Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

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Wandel verstehen. Rechte schützen. Zukunft gestalten. www.freiheit.org Friedrich Naumann STIFTUNG FÜR DIE FREIHEIT

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Seit einem halben Jahrhundert arbeitet die Stiftung im Ausland mit einem breiten Spektrum an Partnern - Parteien, Think tanks und Institutionen -, die genau wie wir ein Ziel verfolgen: Die Entwicklung einer freien Bürgergesellschaft, in der alle Menschen Chancen auf Eigentum, auf Bildung, auf ein selbst bestimmtes Leben in einer rechtstaatlichen Demokratie haben.

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Wandel verstehen.Rechte schützen.Zukunft gestalten.

www.freiheit.org

Friedrich NaumannS T I F T U N G FÜR DIE FREIHEIT

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1963 bis 2013Jubiläumsschrift

Herausgegeben vom Bereich Internationale Politik der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

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Gemeinsames Vorwort

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB, Vorsitzender des VorstandesProf. Dr. Jürgen Morlok, Vorsitzender des Kuratoriums

Geleitworte

Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen

Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Wie alles begann.

Entstehung und Aufbau der internationalen ArbeitInterview mit Dr. Barthold C. Witte

Pionierprojekte der Aufbauphase

Regionale Schwerpunkte und Projektentwicklungen

Südliche Mittelmeerländer (Naher und Mittlerer Osten)

Subsahara-Afrika

Lateinamerika

Südost- und Ostasien

Südasien

Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien

Europäische Institutionen und Nordamerika

Herausragende Regionalprojekte

Internationale Projekte

Nord-Süd-Dialogprogramm am Sitz der Vereinten Nationen, New York

Internationale Akademie für Führungskräfte (IAF)

Internationale Konferenzen

Internationale Programme

Internationale Kooperation und Vernetzung

Die bedeutende Rolle der Kooperationspartner

Intensive Vernetzung mit nationalen, regionalen und globalen Akteuren

Weltweite Bilanz und künftige Herausforderungen

Bilanz eines halben Jahrhunderts internationaler Arbeit Autor: Dr. h.c. Rolf Berndt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied

Neue Herausforderungen und strategische Ziele für die Auslandsarbeit Autor: Ulrich Niemann, Bereichsleiter Internationale Politik

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„Dem Prinzip ‚Freiheit in Menschenwürde‘ in allen Bereichen der Gesellschaft Geltung zu verschaf-fen“, diesem Auftrag aus ihren politischen Grundsätzen widmet sich die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) seit 50 Jahren weltweit. Die Initiative dazu, Demokratie, Rechts-staatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung im Ausland nicht nur durch staatliche Träger, sondernauch durch Organisationen der Zivilgesellschaft wie die politischen Stiftungen zu fördern, kam vomdamaligen Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Walter Scheel. Die Einladung andie politischen Stiftungen zeigt nicht nur durch die Förderung von Pluralismus und bürgerschaft-lichem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit ein klar liberales Politikverständnis. Siestellt zugleich den Startpunkt der Erfolgsgeschichte dar, als die die Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der anderen politischen Stiftungen anerkannt ist.

Die Stiftungsbüros sind in den Ländern, wo sie aktiv sind, tief in der Gesellschaft und im politi-schen Leben verankert. Sie stehen im engen, häufig jahrzehntelangen Austausch mit politischenParteien, Thinktanks, Nichtregierungsorganisationen, Bildungseinrichtungen und anderen Organi-sationen, Gruppen und Individuen. Gerade für oppositionelle Kräfte, kritische Journalisten und Men-schenrechtsverteidiger sind sie durch ihre klare politische Zuordnung und ihre Unabhängigkeit vonwechselnden Mehrheiten in Deutschland ein glaubwürdiger und verlässlicher Partner.

Am 1. Juli 1963 wurde die Auslandsabteilung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit ge-gründet und bereits Anfang des folgenden Jahres in Tunesien ein Zentrum für Erwachsenenbildungals erstes Auslandsprojekt der Stiftung aus der Taufe gehoben. Bis Ende der 1960er-Jahre hatte dieStiftung ihre Präsenz auch auf Lateinamerika, Subsahara-Afrika und Asien ausgeweitet. Pioniergeistund Improvisation prägten die ersten Jahre der weltweiten Arbeit und tun dies, gerade in Transiti-ons- und politisch autoritären Ländern, teilweise bis heute. Die langjährige Erfahrung in der Förde-rung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, dem Schutz von Freiheit und Menschenrechten sowieder Förderung von Marktwirtschaft und Entwicklung machte sich nach dem Zusammenbruch desSozialismus in unserer östlichen Nachbarschaft bezahlt: Auch hier konnte die Stiftung sehr erfolg-reich liberale politische und gesellschaftliche Prinzipien vermitteln und somit zur Einheit Europasbeitragen.

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Dr. Wolfgang Gerhardt MdBVorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Prof. Dr. Jürgen MorlokVorsitzender des Kuratoriums der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Dr. Wolfgang Gerhardt MdB

Heute ist die Stiftung weltweit wirksam und vernetzt. Mit Projekten in rund 70 Ländern setzt siesich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Menschenrechte auf der Basis libe-raler Überzeugungen ein. Das Spektrum ihrer Tätigkeit umfasst neben der klassischen Zusammen-arbeit mit liberalen Parteien auch die Unterstützung von Menschenrechtsgruppen, die Ausbildungvon Journalisten oder die Durchführung von Klimaschutzprojekten. Die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter der Stiftung sind Vermittler zu Politik und Gesellschaft unserer Partnerländer, gefragte Ex-perten und hoch motivierte Botschafter für die Freiheit. Ihnen gilt unser Dank und unsere Anerkennung.

Gegenwart und Zukunft bieten große Herausforderungen, die wir als Chancen verstehen. Wir denkenhier zum Beispiel an die gegenwärtige Krise der Europäischen Union, die zugleich eine Chance ist,sie nachhaltig zu stärken. Die aufstrebenden Schwellenländer gilt es für eine freiheitliche Gesell-schaftsordnung und verantwortliches globales Handeln zu gewinnen. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird sich diesen Aufgaben auch in Zukunft stellen und für liberale Lösungenwerben.

Wir freuen uns, dass mit dieser Publikation 50 Jahre Arbeit für eine Welt in Freiheit gewürdigt wer-den. Wir danken allen ehemaligen und aktiven Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die geleistetenBeiträge. Unser besonderer Dank gilt den beiden verantwortlichen Redakteuren Uwe Johannen undDr. Jürgen Wickert sowie dem Archiv des Liberalismus. Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen undLeser, eine interessante Lektüre.

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Prof. Dr. Jürgen Morlok

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Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit arbeitet seit 50 Jahren im Ausland erfolgreich fürfreiheitliche Werte und den Geist der Aufklärung. Dieses schöne Jubiläum ist wahrhaft ein Grundzur Freude und ein guter Anlass, die besondere Bedeutung der politischen Stiftungen für Deutsch-land hervorzuheben.

Durch ihre Arbeit mit der Zivilgesellschaft verfügen die Stiftungen über ein tiefes Verständnis fürdie Situation in unseren Partnerländern. Mit ihrer Arbeit schlagen sie Brücken jenseits des offiziellenRegierungshandelns und stellen Deutschland in seiner ganzen Pluralität und Offenheit dar. WirDeutsche können uns glücklich schätzen, mit unseren Stiftungen über ein besonderes Instrumentder Außenbeziehungen zu verfügen.

Als Außenminister sehe ich, was in den Auslandsbüros der Stiftungen tagtäglich geleistet wird. DieStiftungen genießen nicht nur bei uns, sondern auch im Ausland ein überaus hohes Ansehen. Spe-ziell der Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Transformationsstaaten wird auch vonvielen meiner Amtskollegen geachtet, anerkannt und gelobt.

Wir erleben nicht nur eine Globalisierung der Wirtschaft, sondern auch eine Globalisierung derWerte. Der Irrglaube, dass es Regionen oder Kulturen gäbe, wo Menschen keine Teilhabe, keine De-mokratie und keine Freiheit ersehnen, ist widerlegt. Das ist eine große Herausforderung und gleich-zeitig eine große Chance für die Auslandsarbeit der Stiftung, auch in den kommenden Jahrzehnten.

Zur Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit habe ich eine ganz persönliche Bindung: Ich binAlt-Stipendiat der FNF und mir der Tatsache sehr bewusst, dass die Stiftung zur Schärfung meinespolitischen Bewusstseins entscheidend beigetragen hat. Mich freut sehr, dass die Stiftung weltweitjunge Menschen mit den Werten des Liberalismus in Berührung bringt. Die FNF verfügt mit ihremEinsatz für Demokratie, für die Freiheit des Einzelnen und für den Schutz der Menschenrechte übereinen klaren Wertekompass. Dies hat die Stiftung in den ersten 50 Jahren ihrer Auslandsarbeit invielen Ländern immer wieder eindrucksvoll bewiesen, auch unter wechselnden und zum Teil schwie-rigen Rahmenbedingungen. Die heutige weltweite Arbeit der FNF unter der Führung von WolfgangGerhardt steht in bester Tradition.

Ich gratuliere allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Frei-heit und möchte sie ermutigen, ihren mutigen Weg entschlossen fortzusetzen.

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Dr. Guido WesterwelleBundesminister des Auswärtigen

Dr. Guido Westerwelle

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50 Jahre Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sind ein Grund zum Feiern.Durch ihr weltweites Engagement für Demokratie und starke Zivilgesellschaften, für Rechtsstaat-lichkeit und den Schutz der Menschenrechte, für die soziale Marktwirtschaft und somit für wirt-schaftliche Entwicklungschancen leistet die FNF gemeinsam mit den anderen politischen Stiftungeneinen wichtigen Beitrag zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Wie in vielen anderen Fragengilt auch hier: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Es sind nicht nur die jahrzehntelange,vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Partnern aus der Zivilgesellschaft der Gastländer und diegroße politische Kompetenz der Stiftungen, sondern der gelebte Pluralismus, der die sechs politi-schen Stiftungen als Aushängeschild unserer Demokratie und als Instrument deutscher Entwick-lungszusammenarbeit so wichtig macht. Genau aus diesem Grund hat die Bundesregierung dieZusammenarbeit mit den politischen Stiftungen und anderen zivilgesellschaftlichen Trägern in dieserLegislaturperiode deutlich gestärkt. Besonders wichtig ist dies, um den demokratischen Aufbruchin den Ländern der arabischen Welt, aber beispielsweise auch in Myanmar, weiter zu unterstützen.

Ich bin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sehr dankbar für die gute und vertrauens-volle Zusammenarbeit, die sie seit 50 Jahren mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung verbindet. Als zuständiger Bundesminister, aber auch schon zuvor,habe ich enge Kontakte mit der Auslandsarbeit der FNF gepflegt. In vielen persönlichen Kontaktenund Gesprächen – ob in Berlin, Potsdam oder auf Auslandsreisen – habe ich von der Erfahrung undvon der Expertise ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren können. Den Input der Stif-tungen zu verschiedenen Aspekten unserer Entwicklungs- und Außenpolitik habe ich immer alssehr konstruktiv, manchmal kritisch, in jedem Fall aber belebend und innovativ erlebt. Mit der Fried-rich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und ihrer Auslandsarbeit verbinde ich aber nicht nur großeGesprächsbereitschaft und innovative Ideen, sondern auch Flexibilität und die Bereitschaft, neueWege für mehr Freiheit, Demokratie und Entwicklungschancen zu beschreiten und sich aktuellenHerausforderungen zu stellen.

Dirk NiebelBundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Dirk Niebel

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Der Bereich Internationale Politik der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit engagiertsich mit seinen sieben Regional- und 47 Projektbüros für die Entwicklung des internationalen politischen Dialogs und die Verbreitung liberaler Politikansätze in 70 Ländern der Erde.

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RB Europäische Institutionenund NordamerikaBrüssel

RB LateinamerikaMexico Stadt

Weltweit aktiv.Für eine Weltin Freiheit.

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RB Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und ZentralasienSofia

RB Südost- und OstasienBangkok

RB SüdasienNeu Delhi

RB MittelmeerländerKairo

RB AfrikaJohannisburg

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Wie alles begann.Wie entstand das internationale Engagement der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit?Walter Scheel forderte die politischen Stiftungen als Bundesminister für wirtschaftliche Zusam-menarbeit 1962 auf, mit öffentlichen Zuwendungen eigene Projekte in der Dritten Welt aufzubauen.

Welche Ziele verfolgte er mit der Einbeziehung der politischen Stiftungen in die Entwicklungsarbeit?Walter Scheel war einer der Ersten, der erkannt hatte, dass die Entwicklungsarbeit nur erfolgreichsein würde, wenn die politischen Strukturen der Entwicklungsländer in Ordnung sind und sie einMindestmaß an Demokratie und Schutz der Menschenrechte garantieren. In der damaligen Zeitgalt diese Erkenntnis keineswegs als mehrheitsfähig. Ich entsinne mich gut, dass z. B. der interna-tional anerkannte Politologe Richard Löwenthal von den Entwicklungsdiktaturen sprach, die überallnotwendig seien. Walter Scheel war hingegen ein früher Pionier der Demokratiebewegung, derzudem das Potenzial und die Chancen der politischen Stiftungen als nicht staatliche Akteure derEntwicklungspolitik erkannte. Wenn wir heute die Früchte des jahrzehntelangen weltweiten Ein-satzes der Stiftungen ernten, dann verdanken wir dies nicht zuletzt ihm.

Wie stand es seinerzeit mit der Idee einer liberalen Marktwirtschaft für Entwicklungsländer?In diesen Pionierjahren war die absolut vorherrschende Meinung, nur Sozialismus könne die Ent-wicklungsländer retten. Ich habe 1968 auf einer Bonner Tagung der Aktionsgemeinschaft SozialeMarktwirtschaft in dieser ordnungspolitischen Frage dagegengesetzt, dass Marktwirtschaft das bes-sere Rezept sei – wohlbemerkt eine Marktwirtschaft nicht des entfesselten Kapitalismus, wie wires heute in bestimmten Bereichen leider haben, sondern eine Marktwirtschaft, die durch einen re-gelsetzenden Staat begrenzt wird. Das war damals die Stimme eines Predigers in der Wüste. Heuteist es umgekehrt: Es gilt als Common Sense, dass nur über die Schaffung marktwirtschaftlicherStrukturen der Aufstieg der Entwicklungsländer gelingen kann. Es gibt zwar nach wie vor einigeUnverbesserliche, die glauben, der Staat könne das alles viel besser. Aber ich denke, wir haben mitunseren Partnern weltweit zeigen können, welcher Weg in der Realität erfolgreicher ist.

Sie waren der Architekt der Aufbaujahre des internationalen Engagements der Stiftung. Wie kam es dazu? Diese Rolle fiel mir zu, weil ich im Vorstand der FNF der Einzige war, der einige internationale Er-fahrungen mitbrachte. Ich war Präsident des Weltbundes Liberaler Jugend gewesen und hatte über

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Entstehung und Aufbau der internationalen Arbeit

Dr. Barthold C. WitteGeschäftsführer (1964–1970) undlangjähriges Vorstandsmitglied der Friedrich-Naumann-Stiftung, ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift „liberal“

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1. Regionales Gewerkschaftsseminar für das frankofone Afrika in Kooperation mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Lomé, Togo, 19652. Eröffnung des Seminars „Die Reform der Staatstrukturen und die nationale Entwicklung“ durch den ehemaligen Staatspräsidenten von Costa Rica, José Figueres,

(Mitte) und Prof. Diego Uribe Vargas, Abgeordneter der Liberalen Partei, Bogotá 19663. Besuchsprogramm für Wirtschaftsführer nationaler Verbände und Hochschulen aus sechs Ländern Lateinamerikas in der Bundesrepublik, 1966 4. 3. Dialog-Konferenz mit der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS), Peking, 1985

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die World Assembly of Youth zahlreiche Kontakte im Jugendbereich. Als Vorstandsmitglied der deut-schen Gruppe der Liberalen Weltunion (heute Liberale Internationale) kannte ich dieses Parteien-bündnis gut. Auch hatte ich erste Ost-Kontakte entwickelt, so über die Deutschen Jungdemokratenmit den sowjetischen Jugendverbänden. Mitte 1963 übernahm ich die Leitung der neu geschaffenenAuslandsabteilung und 1965 die Geschäftsführung der Stiftung.

Mit welchen Kernproblemen war die Stiftung in der Aufbauphase der internationalen Arbeit konfrontiert? Die Auslandsarbeit hatte einen schwierigen Start, weil es in den Entwicklungsländern an Kontaktenund Erfahrungen mangelte. Da war es sehr hilfreich, dass Walter Scheel die Vorstellung entwickelte,man müsse über internationale Organisationen als jeweiliges Dach in die Entwicklungsländer gehen,um dort national tätig zu werden. Wir hatten zwar die Liberale Weltunion, jedoch weitgehend be-grenzt auf Europa. Da es in Entwicklungsländern kaum liberale Parteien gab – nicht bloß demNamen nach, sondern in der politischen Realität –, mit Ausnahme weniger Länder Lateinamerikasund Asiens, war der Weg über Schwesterparteien oder Parteienbündnisse nicht möglich, der öffnetesich erst sehr viel später durch die Stiftungsarbeit selbst. Daher war es unsere allererste Aufgabe,internationale Organisationen zu finden, die bereit waren, mit der Friedrich-Naumann-Stiftung zu-sammen den Aufbau demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen in der Dritten Welt an-zugehen.

Die Strategie hieß also zunächst, im vorpolitischen Raum mit geeigneten Partnern zu arbeiten. Sol-che Partner der Aufbaujahre waren Jugendverbände über die World Assembly of Youth, die DeutscheAngestellten-Gewerkschaft DAG mit ihren internationalen Verflechtungen, wirtschaftsnahe Verei-nigungen, die uns im Wesentlichen über die Montpelerin Society vermittelt wurden, und Genos-senschaftsverbände. Wir haben am Anfang große Schwierigkeiten gehabt, qualifiziertes Personalzu finden. Die alten Kolonialmächte England, Frankreich, Holland etc. hatten reiche Entwicklungs-länder-Erfahrungen. Bei uns war das Reservoir an Fachkräften mit soliden Länder- und Sprachkom-petenzen sowie beruflicher Praxis in Afrika, Asien und Lateinamerika äußerst begrenzt.

Wie entstanden die ersten Pionierprojekte der 60er-Jahre?Die Anbahnung erfolgte auf zwei Wegen: entweder über uns bekannte Kontaktpersonen in der Bun-desrepublik mit Verbindungen in bestimmte Entwicklungsländer, oder über die Vermittlung vonKontakten unserer internationalen Kooperationspartner zu potenziellen Projektträgern in den Ein-satzländern. Das erste Auslandsprojekt der Stiftung war das Institut Ali Bach Hamba in Tunesien,dessen Kern die Aus- und Fortbildung von Journalisten, Dokumentaren und gesellschaftlichen Füh-rungskräften war, gewissermaßen ein Mehrzweck-Institut. Der erste Kontakt nach Tunesien erfolgtedurch Gespräche zwischen mir und dem damaligen tunesischen Wahl-Generalkonsul, Paul Conrad.Er hatte bis zum Staatspräsidenten Bourguiba hin hervorragende Partner. Ich habe dann in Tunisdie Verhandlungen mit der Regierung geführt und den Projektvertrag Anfang 1964 unterzeichnet.

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Internationales Kolloquium „Freiheit undMenschenwürde in den Entwicklungs-strategien“ mit über 100 führendenPolitikern aus allen Teilen der Welt imReichstag in Westberlin, 1980, unter derSchirmherrschaft von Altbundespräsident Walter Scheel, damals Vorsitzender des Kuratoriums der FNF

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Wie entstanden die zeitlich folgenden Projekte in Lateinamerika? Als Mitglied der Montpelerin Society, eines internationalen Thinktanks liberaler Ökonomen und In-tellektueller, habe ich einige andere Mitglieder in den USA kontaktiert, die in Lateinamerika einNetz von Institutionen zur Propagierung der Marktwirtschaft aufgebaut hatten. Die Stiftungspro-jekte mit wirtschaftlichen Führungskräften, die daraus entstanden, waren im Ergebnis unterschied-lich. Es gab Erfolge, z. B. in Peru, weil dort einige jüngere, selbstständige Unternehmer sich auchihrer sozialen Verantwortung bewusst waren. Aber auch Misserfolge, z. B. in Guatemala, wo derdortige Stiftungspartner sich ungebremst dem Militärmachthaber in die Arme warf, sodass wir dieKooperation einstellten.

Wie gelang der Einstieg der ersten Projekte in Asien?Es gab einen Partner in Indien – Minoo Masani –, den Gründer und Generalsekretär der liberalenSwatantra-Partei, persönliches Mitglied der Liberalen Weltunion. Die Kooperation mit ihm und sei-nen Freunden mündete in ein dauerhaftes Projekt der gesellschaftspolitischen Bildung von Füh-rungskräften mit dem Leslie Sawhny Programme in Bombay. Bereits Ende 1965 organisierten wirzudem eine „School for Freedom“ in New Delhi, das erste Schulungsseminar für liberale Nach-wuchskräfte in Asien. Diese Veranstaltung war Teil des ersten gemeinsamen Projektes der Stiftungmit der Liberalen Weltunion zur Förderung junger Liberaler.

Die School for Freedom war ursprünglich von Massimo Salvadori, dem ideologischen Kopf der Li-beralen Weltunion aus den 40er-Jahren, gegründet worden. Sie wurde mit Beginn unserer interna-tionalen Tätigkeit in die Mitträgerschaft und Mitfinanzierung der Stiftung übernommen und überviele Jahre gemeinsam von Prof. Hans Reif für die Stiftung und Richard Moore, dem damaligen Ge-neralsekretär der Liberalen Weltunion, geleitet. Die School for Freedom war als Sommerkurs fürjunge Liberale eine der allerersten internationalen Aktivitäten der FNF, zunächst auf europäischerEbene, aber dann auch zunehmend mit Teilnehmern aus Entwicklungsländern. Sie wieder auflebenzu lassen, z. B. im Rahmen der Internationalen Akademie für Führungskräfte der FNF in Gummers-bach, wäre verdienstvoll. Über die DAG und den Dachverband der Angestellten-GewerkschaftenAsiens APRO-FIET erfolgte die Anbahnung von Kontakten in Indonesien. Nach dem Erfolg des Mehr-zweck-Instituts Ali Bach Hamba in Tunis hatten wir uns entschlossen, den Versuch zu unternehmen,in Indonesien ein entsprechendes Institut aufzubauen. So entstanden die Projekte Industrie- undHandelskammer Bandung sowie das Bildungsinstitut für wirtschaftliche und soziale Forschung, Er-ziehung und Information in Jakarta. Die Gewerkschaftskomponente unserer Arbeit hat nicht langegehalten, die Widerstände aus dem sozialistischen Bereich waren stark und sehr erfolgreich.

Und wie entstanden die Pionierprojekte in Afrika?Das war ein sehr schwieriges Unterfangen. Wir haben im Jugendbereich zusammen mit dem Gene-ralsekretär der World Assembly of Youth, David Wirmark, der aus der Liberalen Partei Schwedenskam, versucht, ein gesamtafrikanisches Institut zur Aus- und Fortbildung von Jugendleitern zu grün-

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Das erste Seminar für liberalen Führungs-nachwuchs in Asien (School for Freedom) in Kooperation mit der Indian Group of Liberal International, New Delhi, 1965

den. Das ist in Grenzen gelungen. Nach vielen Mühen und manchen Misserfolgen haben wir es ge-schafft, ein solches Institut in Ghana ins Leben zu rufen. Ironischerweise etabliert in den Gebäuden,die für eine Segelflugschule gebaut worden waren, deren Leiterin Hanna Reitsch gewesen war. Siehatte sich mit dem Diktator Ghanas, Kwame Nkrumah, eng befreundet, war damit untragbar fürdas folgende demokratische Regime und wurde ausgewiesen. In die leerstehenden Gebäude zogdie Friedrich-Naumann-Stiftung ein. Aber es stellte sich sehr bald heraus, dass der gesamtafrika-nische Ansatz nicht funktionierte. Denn auch in Afrika bildeten sich Nationalstaaten.

Wie war die Kooperation mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in der Aufbauphase?Sehr gut. Ich kann das wirklich nur mit Tönen des höchsten Lobes sagen. Die BMZ-Vertreter waren,da muss ich Winfried Böll als den entscheidenden Partner erwähnen, selbst Pioniere und nicht Ver-walter. Sie sahen ihre Rolle auch so, waren offen und haben auch Projekte gefördert, bei denen dasRisiko des Scheiterns von vornherein sichtbar war, sie zeigten also eine Risikobereitschaft, die fürBehörden nicht typisch ist. In dieser Pionierzeit der gesellschaftspolitischen Entwicklungsarbeitwaren die zeitlichen und inhaltlichen Abstände zwischen Projektantrag und Bewilligung ziemlichkurz. Es gab z. B. keine Feasibility-Studien wie heute, ehe ein Antrag gestellt werden konnte, sonderndas Ministerium wollte, dass die Mittel schnell und effizient eingesetzt, aber auch seriös adminis-triert wurden. Die gesellschaftspolitische Bildungsarbeit zielte wesentlich darauf ab, Gesamtstruk-turen innerhalb der jeweiligen nationalen Gesellschaft und günstige Rahmenbedingungen für einedemokratische Entwicklung zu schaffen.

Es wurde im Verlauf der ersten Vorhaben sehr rasch deutlich, dass es parallel dazu den Aufbau vonBasisprojekten geben müsste. Aus dieser Einsicht entstand im Dialog mit dem BMZ die sogenannteSozialstrukturhilfe als neuer Haushaltstitel. Wir haben ein erstes Projekt 1965 in einem Elendsviertelvon Valparaíso in Chile gestartet. Wir haben in diesen Pionierzeiten sehr eng mit dem BMZ verkehrtund waren bemüht, keine Betriebsgeheimnisse zu schaffen, sondern unsere Motive und Ergebnisseoffenzulegen, so gut es nur ging. Es gab daher ein Grundvertrauen zwischen den zuständigen Per-sonen im BMZ, vom Minister angefangen bis zu den Sachbearbeitern im zuständigen Referat ei-nerseits, den Verantwortlichen der Stiftung andererseits – ein Grundvertrauen, das beide Seitengebunden und sich über die Jahre bewährt hat.

Wie war die Kooperation der politischen Stiftungen mit dem Auswärtigen Amt?In den ersten Jahren der internationalen Arbeit der Stiftungen förderte das Auswärtige Amt (AA)kurzfristige Maßnahmen zum Nord-Süd-Dialog oder mit Fokus auf die Industrieländer. Erst späterwurden Mittel für dauerhafte Vorhaben im Ausland bereitgestellt, die aber auch nicht in Entwick-lungsländern stattfanden, sondern im „entwickelten Rest“ der Welt. Also West- und Ostprojekte,keine Südprojekte, um es plakativ zu sagen. Grundlage dieser Entscheidung im AA war nicht nurdie Rivalität zum BMZ, sondern die Erkenntnis, dass die Stiftungen eine sehr hilfreiche Rolle spielen

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Lateinamerikanisches Jugendleiterseminar zu den Chancen der wirtschaftlichen Integration in Mittelamerika, Bogotá, 1966

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könnten bei der Festigung der Integration der Bundesrepublik im Westen einerseits und im begin-nenden Dialog mit dem Osten andererseits. Das war natürlich eine hochpolitische Aufgabe, die unsda zuwuchs, die von vornherein sehr viel deutlicher politisch war, als das in BMZ-Projekten a priorisichtbar wurde. Eine ganze Reihe von Initiativen im außenpolitischen Kontext, die die Stiftung da-mals begonnen hat, vor allem im Ost-West-Dialog, wurde dann aus Mitteln des Auswärtigen Amtes(AA) finanziert. Sie wären sonst nicht möglich gewesen.

Wie war die Akzeptanz der Stiftungsprojekte durch die deutschen Botschaften?Sehr unterschiedlich. Es gab Botschafter und Diplomaten, die begriffen, dass die Arbeit der politi-schen Stiftungen für sie sehr hilfreich sein konnte. Es gab freilich auch Botschafter, vor allem derälteren Generation, die sich damit sehr schwertaten, weil sie es anders gewöhnt waren. Diplomatiefand eben traditionell so statt, dass man von Regierung zu Regierung miteinander verkehrte, alsoschon ein Gespräch mit der Opposition eigentlich nicht zulässig war, geschweige denn institutio-nalisierte Kooperationen mit oppositionellen Kräften. Die Stiftungen machten aber genau das invielen Ländern, indem sie Projekte nicht nur mit Regierungen, sondern auch mit oppositionellenKräften durchführten. Manche Stiftungsvertreter waren sich in der Berichterstattung der Konkur-renzsituation zur Botschaft sehr wohl bewusst. Sie waren in Einzelfällen aufgrund ihrer sehr engenKooperation mit Regierungs- oder Oppositionsspitzen besser unterrichtet über das, was im Innerstender politischen Systeme vor sich ging, als manche Botschaften es waren. Der Bundesregierung kamdas sehr zugute.

Wie war die Akzeptanz der ersten Stiftungsprojekte in den Partnerländern?Die Regierungen zeigten sich generell offen für die Tätigkeit der Stiftung und waren bereit, ent-sprechende Rahmenabkommen zu schließen. Die Projekte haben der Stiftung sowohl bei staatlichenStellen als auch den nicht staatlichen Partnern meist viel Anerkennung, Respekt und Ansehen ein-getragen. Aber auch die Resonanz bei den Zielgruppen unserer Projektarbeit war bemerkenswert.Stichwort Journalistenausbildung: Ich entsinne mich an eine Diskussion mit Kursteilnehmern inMarokko Ende der 60er-Jahre, wo ich vorsichtig darüber sprach, dass Journalisten eine große Ver-antwortung gegenüber der Gesamtgesellschaft hätten und daher genau abwägen müssten, wasverantwortbar sei und was nicht. Worauf die Kursteilnehmer ganz empört über meine Zurückhaltungmeinten, sie wollten doch endlich auch in Marokko die Presse- und Meinungsfreiheit herstellen.Das sei ihr Ziel. Also, das war für mich auch eine Lehre, dass in der Tat die Stiftungsarbeit in diesenvorpolitischen Bereichen unmittelbare politische Wirkungen hatte. Ich sage das auch deshalb, weilmit der späteren Wendung zum Vorrang der Förderung parteipolitischer Initiativen oft gesagt wor-den ist, dass diese Arbeit im vorpolitischen Raum eigentlich sinnlos gewesen sei. Nein, sie war sehrsinnvoll und hat vielfach bedeutende gesellschaftliche Effekte erzielt und Entwicklungen angestoßen.

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Welchen Stellenwert hatte die Auslandsarbeit aus Sicht des Vorstandes in den 1960er-Jahren?Es gab lebhafte Diskussionen im Vorstand darüber, welches Gewicht die internationale Arbeit habensollte, weil die Befürchtung groß war, dass schon wegen des Verhältnisses der verfügbaren Finanz-mittel die Stiftung fast nur noch Entwicklungsarbeit leisten würde und ihre inländischen Aufgabenin den Hintergrund treten würden. Diese Sorgen waren nicht unbegründet, aber wir haben bewusstgegengesteuert. Mein Vorgänger als Geschäftsführer, Werner Stephan, der dann im Vorstand saß,hat die Initiative ergriffen, eine Bildungsstätte im Inland zu errichten. Mit der Theodor-Heuss-Akademie wurde dann auch das Gegengewicht im Inland geschaffen.

Wie sehen Sie rückblickend die Bilanz der ersten zehn Aufbaujahre?Die Stiftung musste sich in der ersten Dekade schrittweise als kompetenter Akteur und Partner inzahlreichen Ländern etablieren, eigene Projekterfahrungen sammeln und ein Reservoir von Personenaufbauen, die die Praxis der internationalen Arbeit und speziell der Entwicklungsländer kannten.Heute können die politischen Stiftungen und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit(GIZ) jederzeit auf einen großen Pool von Erfahrungen und Experten zurückgreifen, das war damalsunmöglich. Es gab also keine Alternative zu dem Such- und Lernprozess der ersten Jahre. Und: Erwar erfolgreich.

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Die internationale Arbeit der politischen Stiftungen entstand 1962 durch das Angebot des Bun-desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit, im Rahmen des Haushaltstitels „Gesellschafts-politische Bildung“ eigene Projekte der Stiftungen in Entwicklungsländern zu finanzieren. Ziel derBundesregierung war es, durch die Förderung gesellschaftspolitischer Projekte der Stiftungen dieEntwicklung der politischen Rahmenbedingungen in den Einsatzländern günstig zu beeinflussen,d. h., den Aufbau von Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und pluralistischen Gesellschaftenin Kooperation mit nationalen Partnern zu unterstützen. Dabei sollten vorrangig politische Parteien,Gewerkschaften, Bauern-, Jugend- und Unternehmensverbände, Management in Unternehmen undöffentlicher Verwaltung sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen gefördert werden.

Beginn der internationalen ArbeitDie internationale Arbeit der FNF begann am 1. Juli 1963 mit dem Aufbau der Auslandsabteilung.Strategische Zielsetzungen ihrer Projektarbeit waren damals:

1. die Bildung und Stärkung verantwortlicher Führungsschichten in Afrika, Asien und Lateinamerika durch fachliche Qualifizierung und Vermittlung liberaler Grundwerte,

2. die Förderung der demokratischen Entwicklung und inneren Stabilität der Partnerländerauf der Grundlage freiheitlicher Ordnungsprinzipien.

Programmatisch erfolgte eine Konzentration auf die Aus- und Fortbildung von Führungs- und Nach-wuchskräften der Publizistik, Wirtschaft, Jugendverbände, Angestellten-Gewerkschaften und öf-fentlichen Verwaltung. Zu Beginn wurden zahlreiche kurzfristige Maßnahmen, d. h. Seminare,Konferenzen, Informations- und Studienreisen, eingesetzt, um langfristige Projekte unter Einbezie-hung von Stiftungsbüros und entsandten Projektleitern anzubahnen.

Das erste Auslandsprojekt in TunesienIm Frühjahr 1964 konnte das erste institutionelle Auslandsprojekt der FNF in Tunis seine Tätigkeitaufnehmen: das Bildungsinstitut Ali Bach Hamba, ein Zentrum zur Aus- und Fortbildung von Jour-nalisten, Dokumentaren und gesellschaftlichen Führungskräften, benannt nach einem tunesischenFreiheitskämpfer. Aus diesem erfolgreichen Projekt sind in fast fünf Jahrzehnten der Stiftungsprä-senz in Tunesien weitere Projekte mit insgesamt 16 Partnerorganisationen in den Bereichen Medien,Menschen- und Frauenrechte, Umwelt und Wirtschaft entstanden, darunter ein afrikanisches Fort-bildungszentrum für Journalisten. Nahezu die Hälfte dieser Partner entwickelte sich erst aus derArbeit der Stiftung heraus, darunter alle Organisationen im Medien- und Umweltbereich. Die Aktivi-

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Pionierprojekte der Aufbauphase

Das Medien-Ausbildungsinstitut Ali BachHamba – das erste Auslandsprojekt der FNF,Tunis, 1964

täten strahlten auch auf Zielgruppen im Maghreb und in frankofonen afrikanischen Ländern aus.Generationen von tunesischen Journalisten, insgesamt etwa 14.000 aus Hörfunk, Fernsehen, Zei-tungen und Zeitschriften, sind durch die Medien-Programme der Stiftungspartner gegangen, ferner3.500 ausländische Journalisten aus 50 afrikanischen und arabischen Ländern. Seit 1990 vermit-telten Konferenzen mit dem Wirtschaftsmagazin Economiste Maghrébin und dem Arabischen In-stitut der Unternehmensleiter IACE einer breiten Öffentlichkeit kritische Analysen zu wirtschafts-und finanzpolitischen Themen. Durch die jahrzehntelange enge Kooperation mit einem breiten Part-nerspektrum wurde ein enormes Vertrauenskapital aufgebaut.

Dies hat der Stiftung ermöglicht, nach dem Fall des Diktators Ben Ali im Zuge der Jasmin-Revolution2011 mit ihren Partnern sofort Reformschritte zum Aufbau einer demokratischen Gesellschaft ein-zuleiten. Zwei langjährige Partner der Stiftung haben Schlüsselpositionen im Transitionsprozessübernommen: Taïeb Baccouche als Bildungsminister und Sprecher der Übergangsregierung sowieMoncef Marzouki als gewählter Übergangspräsident. Verlauf und Entwicklung des Projektes Tunesienzeigen beispielhaft, dass ein sehr langfristiges Engagement in einem Land zur Institutionenbildungin verschiedenen Bereichen substanzielle Fortschritte bewirken kann und damit die Nachhaltigkeitder Projektarbeit sichert: Alle historischen Partner der Stiftung in Tunesien bestehen heute unab-hängig von unserer Förderung fort.

Der Start in LateinamerikaAuf das Projekt Tunesien folgten 1964 bis 1967 Projekte für wirtschaftliche Führungskräfte in Gua-temala, Peru, Chile und Brasilien. Partner waren vorrangig private Institute für Unternehmensfüh-rung und Managementschulung, Wirtschaftsverbände und Universitäten. Die Programme konzen-trierten sich auf die Vermittlung moderner betriebswirtschaftlicher Konzepte sowie wirtschafts-und ordnungspolitische Themen. Dabei wurden zahlreiche deutsche und internationale Expertenals kurzfristige Gastdozenten eingesetzt, u. a. die bekannten Ökonomen F. A. von Hayek, Nobelpreis-träger für Wirtschaftswissenschaften und Gründer des weltweiten liberalen Thinktanks MontpelerinSociety, und Gottfried Haberler, Harvard University.

Ab 1969 verlagerte sich der Schwerpunkt dieser Projekte zunehmend auf die Förderung von Ver-bandsorganisationen und Schulungszentren des Genossenschaftssektors. In Brasilien führte dieszum Aufbau von fünf genossenschaftlichen Dienstleistungszentralen in den wichtigsten Landesre-gionen und auf Bundesebene. Das brasilianische Genossenschaftswesen befand sich seinerzeit ineiner tiefen Strukturkrise. Die Partner konnten im Verlauf der 20-jährigen Kooperation mit der Stif-tung eine grundlegende Neuordnung der nationalen Verbandsstrukturen, die Revision des Genos-senschaftsgesetzes und eine wesentliche Stärkung und Dynamisierung ihres Wirtschaftssektorsbewirken. Die Multiplikatoreffekte waren beträchtlich, denn über die Konsolidierung der Genos-senschaften wurden 10 Prozent der Bevölkerung erreicht. Als Zeichen der Dankbarkeit für den in-tensiven Einsatz der FNF wurde die 1989 gemeinsam errichtete Akademie der Genossenschaften in

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Die brasilianische Genossenschafts-Akademie„Friedrich Naumann“ in Cascavel betreut jährlich 140.000 Fortbildungsteilnehmer

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Cascavel, Bundesstaat Paraná, nach Friedrich Naumann benannt. Sie verzeichnete 2012 (20 Jahrenach der Projektübergabe) mehr als 5.000 Fortbildungen mit 140.000 Teilnehmern.

Das Jahr des DurchbruchsAb 1968 gelang der Stiftung eine erhebliche Ausweitung ihrer internationalen Arbeit mit Neupro-jekten in Indonesien (Institut für gesellschaftliche Führungskräfte), Indien (Akademie für staats-bürgerliche Erziehung), Dahomey (Gewerkschaftsakademie), Ghana (Jugendleiter-Schulungs-zentrum), Zaire (Institut für öffentliche Verwaltung), Marokko (Journalistenausbildung an der Uni-versität Rabat) und Kolumbien (politische Erwachsenenbildung).

Der Auftakt in AsienDas erste institutionelle Projekt in Asien begann Ende 1968 in Indonesien mit dem Aufbau der In-dustrie- und Handelskammer in Bandung, West-Java. Im Juli 1970 gelang die Gründung einer Ge-sellschaft für Wirtschafts- und Sozialforschung unter Beteiligung der bisherigen Partner, mit demZiel, ein umfassendes Programm zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung und Mo-dernisierung Indonesiens aufzubauen. Die 40 Gründer gehörten der wissenschaftlichen und admi-nistrativen Elite des Landes an, darunter drei Bundesminister. Vorsitzender war HandelsministerSoemitro Djodjohadikusumo, sicher der fortschrittlichste und demokratischste Vertreter im Kabinettvon Staatspräsident Suharto. Das gemeinsam mit diesem Partner 1971 errichtete Institut für wirt-schaftliche und soziale Forschung, Erziehung und Information (LP3ES) hat sich in den folgendenJahrzehnten zu einer überaus erfolgreichen und hoch angesehenen Institution entwickelt. Das Pro-gramm umfasst bis heute Wirtschafts- und Sozialforschung, Aus- und Fortbildung von Studentenund gesellschaftlichen Führungskräften, eine wissenschaftliche Dokumentationsstelle, die Heraus-gabe der landesweit führenden Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialpolitik „Prisma“ mit 150.000Exemplaren monatlich, die Erstellung und Übersetzung von Lehrbüchern für Wirtschafts- und So-zialwissenschaften an Universitäten sowie den Aufbau privater Radiosender mit Hörerclubs. DasInstitut hat als Herausgeber wissenschaftlicher Arbeiten indonesischer Autoren hohen Rang undist als Dienstleistungszentrum für entwicklungspolitische Programme und sozioökonomische Studienbekannt. Auftraggeber sind vor allem internationale Organisationen und indonesische Ministerien.Ein besonderer Schwerpunkt war die Förderung der Kleinindustrie und Managementberatung vonKleinunternehmen über Handwerkervereinigungen. Der Partner ist seit Jahrzehnten wirtschaftlichselbstständig.

Die ersten Projekte in Subsahara-AfrikaDie Projektarbeit in Subsahara-Afrika begann 1964 mit einem Bildungsprogramm für Führungskräfteder Angestellten-Gewerkschaften in frankofonen und anglofonen Ländern. Kooperationspartnerwaren die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und der Internationale Bund der Privatan-gestellten (mit Sitz in Genf). Parallel dazu wurde ein Bildungsprogramm für Jugendleiter und Stu-dentenführer aus allen Regionen Afrikas in Kooperation mit der World Assembly of Youth (Brüssel)

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Einweihung des Bildungszentrums der Sarvodaya-Bewegung durch BundesministerDr. Otto Graf Lambsdorff, Sri Lanka, 1978

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1. Eröffnung der Genossenschaftsakademie „Friedrich Naumann“ durch den Gouverneur des Bundesstaates Paraná und den Präsidenten der OCEPAR, 1989 2. Fortschrittskontrolle im FNF-Projekt „Informationssystem für agrarpolitische Analyse der Provinz Heilongjang“, Harbin, 19893. Einweihung des 1972 gegründeten Partnerinstituts LP3ES durch Außenminister Dr. Adam Malik, Indonesien (Mitte), und Dr. Otto Graf Lambsdorff, Jakarta, 1977 4. Einweihung des Nationalen Jugendausbildungszentrums durch Staatspräsident Tolbert (Bildmitte) und mehrere Minister, Bentol, Liberia, 1978

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durchgeführt. Die regionalen Konferenzen und Seminare in Afrika, kombiniert mit Studienreisen indie Bundesrepublik, führten zur Anbahnung enger Kontakte mit potenziellen afrikanischen Partnern.

