Broschüre Arbeiter_innenwiderstand in Fürth II

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Begleitbroschüre zum Antifaschistischen Stadtrundgang Arbeiter Innenwiderstand in Fürth Eine Aktion der Antifaschistischen Linken und Jugendantifa Fürth in Zusammenarbeit mit Siegfried Immholz.

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Veröffentlichungen und Reden der Antifaschistischen Linken Fürth [ALF].

Transcript of Broschüre Arbeiter_innenwiderstand in Fürth II

Begleitbroschüre zum Antifaschistischen Stadtrundgang Arbeiter Innenwiderstand in Fürth

Eine Aktion der Antifaschistischen Linken und Jugendantifa Fürth in Zusammenarbeit mit Siegfried Immholz.

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ANTIFASCHISTISCHER STADTTUNDGANGHerbst 2012

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Antifaschistische Linke Fürth

Jugendantifa fürth

Wegpunkte

Marktplatz 1Christian Hofmann, KPD-Mitglied

Obere Fischerstrasse 1Fritz Örter, Buchhändler und Anarchist

Königstrasse 26KPD-Büro

Bergstrasse 3Die „Baufeldersche Wirtschaft“

KatharinenstrasseStadtgefängnis

PfisterstrasseJohann Frenzel, Rote Hilfe

Hirschenstrasse 24ADGB und SPD Zentrale

Blumenstrasse 3Fritz Sauber, KPD und USPD-Mitglied

Schwabacher strasseFamilie Goldmann

Bahnhofstrasse 2 & 9Kurt Königsberger, Dr. Albert Rosenfelder und Michael Blöth

Moststrasse 35Rudolf Benario

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Impressum:

Herausgeber: Antifaschistische Linke Fürth, Jugendantifa FürthV.i.S.d.P.: Lisa Schieber, Herrmannplatz, BerlinAuflage: 200, Schutzgebühr: 1 EuroHomepage: www.antifa-fuerth.de.vu, www.jugendantifafuerth.blogsport.de

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ANTIFASCHISTISCHER STADTTUNDGANGHerbst 2012

Zwei Thesen am Anfang1. Es gab nur ein kurzes Moment, eine Möglichkeit, die Verbre-

chen des Nationalsozialismus zu verhindern – der General-streik unmittelbar nach der Machtübernahme 1933.

2. Die Nationalsozialist_innen bekamen Macht- und Mas-senbasis, weil sie eine kapitalistische Modernisierungs-variante anboten, die auf die Ausschaltung der traditio-nell starken politischen Arbeiter_innenbewegung setzte. Die Vorläufer Papen und Schleicher praktizieren eine auf dem Rücken der Arbeiter_innen ausgetragene Krisenbewältigung. Sie konnten dabei auf die antikommunistischen und antisemiti-schen Grundströmungen in weiten Teilen der Gesellschaft und die sie bedienende Politik fast aller bürgerlichen Parteien und der Kirchen (vor allem der protestantischen) setzen.

Krise und Arbeitslosigkeit FürthIm Mai 1931 erfasst die Krise mit voller Wucht die Fürther Wirt-schaft. Ihre Hauptzweige stehen vor dem Zusammenbruch. Opfer sind vor allem die Industriear-beiter_innen. Im Verlauf des Jah-res sank die Zahl der Arbeitslo-sen nicht mehr unter 10 000. „Bis zum Jahresende stieg die Zahl der Arbeitslosen im November und Dezember bis auf rund 13700 und erhöhte sich im Januar 1932 auf mehr als 14 500.“1

Noch im Juni 1933 waren in

Fürth 11937 Personen, 29,7% ar-beitslos. Hinzu kam noch eine nicht genau verifizierbare Zahl an Kurzarbeiter_innen. Die Mehrheit waren Arbeiter_innen (10119). Die Zahl der erwerbs-losen Angestellten betrug 1651. Die Arbeitslosigkeit wurde von den Unternehmern für drasti-sche Lohnkürzungen genutzt: So wurden 1931 in Fürth die Löhne der Glasarbeiter_innen um 5,7%, die der Metallarbeiter_innen im März um 5,5% und im Novem-

1 Strauss, a.o.a. O. Seite208 ff.

Hinweis: Mit der Schreibweise des Unterstrichs, wie in Leser_in-nen, wird im Sinne von queer versucht, Subjektpositionen jenseits der klassischen Gegenüberstellung von „männlich“/“weiblich“ sichtbar zu machen.

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ber um 10,6% gesenkt. In Bayern sanken die Durchschnittslöhne von Dezember 1930 bis Ende 1932 um 20,3 bzw. 21.1%. In der Fürther Möbelindustrie betrugen diese Kürzungen einschließlich des Wegfalls der übertariflichen Zah-lungen 35%.2 Im Verlauf des Jah-res 1930 zeigte sich auch, dass der größte Teil der bayerischen Glasindustrie mit dem Tempo des technischen Fortschritts nichtSchritt halten konnte. Dr. Alfred Kuhlo, Syndikus des Bayerischen Industriellenverbandes am 8. Dezember 1930: „Schon kommen aus Amerika Meldungen, dass dort neue Fabrikationsmethoden eingeführt werden, die eine wei-tere Konzentration der Glasin-dustrie notwendig machen. Hier geht die Entwicklung der Tech-nik wie eine Dampfwalze über alte Traditionen hinweg und ein Kampf gegen diese Entwicklung wäre ebenso aussichtslos, wie

seinerzeit der Kampf der Post-kutsche gegen die Eisenbahn.“3

In Fürth war während dieser Krise in der Spielzeug- und Spiegelindustrie der Export fast gänzlich zusammen gebrochen. 1932 schließt z. B. die Fa. Wiederer in der Waldstraße mit 1000 Ar-beitsplätzen. Diese angespann-te wirtschaftliche Situation führte besonders in den kleinbürger-lichen Mittelschichten, in deren Gesellschaftsvorstellungen der Antisemitismus schon seit der Gründung des deutschen Na-tionalstaates einen festen Platz hatte, zu einer wachsenden Exis-tenzangst. Gefördert durch die für die deutschen Herrschaftseli-ten traumatische Niederlage des 1. Weltkrieges und auf sie folgen-den revolutionären Ereignisse in Russland, Deutschland 1918 und 1920 und anderen europäischen Ländern.

Wahlergebnisse 1919 bis 1933Die Wahlerfolge der rechten, na-tionalistischen und offen antise-mitisch agierenden Parteien und Gruppen:Richtig ist, dass die Stadt Fürth von 1918 bis 1933, bedingt durch eine von Industriearbeiter_innen geprägte Bevölkerungsstruktur, ein hohes Stimmenpotenzial für die linken Arbeiterparteien (SPD,

USPD und KPD) hatte, die nicht mit nationalistischen und anti-semitischen Ressentiments um Wählerstimmen warben. Aber bereits bei den Reichstagswah-len am 4.5.1924 erzielte der „Völ-kische Block“ – ein Vorläufer der NSDAP - in Fürth 25,6% der Wäh-lerstimmen.

