Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V.€¦ · WWIN.steuerzahler·nrw.de 25. Juni 2019...

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17 STELLUNGNAHME 17/1672 A02, A07 BUND DER STEUERZAHLER · Postfach 14 01 55 ' 40071 Düsseldorf Landtag Nordrhein-Westfalen Herrn Präsidenten Andre Kuper Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf LANDTAG NORD RHEIN-WESTFALEN . WAHLPERIODE Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. Schillerstraße 14 40237 Düsseldori Telefon 0211 99175-27 Telefax 0211 99175-54 [email protected] WWIN.steuerzahler·nrw.de 25. Juni 2019 Anhörung im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen am 5.7.2019 "Die Zeit ist reif für einen Neustart - Altschulden der Kommunen müssen nachhaltig und solidarisch abgebaut werden" Gemeinsame Stellungnahme des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. und Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. Sehr geehrter Herr Landtagspräsident. sowohl das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.v. (lW) als auch der Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW e.V. befassen sich seit vielen Jahren mit Fragen der kommunalen Verschuldung. Aufgrund des erreichten Ausmaßes - vor allem der Kassenkredite - in zahlreichen Städten und Gemeinden im Land NRW und einer fehlenden. nachhaltig wirkenden Gegensteuerung hat der BdSt NRW das IW beauftragt, die Lage der Kommunen zu analysieren. Auf dieser Basis sollen Strategien erarbeitet werden, mit denen der "Kassenkreditsockel" geordnet zurückgefahren und eine erneute Kreditaufnahmes dieses Ausmaßes vermieden werden kann. Dieses Gutachten reichen wir Ihnen hiermit als gemeinsame Stellungnahme von BdSt NRW und IW ein. Darin werden Zustand und Entwicklung der kommunalen Verschuldung in NRW beschrieben und Lösungsansätze aufgezeigt. Konkrete Vorschläge zur nachhaltigen Lösung des Problems bedürfen einer weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik. Gerne stehen wir für einen Austausch zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Bank- Postbank Essen verbindungen IBAN: OE24 3601 0043 0058 9004 32 Volksbank sseldorf IBAN: OE32 3016 02132600955015 Bund der Überparteiliche, unabhängige Steuerzahler gemeinnüt2ige Vereinigung Landesverbände in allen Bundesländern Bundesverband mit Sitz in Berlin Verwaltungsrat Prof. Or. Cay Folkers, Vorsitzender Vorstand RA Heinz Wirz, Vorsitzender DipL-Volksw. Eberhard Kanski. stellv. Vorsitzender RA Rik Steinheuer

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  • 17

    STELLUNGNAHME

    17/1672A02, A07

    BUND DER STEUERZAHLER · Postfach 14 01 55 ' 40071 Düsseldorf

    Landtag Nordrhein-Westfalen Herrn Präsidenten Andre Kuper Platz des Landtags 1 40221 Düsseldorf

    LANDTAG NORD RHEIN-WESTFALEN

    . WAHLPERIODE

    Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V.

    Schillerstraße 14 40237 Düsseldori

    Telefon 0211 99175-27 Telefax 0211 99175-54

    [email protected]

    WWIN.steuerzahler·nrw.de

    25. Juni 2019

    Anhörung im Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen am 5.7.2019 "Die Zeit ist reif für einen Neustart - Altschulden der Kommunen müssen nachhaltig und solidarisch abgebaut werden" Gemeinsame Stellungnahme des Bundes der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen e.V. und Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.

    Sehr geehrter Herr Landtagspräsident.

    sowohl das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.v. (lW) als auch der Bund der Steuerzahler

    (BdSt) NRW e.V. befassen sich seit vielen Jahren mit Fragen der kommunalen Verschuldung.

    Aufgrund des erreichten Ausmaßes - vor allem der Kassenkredite - in zahlreichen Städten und

    Gemeinden im Land NRW und einer fehlenden. nachhaltig wirkenden Gegensteuerung hat der

    BdSt NRW das IW beauftragt, die Lage der Kommunen zu analysieren. Auf dieser Basis sollen

    Strategien erarbeitet werden, mit denen der "Kassenkreditsockel" geordnet zurückgefahren und

    eine erneute Kreditaufnahmes dieses Ausmaßes vermieden werden kann.