Das erste institutionelle Projekt südlich der Sahara konnte Ende 1968 in Dahomey, Westafrika (heuteBenin), seine Arbeit aufnehmen. Mit dem Nationalen Institut für gewerkschaftliche Erziehung INEODwurde eine Akademie zur Ausbildung gewerkschaftlicher Führungskräfte errichtet. Die bildungspo-litische Arbeit auf Gewerkschaftsebene wurde 1972 auf Jugend- und Frauenverbände sowie diefachliche Fortbildung von Wirtschafts- und Verwaltungskadern erweitert. Die Akademie hat bereitsin der Anlaufphase ihren Aktionsradius auf Togo, Obervolta und Niger ausgedehnt.

Das zweite institutionelle Projekt in Afrika startete 1971 in Ghana. In Kooperation mit dem GhanaNational Youth Council und dem Ministry for Social Welfare and Youth entstand das Jugendleiter-Schulungszentrum Afienya. Im Rahmen neunmonatiger Lehrgänge wurden die Fachgebiete Land-wirtschaft, Holz- und Metallarbeit sowie Hauswirtschaft unterrichtet. Die Absolventen wurden inihren eigenen Dörfern, Organisationen des Community Development oder der Jugendarbeit einge-setzt. Ergänzend fanden kürzere Lehrgänge für die Mitgliederverbände des Ghana National YouthCouncil statt. Das Programmangebot konnte auch von Teilnehmern aus der Region Westafrika ge-nutzt werden.

Bilanz nach zehn Jahren internationaler Arbeit Die Aufbauphase der internationalen Arbeit gestaltete sich mangels eigener Erfahrungen der Stif-tung in Entwicklungsländern und aufgrund der geringen Zahl qualifizierter Fachkräfte mit Länder-und Sprachkompetenzen in Deutschland als überaus schwieriger Such- und Lernprozess. Problemebei der Partnerwahl konnten häufig erst nach mehreren Jahren überwunden werden. In einigen Fäl-len wurden neue Organisationen geschaffen, weil im Einsatzland keine geeigneten Partner exis-tierten. Daher bestand seitens der Stiftung auch eine Tendenz zur Übertragung des in Tunesienerfolgreichen Projektmodells für mehrere Zielgruppen auf andere Länder und Kontinente trotz un-terschiedlicher gesellschaftlicher Bedingungen.

Am Ende der zehnjährigen Aufbauphase gelang 1972 ein weiterer Ausbau des internationalen En-gagements durch Neuprojekte in Sri Lanka (sozialwissenschaftliche Forschung/ländliche Entwick-lung), Malaysia (Gewerkschaftsausbildung) und Mexiko (ländliche Entwicklung). Die FNF verfügtedamit über 35 Auslandsmitarbeiter in 16 Projekten und 13 Entwicklungsländern (fünf davon inAfrika, je vier in Asien und Lateinamerika).

Die Rolle der ProjektleiterDie Projektleiter der Aufbauphase waren weitgehend auf sich allein gestellte Pioniere. Korrespon-denz mit der Stiftung erfolgte aus Sicherheitsgründen nur einmal wöchentlich auf dem Kurierwegüber die deutschen Botschaften. Telefonate nach Deutschland gab es nur sporadisch und oft mit

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Ismid HadadDirektor des Partnerinstituts für wirtschaftliche und soziale Forschung, Erziehung und Information (LP3ES)in Jakarta von 1975 bis 1980,heute Berater des Innenministers, Indonesien

„Indonesien war in der Frühphase des Über-gangs vom autokratischen Sukarno-Regimezum Militärregime von Suharto, als das Insti-tut LP3ES 1970 mithilfe der FNF etabliertwurde. Es waren die Studentenaktivisten, diehalfen, das Regime der ‚alten Ordnung‘ zustürzen und die dann den Aufbau des Insti-tutes LP3ES als unabhängige und alternativezivilgesellschaftliche Institution initiierten,um ein Gegengewicht zur wachsenden Rolleder Militärs und zu den autokratischen Ten-denzen des gerade etablierten Regimes der‚neuen Ordnung‘ von General Suharto zuschaffen.“

mehrstündigen Wartezeiten. Die Stiftungsbüros waren konfrontiert mit Problemen der lokalen In-frastruktur, zeitaufwendigen Prozeduren im Umgang mit örtlichen Bürokratien sowie Komplikatio-nen durch restriktive Vergabe von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen. Probleme bei der Auswahlund Führung des Projektpersonals, kulturelle Unterschiede, Sprachbarrieren und Konflikte im Um-gang mit den Partnern sowie das Wissen um die ständige Überwachung aller Stiftungsaktivitätendurch Geheimdienste, Staatspolizei oder Sicherheitsorgane stellten hohe Anforderungen. Die Leis-tungen der ersten Projektleiter als gesellschaftspolitische Berater, Organisatoren und sprachge-wandte Diplomaten waren eindrucksvoll. Sie haben die Hauptlasten der schwierigen Aufbaujahregetragen, häufig unter ungünstigen politischen Rahmenbedingungen und großem persönlichen Ein-satz mit diversen Risikofaktoren.

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Regionale Schwerpunkteund Projektentwicklungen Die Anrainerstaaten des südlichen Mittelmeers sind in einem über Jahrtausende gewachsenen Le-

bens- und Handelsraum geografisch vereint und bilden einen einzigartigen Kulturraum, von demdie drei monotheistischen Weltreligionen ihren Ausgang nahmen. Die Beherrschung dieser strate-gisch wichtigen Region war das begehrte Ziel vieler Imperien in ihrem Streben nach universellerMacht und durchzieht die Geschichte von der Antike bis zur Befreiung vom Joch des Kolonialismusin den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Zwar war die erkämpfte Unabhängigkeit in vielen derneuen Nationalstaaten mit der Idee von Freiheit und Demokratie verbunden, allerdings in der Rea-lität oft geprägt durch neue Unterdrückung und die Diktatur der eigenen Eliten.

Institut Ali Bach Hamba – das erste Projekt im AuslandDer bereits im Jahre 1962 gefasste grundsätzliche Beschluss der Stiftungsgremien, an der öffentlichgeförderten gesellschaftspolitischen Bildung für Entwicklungsländer mitzuwirken, wurde am 15. März1963 bekräftigt und mit der Planung des Institut Ali Bach Hamba in Tunesien in gemeinsamer Trä-gerschaft mit der Ecole Nationale d’Administration und dem Institut de Presse et des Sciences d’Information in die Praxis umgesetzt. Mehrere durch die Stiftung geförderte deutsch-tunesischeStudententreffen in Deutschland waren dem bereits vorausgegangen. Dies half, die ersten undschwierigen Verhandlungen zur Gründung und zum Aufbau dieses Bildungs- und Ausbildungszen-trums so abzuschließen, dass vier entsandte Mitarbeiter der Stiftung im März 1964 ihre Arbeit inTunis an dem Institut aufnehmen konnten, das nach dem türkischstämmigen tunesischen Unab-hängigkeitskämpfer Ali Bach Hamba (1876 bis 1918) benannt worden war. Ziel war die Fortbildungmittlerer und gehobener Führungskräfte aus der Wirtschaft, aus Verbänden, aus den Gewerkschaftenund aus der staatlichen Verwaltung. Für die Berufsgruppe Journalismus in Text, Bild und Ton standdie fachliche Qualifizierung und Weiterbildung durch Lehrveranstaltungen, Seminare und Sachleis-tungen wie moderne Ausrüstung und technische Einrichtungen im Vordergrund.

Unterstützung für Freiheit und Selbstbestimmung Die entwicklungs- und gesellschaftspolitischen Grundüberlegungen des ersten Stiftungsprojektesim Ausland, mit der Perspektive eines späteren regionalen Ausgreifens, fußten auf der liberalen Tra-dition der Verwirklichung persönlicher Freiheit, nationaler Selbstbestimmung und sozialer Gerech-tigkeit. Die Gräben zwischen Nord und Süd sollten überwunden, industrielle Entwicklungsmodellejedoch nicht unreflektiert übernommen und die inneren Spannungen nicht gewaltsam, sondern imgesellschaftlichen Dialog gelöst werden. In der Rückwirkung auf Deutschland bedeutete dies, dieKenntnis fremder Kulturen mit Respekt vor ihnen zu verbinden und in der Vielfalt der Religionenund Werte der Völker einen großen Nutzen zu sehen. Die Frage nach der selbstständigen Gestal-

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Südliche Mittelmeerländer (Naher und Mittlerer Osten)

Einweihung des Genossenschaftsprojektes imGouvernorat Ismaïlia, Ägypten, 1979

Iraker diskutieren die Menschenrechts-bestimmungen ihres Verfassungsentwurfes,2005

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tungsmöglichkeit persönlicher Freiheit wurde dabei immer an den Wertmaßstäben und Lebensfor-men der jeweiligen Gesellschaft gemessen, was häufig eine schwierige Gratwanderung war.

Meinungsbildung und MassenmedienIm Mittelpunkt solcher Ansprüche an eine entwicklungspolitische Beteiligung der Stiftung standendie Massenmedien. In der Überzeugung, dass nur ein freier Journalismus in der Lage ist, auch einefreie Meinungsbildung zu ermöglichen, zielte die Stiftungsarbeit deshalb auf die Aus- und Fortbil-dung von Journalisten der gedruckten Presse sowie der Hörfunk- und Fernsehprogramme. Nachdem liberalen Politikverständnis der Stiftung mussten die Bevölkerungen mit politisch freien undpluralistischen Kommentaren versorgt werden, damit sie nicht den einseitig autoritär gesteuertenInformationen der Regierungsapparate ausgeliefert waren.

Die Stiftungsarbeit im VorteilDas war leichter formuliert als in die Praxis umgesetzt, da eine Projektarbeit ohne Zustimmung derRegierungen, ohne zeitlich befristetes Rahmen- oder Projektabkommen mit einer staatlichen Be-hörde, ausgeschlossen war. Dies galt, obwohl die Stiftung mit ihrer Förderung durch den DeutschenBundestag zwar nicht im Regierungsauftrag, aber doch im öffentlichen Interesse der BundesrepublikDeutschland handelte. Hier war diplomatisches Geschick ebenso erforderlich wie die Unabhängigkeitdes Stiftungshandelns als Nichtregierungsorganisation (NGO). In der Ungebundenheit von Weisun-gen heimischer staatlicher Stellen drückte sich eine hohe Flexibilität und Freiheit zur Auswahl vonKooperationspartnern in den Gastländern aus. Genau darin lag der spezifische Vorteil der politischenStiftungen im Vergleich zu staatlichen Akteuren. Der Umgang mit Genehmigungs- und Überwa-chungsbehörden in den Entwicklungsländern einerseits und den eigenen Ansprüchen an die Pro-jektarbeit im südlichen Mittelmeerraum andererseits war oft eine schwierige Gratwanderung. Sieist es in den folgenden Jahrzehnten mit unterschiedlichen Ausformungen dort und anderswo auchgeblieben, allerdings zum Nutzen einer politisch freien und fachlich qualifizierten Arbeit für undmit Stiftungspartnern.

Leuchttürme mit Ausstrahlung in den Maghreb und das frankofone AfrikaDas Institut Ali Bach Hamba in Tunis strahlte auf den gesamten Maghreb und auf die frankofonenLänder Afrikas aus. Im Jahre 1969 rief die Stiftung deshalb in Marokko am Centre de Formationdes Journalistes ein weiteres Projekt der Qualifizierung von Journalisten ins Leben. Erste Kontaktezu Algerien wurden im Rahmen einer Konferenz in Algier 1971 geknüpft. Ab dem Jahr 1983 erwei-terte sich das Einzugsgebiet der Fortbildungsmaßnahmen für Journalisten dann noch einmal durchdie Zusammenarbeit mit dem Centre Africain de Recyclage des Journalistes et des Communicateurs(CARJC). Die drei- bis zehntägigen Kurse sowie Studienreisen für die Fortbildung von Dozentenstanden Teilnehmern aus dem ganzen frankofonen Afrika zur Verfügung. Tausende Journalisten,Führungskräfte und Meinungsträger aus der Region und weit darüber hinaus durchliefen diese fach-lichen Ausbildungsprogramme und erhielten technische Ausstattungshilfen. Dadurch waren enge

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Herstellung eines Lehrfilms im Medienprojekt, Jordanien, 1978

Blogger-Workshop, Kairo, 2010

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1. Die erste Irak-Konferenz der FNF, 20052. Tagung des Economic Freedom Network of the Arab World, Kairo, 20133. Von der Stiftung ausgebildete Wahlbeobachter vor den ersten freien Wahlen in Tunesien nach Jahrzehnten, Tunis, 20114. Arabische Politiker diskutieren über die Rolle der liberalen Oppositionsparteien, Kairo, 2008

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Verbindungen zwischen zunehmend gestärkten demokratischen Kräften des südlichen Mittelmeer-raumes und einem ebenfalls gewachsenen liberalen Netzwerk entstanden. Der erste tunesischeStaatspräsident Bourguiba zum Beispiel galt seit seiner Amtsübernahme nach der erkämpften Un-abhängigkeit von Frankreich im Jahre 1956 wegen der Säkularisierung des Rechtssystems und desBruchs mit islamischen Traditionen international lange Zeit als Leuchtturm von Aufklärung und de-mokratischer Reform. Gemeinsam mit den jungen Führungseliten Ägyptens und Marokkos gehörteBourguiba zu den wichtigen Meinungsbildnern einer aufsteigenden modernen islamischen Welt.

Erweiterungen nach der ersten Dekade im AuslandIm Laufe der ersten Dekade der gesellschaftspolitischen Arbeit im Ausland war das Volumen aufüber 20 langfristig angelegte Projekte in fast ebenso vielen Ländern bei einem Budget von 11 Mil-lionen DM angewachsen. Der Vorstand der Stiftung beschloss 1973 eine neue Positionsbestimmungfür die Tätigkeit in Entwicklungsländern. Die drei neuen Schwerpunkte waren erstens der Bildungs-bereich für Massenmedien, Dokumentation und Zivilgesellschaft, zweitens der Jugendbereich mitProgrammen zur Befähigung der Teilhabe am sozialen und wirtschaftlichen Leben und schließlichein sozioökonomischer Bereich mit dem Aufbau von Selbsthilfeorganisationen und Genossenschaften.

Ausdehnung in den Nahen Osten, neuer Standort JerusalemNicht zuletzt unter dem Eindruck des Jom-Kippur-Krieges zwischen Ägypten und Syrien einerseitsund Israel andererseits im Jahre 1973 wurden Sondierungen für Möglichkeiten der Zusammenarbeitim arabischen Raum, insbesondere in Jordanien, im Irak, Libanon, in Syrien, Ägypten sowie Israelunternommen. Im Jahre 1978 startete die Stiftung ein Medienprojekt in Ägypten mit der Fakultätfür Massenmedien der Universität in Kairo, das 1988 auslief. Ein landwirtschaftliches Genossen-schaftsprojekt mit der General Cooperative Union (GCU), dem Dachverband der Genossenschaftenund der Central Agricultural Cooperative Society (CACS) in Ismailia folgte 1980. Das Büro in Israelmit Sitz in Jerusalem wurde in Kooperation mit der liberalen Shinui-Partei im Jahre 1983 einge-richtet, nachdem die School for Freedom bereits im Jahre 1967 eine internationale Konferenz inIsrael durchgeführt hatte. Intensiviert wurde der politische Dialog durch eine herausragende Schrift-stellerkonferenz 1985 in Haifa, an der auf deutscher Seite u. a. der Organisator Peter Finkelgrün,Stefan Heym, Horst Krüger und Henryk Broder, auf israelischer Seite Shulamit Lapid, Yehoshua Sobolund Josef Lapid teilgenommen hatten. An der Spitze der Partner in Israel stand Amnon Rubinstein,Gründer der säkularen, vornehmlich aus antiklerikalen Intellektuellen und Wirtschaftskreisen be-stehenden Shinui-Partei, selbst Patron der Liberal International, siebenmal in die Knesset gewähltund viermal Minister in der Regierung. Besondere Bedeutung erlangte Rubinstein als Erziehungs-minister mit seinen Programmen zur Öffnung des israelischen Schul- und Ausbildungssystems für diearabischen, muslimischen und christlichen Israelis. Rubinstein gehört zu den wenigen Menschen, dieihren eigenen Nachruf mit steigendem Vergnügen vom Krankenbett im Fernsehen verfolgen konn-ten: Knesset-Sprecher Avraham Burg war im Jahre 2000 einer Fehlinformation erlegen und hattevoreilig eine Trauerrede für Rubinstein im Parlament gehalten, die im Fernsehen gesendet worden war.

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Konferenz des Arab Liberal Network „Liberalisierung in der Arabischen Welt“,Casablanca, 2007

Dr. Issam SuleimanPräsident des Verfassungsrates,ehemaliger Rechtsprofessor derLebanese University Libanon

„Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat mitihrer Tätigkeit den Respekt für die politi-schen Grundrechte gestärkt, sowohl rechtlichals auch in der politischen Wahrnehmung.Ich hatte die Ehre, mit der Stiftung bei derFörderung der Vereinigungs- und Versamm-lungsfreiheit zu kooperieren, wie auch beider Weiterentwicklung des Wahlprozessesentlang demokratischer Prinzipien.“

Israelisch-arabische ProjekteFantasievoll und effizient gestalteten sich die Demokratie- und Toleranzschulungen des Haifa Mu-nicipal Theatre, eines israelisch-arabischen Theaterensembles unter Leitung von Noam Semel, dasmit kurzen, aber lehrreichen Stücken durch die Dörfer und über die Marktplätze zog. Das Ensemblereüssierte im Jahre 1984 in New York und Washington D.C. im Rahmen des Dialogprogramms derStiftung mit der Aufführung des Stückes „Ghetto“ von Sobol und anschließender erregter Diskussionmit dem Publikum vor ausverkauften Häusern. Die Stiftung für die Freiheit unterhielt ihr Büro alseinzige der politischen Stiftungen im Ostteil Jerusalems und bot ebenfalls als einzige Stiftung abdem Jahr 1994 Schulungsprogramme für Unternehmer in den besetzten palästinensischen Gebietensowie Organisationsberatung für palästinensische Verbände an. In dem Bemühen um einen Beitragzum Frieden wurde ein israelisch-palästinensischer Historikerdialog eingerichtet. Viele demokrati-sche Entwicklungen hatten verdeutlicht, dass der Schlüssel für eine friedvolle gemeinsame Zukunftvon zerstrittenen Nachbarn in der Aufarbeitung der Vergangenheit lag, was bei den Friedensver-handlungen zumeist ausgeblendet wurde. Andere Kooperationspartner wie das Dr. Förder-Institutin Tel Aviv, das Adam-Institut in Jerusalem, das Institut für Forschung und Erziehung (Forum derMitte) und die Universität Haifa, um nur einige zu nennen, veranstalteten Seminare zur israelischenPolitik im regionalen Kontext und zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen. Großen Zuspruchfanden öffentliche Podiumsdiskussionen zum besseren Verständnis zwischen Israelis und Arabern.Über Jahrzehnte war es Dr. Otto Graf Lambsdorff, dessen international anerkannte liberale Stimmebei vielen Veranstaltungen auch in Israel und der Region ein weithin gehörtes Echo hervorrief unddamit die hoch anerkannte Friedenspolitik Hans-Dietrich Genschers unterstützte.

Das starke Land TürkeiDie Republik Türkei, Nachfolgerin des Osmanischen Reiches und nicht allein geografische Brückezwischen Okzident und Orient, ist mit ihrer militärischen Bedeutung als NATO-Mitglied seit 1952sowie ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung als Beitrittskandidat der Europäischen Unionseit 1999 ein besonders wichtiges Land unter den Mittelmeerländern des Nahen Ostens. Als dieStiftung im Jahre 2001 ihr zehnjähriges Jubiläum in Ankara und Istanbul beging, konnte sie auf einbreit gefächertes Spektrum von Partnerorganisationen blicken. Dieses reichte von der Zusammen-arbeit mit der Liberal Demokrat Parti und der Ari-Bewegung junger Führungskräfte zur Förderungvon Demokratie und Marktwirtschaft über Fachberatungen der Union der Stadtparlamente der Pro-vinz Antalya bis zu renommierten Thinktanks an staatlichen und privaten Hochschulen sowie Ge-nossenschaftsprojekten zur Unterstützung der Kleinindustrie im ländlichen Raum. Die MetropoleIstanbul wurde immer stärker zu dem alles antreibenden Motor moderner Entwicklungen in derTürkei. Hier wurden und werden Entscheidungen vorbereitet und getroffen, in der Hauptstadt Ankarahingegen verwaltet. Die Stiftung verlegte deshalb ihr Büro im Jahre 2002 nach Istanbul. GezielteFehlinformationen, die sich gegen die Arbeit der deutschen politischen Stiftungen richteten, führtenzu einem Prozess, in dem vier deutsche Stiftungen wegen Spionage für Deutschland angeklagt wur-den. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Das türkische Staatssicherheitsgericht wurde imJahre 2004 im Zuge von Verfassungsänderungen abgeschafft.

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Prof. Dr. Erdal TuerkkanVorsitzender der Turkish Competition Association (TAC), Türkei

„Ich betrachte die FNF als exemplarischeNichtregierungsorganisation mit hoher Effi-zienz. Der wichtigste Faktor, der dies ermög-licht, ist der effektive und wichtige Beitragals Anwalt liberaler und demokratischerWerte. Dadurch fördert die Stiftung die Ver-wirklichung einer nachhaltigen Verbesserungvon Wohlfahrt, Frieden und stabilen Bedin-gungen auf globaler Ebene. Als Ökonommöchte ich hinzufügen: Der soziale und globale Grenznutzen der Stiftungsaktivitätenwar immer substanziell höher als ihre Grenz-kosten und globalen Kosten.“

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Mashrek und die arabische Welt Bemerkenswert hatte sich die Arbeit des seit 1981 bestehenden Büros in Jordanien mit Ausstrahlungin den Mashrek und weit in die arabische Welt hinein entwickelt. Die Produkte eines Ausbildungs-programms für Fernsehjournalisten fanden ihren Weg in die offiziellen Sendungen. Im Libanonwurde mit der gleichnamigen Stiftung des ermordeten ehemaligen Präsidenten Moawad ein Bil-dungsprogramm gefördert. Die Europäische Union unterstützte ein erstes Großprojekt der Stiftungund ihrer arabischen Partner (Bunian I + II), das von Amman aus den zivilgesellschaftlichen Aufbauund liberale Netzwerkarbeit in den Libanon, nach Syrien, Palästina sowie Ägypten förderte. In einerzweiten Phase kamen die Maghreb-Staaten und der Jemen sowie die Themen gute Regierungsfüh-rung und Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen hinzu. Mithilfe intensiver Stiftungsbera-tung entwickelte die Young Entrepreneurs Association (YEA) von Amman aus Trainingsprogrammezu wichtigen wirtschaftsliberalen Themen wie den Wettbewerbsgesetzen, der Privatisierung, derWTO und offenen Märkten. Über ein Dutzend Verbände von Jungunternehmern aus zehn arabischenLändern schlossen sich als Stiftungspartner der gemeinsamen Plattform Arab Forum for Young Entrepreneur Associations mit dem Ziel eines Beitrags zur wirtschaftlichen Liberalisierung der ara-bischen Welt an. Von Amman aus wurden politische Kontakte in den Irak und nach Syrien geknüpft.Abgeordnete des irakischen Parlaments in Bagdad kamen unter schwierigen Umständen im Jahre2004 auf Einladung der Stiftung nach Brüssel und Berlin, um die politische Situation nach demSturz Saddam Husseins zu bewerten.

Ägypten und der „Arabische Frühling“ Auf die unerwarteten politischen Entwicklungen, die mit dem Begriff „Arabischer Frühling“ be-schrieben wurden, reagierte die Stiftung mit einer umfassenden Erweiterung des Engagements undeiner verstärkten personellen Präsenz in der Region. Der jahreszeitliche Begriff beschreibt tief grei-fende Transformationsprozesse der arabischen Gesellschaften allerdings nur unzureichend. Im Früh-jahr 2011 wurde am Ort der ersten Stiftungstätigkeit im Ausland, in Tunis, das Büro mit einemProgramm wiederbelebt, das sich sowohl der Qualifizierung von Journalisten als auch der Ausbildungvon Wahlbeobachtern und der Netzwerkarbeit in der Region, mit Auswirkungen bis Brüssel undBerlin, widmete. Die Stiftungsrepräsentanzen für den Maghreb sind seit 2004 in Rabat und Algierund wurden zunächst mit einem Menschenrechtsprojekt, einem Programm zur Stärkung der Frau-enrechte sowie einem Förderprojekt für kleine und mittlere Unternehmen betraut. Das Regionalbüroin Kairo, von wo aus die Stiftung ihre Arbeit in den südlichen Mittelmeerländern und im NahenOsten seit 1991 steuert, erhielt zusätzliche Unterstützung. Aus dem Prozess der politischen Um-wälzungen war eine Vielzahl von Initiativen hervorgegangen, denen durch Kurse zu den modernensozialen Medien bzw. ihrem strategischen Einsatz als Instrumente der Demokratieentwicklung ge-holfen werden konnte. Auch in Libyen fanden nach dem Sturz der Diktatur erste Schulungen undBildungsprogramme für Journalisten statt.

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Taher Al-MasriPräsident des Senates, ehemaliger Minister-präsident und Kabinettsmitglied desHaschemitischen Königreiches Jordanien

„Für mehr als fünf Dekaden hat die FNFdurch ihre zahlreichen Aktivitäten weltweitdazu beigetragen, demokratische Prinzipienund Werte zu fördern, die im Interesse allerVölker sind. Es besteht kein Zweifel, dass ihreInitiativen im Bereich der staatsbürgerlichenBildung – durch Seminare, Konferenzen undPublikationen – sichtbare Auswirkungen ge-habt haben. Aus liberaler Perspektive ist Bil-dung ein Anker und grundlegendesErfordernis für eine funktionierende Demo-kratie. Ich war persönlich involviert in einigeBestrebungen der Stiftung, die sich für michund andere als von großem Wert erwiesen.Die großen Anstrengungen, die von der Stif-tung unternommen wurden, verdienen Lobund Anerkennung, denn vom Eifer der Stif-tung hat die ganze Weltgemeinschaft profi-tiert durch Stärkung individueller Freiheit,des Rechtes auf Wissen und Partizipation.Ich bringe meine Wertschätzung für diejeni-gen zum Ausdruck, die hinter den Anstren-gungen der Stiftung stehen.“

Zum Ende des Jahres 2012 konnte in Kairo ein Abkommen zwischen der ägyptischen Regierung undder Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zur Förderung Jugendlicher durch Bildungspro-gramme mit dem Fokus auf Menschenrechte, Pluralismus und Toleranz sowie Bürgerverantwortungund zivilgesellschaftliches Engagement unterschrieben werden. Es war das erste Abkommen dieserArt mit einer ausländischen politischen Stiftung seit Antritt der neuen ägyptischen Regierung. Diewichtige politische Netzwerkarbeit findet ihren Ausdruck im Network of Arab Liberals, das sich in-zwischen zur Arab Alliance for Freedom and Democracy entwickelt hat.

Tief greifende Analysen des Phänomens der arabischen Revolution konnten wichtige Aspekte diesesTeils der Geschichte im Rahmen einer Konferenz mit der International Crisis Group (ICG) aufarbeiten.Dennoch verheißen die aktuellen Ereignisse in der Region des Nahen Ostens und des südlichen Mit-telmeerraumes eine ungewisse Zukunft, zugleich aber auch die Hoffnung auf die Fortsetzung einerdemokratischen Entwicklung, die vor allem eines braucht: Unterstützung, Augenmaß und Zeit.

Politische und regionale Ansatzpunkte Von der Unabhängigkeit der afrikanischen Nationalstaaten bis zum Ende des Ost-West-Konfliktesdominierten in Subsahara-Afrika autoritäre politische Systeme, zumeist Militärdiktaturen und Ein-Parteien-Regime. Etwa 130 Militärputsche in diesem Zeitraum belegen die hohe Instabilität dernachkolonialen Regierungen. Die Folgen langjähriger Kolonialherrschaft, Unterdrückung und Dis-kriminierung erschwerten nach der Unabhängigkeit der jungen Staaten den raschen Aufbau trag-fähiger politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen. Diese Situation änderte sichmit Beginn der 90er-Jahre. Seitdem war die Entwicklung differenzierter: Heute bestehen in Subsa-hara-Afrika neun liberale Demokratien, 21 eingeschränkt demokratische Regime (mit reduziertenBürger- und Freiheitsrechten) und 19 autoritäre Regime, die jedoch fast alle Mehrparteiensystemeund Wahlen zulassen. Die FNF hat sich in der Region seit 1964 engagiert, in der Aufbauphase mitProjekten zur Aus- und Fortbildung von Führungskräften der Angestellten-Gewerkschaften, Jugend-verbände, Medien, Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung. Ab Mitte der 80er-Jahre entstandenVorhaben zur Förderung des Rechtsstaates und der Menschenrechte sowie der politischen Bildungmit liberalen Parteien, Thinktanks und Forschungsinstituten auf nationaler und regionaler Ebene.

Pionierprojekte der Aufbauphase Die Projektarbeit in Subsahara-Afrika begann 1964 durch regionale Konferenzen und Seminare fürFührungskräfte der Angestellten-Gewerkschaften in frankofonen und anglofonen Ländern. Darausentwickelte sich 1968 das erste institutionelle Projekt im damaligen Dahomey (heute Benin): derAufbau des Schulungszentrums für gewerkschaftliche Führungskräfte INEOD, in Kooperation mit

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Subsahara-Afrika

Die historische Dialog-Konferenz zu Post-Apartheid-Szenarien in Südafrika zwischen IDASA und dem African NationalCongress auf der Insel Gorée vor Dakar, Senegal, 1987

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vier Zentralverbänden der Angestellten-Gewerkschaften. Ab 1975 entstand ein weiteres Ausbil-dungszentrum in Togo mit dem Dachverband der Angestellten-Gewerkschaften CNTT. Diese Projekteführten 1979 zu einem kontinentalen Schulungsprogramm für 71 Mitgliedsverbände der Organi-zation of African Trade Union Unity (OATUU), der einzigen panafrikanischen Gewerkschaftsorgani-sation, in der alle nationalen Dachverbände vertreten waren.

Selbsthilfeprojekte als Motor wirtschaftlicher EntwicklungIm Bereich der Selbsthilfeorganisationen konzentrierten sich die Projektansätze auf die Förderungder ländlichen Entwicklung und gewerblichen Wirtschaft. Partner waren in den 70er-Jahren land-wirtschaftliche Ausbildungszentren für jugendliche Führungskräfte in Ghana und Liberia. In BurkinaFaso erfolgte eine Regierungsberatung bei der Entwicklung und Umsetzung der Förderungskonzep-tion für das Genossenschafts- und Agrarkreditwesen des Ministeriums für ländliche Entwicklung.Ab Mitte der 80er-Jahre verlagerte sich der Fokus der Projektarbeit auf die Förderung der gewerb-lichen Wirtschaft durch Neuprojekte in 15 Ländern mit 32 Partnerorganisationen: Industrie- undHandelskammern, Arbeitgeberverbänden, Handwerkskammern, Industrieverbänden, Vereinigungenvon Kleinunternehmen, Berufsverbänden, Management- und Beratungsinstituten, Verbänden vonUnternehmerinnen und des informellen Sektors. Dabei wurde jeweils ein dreistufiger Ansatz prak-tiziert: exemplarische Kleingewerbeförderung, Stärkung der Autonomie und Managementkapazi-täten der Verbände und wirtschaftspolitische Beratung zur Liberalisierung der Rahmenbedingungen.Ein intensiver wirtschafts- und ordnungspolitischer Dialog der Partner untereinander erfolgte aufregionaler Ebene in Kooperation mit der Economic Community of West African States (ECOWAS)und der Association of Eastern and Southern Africa (ARIESA).

Medien als Instrumente gesellschaftlicher EntwicklungSchwerpunkt des Engagements in Afrika waren ab Mitte der 70er-Jahre Medienprojekte zur Aus-und Fortbildung von Journalisten in Sambia, Simbabwe, Namibia, Kongo-Kinshasa, Kongo-Brazza-ville, Ruanda, Burundi und im Sudan, darunter ein Regionalprojekt mit der Wirtschaftsgemeinschaftder Großen Seen (CEPGL). Die Stiftung ging bei dieser Akzentsetzung von der wachsenden Bedeu-tung der Massenmedien und der Erwartung aus, dass funktionsfähige Kommunikationssystemewichtige Voraussetzungen für die Dynamisierung politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicherProzesse darstellen. Partner der FNF waren Bildungsinstitutionen in staatlicher Trägerschaft, die inein- bis vierjährigen Studiengängen eine journalistische Ausbildung in Theorie und Praxis vermit-telten. Die Projektträger wurden von der Stiftung mit Lehrstudios für Fernsehen, Hörfunk und Print-medien ausgestattet. Das größte und erfolgreichste Projekt dieser Art ist bis heute das ZAMCOMInstitute in Sambia. Die Absolventen der Partnerinstitute haben später vielfach hohe Positionen inden Medien ihrer Länder übernommen und sich aktiv für Presse-, Informations- und Meinungsfrei-heit eingesetzt. In einem zweiten Typ von Medienprojekten folgte ab 1990 die Zusammenarbeit mitRundfunkanstalten, Holdings für Massenmedien, Verbänden von Zeitungsverlegern, Informations-ministerien, Journalistenverbänden und Wirtschaftsmagazinen, um den Pluralismus der Medien zu

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Internationales Gewerkschaftsseminar mitdem Dachverband der Gewerkschaften CNTTin Lomé, Togo, 1982

fördern, medienpolitische Themen aufzugreifen, Programmberatungen durchzuführen oder Problemeder Wirtschafts- und Ordnungspolitik in den Medien zu diskutieren. In Simbabwe förderte die Stif-tung zudem den Wiederaufbau der Redaktion des Verlages Mambo Press und der WochenzeitungMOTO, die nach der Unabhängigkeit 1980 kurz vor den Wahlen durch Sprengstoffanschläge zerstörtworden waren. Insgesamt haben die Medienprojekte den politischen Diskurs und die ideologiekri-tische Reflexion in autokratischen Systemen der Region erkennbar beeinflusst, ihre tief greifendenWirkungen aber vor allem langfristig entfaltet.

Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und BürgerrechteDie ersten Vorhaben zur Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen und Durchsetzung von Menschen-und Bürgerrechten entstanden 1984 in Südafrika, Namibia und Simbabwe in Kooperation mit pri-vaten Menschenrechtsinitiativen, die benachteiligten und diskriminierten Menschen juristischenBeistand leisteten. Rechtsberatung und -hilfe erfolgten vorwiegend durch angelernte Rechtsberater.Die Mitarbeiter der Beratungszentren wurden juristisch, pädagogisch und administrativ weiterge-bildet sowie durch Ausarbeitung von Handbüchern und Arbeitsmaterialien unterstützt, um eineProfessionalisierung zu bewirken. Ab 1990 folgte eine erhebliche Expansion durch Neuprojekte in19 Ländern mit 33 Partnern: Menschenrechtskommissionen, Verfassungsorganen, Forschungszen-tren, Rechtsfakultäten, Aktionen zur Abschaffung der Folter, Interessenvertretungen von politischenHäftlingen und Exilierten sowie mit der Interafrikanischen Union der Menschenrechte.

Das Spektrum der Aktivitäten umfasste Verfassungsberatungen, die Stärkung der Rechtsstaatlichkeitund der Judikative, Feldstudien, Aufklärungskampagnen, Fortbildungs- und Beratungsprogrammesowie Wahlbeobachtungen. Dass aus solchen Projekten auch direkte politische Folgewirkungen ent-stehen können, zeigte die Berufung von Arthur Chaskalson, Leiter des Partners Legal ResourcesFoundation, zum Präsidenten des Verfassungsgerichtes (1994 bis 2001) und des Obersten Gerichts-hofes (2001 bis 2005) von Südafrika. Er wurde damit zu einer Schlüsselfigur in der demokratischenTransition des Landes.

1994 schlossen sich elf Menschenrechtspartner der FNF aus den Ländern Botswana, Malawi, Leso-tho, Mosambik, Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Tansania zum Southern African LegalAssistance Network (SALAN) zusammen, einer bisher einzigartigen Initiative weltweit. Kernaufgabeder Mitglieder ist die Rechtsberatung und Rechtshilfe in Menschenrechtsfragen und -verfahrensowie die Verfechtung des Menschenrechtsschutzes in der Öffentlichkeit. Die Stiftung unterstütztdas SALAN durch jährliche Maßnahmen zur Organisationsentwicklung und Strategieplanung. Eva-luationen des Partners bestätigten die Effektivität und Effizienz seiner Arbeit.

Politische Bildung und DemokratieförderungDas erste Projekt der politischen Bildung in Afrika entstand 1975 in Kooperation mit dem Institutfür soziale, wirtschaftliche und politische Bildung INFOSEC in Cotonou, Benin. Zielgruppen der Bil-

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Treffen der Mitgliedsorganisationen desSALAN in Lilongwe, Malawi, 2007

Dr. Helen Kijo-BisimbaLeiterin des Sekretariates Southern AfricanLegal Assistance Network (SALAN)

„Wie immer begegnet unsere Region südlichesAfrika neuen Herausforderungen. Währendwir weiter mit den alten Herausforderungenleben, wächst das Problem der Landfrage, ver-bunden mit Jugendarbeitslosigkeit. Da dieMehrheit der Bevölkerung in der Region sichihrer Rechte nicht bewusst ist, und diejenigen,die sie kennen, zu geringe Mittel haben, sol-che Rechte gerichtlich einzuklagen, entstehtder Bedarf zur Vernetzung, um Ressourcenund Expertise zu teilen. Darum wurde SALANgeschaffen, und es bezieht seine Stärke durchseinen Hauptpartner FNF.“

Page 19: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

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1. Einweihung des neuen Gebäudes für das 1980 errichtete Medien-Ausbildungsprojekt ZAMCOM mit Staatspräsident Kenneth Kaunda (Mitte), Sambia, 19892. Gipfeltreffen des Africa Liberal Network (ALN), Johannesburg, 20073. Helen Zille, Ministerpräsidentin der Provinz Western Cape und Vorsitzende der Oppositionspartei Democratic Alliance im Wahlkampf, Kapstadt, 20114. Diskussionen am Rande der Dakar-Konferenz, mit Thabo Mbeki und Dr. Frederik van Zyl Slabbert (3. und 4. von l.), Dakar, 1987

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dungsprogramme waren gesellschaftliche Schlüsselgruppen, d. h. Führungskräfte aus Politik, Ver-waltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Das INFOSEC verfolgte eine ideologiefreie, auf Kritikfä-higkeit und gesellschaftliche Verantwortung ausgerichtete Bildungsarbeit. Der Partner hat sich inder 20-jährigen Zusammenarbeit zu einer nationalen Institution entwickelt, die so gut wie jederim Lande kennt. In Westafrika entstand 1980 auch das erste Projekt der politischen Bildung miteiner Vorfeldorganisation, dem Bildungsinstitut ISEFI der Demokratischen Partei des Senegal, zurQualifizierung von politischen Nachwuchs- und Führungskräften. Ein innovatives Programm desPartners war die Koppelung von Staatsbürgerkunde für die ländliche Bevölkerung mit Alphabetisie-rungsmaßnahmen und die Herausgabe kleiner Hefte zur Demokratieerziehung in 14 Landessprachen.

Mit Öffnung der politischen Systeme in Afrika ab 1990 erfolgte eine starke Expansion der politischenBildung durch Neuprojekte in 25 Ländern mit zahlreichen Partnern: politischen Parteien, ihren Vor-feldorganisationen (Jugend, Studenten, Frauen), Parlamentariern und Kommunalpolitikern, liberalenStiftungen, Forschungsinstituten und Thinktanks, nicht staatlichen Trägern der Demokratieförde-rung, Vereinigungen der politischen Erwachsenenbildung, Bürgerinitiativen, Wahlbeobachtungs-gruppen und den regionalen politischen Netzwerken Africa Liberal Network (ALN) und Organisationof African Liberal Youth – Liberals Energizing Africa’s Democracy (OALY-LEAD). Die Förderung derStiftung umfasste folgende Bereiche: Qualifizierung von politischen Mandatsträgern, Führungs-kräften und Funktionsträgern der Partner, Strategie-, Organisations-, Programm- und Politikbera-tungen in verschiedenen Aktions- und Themenfeldern, regionale und internationale Dialog- undAustauschprogramme, Informationsreisen in die Bundesrepublik und zu Institutionen der Europäi-schen Union, aber auch innerhalb Afrikas. Von 1994 bis 2000 erfolgte eine enge Kooperation mitder New Patriotic Party (NPP) in Ghana durch Qualifizierung von Mandats- und Funktionsträgernund Politikberatung. Der Parteivorsitzende der NPP, John Kufuor, wurde 2000 zum Staatspräsidentengewählt und vollzog damit den ersten demokratischen Regierungswechsel in Ghana. Mit den Part-nerparteien in Südafrika, Tansania, der Elfenbeinküste und Senegal besteht aufgrund langjährigerPartnerschaft bis heute eine besonders enge Kooperation.