2 Alle Zahlen nach Strauß Seite 209 ff.

3 Dr. Michael Müller,Seligman Bendit & Söhne Spiegelglas- und Fenster-glas-Fabriken Aufstieg und Niedergang einer jüdischen Unternehmer-Familie der Fürther Spiegelglas-Indust-rie, Fürth 2006

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(Im Vergleich dazu in Bayern 16% und im Dt. Reich 6,5%). Zusätzlich bekamen die Deutsch-nationale Volkspartei (DNVP) 7,7% und die Wirtschaftspartei 1,3%. Sie er-reichten früh über 1/3 der Wäh-lerstimmen bei einer Wahlbeteili-gung von 81,5%.4 Diese Parteien waren entweder in ihrer gesam-ten Programmatik antisemitischorientiert, oder sie hatten ein-zelne antisemitische Programm-punkte. Die DNVP nahm z.B. 1920 einen Passus in ihr Parteiprogramm zum Kampf gegen die „Vorherr-schaft des Judentums in Regie-rung und Öffentlichkeit“ auf. Die Bayerische Volkspartei (BVP) be-zeichnet sich als betont antiso-zialistisch, sieht im Marxismus „das theoretische Produkt eines jüdisch-zersetzenden Geistes“. „Die Wählerschaft der NSDAP re-krutierte sich folglich ohne Zwei-fel in sehr starkem Maße aus der Schicht der Selbständigen, sowie aus der Schicht der An-gestellten und Beamten [...] Sehr wenig Neigung zur NSDAP zeig-ten dagegen die Arbeiter, deren Widerstandskraft gegen den Na-tionalsozialismus erst 1933 merk-lich nachließ“.5

WiderstandDass die Widerstands-Historio-graphie allgemein - genau so

wie die jüdische im speziellen - vor 1970 ein völlig vernach-lässigtes Gebiet war, ist ja zur Genüge bekannt. In Westeuro-pa und Amerika war sie in der Atmosphäre des Kalten Krieges lange Jahre ganz einfach nicht Mode. Denn wie auch immer man es drehen oder wenden mochte, um die Tatsache, dass im gesamten europäischen Widerstand den Kommunist_innen entweder die führende oder eine recht erheb-liche Rolle zugewiesen werden musste, wollte man objektive Forschung betreiben, kam man nicht herum […] mit dem kom-munistischen Einfluss im Wi-derstand konnte man sich eben nicht befreunden. Wir begegnen hier einer ganzen Kette von Ta-bus und der Selbstzensur der Historiker.6

1962 urteilte der Bundesgerichts-hof in einer heute höchst wirk-samen Grundsatzentscheidung: „Ein gegen eine bestehende Unrechtsherrschaft geleisteter Widerstand kann nur dann als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Widerstandshandlung nach ihren Beweggründen, Ziel-setzungen und Erfolgsaussich-ten als ein ernster und sinnvol-ler Versuch zur Beseitigung des bestehenden Unrechtszustandes

4 siehe Strauß a.o.a.O. Seite 145 ff.5 siehe Strauß a.o.a.O. Seite 1476 Aus Arnold Paucker: Deutsche Juden im Widerstand 1933 – 1945 Tatsachen undProbleme 2., erweiterte und verbesserte Auage der 1999

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gewertet werden kann, der einen lebens- und entwicklungsfähi-gen Keim des Erfolges in sich trägt [...]“ Diese Entscheidung band das Recht auf Widerstand an die Möglichkeit zu einem erfolgrei-chen Umsturz, und reduzierte ihn damit letztlich auf diejenigen Personen, die Zugang zum Zen-trum der Macht besaßen. Damit war aber auch der Widerstand der Arbeiter_innenbewegung, vor allem der kommunistischen, faktisch als Unrecht definiert. Nach 1989/90 setzte erneut eine Instrumentalisierung der Ge-schichte ein. Sie stellte das an-tifaschistische Erbe infrage und nicht nur die Totalitarismusthe-orie der 1950er Jahre kehrte zu-rück. Der Streit um die Gleich-setzung der „beiden deutschen Diktaturen“ führte zur Analogi-sierung und Relativierung von NS-Verbrechen gegenüber denen des Stalinismus.In diesem Prozess werden die Verfolgung und der Widerstand der Kommunist_innen und al-ler Gruppen links von der SPD nicht nur verschwiegen. Neu ist der Versuch ihre Rolle zu deligi-timieren, sie als Handlanger_in und Kollaborateur_in der Nazis zu diffamieren. Sichtbar an Wer-ken wie Lutz Niedthammers „Die roten Kapos von Buchenwald“

oder Peter Zinkes „An allem ist Alljuda Schuld“.

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Anzeige Sittenpolizei wegen Zusammenlebens mit Wilhelmi-ne Fischerverurteilt zu 10 RM bzw. 4 Tage Haft wegen Konkubinatgeschieden von Frau mit 3 Kindernzusammen mit Anton Haus-laden in den Fürther Stadtrat gewähltParteischule in Moskauvom Stadtrat zurückgetretenRückehr von der Parteischule danach Mitglied der Bezirks-leitungSchutzhaft DachauDie Polizei zieht den Reisepass

bei Babette Zuckermantel einüberführt nach Mauthausenüberführt nach DachauSchilddrüse entfernt von SS-Arzt Dr. Müllmerstadt, der zu dieser Zeit „Übungsoperatio-nen“ an gesunden Häftlingen durchführtegestorben an den Folgen der Operation, offizielle Todesursa-che Angina Pectoris

M a r k t p l a t z 1Christian Hofmann, geb. 10.12.1893 Fürth,

Glasschleifer, KPD-Mitglied01.02.1924

05.02.1924

28.10.1924

08.12.1929

13.08.193027.08.1930 26.09.1930

11.04.1933 27.12.1933

27.09.193918.02.194002.09.1941

08.10.1942

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Babette Zuckermantel, geb. 06.10.1889 FürthBuchhändlerin

24.03.193325.06.193322.07.1933 23.11.1933 03.05.1934 02.04.1935 12.04.1935 24.06.1935 05.08.1935 17.10.1935

28.02.1936 13.07.1936 09.12.1936 15.12.1937 April 1939

Haussuchung (Heute: Hausdurchsuchung) ohne ErfolgverhaftetSchutzhaft in Aichachverurteilt zu 6 Monaten Gefängnisaus der Haft Aichach entlassendenunziert durch ihre Cousine Betty TheisverhaftetAus der Schutzhaft entlassenDer Reichsjustizminister ordnet die Strafverfolgung anaufgrund des „Heimtückegesetzes“ zu 1 Jahr 3 Monaten Gefängnis verurteiltVerlegung in die JVA LandshutVerfügung der Gestapo sie nach Ende der Haft insKZ Moringen zu bringenSchutzhaftTransport in das KL Lichtenburgwird sie auf einer Liste der Schutzhaftgefangenen im KL Lichtenburg bzw. Ravensbrück genannt.

Aus der Urteilsbegründung 17.10.1935 (B.Zuckermantel): „Die Ange-klagte war eingetragenes Mitglied der KPD und hat sich auch nach der nationalen Erhebung durch Feilhalten kommunistischer Druck-schriften betätigt und wurde hierfür bestraft. Nach wie vor ver-kehrt sie mit Kommunisten […] Das Gericht ist überzeugt, dass die Angeklagte auch heute noch kommunistisch eingestellt ist [...] Als Kommunistin war sie gegen den Staat, gegen die Partei und ihre Einrichtungen zwangsläufig feindlich eingestellt…Bei der Bemessung der Strafe wurde berücksichtigt: Die Angeklagte ist eine dem nati-onalsozialistischen Staat feindliche und gefährliche Kommunistin… Solche […] staatsgefährdende kommunistische Wühlarbeit muss aufs Schärfste bestraft werden. Milde wäre ein falsches Mittel“

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Ich wurde im Jahre 1869 als Sohn eines Feldwebels in der Donau-kaserne zu Straubing geboren. Mein Vater kehrte mit durch-schossenem Arm aus dem 70er Kriege heim und musste den Dienst quittieren. Er bekleidete dann zuerst in Straubing, hier-auf in Germersheim und später in Fürth verschiedene Militäran-wärterposten. So kam es, dass ich meine früheste Kindheit an der Donau, meine Jugend am Rhein, meine Flegeljahre zwi-schen Rednitz und Pegnitz ver-brachte und mithin so ziemlich mit allen Wassern gewaschen bin. In Fürth besuchte ich meh-

rere Jahre die Realschule und erlernte dann die Lithographie. Mit Ausnahme von zwei Jah-ren, die ich auswärts zubrachte, lebe ich seit dieser Zeit in Fürth. Schon in jungen Jahren nahm ich lebhaften Anteil am öffent-lichen Leben. Unter dem Einfluß der Schule und der häuslichen Erziehung war ich ein glühender Patriot, aber unter dem Druck des Erwerbslebens verwandel-te ich mich schon bald in einen ebenso begeisterten Anhänger der Sozialdemokratie. Die Be-wegung der Unabhängigkeit zu Anfang der neunziger Jahre führte mich dann ins Lager des Anarchismus.