    Dieses Gutachten reichen wir Ihnen hiermit als gemeinsame Stellungnahme von BdSt NRW

    und IW ein. Darin werden Zustand und Entwicklung der kommunalen Verschuldung in NRW

    beschrieben und Lösungsansätze aufgezeigt. Konkrete Vorschläge zur nachhaltigen Lösung

    des Problems bedürfen einer weiteren Auseinandersetzung mit der Thematik. Gerne stehen

    wir für einen Austausch zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen

    Bank- Postbank Essen verbindungen IBAN: OE24 3601 0043 0058 9004 32

    Volksbank Oüsseldorf IBAN: OE32 3016 02132600955015

    Bund der Überparteiliche, unabhängige Steuerzahler gemeinnüt2ige Vereinigung

    Landesverbände in allen Bundesländern Bundesverband mit Sitz in Berlin

    Verwaltungsrat Prof. Or. Cay Folkers, Vorsitzender Vorstand RA Heinz Wirz, Vorsitzender

    DipL-Volksw. Eberhard Kanski. stellv. Vorsitzender RA Rik Steinheuer

  • Drittmittelfinanzierte Expertisen

    IW-Gutachten Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen Problematische Entwicklung der kommunalen Kassenkredite Martin Beznoska, Tobias Hentze

    Auftraggeber:

    Bund der Steuerzahler NRW

    Schillerstraße 14

    40237 Düsseldorf

    Köln, 25.06.2019

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Kontaktdaten Ansprechpartner Dr. Martin Beznoska Telefon: 0221 4981-736 E-Mail: [email protected] Dr. Tobias Hentze Telefon: 0221 4981-748 E-Mail: [email protected] Institut der deutschen Wirtschaft Köln Postfach 10 19 42 50459 Köln

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 3

    2 Die Verschuldung der kommunalen Haushalte in NRW 4

    2.1 Die finanzielle Situation der Kommunen in NRW 4

    2.2 Eine außergewöhnliche Expansion der Kassenkredite 6

    3 Regionale Verteilung der Verschuldung der Kommunen 10

    3.1 Die Verteilung der Verschuldung je Einwohner 10

    3.2 Die Verteilung der Kassenkredite 14

    4 Skizzierung eines kommunalen Entschuldungsprogramms 20

    4.1 Referenzprogramme zur Unterstützung der Kommunen 20

    4.2 Grundsätzliche Ableitungen für NRW 22

    5 Fazit 23

    Literatur 24

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    1 Einleitung

    Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland fällt den Gemeinden eine immens wich-tige Aufgabe zu. Denn auf kommunaler Ebene werden viele Entscheidungen getroffen, die die Lebensqualität der Bürger nachhaltig bestimmen. Gleichzeitig ist jedoch die Autonomie der Städte und Gemeinden auf der Ertragsseite begrenzt. Vielmehr sind die Bundesländer dafür ver-antwortlich, dass die Kommunen ihren Aufgaben nachkommen können. Dazu zählen eine aus-reichende Finanzausstattung und die Einhaltung des Konnexitätsprinzips, nach dem eine den Kommunen übertragene Aufgabe mit einer entsprechenden Finanzierung einhergehen soll. Diese theoretischen Überlegungen stoßen in der Praxis offensichtlich an ihre Grenzen. Zuletzt war die Flüchtlingsaufnahme ein Beispiel dafür. Kommunen mussten Aufnahmestationen und Integrationskurse organisieren, ohne dass die Finanzierung vollends geklärt war. Die Verhand-lungen zwischen Bund und Ländern über die Erstattung der Kosten dauern an – auch wenn in vielen Punkten Einigkeit erzielt werden konnte, wie nicht zuletzt der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD dokumentiert. Darin werden Ländern und Gemeinden bis 2021 insgesamt 8 Mil-liarden Euro für die Integration der Flüchtlinge zugesagt (CDU/CSU und SPD, 2018). Die Unter-stützung der Kommunen will der Bund zudem stärker angehen, indem das Kooperationsverbot zwischen Bund und Gemeinden gelockert und in der Folge den Kommunen weitere Milliarden-beträge seitens des Bundes zur Verfügung gestellt werden. Dadurch sollen möglichst alle Kommunen wieder in die Lage versetzt werden, ihren originären Aufgaben gerecht werden zu können. Allerdings braucht nicht jede Stadt oder Gemeinde Unter-stützung von Land und Bund. Vielmehr ist die Heterogenität zwischen Städten und Gemeinden selbst innerhalb eines Bundeslands sehr groß. In der Regel schlägt sich eine Überforderung auf Dauer in höheren Schulden nieder. Gleichzeitig werden die Realsteuerhebesätze der Grund- und Gewerbesteuer erhöht, so dass sich die Gemeinden in einen Teufelskreis aus investitionsschäd-lichen Anreizen, wirtschaftlichem Stillstand und steigenden Schulden begeben. Insbesondere zeigt sich dieses Bild in NRW. Während Personal- und Sozialaufwendungen der Kommunen sowie die Grund- und Gewerbesteuer hier im Durchschnitt außergewöhnlich hoch sind, fiel die wirtschaftliche Dynamik in den vergangenen Jahren dagegen im Vergleich zu ande-ren Bundesländern eher ab. Zeitgleich stieg die kommunale Verschuldung in Kassenkrediten be-sonders expansiv an. Um gleichwertige Lebensverhältnisse gewährleisten zu können, bedürfen einige Kommunen Hilfe von außen. In erster Linie stehen dabei die Länder aufgrund ihrer grund-gesetzlich festgelegten Verantwortung in der Pflicht. Ziel der vorliegenden Studie ist es, zunächst die Städte und Gemeinden in NRW zu identifizieren, die ohne (Landes-)Hilfe nicht aus ihrer misslichen Lage herauskommen können. Im Weiteren werden darauf aufbauend konkrete Lösungsansätze skizziert, um die Handlungsfähigkeit dieser Kommunen zu stärken.