Südafrika: Liberale im Kampf gegen die ApartheidDie FNF durfte in den 1980er-Jahren in Südafrika nicht mit der liberalen Progressive Federal Party(PFP) kooperieren. Diese war nach den Gesetzen des Apartheid-Regimes eine rein weiße Partei unddamit nach deutschen Richtlinien nicht förderungswürdig, obwohl sie als einzige im Parlament dieAbschaffung der Apartheid forderte. Weil der PFP-Vorsitzende Dr. Frederik van Zyl Slabbert für dieÜberwindung der Apartheid auf parlamentarischem Wege keine Chancen mehr sah, trat er 1986von seinen Ämtern zurück und gründete das Institute for a Democratic Alternative for South Africa(IDASA). Sofort nahm die Stiftung die Kooperation mit dem IDASA auf. Die vom IDASA durchge-führten Dialogprogramme über ein Post-Apartheid-Regime belegten das gegenseitige Misstrauender Volksgruppen, vor allem zwischen dem African National Congress (ANC) und den weißen Afri-kaanern (Buren). Das IDASA suchte dennoch Kontakt zur ANC-Führung im Exil und vereinbarte ein

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Dr. Frederik van Zyl SlabbertEhemaliger Fraktionsvorsitzender der liberalen Progressive Federal Party (PFP) imParlament Südafrikas, Gründer des Institutsfür eine Demokratische Alternative in Südafrika (IDASA), ehemaliger Rektor derUniversität Stellenbosch

„Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat un-schätzbare Arbeit dabei geleistet, Südafrikaauf die schwierige Zeit des Übergangs vorzu-bereiten, beginnend mit der berühmtenDakar-Konferenz bis zu dem letzten Treffenin ihrer Akademie in Portugal. Die Stiftunghat Projekte finanziert, die von größter Be-deutung sind angesichts der Probleme, mitdenen wir zu kämpfen haben.“

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hochrangiges Treffen im Ausland. Im Juli 1987 kam es zur sensationellen Dakar-Konferenz im Se-negal, über die in den Weltmedien berichtet wurde. Eine Gruppe von 61 Vertretern des wirtschaft-lichen und wissenschaftlichen Establishments Südafrikas führte einen intensiven Dialog mit 17Vertretern der ANC-Führung (fast alle wurden später Minister, Thabo Mbeki Präsident) über Zu-kunftsszenarien für ein demokratisches Südafrika. Die FNF war aktiv involviert und trug ein Drittelder Kosten aus Mitteln des Auswärtigen Amtes. Die Teilnehmer der Konferenz erfuhren nach ihrerRückkehr in Südafrika Hass, Ablehnung und Gewalt, sie wurden als Verräter gebrandmarkt. Einigeverloren ihre Stellung, der IDASA-Mitarbeiter Eric Mntonga wurde ermordet.

Doch das IDASA gab nicht auf. Auf Einladung der Stiftung fand 1988 eine zweite Konferenz in Le-verkusen statt. Das politische Spektrum der weißen Südafrikaner war diesmal noch breiter, auchdie Delegation des ANC hochrangiger, da neben Thabo Mbeki der Kommandeur des bewaffnetenFlügels des ANC, Joe Slovo, zeitweilig auch Vorsitzender der KP Südafrikas, mit am Tisch saß. Denrückkehrenden Teilnehmern der weißen Delegation begegnete man diesmal eher mit neugierigenFragen nach den Zukunftsvisionen des ANC für ein Post-Apartheid-Südafrika. Doch die Regierungin Pretoria reagierte schroff: Verteidigungsminister Malan attackierte die Konferenzteilnehmer undauch die FNF in massiven Tiraden, und der Dialogprozess schien irreversibel. Im Februar 1989 ver-kündete Südafrikas Präsident F. W. de Klerk die Freilassung Nelson Mandelas und die Legalisierungdes ANC, um eine demokratische, nicht rassische Verfassung auszuhandeln. Die von der FNF geför-derten Konferenzen mit dem IDASA haben den Weg dafür wesentlich geebnet.

Zusammenarbeit mit der liberalen Opposition in SüdafrikaDie Kooperation zwischen der FNF und den südafrikanischen Liberalen nach 1989 galt der Neupo-sitionierung des organisierten Liberalismus im demokratischen Südafrika. Noch Mitte der 90er-Jahrewurden die Liberalen von nationalen und internationalen Beobachtern als chancenlos betrachtet.Der Aufstieg der Partner zur offiziellen Opposition und zum einzigen relevanten Gegengewicht zumANC ist eine Erfolgsgeschichte, an der auch die FNF ihren Anteil hat. Die Transformation einer klei-nen, fast ausschließlich weißen liberalen Partei in eine ethnisch breit zusammengesetzte, inhaltlichliberal fundierte Alternative zum ANC wäre ohne die breit angelegte Kooperation der FNF mit denParteistrukturen der Democratic Alliance (DA) und insbesondere den beiden Parteivorsitzenden TonyLeon und Helen Zille wohl wesentlich schwieriger verlaufen. Der Partner selbst hat sich nie gescheut,das auch öffentlich anzuerkennen. Organisationsgrad, Struktur und Schlagkraft der DA als effektiveOppositionspartei sind auch im internationalen Vergleich vorbildlich. Gerade angesichts der erdrü-ckenden Position des ANC in der südafrikanischen Politik, die für das Land nicht gut ist, wie die ak-tuellen Entwicklungen immer wieder zeigen, stellt die enge Kooperation mit der DA einensignifikanten Beitrag zur Stärkung der Demokratie und demokratischen Kontrolle in Südafrika dar.

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Pressetermin auf der IDASA-ANC-Konferenzmit Dr. Frederik van Zyl Slabbert (IDASA),Aziz Pahad (ANC), Dr. Gerhart Raichle (FNF)und Thabo Mbeki (ANC), Leverkusen,1988

Politikdialog auf hoher Ebene Anfang 1989 begann die Stiftung eine Kooperation mit dem Africa Leadership Forum (ALF), ge-gründet von Ex-General Olusegun Obasanjo, Militärherrscher von Nigeria von 1976 bis 1979 undgewählter ziviler Präsident von 1999 bis 2007. Er hatte seinen guten Ruf damit begründet, dass erals erster Militärführer Nigerias freiwillig für eine Zivilregierung zurückgetreten war, und wurdezum Elder Statesman, dessen Kommentare zu politischen Fragen gesucht wurden. Der spätere Mi-litärdiktator Sani Abacha ließ Obasanjo inhaftieren, weil er angeblich an einem Putschversuch be-teiligt war. Er entging der Todesstrafe nur knapp durch massiven internationalen Druck. Erst nachdem Tode Abachas wurde Obasanjo freigelassen und zweimalig in demokratischen Wahlen zum zi-vilen Präsidenten gewählt. Er ist u. a. Träger des Freiheitspreises von Liberal International.

Zielsetzung des ALF war es, ein panafrikanisches Forum für den Dialog hochrangiger afrikanischerPolitiker zu schaffen und dabei politische und wirtschaftliche Liberalisierung sowie strukturpolitischeReformvorstellungen zu vertreten. Obasanjo wusste aus eigenem Erleben von der Schwierigkeit,einen offenen Gedankenaustausch zwischen afrikanischen Elder Statesmen und nachwachsendenFührungskräften des Kontinents herbeizuführen, und ergriff daher selbst die Initiative. Er stellte aufseiner Hühnerfarm in Abeokuta, Nigeria, Räumlichkeiten für das ALF zur Verfügung. Die Kooperationmit der FNF war fokussiert auf Dialogprogramme unterschiedlichster gesellschaftlicher Führungs-kräfte. Im Rahmen der sogenannten Farm House Dialogues wurden Themen wie Demokratie undtraditionelle Herrscher, Demokratie und Militär, Demokratie und Armut diskutiert. Die Publikationendieser Symposien, ebenfalls von der Stiftung unterstützt, hatten allein in Nigeria einen Verteilerkreisvon 5.000 Personen. Das ALF hat sich im Zeitablauf zu einem politischen Thinktank entwickelt undhohes Ansehen nicht nur in Nigeria, sondern auch im Ausland erworben.

Ein alternatives politisches Aktionsprogramm in KeniaDie FNF konzipierte und koordinierte 1992 das wirtschafts- und gesellschaftspolitische Reform-programm „Post Election Action Programme“ (PEAP), das von über 60 der besten kenianischen Fach-leute für vier der Oppositionsparteien erarbeitet wurde. Es war ein überparteilicher Entwurf füreinen effektiven Wiederaufbau der Wirtschaft und der demokratischen Rahmenbedingungen. DasProgramm formulierte mit Blick auf die kommende Regierung in 44 Politikbereichen die wesentli-chen Perspektiven und Handlungsanweisungen einer nationalen Politik, die sich an den realen Be-dürfnissen und Möglichkeiten Kenias orientierte. Es versuchte, die Entpolitisierung undEntprofessionalisierung des öffentlichen Lebens zu überwinden, die nationale Kompetenz zu mobi-lisieren und die Glaubwürdigkeit der Politiker wieder herzustellen. Das PEAP fand große öffentlicheBeachtung und wurde als das erste von Kenianern erarbeitete, qualitativ hochwertige, Reformpro-gramm gewürdigt. Die Kooperation der kenianischen Experten führte darüber hinaus zur Gründungdes Institute for Economic Affairs (IEA). Das PEAP hat vor den Wahlen zur Versachlichung der öf-fentlichen Debatte beigetragen und nicht nur den beteiligten Oppositionsparteien einen Fundus anFachwissen vermittelt, sondern auch ein öffentliches Beispiel für die kritisch-konstruktive Beteili-

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Pressekonferenz des „Post Election ActionProgramme“ (PEAP), Nairobi,1993

Informeller Dialog von Olusegun Obasanjo,dem ehemaligen Staatspräsidenten von Nigeria (Mitte), auf seiner Farm in Abeokuta,mit Uwe Johannen, Leiter des Auslandsberei-ches der FNF (r.) und den Projektleitern derStiftung aus West- und Ostafrika,Nigeria, 1993

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gung am Demokratisierungsprozess gegeben. Leider führte diese Initiative in Richtung guter Re-gierungsführung zu repressiven Maßnahmen des autoritären Regimes gegen die beteiligten Partnerund zur Ausweisung der FNF-Projektleiterin aus Kenia. Obwohl ihr später die Wiedereinreise ge-stattet wurde, zeigte dieser Fall die Risiken auf, die auch mit konstruktiven Beiträgen zur Demo-kratisierung verbunden sein können.

Politische Bildung von unten: der Aufbau der Zivilgesellschaft im KongoDie FNF hat mit einem Modellprojekt zur Förderung des privaten Sektors in der DemokratischenRepublik Kongo eine bahnbrechende Strategie zum Aufbau der Grundlagen für eine liberale demo-kratische Ordnung in einem extrem repressiven politischen System umgesetzt. Dies geschah durchMobilisierung und Strukturierung zivilgesellschaftlicher Akteure im Bereich der Nichtregierungs-Organisationen (NGO) sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Von 1990 bis 1994entstanden zwei Dachverbände für „ökonomisch orientierte“ NGO und für KMU mit jeweils drei Re-gionalverbänden und Hunderten von Mitglied-Basisstrukturen. Das Projekt wurde 1994 von der GIZ(damals GTZ) übernommen und in allen elf Provinzen des Landes umgesetzt. Zehn Jahre später ge-hörten der NGO-Dachverband mit 1.800 Mitgliedern und der KMU-Dachverband mit 3.600 Mit-gliedern zu den führenden Strukturen der dortigen Zivilgesellschaft. Der NGO-Dachverband wurde2002 Partner der Weltbank bei der Umsetzung des Ansatzes der Community Driven Developmentin der Demokratischen Republik Kongo.

Zielsetzungen und thematische Schwerpunkte in neuerer ZeitMit zunehmender Öffnung der politischen Systeme in Afrika haben sich die Spielräume für ein En-gagement der Stiftung erweitert. Vorrangige Ziele der Projektarbeit in den letzten beiden Dekadenwaren:

1. Durchsetzung der Freiheitsrechte und politischen Partizipation, Verbreitung liberaler Politikkonzepte,

2. Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaat, 3. Sicherung von Menschen- und Bürgerrechten, 4. Etablierung marktwirtschaftlicher Strukturen.

Die thematischen Schwerpunkte lagen in Abstimmung mit den Partnern in den Bereichen Rechts-staat und Verfassung, Ordnungs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik sowie Kommunal- und Jugend-politik. Das für die Koordinierung der Aktivitäten verantwortliche Regionalbüro hat seinen Sitz inJohannesburg, Südafrika. Der wichtigste Partner der FNF auf regionaler Ebene ist das Africa LiberalNetwork. Es wurde 2003 mithilfe der Stiftung als panafrikanisches Netzwerk liberaler Parteien ge-gründet. Dieser Schritt erfolgte mit aktiver Unterstützung der britischen Liberal Democrats und derWestminster Foundation for Democracy. Das ALN ist seither kontinuierlich gewachsen. Gegenwärtiggehören ihm 34 Mitgliedsparteien aus 25 Ländern an. Die Mitglieder sind liberalen und demokra-

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Lindiwe Mazibuko Fraktionsvorsitzende der liberalen ParteiDemocratic Alliance, Oppositionsführerin im Parlament Südafrikas

„Die FNF hat unermüdlich Zeit und Ressourceneingesetzt, liberale Werte zu fördern, nicht nurin Südafrika, sondern weltweit. Wir begrüßendie Arbeit, die die Stiftung im Bereich derstaatsbürgerlichen Bildung geleistet hat, durchSeminare, Konferenzen und Publikationen,ausgerichtet auf die Förderung liberaler Werteund Prinzipien. Südafrika hat erheblich profi-tiert von der Stärkung dieser Werte.“

Strategieberatung des Africa Liberal Network(ALN) in Johannesburg, Südafrika, 2008

tischen Grundsätzen verpflichtet, entweder in der Opposition oder in der Regierung. Das Netzwerkverfolgt das Ziel, liberale Parteien in Afrika zu stärken, zu unterstützen und zu vertreten.Das ALN bietet seinen Mitgliedern Aus- und Weiterbildungen sowie Politikberatung für Mandats-und Funktionsträger an. Das Angebot reicht von Strategieberatungen über Wahlkampfbeobachtungbis hin zu Fertigkeitstrainings. Die FNF unterstützt die Partner in folgenden Bereichen: Maßnahmenzur Strategieplanung und deren Umsetzung, Schulungen in politischer Kommunikation und Pro-grammatik, Workshops zu liberalen Themen sowie Maßnahmen zur Parteientwicklung und -orga-nisation. Dazu dient auch der Süd-Süd-Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Parteien.Ferner trägt die Stiftung dazu bei, dass sich das ALN mit anderen regionalen wie auch internatio-nalen liberalen Organisationen nachhaltig vernetzt.

Politische und regionale AnsatzpunkteDie knapp 600 Millionen Menschen Lateinamerikas leben heute weit überwiegend in stabilen De-mokratien und sich öffnenden, dynamischen Wirtschaften. Der Kontinent ist auf einem langen Wegder Modernisierung. Von 1960 bis 1990 dominierten in Lateinamerika autoritäre politische Systeme,zumeist Militärregime und Diktaturen, die ihre Legitimation aus einer Doktrin der „nationalen Si-cherheit“, der Bekämpfung von Terroraktionen urbaner Guerilla-Gruppen und der Eindämmung desKommunismus in der Phase des Kalten Krieges ableiteten. In dieser Zeit der „schmutzigen Kriege“gegen die Guerilla, linke Sympathisanten und oppositionelle Kräfte in Südamerika und der Bürger-kriege in Zentralamerika wurden von Militärs, Sicherheitskräften und Todesschwadronen Zehntau-sende Menschen ermordet, Hunderttausende gelten als gewaltsam verschwunden, wurden auspolitischen Gründen inhaftiert und gefoltert. Die Aktivitäten ausländischer Organisationen wurdenvon den Sicherheitsorganen streng überwacht. Die Spielräume für dezidiert politische Projektewaren in diesem Kontext sehr begrenzt; sie beschränkten sich auf wenige noch verbliebene Demo-kratien. Die FNF hat sich daher in den 60er- bis 80er-Jahren auf die Förderung von eigenständigenSelbsthilfeorganisationen, Verbänden und Interessenvertretungen der gewerblichen Wirtschaft kon-zentriert. Dieser Programmschwerpunkt blieb dominant bis Anfang der 90er-Jahre.

Ab 1978 begannen ergänzend Rechtshilfe- und Medienprojekte. Erst im Zuge der Öffnung der Mi-litärregime ab Mitte der 80er-Jahre konnten Projekte der politischen Bildung und der Parteienko-operation anlaufen, um durch Förderung demokratischer, rechtsstaatlicher und pluralistischerStrukturen den Übergang zu freiheitlichen politischen Systemen zu unterstützen. Die in den ersten20 Jahren etablierten Beziehungen der Stiftung zu Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Ver-waltung und Zivilgesellschaft erlaubten es, mit Beginn der Öffnungsprozesse kurzfristig geeigneteSchritte zur Demokratisierung einzuleiten.

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Lateinamerika

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Beginn der Arbeit mit SelbsthilfegruppenVon 1964 bis 1967 wurden Projekte für wirtschaftliche Führungskräfte in Guatemala, Peru, Chileund Brasilien durchgeführt. Partner waren private Institute für Unternehmensführung und Manage-mentschulung, Wirtschaftsverbände und Hochschulen. Ab 1970 verlagerte sich der Schwerpunktdieser Projekte zunehmend auf die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie des Ge-nossenschaftssektors in neun Ländern Lateinamerikas. Partner waren genossenschaftliche Schu-lungszentren und deren regionale Vereinigung ALCECOOP sowie nationale Dachverbände. Nach-folgend entstanden Projekte zur Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen durch Betriebs-beratungsdienste und Managementtraining in zehn Ländern. Ein weiterer Ansatz war die Förderungvorgenossenschaftlicher Betriebsformen von Kleinproduzenten, Indio-Dorfgemeinschaften, lokalenBasisgruppen und Selbsthilfeinitiativen in urbanen Elendsvierteln sowie die Fortbildung von staat-lichen Entwicklungsberatern für Basisprojekte in Peru, Kolumbien, Mexiko und der DominikanischenRepublik. Ein Sonderfall war der Aufbau einer Fischerei-Genossenschaft an der Pazifikküste, in Kooperation mit dem peruanischen Fischereiministerium und der Food and Agricultural Organization(FAO) der Vereinten Nationen. Auch diese Basisprojekte waren von gewaltsamen Konflikten in ihremUmfeld betroffen. Das zeigte die Ermordung eines Partners im Schulungszentrum der Genossen-schaften Guatemalas in Chimaltenango. Der FNF-Vertreter musste daraufhin aus Sicherheitsgründenin die Hauptstadt des Landes abgezogen werden.

Einsatz für Rechtsstaat und MenschenrechteDas erste Rechtshilfeprojekt entstand 1978 zur Ausbildung von 4.000 Friedensrichtern in Peru, inKooperation mit dem Obersten Gerichtshof und den Oberlandesgerichten der Provinzen. Friedens-richter in Indio-Dörfern und Elendsvierteln der Küstenstädte waren die unterste Instanz des Justiz-wesens mit 70 Prozent aller Streitfälle. Sie waren jedoch als juristische Laien unterqualifiziert. DasProjekt vermittelte praxisorientierte Ausbildung vor Ort und bot Fernlehrgänge und Radioprogrammean. Es folgte ein Vorhaben mit der Juristenkommission der Andenstaaten zur Fortbildung von Rich-tern und Staatsanwälten über Menschenrechtsfragen in der Rechtsprechung. Ein Projekt mit er-heblicher Multiplikatorwirkung entstand 1982 in Kooperation mit dem Interamerikanischen Institutfür Menschenrechte (IIDH) mit Sitz in Costa Rica zur Förderung der Menschenrechtserziehung inallen Staaten Lateinamerikas, u. a. durch die Erstellung von Lehrplänen und didaktischen Materialienfür Sekundarschulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung, eine Reform der Curricula für Ju-risten und die Fortbildung von Sicherheitskräften in Menschen- und Bürgerrechten. Das Programmerreichte 8.000 Teilnehmer aus diversen Zielgruppen pro Jahr. Die FNF setzte sich zudem in mehrerenLändern für die Rechte ethnischer/indigener Minderheiten ein, z. B. mit der Liga Maya Internaci-onal in Zentralamerika. Diese Arbeit führte 2001 erstmals zu einer lateinamerikanischen Konferenzvon Exponenten ethnischer Minoritäten in Rio de Janeiro, die große Resonanz fand.

Förderung freiheitlicher und kritischer MedienDas erste Medienprojekt begann 1979 nach dem Sturz der Diktatur in Nicaragua: der Wiederaufbau

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Radiostation im ersten Medienprojekt in La-teinamerika, Puerto Limon, Costa Rica, 1982

Ricardo Lopez-MurphyEhemaliger Finanz- und Verteidigungs-minister und Präsidentschaftskandidat, Argentinien, Vorsitzender des liberalen Netzwerkes RELIAL in Lateinamerika

„RELIAL verteidigt die Ideen einer offenenBürgergesellschaft, die Prinzipien desRechtsstaates und die unteilbare Freiheit ineinem Kontinent, in dem sich die totalitäreBedrohung in besonderer Vitalität zeigt. Unsere Tätigkeit erfolgt im Zusammenwirkenvon politischen Parteien und Thinktanks. Die Rolle der FNF war für uns lebenswichtig.Unsere Erfolge sind in hohem Maße derkraftvollen Synergie mit der Stiftung zu ver-danken. Die gemeinsamen Aktionen führtenzu starkem Widerstand der totalitären Geg-ner der Freiheit in der Region.“

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1. Dialog zur Demokratisierung der Streitkräfte zwischen General a. D. Wolf Graf von Baudissin und Staatspräsident Raúl Alfonsín (r.), Buenos Aires 1985 2. Prof. Dr. Bernhard Neumärker (2. Reihe Mitte), Gastprofessor der Theodor-Heuss-Akademie, mit Studenten an der Nationalen Universität UNAM, Mexico City, 20113. Ausbildung von jungen Stadträten im Bundesstaat Córdoba, Argentinien, 20084. Seminar für Friedensrichter mit dem Obersten Gerichtshof in Huacho, Peru, 1979

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des unter Diktator Somoza zerstörten Verlagsgebäudes und der Druckereianlage der TageszeitungLa Prensa, die während des Widerstandskampfes gegen die Diktatur das Sprachrohr der Oppositiongewesen war. Die Stiftung gewährte der Zeitung dafür einen Kredit. Aus den Rückzahlungen wurdenFortbildungsmaßnahmen für kritische Journalisten in Nicaragua finanziert. La Prensa und ihre He-rausgeberin Violeta Chamorro, eine der Führungspersönlichkeiten der Opposition, haben trotz Me-dienzensur der Sandinisten durch großen Mut und Beharrlichkeit eine unabhängige und kritischeBerichterstattung aufrechterhalten können und damit ein Mindestmaß an Pluralismus in den Print-medien bewahrt. Ein weiteres Medienprojekt begann 1982 in Costa Rica mit der Förderung ländli-cher Rundfunksender beim Aufbau regionaler Nachrichtenprogramme mit einer gemeinsamenNachrichtenagentur als Gegengewicht zum Informationsmonopol der hauptstädtischen Medien.Das Konzept wurde erfolgreich in fünf Ländern Zentralamerikas und später in Uruguay umgesetzt.

Politische Bildung als Schrittmacher der DemokratisierungDas erste Projekt wurde 1968 im demokratischen Kolumbien mit einer Bildungsstiftung begonnen,die von Spitzenpolitikern der liberalen Partei zur Qualifizierung von politischen Führungskräften,Bürgermeistern und Kommunalpolitikern gegründet wurde. Ähnliche Projekte folgten im Zuge derDemokratisierung Lateinamerikas ab 1978 in Kooperation mit Vorfeldorganisationen liberaler Par-teien, Thinktanks und Forschungsinstituten in 14 Ländern des Kontinents, darunter der Aufbau desStaatsbürger-Instituts in Peru, einer überaus erfolgreichen Vorfeldorganisation für politische Bil-dung. Diese Vorhaben führten zur Gründung der Föderation liberaler Parteien Zentralamerikas undder Karibik FELICA 1979, ihrer Jugendorganisation JULICA 1980, des liberalen Jugendverbandes La-teinamerikas FEJOL 1982 sowie des lateinamerikanischen Netzwerkes liberaler Parteien und Think-tanks RELIAL 2004, das sich bis heute ständig weiterentwickelt. Parallel dazu entstanden diverseVereinigungen liberaler Bürgermeister und Kommunalpolitiker in Argentinien, Brasilien, Kolumbienund Zentralamerika, die von der FNF durch Fortbildungen und Politikberatungen sowie Austausch-programme untereinander (Süd-Süd-Dialoge) gefördert wurden, um den Leistungsstand der kom-munalen Verwaltungen zu steigern. Komplementär zu den nationalen Projekten begann 1980 einRegionalprojekt für Bildung und Forschung mit liberalen Gruppen Lateinamerikas, das die Führungs-kräfte der Partner durch Politikdialog und Fachkolloquien auf regionaler Ebene sowie Publikations-reihen, die politische Zeitschrift „Perfiles Liberales“ (Liberale Profile) und aktuelle Nachrichten(„Liberale Aktualitäten“) unterstützte. Vor allem die Zeitschrift „Perfiles Liberales“ (Auflage 5.000,ab 2001 mit Internet-Version) wurde für viele Jahre zu einer politisch und intellektuell anspruchs-vollen und einflussreichen Stimme des Liberalismus in Lateinamerika. Ab 1993 erfolgte ferner derAufbau eines länderübergreifenden Netzwerkes von Seminarmoderatoren für politische Bildung vonPeru bis Mexiko.

Herausforderung für Liberale: das sozialistische NicaraguaEine besonders schwierige Situation ergab sich für die Liberalen in Nicaragua nach dem Fall Somo-zas. Die mit der FNF eng kooperierende Liberale Partei stellte in der Koalition mit den regierenden

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Internationales Seminar „Chile auf demWege zur Demokratie“, Santiago de Chile,1988

Sandinisten den Arbeitsminister Virgilio Godoy und war damit in die Kabinettsdisziplin eingebunden.Die Liberalen waren strikte Gegner der autoritären Politik der Sandinisten, konnten jedoch alsschwächerer Partner nur begrenzt Einfluss nehmen, was zu einem schwierigen Balanceakt führte.Für die FNF ergab sich ein ähnlicher Spagat: Sie förderte die politische Bildungsarbeit der LiberalenPartei, stärkte sie durch regionale und internationale Vernetzung, unterstützte das Arbeitsministe-rium mit Programmen für ländliche Basisgenossenschaften, kooperierte mit der oppositionellen Ta-geszeitung La Prensa und kritischen Journalisten, war aber gleichzeitig bestrebt, einen Politikdialogmit den Sandinisten zu führen. In diesem Kontext kam es u. a. zu einer Delegationsreise von sandi-nistischen Ministern unter Führung des Kommandanten Jaime Wheelock nach Deutschland. DieseBalanceakte wurden auch dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der FNF Ralf Dahrendorf anlässlicheines Besuches unserer Projekte in Managua deutlich. Als früherer Staatssekretär des AuswärtigenAmtes, ehemaliger Kommissar für Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft und Direktorder London School of Economics mit großer internationaler Erfahrung verwickelte er die sandinis-tischen Kommandanten im Gästehaus der Regierung in eine fesselnde Diskussion über den häufigunerwarteten Verlauf von Revolutionen, die die Gastgeber sehr nachdenklich zurückließ.

Förderung demokratischer Reformen in ArgentinienAb 1982 begann die Stiftung ein Projekt mit dem sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut CISEAin Argentinien, um die Folgen von 50 Jahren Militärherrschaft (mit kurzen demokratischen Inter-vallen) zu analysieren und Reformvorschläge zu unterbreiten. Das nach dem Rückzug der Militärsaus der Politik 1984 hinterlassene Erbe stellte die neue demokratische Regierung vor enorme He-rausforderungen. Die Führungskräfte vom CISEA übernahmen hohe politische Ämter, die FNF wurdedamit in Kernbereiche der Reformprogramme einbezogen. Im Auftrag von CISEA und FNF erarbeiteteein hoch qualifiziertes Team von Ökonomen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft unter Leitungseines Vizepräsidenten Prof. Jürgen Donges in einem dreimonatigen Beratereinsatz ein umfassendesGutachten zur Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Ergebnisse wurden Staatspräsident Alfonsín undden zuständigen Ministern persönlich vorgetragen, in den Sanierungsplan der Regierung übernom-men und in spanischer Sprache publiziert.

Ebenfalls 1984 wurde mit der Bildungsstiftung Arturo Illia, einer Vorfeldorganisation der regierendenlinksliberalen Bürgerunion UCR, ein Forum für Führungskräfte geschaffen, um wichtige partizipativeReformprojekte voranzutreiben. Ein spektakuläres Vorhaben war das erste zivil-militärische Dialog-programm in Argentinien: 1985 kam General a. D. Wolf Graf von Baudissin nach Buenos Aires, umin Gesprächen mit Präsident Alfonsín, Mitgliedern des Kabinetts, Parlamentariern beider Kammerndes Kongresses, dem Vereinigten Generalstab der Streitkräfte und Kommandeuren der Militäraka-demien die Führungsprinzipien einer demokratischen Parlamentsarmee am Beispiel der Bundeswehrvorzustellen. Nachfolgend fand ein Informationsprogramm für Verteidigungspolitiker, Verfassungs-juristen und Generalstabsoffiziere in Deutschland statt, um die Arbeitsteilung zwischen zivilen undmilitärischen Leitungsstrukturen im Rahmen einer Demokratie zu demonstrieren. Ergänzend be-

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Vorbereitung junger Kandidaten der Democratas auf Interviews im Fernsehstudio,Brasilien, 2008

Verfassungsseminar in Sao Paulo, Brasilien, 1987

Page 24: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

suchte der Verteidigungspolitiker Uwe Ronneburger, MdB, Buenos Aires, um Vorträge über parla-mentarische Kontrolle der Streitkräfte und die Rolle des Wehrbeauftragten vor Politikern und inMilitärakademien zu halten.

Beendigung der Militärherrschaft in BrasilienAb 1984 begann ein Neuprojekt der politischen Bildung in Brasilien, um die verschiedenen Strö-mungen liberaler Führungskräfte zusammenzuführen und die demokratische Öffnung vorzubereiten.Ende 1984 kam es zur Wiedergeburt des organisierten Liberalismus. Durch Abspaltung einer Libe-ralen Front aus der Regierungspartei PDB und Bildung einer Allianz mit der Oppositionspartei PMDBwurde der Regimewechsel eingeleitet. Die Mitglieder der Front gründeten die Partei der LiberalenFront PFL. Mit dem Bildungsinstitut der PFL wurde sofort eine enge Kooperation beim Aufbau de-mokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen vereinbart und viele Jahre erfolgreich umgesetzt.

Zivil-militärischer Dialog als Instrument der DemokratisierungAuch nach dem Wechsel zu demokratischen Regierungen behielten die Streitkräfte in Lateinamerikaoft eine Sonderstellung im Staate mit diversen Privilegien. Die Verteidigungsminister waren über-wiegend Militärs mit eigener Budgethoheit. Massive Menschenrechtsverletzungen wurden gar nichtoder nur schleppend aufgearbeitet. Die Sicherheitskräfte (Militär, Polizei und Geheimdienste) stelltenfür die zivilen Regierungen daher eine enorme Herausforderung dar, nicht zuletzt angesichts desRisikos erneuter Militärinterventionen. In diesem Kontext wurde die FNF in zahlreichen Ländernum Unterstützung gebeten. Ziele der Projekte zur Demokratisierung der Sicherheitskräfte waren:

1. Einführung des Primats der Politik, d. h. zivile Kontrolle aller Sicherheitskräfte, 2. Einsetzung eines zivilen Verteidigungsministers mit voller Kommandogewalt über das Militär,3. Abbau der Sondergerichtsbarkeit für Militär und Polizei, 4. Transparenz der Regelwerke und 5. Einführung des passiven und aktiven Wahlrechts für Militär- und Polizeiangehörige.

Die zivil-militärischen Dialogprogramme fanden grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeitstatt (nicht nur bei Einbeziehung der militärischen Geheimdienste), auch unter Beteiligung auslän-discher Kurzzeitexperten (z. B. hochrangiger Ex-Offiziere). Regelmäßig wurden spezifische Besuchs-programme für zivile und militärische Entscheidungsträger bei der Bundeswehr und der NATO inBrüssel einbezogen. Zwischen 1980 und 2002 wurden zivil-militärische Dialogprojekte in Argenti-nien, Brasilien, Chile, Uruguay, Peru, Ecuador, Nicaragua, Guatemala, Honduras und der Dominika-nischen Republik erfolgreich durchgeführt.

Beratung von Parlamenten und RegierungenDurch die engen Beziehungen der Stiftung mit politischen Parteien und Parlamentariern ergabensich vielfach Projekte mit Organen der Legislative und Exekutive, wie:

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Sergio SarmientoPublizist und Journalist,Ehrenvorsitzender des liberalen NetzwerkesRELIAL in Lateinamerika, Mexiko

„Als liberaler Rundfunk- und Fernsehjourna-list sehe ich es als meine Aufgabe an, für dieEntwicklung des Schwellenlandes MexikoStrukturreformen im Sinne von mehr bürger-licher und wirtschaftlicher Freiheit und Ver-antwortung anzumahnen. Seit mehr alssieben Jahren stehe ich in kontinuierlichemKontakt mit der FNF. In dieser Zeit hat dieOrganisation, deren Vorsitzender ich bin, ihreAktivitäten in enger Zusammenarbeit mit derFNF erweitert und verstärkt. Wie Caminos dela Libertad haben auch viele andere Organi-sationen in Mexiko von der Erfahrung, derVerbindung zum Ausland und dem Enthusi-asmus der FNF profitiert. Ich kann bezeugen, dass ‚die Naumann‘, wiesie in Mexiko bekannt ist, ohne Unterlassund in sehr unterschiedlichen Formen arbei-tet, um den Bürgern die Ideen von Freiheitund Marktwirtschaft zu erläutern, sie argu-mentativ zu untermauern und darzustellenund die Bürger dafür zu begeistern. Die Ar-beit der FNF mit den Jugendlichen ist außer-gewöhnlich. Sie hat es geschafft, einewachsende Anzahl an Personen von derÜberlegenheit dieser Ideen zu überzeugen,nicht nur im Sinne von wirtschaftlichemWohlstand, sondern auch im ethischen undmoralischen Sinne.“

• Beratungen der Verfassunggebenden Versammlung in Kolumbien und des Verfassungsrates von Grenada durch Kurzzeitexperten bis hin zur Ausarbeitung von Verfahrensregeln und Strategieansätzen in der Parlaments- und Fraktionsarbeit,

• Beratungen der Gemeindeverwaltungen in Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama, • Kooperation mit den Ausschüssen der nationalen Parlamente für den südamerikanischen gemeinsamen Markt MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Bolivien, Uruguay, Paraguay) in Fragen der wirtschaftlichen Integration und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit,

• Kooperation mit den zentralamerikanischen Parlamentskommissionen für Umweltschutz und Entwicklung durch gemeinsame Ausarbeitung und parallele Einbringung von Gesetzes-vorlagen in jedem Land,

• Beratung der Regierung Boliviens bei der Erarbeitung einer Gesetzesvorlage für den Ombudsmann,

• Ausbildung von Assistenten der Abgeordneten des Parlamentes in Chile, • Organisationsberatung des Außenministeriums in Guatemala durch Dr. Irmgard Schwaetzer,frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Vorstandsmitglied der FNF.

Förderung demokratischer WahlenIm Zuge der Demokratisierung Lateinamerikas gewannen Fragen der Wahlsysteme, der gesetzlichenGrundlagen und Durchführung von Wahlen an Bedeutung. Die FNF unterstützte das Lateinameri-kanische Zentrum für Wahlorganisation und Wahlgesetzgebung CAPEL des Interamerikanischen In-stituts für Menschenrechte (IIDH) bei entsprechenden Vorhaben in mehreren Ländern. So wurdenach dem Friedensvertrag in El Salvador 1992 die Regierung bei der Reform der Wahlgesetzgebung,der Organisation des Wahlregisters und den Vorbereitungen für die Präsidentschafts- und Parla-mentswahlen beraten. Ferner hat die Stiftung durch Ausbilder und Moderatoren Zehntausende vonWahlbeisitzern und Wahlhelfern in Ländern Zentral- und Südamerikas auf ihren Einsatz vorbereitet.

Liberale Umweltpolitik als neuer AnsatzZu einem neuen Themenschwerpunkt entwickelte sich ab 1990 die Umweltpolitik. Als Folge einesUmweltseminars der internationalen Akademie der Stiftung in Sintra, Portugal, entstand als neuerPartner das Umweltzentrum für das La Plata-Becken CACPLA, die erste nicht staatliche länderüber-greifende Umweltorganisation des Kontinentes, mit Sitz in Montevideo. Gründer waren Umwelt-schutzinitiativen aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, die einer liberalenUmweltpolitik zum Durchbruch verhelfen wollten. Parallel dazu unterstützte die Stiftung vorberei-tende Schritte für die UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ 1992 in Rio de Janeiro durch in-ternationale Konferenzen in San Carlos de Bariloche, Argentinien, und Belém, Brasilien, in Koopera-tion mit den Vereinten Nationen. Dieser Arbeitsschwerpunkt wurde 2012 im brasilianischen PortoAlegre wieder aufgenommen, wo Politiker und Thinktanks des Netzwerkes RELIAL begleitend zumRio+20-Gipfel marktwirtschaftliche Instrumente der Umweltpolitik entwickelten.

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Economic Freedom Network-Konferenz mitdem RELIAL, Mexiko, 2012

Dr. Wolfgang Gerhardt (l.) mit Mario VargasLlosa, dem RELIAL-Ehrenvorsitzenden, während des RELIAL-Kongresses „Ansätzeeiner liberalen Sozialpolitik in Lateinamerika“,Caracas, Venezuela, 2009

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Entwicklungen und thematische Schwerpunkte in neuerer ZeitNach Verabschiedung der Auslandsstrategie 1992 erfolgte eine stärkere Politisierung und Fokus-sierung der Projektarbeit. Sie verlagerte sich zunehmend auf die Kernaufgabe der Kooperation mitliberalen Parteien und Institutionen, während liberale Entwicklungsprojekte zurückgingen. Mit derDemokratisierung und Modernisierung Lateinamerikas konzentrierte sich die Projektarbeit der Stif-tung auf folgende Ziele:

1. Durchsetzung der Freiheitsrechte und politischen Partizipation der Bürger, 2. Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaat, 3. Sicherung von Menschen- und Bürgerrechten, besonders der Meinungs- und Pressefreiheit, 4. Erweiterung der wirtschaftlichen Freiheit.

Arbeitsschwerpunkte liegen in der Qualifizierung der Arbeit von liberalen Parteien und Thinktanks,insbesondere in den Themenbereichen Ordnungs-, Wirtschafts- und Umweltpolitik sowie Kommu-nal- und Jugendpolitik. Schwerpunktländer der Stiftung in der Region sind die SchwellenländerBrasilien und Mexiko, dazu Argentinien und Zentralamerika. Das für die Koordinierung der Aktivi-täten verantwortliche Regionalbüro hat seinen Sitz seit 2001 in Mexiko City. Der wichtigste Partnerauf regionaler Ebene ist seit 2004 das Netzwerk liberaler Parteien und Thinktanks LateinamerikasRELIAL (Red Liberal de América Latina), dem 40 Institutionen aus 17 Ländern des Kontinents ange-hören. Die im RELIAL zusammengeschlossenen Liberalen stehen mit den undemokratischen, popu-listischen Herrschern Lateinamerikas in einer elementaren, ideenpolitischen Auseinandersetzungum den Entwicklungsweg des Kontinents. Die Partner der FNF sind Stimmen der Freiheit im regio-nalen Kontext der Bedrohung politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Rechte und Freiheitendurch sozialistisch- oder rechts-autoritäre Regime.

Politische Rahmenbedingungen In Südost- und Ostasien dominierten bis Ende der 1980er-Jahre autoritäre politische Systeme. DieRegion galt aus historischen Gründen als Nachzügler der Demokratisierung. Die Kolonialherrenhaben die Bildung demokratischer Bewegungen nicht gefördert, noch weniger unabhängige poli-tische Parteien entstehen lassen. Folglich war der Kampf für Demokratie mit zwei Hindernissenkonfrontiert: den Kolonialmächten und den autoritären und feudalen Traditionen innerhalb derasiatischen Gesellschaften. Die Dominanz autoritärer Regime und Militärdiktaturen endete mit demDurchbruch demokratischer Systeme auf den Philippinen, in Thailand, Südkorea, Taiwan und Indo-nesien in den 1990er-Jahren. Seitdem setzen asiatische Demokraten ihre Hoffnungen auf eine weiterfortschreitende Liberalisierung und wachsende politische Freiheiten. Nur die kommunistischen Ein-

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Südost- und Ostasien

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1. Wahlkampfauftritt des Oppositionsführers Sam Rainsy in der Provinz Bantey, Kambodscha, 20092. Treffen des CALD-Vorstandes mit Aung San Suu Kyi, myanmarische Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin (1. von r.), in Yangon, Myanmar, 2011 3. Der erste Kongress von Liberal International in Asien, Manila, Philippinen, 20114. Gründung des Council of Asian Liberals and Democrats (CALD) mit Ministerpräsident Chuan Leekpai, Thailand (6. von l.) und Kim Dae-jung, Oppositionsführer

in Südkorea (4. von r.), Bangkok, 1993

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Parteien-Regime in der VR China, in Nordkorea, Vietnam und Laos blieben bisher von diesem Trendunberührt.

Regionale SchwerpunkteDie FNF hat sich in den 60er- und 70er-Jahren in Indonesien, Malaysia und Thailand engagiert. Inden 80er-Jahren erfolgte eine Ausweitung mit Neuprojekten in zahlreichen Ländern der Region. DieSchwerpunkte lagen in der Aus- und Fortbildung von Führungskräften der Angestellten-Gewerk-schaften, Jugendverbände, Wirtschaft, öffentlichen Verwaltung, ländlichen Entwicklung und ange-wandten sozioökonomischen Forschung. Mit Beginn der 90er-Jahre fokussierte sich das Engagementauf die Förderung von Demokratie, Rechtsstaat, gesellschaftlichem Pluralismus und Marktwirtschaft.Eine Besonderheit in der Region war der frühe Einsatz von Regionalprojekten mit Partnern aus zahl-reichen Ländern Asiens und Ozeaniens zur Bildung von Netzwerken zum gegenseitigen Austauschund für gemeinsame regionale politische Initiativen. Das für die Koordinierung der Aktivitäten ver-antwortliche Regionalbüro hatte seinen Sitz ab 1992 in Singapur, seit 2000 in Bangkok, Thailand.

Projekte der AufbauphaseSchwerpunktland der Stiftung in den ersten beiden Dekaden war Indonesien. Dort wurden von 1968bis 1988 neun Projekte durchgeführt: darunter der Aufbau der Handelskammer in West-Java, desInstituts für wirtschaftliche und soziale Forschung, Erziehung und Information (LP3ES) in Jakarta, derVerwaltungsakademie in Bandung, der Handwerkskammer in West-Java, der Stiftung für Selbsthilfe-Förderung YDD in Yogyakarta, der Indonesian Society for Pesantren and Community Development(P3M). Diese Konzentration ergab sich durch die hohe Absorptionsfähigkeit der indonesischen Part-ner, die mehrere Vorhaben bereits nach relativ begrenzter Laufzeit erfolgreich übernehmen konnten.