Briefe:„Nicht die Nation und nicht der Kapitalismus dürfen es wagen, sich als Träger der Kultur auf-zuspielen, einzig und allein ist es die werktätige Menschheit, welche wahre Kultur schaffen kann, wenn sie die Grenzen des Staates nicht mehr anerkennt, sich international solidarisch vereinigt, den Kapitalismus, die-se internationale Landplage und

O b e r e F i s c h e r s t r a s s e 1Fritz Örter

Buchhändler und Anarchist

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Völkergeißelei in die Versenkung

verschwinden läßt […]“

1929 in einem Brief an Erich Müh-sam ein kritisches Resümee der Fürther Räte Republik: „Wir alle täuschten uns in der Psycholo-gie der Massen. Wir glaubten sie fähig, sozialistisch zu denken und zu handeln. Ich glaube, ein von der Sozialdemokratie un-verbildetes Volk wäre vielleicht zu besseren Resultaten gelangt. (...) Auch wir in Fürth hatten vier Tage Räterepublik. Bekannte Ar-beiter fielen mir vor Freude um den Hals. ‚Kinder‘, sagte ich, wir haben bis jetzt nur den Namen, die Räterepublik müssen wir erst schaffen`.Es ist nichts daraus geworden und am vierten Tage wurden die Räterepublikaner von den Sozi-aldemokraten überstimmt. (...) Du

siehst, was in München sich zur fürchterlichen Tragödie entwi-ckelte, ward in Fürth zur Posse“.

Fritz Örter wurde im September 1935 mit 76 Jahren verhaftet und von der SA verhört und stirbt am 19.9.1935 an Lungenentzün-dung.

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K ö n i g s t r a s s e 2 6KPD-büro bis 1933

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1 aus Bayern in der NS –Zeit Band 1 Seite 208ß 209)

1933 hatte die KPD in Fürth etwa 150 Mitglieder. Von 1933 bis 1936 sind 100 Verhaftungen von KPD Mitgliedern in Fürth - in fast allen Fällen mit anschließender Einlieferung in ein Konzentrati-onslager - nachgewiesen.Am 9. März 1946 lautet eine Mel-dung in der ersten Ausgabe der Fürther Nachrichten: „Die KPD gedenkt anlässlich des Tages der Opfer des Faschismus ihrer von den Nazis ermordeten Ge-nossen:Max Heindl 30.7.1943 in Leipzig, Ernst Goldmann 12.4.1933 Dachau, Hans Kunze, Christian Hofmann 8.10.1942 Dachau, Rudolf Benario 12.4.1933 Dachau, Michael Plat-zer 23.4.1944 Dachau, Anna Plat-zer und Hans Kirchner. Johann Frenzel (KJVD) 21.1.1942 Hartheim, Michael Bertl (KJVD), 1935 Vach, Suizid aus Furcht vor erneuter Verhaftung, Michael Blöth 13.3.1934 Berlin (von der Gestapo zu Tode gefoltert).“Die Zahl der im März/April 1933 in Bayern in Schutzhaft genom-menen Personen (die meisten von ihnen wurden schon nach einigen Wochen oder Mona-ten wieder entlassen) dürfte mit 10 000 nicht zu hoch geschätzt sein. Nach einer Aufstellung des Reichsministeriums des Innern vom 31.07.1933, deren Verläßlichkeit allerdings fraglich und kaum zu

überprüfen ist (sie dürfte bei den Zahlenangaben eher zu niedrig als zu hoch liegen), befanden sich damals in Bayern noch 4152 Personen in Schutzhaft. Nach ei-ner in den Münchner Neuesten Nachrichten vom 19.04.1933 veröf-fentlichten halbamtlichen Mittei-lung sollen in Bayern schon bis zum 13. 4. 1933 etwa 5400 Perso-nen als in Schutzhaft befindlich gemeldet worden sein. Die Zahl umfaßte angeblich sämtliche seit dem 09.03. inhaftierten Schutz-häftlinge. Bis zum 13.04. sollen 900 und am 13.04. circa 730 Per-sonen entlassen worden sein.1

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In der unteren Königstraße wird die Wagenkolonne Streichers, im Auto befand sich auch Hitler, nachmittags 5 Uhr auf der Fahrt vom Flugplatz Atzenhof mit Steinen und Kartoffeln beworfen und mindestens einmal ge-schossen. Einige Zeit vorher hat der Wagen des NSDAP Reichstagsabgeordneten Stegmann die Strasse passiert und war ebenfalls mit Steinen beworfen worden. (Nord-bayerische Zeitung 1.8.1932)Drei Kommunist_innen werden beim Plakate ankleben verhaftet und einer wegen unerlaubten Waffenbesitzes (er trug ein Spachtelmesser bei sich) zu 3 Monaten Haft verurteilt. Zwei weitere werden zu 5 Tagen Haft verurteilt (Amtsgericht Fürth)Polizeiaktion gegen das Fürther KPD Büro in der Königs-tr. 26. Die Räume werden durchsucht Schreibmaschinen und Schriften beschlagnahmt. Das Büro geschlossen.Eine Versammlung der KPD im Geismannsaal wird verboten. KPD Abgeordnete Hermann Remmele sollte sprechen.Reichstagswahlen. Bei den Wahlen erhält die KPD in Fürth 5003 Stimmen. Alle Reichstagsabgeordneten der KPD waren im Exil, auf der Flucht oder verhaftet.In der Nacht vom 10. auf den 11. März erlässt Innen-minister Wagner über Polizeifunk die Anweisung zur Auflösung von Reichsbanner, Eiserner Front und SAJ und die „Inschutzhaftnahme sämtlicher kommunisti-scher Funktionäre und der Reichsbannerführer“. Die SPD sollte nach diesen Weisungen noch unangetastet bleiben (Bayern in der NS-Zeit, Band 5, Seite 340) In Fürth werden 20 Kommunist_innen und der Vorsitzende des Reichsbanners verhaftet. Wirtschaft Kriegel Heili-genstraße und Gaststätte Fischla Helmstraße wurde am 10.3.1933 durchsucht.Die Fürther Pulverfabrik (Dynamit) wird von Polizei und SA besetzt. Angeblich um den geordneten Betrieb auf-recht zu erhalten.In der Sprengstoffabrik werden 11 Kommunist_innen an ihrer Arbeitsstätte verhaftet. Kunigunde Hausladen

30.06.1932

02.03.1933

03.03.1933

04.03.1933

05.03.1933

10.03.1933

15.03.1933

24.03.1933

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wird verhaftet.„Die größte Razzia seit Menschengedenken in Fürth“ Dabei werden zusammen mit der SA und SS 60 Kom-munisten verhaftet. Der Anlass war ein angeblich ge-plantes Sprengstoffattentat auf das Fürther Gaswerk. „Die verhafteten Kommunisten wurden nach ihrer Ver-nehmung in ein Konzentrationslager gebracht.“ FA vom 28.03. und 1.04.33.Razzia in Fürth gegen Kommunisten. Es werden 25 Per-sonen festgenommen. (FA).Anklage gegen 3 Fürther wegen Hochverrats (Koch u.a)19 Fürther_innen werden wegen Hochverrats angeklagt (Kuni Hausladen u.a)Vom Oberlandesgericht in München werden 17 Fürtherwegen der Vorbereitung zum Hochverrat zu langjähri-gen Zuchthausstrafen verurteilt.

28.03.1933

03.05.1933

01.02.193626.08.1937

21.03.1938

Fürther Haftlinge in Dachau April 1933: Die Gefangenen konnten das Bild für 1 RM kaufen und zur Beruhigung der Angehörigen nach Hause schicken.

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...in der Bergstr. 3, eines der Versammlungslokale der KPD in der Fürther Altstadt. Weitere waren der „Goldene Engel“ und das „Goldene Lamm“ beide in der Heiligen Strasse. Als ein-zige existiert noch das „Golde-ne Lamm“. Hier wurden Hedwig Laufer und Ernst Goldmann

und am 19.10.1931 mit 28 weiteren Kommunist_innen festgenommen, weil sie eine Versammlung zur Abschaffung des §218 durchführ-ten. Der Grund: Die KPD war in einer „Halblegalität“ in Bayern, d.h. sie war nicht verboten, durf-te aber keine öffentlichen Ver-sammlungen abhalten.