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    2 Die Verschuldung der kommunalen Haushalte in NRW

    2.1 Die finanzielle Situation der Kommunen in NRW

    Die Situation der öffentlichen Haushalte in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Insbesondere die gute konjunkturelle Entwicklung und das gesunkene Zins-niveau haben die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen entlastet. Insgesamt betrug der Überschuss der Gebietskörperschaften im Jahr 2017 nach den Volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnungen knapp 37 Milliarden Euro. Davon entfielen auf den Bund 1,1 Milliarden Euro, auf die Länder 16,2 Milliarden Euro und auf die Kommunen 8,8 Milliarden Euro. Zudem waren die Sozialversicherungen mit insgesamt 10,5 Milliarden Euro im Plus (Statistisches Bundesamt, 2018a).

    Nach der Finanzstatistik, die sich an der Zahlungswirksamkeit von Transaktionen orientiert, sieht das Bild ähnlich aus. Aufgrund von Einmaleffekten weist der Bund einen höheren Überschuss aus. Städte und Gemeinden kommen auf einen Überschuss von 10,7 Milliarden Euro unter Ein-beziehung der Kern- und Extrahaushalte (Statistisches Bundesamt, 2018b). Anhand der Kassen-statistik ist eine weitergehende Unterteilung nach Gebietskörperschaften und Bundesländern möglich. Mit Blick auf NRW zeigen sich unterschiedliche Ergebnisse für Land und Gemeinden.

    Abbildung 2-1: Finanzierungssaldo der Kommunen Angaben in Millionen Euro für Kern- und Extrahaushalte

    Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft

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    2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

    NRW Flächenländer ohne NRW

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Während das Land einen negativen Finanzierungssaldo in Höhe von rund 300 Millionen Euro erwirtschaftete, konnten sich die Kommunen im Jahr 2017 über einen positiven Saldo von gut 3 Milliarden Euro freuen (Abbildung 2-1). Das ist für die nordrhein-westfälischen Kommunen das mit Abstand beste Ergebnis in den vergangenen zehn Jahren und entspricht bezogen auf die Kern- und Extrahaushalte gut 28 Prozent des aggregierten Überschusses aller Gemeinden in Deutschland. Insgesamt folgen die Kommunen in NRW dem bundesweiten Trend verbesserter Finanzierungssalden. Insgesamt sind die Gemeinden in Deutschland seit 2012 im Plus, in NRW dagegen erst seit 2016. Diese positive Entwicklung wird durch einen Vergleich des Finanzierungssaldos je Einwohner bestätigt. Im betrachteten Zeitraum stehen die Gemeinden in NRW nur im Jahr 2017 besser da als die Gemeinden im Bundesdurchschnitt. Während in NRW der Überschuss bei 169 Euro liegt, beträgt dieser in den übrigen zwölf Flächenländern, also ohne die drei Stadtstaaten, im Schnitt 131 Euro (Abbildung 2-2). Gegenüber dem Jahr 2014 – als NRW gegen den Trend ein Defizit aufwies – hat sich der Saldo in NRW um gut 140 Euro je Einwohner gegenüber dem Bundes-durchschnitt verbessert.