Die Arbeit in Malaysia begann 1972 mit dem Dachverband der Angestellten-Gewerkschaften zurFortbildung von Kadern der angeschlossenen neun Einzelgewerkschaften. Daraus entstand ein gro-ßes Regionalprojekt in Kooperation mit APRO-FIET, dem regionalen Spitzenverband von 43 natio-nalen Dachverbänden der Angestellten-Gewerkschaften aus 14 Ländern Asiens und Ozeaniens mitSitz in Singapur. Von 1972 bis 1990 wurden langfristige Fortbildungsprogramme für Bildungsbe-auftragte der Dachverbände und Führungskräfte in den Fachgruppen Banken, Versicherungen, Han-del und Industrie der 1,3 Millionen Gewerkschaftsmitglieder durchgeführt. Ein weiteres Regional-projekt startete 1975 in Kooperation mit dem Asian Youth Council (AYC), der Dachorganisation von17 nationalen Jugendverbänden Asiens und Ozeaniens mit Sitz in Kuala Lumpur, Malaysia, bei derAus- und Fortbildung von Jugendleitern durch nationale und regionale Seminare.

Förderung nicht staatlicher SelbsthilfeorganisationenIn Indonesien, Thailand und auf den Philippinen lag der Schwerpunkt des Engagements zu Beginnim Agrarsektor und in der gewerblichen Wirtschaft. Die ersten Projekte der integrierten ländlichenEntwicklung entstanden 1975 in Nordthailand mit dem Aufbau von 27 Spar- und Kreditgenossen-

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Hintergrundgespräche von Außenminister Dr. Guido Westerwelle mit Spitzenvertreternder Zivilgesellschaft aus dem Partner-spektrum der FNF, Bangkok, 2012

Einweihung des neuen FNF-Büros in Hanoidurch Manfred Richter, Vorstandsmitgliedder FNF, Dr. Philipp Rösler, Bundesministerfür Wirtschaft, Jutta Frasch, deutsche Botschafterin in Vietnam, Dr. Rainer Adam,Leiter des Regionalbüros Ost- und Südost-asien, und Cornelia Pieper, Staatsministerinim Auswärtigen Amt (v. l. n. r.), Vietnam,2012

schaften mit dem Landwirtschaftsministerium und nicht staatlichen Selbsthilfeinitiativen. Diesemündeten 1987 in ein nationales Projekt mit dem NGO-Coordinating Committee on Rural Deve-lopment zur Qualifizierung und Stärkung von Nichtregierungsorganisationen, die sich der Förderungsozioökonomischer Basisgruppen im ländlichen Raum widmeten. In Indonesien lag der Schwerpunktauf dem Aufbau von Handels- und Handwerkskammern sowie der Stärkung von kleinen und mitt-leren Betrieben durch nicht staatliche Projektträger.

Politische Bildung und Politikdialog in den 70er- und 80er-JahrenIn Malaysia begann 1974 eine Kooperation mit der nationalen Verbraucherschutz-OrganisationConsumers‘ Association of Penang (CAP), die sich neben Warentests, Rechtsberatung, Forschung,Lehre und Publikationen in der Umweltpolitik und Drogenbekämpfung engagiert hat sowie bei Um-weltskandalen spektakuläre Musterprozesse am Obersten Gerichtshof führte. CAP war nach 25 Jah-ren Förderung eine der erfolgreichsten und effizientesten Lobbyorganisationen für Bürgerrechteder Dritten Welt und ist bis heute in Malaysia eine nationale Institution. Aus diesem Projekt entstand1985 eine Kooperation mit dem Asia-Pacific People’s Environment Network (APPEN), dem Dachver-band aller Umweltschutzorganisationen der asiatisch-pazifischen Region. Schwerpunkte waren Auf-klärungs- und Aktionsprogramme zu Fragen der Umwelt- und Entwicklungspolitik unter Einbeziehungder direkt betroffenen Bevölkerungen und Politikdialog mit den Regierungen auf regionaler Ebene. In den 80er-Jahren entstanden zwei weitere Regionalprojekte:

1. Zusammenarbeit im Bereich der politischen Bildung mit dem Regional Institute for HigherEducation and Development (RIHED), einem Institut der ASEAN-Staatengemeinschaftzur Koordination der Erwachsenenbildung,

2. die Förderung des Politikdialogs mit dem South East Asian Forum for Development Alternatives (SEAFDA), einem Netzwerk nicht staatlicher Forschungs- und Aktionsgruppen für politikrelevante angewandte Studien.

Beide Projekte profitierten von den beginnenden Öffnungstendenzen in mehreren Ländern der Re-gion und ebneten den Weg zur Förderung der Demokratisierungsprozesse und Kooperation mit po-litischen Parteien in den 90er-Jahren.

Förderung von Marktwirtschaft und Reformpolitik in der VR ChinaSeit 1980 bestanden Kontakte der FNF zur Chinese Academy of Social Sciences (CASS), die mit 35Instituten und 3.500 Wissenschaftlern als führender Thinktank der Regierung gilt. Im Kontext dermarktwirtschaftlichen Öffnungspolitik in Peking fanden bilaterale Konferenzen und Delegations-reisen zum Politikdialog in China und der Bundesrepublik statt. Erste Projekte in China begannen1987 in Kooperation mit den Ämtern für Landwirtschaft der Provinzen Heilongjiang (Aufbau einesInformationssystems für agrarpolitische Analyse) und Hunan (Ausbau einer Schwerpunktfachschuleals Modellprojekt).

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Verhandlungen einer FNF-Delegation im Landwirtschaftsministerium der Zentral-regierung der VR China über die laufendenProjekte im Agrarsektor, Peking, 1990

Historisches Strategieseminar zur Reform-politik im Agrarsektor mit Führungskräftender Provinzen der VR China unter Leitungvon Du Runsheng, Mitglied des Zentral-komitees und des Staatsrates, Shenyang, 1991

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Aus diesen Ansätzen entwickelte sich rasch ein umfangreiches Projekt zur Förderung von Markt-wirtschaft und Reformpolitik in der VR China mit zahlreichen Komponenten und Partnern auf na-tionaler Ebene und in acht Provinzen. Die wichtigsten Partner waren das State Statistical Bureau(Aufbau eines nationalen Systems landwirtschaftlicher Gesamtrechnungen), die State Administra-tion for Industry and Commerce (Strategien zur Förderung der privaten klein- und mittelständischenWirtschaft, Liberalisierung der Produkt- und Faktormärkte), das China Centre for Economic Researchin Kooperation mit wirtschaftspolitischen Thinktanks, Instituten, Akademien und Universitäten inden Provinzen Liaoning, Hebei, Jiangsu und Shanxi (Weiterbildung in wirtschaftspolitischer Analyse,marktwirtschaftlicher Theorie und Empirie, Transformation sozialistischer Gesellschaften von derPlan- zur Marktwirtschaft), das Ministry of Agriculture, Peking (Ausbildung in modernen Methodender wirtschaftspolitischen Analyse), die Planning Commission, Provinzen Sichuan und Yunnan (Auf-baukurse zur Rolle des Staates in der Marktwirtschaft) und die Chinese Academy of Social Sciences,Peking (angewandte Forschung zur Reformpolitik mit dem Rural Development Institute). Weiterhinwurden Konferenzen zur Entwicklung eines modernen Wettbewerbsrechts/Kartellgesetzes mit demInstitute of Law veranstaltet, angewandte Feldstudien und Übersetzungen herausragender westlicherÖkonomen mit dem CASS-Verlag in Buchform herausgegeben – die vielfach Bestseller wurden –und schließlich in Kooperation mit dem Unirule Institute of Economy, Peking, eine Beratung desersten nicht staatlichen wirtschaftspolitischen Thinktanks liberaler Ausrichtung in China durchgeführt.

Aus der umfangreichen und komplexen Projektarbeit in China sei auf eine herausragende Maß-nahme hingewiesen: das historische Strategieseminar zur Reformpolitik im Agrarsektor mit Füh-rungskräften aus Provinzen der VR China in Shenyang, Provinz Liaoning, im Frühjahr 1992, aufWunsch und unter Leitung von Du Runsheng, Mitglied des Zentralkomitees (ZK) und des Staatsrates,Direktor des Rural Development Institute der Strukturkommission des ZK und als enger Berater vonDeng Xiaoping Pionier der marktwirtschaftlichen Reformpolitik in China, die er mit dem Selbstver-antwortungssystem im Agrarsektor 1979 eingeleitet hatte. Es war die erste Veranstaltung in China,um nach dem Reformstillstand 1989/90 wieder die marktwirtschaftliche Dimension zu stärken, nachder berühmten Reise von Deng Xiaoping nach Südchina, in deren Verlauf er als „elder statesman“einen Kurswechsel der Regierung erzwang, die Reformen wieder zu forcieren. Der entsprechendeBeschluss des Politbüros zur Fortsetzung der Reformpolitik erfolgte am 10.3.1992 und begründeteden Aufstieg Chinas zur globalen Wirtschafts- und Gestaltungsmacht in den folgenden zwei Dekaden.

Durch das starke und vielseitige Engagement der Stiftung und die überaus positive Resonanz derAktivitäten bei den Partnern wurde China für nahezu zehn Jahre zu einem Schwerpunktland inAsien. Leider kamen die Projekte zu einem abrupten Ende, als die chinesische Führung die FNF imJuli 1996 des Landes verwies, weil sie eine internationale Konferenz der Stiftung mit der tibetischenExil-Administration und den Tibet Support Groups im Juni 1996 in Bonn als Provokation und un-vereinbar mit dem Gastrecht in der VR China ansah. Das Stiftungsbüro in Peking wurde geschlossen.Die Partner wurden angewiesen, die Kooperation einzustellen.

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Fortschrittskontrolle mit der Regierung zumAufbau einer Modell-Fachschule für die VRChina in Changsha, Provinz Hunan, 1990

Verhandlungen mit dem Rektorat der Hanyang University über ein Projekt zur Förderung der kommunalen Selbstverwaltungund Dezentralisierung von Entscheidungs-strukturen in Südkorea, Seoul, 1986

Förderung der Demokratisierung und politischen Partizipation Mit dem Durchbruch demokratischer Systeme in der Region ab Ende der 80er-Jahre konnte dieStiftung ihren Fokus auf die Förderung demokratischer Parteien, Institutionen und Strukturen imTransitionsprozess von autoritären zu demokratischen Regimen verlagern. Ab 1987 förderte sie ander privaten Hanyang University in Seoul den Aufbau des Center for Local Autonomy (CLA), um imRahmen der Dezentralisierung Südkoreas die Selbstverwaltung der Gemeinden, Städte und Provinzendurch Bildungs- und Beratungsprogramme für kommunale Mandatsträger zu unterstützen. Darausentwickelte sich eine mehr als 20-jährige erfolgreiche Kooperation zur Stabilisierung der koreani-schen Demokratie an der Basis. Auf den Philippinen begann 1989 nach dem Fall der Marcos-Diktaturder Aufbau des National Institute for Policy Studies (NIPS), einer Vorfeldorganisation der LiberalParty, zur Förderung der demokratischen Entwicklung. In Thailand folgte noch vor dem Amtsantrittder demokratischen Regierung Chuan Leekpai die Kooperation mit der Democrat Party und landes-weit agierenden Bürgerforen zur Stärkung der politischen Partizipation. Angesichts von 17 Militär-putschen in Thailand in 30 Jahren wurde ein Programm zur Demokratisierung der Streitkräfte durch-geführt, u. a. durch Studienreisen für hochrangige Offiziere nach Deutschland und England zumDialog mit Führungsstäben der Bundeswehr, der British Armed Forces sowie der Verteidigungsmi-nisterien beider Länder. In späteren Jahren ergab sich eine sehr fruchtbare und innovative Koope-ration mit Thailands Wahlkommission.

Unterstützung der demokratischen Opposition in KambodschaNach Beendigung des Bürgerkrieges in Kambodscha durch den Pariser Friedensvertrag 1991 enga-gierte sich die FNF ab 1992 beim Wiederaufbau des Landes und im sehr schwierigen Demokratisie-rungsprozess. Die Projektarbeit konzentrierte sich auf die Stärkung nicht staatlicher Selbsthilfeini-tiativen der ländlichen Entwicklung, die Förderung von unabhängigen Menschenrechtsorganisatio-nen und die Zusammenarbeit mit der Buddhist Liberal Party und der Sam Rainsy Party im Rahmender politischen Bildungsarbeit und Politikberatung. Die Parteienkooperation wurde durch restriktiveund repressive Praktiken des autoritären Regimes außerordentlich erschwert, insbesondere wurdeOppositionsführer Sam Rainsy durch politisch gesteuerte Gerichtsverfahren ins Exil getrieben.Gleichwohl konnten die Partner bei der politischen Bewusstseinsbildung, der Einforderung rechts-staatlicher und freiheitlicher Prinzipien und bei Wahlen gewisse Erfolge erzielen.

Indonesien als DemokratielaborNach dem Sturz des Suharto-Regimes 1998 entwickelte sich Indonesien für viele Jahre zu einemLabor für Demokratisierungsinitiativen. Die Stiftung verfügte aus ihrer 30-jährigen Präsenz im Landeüber hervorragende Kontakte bis hin zum späteren Präsidenten Abdurrahman Wahid, mit dem dieZusammenarbeit zu einer Zeit begann, als er noch zu den Dissidenten zählte. Die FNF unterstütztepolitische Parteien bei der Vorbereitung auf die Wahlen, bildete 50.000 Wahlbeobachter aus, in-formierte die 117 Millionen Wahlberechtigten durch Fernsehen, Rundfunk und Zeitungen über dieBedeutung der Wahlen und das Wahlverfahren und führte mit den 300 bekanntesten Karikaturisten

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Dr. Surin PitsuwanGründungsvorsitzender des Council ofAsian Liberals and Democrats (CALD),ehemaliger Außenminister Thailands,ehemaliger Generalsekretär der ASEAN-Staatengemeinschaft

„Obwohl verschiedenartig, ist unsere ASEAN-Region vereint durch das gemein-same Streben, eine Gemeinschaft aufzu-bauen, in der die Völker Frieden,wirtschaftliche Prosperität und gute Lebens-qualität genießen können. Wir können diesnur erreichen durch den festen Glauben andie Werte fundamentaler Freiheiten, Demo-kratie, Menschenrechte und den Rechtsstaat.Für mehrere Dekaden eines andauernden En-gagements ist die Arbeit der FNF und desCouncil of Asian Liberals and Democrats instrumentell gewesen, unsere Gemeinschaftdarauf hinzulenken, diese Werte und dieseVision zu realisieren.“

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des Landes eine Kampagne für Toleranz und demokratisches Miteinander durch. Nach den Wahlenwurde im Rahmen eines EU-Projektes ein Parlamentarier-Netzwerk in Sumatra zur Aus- und Wei-terbildung von Abgeordneten der Distriktebene aufgebaut. Nach Ausgliederung der Polizei aus demMilitärapparat folgte ein Projekt der Stiftung mit dem Partner Police Watch zur Demokratisierungder Sicherheitskräfte in Indonesien.

Kooperation mit dem Dachverband liberaler Parteien in AsienDie in den Jahren des Umbruchs der autoritären Regime entwickelten Beziehungen der FNF mit li-beral orientierten Parteien in Südost- und Ostasien führten 1993 zur Gründung des regionalenDachverbandes liberaldemokratischer Parteien Asiens Council of Asian Liberals and Democrats(CALD). Ihm gehören heute Parteien aus 14 Ländern an. Der CALD wurde zum wichtigsten Partnerder Stiftung für politische Bildung und Politikdialog in der Region mit Konferenzen, Fortbildungen,Publikationen sowie politischen Aktionen zur Demokratisierung (Wahlbeobachtungen, Pressekon-ferenzen, Interviews, Resolutionen). Mit den CALD-Parteien besteht eine Kooperation auch auf na-tionaler Ebene durch die Fortbildung von Nachwuchs- und Führungskräften und Politikberatungen.Aus dieser Arbeit entstand 2003 auch der regionale Dachverband liberaler JugendorganisationenYoung Liberals and Democrats of Asia (YLDA), die erste demokratische Jugendorganisation des Kon-tinents überhaupt.

Zusammenarbeit mit Staatspräsident Kim Dae-jungEiner der CALD-Gründungsväter, der Oppositionsführer Südkoreas Kim Dae-jung, der mit der Stiftungim Rahmen ihres Korea-Projektes eng verbunden war, gründete 1994 das Forum of Democratic Lea-ders in the Asia-Pacific Region (FDL-AP) als internationale Demokratie- und Menschenrechtsorga-nisation. Dies führte zu einer Kooperation mit dem FDL-AP bei der Durchführung wichtigerKonferenzen zu aktuellen politischen Problemen in Asien (z. B. der Situation in Birma) sowie demjährlich stattfindenden „Young Leaders Workshop Asia“. In den Jahren nach der Wahl Kim Dae-jungs zum Staatspräsidenten 1997 und der Verleihung des Friedensnobelpreises an ihn, aufgrundseiner Rolle als führender Verteidiger der universellen Menschenrechte in Ostasien und seiner Ver-söhnungspolitik gegenüber Nordkorea, hat sich die Beziehung mit diesem außergewöhnlichenStaatsmann und seiner Partei, dem National Congress for New Politics, noch weiter intensiviert.

Unterstützung der demokratischen Opposition in MyanmarSeit 1990 unterstützte die FNF den Dialog der National League for Democracy (NLD) und ihrer cha-rismatischen Vorsitzenden Aung San Suu Kyi mit dem Militärregime in Myanmar. Im Mittelpunktder Projektarbeit stand das Ziel, einen föderativen Verfassungsentwurf zu erarbeiten. Er konntenach mehrjährigen Beratungen zwischen der birmanischen Exil-Organisation National Coalition ofthe Union of Burma (NCUB), der Parteiführung der NLD und den ethnischen Minderheiten mit As-sistenz der Stiftung fertiggestellt werden. Der Projektleiter der FNF in Bangkok fungierte dabei aufReisen nach Yangon als persönlicher Bote der Exil-Birmanen in Gesprächen mit Aung San Suu Kyi.

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Florencio AbadMinister für Budget und Management,ehemaliger Präsident des Parlamentes,Vorsitzender der Liberalen Partei Philippinen

„Wir sind inmitten einer grundlegenden Ver-änderung der Politik auf den Philippinen,indem die Welle der Reform sich zunehmendin Richtung transparenter, verantwortlicherund partizipativer Führung wendet. DieWende der Aquino-Administration zu guterRegierungsführung – ihrerseits ausgehendvon den Prinzipien des Liberalismus – findeteinen wertvollen Partner in der FNF, die einunermüdlicher Anwalt für fruchtbaren politi-schen Dialog und Reform der Regierungsfüh-rung im Lande geblieben ist.“

Eröffnung der CALD-Konferenz „PolitischeDimensionen der Globalisierung aus asiati-scher Perspektive“ durch Teofisto Guingona,Vizepräsident der Philippinen, Manila, 2000

Das Angebot der Opposition, den Verfassungsentwurf als Basis des Dialogs zwischen Militärregime,NLD und den ethnischen Minderheiten zu übernehmen, wurde jedoch von den Generälen 1997 ab-gelehnt. Die Projektarbeit konzentrierte sich in den Folgejahren darauf, die exilbirmanischen Partnerin Thailand zu unterstützen, sie in den Politikdialog in Asien einzubinden (NCUB wurde CALD-Mit-glied) und vertrauensvolle Kontakte über Kuriere zur NLD in Yangon zu unterhalten. In Kooperati-on mit dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNDP) und der EU wurden ferner Bildungs-projekte mit nicht staatlichen Partnern in Myanmar durchgeführt. Erst die politische Öffnung desLandes erlaubte es seit 2010, das Engagement zu intensivieren.

Einsatz für Menschen- und Bürgerrechte In fast allen Ländern der Region bestanden seit Mitte der 70er-Jahre Stiftungsprojekte mit einembreiten Spektrum nicht staatlicher Partner zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Sicherung vonMenschen- und Bürgerrechten. Aus diesem Netzwerk entstand 1993 eine einzigartige private Ini-tiative zur Errichtung eines zwischenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus in den ASEAN-Staaten. Die Gründer der Regional Working Group (RWG) repräsentierten die Elite der Menschen-rechtsaktivisten Südostasiens und waren hochrangige Exponenten aus Justiz, Politik, Wissenschaftund Zivilgesellschaft, darunter ein ehemaliger Sonderberichterstatter der UN für die Unabhängigkeitvon Richtern und Anwälten. Nach einem fast 20-jährigen zähen Verhandlungsprozess mit denASEAN-Regierungen konnte der Partner 2009 die Verabschiedung der ASEAN-Menschenrechtskom-mission und 2012 der ASEAN-Menschenrechtscharta erreichen. Die FNF hat durch ihre strategischeAssistenz und eine Serie von Konferenzen mit den Partnern und Regierungsvertretern der ASEAN-Staaten beim Europarat und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ent-scheidend zu diesem Erfolg beigetragen.

Liberalisierung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen Auf Initiative der FNF wurde 1998 das Economic Freedom Network Asia (EFN Asia) als regionalesNetzwerk von wirtschaftsliberalen Forschungsinstituten und Thinktanks in Asien gegründet. DieMitglieder setzen sich für marktwirtschaftliche Strukturen, offene Märkte und Freihandel ein. DieArbeit stützt sich auf den jährlich publizierten Economic Freedom of the World Report, dessen In-dikatoren den Grad wirtschaftlicher Freiheiten messen. Es werden jährliche Konferenzen zu Pro-blemen der Wirtschafts- und Ordnungspolitik im asiatischen Raum veranstaltet. Damit trägt dasNetzwerk dazu bei, den Austausch, die Zusammenarbeit und die Lobbyaktionen der Mitglieder sys-tematisch zu fördern. Die Thematisierung der Bedeutung wirtschaftlicher Freiheiten für das Leis-tungsprofil nationaler Volkswirtschaften ist ein Schwerpunkt der Projektarbeit der Stiftung in Asien.

Entwicklungen und Trends in neuerer ZeitDie Zusammenarbeit der FNF mit „klassischen“ Thinktanks und Forschungsinstituten hat in der Re-gion eine sehr lange Tradition. Mit der Demokratisierung und erheblich erweiterten Freiheitsgradender Zivilgesellschaften entstand eine neue Kategorie von Thinktanks und Bürgerinitiativen mit einer

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Sitzung aller Menschenrechtsaktivisten derregionalen und nationalen Arbeitsgruppenaus sechs Ländern, die sich für die Errichtungdes ASEAN-Menschenrechtsmechanismuseinsetzen, Jakarta, 2007

Dr. Marzuki DarusmanKo-Vorsitzender der ASEAN-Menschen-rechtslobby RWG, ehemaliger General-staatsanwalt und Parlamentarier, Indonesien

„Die Kooperation zwischen der RWG und der FNF war dauerhaft, dank eines geteilten Verständnisses darüber, was innerhalb derASEAN-Staatengemeinschaft tatsächlich erreichbar war, aufbauend auf sichtbarenVeränderungen, die den historischen Fort-schritt markieren, in Richtung auf eine immerdemokratischere, Menschenrechte respektie-rende und regelbasierte Regionalorganisation.“

Page 29: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

explizit freiheitlichen Agenda, wie das Freedom Institute, das Netzwerk liberaler Islam, das RadioForum Freiheit in Indonesien, die Internet-Zeitung Malaysiakini oder die Rechtshilfeinitiative in-tellektueller Frauen „Sisters in Islam“ in Malaysia. Sie sind heute Partner der Stiftung, überzeugenmit innovativen Ideen und Konzepten und eröffnen neue Perspektiven.

Als erste deutsche Stiftung hat die FNF 2004 den Dialog mit der Demokratischen VolksrepublikKorea (DVRK) aufgenommen. Das Programm umfasst Fachkolloquien und Workshops zur Reformdes Wirtschaftssystems, zu marktwirtschaftlichen Instrumenten der Wirtschaftspolitik und Erfah-rungen aus der Transformation sozialistischer Planwirtschaften sowie Informationsreisen für Füh-rungskräfte nach Deutschland. Darüber hinaus hat die Stiftung den informellen Dialog zwischender DVRK und der Europäischen Union durch hochrangig besetzte Foren über die Entwicklung derbilateralen Wirtschaftsbeziehungen in Brüssel und Pjöngjang organisiert. Im Frühjahr 2012 wurdeferner ein Neuprojekt der FNF zur Förderung marktwirtschaftlicher Transformation und Reformpolitikin der SR Vietnam begonnen. Inhalt ist die Beratung von Entscheidungsträgern der Regierung beimUmbau dirigistisch-planwirtschaftlicher Instanzen in Richtung marktwirtschaftlicher Strukturen.

Politische und regionale AnsatzpunkteDie Region Südasien umfasst die Länder der South Asian Association for Regional Cooperation(SAARC) und ist durch extreme Heterogenität ihrer Mitglieder gekennzeichnet. Das britisch-kolo-niale Erbe hat, bei allen Fehlentwicklungen, mit Indien und Sri Lanka zwei der ältesten liberalenDemokratien der Dritten Welt hervorgebracht, gleichwohl haben sich die politischen Systeme, In-stitutionen und Kulturen in Südasien sehr unterschiedlich entwickelt. In allen Staaten wurdenSchritte zur Liberalisierung der Wirtschaft eingeleitet, dennoch gingen die Reformen nicht weitgenug, um Defizite rascher abzubauen und Potenziale auszuschöpfen. In allen Ländern manifestierensich regionale, ethnische, religiöse und separatistische Konfliktstrukturen und Fundamentalismen,zumeist mit Rückwirkungen auf die Nachbarländer. Die FNF setzte sich in Südasien prioritär für dieModernisierung und Stärkung von Institutionen der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freienMarktwirtschaft sowie die Förderung von Freiheit und Verantwortung innerhalb der Zivilgesellschaftein. Ansatzpunkte waren und sind Wirtschaftsförderung, Stärkung des Rechtsstaates, der Men-schenrechte und aktiven Bürgerbeteiligung sowie Konfliktprävention und -bewältigung. Die Koor-dination der Aktivitäten erfolgt durch das Regionalbüro der FNF in New Delhi.

Regionale SchwerpunkteDie FNF hat sich in den 60er- und 70er-Jahren mit drei Pionierprojekten in Indien und Sri Lanka enga-giert. Seit 1980 entstanden 68 neue Vorhaben in Indien, Sri Lanka, Pakistan, Nepal und Bangladesch

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Südasien

(davon 31 in Indien). Partner waren Verbände von kleinen und mittleren Unternehmen, Industrie-und Handelskammern, Forschungsinstitute, Thinktanks, politische Institutionen, Bürger- und Men-schenrechtsinitiativen. Parallel entstanden Regionalprojekte zur Förderung der wirtschaftlichen In-tegration, des Rechtsstaates und Politikdialogs in Südasien.

Pionierprojekte der AufbauphaseDas erste Projekt in Südasien begann 1969 mit dem Aufbau der Akademie für Erwachsenenbildungdes Leslie Sawhny Programme of Training for Democracy (LSP) in Bombay, einer Initiative von MinooMasani, dem Gründer und Generalsekretär der liberalen Swatantra-Partei in Indien. Zielsetzung desPartners war es, Schlüsselgruppen gesellschaftlicher Führungskräfte aus Politik, Verwaltung, Wirt-schaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft für die aktive Mitarbeit an einem freiheitlichen, demo-kratischen Staatswesen zu gewinnen. Es wurden Lehrgänge und Kolloquien zu aktuellen Fragen derEntwicklungs-, Rechts-, Sozial-, Wirtschafts- und Medienpolitik in dem von der FNF errichtetenBildungszentrum in Deolali bei Bombay und dezentral in den Bundesstaaten der indischen Uniondurchgeführt. Das LSP hat zahlreiche Publikationen und ein Magazin für Wirtschafts- und Sozial-politik herausgegeben. Das Projekt lief 1985 aus und wird bis heute vom Partner erfolgreich fort-geführt. Mit einigen Trägern des LSP arbeitete die Stiftung bis 2008 über das Project for EconomicEducation zusammen, das landesweit liberale Ideen und Reformkonzepte verbreitete.

In Sri Lanka wurde 1972 die Zusammenarbeit mit dem Marga Institute aufgenommen. Der Partnerwurde damals als autonomes sozioökonomisches Forschungs- und Entwicklungszentrum gegründet,das durch interdisziplinäre, angewandte Feldstudien die Basis für konkrete Pilotprojekte und wich-tige Daten zur Entwicklung der nationalen Wirtschaft, vor allem des Agrarsektors, lieferte. Darüberhinaus wurden Forschungsstudien über Entwicklungsprobleme in den Regionen Süd- und Südost-asiens erstellt. Unter seinem Vorsitzenden Gamani Correa (ab 1974 Generalsekretär der UNCTAD)entwickelte sich das Marga Institute zu einer Institution mit internationalem Ansehen, die maß-geblich an der UNCTAD IV-Konferenz beteiligt war. Der Partner vermittelte der FNF auch die erstenKontakte zur Akademie der Sozialwissenschaften in der VR China. Seine Auftraggeber waren vorallem nationale Ministerien und internationale Organisationen. Herausragende Beispiele aus derlangjährigen Kooperation mit der FNF waren eine Studie über das Parteiensystem in Sri Lanka unddas Forschungsprojekt „Systematische Analyse der Regierungsvorschläge zur Lösung des ethnischenKonfliktes zwischen Singhalesen und Tamilen“ unter dem Titel „Macht-Dezentralisierung als Lösungdes ethnischen Konfliktes“. Das Marga Institute ist nach 40 Jahren erfolgreicher Arbeit eine der re-nommiertesten Institutionen Sri Lankas.

Ebenfalls 1972 begann in Sri Lanka die Kooperation der FNF mit der buddhistischen SarvodayaShramadana-Bewegung, einer von Dr. A. T. Ariyaratne gegründeten, eigenständigen Freiwilligenor-ganisation, mit dem Ziel, die Bevölkerung im ländlichen Raum durch Motivations- und Bildungs-maßnahmen zur Selbsthilfe und für entwicklungsrelevante Eigeninitiativen in ihren Dörfern zu mo-

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I. A. RehmanGeneralsekretär der Menschenrechts- kommission von Pakistan (HRCP)

„Die HRCP hat ein breites Mandat: Sie versucht, die bürgerlichen und politischenRechte der pakistanischen Bevölkerung zufördern und zu verteidigen. Wir haben einelangjährige Verbindung mit der FNF gehabtund finden, dass die Stiftung ein starkes In-teresse an politischen und gesellschaftlichenFragen sowie der Verbesserung der politischenund sozialen Lage der Bevölkerung hat. Wir finden diese Kooperation sehr nützlichfür unsere Arbeit.“

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1. Regionalseminar: „Die Rolle von Basisorganisationen im Entwicklungsprozess asiatischer Länder“, Bangalore, 19832. Mitgliederversammlung von Liberal Youth South Asia (LYSA), Cochin, Indien, 20083. Asia Liberty Forum mit Thinktanks aus 30 Ländern Asiens in New Delhi, 20134. Udaipur, Indien

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bilisieren. Die Stiftung förderte Dorfentwicklungsprogramme auf Selbsthilfebasis, die Ausbildungvon Nachwuchs- und Führungskräften sowie die Errichtung eines zentralen Ausbildungszentrums.

Schwerpunkt wirtschaftliche Selbstorganisation und LiberalisierungDie Ausweitung des Engagements in Südasien in den 80er-Jahren begann durch Projekte der länd-lichen Entwicklung in Indien, Pakistan und Nepal mit nicht staatlichen Partnern, nämlich die Förde-rung von der Basis getragener Initiativen durch Mobilisierung, Beratung und Ausbildung von Selbst-hilfegruppen, Führungskräften und Dorfkomitees. In Nepal wurden einkommensschaffende Maß-nahmen, die Ausbildung von Multiplikatoren und Rechtsberatung mit funktionaler Alphabetisierungvon Frauen und Mädchen (Analphabetenrate damals 97 Prozent) in abgelegenen Gebirgsdörferndes Himalaya kombiniert. Die Förderung der gewerblichen Wirtschaft wurde 1988 mit dem Dach-verband der Industrie- und Handelskammern in Sri Lanka eingeleitet. Ab 1990 folgten 17 Neupro-jekte in Indien in Kooperation mit den Dachorganisationen der Industrie- und Handelskammern(FICCI, ASSOCHAM, CECCH), dem Dachverband der Kleinindustrie ICSI, dem Dachverband der Un-ternehmerinnen ICWE sowie Verbänden der Kleinindustrie, des Handwerks und der Genossenschaf-ten in den Bundesstaaten. Kernbestand der Projektarbeit waren jeweils Beratung und Ausbildungfür klein- und mittelständische Unternehmen, Stärkung der Autonomie und Managementkapazitätender Verbands- und Kammersysteme als autonome Interessenvertretungen und Dialogprogrammezur Liberalisierung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Dieser Projektansatz wurdeflankiert durch die Kooperation mit renommierten Managementinstituten wie dem Indian Instituteof Management (IIM) und dem Entrepreneurship Development Institute of India (EDI). Ein heraus-ragender Erfolg der selbstbestimmten Gewerbeförderung sei hier genannt: Der Partner CooperativeDevelopment Foundation schaffte es, in neun indischen Bundesstaaten ein liberales Genossen-schaftsgesetz einzuführen. Die vorsichtigen Liberalisierungsschritte der indischen Regierung ab1991 begünstigten den Dialog der Stiftungspartner mit der Exekutive über den Abbau von Restrik-tionen sowie die komparativen Vorteile wirtschaftlicher Freiheiten und marktwirtschaftlicher Struk-turen für die indische Volkswirtschaft.

Das starke und vielseitige Engagement der FNF mit Verbänden und Kammern der Wirtschaft in Süd-asien führte 1994 zu einem innovativen Schritt auf regionaler Ebene. Seit Jahren war die Gründungeiner südasiatischen Industrie- und Handelskammer im Rahmen der South Asian Association forRegional Cooperation diskutiert worden, ohne sichtbares Ergebnis. Hier ergriff die FNF nun die Ini-tiative und brachte im Juni 1993 Vertreter der nationalen Industrie- und Handelskammern Südasiensauf einer Studienreise nach Brüssel zusammen. Auf einem Folgetreffen in New Delhi im Oktoberwurde die SAARC Chamber of Commerce and Industry (SCCI) gegründet und der Pakistaner S. M.Inam zum Vorsitzenden gewählt. Im Februar 1994 konnte die SAARC-Kammer in Dhaka, Bangla-desch, in Anwesenheit der Premierministerin und turnusmäßigen SAARC-Vorsitzenden Khaleda Ziafeierlich konstituiert werden. Damit begann ein bis heute andauernder Einsatz der Stiftung mit derregionalen Industrie- und Handelskammer für wirtschaftliche Integration, Zollpräferenzabkommen,

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Prof. Rajmohan GandhiEmeritierter Professor, University of Illinois,USA, ehemaliges Mitglied im Oberhaus des indischen Parlamentes, Ko-Vorsitzender desCentre for Dialogue and Reconciliation(CDR), Enkel des Mahatma Gandhi

„Trotz einigem beeindruckenden Wirtschafts-wachstum begegnet Südasien großenHemmnissen auf dem Wege zu ordentlicherRegierungsführung, Handel und guten Bezie-hungen innerhalb und zwischen seinen Län-dern. Die FNF hat eine beständige Rolle dabeigespielt, Südasiaten in ihren Bemühungen zuunterstützen, diese Barrieren zu verringern.Insbesondere applaudiere ich der Partner-schaft der Stiftung bei den Versuchen derSüdasiaten, die Beziehungen zwischen Indienund Pakistan und die Situation in Kaschmirzu verbessern.“

Page 31: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

Abbau von Handelsschranken und die Verteidigung wirtschaftlicher Freiheiten durch direkten Dialogmit den Regierungen. Das Projekt zeigt bis heute, dass zivile Netzwerke in einer heterogenen Regionmit unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsländer durchaus tragfähige Gemeinsamkeiten schaf-fen können.

Sozioökonomische Forschung, Politikanalyse und Einsatz für MarktwirtschaftAb 1980 entwickelte sich schrittweise eine Zusammenarbeit mit insgesamt elf privaten Forschungs-instituten und Thinktanks in Indien, Pakistan, Sri Lanka, Nepal und Bangladesch zur Förderung nichtstaatlicher Initiativen der gewerblichen Wirtschaft, ländlichen Entwicklung, Wirtschafts-, Finanz-,Umwelt- und Verbraucherpolitik. Maßnahmen waren angewandte Feldstudien, die Fortbildung vonMultiplikatoren und Dialogprogramme zur Reformpolitik. Dabei ging es um restriktive Bedingungenfür private Unternehmen, regulatorische Hürden der staatlichen Bürokratie, Ineffizienz, Verschwen-dung und Korruption im öffentlichen Sektor, staatliche Monopole (Banken, Versicherungen, Post,Energie, Telefon, Eisenbahn, Fluggesellschaften), Defizite in Infrastruktur und Ausbildung sowie po-litische Reformparalyse durch zerstrittene Parteien. Die Partner legten profunde Analysen überstrukturelle Defizite, öffentliche Fehlinvestitionen, Fehlanreize der Wirtschaftspolitik und bürokra-tische Hemmnisse vor, um die negativen Wirkungen der staatlichen Kontroll- und Lenkungspraxiszu demonstrieren. Mit den Thinktanks Rajiv Gandhi Institute, New Delhi, und Alternate SolutionsInstitute, Islamabad, wurden die Erkenntnisse der World Economic Freedom Reports des kanadischenFraser Institute und seines weltweiten Netzwerkes von 50 Instituten verbreitet. Dabei erfolgte eineenge Kooperation mit dem Economic Freedom Network Asia. In Indien wurde zudem die wirtschaft-liche Freiheit in einzelnen Bundesstaaten untersucht – ein Projekt mit großer politischer Folgewir-kung, da es die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Innovations- und Wettbewerbsfähigkeitim nationalen Kontext aufzeigte. Daran entzündete sich eine intensive Diskussion in den Medien.

Politische Bildung und PolitikberatungMitte der 80er-Jahre begannen neue Vorhaben der politischen Bildung und Politikberatung. Die Di-rektwahl der Distrikt- und Dorfparlamente in Nepal führte zur Förderung des Central PanchayatTraining Institute (CPTI), eines Ausbildungszentrums für Kommunalpolitiker und -beamte mit demZiel einer Qualifizierung und Stärkung der Parlamentarier gegenüber der mächtigen Staatsbüro-kratie. In Sri Lanka wurde die FNF aufgrund guter Beziehungen zur regierenden United NationalParty (UNP) 2002 gebeten, eine Politikberatung zum Thema „Reform der Parlaments- und Kommu-nalwahlen“ durchzuführen. Damit wurde erstmals in der Geschichte des Landes ein Vorschlag einerausländischen Einrichtung dem Parlament vorgelegt.

In Pakistan stellen das Erbe der Militärdiktaturen, die Islamisierungstendenzen im Rechtswesen undöffentlichen Leben sowie die feudalistischen Gesellschaftsstrukturen für liberale Kräfte in Politikund Zivilgesellschaft besondere Herausforderungen dar. Die Partner der Stiftung, wie das LiberalForum Pakistan, Individualland u. a. engagierten sich im politischen Diskurs, in der Fortbildung po-

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Präsentation des World Economic FreedomReport – Ausgabe Pakistan, mit dem Partner-Thinktank Alternate Solutions Institute,Islamabad, 2006

Convention on Liberal Values mit einer Vielzahl von hochrangigen indischen Führungskräften, moderiert von Dr. Otto GrafLambsdorff, Vorsitzender des Vorstandes derFNF, und Sir David Steel, Präsident von Liberal International, in New Delhi,1996

litischer Führungs- und Nachwuchskräfte und in der aktiven Mitwirkung an politisch wichtigenVorhaben: Entwicklung des Regierungsplans für die Kommunalwahlen, Gesetzesentwürfe für Ge-meindefinanzierung, Wahlrecht und Parteien.

Die Kooperation mit den liberalen Bürgerinitiativen Association of Youth for a Better India, LiberalYouth Forum India, Council for Liberal Democracy (CLD) und Liberal Youth Guilds in Sri Lanka mitihrer Academy for Political Leadership sowie dem Liberalen Forum in Pakistan dienten der Qualifi-zierung gesellschaftlicher Führungskräfte und der Verbreitung liberaler Reformkonzepte. Besonderserfolgreich waren die Liberal Youth Guilds, aus deren Reihen bereits vier Parlamentsabgeordneteund etliche Mandatsträger auf lokaler und Provinzebene hervorgegangen sind. Der internationalrenommierte srilankische Partner Centre for Policy Alternatives hat mit einer vielbeachteten Publi-kationsserie zu brennenden verfassungspolitischen Themen den politischen Diskurs in Sri Lankastark beeinflusst.

Kooperation mit der tibetischen Minderheit in IndienIn Indien leben heute etwa 100.000 Tibeter, Flüchtlinge aus der VR China und deren Nachkommen.Sie verfügen über einen Flüchtlingsstatus, sind also keine indischen Staatsbürger. Der indische Staatstellt ihnen Identitätsdokumente aus, die auch Auslandsreisen ermöglichen. Freizügigkeit hinsicht-lich kultureller und religiöser Belange sowie Bildung und Erziehung ist gewährleistet, aber politischeBetätigung, die die indischen Beziehungen zu China tangiert, ist der Gemeinschaft und ihren Insti-tutionen nicht erlaubt.

Seit 1991 besteht eine Partnerschaft der FNF mit dem Parlament der Exil-Tibeter, der Assembly ofTibetan People’s Deputies (ATPD) mit Sitz in Dharamsala, Bundesstaat Himachal Pradesh, Nordindien,und seinem Forschungszentrum, dem Tibetan Parliament and Policy Research Center (TPPRC) inNew Delhi. Das Zentrum führt politische Bildungsarbeit unter Multiplikatoren der Exil-Tibeter inganz Indien durch, um das Bewusstsein der Tibeter im Sinne von Demokratie, Rechtsstaat und in-nerer Autonomie für ihr Land zu schärfen, Nachwuchskräfte auszubilden und den Kontakt zwischender tibetischen Selbstverwaltung in Dharamsala und den weit verstreuten tibetischen Siedlungenin Indien zu vertiefen. TPPRC bereitet Wahlen zum Parlament der Exil-Tibeter vor und schult Wahl-helfer, es dokumentiert die Arbeit des Parlamentes, um die Exil-Tibeter über diese informiert zu hal-ten. Durch Konferenzen, Seminare und Publikationen versuchen die Partner, Unterstützung für dieBürger- und Menschenrechte der Tibeter zu gewinnen. TPPRC fungiert als Thinktank der demokra-tisch gewählten ATPD. Die FNF tritt weltweit für die Bürger- und Menschenrechte ein, dies gilt auchfür die Rechte ethnischer Minderheiten. Die Stiftung hat von 1996 bis 2007 mehrere Konferenzender weltweiten Tibet-Unterstützungsgruppen in Europa in Zusammenarbeit mit dem Dalai Lama undder ATPD unterstützt. Die Kooperation mit den Exil-Tibetern konzentriert sich seit 2008 auf dieStärkung demokratischer Strukturen und Verfahren ihrer Selbstverwaltungsorgane in Indien.