B e r g s t r a s s e 3Die „Baufeldersche Wirtschaft“

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Am 10. März 1933 wird Hed, später auch ihre Mutter, verhaftet und mit weiteren KPD-Funktionären ins Fürther Gefängnis gebracht. Einige Wochen später kommt Hed ins Gefängnis in Aichach. Dort verbringt sie die Zeit von Juni bis Dezember 1933 in Iso-lierhaft, da sie die Aussage ver-weigert. Im Herbst 1934 wird sie nach Landshut verlegt. 1935 ge-lingt es ihr, einen Kassiber aus dem Gefängnis zu schmuggeln, um einem Genossen das Leben zu retten. Als dies verraten wird, erhält sie erneut Isolierhaft. Hed leidet auch unter den körperli-chen Folgen ihrer Inhaftierungen.So bekommt sie Tuberkulose. Im März 1936 wird Hed mit 5 ande-ren Genossinnen in das Frauen-konzentrationslager in Moringen gebracht. Hier trifft sie einige

ihrer bayerischen Genossinnen wieder. Diese bilden eine enge Gemeinschaft, in der sie solida-risch ihre wenigen Habseligkei-ten teilen und einander unter-stützen. Hed bedrückt in dieser Zeit besonders der Selbstmord-versuch einer Freundin und das Leid der inhaftierten Frauen, de-ren Ehemänner von den Natio-nalsozialisten ermordet wurden.Am 29.01.1937 wird Hed aus dem Frauenkonzentrationslager Mo-ringen entlassen und kehrt nach Fürth zurück. Als „Zuchthäus-lerin“ wird ihr vom Arbeitsamt die Zuweisung einer Arbeits-stelle verweigert. Daraufhin ver-sucht sie sich mit Heimarbeit über Wasser zuhalten. Seit ihrer Rückkehr nach Fürth wird Hed von Spitzeln überwacht und je-der Kontakt dadurch erschwert. Im Herbst 1937 wird Hed von ei-nem der Spitzel brutal misshan-delt. Kurze Zeit später verlässt sie mit Hilfe von Freunden Fürth.

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Erinnerungen Hedwig Laufer:„[…] Im Keller des Polizeipräsidi-ums sperrte man mich in eine Zelle. Ich klopfte an die Nach-barszelle, um herauszufinden, wo meine Genossen unterge-bracht waren. [...] Ich erfuhr, dass alle Zellen mit Genossen belegt sind.Eine weitere Verständigung war schwer möglich, weil vor den Zellen ständig Polizei patrouil-lierte. Unter den Bewachern befand sich ausgerechnet der berüchtigte „lange schwarze Heiner“. Uns allen seit jeher als Scharfmacher bekannt, ein Nazi. Am nächsten Morgen wurden wir aus der Zelle gelassen. Ein Rondell von laufenden Brünnlein als Waschgelegenheit. Aber kei-ner von uns hatte an Handtuch oder Kamm gedacht. Auf meine Frage ob derartiges zur Verfü-gung da wäre sagte der lange Heiner: ihr braucht euch nicht mehr waschen oder kämmen, ihr werdet jetzt sowieso an die Wand gestellte Das saß. Wir rechneten tatsächlich damit, denn gehört hatten wir ja von manchem Tot-

schlag seit dem 30. Januar 1933. Wir waren die ersten Verhafteten in Fürth und hatten noch keine Erfahrung, was über uns kom-men könnte. Es war morgens 6.00 Uhr, als man uns zum Po-lizeihof führte. Reils Hans, Hoff-mans Christian, ein etwa 65 - 70 jähriger Gewerkschaftssekretär,der einzige Nichtkommunist, …da standen wir in Erwartung des „an die Wandstellens“. Als uns der Zeiserlwagen aufnahm, und zum Katharinenkloster brachte, war unsere Anspannung gelöst. Hier im Gefängnis unter noch zi-viler Bewachung fühlten wir uns vorerst sicher.

Am 20. März, also 10 Tage später, kam meine Mutter zu mir in die Zelle und zwei Wochen später kam Kuni Hausladen, die Frau des kommunistischen Stadtrates Toni Hausladen an. Wir wurden zu dritt in einer größeren Zel-le untergebracht. Ich stieg täg-lich auf den Bettrand hielt einen Spiegel an den oberen Fenster-rand und konnte so meine Ge-

K a t h a r i n e n s t r a s s eStadtgefängnis

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nossen während des Hofganges beobachten. Jugendliche, ver-heiratete Männer, Familienväter älteren Jahrgangs waren dabei. Täglich wurden es mehr. Durch einen Kalfaktor, der wegen eines Verkehrsdelikts ein paar Wochen seine Strafe antrat, um mit uns Verbindung auf zu nehmen, er-fuhren wir immer die neuesten Zugänge. Wir erfuhren auch, daß die Gefängniszellen längst nicht mehr alle Verhafteten aufnehmen konnten und daß die Genossen in der Turnhalle bei der Feu-erwache untergebracht wurden. Diese standen unter SA-Bewa-chung. Unter diesen befanden sich auch die Genossen Dr. Rudolf Benario und Ernst Gold-mann.

Am 10. oder 11. April erfuhren wir durch unseren Kalfaktor-Ge-nossen, daß alle Männer abge-schoben wurden und zwar nach dem damals noch unbekannten Dachau. Tags darauf schon be-richtete unser Melder, daß RudolfBenario und Ernst Goldmann in Dachau auf der „Flucht“ er-schossen“ wurden .Das war für uns alle ein schwerer Schlag […]“

Das Fürther Gefängnis wurde nach den Verhaftungen 1933 vor allem als Schubgefängnis für Frauen genutzt

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Im Januar 1942 begannen die sogenannten Invalidentransport von Dachau nach Schloss Hart-heim bei Wien. Arbeitsunfähige und kranke Häftlinge wurden dort im Rahme des Euthanasie-programms ermordet.

Es gibt einen Bericht über die näheren Umstände der Ermor-dung von Johann Frenzel:

„Ein Einzelfall beschäftigte ins-besondere die Genossen aus Nürnberg und Fürth. Im Rah-men eines Prozesses, der 1937 gegen Fürther Genossinnen und Genossen vor dem Münchner Obersten Landesgericht stattge-funden hatte, war als jüngster, im Jahr 1913 geboren der Genos-

se Hans Frenzl zur Verurteilung gekommen. Nach Strafverbüßung im Jugendgefängnis Lichtenau war er nach Dachau überstellt worden. Ein Gehfehler, durch ei-nen angeborenen kürzeren Fuß verursacht, behinderte ihn zwar nicht, gefährdete ihn aber jetzt bei den Aussonderungen. Er wurde deshalb, wie schon an-dere vor oder später nach ihm, von den Genossen ins Revier verlegt. Bevor er schließlich im Januar mit einem Transport ab-ging, schilderte er einen Zwi-schenfall mit Kapp, dem La-gerältesten, der sich kurze Zeit vorher abgespielt hatte. Kapp hatte ihn wegen eines geringfü-gigen Anlasses zurechtgewiesen; Hans hatte ihm darauf eine un-

P F i s t e r s t r a s s e 1 4Johann Frenzel, geb. 04.05.1913 Erlangen

Rote Hilfe-AktivistEintritt in den KJVDverhaftetU-Haft in NürnbergOLG München angeklagt wegen Hochverrats (Geld-sammlung Rote Hilfe)JVA Lichtenau HaftDachau eingeliefertMauthausen überführt von DachauDachau zurückgeführt von MauthausenSchloß Hartheim von Dachau überführt und ermordet

193209.09.193602.10.193605.08.1937

1937-193826.03.193827.09.193909.11.193922.01.1942

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1 Ludwig Göhring: Dachau, Flos-senbürg, Neuengamme, 1999 Seite 280

2 Stanislav Zámeèník: (Hrsg. Comité International de Dachau): Das war Dachau.Luxemburg, 2002. S.154

bedachte, schnippische Antwort gegeben; es konnte seiner Ju-gend zugerechnet werden. Kapp nahm in der Schreibstube die Liste an sich und setzte Hans Frenzl dazu. Daraufhin wur-de sein Name von Kameraden in der Schreibstube wieder von

der Liste entfernt, worauf Kapp ihn erneut darauf setzte. Die in der Schreibstube Arbeitenden konnten Weiteres nicht mehr un-ternehmen, nachdem Kapp die Liste dem Rapportführer überge-ben hatte. Hans Frenzl ging mit einem der Todestransporte ab.“1

Der Bus, mit dem die Häftlinge aus Dachau nach Hartheim gebracht wurden.