    Angesichts der aktuell erfreulichen Zahlen sollten jedoch die Altlasten nicht aus dem Blick gera-ten. Denn trotz geringer Zinsaufwendungen und sprudelnder Steuererträge ist der Schulden-stand der Städte und Gemeinden in NRW und Deutschland über viele Jahre gestiegen. Erst die hohen Überschüsse in der jüngeren Zeit konnten diesen Trend aufhalten. Von 144,2 Milliarden

    Abbildung 2-2: Finanzierungssaldo der Kommunen je Einwohner Angaben in Euro für Kern- und Extrahaushalte

    Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft

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    NRW Flächenländer ohne NRW

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Euro zum 31.12.2015 ist der Schuldenstand bis zum 31.12.2017 auf 137,5 Milliarden Euro ge-sunken. Auf NRW entfielen davon Ende 2017 rund 53,5 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Anteil von 39 Prozent. NRW konnte erst im vergangenen Jahr den Schuldenstand um rund 1,8 Milliarden Euro reduzieren. Insgesamt war die Zunahme des Schuldenstands der Gemeinden in NRW deutlich dynamischer als insgesamt in den anderen Flächenländern. Gegenüber 2010 ist der Schuldenstand in NRW Ende 2017 rund 20 Prozent höher ausgefallen, während es in den übrigen Flächenländern lediglich 6 Prozent waren (Abbildung 2-3).

    2.2 Eine außergewöhnliche Expansion der Kassenkredite

    Der Gesamtschuldenstand je Einwohner in NRW ist mit rund 3.000 Euro bereits deutlich höher als der Schnitt der übrigen Bundesländer, der bei etwa 1.800 Euro liegt. Von den großen Flä-chenländern weisen nur Hessen und Rheinland-Pfalz ein ähnliches Niveau wie NRW auf. Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen liegen dagegen deutlich darunter (Abbildung 2-4). In einigen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern spielen Kassenkredite so gut wie keine Rolle (Bertelsmann-Stiftung, 2017). In NRW dagegen entfällt fast jeder zweite Euro auf Kassenkredite. Nur im Saarland ist der Anteil höher. Kassen- beziehungsweise Kassenverstär-kungskredite oder auch Liquiditäts- beziehungsweise Liquiditätssicherungskredite dienen zum

    Abbildung 2-3: Entwicklung des Schuldenstands der Kommunen Schuldenstand im nicht-öffentlichen Bereich (Kern- und Extrahaushalte), Index mit 2010 = 100

    Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft

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    2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

    NRW Flächenländer ohne NRW

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Ausgleich vorübergehender Zahlungsengpässe. Den Verbindlichkeiten stehen anders als bei Kre-diten für Investitionszwecke keine Vermögenswerte gegenüber, wodurch keine finanzwirt-schaftliche Tragfähigkeit gegeben ist (Boettcher, 2012). Eine Studie des Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler (2011) beklagt zudem, dass auf kommunaler Ebene die „zweckwidrige Aufnahme von Kassenkrediten durch eklatante kommunal- und aufsichtsrechtliche Mängel be-günstigt wird“.