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S.H. der XIV. Dalai Lama Tenzin GyatsoFriedensnobelpreisträger

„Die FNF hat in den letzten 50 Jahren Men-schenrechte, Demokratie und den Rechtsstaatin mehr als 60 Ländern der Welt gefördert.Darin einbezogen war eine standhafte Unter-stützung für tibetische demokratische Bestre-bungen. Seit meiner Kindheit in Tibet habeich die Notwendigkeit für die tibetische Ge-sellschaft erkannt, sich zu ändern und dermodernen Welt anzupassen. Doch unsereVersuche, Reformen einzuführen, wurdenvereitelt, während ich noch in Tibet war. Nachdem wir ins Exil kamen, haben wir denAufbau demokratischer Strukturen für die tibetische Selbstverwaltung, die als Arbeits-modell für die Zukunft unseres Landes die-nen würden, als von höchster Bedeutungangesehen. In den letzten beiden Dekaden istdie FNF ein zuverlässiger Partner gewesen,indem sie uns half, unsere demokratischenInstitutionen zu stärken und eine neue Ge-neration tibetischer Führungskräfte heranzu-bilden, durch Training notwendiger Fertig-keiten, um unsere Demokratie eine lebendigeRealität werden zu lassen.Anlässlich ihres goldenen Jubiläums möchteich meine Glückwünsche aussprechen undviel Erfolg wünschen.“

Page 32: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

Einsatz für Menschen- und BürgerrechteDie ersten Rechtshilfeprojekte entstanden 1989 in Pakistan. Partner der Stiftung waren die Men-schenrechtsorganisation Human Rights Commission of Pakistan, die AGHS Legal Aid Cell und dasKomitee zur Abschaffung der islamischen Hudood-Gesetzgebung. Sie unterstützten vor allem dis-kriminierte Frauen in islamischen Familien- und Eherechtsfragen sowie zu Unrecht verurteilte min-derjährige Mädchen. Herausragende Persönlichkeit der Partner war die prominente Anwältin beimObersten Gerichtshof und Menschenrechtsaktivistin Asma Jahangir, Mitbegründerin der Menschen-rechtskommission und Initiatorin der AGHS Legal Aid Cell. Sie unterhielt ein Haus für verfolgteFrauen, verteidigte diskriminierte Frauen in exemplarischen Gerichtsprozessen und bekämpfte frau-enfeindliche Gesetzestexte und Rechtsprechung. Sie wurde damit zum Feindbild der konservativenislamischen Gesellschaft und u. a. Ziel einer Fatwa und eines Attentats. Asma Jahangir ist Trägerindes Freiheitspreises von Liberal International und war zweifach Sonderberichterstatterin der Ver-einten Nationen (zunächst für außergerichtliche und Massen-Hinrichtungen sowie standrechtlicheErschießungen, nachfolgend für Religions- und Glaubensfreiheit).

In Pakistan erstellte die FNF 2000 mit dem Fazaldad Human Rights Institute ein Basis-Curriculumzur Menschenrechtserziehung an Schulen sowie ein Trainingsprogramm für Lehrer. Auf dieser Basiswurden über 900 Menschenrechtssendungen von insgesamt 17 Rundfunksendern in neun Landes-sprachen ausgestrahlt. Ferner wurden in allen pakistanischen Kinos im Vorprogramm drei- bis fünf-minütige Menschenrechtsfilme gezeigt. Mit der Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI)und ihren pakistanischen Partnern erfolgte 2010 die Vorbereitung eines Informationsfreiheitsge-setzes in Pakistan, in dem das Recht auf Information gesetzlich verankert wird. Die CHRI hatte inIndien mit Unterstützung der Stiftung als Teil einer NGO-Koalition einen wichtigen Beitrag zur Ein-führung eines solchen Gesetzes geleistet, das seither einen wesentlichen Schub an Transparenz be-wirkt hat. Das Centre for Peace and Development Initiatives (CPDI) begann 2010 mit einer breitangelegten Kampagne zur Gesetzesreform. In ganz Südasien bildet die Stiftung Moderatoren ausund verbessert dadurch die Reformarbeit.

In Indien erfasste die FNF in einem 2006 bis 2008 von der EU geförderten Projekt „Preventing Tor-ture“ mit People’s Watch Tamil Nadu über 6.000 Fälle von Folter in Polizeihaft und brachte sie vorGerichte und Menschenrechtskommissionen – und zwar in neun indischen Bundesstaaten. Die Datenwurden für eine nationale Kampagne genutzt, um Öffentlichkeit und Politik zu sensibilisieren undrechtsstaatliche Strukturen durchzusetzen. Zugleich half die Stiftung bei der Initiierung eines süd-asiatischen Netzwerkes zur Polizeireform. Da eine Reform der Polizei und das Recht auf Informationin allen Staaten Südasiens zentrale Anliegen sind, baut die Commonwealth Human Rights Initiativezu beiden Themen zivilgesellschaftliche Netzwerke auf. Auf regionaler Ebene hat die Stiftung fernermit verschiedenen südasiatischen Menschenrechts- und Minderheitengruppen zu den ThemenRechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsschutz und friedliche Konfliktlösung zusammengearbeitet.

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Maja DaruwalaDirektorin, Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI)

„Rechte brauchen Anwendung und Demokra-tien brauchen Kommunikationsflüsse, Partizi-pation und Transparenz. Daher hat unsereOrganisation bewusst den Weg gewählt, fürden Zugang zur Justiz und den langfristigenZugang zu Informationen zu arbeiten, denndies sind schwierige Herausforderungen. Wirglauben, dass sie lebenswichtig sind, um De-mokratie perfekter zu machen und eine freieGesellschaft zu verwirklichen. Der singuläreBeitrag der FNF bestand in ihrer Bereitschaft,diesen Weg mit uns langfristig zu gehen undunterwegs nicht zu ermüden.“

Konferenz des Council of Asian Liberals andDemocrats (CALD) „Schaffung von Wohlstandund nachhaltiger Entwicklung“ mit Premier-minister Ranil Wickremesinghe, Sri Lanka, Dr. Wolf-Dieter Zumpfort, stellv. Vorsitzenderdes Vorstandes der FNF, Senator Franklin Drilon, Philippinen, CALD-Vorsitzender,Florencio Abad, Vorsitzender der Liberal Party,Philippinen, und Sam Rainsy, Oppositions-führer, Kambodscha (v. r.), Colombo, 2003

Schwerpunkt Konfliktprävention und Friedenssicherung in SüdasienDie FNF hat sich mit ihren Partnern mehrfach in Konfliktsituationen in Südasien engagiert, um aufder Ebene des Dialogs zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und staatlichen Organen Beiträgezum politischen Konfliktmanagement zu leisten. Ob durch den Bürgerkrieg in Sri Lanka, maoistischeAktionen in Nepal und Indien oder die Gewalt in Kaschmir, der Frieden und damit die Freiheit inund zwischen den Staaten Südasiens waren gefährdet. Deshalb erfolgten in Nepal 1993 Verfas-sungsberatungen der Regierung mit dem Partner Nepal Law Society durch Kurzzeitexperten derFNF, um den Übergang vom autoritären zum demokratischen Regierungssystem zu unterstützen.In Sri Lanka wurde nach Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition im Jahr 2000 im Rah-men eines Verfassungsforums des Partners Institute for Democracy and Leadership (IDL) mit Regie-rung, Opposition und allen ethnischen Gruppen eine Analyse der gegebenen Handlungsalternativenim ethnischen Konflikt vorgenommen. Nach dem Ende des Bürgerkrieges in Sri Lanka wurde 2010mit dem Centre for Policy Alternatives eine Studie zur Dezentralisierung erstellt.

Der langjährige Konflikt in Kaschmir, der die gesamte Region tangiert, hat zahlreiche einflussreicheInteressengruppen entstehen lassen, die in den Friedensprozess einbezogen werden müssen. DerPartner Centre for Dialogue and Reconciliation (CDR) in Indien, gegründet von Rajmohan Gandhi,einem Enkel des Mahatma, bringt diese Akteure zusammen und bietet ihnen eine Diskussionsplatt-form, um gemeinsam Konfliktlösungen zu erarbeiten. Das CDR fördert auch Begegnungen für zivil-gesellschaftliche Akteure aus Indien und Pakistan an, z. B. einen Wettbewerb für die juristischenFakultäten beider Länder mit simulierten Gerichtsverhandlungen zur Konfliktregulierung. Dadurchwurden neue Dialog- und Kommunikationskanäle eröffnet.

Lange vor dem Fall der Berliner Mauer und der Implosion des kommunistischen Herrschaftssystemsin den Staaten Mittel-, Südost- und Osteuropas wurden bereits Mitte der 70er-Jahre politischeKontakte, insbesondere nach Warschau und Prag, aufgenommen. Die Neue Ostpolitik der Ära Brandt/Scheel stand seit 1969 unter dem Motto „Wandel durch Annäherung“. Es entstanden neue Mög-lichkeiten eines West-Ost-Dialogs aufgrund internationaler Entwicklungen und interner Zwängeder Sowjetunion zur Modernisierung ihrer Volkswirtschaft. In diesen Zusammenhang gehört auchdas Viermächteabkommen über Berlin von 1971. Der Geist einer vorsichtigen Verständigung führtezu einer Reihe zwischenstaatlicher Verträge mit den Nachbarn Deutschlands im Osten und gipfelte1975 mit der Schlussakte von Helsinki in der Gründung der Konferenz für Sicherheit und Zusam-menarbeit in Europa (KSZE, seit 1995 OSZE) mit mittlerweile 57 Teilnehmerstaaten und Sitz in Wien.

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Mittel-, Südost- und Osteuropa, Südkaukasus und Zentralasien

Dr. Irmgard SchwaetzerVorstandsmitglied der FNF, beim Vortrag aufdem Symposium „Verfassungen für die Frei-heit: 60 Jahre Demokratie in Deutschlandund Indien“, New Delhi, 2010

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Dieser Staatenkonferenz und späteren ständigen Organisation zur Friedenssicherung und zum Wie-deraufbau nach Konflikten gehören alle Staaten Europas, die Türkei und seit November 2012 auchdie Mongolei sowie die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die USA und Kanada an. Konsultationstatt Konfrontation war zum neuen Leitbild eines Weges west-östlichen Dialogs geworden.

Bereitstellung von Fördermitteln aus dem BundeshaushaltDurch die Bereitstellung von Fördermitteln sowohl aus dem Auswärtigen Amt als auch aus demBundespresseamt waren bereits ab 1980 erste Treffen mit Journalisten und Persönlichkeiten ausdem Wissenschafts- und Kulturmilieu Polens, der Tschechoslowakei und Ungarns möglich. Es kamzu mehreren Besuchsprogrammen, an denen liberal denkende Intellektuelle und Journalisten teil-nahmen, u. a. der einflussreiche Dariusz Fikus, Generalsekretär des polnischen Journalistenverbandes,und Krzysztof Klinger, der Sekretär für auswärtige Beziehungen des Verbandes (SDP). Die Verhängungdes Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981 als Reaktion auf die angewachsene Macht der Soli-darnosc-Bewegung beendete diesen Austausch zwar abrupt, beschleunigte aber zugleich die weiteredemokratische Entwicklung im kommunistischen Machtbereich.

Selbstbestimmung und Freiheit in Mittel-, Südost- und Osteuropa (MSOE)Die unwahrscheinlichste aller erhofften politischen Entwicklungen war eingetreten. Die kommu-nistischen Vasallenregime der Sowjetunion waren zum Ende der 80er-Jahre in einer atemberau-benden Geschwindigkeit zusammengebrochen. In den Ländern, in denen kommunistischer undfaschistischer Terror und die Schrecken des Zweiten Weltkrieges am furchtbarsten gewütet hatten,wo demokratische Entwicklungen entweder noch nie oder nur für kurze Zeit zwischen den Welt-kriegen stattgefunden hatten, verwirklichte sich das wichtigste Prinzip des Liberalismus, nämlichdas Recht des Bürgers auf Selbstbestimmung und Freiheit, allerdings ohne dass dies den neu ent-standenen liberalen Parteien zugutekam.

Erste Büros in Budapest, Warschau und PragDas erste Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Ungarn eröffnete Dr. Martin Ban-gemann, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung, im Jahre 1989 in der vorsichtigen Hoffnung, dassdie Entwicklung der Region bald weitere Büros in anderen Ländern ermöglichen würde. Bereits einJahr später hatte sich eine ständige Zusammenarbeit mit Partnern in Polen, der Tschechoslowakei,Rumänien, Bulgarien und Jugoslawien etabliert. Gleich zu Beginn des Systemwechsels wurde dieFriedrich-Naumann-Stiftung überall dort tätig, wo liberale Gruppierungen, Parteien oder Einzel-persönlichkeiten fachliche und organisatorische Beratung, Informationen und Kontakte benötigten.Im Grunde war alles gleichzeitig vonnöten – und das in so vielen Ländern des ehemaligen Ostblocksmit Millionen von Menschen, deren Bedürfnisse nach Freiheit und materiellem Wohlstand keinesfallsso rasch erfüllt werden konnten, wie sie sich erhofft hatten. In den MSOE-Staaten musste der Sys-temwandel zu Demokratie und Marktwirtschaft in allen Bereichen gleichzeitig umgesetzt werden.Dies geschah auf der Basis einer maroden Infrastruktur, eines zusammengebrochenen Wirtschafts-

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Grigory YavlinskyEhemaliger Vorsitzender der liberalen RussianUnited Democratic Party (Yabloko), ehemaliger Präsidentschaftskandidat Russlands

„Der Beginn der Partnerschaft von Yablokomit der FNF geht auf die Tage der Öffnungihres Moskauer Büros und die Gründung un-serer Partei zurück. Unsere Partnerschaft hatdemonstriert, wie effizient die Interaktionzwischen einer Stiftung mit reicher Erfah-rung in der Förderung demokratischer Werteund Unterstützung demokratischer Projekteund einer neu geschaffenen Partei unter denschwierigen russischen Bedingungen seinkann. Wir wissen die große Zahl gemeinsa-mer Projekte zu schätzen. Viele derjenigen,die an solchen Programmen teilgenommenhaben, nutzen die erworbenen Kenntnisseund Erfahrungen in ihrer heutigen politischenArbeit. Ich persönlich schätze den Wert meiner kontinuierlichen Kommunikation mitOtto Graf Lambsdorff und anderen Führernder FDP und der FNF. Mit Unterstützung vonFDP und FNF wurde Yabloko Vollmitglied der Liberalen Internationale und in der Allianzder europäischen Liberalen und Demokraten(ALDE). Im Namen von Yabloko und meinemeigenen wünsche ich der FNF weitere erfolg-reiche Arbeit bei der Verteidigung der Freiheitund liberalen Demokratie in Deutschland undweltweit.“

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1. Dr. Siim Kallas, Vizepräsident der EU-Kommission, stellt im Europäischen Parlament liberale Reformkonzepte von Stiftungspartnern aus Osteuropa vor, Brüssel, 20082. Internationale Konferenz mit Vladimir Ryshkov, Abgeordneter der Staatsduma, Dr. Falk Bomsdorf, Projektleiter der FNF in Russland (v. r.), Belokuricha, 20053. Registan-Platz in Samarkand, Usbekistan 4. Boris Nemzow, stellv. Ministerpräsident Russlands, und Dr. Otto Graf Lambsdorff im intensiven politischen Gedankenaustausch in Moskau, 1993

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und Sozialsystems, einer leistungsschwachen und gefährlichen Energiewirtschaft, eines kommu-nistischen Erziehungs- und Bildungssystems und ohne Erfahrungen mit demokratischen Prozessen.

Mit vereinten Kräften für die ErneuerungDie Begeisterung des Jahres 1989 wich alsbald großer Ernüchterung. Die Angleichung der Wirt-schafts- und Sozialleistungen an die Standards der westlichen Welt verlief weniger dynamisch alserwartet und stärkte dadurch die noch vorhandenen restaurativen Kräfte, die eine Rückkehr zumalten System betrieben und damit den Prozess der Demokratisierung stark behinderten. Die Arbeitder Stiftung hatte sich auf dieses schwierige Umfeld der Partner einzustellen, die selbst keineswegsstabil waren. Flankierende Veranstaltungen bot der Politische Club am damaligen Sitz der Stiftungin Königswinter an, aber auch in Bonn und Berlin. Bewegend war dort der Auftritt der tschechischenKünstlerin Marta Kubisova, einst eine Mitkämpferin von Alexander Dubcek im „Prager Frühling“und Sängerin des berühmt gewordenen Liedes „Gebet für Marta“, mit dem sie vor 200.000 Menschenim Jahre 1989 auf dem Prager Wenzelsplatz zum Kampf für die Freiheit aufgerufen hatte. In denDialogprogrammen in Washington D.C., in New York und Brüssel, aber auch in Städten wie Bratislavaund Wien, wurden der Werte- und Systemwandel Osteuropas zur Diskussion gestellt, der Abbauvon Vorurteilen befördert und der Aufbau von Kontakten zu internationalen Organisationen wiezur UNO, zur Weltbank, zur Europäischen Union, zum Europarat und zum Deutschen Bundestagunterstützt. Informationsreisen und Besuchsprogramme in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kulturund Medien erforderten weitreichende Kompetenzen und Kapazitäten und damit ein Höchstmaßan Engagement auf beiden Seiten der ehemaligen Sperrzäune.

Neue Haushaltstitel für die TransformationsstaatenDie vorhandenen Haushaltsmittel reichten bei Weitem nicht aus, um die vielen neuen Aufgaben zufinanzieren. Das Auswärtige Amt, vor allem aber das Bundeministerium für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung (BMZ) konzipierte mit Unterstützung des Deutschen Bundestages und inenger Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien und den politischen Stiftungen speziell für denBedarf pluralistischer, gesellschaftspolitischer Arbeit in den MSOE-Staaten neue Haushaltstitel. Füreinen Großteil der MSOE-Staaten trafen nämlich die Kriterien für Entwicklungsländer bei der Ver-gabe öffentlicher Fördermittel nicht zu, da sie z. B. in militärisch genutzter Technologie und anderenSektoren hoch entwickelt waren. Die Staaten des schon 1949 gegründeten ehemaligen Comecon-Paktes befanden sich nicht in einem herkömmlichen Entwicklungsprozess, sondern in einer schwie-rigen Phase der Transformation von einer Diktatur in ein demokratisch-freiheitliches System.

Etappen des Regionalbüros MSOEDie Steuerung der gesellschaftspolitischen Arbeit in Mittel-, Südost und Osteuropa wurde nacheinem kurzen Intermezzo in Prag im Jahre 1992 an den Sitz der damaligen Geschäftsstelle in Kö-nigswinter verlegt. Als sehr vorteilhaft erwies sich die unmittelbare Nähe zur Bundesregierung undzum Bundestag, zu den Journalisten und zahlreichen Thinktanks. Die große Zahl der Besuchspro-

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Prof. Vesna PusicVizepremierministerin und Außenministerinvon Kroatien, ehemalige Vorsitzende der liberalen kroatischen Volkspartei

„Die FNF war die erste liberale Stiftung, dienach Kroatien und in den Rest Südeuropaskam, in Zeiten des Tumultes, des Wechselsund der Transformation unserer Staaten, Gesellschaften und politischen Parteien.Seitdem haben die politische Bildung, der Erfahrungsaustausch und die Kooperationmit der FNF unser politisches Umfeld transformiert, auf eine höhere Stufe gebracht und einen bemerkenswerten Fuß-abdruck in der liberalen Geschichte dieserRegion hinterlassen.“

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Tagung von LIBSEEN, dem Netzwerk liberalerParteien, Nichtregierungsorganisationen undPersönlichkeiten in Südosteuropa, Kroatien,2008

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gramme und der Informationsreisenden aus MSOE-Staaten zeigte dies, aber auch der PolitischeClub der Stiftung und das politische Milieu der Bundeshauptstadt Bonn konnten von dieser räum-lichen Konzentration profitieren. Bereits im Jahre 1992 waren Büros in Bratislava, Sofia, Bukarestund Ljubljana mit der Zuständigkeit für die Länder des ehemaligen Jugoslawiens und für Albanienhinzugekommen. Büros in Moskau für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion und inTallinn für die wieder unabhängig gewordenen baltischen Staaten wurden 1992 vorbereitet. VierJahre später war die Stiftung in den meisten Ländern des ehemaligen Ostblocks mit Büros und Ver-anstaltungszentren vertreten.

Die Arbeit hatte sich so weit konsolidiert, dass das Regionalbüro MSOE im Jahre 1996 von der Ge-schäftsstelle in Königswinter nach Budapest, also in die Region, verlegt wurde. Von den zwar riva-lisierenden, aber starken liberalen Parteien Ungarns (SDSZ und FIDESZ) gingen positive Impulse fürDemokratie, Marktwirtschaft und eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union aus. Polen, dieTschechoslowakei und Ungarn hatten sich bereits im Jahre 1991 zum Interessenverbund der Vise-grad-Staaten zusammengeschlossen, der auch nach der Teilung in die Tschechische und die Slo-wakische Republik fortbestand. Übrigens hatten sich die Könige Polens, Böhmens und Ungarnserstmals im Jahre 1335 in der malerischen Burg des Örtchens Visegrad am Donauknie unweit vonBudapest versammelt, um gemeinsame wirtschaftspolitische Probleme zu lösen. Die Bemühungenihrer neuzeitlichen Nachfolger um einen Beitritt zur Europäischen Union setzten in der Folgezeitneue Prioritäten auf der politischen Agenda Mittelosteuropas. Die bereits Mitte der 90er-Jahre ge-stellten Anträge auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union hatten vor allem die Innenpolitikbeherrscht, um die Aufnahmekriterien erfüllen und die damit verbundene Harmonisierung der Ge-setze mit dem Acquis Communautaire der EU mit seinen etwa 30.000 Gesetzen, Normen und Ver-ordnungen bewältigen zu können. Auch hier lag ein ausgedehntes Betätigungsfeld der Stiftung.Der Vorschlag zur Aufnahme von Litauen, Estland, Lettland, Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn,Slowenien sowie Zypern und Malta wurde im Jahre 2002 in Brüssel angenommen, die acht StaatenMittelosteuropas wurden im Mai 2004 als Vollmitglieder aufgenommen.

Die Steuerung der Stiftungsarbeit für die Region MSOE erfolgt seit 2007 vom derzeitigen Standortdes Regionalbüros in Sofia. Nach der Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in die Europäische Unionim Jahre 2007 unterstützt die Stiftung von dort aus die insgesamt schwächer gewordene liberaleParteienlandschaft in der Gesamtregion. Um den unterschiedlichen Entwicklungen und Bedürfnissender Partnerländer gerecht zu werden, wurde die Stiftungsarbeit auf die Ebene von Teil- oder Sub-regionen konzentriert. Nach verschiedenen Phasen der Projektarbeit, in denen einzelne Bürostand-orte der Stiftung geschlossen und neu eingerichtet wurden, sind die Projektländer der Stiftung inMittel-, Südost- und Osteuropa gegenwärtig sechs Subregionen zugeordnet: Mitteleuropa und Bal-tische Staaten (Bürostandort Prag), Westbalkan (Belgrad), Südosteuropa (Bürostandort und Sitz desRegionalbüros Sofia), Südkaukasus (Bürostandort Tiflis), Ukraine/Belarus (Kiew) und Russland/Zen-tralasien (Moskau).

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Andrus AnsipMinisterpräsident von Estland,Vorsitzender der liberalen Reform-Partei

„Die FNF eröffnete ihr Büro in Tallinn 1993. Es waren schwierige Zeiten: Trennung vonder Rubel-Zone, Beginn marktwirtschaftlicherReformen und Aufbau politischer Institutio-nen. In diesem Kontext war die ermutigendeund hilfreiche Orientierung der FNF unbe-zahlbar. Ich bin sicher, sie spielte auch eineRolle bei unserem ersten Wahlerfolg 1995von fast 20 Prozent der Parlamentssitze.Kürzlich haben wir gemeinsam die liberaleGeistesgeschichte in Estland publiziert. Höchste Dankbarkeit und Anerkennung. Die Kooperation mit der Stiftung war eineErfolgsgeschichte.“

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Zielgruppen und Partner in den MSOE-StaatenDie grundsätzliche Frage der Förderung von organisiertem oder geistigem Liberalismus war für Mit-tel-, Südost- und Osteuropa anfangs zugunsten der Unterstützung liberaler Parteien als Vertreterdes organisierten Liberalismus entschieden worden. Zwar entstanden in den ersten Jahren des Trans-formationsprozesses zahlreiche neue liberale Parteien, die dieses Attribut für sich in Anspruch nah-men, viele hatten jedoch keinen Bestand. Dem neuen Zielgruppenkonzept der Stiftung gemäßwurden deshalb Vorfeldorganisationen wie Verbände, Bewegungen, Institutionen und Institute,Multiplikatoren, Medienvertreter und unbelastete Einzelpersönlichkeiten in die Förderung aufge-nommen. Wo kein organisierter Liberalismus entstanden war, gab es vielfach doch einen geistigenLiberalismus, der in den gesellschaftlichen Prozessen eine starke Rolle spielte. Die offene Partner-politik der Stiftung, die sich auf einen kontinuierlichen Wandel der Gesellschaft einstellen musste,fand einhellige Zustimmung bei den Partnern. Der erste Präsident des demokratischen Bulgariens,Zhelyu Zhelev, nannte die Tätigkeit der Stiftung eine Hilfe zur Wiederauferstehung von Freiheit undMenschenwürde. Jirí Dienstbier, der tschechische Außenminister, begrüßte die konstruktive Unter-stützung der Liberalen sehr, insbesondere die Seminare für mittelständische Unternehmer und Ju-gendgruppen. Als herausragend in ihrer Bedeutung schätzte der Präsident der Sozialliberalen ParteiKroatiens, Dražen Budiša, die offene Arbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung in seinem Land ein.

Regional übergreifende Förderstrukturen Hauptziele der Stiftung waren von Anfang an die Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher Sys-teme, die Entwicklung demokratischer und marktwirtschaftlicher Strukturen, Schutz der Minder-heiten und die Förderung zivilgesellschaftlicher Werte wie Religionsfreiheit und Toleranz. Erstmalswurde ein regionales Verbundprojekt zur Förderung der Mittel- und Kleinindustrie mit Sitz in Buda-pest eingerichtet. Ein ebenfalls regional konzipiertes Fortbildungs- und Dialogprogramm kam hinzu.Unterhalb dieses regionalen Ansatzes stand den Partnern die ganze Palette von Maßnahmen derpolitisch-programmatischen sowie der organisatorischen Beratung, der politischen Bildung und derEinbindung in einen nationalen, regionalen und internationalen Dialog zur Verfügung. Der Arbeits-ansatz vollzog sich also auf zwei Ebenen. Die Stiftung und viele ihrer Partner gingen von der An-nahme aus, dass eine zunehmende Globalisierung in allen Bereichen unaufhaltsam war und deshalbnur eine Kooperation größerer geopolitischer Regionen Zukunftschancen bieten würde.

Bildungsangebote breit gefächert Radio- und Fernsehprogramme, Zeitungen und Buchpublikationen halfen mit, nicht nur die Bal-lungszentren, sondern auch die ländlichen Regionen mit Informationen und Bildungsprogrammenzu versorgen. Zu den bereits genannten Themen kam ein starkes Interesse an kommunalpolitischenFragen hinzu. Verstärkt nachgefragt wurden auch Seminare zu den weithin unbekannten Ideen despolitischen Liberalismus, zu seiner Geschichte und Verbreitung. Berichte über konkrete liberale Lö-sungen von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen aus westlichen Ländern stießenauf besondere Aufmerksamkeit. Für die Teilnehmer an den Diskussionsabenden und Vortragsreihen

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Vorbereitung für das USA-Programm „Promoting Tolerance“ in Russland, Moskau, 2011

Dr. Solomon PassyEhemaliger Außenminister Bulgariens, ehemaliger Vorsitzender der KSZE, ehemaliger Vorsitzender des UN-Sicher-heitsrates

„Die FNF war seit dem Fall der Mauer eineSäule der Freiheit und Demokratie in Osteu-ropa, jetzt in der dritten Dekade. Doch dieDemokratie hat seit 1990 ihre Standards ver-bessert, und ihre Nachfrage impliziert eineneue und größere Rolle der FNF in der Weltin den kommenden Dekaden.“

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ergab sich häufig die Möglichkeit, in der Folge an Informationsreisen teilzunehmen und an inter-nationalen Konferenzen mitzuwirken.

Erweiterung, Grenzen und AusblickIm Juli 1993 wurde das Büro der Stiftung für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion inMoskau offiziell eröffnet. Das Veranstaltungsprogramm beschränkte sich nicht nur auf die Haupt-stadt, sondern wurde über das Format eines mobilen „Politischen Clubs“ im ganzen Land angeboten.Die Arbeit der Stiftung und ihrer Partner trug essenziell zur Verbreitung des liberalen Gedankengutsbei. Die Programm- und Organisationsberatung der liberalen Partei Yabloko nahm einen breitenRaum der Stiftungsarbeit in Russland ein. Die seit dem Jahre 2003 vielfach wiederholte Aufführungvon Lessings „Nathan der Weise“ in der Hauptstadt Usbekistans war ein ungewöhnliches, aber umsoerfolgreicheres Beispiel für die Vermittlung politischer Werte. In Taschkent, Buchara und vielenStädten der historischen Seidenstraße wurde dieses Theaterstück zur Vermittlung der Idee von Frei-heit und Toleranz zwischen den Religionen und Völkern eingesetzt. Es wurde in zahlreichen Radio-und Fernsehprogrammen übertragen und war auch Anlass für einen Bericht der ARD. Die hierinvermittelte Ansicht von Freiheit und bürgerlichen Werten stellte für die autoritär geführten Folge-regierungen der ehemaligen Sowjetunion bzw. ihrer Bestandteile, und nicht nur für diese, eine er-hebliche Verunsicherung dar, was sich von Fall zu Fall in Einschränkungen der Programme, derBewegungsfreiheit von Mitarbeitern, der rechtlichen Position der Stiftung oder administrativen Be-hinderungen niederschlug.

Im Südkaukasus hat sich, beginnend 1996 mit politischen Bildungsveranstaltungen in Aserbai-dschan, die Arbeit bald auch auf Armenien und Georgien ausgedehnt. Mit vorwiegend jungen, re-formorientierten Kräften aus Parteien und Medien wurden Themen der marktwirtschaftlichenEntwicklung, des Konfliktmanagements und der Kooperation mit europäischen und euroatlantischenInstitutionen bearbeitet. Ein Schwerpunkt lag dabei immer auf länderübergreifenden Projekten, mitdem Ziel, die Partner auf dem Weg zu einer regionalen Friedensordnung zu unterstützen. Ist dieArbeit im Südkaukasus aus Mangel an rechtsstaatlichen Strukturen nur unter unsicheren Bedin-gungen möglich, so gilt dies zunehmend auch für die Ukraine und insbesondere für Belarus. VomProjektbüro in Kiew aus hat sich die Stiftung seit 2007 unter anderem für die Stärkung lokaler ad-ministrativer Strukturen und mehr Bürgerbeteiligung eingesetzt. Mehrere Bürgerämter haben inder Folge ihre Arbeit aufgenommen. Die Unterstützung der belarussischen liberalen Kräfte war undist unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen nur sehr eingeschränkt möglich. Der kri-tisch-konstruktive Umgang mit und die Überwindung von solchen Schwierigkeiten gehört indes zuden Hauptaufgaben gesellschaftspolitischer Erwachsenenbildung auf dem Weg zu einer offenenBürgergesellschaft in Freiheit und Verantwortung, in Mittel-, Südost- und Osteuropa und anderswoin den Projektländern.

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Teilnehmer des internationalen Workshopsder Jungen Liberalen zum Kampagnen-Management in Aserbaidschan, 2008

„Nathan der Weise“ als spektakuläres Instrument der politischen Bildung zur Stärkung der Toleranz in Zentralasien durch die FNF, 2007

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Ein schwieriger Start der Demokratie in SüdeuropaLiberale politische Bildungsarbeit, politische Dialoge und Beratungen begannen in Europa Mitteder 70er-Jahre im Süden des Kontinents, nachdem die Diktatur der Obristen in Griechenland unddas seit 1932 bestehende Regime Salazars in Portugal 1974 ein Ende zugunsten demokratischerKräfte gefunden hatten. Die Franco-Diktatur zerbrach nach dessen Tod 1975.

Griechenland Der Studentenaufstand am Athener Polytechnikum 1973 wurde noch blutig niedergeschlagen. Erstdurch den Putsch der griechischen Nationalgarde 1974 und die türkische Invasion in Zypern brachin der Folge die Diktatur der mit Folter und Gewalt seit 1967 herrschenden Obristen zusammen. Eskam zur triumphalen Rückkehr des im Pariser Exil lebenden früheren Präsidenten Karamanlis undzu einer Demokratie, deren vielfältige Schwächen sich aber rasch offenbarten.

PortugalAuch in Portugal putschten die Militärs gegen das verknöcherte, korrupte und gewalttätige Regime,das Diktator Salazar seit über vier Jahrzehnten im Windschatten des Interesses der Großmächteetabliert und – als NATO-Mitglied seit 1949 – aufrechterhalten hatte. Aus Begeisterung und alsDank für die nahezu unblutige Revolution steckte die Bevölkerung rote Nelken in die Gewehrläufeder Soldaten und schuf mit dem Begriff der „Nelken-Revolution“ ein neues Symbol der Freiheit, dasseine Bedeutung über Jahrzehnte auch in anderen Ländern behielt.

SpanienKönig Juan Carlos I. als Nachfolger des 1975 gestorbenen spanischen Diktators Franco bekanntesich eindeutig zur Demokratie und zur Entwicklung einer offenen, freien spanischen Gesellschaftmit Teilhabe aller an den Entscheidungsprozessen. Er hatte es bis zu dem gescheiterten Militärputsch1981 jedoch schwer, die verkrusteten alten Strukturen der in vielen Machtpositionen verharrendenFranco-Anhänger aufzubrechen. Erst seine mutige Fernsehrede als Oberbefehlshaber der Armee mitdem eindeutigen Bekenntnis zur Demokratie öffnete den Weg zu einem modernen Spanien.

ItalienDas Italien jener Zeit war zwar ohne Zweifel demokratisch verfasst, hatte aber in der ständig stärkerwerdenden Kommunistischen Partei Italiens (PCI) eine Opposition mit nur geringem Interesse anDemokratie, offener Marktwirtschaft und freien Medien. Stattdessen pflegte die italienische Linkeintensive Beziehungen und Verflechtungen – ebenso wie die französischen Kommunisten (PCF) –

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Europäische Institutionen und Nordamerika

Treffen von Außenminister Hans-DietrichGenscher (l.) mit Ministerpräsident Giovanni Spadolini, Italien, und Dr. Barthold C. Witte, Vorsitzender des Beirates der FNF (r.),Rom, 1980

mit den ostdeutschen Kommunisten (SED) und dem starken Bruder in Moskau. Die jahrzehntelangeMacht in den Händen der Christlich-Konservativen zerfiel wegen der korrupten Klientelwirtschaft.Kriminalität und politischer Terrorismus beherrschten den Alltag. Die einst staatstragenden Liberalenwaren zerstritten, in zwei Parteien zerfallen und in ihrer Machtlosigkeit fast ohne politische Be-deutung.

Ein mutiger Beschluss der Liberalen und seine FolgenIn ganz Südeuropa zeichneten sich Entwicklungen zugunsten einer politischen Linken ab, deren De-mokratie- und Wirtschaftsverständnis zu erheblichen Sorgen Anlass bot. Die Gremien der FreienDemokratischen Partei (FDP), der Friedrich-Naumann-Stiftung, aber auch der Liberalen Internatio-nale (LI) beschlossen zunächst eine Intensivierung der Suche nach Kontakten zu liberalen Parteienin Südeuropa und schließlich 1977 die Entwicklung von Programmen mit eigenen Büros in Portugal,Spanien, Italien und Griechenland. Vorausgegangen war diesem mutigen Beschluss die Erkenntnis,dass in keinem der Länder liberale Parteien oder nennenswerte liberale Gruppierungen über die pro-grammatischen oder organisatorischen Mittel verfügten, die für eine ernsthafte politische Aus-einandersetzung unabdingbar waren.

Offene Unterstützung des Liberalismus in Europa und weltweitErstmals legte die Friedrich-Naumann-Stiftung 1977 ein Positionspapier vor, in dem als Ziel dieStärkung des politischen und organisierten Liberalismus in Europa und weltweit benannt wurde.Dabei waren nicht nur West- und Südeuropa angesprochen, sondern ausdrücklich auch die Ost-West- und internationalen Beziehungen. Dies sollte in enger Zusammenarbeit mit den liberalenParteien anderer Länder, mit der Konföderation der liberalen europäischen Jugendverbände (EFLRY),mit dem Zusammenschluss der europäischen Liberalen (ELD) und mit der Liberalen Internationaleerfolgen. Zur raschen Umsetzung wurde die Arbeit im Ausland neu strukturiert, eine „Gruppe Europa“direkt dem Vorsitzenden der Geschäftsführung unterstellt.

Finanzierung durch den Deutschen BundestagDie nationale wie die internationale Arbeit aller politischen Stiftungen, die einer im Bundestag ver-tretenen Partei nahestanden, waren anerkannte Bestandteile der politischen Bildung, und die Stif-tungen handelten im öffentlichen Interesse, was bis heute so geblieben ist. Dies wurde zunehmendauch als sinnvolle Ergänzung der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik und als besondererAusdruck des demokratischen Pluralismus der Bundesrepublik Deutschland gesehen. Die Unterstüt-zung von Demokratisierungsprozessen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa durch Programmezur Förderung des freien Handels, der offenen Marktwirtschaft, des Schutzes der Menschen- undMinderheitenrechte, der freien Medien und der Teilhabe an Wissen, Bildung und Entscheidungs-prozessen entsprach dem Handlungsauftrag eines modernen Liberalismus, wie ihn die FDP nachinnen und außen vertrat.

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Gipfeltreffen liberaler Spitzenpolitiker aufeiner Veranstaltung des FNF-Büros Rom (v. r. n. l.) : Urs Schöttli, Generalsekretär, Li-beral International; Gaston Thorn, Minister-präsident von Luxemburg, Präsident derEuropäischen Kommission, Präsident von Liberal International und Präsident der UN-Vollversammlung; Gräfin Beatrice Rangoni-Machiavelli, spätere Präsidentin desEuropäischen Wirtschafts- und Sozialrates;Giovanni Malagodi, Präsident des Partito Li-berale Italiano, Senator auf Lebenszeit undehemaliger Präsident Liberal International,Abdoulaye Wade, Oppositionspolitiker imExil, späterer Präsident der Republik Senegal,Rom, 1981

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1. 4. Dialog-Konferenz der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament (ALDE) und dem Council of Asian Liberals and Democrats, Brüssel, 20042. Vorstellung des European Network of Political Foundations (ENoP) durch den Koordinator und FNF-Repräsentanten Dr. Jürgen Wickert und José Manuel Barroso (l.),

Präsident der EU-Kommission, Brüssel, 20083. Der ehemalige US-Außenminister Dr. Henry Kissinger mit Dr. Otto Graf Lambsdorff (l.), Dr. h.c. Rolf Berndt (r.), Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der FNF, Berlin, 20004. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Axel Hoffmann (2.v.l.) gemeinsam mit dem Stiftungsrepräsentanten für die USA und Kanada, Claus Gramckow und dem

Regionalbüroleiter Hans H. Stein anlässlich des 25. Jubiläums des Transatlantischen Dialogs am 27.9.2011 in Washington D.C.

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Die finanziellen Mittel für die politische Bildungs-, Beratungs- und Dialogarbeit in den neuen De-mokratien Portugal, Spanien und Griechenland kamen über den Bundeshaushalt aus dem Etat desEntwicklungsministeriums, begrenzt auf eine Transformationszeit von zehn Jahren. Für die Pro-gramme in Italien und den Ausbau der Kontakte nach Mittel- und Osteuropa, insbesondere zu Polenund der Tschechoslowakei, sowie zu anderen Industrieländern wurden die Mittel seit 1972 in zu-nehmendem Maße aus dem Etat des Auswärtigen Amtes bereitgestellt.

Frischer Wind bei der ersten Wahl zum Europäischen ParlamentBei der ersten Wahl zum Europäischen Parlament im Juni 1979 erhielt die liberale und demokrati-sche Fraktion knapp 10 Prozent und 40 Sitze. Damit verbunden war ein starkes Signal zur weiterenFörderung der Gemeinsamkeiten in den politisch-liberalen Forderungen und Lösungsansätzen. Man-date wurden dort errungen, wo die Spalter und ewig Unzufriedenen zugunsten offener, transpa-renter Modernität verdrängt worden waren. Illustre Persönlichkeiten wie der AutomobildesignerSergio Pininfarina oder Susanna Agnelli aus der legendären FIAT-Familie sorgten mit vielen anderenfür frischen Wind und auch etwas Glanz in der liberalen Politik. Die internationale Arbeit der Fried-rich-Naumann-Stiftung hatte einen beträchtlichen Anteil an diesen Entwicklungen.

Große Schritte zur Internationalisierung der Aufgaben Der liberale Beitrag zum Nord-Süd- und Ost-West-Dialog wurde gehört und beachtet. Er fand be-sonders auf der Nichtregierungsebene, aber auch mit staatlichen Vertretern und denen von inter-nationalen Organisationen statt; Themen waren die Stärkung der Menschenrechte, der Bürgerge-sellschaft, der Marktwirtschaft, des Freihandels, der Umwelt- und Friedenspolitik. Hinzu kam dieVermittlung eines besseren Verständnisses der Grundlagen und Mechanismen der EuropäischenUnion, des Europarates, der NATO und der Einrichtungen der Vereinten Nationen. Erfolgreiche, liberaldominierte europäische Politikmodelle wurden ausgetauscht und in vielen Ländern und Projektenhinsichtlich einer möglichen Adaption auf den Prüfstand gestellt.

Respekt und Toleranz als Basis für jeden DialogDer europäische Integrationsprozess bot trotz vieler Schwächen und Webfehler neue Möglichkeitenund Notwendigkeiten der Erweiterung gesellschafts- und entwicklungspolitischer Arbeit und derOrientierung in Richtung gegenseitigen interkulturellen Lernens und Handelns. Dabei spielte dieVernetzung von Akteuren mit liberalen Grund- und Wertehaltungen aus Entwicklungs- und Trans-formationsländern mit denen aus Industrieländern eine bedeutende Rolle. Respekt und Toleranzsind als Basis jedes Dialogs unerlässlich für den handlungsorientierten Austausch von Erfahrungenund politischen Ideen. Neue Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Brüssel und Washington D.C.waren eine notwendige Konsequenz zur Stärkung des organisierten Liberalismus weltweit.