Karl Kapp2 (1898 bis 1965)Der Sozialdemokrat Karl Kapp kam nach einer ersten Haftzeit 1933 im Januar 1936 zum zwei-ten Mal in das KZ Dachau. Als Oberkapo des Garagenbaukom-mandos 1940 war er wegen seiner Gewalttätigkeit gefürchtet. Auch als Lagerältester 1941/42 schlug er Häftlinge und schikanierte sie durch Strafexerzieren und Straf-meldungen. Unter Kommandant Weiß wurde er Ende 1942 abge-

löst und zum Capo der Waffen-werkstätte gemacht. Später war er Lagerältester im Außenlager Haunstetten (Messerschmitt) und ab August 1943 im KZ Warschau. Ab April 1944 war er als Zivilan-gestellter der SS im KZ Ravens-brück als Bauleiter tätig.Von 1947 bis 1950 war er in einem Internierungslager in der Sowje-tischen Besatzungszone inhaf-tiert, danach bis 1955 in einem

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ANTIFASCHISTISCHER STADTTUNDGANGHerbst 2012

3 www.tenhumbergreinhard.detaeter-und-mitlaeu-fer1933-1945-biografien-zuzil-legon-gustav-adolf.html

4 Zitiert nach Merseburger, Deutsche , S.187 Dazu auch Matejkas Aussage zu Schumacher am 1.07.1972 (Do-kumentationsarchiv des Ös-terreichischen Widerstands, Wien, Bestand Matejka) und Leserbrief Matejkas an den Spiegel vom 14.8.1967 (Archiv Wolfgang Benz, Zentrum für Antisemitismusforschung Berlin)

Arbeitslager in Sibirien.Nach der Rückkehr in die Bun-desrepublik befand er sich von 1956 bis 1958 in Untersuchungs-haft.„Karl Kapp war Oberkapo im Arbeitskommando Garagenbau. Als die Truppe des Arbeitskom-mandos am 18. November 1940 morgens das Lagertor passierte,deutete Zill auf zwei Häftlinge und sagte, dass er die beiden abends nicht mehr sehen wolle.…Als Kapp das Eintreffen mit den zwei Toten meldete, soll Zill ge-antwortet haben: „Das nenne ich mir eine prompte Befehlsausfüh-rung“. Wenig später wurde Kapp dann Lagerältester und erreichtedamit die höchste Position, die ein Funktionshäftling haben konnte.“2

Der ehemalige Funktionshäftling Karl Kapp wurde 1960, fünfzehn Jahre nach Befreiung des Kon-zentrationslagers Dachau, vor Gericht gestellt. Kapp gestand und bestätigte damit, dass er je-nen Befehl Zills erhalten hatte, und Zill abends das Geschehen derart kommentiert hatte. Kapp behauptete aber, er habe die beiden Häftlinge nicht ermordet. Die beiden seien innerhalb desTages zufällig und ohne äuße-res Zutun gestorben. Dem ehe-maligen Funktionshäftling Kapp konnte, zwanzig Jahre nach dem

Tag des Vorfalls vom 18.Novem-ber 1940, nichts Gegenteiliges mehr bewiesen werden, er wur-de in allen Punkten der Anklage freigesprochen.3

In einem Beitrag vom November 2007 in Linz/Österreich schildertder ehemalige Leiter des BIZ-Nürnberg Jörg Wollenberg:„[...] Aufsehen hatte der Kapp-Pro-zess vor allem deshalb er-regt, weil Viktor Matejka, der in Dachau vom Austrofaschismus zum Kommunismus bekehrte, Wiener Stadtrat für Kultur und Volksbildung, Kurt Schumacher nach 1946 mehrfach beschuldigt hatte, dem „Verbrecher Kapp“ und seine kriminelle Tätigkeit dadurch gestützt zu haben, dass er ihm seine „moralische Rü-ckendeckung“ verschaffte. Auf dem Umweg über Kapp habe Schumacher sich in Dachau der Kollaboration mit der SS schul-dig gemacht.4 ...Der nachweislich mit den Nazis kooperierende Sozialdemokrat Kapp wurde in den ersten Nachkriegsjahren nicht vor ein deutsches Gericht gestellt. Im Gegensatz zu den ‘roten Kapos’ aus Buchenwald um Emil Carlebach blieb Kapp vom Kreis um Kurt Schumacher geschützt.

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Antifaschistische Linke Fürth

Jugendantifa fürth

1933 hatte die SPD ca. 4000 Mitglieder in Fürth, am 5.3.1933 33,5 % der Stimmen.

H i r s c h e n s t r a s s e 2 4ADGB und SPD Zentrale

Auf dem Hauptmarkt findet die letzte große antifaschis-tische Kundgebung der Eisernen Front mit ca. 60.000 Teilnehmern stattReichsbanner wird in Bayern verboten. Haussuchungenbeim Reichsbanner, der Eisernen Front und der sozia-listischen ArbeiterjugendDer Geschäftsführer des „Eigenen Heims“, Köpplinger, der Stadtrat Sperber (SPD) und der Wohlfahrtsbeamte Chr. Helmschmidt, der Obsthändler Josef Meixner, der Kaufmann J.Rawicz und andere werden in Schutzhaft genommen. Dazu Chronik Rieß: „Bis jetzt wurden 110 Personen in Schutzhaft genommen.“Das SPD Parteibüro und das Gewerkschaftshaus in derHirschenstr. 24 wird gestürmt und in das Zentrum der Deutschen Arbeitsfront umfunktioniert. Razzia in Fürth. Es werden 25 Personen (Kommunisten und Sozialdemo-kraten) festgenommen. (FA).Die SPD wird verbotenDer Vorsitzende der SPD Stadtratsfraktion Konrad Eber-hard legt sein Mandat im Stadtrat und im Landtag nie-der, wie er es am 19.6. mit der NSDAP vereinbart habe’ und erklärt auch nicht mehr Mitglied der SPD zu sein.„Ich darf wohl für mich in Anspruch nehmen, dass ich meinem dem Oberbürgermeister gegebenen Versprechen getreu, alles getan habe, um im Sinn der nationalen Bewegung an der schweren Aufbauarbeit mitzuwirken“

12.2.1933

11.3.1933

13.3.1933

02.5.1933

22.6.1933 26.6.1933

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ANTIFASCHISTISCHER STADTTUNDGANGHerbst 2012

Hans Bornkessel an den Nazi Bürgermeister Jakob: „[…] Selbst-verständlich habe ich die Re-volution von 1918 abgelehnt und insbesondere auch die Haltung eines großen Teils des Bürger-tums dem Umsturz gegenüber aufs schärfste verurteilt...Im Frühjahr 1919 bin ich in München gewesen. Am 8. April wurde ich von Beauftragten des Arbeiter- uns Soldatenrates vom Mari-enplatz weg verhaftet, weil ich gegen die Räteregierung aufge-treten war. Nach meiner Freilas-sung bin aus München geflohen und habe im bayerischen Ober-land, besonders in der Gegend von Grafing bei München [...] in der Bevölkerung für die Bildung von Freikorps geworben. ...nach-mals 2 Monate Militärdienst beim Freikorps Landsberg ge-

leistet und war schließlich des-sen Ordonnanzoffizier. Das Frei-korps war dem Oberbefehl des damaligen Obersten von Epp unterstellt.“

Die Vorgänge am 2. Mai 1933 schildert Konrad Grünbaum:„Die Männer des Reichsban-ners standen überall bereit, den Kampf um die Freiheit aufzuneh-men, jedoch die Verantwortlichen schreckten vor den Opfern, die ein solcher Kampf kosten würde, zurück und sie sahen die Ausei-nandersetzung als aussichtslos an. In Fürth besetzte die erste Schu-foabteilung (Schutzformation) des Reichsbanners, die aus jungen, im Judo ausgebildete Männer bestand, das Gewerk-schaftshaus in der Hirschen-

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Jugendantifa fürth

straße. Dazu kamen viele Ar-beiter zum Gewerkschaftshaus, um ihr ,Heim’ zu verteidigen. …Der Arbeitersekretär und Stadt-rat Hans Sperber war um 11.30 Uhr gekommen und hatte erklärt, dass jeder Widerstand gegen die Nazis sinnlos wäre und nur unnötige Opfer bedeute. Voller Enttäuschung hatte die Reichs-bannerschutzformation dann das Gewerkschaftshaus geräumt. Am nächsten Tag wurden die maßgebenden Funktionäre der Arbeiterbewegung und des Reichsbanners in Fürth verhaf-tet, u.a. der Landtagsabgeord-nete Konrad Eberhard und die Stadträte Hans Sperber, Hans Teichmann, Hans Segitz, Georg Pförtner, Schultheiß, Bauermann, Hans Rupprecht, Hans Riedel, Fritz Kuntermann, Otto. Ebenso wurden verhaftet: der Gewerk-schaftssekretär Angler, Georg Franz, Peter Kleemann, Hans Höllenreiner, Hagenauer, Ernst Schneider, Emil Herber, und der Redakteur der Tagespost,Emil Zöllner. Auch Hugo Frey wurde inhaftiert.

