. Aller Anfang ist schwer? Im Blickpunkt:KMU3/2007 wird Franz Stowasser unter anderem darüber schreiben,wie eine Mentoring-Beziehung aufgebaut wird und wie die Zielerrei-chung kontrolliert werden kann.
und Sache aufmerksam beachtet werden,
sondern auch Absichten und Intentionen ge-
würdigt werden. Häufig wird im betrieblichen
Umfeld vor allem das Verhalten beobachtet
und bewertet. Nach Absichten wird selten
gefragt, Intentionen werden vorausgesetzt.
Sie kennen den Fall, jemand verhält sich
kritikwürdig, vielleicht sogar unakzeptabel.
Bei näherer Betrachtung erfahren Sie aller-
dings, dass die Absicht hinter dem Verhalten
durchaus positiv war.
Ein kleines Beispiel soll den Sachverhalt ver-
deutlichen: Stellen Sie sich vor, sie sind mit
dem Auto unterwegs und suchen gerade
einen Parkplatz. Auf der Strasse wurde sogar
die zweite Reihe zu geparkt, Sie wollten nur
schnell in die Apotheke, finden aber keinen
Platz, wo Sie Ihren Wagen auch nur für drei
Minuten abstellen können. Da entdecken Sie
eine Parklücke, etwas versteckt hinter einem
Lieferwagen, Sie freuen sich, setzen den Blin-
ker, steuern auf die Parklücke zu und – mit
quietschenden Reifen setzt ein anderer sein
Fahrzeug vor Ihnen in den freien Platz. Was
denken Sie über dessen Verhalten? Was den-
ken Sie, nachdem Sie, als er ebenso rasend
wieder weggefahren war, vom Apotheker
erfahren, dass es ein Arzt war, der ein lebens-
rettendes Medikament geholt hatte, um es
zu einem Unfallort zu bringen? Sie sehen,
die Absicht, die Intention, aus der heraus
jemand etwas tut, macht einen Unterschied.
Im Mentoring kann das ganz entscheidend
werden. Mehr dazu erfahren Sie in der nächs-
ten Ausgabe Blickpunkt:KMU. ø
Z u m A u t o r
Franz Stowasser(E-Mail: [email protected])Dipl.Soziologe, Betriebswirt, Ind. Kfm., arbeitet seit über 20 Jahren in der Industrieund eigener Praxis als Coach und Mentor.Als Autor mehrerer Fachbücher hat ersich intensiv mit dem Modellieren vonKnow-how-Transfer beschäftigt.
„Häufig wird im betrieblichen
Umfeld vor allemdas Verhalten
beobachtet undbewertet.“