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Nord-Süd-Dialog in Brüssel, Straßburg und Genf Das 1985 neu eröffnete Büro in Brüssel mit Arbeitsschwerpunkten in Straßburg und Genf dienteder weiteren Vernetzung vieler Stiftungspartner untereinander und der Verbindung zu internatio-nalen Organisationen und Institutionen wie der Europäischen Union, dem Europarat, der NATO, derUNO in Genf mit der Welthandelsorganisation WTO, der Internationalen Arbeitsorganisation ILOund dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Die Zusammenarbeit mit demEuropäischen Parlament, mit der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und mit zahl-reichen Generaldirektionen der Kommission wurde zu einem verlässlichen Dienstleistungsangebotan die weltweiten Projektbüros und Partnerorganisationen.

Die Stiftung als Partner der europäischen Institutionen Die Profilierung der Stiftung durch jahrzehntelange Erfahrung in ihren Kernaufgaben der politischenBildung, der Politikberatung und des politischen Dialogs mit definierten Themenschwerpunktenmachte sie, nicht zuletzt auch durch eine dezentral straffe Entscheidungsstruktur mit vertrauens-würdiger Mittelverwaltung, zu einem willkommenen Partner der europäischen Institutionen. Ob esder Aufbau zivilgesellschaftlicher Einrichtungen oder Mechanismen im Nahen Osten, die Bildungvon Journalisten-Netzwerken im Maghreb oder das Menschenrechtsmonitoring in Südamerika undAfrika war, die Stiftung konnte sich für ergänzende politische Aufgaben zusätzliche Finanzierungs-möglichkeiten erschließen. Die sogenannte Drittmittelakquise war damit geboren und sollte für denweiteren Ausbau der weltweiten Stiftungstätigkeit noch eine große Rolle spielen.

Das politische Netzwerk ist entscheidendDas politische Netzwerk der Stiftung war entscheidend für die Zusammenarbeit der neu gegründe-ten Afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker mit europäischen undinteramerikanischen Schutzmechanismen für Menschenrechte. Dazu gehörten Konferenzen 1988,1990 und 1992 in Straßburg, die z. B. zu Konzepten für Zusatzprotokolle zur Afrikanischen Men-schenrechtscharta für die Einsetzung eines unabhängigen Gerichtshofs oder zur Erarbeitung einerGeschäftsordnung für die neue Kommission auf der Basis internationaler Standards führten.

Die Stiftung landet Bestseller Nimmt man die Anzahl der Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische, Arabische, Chi-nesische und Russische als Kriterium für Publikationserfolg, so war das Handbuch „Electoral Moni-toring and Electoral Systems“, das 1995 für die Unabhängige Palästinensische Wahlkommission aufder Basis eines Stiftungsseminars herausgegeben wurde, ein internationaler Bestseller. Unmittelbarnach dem Fall der Zäune und Mauern der kommunistischen Regime in Mittel-, Südost- und Ost-europa drängte sich die Implementierung der Europäischen Menschenrechtskonvention zumindestin den Staaten auf, die Mitglieder des Europarates wurden oder es bereits waren. Die sogenanntenEG-/EU-Einführungsseminare der Stiftung in Straßburg wurden deshalb konsequent für zivilgesell-schaftliche Vereinigungen angeboten, unter denen neben vielen anderen Helsinki-Komitees, An-waltsvereine und Handelskammern erwähnt werden sollen.

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Aktive Teilnahme hochrangiger Vertreter der PartnerorganisationenJeder sinnvolle Dialog hat immer auch Komponenten der Bildung und der Beratung. Dies wurde inBrüssel, in Straßburg und Genf dadurch besonders deutlich, dass hochrangige Vertreter von Part-nerorganisationen aus aller Welt an internationalen Konferenzen oder Seminaren teilnahmen undihrerseits zu Gesprächspartnern und wertvollen Informationsquellen für die Entscheidungsträgerin Brüssel, Straßburg und Genf, später auch in Bonn und Berlin, wurden.

Gemeinsam mit dem Nord-Süd-Zentrum des Europarates in Lissabon und dem Center for Justiceand International Law in Washington D.C. wurden Arbeitskreise zur Verbesserung regionaler Schutz-systeme eingerichtet, wobei die Teilnahme von Experten aus Partnerländern, vor allem aus Asien,durch die Stiftung gefördert und sichergestellt werden konnte. Der bereits seit vielen Jahren etab-lierte zivil-militärische Dialog in Lateinamerika konnte durch Programme bei der NATO in Brüsselsinnvoll ergänzt und auf Partner in Asien ausgedehnt werden.

Arabisch-israelisch-europäischer DialogUnter der Überschrift „Feindbilder abbauen, Verständnis und Vertrauen stiften“ wurde der 1987noch sehr diskret begonnene israelisch-palästinensisch-europäische Dialog zu einem arabisch-is-raelisch-europäischen Dialog ausgebaut. Einzelne Komponenten wurden je nach Themenstellungund Zielgruppe auch in weiter gefasste Programme integriert, vor allem in die Veranstaltungen derInternationalen Akademie für Führungskräfte (IAF), des Transatlantischen Dialogprogramms undder Internationalen Konferenzen.

Gruppe Friedensentwicklung (FriEnt) im BMZ, BonnAuf die zunehmende Bedeutung von Friedensentwicklung, Krisenprävention und zivilem Konflikt-management, auch als Herausforderung für staatliche und nicht staatliche Partner der Entwick-lungszusammenarbeit, reagierte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung 2001 mit einer Initiative, die sich als „Arbeitsgemeinschaft EntwicklungspolitischeFriedensarbeit“ mit der „Gruppe Friedensentwicklung“ (FriEnt) im BMZ etablierte. Die Friedrich-Naumann-Stiftung trat dieser auf Dauer angelegten Arbeitsgruppe 2003 als Vertragspartner bei.Die von den Vertragspartnern für diese Tätigkeit abgestellten Fachkräfte verstanden ihre Arbeit alsDienstleistung zur Weiterentwicklung von Analysen und Konzepten, als Zentrum zur Sammlung vonInformationen, als Ort fachlichen Austauschs und als Agentur zur Vernetzung der Vertragspartnermit ihren Projektpartnern weltweit. Die Kooperation wurde seitens der Stiftung nach einigen Jahrenvon der institutionellen auf eine projektorientierte Mitarbeit umgestellt.

Vernetzung mit europäischen Liberalen durch DialogprogrammeDie Gesamtentwicklung der internationalen Vernetzung und der politischen Dialoge hat sowohl zueiner Verbreiterung der Themen als auch zu einer Vertiefung in der Materie geführt. Das Dialogan-gebot in Brüssel und Washington D.C. umfasst europapolitische Fragestellungen grundsätzlicher

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Seminar „Konfliktmanagement und Konflikt-lösung im Südkaukasus“ mit dem EU-Son-derbeauftragten für den Südkaukasus PeterSemneby, Brüssel, 2008

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Natur ebenso wie die Auslotung fachspezifischer Probleme. Die eigens konzipierten Dialogformatereichen mittlerweile vom „liberal breakfast“ über die gewohnten Vortrags- und Diskussionsveran-staltungen bis zu mehrtägigen Konferenzen in enger Zusammenarbeit mit den Büros und Partnernaus aller Welt. Dank der Bewilligung von Sondermitteln durch die Bundesregierung arbeitet dieStiftung seit April 2012 daran, Reformen in Griechenland zu unterstützen und zivilgesellschaftlichesEngagement zu fördern.

Immer wichtiger und intensiver geworden ist die enge Verzahnung mit dem organisierten europäi-schen und internationalen Liberalismus und seinen Vertretern im Europaparlament, in der Europäi-schen Kommission, dem europäischen liberalen Parteienzusammenschluss (ALDE), der LiberalenInternationale (LI), dem Verbund der liberalen Thinktanks European Liberal Forum (ELF) und den na-tionalen wie regionalen Gliederungen der liberalen Parteien und ihrem Umfeld in Europa. Das Dia-logprogramm Europäische Integration stellt hierfür eine Plattform für liberale Parteienvertreter undMultiplikatoren, auf der länderübergreifend integrationspolitische Themen im Vorfeld von politi-schen Entscheidungen diskutiert werden können.

Alle Programme des Internationalen Politikdialogs in New York, Washington D.C., Brüssel, Straßburg,Genf oder zuvor schon in Lissabon, Madrid, Barcelona, Rom und Athen erzielten ihre Wirkung vonAnfang an durch Abstimmung und intensive Vernetzung mit den Partnern, mit den Regional- undProjektbüros in aller Welt, und stehen wegen der engen Verbindung von zeitgemäß gestaltetemAngebot, moderner Pädagogik und inhaltlicher Qualität in hohem Ansehen.

Transatlantisches Dialogprogramm, Washington D.C. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war in Europa, insbesondere im West-teil des geteilten Deutschlands, eine Generation in Demokratie und Freiheit herangewachsen, dienicht mehr automatisch aufschaute zu den Vereinigten Staaten von Amerika, die Ereignisse undEntwicklungen nicht mehr kritiklos hinnahm. Der lange traumatisch nachwirkende Vietnamkriegmit seinen unzähligen Opfern und verheerenden Schäden war zum Symbol geworden für unter-schiedliche, in gewisser Weise emanzipierte Ansichten und Haltungen – auch in den transatlanti-schen Beziehungen.

Eingebunden in den Wertekanon des WestensDa die Bundesrepublik Deutschland andererseits wie kaum ein anderes Land eingebunden war inden Wertekanon des von den USA dominierten westlichen Bündnisses, erschien ein starker liberalerBeitrag zur Etablierung eines Transatlantischen Dialogs im Jahre 1986 mit Sitz in der Hauptstadtder Vereinigten Staaten von Amerika unerlässlich, nachdem vorbereitende Maßnahmen bereits seit1984 begonnen hatten. Die Aufgabe des Büros in Washington D.C. war die konsequente Erweiterungdes bereits im Jahre 1983 in New York begonnenen Programms mit Fokus auf den Nord-Süd-Dialogam Sitz der Vereinten Nationen. Das Washingtoner Büro hatte in den USA und Kanada ein Angebot

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Sir Graham WatsonMitglied des Europäischen Parlamentes,Vorsitzender der liberalen Fraktion des Europäischen Parlamentes 2002 bis 2009,Vorsitzender der Allianz Europäischer Liberaler Parteien (ALDE Party)

„Ich begegnete der FNF erstmals 1977 als Vizepräsident der Europäischen Jungliberalen.In den 35 Jahren habe ich den enormen Nutzen der Stiftungsarbeit zugunsten des Liberalismus schätzen gelernt, sowohl innerhalb als auch jenseits Deutschlands,und die Unterstützung und Kooperation vieler Mitarbeiter der Stiftung genossen. DieFörderung des Liberalismus jenseits unseresKontinents wäre ohne die FNF schlicht nichtmöglich gewesen. Der Liberalismus weltweitist dadurch umso stärker.“

an Veranstaltungen aus der ganzen Palette des Dialogs zu realisieren, um wieder für mehr Ver-ständnis, für mehr gegenseitiges Verstehen und Vertrauen zu werben. Der Atlantik durfte wederbreiter noch tiefer werden, wie es der damalige Außenminister Genscher treffend ausdrückte.

Stabile Arbeitsbeziehungen mit bewährten PartnernDie Herstellung stabiler Arbeitsbeziehungen im breit gefächerten Milieu der transatlantischen Nicht-regierungsorganisationen war von New York aus bereits mit dem American Council on Germany,dem American Jewish Committee, der Columbia University, dem Aspen-Institute und dem GermanMarshall Fund möglich gewesen. Dort war eine Basis für politisches Vertrauen entstanden, das sichspäter, um ein Vielfaches erweitert, im Vorlauf der komplexen Verhandlungen zur deutschen Einheitbewähren sollte.

Von Washington D.C. in die US-Bundesstaaten und nach KanadaEs war von Anbeginn wichtig, die Konferenzen und Besuchsprogramme nicht nur auf die Hauptstadtzu begrenzen. Das Konzept dieses Dialogs bezieht sich auf den geopolitischen Raum Nordamerikas,also auf die gesamten Vereinigten Staaten und auch Kanada.

Interesse an Deutschland und Europa weckenVon großer Wichtigkeit für den Transatlantischen Dialog war es, Entscheidungsträger aus Politik,Kultur, Wissenschaft, Medien sowie der Landes- und Kommunalpolitik dieser großen Länder für dieGeschehnisse in Deutschland vor einem europäischen Hintergrund zu interessieren. Die Angebotefür Veranstaltungen und Informationsreisen wurden anfangs nur zögerlich wahrgenommen. Dasänderte sich mit den Entwicklungen in Richtung deutsche Einheit und Neuordnung Europas nachdem Zusammenbruch des Kommunismus. Das Interesse an den differenzierten Programmen desTransatlantischen Dialogs stieg im Verlauf der späten 80er-Jahre rapide.

Anpassung spezieller VeranstaltungsformenDie Schnelllebigkeit und die multikulturellen Ausformungen der nordamerikanischen Informations-und Bildungskultur führten zur Entwicklung und Etablierung ganz eigener Veranstaltungsformate.Mehrtägige internationale Konferenzen, beispielsweise über „Wertewandel und Wert des Wandels“,bezogen auf kontroverse Politikfelder wie Arbeit, Sicherheit, soziale Marktwirtschaft und Freihandel,fanden immer an einem entsprechend passenden Ort statt. Das Thema „Frieden, Sicherheit und Ab-rüstung“ wurde beispielsweise in der Nähe eines alten Puebloindianer-Dorfes und in Kooperationmit dem Los Alamos Center for National Security Studies im US-Bundesstaat New Mexico durch-geführt. Der spätere Gouverneur des Staates und UN-Botschafter Bill Richardson hatte den Kontaktzu dem bekannten Los Alamos Center hergestellt, in dem einst das „Manhattan-Project“, die ersteAtombombe, konzipiert und getestet worden war und nun mit beeindruckenden Laserkanonen fürPräsident Reagans „Star Wars“ experimentiert wurde.

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Transatlantischer Dialog in Washington zwischen Dr. Wolfgang Gerhardt (l.) und Charles Hagel, ehemaliger Senator für Nebraska und seit 2013 Minister für Verteidigung der USA

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Das Thema „Arbeit und Strukturwandel“ war in einer ehemaligen Eisen- und Stahlregion, dem heu-tigen Zentrum für medizinische Versorgung und Gesundheit um Pittsburgh, ebenfalls gut angesie-delt. Eine Konferenz über die seit Langem befürchtete Abwendung der USA von ihrer atlantischenOrientierung zugunsten einer Ausrichtung in den pazifischen Raum wurde in Zusammenarbeit mitder Industrie- und Handelskammer in Kalifornien und der University of Honolulu auf Hawaii kon-zipiert und mit Partnern aus Asien durchgeführt. Für die spezifischen Informationsbedürfnisse Wa-shingtons zu engeren Fachthemen oder breiten politischen Überblicken war ein knapp zweistündigesFormat zur Frühstücks- oder Mittagszeit mit Impulsreferat und moderierter Diskussion üblich. Inständigen Gesprächskreisen mit Nachwuchskräften, insbesondere mit dem eigens durch den Trans-atlantischen Dialog geschaffenen FNF Young Political Professionals Network, kommen aktuelle The-men wie Konzepte zur Gesundheitspolitik, zur Bildungs- und Rentenpolitik zur Sprache. Die lang-jährige Partnerschaft mit der National Conference of State Legislature (NCSL) konnte ergänzt wer-den um die Zusammenarbeit mit der US Lieutenant Governor Association (NLGA), was die gegen-seitige außenpolitische Wertschätzung beider Staaten verdeutlicht.

Informationsprogramme und „Promoting Tolerance“ Sehr genau auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen auf beiden Seiten des Atlantiks aus-gerichtete, mehrtägige Informationsreisen mit differenziertem Programm waren ebenso gefragtwie mehrwöchige Bildungsprogramme für Berufsanfänger. Dazu gehörte das speziell für Mitarbeiterdes US-Kongresses konzipierte Besuchsprogramm an Orte deutscher und europäischer Politik. Seit1992 wurde ein jährlich neu aufgelegtes „Promoting Tolerance Program“ durchgeführt, das in engerKooperation mit dem American Jewish Committee (AJC) jungen Entscheidungsträgern und Multi-plikatoren aus Mittel- und Südosteuropa über mehrere Wochen in den USA Beispiele von praktischerToleranz und die Möglichkeiten ziviler Gegenwehr bei Diskriminierungen aller Art vermittelt. DasPromoting Tolerance Program war nach einstimmiger Aussage nahezu aller Teilnehmer besonderswichtig auf dem Weg zu höheren beruflichen Positionen.

Regionalprojekte hatten seit den Aufbaujahren der internationalen Arbeit der FNF wichtige Funk-tionen bei länderübergreifender Kooperation und Vernetzung der Partner, sei es auf kontinentalerEbene oder auch in größeren Subregionen. Aus den zahlreichen in 50 Jahren realisierten Regional-projekten seien hier aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung drei Fallbeispiele ausführlicher dar-gestellt.

1. Der Dachverband Liberaler Parteien in Asien – CALD Die Region Ost- und Südostasien, aus historischen Gründen ein später Nachzügler der Demokrati-

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Herausragende Regionalprojekte

Rabbi Andrew BakerDirector of International Jewish Affairs,American Jewish Committee (AJC), USA

„AJC und FNF haben über 30 Jahre eng ko-operiert, aber ihr Flaggschiff-Programm wardie ‚Toleranz-Förderung‘, konzipiert für auf-steigende Führungskräfte neuer Demokra-tien, um öffentliche und private Initiativenzur Stärkung von Pluralismus, Toleranz undWertschätzung von Vielfalt zu präsentieren:durch ein europäisches und Online-Seminarund eine intensive Studienreise in den USA.Schlüssel des Erfolges ist es, die amerikani-sche jüdische Erfahrung zu teilen, zusammenmit der impliziten Botschaft der deutsch-jü-dischen Kooperation und Aussöhnung.“

sierung, bot für eine politische Stiftung lange Zeit kaum Ansatzpunkte einer tragfähigen Parteien-kooperation. Dies änderte sich erst mit dem Durchbruch demokratischer Systeme auf den Philippi-nen, in Thailand, Korea und Taiwan Ende der 1980er-Jahre.

VorgeschichteDie FNF knüpfte ihre ersten Kontakte zu liberalismusaffinen Parteien der Region ab Mitte der1980er-Jahre. Schwerpunkte waren Länder des demokratischen Übergangs, in denen aufsteigendeMittelschichten und hohe Wachstumsraten günstige Startbedingungen für politische Reformenschufen, aber auch einige Staaten mit autoritären politischen Systemen. Der jahrelange Dialog mitden politischen Partnern führte 1993 zur Gründung eines regionalen Dachverbandes liberaldemo-kratischer Parteien Asiens: des Council of Asian Liberals and Democrats. Die liberalen Politiker Asienshatten sich auf Treffen der Liberalen Internationale als exotische, wenig verstandene Gäste gefühltund daher nach einem eigenen Netzwerk und Diskussionsforum mit asiatischer Agenda gestrebt, umsich besser gegenseitig kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen, gemeinsame Problemlagen zudiskutieren, Politikkonzepte und Lösungsansätze für die eigenen Länder und Parteien zu entwerfen,Führungs- und Nachwuchstraining für die Mitgliedsparteien anzubieten sowie mit Resolutionen undPublikationen die Demokratisierung und den politischen Diskurs in der Region stärker zu beeinflussen.

Entstehung und Gründungsmitglieder Schlüsselfigur und treibende Kraft in der Vorbereitungsphase war der frühere Vorsitzende der LiberalParty und heutige philippinische Budget-Minister Florencio Abad, unterstützt von Mandats- undFunktionsträgern aus Thailand und Taiwan. Der Durchbruch wurde erzielt, als diese Gruppe 1992an einem Strategieseminar der Friedrich-Naumann-Stiftung in Portugal teilnahm und ein ersterEntwurf für das liberale Manifest des CALD entstand. Es folgte eine ganze Reihe von Treffen inAsien, bis alle Bauelemente des neuen Trägers abgestimmt waren. Die konstituierende Versammlungerfolgte auf Einladung der regierenden Democrat Party Thailands im Dezember 1993 in Bangkok.Zu den CALD-Gründungsvätern gehörten Spitzenpolitiker wie der Premierminister Thailands ChuanLeekpai, der Oppositionsführer und spätere Staatspräsident Südkoreas Kim Dae-jung, Freiheits-kämpfer mit langjährigen politischen Haftstrafen wie der Vorsitzende der Democratic ProgressiveParty aus Taiwan She Ming-te sowie Minister, Senatoren, Abgeordnete, Parteivorsitzende und Ge-neralsekretäre der Gründungsparteien aus Südkorea, Taiwan, den Philippinen, Malaysia, Thailandund Kambodscha. Erster CALD-Vorsitzender wurde der Vizeaußenminister Thailands Dr. Surin Pit-suwan. Damit übernahm die thailändische Democrat Party als erste den in zweijährigem Turnuswechselnden Vorsitz.

Erweiterung der Mitglieder und AufgabenspektrumMit Errichtung eines ständigen Sekretariates in Manila konnte der CALD seine Professionalität, stra-tegische Ausrichtung und Leistungsbilanz kontinuierlich steigern. 20 Jahre nach der Gründungdieses in Asien bis heute einzigartigen Trägers demokratischer Parteien kann man zweifellos von

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Die myanmarische Oppositionsführerin undFriedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyiam Rande eines Workshops, den der CALD2011 für den Women’s Wing der National League for Democracy in Yangon,Myanmar, durchführte

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einer Erfolgsgeschichte sprechen. Der Mitgliederkreis hat sich auf Parteien aus Hongkong, Indone-sien, Japan, der Mongolei, Myanmar, Pakistan, Singapur und Sri Lanka erweitert (inkl. assoziierteund Parteien mit Beobachterstatus). Nach Gründung des CALD wurden die Interessen der birmani-schen Demokraten durch den Beitritt der Exil-Organisation National Council of the Union of Burmawahrgenommen. Während dieser Zeit bestanden laufende Kontakte zur Oppositionspartei NationalLeague for Democracy und ihrer Vorsitzenden Aung San Suu Kyi in Yangon, ohne dass deren CALD-Mitgliedschaft möglich gewesen wäre. Erst nach Öffnung des Militärregimes in Myanmar erlangtedie National League for Democracy Beobachterstatus im CALD. Die birmanische Oppositionsführerinund Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi wurde als individuelles Ehrenmitglied des CALDauf Lebenszeit gewählt, der frühere Staatspräsident Indonesiens Abdurrahman Wahid als weiteresindividuelles Mitglied.

Der CALD kann heute auf eine lange Reihe erfolgreicher Aktivitäten zurückblicken, die dem Politik-dialog, dem Führungs- und Nachwuchstraining, der Unterstützung der Mitgliedsparteien vor allemin repressiven politischen Systemen und der Förderung demokratischer Prozesse dienten (durchWahlbeobachtungen, Pressekonferenzen, Interviews, Dialog-Maßnahmen, Demarchen). Buchpubli-kationen (darunter ein CALD Party Management Handbook), eine professionelle Webseite(www.cald.org) und ein elektronischer Newsletter machten das Netzwerk einem breiteren Publikumin der Region bekannt. Schwerpunkte der Arbeit sind zurzeit professionelles Parteimanagement,moderne politische Kommunikation, marktwirtschaftliche Instrumente des Klimawandels sowie dieFörderung von Frauen und der Jugend in der Politik (über den CALD Women‘s Caucus und den CALDYouth Caucus).

Internationale VernetzungDer CALD ist kooperierendes Mitglied der Liberalen Internationale (LI) und hat mehrere gemeinsameKonferenzen in Asien gestaltet, darunter den ersten LI-Kongress in Asien 2011 in Manila. Darüberhinaus bestehen Kontakte mit den liberalen Netzwerken in Lateinamerika (RELIAL), in Afrika (AfricaLiberal Network) und Nahost (Arab Alliance for Freedom and Democracy). Mit der liberalen Fraktionim Europaparlament ALDE (Alliance of Liberals and Democrats for Europe) erfolgt ein besondersenger Austausch, es finden regelmäßig biregionale Dialog-Konferenzen in Europa und Asien mithochrangiger Besetzung statt. Ferner besteht ein Abkommen über die Förderung politischer Nach-wuchskräfte aus Asien durch Praktika im Europaparlament. Die FNF hat Entstehung, Aufbau undEntwicklung des CALD intensiv beraten, gefördert und kritisch begleitet. Dieser Partner stellt einbeeindruckendes Beispiel des politischen „Institution Building“ mit Pioniercharakter dar.

2. Der Menschenrechtsschutzmechanismus für die ASEAN-Staaten Die Situation der Menschenrechte in den zehn ASEAN-Staaten (Association of Southeast Asian Na-tions) variiert aufgrund der Heterogenität ihrer politischen Systeme stark (Demokratien, autoritäreRegime, Ein-Parteien-Diktaturen). Dennoch gibt es in allen Ländern Menschenrechtsverletzungen,

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Sam RainsyMitglied des Parlamentes und Oppositions-führer in Kambodscha, ehemaliger Finanz-minister, Vorsitzender des Council of Asian Liberals and Democrats (CALD)

„Obwohl Asien bedeutende Schritte gemachthat, politische und wirtschaftliche Entwick-lung zu fördern, leidet eine Anzahl von Ländern noch immer unter Autoritarismus,Armut und Mangel an guter Regierungsfüh-rung. Vor diesem Hintergrund ist die FNF, inPartnerschaft mit dem Council of Asian Libe-rals and Democrats und anderen liberalenOrganisationen und demokratischen Bewe-gungen, in ihrem Engagement unerschütter-lich geblieben, die asiatische Region wirklichauf den Prinzipien von Demokratie, Rechts-staat und dem Respekt und Schutz der Men-schenrechte und fundamentaler Freiheitenzu begründen.“

beispielsweise gegenüber Arbeitsmigranten, Frauen und Kindern, aber auch Bürgerrechtlern, Oppo-sitionspolitikern, Journalisten, Anwälten und politischen Aktivisten, vor allem in autoritären Staaten.Während in Europa, Amerika und Afrika in den 90er-Jahren bereits regionale Menschenrechts-schutzmechanismen und Menschenrechtsgerichtshöfe existierten, gab es in Asien nichts derglei-chen. Die ASEAN-Staaten waren daher besonders nach der Wiener Menschenrechtskonferenz 1993zunehmend internationaler Kritik ausgesetzt.

Private Menschenrechtslobby auf hoher EbeneIn diesem Kontext entstand 1993 eine Regionale Arbeitsgruppe (RWG) zur Errichtung eines zwi-schenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus in den ASEAN-Staaten. Die Gründer diesernichtstaatlichen Initiative repräsentierten die Elite der Menschenrechtsaktivisten Südostasiens:Marzuki Darusman, Vizepräsident der nationalen Menschenrechtskommission und ehemaliger Ge-neralstaatsanwalt Indonesiens, Wigberto Tañada, Senator der Philippinen, Param Cumaraswamy,ehemaliger Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Unabhängigkeit von Richtern undAnwälten, Malaysia, und Prof. Vitit Muntarbhorn, international renommierter Menschenrechtsex-perte, Thailand. Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten schlossen sich der Gruppe an. Es entstand einkooperierendes Netzwerk selbstständiger nationaler Arbeitsgruppen auf den Philippinen, in Thailand,Malaysia, Kambodscha und Singapur. Das ständige Sekretariat der RWG wurde am Human RightsCenter der Ateneo Universität in Manila, Philippinen, etabliert.

Partner mit Kompetenz und klarer VisionObwohl die RWG eine informelle Gruppe ohne Rechtsstatus war und die Erfolgsaussichten dieserprivaten Initiative angesichts der ablehnenden Haltung der meisten ASEAN-Staaten gegenübereinem zwischenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus sehr skeptisch beurteilt wurden,hat sich die Stiftung dennoch entschieden, den Partner von Beginn an gezielt zu unterstützen, weilsie das Potenzial des Projektes erkannte und die äußerst ambitionierte Zielsetzung durch sehr lang-fristige, beharrliche Arbeit erreichbar schien. Auch die Partner gaben sich keinen Illusionen hin,dass der angestrebte zwischenstaatliche Mechanismus schnell zu erreichen sei, und gingen beiihren Lobbyaktionen sehr systematisch, taktisch geschickt und beharrlich vor. Sie wurden aufgrundihrer unstreitigen Kompetenz und Statur von den Regierungsvertretern (Ministern, Spitzenbeamten)sowie dem ASEAN-Sekretariat als Gesprächspartner auf Augenhöhe akzeptiert und respektiert. DieRWG war daher der einzige nicht staatliche Träger in der Region, dem die ASEAN-Regierungen inMenschenrechtsfragen Zugang zu ihren Sitzungen gewährten und von dem sie Beratungen annah-men. Die Treffen wurden offiziell protokolliert.

Konferenzen mit dem Europarat als MeilensteineDie Förderung der Stiftung war fokussiert auf Strategie- und Planungssitzungen der RWG mit dennationalen Arbeitsgruppen sowie Tagungen mit Vertretern der ASEAN-Staaten. Im Verlauf der fast20-jährigen Kooperation wurde ferner eine Serie von vier Konferenzen mit der Kommission für Men-

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Die Führungsriege der regionalen Menschen-rechtslobby in den ASEAN-Staaten (RWG)zum Arbeitstreffen beim ASEAN-Generalse-kretär Dr. Surin Pitsuwan (4. v. r.) mitDr. Marzuki Darusman (3. v. r.), Param Cumaraswamy (4. v. l.) und Senator WigbertoTanada (3. v. l.), Jakarta, 2008

Param CumaraswamyMitbegründer der ASEAN-Menschenrechts-lobby RWG, ehemaliger UN-Sonderbericht-erstatter für die Unabhängigkeit vonRichtern und Anwälten in Malaysia

„Wenn die Geschichte über die Errichtungder zwischenstaatlichen ASEAN-Menschen-rechtskommission geschrieben wird, dannwird die FNF in Erinnerung bleiben als Start-helferin 1995 zur Initiierung der RWG unddank ihrer kontinuierlichen Unterstützungdieser Gruppe bis zum heutigen Datum.“

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schenrechte des Europarates in Straßburg durchgeführt. Sie dienten dem Austausch der Partnermit Spitzenvertretern der Menschenrechtsschutzmechanismen in Europa, Amerika und Afrika sowieden Präsidenten und Richtern des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Zu diesen Kon-ferenzen wurden Regierungsvertreter aller ASEAN-Staaten eingeladen, um aus erster Hand Standund Entwicklung der Menschenrechtsschutzmechanismen außerhalb Asiens kennenzulernen. Dabeiwurden von den Sprechern der anderen Kontinente auch Probleme und Schwierigkeiten beim Aufbauder eigenen Schutzmechanismen selbstkritisch dargestellt. Die Asiaten empfanden es als sensatio-nell, dass der Entscheidungsprozess in Europa 40 Jahre brauchte und dass selbst Frankreich undEngland jahrelang Widerstand gegen den europäischen Schutzmechanismus leisteten, weil sie be-fürchteten, als Regierungen auf die Anklagebank zu kommen. Die Debatten trugen erkennbar dazubei, Blockadehaltungen der ASEAN-Vertreter abzubauen. Nach Einschätzung der Partner waren dieStraßburg-Konferenzen entscheidende Meilensteine auf dem Wege zur Zielerreichung, weil sie alsvertrauensbildende Maßnahmen die Positionen der ASEAN-Regierungen stark beeinflusst haben.

Durchbruch nach 14 Jahren DurststreckeIm Verlauf der jahrelangen Lobbyaktionen der RWG gab es graduelle Fortschritte, aber auch Rück-schläge im Dialog mit ASEAN und Perioden der Frustration, verursacht durch ablehnende Haltungender autoritären Staaten. Der Durchbruch gelang erst nach 14 Jahren zäher Verhandlungen mit derSchaffung folgender Mechanismen:

2007 ASEAN-Charta Artikel 14 Asiatische Menschenrechtskörperschaft2009 ASEAN Zwischenstaatliche Kommission für Menschenrechte (AICHR) 2010 ASEAN-Kommission für die Förderung und den Schutz der Rechte von Frauen und

Kindern (ACWC)2012 ASEAN-Charta für Menschenrechte

Die RWG ist die einzige Menschenrechtsorganisation, die in der ASEAN-Charta als Dialogpartnerder AICHR anerkannt wird. Der unermüdliche Einsatz der Partner hat sich gelohnt und wird fortge-setzt. Es gilt, die praktische Umsetzung der neu geschaffenen Menschenrechtsinstrumente mitLeben zu erfüllen, auch gegen noch bestehende Widerstände in autoritären Staaten. Fernziel istein Asiatischer Gerichtshof für Menschenrechte.

3. Das Netzwerk RELIAL – eine Stimme der Freiheit in Lateinamerika Das RELIAL ist das Netzwerk liberaler politischer Parteien und Thinktanks in 17 Ländern Lateiname-rikas. Die angeschlossenen mehr als 40 Institutionen repräsentieren das Streben nach Freiheit ineiner Umgebung, die zunehmend durch sozialistisch-autoritäre Regime geprägt wird.

Insofern stellen sie sich der grundsätzlichen Auseinandersetzung mit den undemokratischen, po-pulistischen Herrschern Lateinamerikas. Das RELIAL bildet den institutionellen Rahmen, innerhalb

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Prof. Vitit MuntarbhornKo-Vorsitzender der ASEAN-Menschen-rechtslobby RWG, Rechtsprofessor an derChulalongkorn Universität Thailand

„Die FNF ist beispielhaft für eine Organisa-tion, die Arbeiten in Entwicklungsländern aufeiner langfristigen, nachhaltigen Basis fördert,insbesondere im Bereich der Menschenrechte.Der Mehrwert dieses Engagements ist, dasses einen Ad-hoc-Ansatz vermeidet. Dadurchbewirkt sie ein lang dauerndes Engagementmit Partnern – eine Partnerschaft in Freund-schaft, grenzüberschreitend, weltweit.“

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1. 15 Jahre CALD: Festveranstaltung mit dem früheren Präsidenten Indonesiens Abdurrahman Wahid, dem Ministerpräsidenten Thailands Abisith Vejjajiva und dem thailändischen Außenminister Kasit Piromya, Bangkok, 2008

2. Hochrangige Regierungsvertreter der ASEAN-Staaten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, 20093. Dr. Wolfgang Gerhardt (l.) und Mario Vargas Llosa im Dialog auf dem RELIAL-Kongress in Caracas, Venezuela, 2009 4. Juli Minoves, Vizepräsident Liberal International (l.), Mario Vargas Llosa, Ehrenpräsident RELIAL (Mitte), und Ulrich Wacker, Regionalbüroleiter Lateinamerika,

während einer RELIAL-Tagung in Santiago de Chile, 2010

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dessen liberale Politiker, Intellektuelle, Unternehmer und Vertreter gesellschaftlicher Initiativen dieihnen gemeinsamen Vorstellungen individueller Freiheit, des sich begrenzenden Staates, der Markt-wirtschaft, der Rechtsstaatlichkeit und freier demokratischer Systeme und Gesellschaften auf demKontinent diskutieren und politisch ausformen. Indem sich Schlüsselakteure in der öffentlichen De-batte zu diesen Werten und Ideen bekennen, bildet das RELIAL ein Gegengewicht zum antiliberalenDiskurs und zu autoritären Regimen des Kontinents, die zur Sicherung ihrer Herrschaft vor Verfas-sungsbruch, Wahlbetrug und Einschüchterung des politischen Gegners nicht haltmachen.

Entstehung und institutioneller RahmenDas RELIAL wurde 2004 gegründet und ist seit 2008 als gemeinnützige Stiftung in Panama rechtlichverfasst. Vorsitzender ist seit 2012 Ricardo López Murphy, der ehemalige Finanz- und Verteidi-gungsminister Argentiniens. Ehrenvorsitzende sind unter anderem Literatur-Nobelpreisträger MarioVargas Llosa (ehemaliger Präsidentschaftskandidat in Peru), der exilierte kubanische Publizist CarlosAlberto Montaner und der mexikanische Journalist Sergio Sarmiento. Das RELIAL ist seit seinerGründung regionaler Projektpartner der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Themen und ArbeitsweiseDie Dynamik der Netzwerkarbeit macht aus, dass die RELIAL-Institutionen sich in eigener Initiativeund im Direktdialog zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammenfinden und im Rahmen ihrer na-tionalen Arbeit systematisch Referenten austauschen. Die jährlichen RELIAL-Kongresse sichern einehohe öffentliche Wirkung, machen die Liberalen des Kontinents sichtbar und ermutigen diejenigenLiberalen, die in manchen Ländern Lateinamerikas in nur kleinen Parteien und politisch bedrängtfür die Freiheit streiten.

Thematische Arbeitsschwerpunkte des Netzwerkes waren in den vergangenen Jahren: Kampf gegendie Armut, Bedrohungen der Demokratie, Schutz von Eigentumsrechten, marktwirtschaftliche In-strumente in der Umweltpolitik sowie liberale Positionen in den Beziehungen zwischen der Euro-päischen Union und Lateinamerika. Zu diesen Themen erarbeiten die RELIAL-Mitglieder nationaleAnalysen, tragen Musterlösungen aus der Praxis zusammen und entwickeln Politikvorschläge, dieüber die Netzwerkpartner in den Ländern Lateinamerikas verbreitet werden.

Die Zusammenarbeit in regionalen Arbeitsgruppen, etwa zu Analysen der wirtschaftlichen Freiheitin Lateinamerika oder zur Definition von liberalen Positionen im Eigentumsschutz und in der Um-weltpolitik, schließt die globale Zusammenarbeit mit anderen liberalen Institutionen ein; hierzugehören Liberal International, die liberale Fraktion im Europäischen Parlament (ALDE) und der wirt-schaftspolitische Thinktank Fraser Institute in Kanada mit seinem weltweiten Economic FreedomNetwork.

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Verleihung des Freiheitspreises der FNF an Mario Vargas Llosa (l.) durch Dr. Wolfgang Gerhardt und Prof. Dr. JürgenMorlok (r.) in der Paulskirche, Frankfurt, 2008

Die Besonderheit: liberale Parteien und Thinktanks in einem NetzEine Eigenart des Netzwerkes RELIAL ist das Miteinander von liberalen Parteien und liberalen Think-tanks, darunter solche, die in einschlägigen Rankings zu den führenden Lateinamerikas gezählt wer-den. Eine Kultur des politischen und kulturellen Dialoges innerhalb der Gesellschaften Lateiname-rikas braucht kompetente Thinktanks, die Wächter der Demokratie, Staatsbürgerschule undPolitikberater sind. Das RELIAL bietet ihnen regionale Arbeitsbeziehungen und einen politischenDialog mit politischen Parteien und mit Thinktanks anderer Länder. Parteien sind programmatischhäufig profillos und unsicher, ihnen hilft der Dialog mit liberal profilierten Thinktanks. Letzterehaben wiederum die Möglichkeit, im Zusammenspiel mit ihren RELIAL-Partnerparteien konkretePolitikentwürfe in den parlamentarischen Prozess einzuspeisen.

RELIAL – Netzwerk wider den Antiliberalismus Mit seiner Arbeit will das RELIAL in der politischen Systemkonkurrenz Lateinamerikas ein ordnungs-politisch liberales Gegengewicht zum sozialistisch-autoritären, regional ausstrahlenden Politik- undHerrschaftsmodell des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez sein, der die Macht in seinenHänden konzentriert, das traditionelle Parteiensystem schwächt und auflöst, die demokratischenInstitutionen delegitimiert, die Medienfreiheit einschränkt, die Wirtschaft durch den Staat kontrol-liert und oppositionelle Kräfte systematisch einschüchtert.

Chávez und seine Sympathisanten in Regierungen und Eliten des Kontinents nehmen das RELIALals profilierten politischen Gegner wahr. Als 2009 der IV. RELIAL-Kongress in Caracas, Venezuela,zum Thema „Ansätze für eine liberale Sozialpolitik in Lateinamerika“ stattfand, schickte die Regie-rung Dauerdemonstranten, die das Tagungshotel umlagerten. Hugo Chávez bot Mario Vargas Llosaeine Fernsehdebatte an, machte aber auch schnell wieder einen Rückzieher, als der peruanischeSchriftsteller das Angebot öffentlich angenommen hatte.

So ist RELIAL die institutionelle Antwort auf den Bedarf Lateinamerikas nach einem öffentlichenpolitischen Diskurs, der die Vertreter des Antiliberalismus herausfordert und ihnen die Überlegenheitder liberalen Demokratie und ihrer Institutionen, der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheit markt-wirtschaftlicher Systeme entgegenhält.

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InternationaleProjekte

Es war der neue FNF-Vorstandsvorsitzende Ralf Dahrendorf, der 1983 vor dem Hintergrund seinerinternationalen Erfahrungen als langjähriger Direktor der renommierten London School of Econo-mics und als Vorstandsmitglied der Ford Foundation eine Diskussion in den Gremien der Stiftunganstieß, die zu einem neuen Typ von Projektarbeit unter dem Oberbegriff des Internationalen Poli-tikdialogs führte. Ziel war, zur Befähigung der Stiftungspartner beizutragen, auf internationalenForen und Podien Ideen zu politischen Lösungen aus liberaler Sicht auszutauschen, politische For-derungen zu erheben und dadurch wichtige Erfahrungen zu sammeln oder weiterzugeben. Die Stif-tung unterstützte damit einen Meinungs- und Informationsaustausch zwischen Entscheidungsträ-gern des öffentlichen und privaten Lebens aus den Partnerorganisationen und liberalen Parteien zuThemen, die für eine demokratische und marktwirtschaftliche Entwicklung der mittlerweile 40 Part-nerländer und im internationalen Kontext von großer Bedeutung waren.

Die Teilung der Welt in Ost und WestDie Welt der 80er-Jahre war immer noch geteilt in die Machtblöcke von Ost und West, in die je-weiligen Bündnisse mit ihren Abhängigkeiten und Verpflichtungen. Zwar wurden die großen Themender Zeit, wie die Forderung nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung oder einer neuen Weltinfor-mationsordnung, zunächst blockintern diskutiert. Dennoch war das Bedürfnis nach einem Gedan-kenaustausch, nach Diskussion statt Konfrontation, mithin nach Dialog, spürbar, besonders dort,wo die Vertreter aus Ost und West, aus Süd und Nord zusammentrafen – z. B. im Rahmen der Ver-einten Nationen und ihrer über den Globus verstreuten Unterorganisationen.

New York: Treffpunkt der WeltNach 20 Jahren gesellschaftspolitischer Arbeit auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebenebegann 1983 die Entwicklung eines neuen Instruments politischer Vermittlung: Der InternationalePolitikdialog wurde mit der Gründung des Nord-Süd-Dialogprogramms dort aus der Taufe gehoben,wo sich alle Staaten und eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen (NGO) versammeln – amSitz der Vereinten Nationen in New York. Komplementär zur offiziellen Diplomatie wurde noch imHerbst 1983 damit begonnen, Foren für die zahlreichen Interessierten und Partner in aller Welt zuschaffen, um dogmatische Blockaden zu überwinden, den Austausch politischer Ideen zu fördernund liberalen Beiträgen Gehör zu verschaffen.