Die illegale Arbeit begann. Trotz Verbots fanden an der Kröl-ler’schen Fabrik (Leimsud) unter meiner Führung die Zusammen-künfte statt. Wir beschlossen, der Ringerabteilung des ASV als Ju-

doabteilung beizutreten, um den organisierten Zusammenhang aufrechtzuerhalten. Eine zwei-te illegale Gruppe bildete sich ebenfalls unter meiner Teilnah-me aus Funktionären der sozi-alistischen Arbeiterjugend, der Kinderfreunde und der Jungs-ozialisten. Mitglieder waren u.a. Hermann Landleiter, , Emil Hüls, Karl Hüls, Fritz Schneider, Otto Hasselbacher und Willi Adler. Die Verbindung zum Reichsban-ner, zur SPD und zu den Natur-freundekreisen hielt ich aufrecht. ...Im Juni 1933 wurde Emil Hüls verhaftet und ins KZ Dachau eingeliefert. Die Verhaftung er-folgte im Zuge einer allgemei-nen Aktion gegen Gewerkschaf-ter und Sozialdemokraten und weitere SPD-Genossen wurden nach Dachau gebracht: Sperber, Segitz, Kleemann, Frey, Weigel, Riedel, Hans Rupprecht, Pförtner, Franz, Höllenreiner, Schultheiß, Bauermann, Otto und Hans Fi-scher... Am nächsten Dienstag (14.11.1933) erfolgte meine Verhaftung. [….] Da man bei mir illegales Material gefunden hatte, wurde ich von einem Sondergericht in Nürnberg zu drei Jahren Gefängnis ver-urteilt. Nach der Strafverbüßung kam ich nochmals für drei Jahre ins Konzentrationslager.

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B l u m e n s t r a s s e 3Firtz sauber, Geb. 20.08.1884

USPD und KPD-MitgliedGeschäftsführer des Gastwirtsgehilfenverbands, später des Verbands der Nahrungsmittel- und Getränkearbeiter in Nürnberg, München und Frankfurt a.MainMitglied der USPD1. Vorsitzender des Münchener Soldatenrats, Vor-sitzender des Vollzugsausschusses des Lan-dessoldatenrats Bayern; Vorsitzender des Akti-onsausschusses des provisorischen Arbeiter-, Soldaten- und BauernratsMitglied des provisorischen Nationalrats (als Ver-treter des Landessoldatenrats, Standort München)Delegierter zum 1. Reichsrätekongress in BerlinMitglied des Zentralrats als Vertreter der Solda-tenräte; Mitglied des Aktionsausschusses des Rä-tekongresses als Vertreter des Landessoldatenrats Aufgrund seines aktiven Eintretens für die Rät-erepublik zu zwölf Jahren Festungshaft verurteilt, bis zur Amnestierung 1925 Haft in NiederschönfeldTrotz Haft Wahl in den Bayerischen Landtag auf der Liste der USPD, später Übertritt zur VKPDals Gewerkschaftssekretär in Frankfurt a.Mainins Saargebiet emigriert, im Juli 1935 nach Frank-reichvon den Franzosen im besetzten Gebiet verhaftet und an die Gestapo überstellt, zu lebenslängli-chem Zuchthaus verurteiltSchwer krank aus dem KZ Dachau befreitAufbau der KPD in FürthIn Frankfurt/M. an den Haftfolgen verstorben

1911-1933

1917Dez. 1918

1918-1919

Dez. 191821.02.1919-07.03.1919

1920

Ab 19251933

1941

1945Nach 19451949

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Jugendantifa fürth

1945 war Fritz Sauber von der amerikanischen Militärverwal-tung als Vorsitzender einer Kom-mission, die für die Versorgung der entlassenen KZ Häftlinge zuständig war, eingesetzt wor-den. Er vertrat die Position, das vor allem anderen die Entlasse-nen mit Nahrung Kleidung und Wohnungen zu versorgen seien und alte Nazis und Mitläufer_in-nen zurückzustehen hätten. 1946 kandidiert Fritz Sauber als Vorsitzender der Spruchkammer I in Fürth. Er hatte wiederholt die „Großzügigkeit“ bei der soge-nannten Entnazifizierung scharf kritisiert, vor allem die Versuche der Stadtverwaltung, alte Nazis wieder einzustellen.

Beides führte zu scharfen Kon-flikten mit dem SPD Bürger-

meister Hans Schmidt, den die Militärregierung am 1.10.45 für den als Nazi belasteten Adolf Schwiening, eingesetzt hatte. Doch Schmidt hatte schon 1933 seinen Burgfrieden mit den Na-tionalsozialisten geschlossen. Er war im März 1933 freiwillig zurück getreten und kandierte auch nicht zu den letzten Kom-munalwahlen am 5.3.1933. Dafür wurde er von OB Jakob mit ei-ner Pension belohnt und durfte bis 1935 Vorsitzender der AOK bleiben. Die beschließt u.a. ab September 1933 keine Patienten mehr ins jüdische Krankenhaus zu überweisen, bzw. deren Auf-enthalt nicht zu bezahlen.

Schmidt und die SPD starten unter der Losung „Der Sauber ist nicht ganz sauber“, mit Dif-famierungen, Anschwärzungen und Verleumdungen bei den Mi-litärbehörden eine Kampagne, um den Kommunisten Sauber als Spruchkammervorsitzenden zu verhindern. Sie verzichten auf eine eigene Kandidatur und hieven so den CSU Kandidaten und ehemaligen Amtsgerichtsdi-rektor das NSDAP Mitglied Karl Drechsel in das Amt.

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Ludwig Scharnagel: „Am Tag meiner Einweisung wurden aus dem Block II/1, dem ich zugeteilt war, die Juden Benario, Kahn I, Kahn II und Goldmann durch den SS-Mann Steinbrenner [...]geholt. Die vier [...] mußten den vor dem Block befindlichen Müll-kasten leeren. Dabei wurden sie von Steinbrenner, der die Aufsicht über die Arbeit führte, fürchterlich mit dem Ochsenzie-mer geschlagen. Steinbrenner schlug hierbei wahllos auf die Juden ein…Ich arbeitete dann mit den vier vorgenannten Personen zusammen und erhielt auch mit ihnen Schläge durch Steinbren-ner und andere SS-Leute. Wäh-rend dieser Zeit habe ich dann beobachtet, wie Steinbrenner solange schlug, bis sie zusam-

menbrachen. Die Juden bluteten aus Mund, Nase und anderen Körperteilen […]“

Am Abend des nächsten Tages holt Steinbrenner die vier jüdi-schen Häftlinge und bringt sie zum Schießplatz in einen nahe gelegenen Wald. Dort nehmen sie die SS-Männer Hans Brun-ner, Max Schmidt und Robert Erpsenmüller in Empfang, füh-ren sie tiefer in den Wald und eröffnen aus ihren Pistolen das Feuer. Benario, Goldmann und Arthur Kahn sterben an Ort und Stelle. Erwin Kahn überlebt den Anschlag und wird mit lebens-gefährlichen Verletzungen in ein Münchner Krankenhaus ge-bracht. Dort erliegt er vier Tage später seinen Verletzungen.