    Abbildung 2-4: Schuldenstand der Kommunen je Einwohner

    Zum Ende des Jahres 2017 belief sich der Bestand an Kassenkrediten der Kommunen in NRW auf 23,7 Milliarden Euro. Das ist in etwa das Zehnfache des Bestands im Jahr 2000. Hinzu kom-men Wertpapierschulden, die zu Liquiditätssicherung aufgenommen wurden in Höhe von 1,4 Milliarden Euro und die Kassenkredite von Kreisverwaltungen und Landschaftsverbänden von gut 300 Millionen Euro. In dieser Abgrenzung stehen einem Volumen von 25,5 Milliarden Euro zur Liquiditätssicherung 36,2 Milliarden Euro an langfristigen Wertpapierschulden und Investi-tionskredite entgegen. Die zeitliche Entwicklung von Kassenkrediten und sonstigen Schulden der Kommunen in NRW ist in Abbildung 2-5 zu sehen. Aus Konsistenzgründen müssen hier je-doch die Kredite zur Liquiditätssicherung den Wertpapierschulden zugerechnet werden, da diese erst seit 2017 differenziert ausgewiesen werden. Die massive Expansion der Kassenkredite im Zeitraum der vergangenen 17 Jahren wird deutlich. Obwohl die strukturelle Expansion der Kassenkredite schon seit dem Jahr 2000 zu erkennen ist, nimmt deren Dynamik nochmals ab dem Jahr 2008 zu. In Folge der weltweiten Wirtschafts- und

    Schuldenstand im nicht-öffentlichen Bereich (Kern- und Extrahaushalte) in Euro zum 31.12.2017

    Quellen: Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft

    22 42 294863

    308 2371.317 1.359

    2.012

    30 545 203 52

    707999 498

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    1.678 1.749

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    1.3261.149

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    3.500

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    Wertpapierschulden und Kredite beim nicht-öffentl. Bereich

    Kassenkredite beim nicht-öffentl. Bereich

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Finanzkrise haben die Kassenkredite auf Gemeindeebene zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Mit den zunehmenden Überschüssen in den Gemeindekassen konnte der Trend jedoch 2014 gestoppt werden und im Jahr 2017 konnten sogar im Saldo Kassenkredite in Höhe von rund 3 Milliarden Euro getilgt werden. Das Niveau ist jedoch weiterhin außerordentlich hoch im histo-rischen Vergleich. Bei den Investitionskrediten zeigt sich das umgekehrte Bild. Nach Jahren der Stagnation steigen die Kredite seit 2014 wieder an. Dies legt den Schluss nahe, dass die Kom-munen einerseits an Liquidität gewonnen und andererseits Investitionen in Bildung und Infra-struktur verstärkt haben.

    Mit Blick auf die reinen Kernhaushalte des Jahres 2017 fällt auf, dass die Gemeinden in NRW gegenüber den anderen Flächenländern in zwei Kennzahlen drastisch abweichen: Die Kassen-kredite sind je Einwohner deutlich höher, während die Sachinvestitionen wesentlich geringer ausfallen (Abbildung 2-6). Zudem sind die Aufwendungen für Personal und Sozialleistungen in NRW höher. Gleichzeitig liegen aber auch die Steuererträge über dem Durchschnitt der Flächen-länder. Der Finanzierungssaldo ist nahezu identisch. Der jeweils aggregierte Wert verdeckt jedoch signifikante Unterschiede auf Ebene der Städte und Gemeinden, die im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.

    Abbildung 2-5: Vergleich von Kassenkrediten und sonstigen Schulden der Kommu-nen in NRW

    Schuldenstand (Kern- und Extrahaushalte) in Milliarden Euro

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

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    Wertpapierschulden und Investitionskredite Kassenkredite

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Abbildung 2-6: Finanzkennzahlen der Gemeinden je Einwohner In Euro für das Jahr 2017 (nur Kernhaushalte)

    Quelle: BMF; Statistisches Bundesamt; Institut der deutschen Wirtschaft

    0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400

    Finanzierungssaldo

    Steuern (netto)

    Gewerbesteuer (netto)

    Personalausgaben

    Soziale Leistungen

    Sachinvestitionen

    Kassenkredite

    13 Flächenländer NRW

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    3 Regionale Verteilung der Verschuldung der Kommunen

    Die Kommunen in NRW sind sehr heterogen hinsichtlich ihrer Verschuldungssituation. Dies be-trifft sowohl das Niveau als auch die zeitliche Entwicklung. Daher bedarf es einer differenzierten Vorgehensweise bei der Umsetzung einer Strategie zur nachhaltigen Entschuldung. Hinzu kommt, dass die Kassenkredite, die in den vergangenen Jahren eine bedeutende Rolle einge-nommen haben (siehe Abschnitt 2), zwar mit den restlichen Schulden korreliert sind, sich jedoch nicht zwingend proportional entwickeln.