Einflussreiche Persönlichkeiten halfen mitOhne die kenntnisreiche Mithilfe des ehemaligen Präsidenten der UN-Vollversammlung RüdigerFreiherr von Wechmar und ohne das aktive Engagement weltbekannter Persönlichkeiten wie Henry

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Nord-Süd-Dialogprogramm am Sitz der Vereinten Nationen, New York

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Kissinger, David Rockefeller, Otto Graf Lambsdorff, Fritz Stern, Ralf Dahrendorf, John J. McCloy,Hans-Dietrich Genscher, Helen Suzman, Martin Bangemann, Hernando de Soto, Corazon Aquinound vieler weiterer kompetenter Mitstreiter aus den Partnerorganisationen wäre es nicht gelungen,in sehr kurzer Zeit eine Vielzahl von hochkarätig besetzten Konferenzen zu wichtigen politischenThemen zu organisieren. Es entwickelte sich ein breit gespanntes und tragfähiges Netz, dessen Ver-knüpfungen sowohl aus der Brisanz von Themen aus Wirtschafts- und Handelswelt, Medien, Wis-senschaft, Kultur und Politik herrührten als auch aus den jeweils speziell passenden Veranstal-tungsformaten und Konferenzorten.

Partnerschaftliche Unterstützung des Dialogprogramms Dem in jeder Hinsicht besonders hohen Niveau und der hohen Pulsfrequenz der Metropole NewYork mit ihrer einzigartigen Dichte von Ethnien, Religionen und Interessen entsprechend, fandendie Aktivitäten der Stiftung an politisch herausragenden Orten und mit weltweit bekannten Per-sönlichkeiten statt. Die Anziehungskräfte New Yorks sorgten für Besuche ständig wechselnder be-deutender Partner zu Sitzungen im Umfeld der Vereinten Nationen, der Wall Street oder der NewYorker Universitäten. Die teuren Basiskosten für Büro und Personal konnten deshalb durch Einspa-rungen an Reisekosten für Referenten und Teilnehmer sowie Mieten für geeignete Räumlichkeitenausgeglichen werden. Zu den Kooperationspartnern gehörten die New School for Social Research –einst Lehrstätte von Adorno und Horkheimer während ihres von den Nazis erzwungenen Exils undSitz des von Bundeskanzler Willy Brandt eingerichteten Theodor-Heuss-Lehrstuhls –, die ColumbiaUniversity (Business Graduate School), das berühmte Museum of Modern Art, der altehrwürdigeUniversity Club und das Leo Baeck Institute for Jewish History, New York, mit seinen Archivschätzendeutscher Juden. Für Veranstaltungen wurden häufig Konferenzräume der Vereinten Nationen genutzt.

Themen und Programme des Dialogs Im Vordergrund standen Themen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rahmenbedingungenvon Entwicklung in der Dritten Welt als liberaler Beitrag zum Internationalen Dialog. Bereits 1984wurde über Fragen einer neuen Weltinformationsordnung und über Möglichkeiten regionaler Kon-fliktlösungen debattiert sowie eine Serie von Konferenzen zur Reform der „Vereinten Nationen imJahre 2000“ gestartet. Eingehend wurden im informellen Konferenzrahmen die Vorschläge des Prä-sidenten des Wirtschafts- und Sozialrates der UNO zur Reform internationaler Handels- und Fi-nanzbeziehungen erörtert, in Anwesenheit sowjetischer und chinesischer Diplomaten, hochrangigerUN-Vertreter sowie des Sprechers der mächtigen „Gruppe 77“ innerhalb der Vereinten Nationen.Internationale Konferenzen – z. B. „Strategien für die Zukunft Asiens“ in Bangkok oder „Wege zurDemokratie in Zentralamerika“ in Costa Rica in Kooperation mit dem Interamerikanischen Institutfür Menschenrechte in San José – waren komplementäre Bestandteile des von New York aus orga-nisierten Nord-Süd-Dialogs.

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Seminar zum Brundtland Report on Environment and Development der VereintenNationen, mit Präsentation vonProf. Emil Salim, Minister für Bevölkerungund Umwelt, Indonesien, Mitglied der vonUN-Generalsekretär Pérez de Cuéllar eingesetzten Brundtland-Kommission undlangjähriger Partner der Stiftung in Indone-sien (2. v. l.), New York,1987

Integration des Nord-Süd-Dialogs am Sitz der Vereinten NationenDurch Kontinuität, ein breites Themenspektrum und weit gestaffelte Veranstaltungen in den Re-gionen und Ländern entstand eine tragfähige Zusammenarbeit, die in den folgenden Jahrzehntenwichtige Entwicklungen angestoßen hat, insbesondere im Bereich der Demokratieförderung unddes Schutzes der Menschen- und Minderheitenrechte. Die Aktivitäten des New Yorker Büros amSitz der Vereinten Nationen wurden zu Beginn der 90er-Jahre in den von Washington D.C. undBrüssel aus gesteuerten Internationalen Politikdialog überführt, nachdem durch die Auflösung derkommunistischen Regime neue Kräfteverhältnisse und Dialoglinien entstanden waren.

Das „Forum Entwicklungszusammenarbeit“Ein aus Mitteln des BMZ finanziertes „Forum Entwicklungszusammenarbeit“ (FEZ) ermöglichte inden folgenden Jahren eine Ergänzung des vom Auswärtigen Amt geförderten TransatlantischenDialogs in Washington D.C. um entwicklungspolitische Themen. Diese Aktivitäten entsprachen dengestiegenen Anforderungen nach größerer Teilhabe der weltweiten Partner in einer neuen, zunächstunipolar geprägten Entwicklung der Vereinten Nationen, hervorgerufen durch die Dominanz derVereinigten Staaten als einzig verbleibender Supermacht. In enger Zusammenarbeit mit den welt-weiten Projekten verhalf dieser Teil der Dialogarbeit auch dazu, die zum Teil sehr großen Unter-schiede in Theorie und Praxis zwischen der deutschen/europäischen Entwicklungszusammenarbeitund der der USA zu verdeutlichen. Differenzen in den transatlantischen Beziehungen waren häufigerin Bezug auf Probleme im Umgang mit Dritten entstanden als unmittelbar zwischen den Partnerndes atlantischen Bündnisses selbst. Insbesondere der Einsatz militärischer und wirtschaftlicher Machtentsprach nicht dem politisch liberalen Willen der FNF und den Erfahrungen aller politischen Stif-tungen der Bundesrepublik, die in ihrer Entwicklungszusammenarbeit auf jahrzehntelange Erfolgemit politischer Bildung, politischer Beratung und dem politischen Dialog blicken konnten.

Die positive Resonanz der internationalen Dialogprojekte führte zu Überlegungen über einen zu-sätzlichen Standort als Kristallisationspunkt, als Zentrum und eine Art Dialogkreuz mit Nord-Süd-und Ost-West-Bezügen. Die Wahl fiel zunächst auf Portugal, das wegen seiner kolonialen Vergan-genheit, der Randlage in Europa und stark liberal geprägter Politik besonders geeignet war, inter-nationale Konferenzen zu beheimaten, und darüber hinaus als Standort für die Einrichtung einerDialog-Akademie infrage kam. In den Jahren 1987 und 1988 fanden die ersten beiden „Lisbon-Meetings“ als Test mit positivem Ergebnis statt. Die „Internationale Akademie für Entwicklung inFreiheit“ wurde dann 1989 in Sintra, unweit von Lissabon, mit portugiesischen Partnern aus der

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Internationale Akademiefür Führungskräfte (IAF)

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1. II. Berlin-Meeting der IAF mit Dr. Otto Graf Lambsdorff und Annemie Neyts Uyttebroeck, Präsidentin, Liberal International2. Konferenz der Tibet Support Groups. Dialog des Dalai Lama mit dem tschechischen Präsidenten Václav Havel, Prag, 2003 3. Dr. Otto Graf Lambsdorff, Vorsitzender des Kuratoriums der FNF, Aníbal Cavaco Silva, Ministerpräsident, Portugal, und Simone Veil, Präsidentin des Europäischen

Parlamentes (v. l.) auf dem ersten Lissabon-Meeting in der Internationalen Akademie der FNF, Sintra, 1989 4. Teilnehmer der 2. internationalen Minderheitenkonferenz, Berlin, 2000

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Taufe gehoben. Ihre Aufgabe bestand in der Konzeption und Durchführung von Programmen, diemit ihren Foren und Konferenzen übergreifende Ergänzungen zu den inzwischen üblichen Bildungs-und Dialogmaßnahmen anboten. Hinzu kam die Funktion eines Ansprechpartners für die Partner inLändern ohne eigenes Stiftungsbüro sowie für solche Länder, in denen bestimmte Themen aufgrundder politischen Gegebenheiten nicht oder noch nicht erörtert werden konnten.

Sintra in Portugal als internationaler TreffpunktDer portugiesische Ministerpräsident Aníbal Cavaco Silva eröffnete die erste Konferenz mit demTitel „East Meets West on Human Rights in a New Climate of International Cooperation“. Hoch-rangige Delegierte aus der Bundesrepublik Deutschland, aus Dänemark, Kanada, Südafrika, Israelund Italien trafen auf Gesprächspartner aus der UdSSR, Polen, Ungarn, Jugoslawien, Bulgarien undder Deutschen Demokratischen Republik. Ehemalige Dissidenten diskutierten über Menschenrechtemit hochrangigen Funktionären in einem Klima, das bereits den Wind der Freiheit in sich trug, dennwenig später fiel die Mauer in Berlin mit den bekannten dramatischen, umwälzenden Folgen.

Die Theodor-Heuss-Akademie wird Standort der Internationalen AkademieDie grundlegend veränderte politische Karte ganz Europas hatte zwangsläufig zur Folge, dass dieStandortfrage neu gestellt und der Bedarf nach einer internationalen Akademietätigkeit neu be-stimmt werden musste. Es galt einen Ort im Zentrum Europas zu finden, dessen geopolitische undinfrastrukturelle Beschaffenheit geeignet war, den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Ver-änderungen im politischen Partnerspektrum Portugals beschleunigten den Umdenkprozess, derschließlich zugunsten der schon seit fast 30 Jahren bewährten und bekannten Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach ausfiel. Aufgrund der beeindruckend großen Nachfrage an Schulungenfür junge Führungskräfte, jetzt auch aus den demokratischen Nachbarländern in Mittel-, Südost-und Osteuropa, gründete die Stiftung die neue „Internationale Akademie für Führungskräfte“ (IAF).

Signale nach innen und außenDamit waren einige Signale nach innen und außen verbunden. Nach innen unterstrich diese Zu-sammenlegung unter Ausnutzung vielfältiger Synergieeffekte das Wirken der Friedrich-Naumann-Stiftung zur Förderung eines modernen Liberalismus in Deutschland und weltweit. Nach außenwurde die Möglichkeit geschaffen, die Wiedervereinigung Deutschlands als Muster einer friedvollenRevolution durch gezielte Kurzreisen der Seminarteilnehmer, etwa nach Köln, Halle, Dresden oderBerlin, näher kennenzulernen. Der tägliche Dialog zwischen den Teilnehmern aus dem Ausland unddenen aus der Bundesrepublik förderte über die konkrete Wissensvermittlung hinaus das gegensei-tige Verständnis und den Abbau von Vorurteilen unter Menschen vieler unterschiedlicher Ethnien,Religionszugehörigkeiten und Weltanschauungen.

Die Internationale Akademie für Führungskräfte als Erfolgsmodell weltweiter politischer BildungDie IAF ist eine der großen Erfolgsgeschichten der FNF, wobei mehrere Faktoren entscheidend sind,insbesondere die enge Zusammenarbeit mit den Projekten und Partnern im Ausland. Hinzu kommen

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Treffen von Absolventen der InternationalenAkademie für Führungskräfte (IAF) in Indien,2006

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die Qualität der angebotenen Schulungsthemen und das hohe Niveau von Referenten und Teilneh-mern, die in den zweiwöchigen Seminaren auf künftige Führungsaufgaben vorbereitet werden. Be-sonders erfreulich sind die Gründungen von IAF-Alumni-Verbänden in vielen Ländern, dieselbstständig und erfolgreich arbeitend ein Reservoir an hoch motivierten, politisch liberal denken-den jungen Menschen geschaffen haben. Pakistan, die Philippinen, Ghana und Honduras sind her-ausragende Beispiele für die erfolgreiche Arbeit der Akademie, da in diesen Ländern die Anzahl derin Führungspositionen aufgestiegenen IAF-Absolventen besonders hoch ist. Mit Rücksicht auf dieHauptstadtfunktion wurde die Steuerung der IAF im Jahre 2010 nach Berlin verlegt. Die IAF stelltseit einer Dekade mit allen von ihr wahrgenommenen Aufgaben der Stiftung im In- und Auslandund auch unter Gesichtspunkten von Kosten und Effizienz eine viel beachtete Komponente der ge-samten Stiftungsarbeit mit besonders nachhaltiger Wirkung dar. Mit der IAF ist ein internationalesund interkontinentales Forum geschaffen worden, das jungen Führungsnachwuchskräften aus allenProjektländern die einzigartige Möglichkeit bietet, miteinander und voneinander zu lernen, politischeund kulturelle Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam praktikable, liberale Lösungen für Ent-wicklungsprobleme zu erarbeiten.

Internationale e-Academy Zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Seminare der IAF ist ein weltweit gespann-tes Netz von Informationen, aber auch von Entscheidungen notwendig. Die Vielfalt der Kulturen,der Sprachen und der unterschiedlichen Wertesysteme haben auf ganz natürliche Weise auch Aus-wirkungen auf Beurteilungen von Kandidaten und deren Auswahl. In der Konsequenz führte diesoft zu unterschiedlichen Qualifikationen der Teilnehmer zu Beginn der IAF-Seminare und damit zukostbaren Zeitverlusten bei der Angleichung der unterschiedlichen Voraussetzungen hinsichtlichWissen und Bildungsstand. Hier kamen die Entwicklungen der IT-Branche zu Hilfe.

Modernste Technologie und klassische PädagogikUnter dem Dach des Internationalen Politikdialogs wurden zweisprachige Online-Seminare in eng-lischer und spanischer Sprache entwickelt. Die Friedrich-Naumann-Stiftung war damit die einzigeOrganisation weltweit, die solche zweisprachigen Online-Seminare mit Internet-Foren anbot. DieBeiträge der Referenten und Teilnehmer wurden in den Internet-Foren einer weltweit eingerichtetenOnline-Bibliothek innerhalb von maximal 24 Stunden übersetzt und erlaubten dadurch, auch unterBerücksichtigung der globalen Zeitdifferenzen, eine sprachübergreifende Diskussion. Die Vorteileeiner breiter gestreuten Teilnahme und Bewerbung gingen Hand in Hand mit verbesserten, d. h. ob-jektivierbareren Auswahlmöglichkeiten der Teilnehmer und gezielt einsetzbaren Lehr- und Lernma-terialien, schon Wochen vor dem Präsenzseminar in der Theodor-Heuss-Akademie. Auch nach demSeminar in Deutschland war es mit dieser neuen Methode für die weltweiten Projektbüros sehr vieleinfacher und effizienter, eine nachhaltige Betreuung der Teilnehmer zu gewährleisten. Vor allemwar die Vernetzung untereinander nur noch eine Frage weniger Handgriffe.

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5. Lissabon-Meeting liberaler Spitzenpolitikerin der Akademie für internationale Entwick-lung der FNF mit Dr. Otto Graf Lambsdorffund dem portugiesischen Ministerpräsidenten Aníbal Cavaco Silva (2. und 3. v. r.), Sintra,1993

Europäische Auszeichnung auf der führenden Technologiemesse CeBITSelten hat eine technische Erneuerung zu einer so tief greifenden Verbesserung bei der Vermittlungvon Wissens- und Bildungsinhalten für die Demokratisierung des globalen politischen Dialogs ge-führt. Bereits zum Ende der Pilotphase im Jahre 2005 erhielt das Konzept der Internationalen e-Academy den „Europäischen E-Learning Award – eureleA 2005“ auf der weltweit wichtigstenMesse der digitalen Wirtschaft, der CeBIT in Hannover. In der Laudatio wurde die erneute Auswahlfür den Preis „eureleA 2008“ damit begründet, dass „der hier eingeschlagene Weg der Internatio-nalisierung der politischen Bildung via Internet und der Bildung einer weltweit verteilten Interes-sengruppe politischer Leistungsträger nach Ansicht der Jury so innovativ [sei], dass eine erneutePreisvergabe gerechtfertigt [war]“.

Anzahl und Themen der Online- und Präsenzseminare Pro Jahr finden drei Online-Seminare in Verbindung mit dem Präsenzseminar in Gummersbach ineinem Gesamtzeitraum von etwa 18 Wochen, einschließlich der Vorbereitungs- und Nachbetreu-ungsphasen, statt. Von den 100 Bewerbern werden 25 in die Internationale Akademie für Führungs-kräfte eingeladen. Am Ende einer Dekade ist somit ein globales Netz von etwa 750 jungen Führungs-kräften entstanden, dessen Tragfähigkeit besonders in politisch turbulenten Zeiten der Verbreitungund Vertiefung des Demokratiegedankens dient. Die Schulungsthemen variieren von „New PublicManagement“ über „Human and Civil Rights“ bis zu „Political Youth Organizations“ und sind anden Themenschwerpunkten der Stiftung ausgerichtet.

Neue Praxis der FreiheitDie enorme Geschwindigkeit technischer Entwicklungen lässt moderne Angebote international aus-gerichteter Wissens- und Bildungsvermittlung ohne Unterstützung der Informationstechnologiekaum noch denkbar erscheinen. Die Möglichkeiten für den Einzelnen, über nationale und sprachlicheGrenzen hinweg mit eigenen Beiträgen in einen globalen virtuellen Dialog einzutreten, sind nahezuunbegrenzt. Das gilt zumindest überall dort, wo die technischen und politischen Voraussetzungenvorhanden sind. Mit der Internationalen e-Academy ist eine neue Praxis der Freiheit verbunden, dieallerdings nur in direkter Verbindung mit den Präsenzseminaren in der Theodor-Heuss-Akademiezu nachhaltig wirksamer Bildungsvermittlung im liberalen Sinne führt.

Seit der Stiftungsgründung gehörte der Blick über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hi-naus durch die Zusammenarbeit mit der Liberalen Weltunion zum Kern des Bemühens um die Ver-breitung und Stärkung des Liberalismus. Bereits 1960, also drei Jahre vor der Eröffnung des erstenAuslandsprojektes in Tunesien, fand eine Konferenz mit ausländischen Referenten und Diskussions-

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Internationale Konferenzen

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teilnehmern zum Thema „Europa und die Entwicklungsländer“ in Baden-Baden statt. Wenig späterstand bei einer Folgekonferenz schon die Bildungshilfe in Entwicklungsländern auf dem internationalausgerichteten Programm. Die Vorträge wurden damals in der Schriftenreihe der Friedrich-Nau-mann-Stiftung veröffentlicht. Früher als die meisten vergleichbaren Institutionen erkannte die Stif-tung mit ihren ersten internationalen Partnern die Problematik der Entwicklungsländer und derEntwicklungshilfe als eine Lebensfrage auch der westlichen industrialisierten Welt, die dringendund konkret angegangen werden musste.

Internationale Konferenzen gehören zum Grundprogramm Der Dialog als weltweiter Austausch von Gedanken, Problemen und politischen Lösungen gehörtemit internationalen Konferenzen, Kolloquien und Seminaren von Anbeginn zum Grundprogrammund damit zum öffentlichen Angebot der Stiftung. Mit der verkehrstechnisch zunehmend engervernetzten Welt wurde es auch einfacher und finanziell vertretbar, längere Distanzen in kürzererZeit zu fast allen Orten des Globus zurückzulegen. In den fünf Jahrzehnten der Stiftungstätigkeitim Ausland und der internationalen Arbeit im Inland haben ungezählte internationale Konferenzenweltweit stattgefunden. Fast alle wurden dokumentiert, publiziert, ihre Ergebnisse vielfach in derpolitischen Bildung, in der Politikberatung und im Dialog erneut verwendet, adaptiert, zum Teil auchrevidiert. Einige besonders herausragende Beispiele verlangen wegen ihrer lange ausstrahlendenpolitischen Wirkung nach einer kurzen Darstellung. Dazu zählen auch die 1987 und 1988 von derFNF geförderten Dialog-Konferenzen über ein Post-Apartheid-Südafrika in Dakar und Leverkusen,die den Weg zur demokratischen Transition in Südafrika wesentlich geebnet haben und ein welt-weites Medienecho auslösten.

Trilaterale Kuba-KonferenzDie Entstehungsgeschichte mancher Konferenzen verlief ungewöhnlich. 1986 erhielt der in Latein-amerika erfahrene Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik der FNF eine Einladung der kubanischenRegierung zu einem einwöchigen Aufenthalt in Havanna. Im Verlauf seiner Gespräche mit Vertreterndes Zentralkomitees der KP, des Außenministeriums, des Parlamentes und verschiedener Thinktankswurde von den Gastgebern der Vorschlag unterbreitet, eine gemeinsame Konferenz in der Bundes-republik über „Die Rolle Kubas im Spannungsfeld der internationalen Beziehungen mit Westeuropa“durchzuführen. Ein Kernanliegen der Kubaner war dabei die Einbeziehung hochrangiger Vertreterdes US-State Departments, um auf neutralem Boden auch die problematischen bilateralen Bezie-hungen zu den USA diskutieren zu können. Man ging davon aus, dass die FNF über AußenministerGenscher die Amerikaner zur Teilnahme bewegen könne. Wie sich ergab, bestand sowohl im Aus-wärtigen Amt als auch im State Department starkes Interesse an der Konferenz. Sie fand im Juni1987 am Sitz der Stiftung in Königswinter statt. Leiter der kubanischen Delegation war RicardoAlarcón, Vizeaußenminister und späterer Parlamentspräsident. Gastgeber auf deutscher Seite warHelmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt und Vorstandsmitglied der FNF. Die Debatten

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1. Politischer Gedankenaustausch zwischen dem Dalai Lama und Dr. Otto Graf Lambsdorff am Rande der Konferenz mit den Tibet Support Groups, Bonn, 19962. Politikdialog mit Dr. Wolfgang Gerhardt, Prinz Turki Al-Faisal von Saudi-Arabien, Madeleine Albright, ehemalige Außenministerin der USA und Direktorin

des National Democratic Institute (NDI), und Václav Havel, Präsident der Tschechischen Republik (v. l. n. r.), Prag, 20053. Studienreise von Richtern des Obersten Gerichtshofes aus Indonesien in Deutschland, 20034. Hochrangige Delegation von Regierungsvertretern der ASEAN-Staaten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, 2008

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wurden durch Positionspapiere der Westeuropäer, Kubaner und Amerikaner eingeleitet, behandeltendie politischen Differenzen in den jeweiligen Beziehungen und in der aktuellen Mittelamerika-Politik sowie mögliche Kooperationen in Wirtschaft, Technologie und Kultur. Die Konferenz wurdeals wichtiger Beitrag zur Verbesserung der deutsch-kubanischen Beziehungen und zur Konfliktlösungin Zentralamerika bewertet.

Menschenrechtskonferenzen mit dem Europarat in StraßburgMenschenrechtskonferenzen der FNF gab es in den letzten fünf Jahrzehnten viele. Außergewöhnlicherfolgreich war eine ab 1988 durchgeführte, lange Serie von Konferenzen mit der Kommission fürMenschenrechte des Europarates bzw. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straß-burg unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Generalsekretärs des Europarates. Die Konferenzendienten dem Dialog hochrangiger regionaler Menschenrechtspartner der Stiftung aus Lateinamerika,Afrika und Asien mit Spitzenvertretern der Menschenrechtskommissionen anderer Kontinente sowieden Präsidenten und Richtern des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Die beteiligtenPartner waren das Interamerikanische Institut für Menschenrechte mit Sitz in Costa Rica (IIDH),die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, die regionale Initiative zur Etablierungeines zwischenstaatlichen Menschenrechtsschutzmechanismus in den ASEAN-Staaten (RWG) unddie Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker.

Zu diesen Konferenzen wurden neben den Partnern auch hochrangige Regierungsvertreter ausAfrika, Lateinamerika und Asien eingeladen, um aus erster Hand Stand und Entwicklung der weltweitetablierten Menschenrechtssysteme kennenzulernen. Die Debatten trugen erkennbar dazu bei, Blo-ckadehaltungen der Regierungsvertreter abzubauen. Nach Einschätzung der Partner waren dieStraßburg-Konferenzen entscheidende Meilensteine auf dem Wege zur Zielerreichung, weil sie alsvertrauensbildende Maßnahmen die Positionen ihrer jeweiligen Regierungen stark beeinflusst haben.In Afrika trugen sie zur Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte nach in-ternationalen Standards bei. Auch dass das afrikanische Schutzsystem eine moderne Geschäftsord-nung bekam, war ein Verdienst der FNF. In Asien führten diese Konferenzen 2009 zur Schaffungeiner zwischenstaatlichen Menschenrechtskommission in den ASEAN-Staaten. Die ursprünglich vonder Stiftung etablierten regelmäßigen Treffen der drei regionalen Menschenrechtssysteme findenauch heute noch statt. Zu ihrem 50-jährigen Bestehen versammelte die FNF 2008 in Königswinternahezu alle Partner zu einer großen Menschenrechtskonferenz, deren Ergebnisse – in Buchformdokumentiert – Grundlage für die weitere Zusammenarbeit wurden.

Freiheit und die Rechte der MinderheitenNach zweijähriger Vorbereitung durch eine internationale Arbeitsgruppe des Liberalen Institutskonnte die Internationale Akademie für Führungskräfte der Stiftung im September des Jahres 2000über 60 Vertreter nationaler Minderheiten in Berlin zur Diskussion des Entwurfs zu einer Minder-heitencharta begrüßen. Bereits im Jahre 1996 hatte eine internationale Konferenz zum Thema

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„Menschenrechte und Minderheiten“ in Königswinter die Grundlagen intensiver Reformen mit Ver-tretern von Minderheiten aus 23 Ländern erarbeitet. Vier Jahre später in Berlin konnte nach inten-siver Erörterung in fachbezogenen Arbeitsgruppen und Überarbeitungen im Plenum ein umfassendesKonzept deutlich liberaler Grundsätze mit einer breiten Zustimmung durch Delegierte nationaler,ethnokultureller und indigener Minderheiten verabschiedet werden.

Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Lord Russel-Johnston bezeich-nete das fertige Dokument als mutiger als alles, was von internationalen Organisationen zum Themabis dato vorgelegt worden war. Er sah darin ein Ensemble von Werten, für das sich der Einsatz lohneund das in dem Bestreben, Besseres zu schaffen, Menschen vom Generalsekretär der Vereinten Na-tionen Kofi Annan bis zu den Betroffenen verband. Das Ergebnis der internationalen Konferenzwurde unter dem Titel „Die Rechte von Minderheiten“ durch das Liberale Institut der Stiftung pu-bliziert und fand in viele Sprachen übersetzt eine hohe Verbreitung. Diese Minderheitencharta wurdezu einem wichtigen Instrument weltweiter Projektarbeit auf dem Gebiet der Menschenrechte undzu einem herausragenden Beispiel von Zusammenarbeit im Rahmen des ThemenschwerpunktesRechtsstaat, Menschenrechte und Minderheiten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Der Einsatz der Stiftung für die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen – das Beispiel der TibeterMit den Organisationen der etwa 100.000 in Indien lebenden Tibeter und Tibetischstämmigen un-terhält die Stiftung gute Kontakte. Insbesondere betrifft dies die Assembly of Tibetan People’s De-puties (ATPD), das Parlament der Exil-Tibeter mit Sitz im nordindischen Dharamsala, und dasdazugehörige Tibetan Parliament and Policy Research Center (TPPRC) in New Delhi. Aus dieser Part-nerschaft mit der Selbstverwaltung der Exil-Tibeter in Indien entstand auch eine Zusammenarbeitmit den weltweit tätigen Tibet Support Groups. In den Jahrzehnten des Exils hatten sich in vielenLändern Gruppierungen gebildet, die sich der berechtigten und gerechten Anliegen der weltweitim Exil lebenden Tibeter angenommen haben. Durch Pressearbeit, Informations- und Kulturveran-staltungen wurden diese Tibet Support Groups (TSG) zu einem wichtigen Instrument im Ringen umweltweite Aufmerksamkeit für die friedliche Politik des Dalai Lama und der Central Tibetan Admi-nistration im indischen Exil in Dharamsala. Während ein erstes Treffen der Freunde Tibets 1990noch im kleinen Kreis in Dharamsala stattfand, kamen zur zweiten Konferenz auf Einladung derFNF 1996 in Bonn bereits 265 Vertreter von 164 Unterstützergruppen aus 53 Ländern zu Beratungenzusammen. Der Dalai Lama hatte für die Zukunft der Tibeter unmissverständlich den Weg zur par-lamentarischen Demokratie eingeschlagen, hatte die Entwicklung demokratischer Institutionen fürdie Tibeter im Exil gefordert, hatte mehr Bildung und Ausbildung für die tibetischen Kinder unter-stützt und vor allem die kulturelle Autonomie für die tibetischen Gebiete in China und den Dialogmit der Führung in Peking verlangt. Zum ersten Mal konnte im Ergebnis dieser Konferenz in Anwe-senheit des Dalai Lama und mit großer Unterstützung des Stiftungsvorsitzenden Graf Lambsdorffein vernetzter Aktionsplan für das weitere, international ausgerichtete gemeinsame Vorgehen zum

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Verabschiedung der Minderheitencharta auf der 2. internationalen Minderheiten-Konferenz unter Vorsitz von Lord Russel-Johnston, Präsident der ParlamentarischenVersammlung des Europarates (l.), Dr. GerhartRaichle, Leiter des Liberalen Instituts (Mitte),und Dr. h.c. Rolf Berndt, GeschäftsführendesVorstandsmitglied der FNF, Berlin, 2000

Page 50: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

Schutz der Menschenrechte und Minderheiten verabschiedet werden. Keine andere Veranstaltungder Stiftung hatte davor oder hat danach derartige Kontroversen ausgelöst, die von der Schließungdes Stiftungsbüros in Peking bis hin zur Absage bereits bewilligter öffentlicher Fördermittel desBundes und der ersatzweisen Finanzierung dieser internationalen Konferenz durch private Spendendank kostenloser Anzeigen in der gedruckten Presse reichten.

Diese internationalen Konferenzen zur Unterstützung des friedlichen Weges der Tibeter zu kulturellerAutonomie in ihrer Heimat wurden fortgesetzt und fanden im Jahre 2000 in Berlin mit der Gründungdes International Tibet Support Network, im Jahre 2003 in Prag mit großer Unterstützung des Prä-sidenten Tschechiens Václav Havel und im Jahre 2007 in Brüssel, am Sitz der Europäischen Unionstatt. Politischer Druck aus China bewirkte eine diplomatische Intervention der belgischen Regierunggegen einen Besuch des Dalai Lama, der seine Teilnahme trotz der Einladung des Europäischen Par-laments daraufhin absagte. Im Ergebnis war der politische Schaden aufseiten Chinas und Belgienserheblich, die Solidarisierung und erhöhte Motivation zwischen den über 300 Teilnehmern aus 56Ländern von großer Nachhaltigkeit. Die Konferenzen werden mittlerweile vom Internationalen TibetSupport Network selbstständig weitergeführt.

Deutschland und Russland – Politik und EnergieIm Jahre 2002 kam es am neuen Sitz der Stiftung in Potsdam zu einem bedeutenden eintägigendeutsch-russischen Kolloquium. Thema war das Spannungsfeld wechselseitiger Abhängigkeit vonPolitik und Energie. Zu den etwa 25 Teilnehmern gehörten der spätere Präsident und PremierministerRusslands Dimitrij Medwedjew, der Präsident des Yukos-Konzerns und reichste Mann Russlands Mi-chael Chodorkowski, der Wirtschaftsberater Präsident Putins Andreij Iliaronow, der vormalige Chef-redakteur der angesehenen Zeitung Nesawissimaja Gaseta Vitalij Tretjakow und der Präsident derAlpha-Bank Pjotr Aven. Auf deutscher und EU-Seite sprachen Kommissar Frits Bolkestein, der Vor-standsvorsitzende der Commerzbank Klaus-Peter Müller, der Vorsitzende der Ruhrgas AG BurckhardBergmann, der Staatssekretär im Finanzministerium Caio Koch-Weser, der damalige Finanzvorstandder Deutschen Bank Tessen von Heydebreck, der Journalist Thomas Kielinger und Otto Graf Lambs-dorff als Stiftungsvorsitzender. Jedem der hoch qualifizierten Teilnehmer war schon mit der Einla-dung bewusst, dass bei einem so komplexen Thema in so kurzer Zeit allenfalls einige wesentlicheAspekte zur Sprache kommen konnten, auf keinen Fall aber auch nur Teilprobleme einer Lösungnähergebracht werden würden. Elementar waren der Dialog, der Austausch von Ideen, das persön-liche Kennenlernen und die Bildung von Vertrauen, die diese so unterschiedliche Gruppe von Per-sonen an einem Samstag, jenseits allen Spektakels und Medienaufsehens, im Truman-Haus inPotsdam zusammengeführt hatten.

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Internationale Konferenz „ConstructingPeace – Deconstructing Terror“ mit dem indischen Thinktank Strategic ForesightGroup, Mumbai, Brüssel, 2010

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1. 1988 nimmt die Internationale Akademie für Entwicklung und Freiheit in Sintra, Portugal, ihre Arbeit auf2. Seit 1995 setzt die IAF den internationalen Dialog, den Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit Seminaren in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach fort

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Page 51: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

Der sicherheitspolitische Dialog – Russland und DeutschlandDer vertrauliche Dialog im kleinen Kreis wurde ergänzt durch große, in die Öffentlichkeit getragenebilaterale Veranstaltungen wie die Erörterung sicherheitspolitischer Probleme zwischen Russlandund Deutschland. Wenn ein Land sich bedroht fühlt, während das andere sich nur besser schützenmöchte, entstehen rasch gefährliche Konfliktherde. In enger Zusammenarbeit mit der russischenBotschaft in Berlin fanden deshalb in den Jahren 2010 und 2011 in deren legendärem GebäudeUnter den Linden in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor Diskurse zu euroatlantischen Si-cherheitsstrukturen für das 21. Jahrhundert statt. Mit weit über 100 Teilnehmern und Referentenauf hoher Ebene ermöglichten diese den kritischen Austausch gegensätzlicher Positionen und för-derten Vertrauen. Um die Bedeutung dieses Dialogs für die Meinungsbildung der Politik im Hinblickauf eine strategische Partnerschaft zu unterstreichen, nahm auf russischer Seite der Vorsitzendedes Auswärtigen Ausschusses der Duma Konstantin Kossatschow teil, auf deutscher Seite der Staats-minister im Auswärtigen Amt Dr. Werner Hoyer MdB.

Frieden schaffen – Terror bekämpfen Globale Problemlagen bedürfen internationaler Initiativen und Zusammenarbeit, wobei den Nicht-regierungsorganisationen für die Früherkennung, die vertiefte Ursachenanalyse und die Entwicklungvon Lösungsansätzen häufig eine besondere Aufgabe und Verantwortung zukommt. Die gemeinsameArbeit lange gewachsener Netzwerke wissenschaftlicher und politischer Natur aus vielen Regionender Welt, die auch aus der gesellschaftspolitischen Bildungsarbeit der Stiftung hervorgegangen sindoder gefördert wurden, hat sich in vielen Beispielen als handlungsfähig erwiesen und ihre Akzeptanzunter Beweis gestellt.

Gemeinsam mit der indischen Strategic Foresight Group (SFG) und der Allianz der Liberalen undDemokraten im Europaparlament (ALDE) wurde zwischen den Jahren 2004 und 2007 durch die we-sentliche Förderung der Stiftung ein handlungsorientierter Katalog (Brussels Consensus) für Maß-nahmen zur Schaffung oder Erhaltung von Frieden durch die Bekämpfung des nationalen undinternationalen Terrorismus erarbeitet. An der gestellten Aufgabe Constructing Peace – Decon-structing Terror waren Experten weltweit anerkannter Thinktanks ebenso aktiv beteiligt wie hoch-rangige Vertreter von Regierungen aus asiatischen, arabischen und europäischen Staaten sowie derVereinten Nationen. Besonderes Gewicht im Hinblick auf die islamische Welt hatte u. a. die Teil-nahme des Generalsekretärs der Arabischen Liga Amre Moussa aus Ägypten, des Botschafters SKHPrinz Turki Al-Faisal von Saudi-Arabien, des früheren Außenministers Jordaniens Kamel Abu Jaber,des früheren Außenministers der Türkei Yasar Yakis, des stellvertretenden Außenministers OmansSayyid Badr Bin Hamad Bin Hamood al Busaidi und des Vorsitzenden der großen islamischen ParteiNahdatul Ulama aus Indonesien Hasyim Muzadi.

Die rasch fortschreitende Globalisierung und ihre Auswirkungen auf nationale Politiken haben dieebenfalls stark zunehmende internationale Vernetzung von Entscheidungsträgern und Einrichtungendes öffentlichen und privaten Lebens erforderlich gemacht, um auch nur die drängendsten Probleme

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Amre MoussaAußenminister Ägyptens (1991 bis 2001),Generalsekretär der Arabischen Liga (2001 bis 2011)

„Die FNF verdient großen Respekt für ihreArbeit und Projekte, besonders in ihrer glo-balen Orientierung und dem Interesse an denLändern der Dritten Welt, ihren Freiheitenund Gesellschaften. Ich habe an einigen Aktivitäten der Stiftung teilgenommen undwar sehr beeindruckt von der Seriosität, demEnthusiasmus und der Aufrichtigkeit der geleisteten Arbeit.“

erkennen und Lösungen entwickeln zu können. Der ständige Austausch von Ideen im friedlichenDialog ist ebenso möglich wie unerlässlich geworden.

Durch die Verzahnung der internationalen Arbeit mit der Bildungsarbeit im Inland werden dieseEntwicklungen durch die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit aufgegriffen und in ihrenProgrammen vielfältig synergetisch umgesetzt.

Informations- und Studienprogramme für Nachwuchs- und Führungskräfte der Partner in der Bun-desrepublik, auf europäischer Ebene oder in anderen Regionen haben in der internationalen Arbeitder FNF immer eine wichtige Rolle gespielt. Sie dienten der politischen und fachlichen Qualifizierungder Teilnehmer und dem Dialog mit Entscheidungsträgern und Institutionen aus Politik, Medien,Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft der besuchten Gastländer. Zweck und Inhalte der Pro-gramme hatten stets einen sehr engen Projektbezug, d. h., sie wurden maßgeschneidert auf be-stimmte Zielgruppen und Projektziele hin konzipiert und durchgeführt. Sie wandten sich an gesell-schaftlich relevante Schlüsselgruppen und Funktionseliten der Einsatzländer und kamen i. d. R. ausdem Partnerspektrum der Stiftung. Wichtige Zielgruppen waren politische Mandats- und Funkti-onsträger sowie Nachwuchsführungskräfte auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene sowieFach- und Führungskräfte der Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Bildung und Forschung (einschließ-lich Thinktanks).

Informations- und Studienprogramme haben sich auch im Rahmen von Projekten des zivil-militä-rischen Dialoges, der Krisenprävention und des Konfliktmanagements bewährt. In diesen Fällenwurden gemischte Gruppen aus Vertretern der Konfliktparteien gebildet (Israelis/Palästinenser, Par-lamentarier/Generalstabsoffiziere), um während einer Studienreise gegenseitiges Kennenlernen undneue Kommunikationsebenen zu ermöglichen. In jüngerer Zeit wurden auch Süd-Süd-Austausch-programme, z. B. zwischen politischen Führungskräften Asiens und Lateinamerikas, oder Programmein mehreren Ländern realisiert: z. B. eine Studienreise zur Verfassungsberatung über föderativenStaatsaufbau für irakische Parlamentarier in Deutschland, Spanien und Malaysia. Gelegentlich hat-ten solche Maßnahmen auch unerwartete politische Effekte: Während der Studienreise einer De-legation liberaler Spitzenpolitiker aus Kolumbien in die BRD kam es 1984 zu einer Einigung zwischenden rivalisierenden Präsidentschaftskandidaten Virgilio Barco und Luis Carlos Galan darüber, werbei den Wahlen antreten sollte. Dieser im Ausland erzielte, unerwartete Konsens erfuhr in Kolumbienein enormes Medienecho. Und Virgilio Barco wurde der nächste Staatspräsident des Landes.

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Internationale Programme

Page 52: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

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Internationale Kooperationund Vernetzung

Die ersten 30 Jahre der internationalen Arbeit der FNF wurden ausschließlich aus öffentlichen Zu-wendungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)und des Auswärtigen Amtes (AA) finanziert. Mit beiden Ministerien besteht eine historisch gewach-sene, konstruktive Partnerschaft, die sich auch in schwierigen Phasen stets bewährt hat. Entschei-dende Faktoren dafür waren die fortschrittliche Förderpolitik der Zuwendungsgeber BMZ und AA(ausgereifte Richtlinien, langfristige und auf Nachhaltigkeit angelegte Förderkonzepte, Flexibilitätder Bewilligungsverfahren), die hohe Sachkompetenz der Ministerien durch jahrzehntelange Erfah-rungen mit der Praxis der Projektförderung sowie das umfassende Verständnis für die komplexenRahmenbedingungen in den Einsatzländern. Ohne die privilegierte Partnerschaft mit diesen beidenentscheidenden Kooperationspartnern wäre die Erfolgsgeschichte des internationalen Engagementsder politischen Stiftungen nur schwer vorstellbar. Diese Form einer effektiven „Public Private Part-nership“ hat enorme Chancen eröffnet, Potenziale entwickelt und fruchtbare Synergien bewirkt.Das spezifische Instrumentarium der deutschen politischen Stiftungen wird in vielen Ländern alseinzigartig und zentral anerkannt, um gesellschaftspolitisch relevante Wirkungen zu erzielen. Eskommt daher auch nicht von ungefähr, dass Deutschland auf internationaler Ebene um diese Insti-tutionen beneidet wird.

Ab 1990 entwickelte sich schrittweise eine komplementäre Zusammenarbeit der FNF mit weiterenKooperationspartnern. Die Beantragung von Projekten bei der Europäischen Union (EU) und demAuswärtigen Amt (Sondermittel für Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktmanagement)erfolgte im Wettbewerb mit einer Vielzahl von Antragstellern. Ergänzend wurden Projekte mit derGTZ (heute GIZ), dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen (UNDP), dem UN-Hochkommissarfür Menschenrechte (UNHCHR), dem UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) sowie einer Reihestaatlicher Träger und privater Stiftungen aus Industrieländern vereinbart. In diesen Fällen war eineBeantragung nicht gangbar. Die FNF wurde vielmehr ersucht, gemeinsame Projekte durchzuführen,weil sie Expertise im Einsatzgebiet, Zugang zu Partnerstrukturen und politischen Akteuren hatte oderbei schwierigen politischen Rahmenbedingungen komparative Vorteile als Projektträger aufwies.Die neuen Kooperationspartner haben in diesen Fällen die Finanzierung der Projekte übernommenoder bereits bestehende Vorhaben der Stiftung durch komplementäre Komponenten erweitert. Inmehreren Fällen entstanden durch solche Kooperationen aber auch neue BMZ- oder AA-Projekte.