„Arisierung“ des Geschäft Goldmann

S c h w a b a c h e r S t r a s s e 4 3Familie Goldmann

Der Vorsitzende des Industrie und Handelsgre-miums Fürth, Stefan Winter schlägt als Abwickler des Einzelhandelsgeschäftes von Siegfried Gold-mann den Makler Heinrich Pfarrer.Kaufvertrag mit Xaver Stolk, (NSDAP Stadtrat Her-zogenaurach Schuhgeschäft Schwabacher Str.36)

28.11.1938

5.1.1939

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Jugendantifa fürth

Abschlussbericht von Pfarrer an Stefan Winter: Kaufpreis 4000 RM. Davon wird die Judenver-mögensabgabe, Vertragsstempelsteuer und seine Provision abgezogen. Den Rest behält Pfarrer „zu treuen Händen“. Anlage: Der Wert der Waren und der Ladeneinrichtung wird auf 11.951 RM geschätzt. Auskunft des Finanzamtes: Goldmann hat sei-ne Steuern bezahlt. „Seiner Auswanderung wird nichts mehr im Wege stehen.“Pfarrer überweist den Rest von 995 RM an die Bank der „Deutschen Arbeit“. Der Kaufpreis betrug 4.000 RM Davon wurden die Judenvermögensab-gabe mit 2.700 RM, die Vertragsstempelsteuer mit 35 RM, die Provision für Pfarrer 250 RM und die Umsatzsteuer mit 20 RM abgezogen.Pfarrer an Stadtrat Dr. Zeitler: „[…] Das Geschäft zur Weiterführung war unserer alten Parteigenos-sin mit goldenen Ehrenzeichen, Kenner, vermahnt, jedoch hat sie sich in letzter Stunde eines anderen besonnen, daher war ich froh, ...dass ich den Käu-fer noch gehabt habe um den Juden zu erledigen“Die Goldmanns stellen einen erneuten Auswan-derungsantrag (den dritten) nach Cuba bzw. in die USA.Erklärung der Polizei: „Der Reichführer SS […] hat laut Erlass vom 23.10.1941 angeordnet, dass die Auswanderung von Juden mit sofortiger Wirkung zu verhindern ist. Die Auswanderung des Siegfried Israel Goldmann ist daher nicht mehr möglich.“Siegfried und Meta Goldmann werden nach Izbica in Polen deportiert und ermordet.Für den Verkauf ihres zurückgelassenen Eigen-tums an die toleranten Fürther überweist die Stadtkasse am 128,50 RM an das Finanzamt

09.1.1939

13.1.1939

15.2.1939

24.10.1941

29.12.1941

22.3.1942

08.7.1942

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Gustav Schickedanz

Politisch verhielt sich Schicke-danz vorausschauend opportu-nistisch: Bereits vor der Mach-tübernahme der Nazis war er am 1.11.1932 in die Partei und später in die NS-Organisatio-nen Deutsche Arbeitsfront (DAF), Kraft durch Freude (KdF), Nati-onalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) und NS-Reichsbund für Leibesübungen eingetreten. 1935 berief die Stadt Fürth Schi-ckedanz in den Stadtrat. Nach Angaben von Fritz Kempfler, hatten die dem Gremium an-gehörenden Parteigenoss_innen fachlich unbefriedigende Arbeit geleistet. Deshalb dachte die Verwaltung darüber nach, wie sie die lebenswichtigen Kreise

der Industrie für eine tätige Mit-arbeit in der Kommunalpolitik interessieren könnte. Schicke-danz schienen dafür besonders geeignet.

In den Archivunterlagen finden sich keine Aussagen, dass er ein überzeugter Nationalsozialist war. Seinen Konformismus mit den braunen Machthabern aber setzte er fort. Nach Einführung der antisemitischen „NürnbergerRassegesetze“ 1935 ließ er auf der Titelseite der „Neuesten Quelle-Nachrichten“ eine nota-rielle Beglaubigung abdrucken, dass „dieses Versandhaus ein rein christliches Unternehmen ist und ausnahmslos deutsche

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Waren verkauft.“ Der Quelle-Ka-talog bot Hitlers Konterfei als mehrfarbigen Kunstdruck für eine Reichsmark feil. So konnte 1936 das Unternehmen eine Mil-lion Stammkunden verzeichnen, deren Zahl sich bis zum Sep-tember 1938 verdoppelte. Der Re-kordumsatz in der Vorkriegszeit betrug 1938 rund 40 Millionen RM.Schickedanz übernahm in der ersten Phase der „Arisierung“ folgende Betriebe, Grundstücke und sonstige Vermögenswerte, die vorher Juden gehört hatten:1. Brauerei Geismann A.-G., Fürth2. Vereinigte Papierwerke A.G., Nürnberg-Heroldsberg3. Baum Et Mosbacher O.H.G., Frankfurt/M.4. M. Ellern G.m.b.H., Forch-heim-Stadtsteinach5. lgnatz Mayer, Nürnberg6. Kohn’sche Briefmarkensamm-lung7. Fabrikgrundstück Flößaustraße 22/25, Fürth8. Grundstück Nürnberger Straße 56/58, Fürth9. Grundstück Hornschuchpro-menade, Fürth10. Grundstück der Fa. A. Schwei-zer i.L. O.H.G., Forchheim

Ludwig Erhard, der es später bekanntlich zum Bundeskanzler brachte, zu Schickedanz auf An-

frage der Spruchkammer in einer Stellungnahme vom 21.6.1946:„Seine ganzen Kräfte gelangten auf wirtschaftlichem Gebiet zum Einsatz; für politische Fragen fehlte ihm wohl das Interesse und auch der nötige Instinkt. Die Schuld des Herrn Schickedanz ist es, daß er, um für seine ge-schäftliche Tätigkeit freie Hand zu behalten und um sein Werk zu retten, mit den Nationalsozi-alisten Kompromisse schloß und sich durch die Parteizugehörig-keit die wirtschaftliche Freizügig-keit sichern zu können glaubte.Es war also ein gewisses Maß politische Dummheit, Schwäche, vielleicht sogar Feigheit, die Herrn Schickedanz zum Eintritt in die Partei bewogen. Wie aus meinen Darlegungen hervorgeht, halte ich ihn aber nicht für einenNutznießer, ganz bestimmt aber für keinen Aktivisten, der na-tionalsozialistisches ,Ideengut’ vertrat oder gar dafür ,kämpfte’. Soweit sich Herr Schickedanz mir gegenüber äußerte, ist geradezu das Gegenteil der Fall. Ohne die Entscheidung des Spruchaus-schusses auch nur im gerings-ten beeinflussen zu wollen, stellt sich mir Herr Schickedanz als ein typischer Mitläufer dar, der aber in jeder Phase der Entwick-lungdem System innerlich wider-strebte.“

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Schickedanz‘ Schur auf Hitler

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Albert Rosenfelder war Ab-solvent des Heinrich-Schlie-mann-Gymnasiums bevor er Jura studierte. Er schloss sein Studium 1913 an der Universität Erlangen ab. Anschließend ließ Rosenfelder sich als Rechtsan-walt in Nürnberg nieder, wo er zusammen mit seinem Kollegen, dem bayerischen Landtagsab-geordneten für Nürnberg, Max Süßheim (1875–1933), eine Kanzlei eröffnete. Privat lebte Rosenfel-der am Jakobsplatz 14 in Nürn-berg. Rosenfelder war in der SPD, als Anwalt für die Rote Hil-fe tätig und genoss hohes An-sehen aufgrund seiner Bildung und seines Rednertalentes, vor allem aber aufgrund seiner Ge-wohnheit, arme Personen, die Rechtsbeistand benötigten, kos-tenfrei zu vertreten. Am 13. April wurde er in das kurz zuvor er-öffnete KZ Dachau überführt, wo er in der so genannten „Juden-baracke“ untergebracht wurde. Dort war Rosenfelder mehreren Zeugnissen zufolge schweren Misshandlungen ausgesetzt. Im Sommer 1933 wurde Rosenfel-der in den Bunker von Dachau

gesperrt, nachdem er und die Schutzhäftlinge Johann Altmann, Delvin Katz und Willi Franz bei dem Versuch erwischt worden waren, Kassiber mit Aufzeich-nungen über die Ereignisse im Lager und zumal über die Miss-handlung von Gefangenen, die sie in eine Mütze eingenäht hat-ten, aus dem Lager zu schmug-geln. Als der Kommandant von Dachau, Theodor Eicke, am 22. Oktober 1933 2500 Gefangene antreten ließ, um sich über die „Schurken“ auszulassen, die im Ausland „Greulnachrichten“ über sein Lager verbreiten würden, erwähnte er explizit Altmann, Katz, Franz und Rosenfelder und ihren „Sabotageversuch“. Er führte aus, dass die vier Übel-täter in Arrest genommen seien und erklärte: „Zwei der verhafte-ten Verräter sind bereits ins jen-seits befördert. Der Jude Doktor Katz und sein Helfer Willi Franz. Wir haben noch genug deutsche Eichen um jeden daran aufzu-hängen, der sich uns entgegen-stellt. Es gibt keine Greuel, und es gibt keinen Tschekakeller in Dachau.“