    3.1 Die Verteilung der Verschuldung je Einwohner

    Im Folgenden wird zunächst die gesamte Pro-Kopf-Verschuldung der Gemeinden und kreis-freien Städte betrachtet. Hierbei sind sowohl die Schulden der Kernhaushalte als auch die der Eigenbetriebe ohne eigene Rechtspersönlichkeit und der sonstigen Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform (beispielsweise städtische Krankenhäuser, Museen, etc.) eingeschlos-sen. Die Schulden der Eigengesellschaften in privater Rechtform, an denen die Kommunen be-teiligt sind, sind hierbei ausgeschlossen, da diese nur im Fall einer 100-prozentigen Beteiligung der Gemeinde erfasst sind, und dies den Vergleich zwischen den Gemeinen verzerren würde. Die Verschuldung beim Bund, beim Land oder bei Sondervermögen ist hingegen erfasst. In Abbildung 3-1 ist das Histogramm der gesamten Pro-Kopf-Verschuldung für die Jahre 2000, 2010 und 2017 abgetragen. Von den 396 Gemeinden und kreisfreien Städte in NRW befinden sich 375 im Jahr 2000 im Bereich bis 2.500 Euro Schulden pro Einwohner, das entspricht 95 Pro-zent. 248 Kommunen (63 Prozent) haben maximal 1.500 Euro Schulden pro Einwohner, zwei Kommunen sind schuldenfrei (0,5 Prozent). In den Jahren 2010 und 2017 verschiebt sich die Verteilung nach rechts. Im Jahr 2010 haben nur noch 73 Prozent aller Kommunen höchstens 2.500 Euro und nur noch 45 Prozent weniger als 1.500 Euro Schulden pro Einwohner. Im Jahr 2017 liegen nur noch 66 Prozent unter 2.500 Euro und 40 Prozent unter 1.500 Euro pro Einwoh-ner. Bei der Verschuldung bis 1.000 Euro pro Einwohner gibt es allerdings eine leichte Verbes-serung zwischen 2010 und 2017. Die Zahl der Kommunen unterhalb dieses Werts steigt von 107 auf 114. Dies zeigt, dass die Entwicklung zwischen den Kommunen auseinanderdriftet. Einige Kommunen konnten Schulden abbauen, bei anderen sind die Schulden dagegen gestiegen. Im Jahr 2017 hat jede vierte Kommune mehr als 3.000 Euro Schulden pro Einwohner und es gibt 24 Kommunen mit mehr als 5.000 Euro Schulden pro Einwohner.

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    In Abbildung 3-2 sind alle Gemeinden und kreisfreien Städte in NRW abgebildet und farblich nach Höhe der Verschuldung unterschieden, um regionale Unterschiede herauszustellen. Die Verteilung der gesamten Verschuldung pro Einwohner ist hierfür in vier gleich große Gruppen unterteilt (Quartile). Da die Gesamtzahl der Gemeinden und Städte 396 beträgt, befinden sich in jedem Quartil 99 Kommunen. Das erste Quartil liegt bei 877 Euro, das heißt ein Viertel der Kommunen hat maximal eine Verschuldung je Einwohner in dieser Höhe. Im obersten Quartil liegt eine Verschuldung von mehr als 2.985 Euro vor. Die regionale Analyse zeigt, dass hoch verschuldete Städte vor allem im Ruhrgebiet einschließlich Randgebieten sowie in der Region Aachen liegen. Teilweise finden sich auch Kommunen mit hoher Verschuldung in östlicher gele-genen Kreisen wie zum Beispiel Siegen-Wittgenstein, im Hochsauerlandkreis, im Kreis Herford oder der Stadt Bielefeld. Kreise mit niedrigen Schulden sind vor allem am Niederrhein, im Müns-terland und in Ostwestfalen-Lippe zu finden (beispielsweise die Kreise Heinsberg, Kleve, Borken, Steinfurt, Gütersloh oder Paderborn). Jedoch gibt es auch im Sauerland und in der nördlichen Eifel Kommunen mit niedrigen Schulden, zum Beispiel der Kreis Olpe oder Teile des Kreises Dü-ren. Deutlich wird in Abbildung 3-2, dass die Schuldenhöhe und die Bevölkerungsdichte stark korreliert sind. Die jeweils zwölf Kommunen mit der geringsten und mit der höchsten Verschuldung pro Ein-wohner sind in Tabelle 3-1 aufgelistet. Hierbei wird die große Spreizung zwischen den Kommu-nen deutlich. Während Siegburg auf eine Verschuldung von über 10.000 Euro pro Einwohner kommt und die Ruhrgebietsstädte Mülheim an der Ruhr und Oberhausen über 9.000 Euro lie-gen, gibt es auch schuldenfreie Kommunen. Der Mittelwert liegt bei 2.165 Euro.