Seit 1990 hat die FNF so insgesamt 132 Projekte mit neuen Kooperationspartnern finanziert. Diesewurden in 42 Ländern mit Schwerpunkten in Nahost, Nordafrika und Südostasien durchgeführt,vor allem in Krisengebieten sowie Staaten mit repressiven oder autoritären politischen Systemen.

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Die bedeutende Rolle der Kooperationspartner

Ein Pionierprojekt der Stiftung mit der EU:informeller Politikdialog zwischen einer Delegation der Europäischen Union und derDemokratischen Volksrepublik Korea (DVRK)in Kaesong, Nordkorea, 2000

Entwicklungsminister Dirk Niebel (Mitte), Harald Klein, Abteilungsleiter BMZ (l.), undUlrich Niemann, Leiter Internationale Politikder FNF, auf der Auslandsmitarbeiter-Konfe-renz, Berlin, 2011

Page 53: Broschüre 50 Jahre Internationale Politik in der FNF

Sie galten der Zusammenarbeit mit nicht staatlichen Partnern in den Bereichen Menschen-, Bür-ger- und Freiheitsrechte, Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Medien, selbstbestimmte Kommunal-entwicklung, Stärkung der Zivilgesellschaft, Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen undReformkonzepte sowie Krisenprävention und Konfliktbearbeitung.

Die mit neuen Kooperationspartnern realisierten Projekte haben eine wesentlich erhöhte Vernetzungder Stiftung mit nationalen, regionalen und globalen Akteuren in den Einsatzgebieten bewirkt. Da-durch konnten zusätzliche Finanzmittel, Partnerstrukturen und Allianzen mobilisiert werden. DieAkquisition komplementärer Partner, Budgets, Fachkräfte und Infrastrukturen hat die Aktionsfreiheitund Flexibilität der Stiftung in den Projektländern erheblich gesteigert und bedeutende Synergienbewirkt. Die folgenden international tätigen Kooperationspartner haben wichtige finanzielle undinhaltliche Beiträge geleistet: Canadian International Development Agency (CIDA), National En-dowment for Democracy (NED), National Democratic Institute for International Affairs (NDI), In-ternational Republican Institute (IRI), Westminster Foundation for Democracy, Atlas EconomicResearch Foundation, Ford Foundation, Asia Foundation, Asia Europe Foundation, Taiwan DemocracyFoundation, International Research Foundation (Sultanat Oman), Sasakawa Peace Foundation(Japan). Weitere relevante Kooperationspartner haben ihre Kompetenz, Expertise und Erfahrungeneingebracht: Europäische Kommission für Menschenrechte des Europarates, Europäischer Gerichts-hof für Menschenrechte, Internationale Juristenkommission, UN Center for Human Rights, Inter-national Crisis Group, Transparency International, Amnesty International, International Institute forDemocracy and Electoral Assistance (IDEA), das kanadische Fraser Institute mit seinem weltweitenEconomic Freedom Network sowie eine Vielzahl von politischen und wirtschaftspolitischen Think-tanks und Forschungsinstituten aus nahezu allen Weltregionen.

Im Bereich der Demokratieförderung und Parteienkooperation waren und sind wertvolle Partner:Liberal International (LI), Allianz der Liberalen und Demokraten im Europäischen Parlament (ALDE),Europäische Liberal-Demokratische Reformpartei (ELDR), die Jugendverbände Internationale Föde-ration der Liberalen Jugend (IFLRY), Liberale Jugendbewegung der Europäischen Gemeinschaft(LYMEC), British Liberal Democrats und das Swedish Liberal International Centre (SILC).

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Intensive Vernetzung mit nationalen, regionalen und globalen Akteuren

Madeleine AlbrightEhemalige US-Außenministerin, Vorsitzende des National Democratic Institute for International Affairs (NDI), USA

„Für mehr als ein halbes Jahrhundert standdie internationale Arbeit der FNF unerschüt-terlich in der Verteidigung von Demokratieund liberalen Werten weltweit. NDI ist stolzauf die langjährige Verbindung und Zusam-menarbeit und beglückwünscht Sie zu die-sem Meilenstein. Wir sehen der Fortsetzungunserer gemeinsamen Arbeit in den kom-menden Jahren entgegen.“

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1. Außenminister Dr. Guido Westerwelle bei seinem Vortrag vor der Auslandsmitarbeiter-Konferenz, Berlin, 20112. Abschlusskonferenz des Projektes mit der Europäischen Union „Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zivilgesellschaftlicher Organisationen im arabischen

Raum“ (Mashrek/Maghreb), im Hauptsitz der Arabischen Liga, Kairo, 20103. Internationale Konferenz mit der liberalen Atlas Economic Research Foundation (USA) zum Stand der Reformpolitik in China mit führenden Reform-Ökonomen der

Regierung, unter Vorsitz von Prof. Mao Yushi, Gründer des liberalen Unirule Institute for Economy (Mitte), Peking, 1995

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Weltweite Bilanz und künftigeHerausforderungen

Nach 50 Jahren weltweitem Einsatz für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft und ge-sellschaftlichen Pluralismus kann festgestellt werden: In enger Kooperation mit über 800 Partner-organisationen aus mehr als 100 Ländern hat die FNF substanzielle Beiträge zur Demokratisierungund Transformation autoritärer politischer Systeme erbracht. Dabei wurden wichtige Schritte zurDurchsetzung von Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechten erfolgreich unterstützt sowiemarktwirtschaftliche Reformen restriktiver gesetzlicher und ordnungspolitischer Rahmenbedingun-gen vorangetrieben. Durch den Aufbau eigenständiger Partnerinstitutionen in Politik, Verwaltung,Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Bildung und Forschung konnten wesentliche Beiträge zur Stär-kung freiheitlicher, zivilgesellschaftlicher, pluralistischer und partizipativer Strukturen in den Ein-satzländern geleistet werden. Aus der engen partnerschaftlichen Zusammenarbeit der Stiftung mitInstitutionen liberaler Werteorientierung haben sich vertrauensvolle Beziehungen und weitreichendeNetzwerke mit politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eliten der Einsatzländer entwi-ckelt, die eine solide Plattform für den Politikdialog und Initiativen zur nachhaltigen Politikgestal-tung darstellen.

Mit Beginn der Demokratisierungstendenzen in den weltweiten Einsatzregionen Mitte der 1980er-Jahre hatte die FNF die Zusammenarbeit mit liberal orientierten Parteien aufgenommen und zueinem Schwerpunkt ihres Engagements für politische Bildung, Politikberatung und Politikdialog ent-wickelt. Aus dieser intensiven Kooperation sind zahlreiche Parteien mit liberalen Grundwerten her-vorgegangen, die sich im Zeitablauf zu regionalen Parteien-Netzwerken zusammengeschlossen ha-ben: dem asiatischen Dachverband liberal-demokratischer Parteien CALD (Council of Asian Liberalsand Democrats), dem afrikanischen Parteienbündnis ALN (Africa Liberal Network), dem lateiname-rikanischen Netzwerk liberaler Parteien und Thinktank RELIAL (Red Liberal de América Latina) unddem liberalen Netzwerk Arab Alliance for Freedom and Democracy (AAFD) in Nordafrika/Nahost.

Die regionalen Partner-Netzwerke und ihre Mitgliedsparteien sind heute wichtige Träger einer frei-heitlichen, demokratischen, rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen Agenda und beeinflussenden politischen Diskurs in ihren Regionen und Ländern. Diese Entwicklungen gehen unzweifelhaftauf das starke Engagement der FNF in den letzten 30 Jahren zurück. Nachdem im Partnerspektrumder ersten 20 Jahre nur sieben Parteien existierten (vornehmlich in Lateinamerika), umfasst die Par-teienkooperation heute 97 Parteien aus vier Kontinenten. Neben der Qualifizierung von Führungs-kräften haben Politikberatungen der FNF zur Strategie-, Organisations- und Programmentwicklung,inklusive Wissens- und Change Management, wesentliche Fortschritte für die Partnerinstitutionen

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Bilanz eines halben Jahrhundertsinternationaler ArbeitDr. h.c. Rolf Berndt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied

Dr. h. c. Rolf Berndt

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bewirkt. Die Stiftung wird diese Arbeit auf der Basis breiter Erfahrungen fortsetzen, denn politischeParteien sind essenziell für demokratische Regierungsführung. Demokratie braucht demokratischorganisierte, funktionsfähige und programmatisch profilierte Parteien. Die Parteiensysteme undParteistrukturen in den Einsatzländern sind jedoch vielfach noch im Entwicklungsstadium und be-dürfen einer gezielten Kooperation und Unterstützung, insbesondere zur Qualifizierung von Man-dats- und Funktionsträgern sowie Nachwuchs- und Führungskräften.

Die FNF hat während der 50 Jahre ihrer internationalen Tätigkeit eine bedeutende Rolle bei der In-stitutionenbildung innerhalb ihres Partnerspektrums gespielt. Eine Vielzahl von sehr erfolgreichen,selbstständigen Partnerorganisationen, die aus der Projektarbeit entstanden sind, würde ohne dieStiftung nicht existieren, andere hätten sicherlich keine so dynamische Entwicklung erlebt. Diesgilt in besonderer Weise für gemeinnützige Organisationen, z. B. Menschenrechtsinitiativen, derenFinanzierung aus Eigenmitteln in vielen Einsatzländern Probleme bereitet. Aus langfristig angelegtenRegionalprojekten der Stiftung entstanden schrittweise länderübergreifende Partner-Netzwerke fürKooperation, gegenseitigen Austausch und gemeinsame politische Initiativen. Dies gilt für den Zu-sammenschluss der Industrie- und Handelskammern in Südasien zur regionalen SAARC-Chamberof Commerce and Industry, die Gründung des Southern African Legal Assistance Network (SALAN)durch Menschenrechtsinitiativen aus acht Ländern des südlichen Afrika sowie die Integration wirt-schaftspolitischer Thinktanks und Forschungsinstitute im Rahmen des Economic Freedom NetworkAsia und des Economic Freedom Network of the Arab World. Diese auf entscheidende, kreative Im-pulse der Stiftung zurückgehende Institutionenbildung auf nationaler und regionaler Ebene hatvielfach eine Eigendynamik entwickelt und gewinnt zunehmend an Bedeutung und Einfluss.

Durch fünf Jahrzehnte kontinuierlicher Arbeit mit den Partnern bei der Aus- und Fortbildung vonFührungseliten und Führungsnachwuchs in Schlüsselbereichen der Gesellschaft mit jeweils Hun-derttausenden von Teilnehmern in vielen Sektoren sind qualifizierte liberale Fach- und Führungs-kräfte herangewachsen. Sie haben in ihren Wirkungsstätten neue Initiativen, Reformprogrammeund Aktionen entwickelt. Die mithilfe der Stiftung in mehreren Einsatzländern errichteten Ausbil-dungszentren betreuen auch nach dem Projektende selbstständig fortlaufend weitere Generationenvon Zielgruppen. Als Fallbeispiel sei die 1989 aus der Projektarbeit der FNF entstandene Akademieder Genossenschaften in Brasilien genannt, die jährlich 5.000 Fortbildungsprogramme mit 140.000Teilnehmern durchführt. Die weltweit entstehenden Langzeitwirkungen der selbstständigen Fort-führung von Bildungsprogrammen durch die Partner sind nicht leicht zu quantifizieren, die Teil-nehmerzahlen pro Jahr dürften in der Dimension aber im siebenstelligen Bereich liegen.

Auch die von der FNF seit 1963 in Eigenregie veranstalteten Bildungsprogramme für liberale Füh-rungseliten der Partnerländer in Deutschland, Europa und Übersee, vor allem maßgeschneiderte In-formations- und Studienaufenthalte für hochrangige Zielgruppen, haben langfristige Wirkungenentfaltet. Darüber hinaus hat die Internationale Akademie für Führungskräfte (IAF) der Stiftung seit

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Prof. Dr. Amnon RubinsteinViermaliger Minister im israelischen Kabinett,Gründer und Vorsitzender der liberalenShinui-Partei und Dekan des InterdisciplinaryCenter Herzliya (IDC)

„Ich war mit der FNF länger verbunden, alsich mich erinnern kann, und ich denke mitSehnsucht an meine Freundschaft mit OttoGraf Lambsdorff zurück. Für mich war Ottonicht nur ein gelehrter Freund, sondern auchdas Symbol des Wiederauflebens eines freien,demokratischen, liberalen und humanenDeutschlands. Sein Vermächtnis inspiriert alleLiberalen. Ich bin auch froh, dass die FNF einestarke Beziehung zum IDC hat und dass icheine gewisse Rolle in dieser Beziehung spiele.Die Aktivitäten der FNF in Israel sind außer-gewöhnlich wichtig in einem Land, wo libe-rale Ideen, obwohl gesetzlich verankert, inseinen grundlegenden Menschenrechten,noch flackern und durch antiliberale Kräfteherausgefordert werden. Ich wünsche der FNFweitere 50 erfolgreiche Jahre.“

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1. Empfang von Dr. h. c. Rolf Berndt (l.) durch den südkoreanischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Kim Dae-jung in Seoul, 20002. Konferenz zur Zukunft Europas mit Hans-Dietrich Genscher (r.) und dem tschechischen Senator Jirí Dienstbier (2. v. l.), Prag, 19993. Asien-Europa-Dialog unter Leitung von Guy Verhofstadt, Vorsitzender der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament (2. v. l.), Sir Graham Watson, Vorsitzender

der Allianz Liberaler und Demokraten Europas ALDE (2. v. r.), und Sam Rainsy, Vorsitzender des Council of Asian Liberals and Democrats (r.), Brüssel, 2012

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ihrer Gründung 1988 etwa 8.000 Führungsnachwuchskräfte aus allen Weltregionen fortgebildet,deren Wirkung und Einfluss sich auch durch die Gründung von Alumni-Netzwerken in zahlreichenLändern erkennbar manifestiert.

Im Jahre 2013 feiert eine weitere Arbeitseinheit der Stiftung ein rundes Jubiläum: Die Begabten-förderung wird 40. Seit 1973 haben über 1.400 junge Menschen nicht deutscher Nationalität miteinem FNF-Stipendium in Deutschland studiert oder wurden dort promoviert. Häufig werden dieVerbindungen zur Stiftung auch nach dem Ende der Förderung noch über lange Zeiträume hinwegaufrechterhalten. In vielen Ländern gibt es für die Stiftungsprojekte Berührungspunkte und Koope-rationen mit Altstipendiaten, die nicht selten nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland hervorgehobeneberufliche oder politische Positionen bekleiden. In vielen Ländern bestehen Alumni-Vereine vonAltstipendiaten, die sich regelmäßig treffen.

In den ersten zwei Dekaden der internationalen Projektarbeit mit den Partnern lag der Schwerpunktder Aktivitäten im Bereich der gesellschaftspolitischen Bildung und auf weitgehend länderbezoge-nen Programmen. Mit Beginn der Demokratisierungstendenzen ab Mitte der 1980er-Jahre steigertesich der Anteil der Politikdialog-Programme auf nationaler, regionaler und globaler Ebene. Der Po-litikdialog erfolgte dabei nicht nur in Nord-Süd-Richtung, sondern auch in Süd-Süd- und Ost-West-Richtung und mit dem Aufstieg der Schwellenländer zunehmend in Süd-Nord-Richtung sowie aufglobaler Ebene. Themen, Substanz und Ausrichtung der Konferenzen, Symposien sowie Informati-ons- und Studienprogramme wurden dabei auch durch profunde Politikanalysen der Partner-Think-tanks in einem breiten Spektrum von Politikfeldern bestimmt. Fallbeispiele im Bereich der Krisen-prävention, Friedenssicherung und Konflikttransformation sind eine umfassende Studie über diepolitischen, militärischen, ökonomischen, sozialen, ökologischen und menschlichen Kosten des 65-jährigen Konfliktes um Jammu und Kaschmir, vorgelegt durch die Strategic Foresight Group in Mum-bai (105 Seiten in Buchform), sowie die Analyse der gegebenen Handlungsalternativen imethnischen Konflikt in Sri Lanka durch das Institute for Democracy and Leadership (IDL) in Colombo.Aus der Projektarbeit mit der Stiftung entstanden insgesamt mehrere Zehntausend Publikationender Partner, die teilweise auch über den Buchhandel der Einsatzländer in zahlreichen Auflagen ver-trieben wurden, darunter eine ganze Reihe von Bestsellern.

Akzeptanz und Risiken des internationalen Engagements Die Akzeptanz der FNF als ausländischer Partner lokaler Organisationen war in der überwiegendenMehrzahl der Einsatzländer gegeben. Die Regierungen zeigten sich i. d. R. offen für die Tätigkeit derStiftung und waren bereit, entsprechende Rahmenabkommen zu schließen. Statusprobleme undRestriktionen ergaben sich meist in Ländern mit autoritären bzw. repressiven politischen Systemen.Diese führten in Einzelfällen auch zum Rückzug der Stiftung aus Projektländern, wenn die politi-schen Rahmenbedingungen die Verfolgung freiheitlicher Ordnungsprinzipien nicht mehr erlaubten.Konfliktsituationen in mehreren Ländern zeigten die Risiken auf, die mit gesellschaftspolitischen

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Gemeinsame Konferenz der FNF mit demCenter for Local Autonomy (CLA) der Hanyang University über „Demokratie undBürgerbeteiligung“ in Seoul, 2008

Charles HagelEhemaliger Senator von Nebraska,Verteidigungsminister der USA

„Die FNF spielt eine wichtige Rolle in derFörderung von Freiheit, Rechtsstaat und globaler Demokratie. Die Arbeit der Stiftungin verschiedenen Regionen der Welt stellt einunentbehrliches Leuchtfeuer für diejenigendar, die nach Freiheit streben.“

Projekten verbunden sein können, vor allem wenn autoritäre Regime und mächtige Lobbygruppenihre Interessen tangiert sahen. Die Stiftung war bei grundsätzlicher Risikobereitschaft in ihrer Pro-jektsteuerung stets bemüht, sich nicht dem Vorwurf der Einmischung in innenpolitische Angele-genheiten auszusetzen. Dies erforderte immer wieder schwierige Gratwanderungen und eine ver-trauensvolle Güterabwägung mit den Partnern. Fehlschläge oder das Scheitern von Projekten muss-ten in solchen Fällen einkalkuliert werden.

Substanzielle Beiträge zur deutschen Außen- und EntwicklungspolitikDie FNF konnte durch die jahrzehntelange Kooperation mit ihren weltweiten Partnerstrukturensowie die Vernetzung mit ihren internationalen Kooperationspartnern aus Industrie-, Transforma-tions- und Entwicklungsländern die staatliche Entwicklungszusammenarbeit und die Außenpolitikder Bundesregierung wirksam ergänzen. Die Anfang der 1960er-Jahre eingeführte Projektförderungdurch die Zuwendungsgeber Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) undAA hat sich als innovatives Instrument einer weitsichtigen Entwicklungs- und Außenpolitik erwiesen.Die FNF konnte die dadurch eröffneten Möglichkeiten und Chancen zur Unterstützung der gesell-schaftspolitisch relevanten liberalen Kräfte in der Welt effektiv nutzen. Die Stiftung wird daherheute von ihren weltweiten Partnern als einzigartiges Instrument zur Stärkung liberaler Institutionenund Entwicklungen anerkannt und respektiert.

Die komparativen Vorteile der politischen Stiftungen bei der Förderung und Gestaltung von Trans-formationsprozessen politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme sind aus ihren bis-herigen Leistungsprofilen zweifelsfrei abzuleiten. Durch ihre Programme und Projekte tragen siewesentlich dazu bei, dass von relevanten gesellschaftlichen Kräften in den Partnerländern entschei-dende Impulse für den Wandel der politischen Rahmenbedingungen und nachhaltige Entwicklungs-prozesse ausgehen. Im Zeitalter einer rasant fortschreitenden Globalisierung in allen Politikfeldern,der Verschiebung internationaler Kraftzentren und des Auftretens neuer regionaler und globalerGestaltungsmächte können die politischen Stiftungen im Interesse der neuen Rolle Deutschlandsin der Welt substanzielle Beiträge leisten. Die FNF ist bereit, sich diesen Herausforderungen zu stellen.

Wirkungs- und Erfolgskontrolle der Stiftungsprojekte Die Überprüfung von Stiftungsprojekten durch unabhängige Gutachter begann bereits in der Auf-bauphase der 1960er-Jahre. Ab 1974 wurde in der Auslandsabteilung der Stiftung eine eigeneStabsstelle Evaluation geschaffen. Seit 2009 erfolgt die Planung, Durchführung und Auswertung vonEvaluationen im In- und Ausland durch den Stab Strategisches Controlling und Evaluation beimGeschäftsführenden Vorstandsmitglied. Der Stab ist auch Ansprechpartner für Evaluierungen derZuwendungsgeber (Bundesministerien) und der Kooperationspartner im In- und Ausland (EU, GIZ,UNDP etc.).

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Siim KallasVizepräsident der Europäischen Kommission,ehemaliger Ministerpräsident, Außen- undFinanzminister der Republik Estland

„Als ich 1994 in Estland die Reform-Parteigründete, setzte sich die FNF für die Förde-rung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratieund Menschenrechten durch politische Bildung und Dialog in meinem Land ein. Die Stiftung half dabei, die Reform-Partei zu gestalten und sie in das liberale Netzwerkweltweit zu integrieren. Es war immer eineFreude, an ihren Veranstaltungen teilzuneh-men. Ich beglückwünsche die Stiftung zuihrem Jubiläum und wünsche ihr weiterhinErfolg bei ihrer Arbeit, den Liberalismus zu fördern.“

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2010 führte die Stiftung eine Evaluierungs-Richtlinie ein, die detaillierte Verfahrensregeln und Qua-litätsstandards definiert. Die FNF orientiert sich bei ihrer Wirkungs- und Erfolgskontrolle an deninternationalen Standards, Kriterien und Prinzipien, die von der Organisation für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Rahmen des Development Assistance Committee (DAC)festgelegt wurden. Danach sollen Evaluierungen fünf grundlegende Kriterien überprüfen: Relevanz,Effektivität, Effizienz, Wirkungen und Nachhaltigkeit.

Ein Grundproblem der Evaluierungen besteht darin, dass sich die Wirksamkeit politischer Projektewesentlich schwerer messen lässt als im Falle von Projekten der technischen und finanziellen Zu-sammenarbeit. Die unzweifelhafte Zuordnung von gesellschaftlichen und politischen Veränderungenzu bestimmten Projekten ist aufgrund der Komplexität der Rahmenbedingungen und der Vielzahlvon Einflussfaktoren häufig nur begrenzt möglich. Die Stiftung arbeitet daher mit entsprechendangepassten Zielsystemen und zugeordneten Wirkungshypothesen, die regelmäßig überprüft wer-den. Auf diese Weise können Abweichungen oder Fehlentwicklungen von Projekten frühzeitigerfestgestellt und korrigiert werden. In den letzten zehn Jahren wurden nahezu alle internationalenAktivitäten der Stiftung flächendeckend durch zahlreiche Experten evaluiert. Die Ergebnisse undEmpfehlungen der Gutachter fanden Eingang in die Steuerung der Projekte und beeinflussen diestrategische Ausrichtung der internationalen Arbeit in den Regionalbüros der FNF.

Erfolgreiche Dezentralisierung der EntscheidungsstrukturenDie 1992 eingeführte Strukturreform der Aufbau-Organisation der Stiftung für die internationaleArbeit hat sich umfassend bewährt. Die in den ersten 30 Jahren bestehende isolierte Existenz zahl-reicher Einzelprojekte weltweit, mit direkter Anbindung an die Stiftungszentrale in Deutschland,ist einer strategischen Ausrichtung und systematischen Verknüpfung der Projekte durch verant-wortliche Regionalbüros in den Einsatzgebieten gewichen. Die Führung durch Zielvereinbarungen,Regionalstrategien und die Steigerung der Steuerungskompetenz aufgrund kurzer Dienstwege, di-rekter Partnerkontakte und Vertrautheit der Regionalbüroleiter mit den jeweiligen politischen, in-stitutionellen und soziokulturellen Rahmenbedingungen der Regionen haben entscheidendeFortschritte gebracht. Durch die Bündelung regionaler und sektoraler Projektkomponenten auf denKontinenten wurden zudem erhebliche Synergieeffekte erzielt. Die Stiftung ist heute mit siebendezentral agierenden Regionalbüros und 47 Projektbüros in 70 Ländern strukturell anpassungsfähigund reaktionsschnell und damit auch für die Zukunft gut aufgestellt.

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Helen ZilleMinisterpräsidentin der Provinz Western Cape,Vorsitzende der liberalen OppositionsparteiDemocratic Alliance (DA), Südafrika

„Die FNF hat eine instrumentelle Rolle in derFörderung des Liberalismus in Südafrika gespielt, nicht nur durch Beiträge zum intel-lektuellen Diskurs, sondern auch durch Unter-stützung seiner praktischen Entwicklung inallen Gesellschaftsschichten, von Politikernbis zu Studenten. Für mehrere turbulente Dekaden war die FNF ein wertvoller Partner,die Flammen der Freiheit am Leben zu erhal-ten, während Südafrika mit der Geißel wett-eifernder Nationalismen konfrontiert war.“

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Neue Herausforderungen und strategische Ziele für die AuslandsarbeitUlrich Niemann, Bereichsleiter Internationale Politik

Ulrich Niemann

Internationale Tagung „Im Schatten derMacht – Die Situation der Medien in Russ-land, Belarus und Ukraine“, Berlin, 2000

Das liberale Wertemodell vor neuen HerausforderungenDas weltweite Streben nach Freiheit ist ungebrochen, wie das Aufbegehren der Menschen in derarabischen Welt oder in Myanmar zeigt. Das von den Werten der Aufklärung getragene Modell li-beraler Demokratien und freier Märkte gerät jedoch an vielen Orten dieser Welt zunehmend unterLegitimationsdruck: Der Aufstieg politisch-autoritärer Staaten zu Wirtschaftsmächten, die negativeDarstellung des liberalen Gesellschaftsmodells aus kultureller, historischer und politischer Perspek-tive sowie die Wahrnehmung und Diffamierung freiheitlicher Werte und Normen als antisozialeoder antireligiöse Bedrohung verringern die Anziehungskraft liberaler Lösungsansätze. Diesen Ge-gensatz zwischen dem Wunsch nach Freiheit und den genannten Herausforderungen für das liberaleModell können Liberale nur überwinden, wenn sie überzeugende Antworten auf die großen globalenHerausforderungen geben.

Das von Francis Fukuyama 1989 postulierte „Ende der Geschichte“, die universelle Verbreitung vonliberaler Demokratie und Marktwirtschaft als endgültige menschliche Gesellschaftsordnung, isttrotz vieler Schritte in diese Richtung nicht eingetreten.

Vielmehr haben sich an einigen Orten traditionelle, ideologisch oder religiös begründete Rechts- undWirtschaftsordnungen erhalten oder haben sogar an Einfluss gewonnen. Selbst dort, wo formal demo-kratische und marktwirtschaftliche Verhältnisse herrschen, versperren traditionelle ElitenkoalitionenBürgerinnen und Bürgern den freien Zugang zu Politik und Märkten, indem sie sich der Herrschafts-mittel Patronage und Korruption bedienen. Organisierte Kriminalität, Korruption und schwacheStaatlichkeit führen in vielen Ländern zum Entstehen rechtsfreier Räume und physischer Unsicher-heit, die das tägliche Leben der Bürger und die wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen.

Zwar haben demokratische und marktwirtschaftliche Transformationsprozesse vielerorts neue Chan-cen eröffnet, es kommt jedoch auch zu Gegenbewegungen und Rückschlägen. Es handelt sich hierbeium teilweise mit der Abwehr vermeintlicher ausländischer Einflussnahme begründete Restriktionengegen die Zivilgesellschaft und Parteien, offene und unterschwellige Wahlmanipulation oder po-pulistisch begründete, aber letztendlich für alle schädliche Eingriffe in Eigentumsrechte und Preise.Doch auch in freiheitlichen Demokratien werden Bürgerrechte und Datenschutz durch Sicherheits-gesetze, die sich vor allem gegen terroristische Bedrohungen richten, eingeschränkt.

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1. Teilnehmer der Internationalen Akademie für Führungskräfte der Stiftung treffen Außenminister Dr. Guido Westerwelle, Berlin, 2009 2. XXIV. Freiheits-Forum des Instituts für Unternehmensstudien (IEE), Porto Alegre, 20113. Demonstrationen in Kairo, 20114. Eröffnungsrede von Benigno Simeon Aquino III, Präsident der Philippinen, auf dem ersten Kongress von Liberal International in Asien, Manila, 2011

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Armut begrenzt Lebenschancen, schafft existenzielle Abhängigkeiten und beschränkt die Freiheit.Liberale müssen noch stärker als bisher zeigen, wie die von dem liberalen Ökonomen Hernando deSoto propagierte „Marktwirtschaft von unten“ Zugänge zu Bildung, Gesundheit und Eigentums-rechten schafft, um das Leben der Armen zu verbessern und somit eine Antwort auf die Frage nachwirtschaftlicher Freiheit und sozialem Ausgleich zu geben.

Der Klimawandel stellt eine globale Herausforderung mit enormen politischen, wirtschaftlichen undsozialen Konsequenzen dar. Er stellt Liberale insbesondere vor eine ordnungspolitische Herausfor-derung: Wie kann ökologisch sinnvolles Handeln durch marktwirtschaftliche Anreize und intelligenteRegulierung gefördert werden? Wie ist das Haftungsprinzip in der Ökologie auszugestalten? Wel-chen ordnungspolitischen Rahmen brauchen wir, um Schutz vor und Anpassungen an Klimaände-rungen zu erreichen?

Eine weitere große Herausforderung bilden die Krisen an den Finanzmärkten. Eine liberale Kern-aufgabe ist es zu zeigen, wie ein entsprechender Ordnungsrahmen monetäre Stabilität und die Gel-tung des Haftungsprinzips sicherstellt. Finanzkrisen, ausbleibende Fortschritte in der Doha-Rundesowie zunehmender Protektionismus gefährden den wohlstandsfördernden freien Welthandel. Auchim Wettbewerb um knappe Ressourcen wird der Marktmechanismus unterlaufen.

Oligopole, Monopole, unklare geistige Eigentumsrechte, Fortschrittsfeindlichkeit sowie gesellschaft-liche Beharrungskräfte und Besitzstandswahrung im Zusammenhang mit technologischem Wandelbehindern Innovation. Innovationen helfen jedoch, bestehende Knappheiten zu überwinden, undsind Motor für Wachstum und Wohlstand. Förderung von Innovation und Fortschritt gehört daherfür Liberale zu den wichtigsten Aufgaben.

Vor dem Hintergrund dieser großen Herausforderungen müssen internationale Dialoge und Koope-rationen die globalen Kräfteverschiebungen hin zu aufstrebenden Mächten wie China, Indien undBrasilien friedlich und kooperativ gestalten. Ihr wirtschaftlicher Aufstieg bietet die Chance auf eineweitere Verringerung der Armut und bringt bereits jetzt Wohlstandseffekte für die ganze Welt. Ohnedie neuen aufstrebenden Mächte und Schwellenländer sind die drängenden Probleme auf globalerEbene nicht zu lösen. Entsprechend ihrer neuen Stärke müssen diese Länder auch ermuntert werden,Verantwortung zu übernehmen. Es gilt also, sie im Dialog mit einem möglichst breiten Spektrumihrer wirtschaftlichen und politischen Eliten und für Reformen, freiheitliche Politikansätze und ver-antwortliches internationales Handeln zu gewinnen.

Freiheit als AntwortDie Antwort auf die Herausforderungen ist eine freiheitliche Grundordnung, die den Menschen einLeben in Selbstbestimmung, Wohlstand und Eigenverantwortung ermöglicht. Demokratie, Rechts-staat und Marktwirtschaft sind die drei Ordnungsprinzipien für eine offene, liberale Gesellschaft.

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Benigno Simeon Aquino IIIPräsident der Philippinen, ehemaliger Vize-präsident des Abgeordnetenhauses und Senator der Philippinen

„Der 1986er Volksaufstand zum Sturz derMarcos-Diktatur war ein Schlüsselmoment inder Geschichte der Philippinen, in der Weltgefeiert als ein Markstein der Demokratie.Für mehr als zwei Dekaden fahren wir fort, diein diesem historischen Ereignis gewonnenenFreiheiten aufrechtzuerhalten und zu erwei-tern, und mit Partnern wie der FNF bewegenwir unsere Nation vorwärts, auf einem geradlinigen und gerechten Weg. Zusammenwerden wir ein besseres Umfeld für kommen-de Generationen aufbauen, in dem wir unterRespektierung unterschiedlicher Glaubens-richtungen, vielfältigen kulturellen Erbessowie Wissen und Können vereint für Frei-heit und Frieden stehen.“

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Diese offene Gesellschaft erfordert einen neu gestalteten Ordnungsrahmen für Politik, Gesellschaftund Wirtschaft – einen Ordnungsrahmen, der sowohl globalen Herausforderungen wie Armut undKlimawandel als auch Transformationsgesellschaften mit beschränktem Zugang zu Markt, Gesell-schaft und Politik Rechnung trägt, ohne das Primat der Freiheit aufzugeben. Solcherart struktu-rierte, offene Gesellschaften sind empirisch nachweisbar auch deutlich friedfertiger im Inneren wienach außen.

Der Aufbau eines funktionierenden Gemeinwesens kann nicht gelingen, wo Menschenrechte miss-achtet und Zugänge zu sozialer und institutioneller Infrastruktur breiten Gesellschaftsschichtenverwehrt bleiben. Die Förderung von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten ist daher diezentrale Aufgabe der Stiftung. Trotz kultureller Unterschiede und religiöser Überzeugungen sindfür uns die Menschenrechte unteilbar. Im Dialog mit religiös begründeten Ordnungsvorstellungengilt es einerseits anzuerkennen, dass die Idee der Freiheit des Individuums auch religiöse Wurzelnhat und in den meisten großen Religionen angelegt ist; andererseits aber der religiöse Anspruchsich an das Individuum wendet und in Freiheit beantwortet werden muss, ohne den Staat alsZwangsinstrument zu missbrauchen.

Das beste Entwicklungsprogramm sind freie Märkte. Diese liberale Überzeugung wird durch die em-pirische Wirtschafts- und Sozialforschung bestätigt, die eine positive Korrelation zwischen (wirt-schaftlicher) Freiheit und Wachstum, Human-Development-Index und Pro-Kopf-Einkommen, geradeauch der ärmsten Bevölkerungsteile eines Landes, belegt. Marktwirtschaftliche Reformen habendas Ziel, einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der freien und fairen Wettbewerb gewährleistet, offeneMärkte, Vertragsfreiheit und Privateigentum schützt sowie wirksame Haftungsregelungen und dasVerursacherprinzip im Umweltbereich umfasst.

Angesichts der globalen Machtverschiebungen ist es von großer Bedeutung, die Schwellenländerund neuen Gestaltungsmächte stärker für das liberale Ordnungsmodell und verantwortliches in-ternationales Handeln zu gewinnen. Im Dienste übereinstimmender Interessen sind gemeinsameReformansätze auf globaler, regionaler und nationaler Ebene zu erarbeiten und umzusetzen. Europakann in diesem Dialog und im zukünftigen Kräftespiel nur erfolgreich sein, wenn es selbst bereit ist,sich zu reformieren und handlungsfähig zu machen. Dadurch wird es auch als wertebasiertes Inte-grationsmodell weiterhin attraktiv bleiben. Die Stiftung wird diesen Dialog intensiv unterstützen.

Die Zukunft unserer AuslandsarbeitDie Aufgabe der Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit wird es auch inZukunft sein, freiheitliche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, den Schutz der Menschenrechte undeine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung im Rahmen der jeweiligen politischen und sozioöko-nomischen Bedingungen zu fördern.

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Annemie Neyts UyttebroeckStaatsministerin in Belgien, Mitglied des Europäischen Parlamentes, ehemalige Präsidentin von Liberal International, ehemalige Vorsitzende der Allianz Europäischer Liberaler Parteien (ALDE Party)

„Es war in der Tat eine große Freude, gemein-sam für die Entwicklung des Liberalismusrund um die Welt zu arbeiten. Unter der Führung von Otto Graf Lambsdorff und Wolfgang Gerhardt hat die FNF ein eindrucks-volles Netzwerk von Persönlichkeiten undOrganisationen aufgebaut, die sich der Sacheder Freiheit und Menschenwürde widmen.Dabei haben sie den Respekt für die Men-schenrechte in das Zentrum ihrer Arbeit ge-stellt. Die Stiftung war stets sorgfältig daraufbedacht, ihre Unabhängigkeit zu wahren und sich niemals der Macht, Autorität, demDruck oder sanfteren ungebührlichen Ein-flussnahmen zu beugen. Ich beglückwünschedie Führung und Belegschaft der Stiftung zuihrem Jubiläum und wünsche, dass dasnächste halbe Jahrhundert so erfolgreichsein möge wie das zu Ende gehende.“

Kern dieser Aufgabe ist die Demokratieförderung. Für uns bedeutet Demokratieförderung mehr alsden – fraglos notwendigen – Aufbau formaler Institutionen und Prozesse. Unabdingbar für einegelebte Demokratie ist jedoch der friedliche, faire und regelgeleitete Wettbewerb politischer Par-teien, die die Werte und Interessen der Bürgerinnen und Bürger abbilden und im politischen Wett-bewerb vertreten. Aus diesem Grund fördern wir weltweit liberale politische Parteien und ihnennahestehende Organisationen. Mit ihrer weltweiten Präsenz stellt die FNF wichtige politische undgesellschaftliche Verbindungen zwischen unseren Partnerländern und Deutschland her und fördertdie internationale Vernetzung des politischen Liberalismus.

Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte fördern wir beispielsweise durch Veran-staltungen und Seminare zur Dezentralisierung, zu Prinzipien guter Regierungsführung sowie zuMinderheitenrechten. Unsere Menschenrechtsarbeit, die fester Bestandteil aller Projekte ist, werdenwir weiter intensivieren und uns auch in menschenrechtlichen Foren weiter vernetzen und positio-nieren. Um die Entwicklung marktwirtschaftlicher Ordnungen zu begünstigen, unterstützen wirwirtschaftliche Freiheit und die Stärkung des Unternehmertums in unseren Partnerländern, zumBeispiel durch die Unterstützung von Jungunternehmerverbänden. In unseren Projekten zum Schutzvor dem Klimawandel und zur Anpassung an seine Folgen unterstützen wir unsere Partner dabei,nachhaltiges und klimaschonendes Wachstum zu fördern und Vorsorge für die Folgen des Klima-wandels zu treffen. Lösungen, die auf marktbasierte Anreizsysteme und intelligente Regulierungsetzen, können die beiden Ziele wirtschaftlicher Entwicklung und Nachhaltigkeit am besten mit-einander vereinbaren.

Die Stiftung leistet ihre politische Arbeit im Bewusstsein um die Notwendigkeit des beharrlichenund geduldigen Eintretens für neue Ideen und Reformkonzepte. Nachhaltige Erfolge stellen sicherfahrungsgemäß erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten ein. Ein zentrales Merkmal unserer Arbeitbildet daher seit langer Zeit die Bereitschaft zu langfristigem Engagement in den Einsatzländernwie auch mit den Partnerorganisationen. Hieran werden wir festhalten. Die eingangs beschriebenenVeränderungen erfordern jedoch auch Anpassungen in unserer Auslandsarbeit.

Im Dialog mit den Schwellenländern und „neuen Gestaltungsmächten“ gilt es, Konzepte und For-mate zu entwickeln, mit denen wir auch jenseits unseres traditionellen Partnerspektrums für liberaleLösungsansätze, für globale Herausforderungen sowie für bewährte Prinzipien liberaler Weltordnungwie den freien Welthandel werben können. Darüber gilt es, liberale Vertreter in den Schwellenlän-dern miteinander zu vernetzen und zu stärken.

Auch die Herangehensweise und Methoden unserer Auslandsarbeit müssen vor dem Hintergrundeines veränderten Arbeitsumfelds in den Partnerländern überprüft werden. Einerseits haben pro-fessionell organisierte und auftretende politische Partner in einigen Ländern das Potenzial, selbstberatend für liberale Partner in anderen Ländern tätig zu werden. Noch stärker als bisher wird

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Zhelyu Zhelev Präsident der Republik Bulgarienvon 1990 bis 1997

„Die Partnerschaft mit der FNF geht zurückauf die ersten Tage der Demokratie in Bulga-rien und den Beginn meines Amtes als Präsi-dent. Sie war untrennbar verbunden mitgeteilten Idealen, starken Emotionen undkühnen Projekten für die Zukunft. Ihre enor-men Beiträge zur nachhaltigen Entwicklungin ganz Südosteuropa sind unstreitig. ImZeitraum 1999 bis 2000 spielte die Stiftungeine Schlüsselrolle durch ihre Mitwirkung beider Errichtung des Politischen Balkan Clubs,zu dessen Präsident ich gewählt wurde undder später internationale Prominenz erlangte.Um die gegenwärtige Krise zu bewältigen,brauchen wir wieder die Partnerschaft mitder FNF. Nur zusammen können wir die ein-engenden Trennlinien überwinden, die purenpolitischen Diskurs abgrenzen, und uns hi-nauswagen in den Bereich der Zivilgesell-schaft als gesunde Basis für nachhaltigedemokratische Entwicklung.“

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unsere Arbeit also von einem politischen Wissens- und Kompetenztransfer in beide Richtungen ge-prägt sein. Andererseits muss die Stiftung auf die oben beschriebene Dominanz antimoderner, tra-ditionell geprägter Strömungen in anderen Partnerländern sowie restriktive Arbeitsbedingungenreagieren. Notwendig ist also die Entwicklung kulturell sensibler und an lokale Bedingungen an-passbarer Konzepte der politischen Bildung und Politikberatung.

Die heutige Auslandsarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, ihre Vernetzung undihr hohes Ansehen im In- und Ausland basieren auf den Pioniertaten sowie auf der kontinuierlichenArbeit der letzten 50 Jahre. Trotz des tief greifenden Wandels des politischen Umfelds sowie desCharakters unserer Arbeit hin zu einer stärkeren politischen Ausrichtung, werden wir unsere Arbeitfür eine Welt in Freiheit erfolgreich fortsetzen.

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