B a h n h o f s t r a s s e 2Dr. Albert Rosenfelder , geb. 19.01.1892

SPD-Mitglied

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Verhaftet 1933; 20.11.1936; zw. Au-gust 1938 und April 1939Deportationsziel: Dachau; Bu-chenwaldSterbedatum: 21.07.1941

Dr. Königsberger studierte in Berlin und München National-ökonomie Immobilienfach und war dann Direktions-Sekretär bei Rudolf Mosse in Berlin. Bis 1913 war er Schweizer Staatsbür-ger mit Heimatrecht in Günzberg, Kanton Solothurn. 1912 beantragte und erhielt er das Heimatrecht in Fürth, damals wohnte er, noch ledig, hier in der Bahnhofstr. 9, das ihm und seiner Schwester Erna noch 1935 gehörte. Dr. Kö-nigsberger war im 1. Weltkrieg Freiwilliger der Infanterie und wurde mehrmals ausgezeichnet und als Leutnant der Reserve entlassen. Von der Regierung Eisner soll er als Kriegsminis-ter berufen und einige Tage oder Wochen als solcher fungiert ha-ben. Nach anderer Version hatte er ein leitendes Amt im Staats-sekretariat für Demobilmachung inne. Spindler schreibt dazu „Auf die führungslosen vagabundie-

renden Soldaten war keinerlei Verlaß. So war ein erfolgreicher Abschluss der Revolutionsnacht, als gegen 2 Uhr morgens ein Leutnant der Reserve Kurt Kö-nigsberger sich bei Eisner mel-dete; als überzeugter Anhänger der Revolution stellte dieser sei-ne in Schleißheim stehende Ar-tillerie-Abteilung zur Verfügung.“ Und weiter: „Am 13. November wurde öffentlich durch den neuen Minister für militärische Angele-genheiten, Albert Rosshaupter, bekanntgegeben, dass Leutnant Königsberger seine Pflicht, die Ordnung wiederherzustellen, er-füllt und als Oberkommandeur der Armee den Abschied ge-nommen habe. Die ihm erteiltenVollmachten seien auf das Mi-nisterium übergegangen.“ 1925 meldete Dr. Königsberger sich nach Berlin-Wilmersdorf ab. Er war einer der Ersten, die 1933 nach Dachau kamen. Bevor er am 20.11.1936 erneut in „Schutz-haft“ ins KZ Dachau gebracht wurde, unterstützte er seine ge-schiedene Ehefrau Elli, geb. Ditt-mann, seine Töchter Jolanda (geb. 6.12.1924) und Helga (geb. 11.03.1936)

B a h n h o f s t r a s s e 9Dr. Kurt Königsberger, geb. 01.09.1891

Quellen:Geburts-Register Staatsarchiv Nürnberg; - EinwohnMeBo; - NF 14bß20; - NF14bß19; - Stadtarchiv Fürth, Fach 18aßK2085, Fach 19ß40; - SpindlerßAlbrecht 1974:398;- Mitchell 1967:98f.; - Stamm-baum Königsberger.I; - Helmut Steiner; - Rolf Herzberg (Neffe); - GB Berlin: nicht aufgeführt

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sowie seine Schwester Erna. Dr. Königsberger wollte nach Ko-lumbien auswandern, aber die Gestapo verweigerte ihm „wegen seiner politischen Vergangenheit“ das Führungszeugnis mit der Bestätigung, dass er in den letz-ten fünf Jahren nicht wegen po-litischer Vergehen angeklagt war. Im Februar 1938 bestand „keine Aussicht, dass Juden z.Z. aus Dachau entlassen werden“, auch bis 29.08.1938 war keine Entlas-sung in Aussicht.

Im April 1939 teilte Dr. Königsber-ger dem Standesamt Fürth aus Buchenwald mit, dass „ich laut Nürnberger Gesetz Jude bin, den zusätzlichen Vornamen Israel führe“. Er starb in Pirna-Sonnen-stein, das vermutlich als WeimarII bezeichnet wurde. Auch seine Schwester Erna wurde ein Op-fer der Shoah. Ihr Haus in der Bahnhofstrasse 9 wurde „ari-siert“ und 1941 als sogenanntes‚Judenhaus‘ genutzt.

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Michael BlöthMichael Blöth am 5. August 1906 wurde als siebentes Kind in ei-ner Proletarierfamilie in Fürth geboren, die politisch sehr ak-tiv war. Der Vater, Johann Blöth war Glaspolierer, Sozialdemokrat und bei seinem Tode Gewerk-schaftsangestellter des Glas-arbeiterverbandes, der größten Einzelgewerkschaft in Fürth. Ab dem 2. September 1912 besuch-te Michael die Volksschule. An-schließend begann er eine Lehre als Schreiner. 1925 verstarb sein Vater und 1927 seine Mutter. 1925 wurde er Mitglied des Kommu-nistischen Jugendverbandes Deutschlands (KJVD). Dort lernte er seine spätere Frau Wally Köh-lein aus Nürnberg kennen. Im März 1928 kam das erste Kind, Stephan, zur Welt. Michael und seine Frau wurden 1929 Mitglied der KPD. Während seine Frau in der Kinderbewegung tätig war, arbeitet Michael im Stadtbezirk Nürnberg-Gostenhof. Am 20. November 1931 kam das zwei-te Kind, Heinz zur Welt. Einige Tage vor der Geburt wurde Blöth verhaftet und in das U-Gefäng-nis eingeliefert, aber am Tag der

Geburt seines Sohnes entlassen. Seit Herbst 1932 besuchte Micha-el Blöth den fünften Lehrgang für einen Einsatz im AM-Appa-rat der KPD in der Sowjet-Union. (AM: Abteilung Militärpolitik). Die Brüder von Michael Blöth, Hans und Sepp, sowie der Bruder sei-ner Frau, Albert, waren im März 1933 verhaftet worden und im KZ Dachau. Im Sommer 1933 kehr-ten Michael Blöth und acht Kur-steilnehmer nach Deutschland zurück, um die entstandenen Lücken zu schließen. Besondere Sorgen machte sich die Partei-leitung der KPD um die immer komplizierter werdende Anlei-tung der Bezirke. Es wurde des-halb beschlossen, die Anleitung der Bezirke zu verbessern und so wurden Oberbezirke gebildet. Michael Blöth war für Bayern vorgesehen. Durch Verrat war es der Gestapo gelungen in den Am-Apparat einzudringen. Mi-chael Blöth wurde am 13. März 1934 um 7.30 Uhr in Berlin verhaf-tet und wurde in Hauptquartier der Gestapo, in der Prinz Alb-recht Str., am gleichen Tag er-mordet.

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M o s t s t r a s s e 3 5Dr. Rudolf Benario

Frankfurt /Main geborenNürnberg Besuch Altes GymnasiumAnsbach Gymnasium CarolinumAnsbach AbiturErlangen Diplom VolkswirtIn Fürth verhaftet wegen Teilnahme am einer Kundgebung der KPDDenunziationsbrief des Rektors der Uni ErlangenErlangen: Promotion Dr. rer. Pol. VolkwirtschaftFürth: Verhaftet nach ReichstagsbrandDachau SchutzhaftDachau ermordet

20.09.190801.04.191801.06.192301.04.192701.03.193013.10.1931

12.12.193228.01.193310.03.193311.04.193312.04.1933

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