    Abbildung 3-1: Die Verteilung der Schulden der Kommunen in NRW Gesamte Verschuldung in Euro pro Einwohner

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

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    den

    Gesamtverschuldung bis maximal ... Euro pro Einwohner2000 2010 2017

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Abbildung 3-2: Die regionale Verteilung der Schulden in NRW Gesamte Verschuldung in Euro pro Einwohner

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Tabelle 3-1: Die Kommunen mit der niedrigsten und höchsten Verschuldung Gesamte Verschuldung in Euro pro Einwohner im Jahr 2017

    Niedrigste Verschuldung Höchste Verschuldung

    1. Gangelt 0 Euro 1. Siegburg 10.843 Euro

    1. Kranenburg 0 Euro 1. Mülheim an der Ruhr 9.665 Euro

    1. Niederzier 0 Euro 2. Oberhausen 9.002 Euro

    1. Olfen 0 Euro 3. Hagen 7.164 Euro

    1. Reken 0 Euro 4. Herten 6.974 Euro

    1. Senden 0 Euro 5. Remscheid 6.949 Euro

    1. Velen 0 Euro 6. Moers 5.999 Euro

    8. Raesfeld 6 Euro 7. Waltrop 5.971 Euro

    9. Langenfeld (Rhld.) 11 Euro 8. Duisburg 5.917 Euro

    10. Breckerfeld 11 Euro 10. Heimbach 5.889 Euro

    11. Sonsbeck 12 Euro 10. Essen 5.889 Euro

    12. Lippetal 27 Euro 12. Solingen 5.888 Euro

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

    Zur Beurteilung der Verschuldungssituation ist jedoch nicht nur die aktuelle Verschuldung rele-vant, sondern auch die zeitliche Entwicklung. Einigen Gemeinden und Städten gelang in den vergangenen sieben Jahren eine Verbesserung ihrer Lage, während sich andere im Vergleich verschlechterten. In Abbildung 3-3 ist die Veränderung der relativen Verschuldung im Vergleich zu den anderen nordrhein-westfälischen Gemeinden und Städten zwischen 2010 und 2017 zu sehen. Die Verschuldung pro Einwohner im Jahr 2010 ist hierbei auf der X-Achse abgetragen und die im Jahr 2017 auf der Y-Achse. Die Verschuldung ist mittelwertzentriert – also liegt eine Gemeinde, deren Verschuldung in beiden Jahren jeweils nah am Mittelwert liegt, in der Abbil-dung nah am Nullpunkt. Ein positiver Wert bedeutet eine überdurchschnittlich hohe Verschul-dung in dem Jahr, ein negativer Wert eine unterdurchschnittliche Verschuldung. Die gepunktete Linie teilt die Kommunen, die sich relativ verschlechtert haben, von denen, die sich relativ ver-bessert haben (also im Vergleich zu den anderen Kommunen). Alle Kommunen oberhalb der gepunkteten Linie haben sich relativ verschlechtert und alle darunter haben sich relativ verbes-sert. Die durchgezogene Linie unterteilt die Kommunen in die, die sich absolut im Vergleich zum Mittelwert verschlechtert oder verbessert haben. Ersichtlich aus Abbildung 3-3 wird, dass sich einige hoch verschuldete Städte durchaus in den letzten sieben Jahren relativ verbessert haben. Im Quadranten rechts oben sind die Städte Ha-gen, Remscheid, Duisburg, Solingen und Wuppertal zu finden, die sich zumindest leicht verbes-sern konnten. Die Städte Mülheim und Siegburg haben sich hingegen trotz bereits hoher Schul-den im Jahr 2010 nochmals verschlechtert. Die größte Verbesserung gelang der Stadt Monheim am Rhein, die sich von einer überdurchschnittlich hohen Verschuldungsposition zu einer stark

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    unterdurchschnittlichen verbessern konnte. Allerdings konnten sich auch weitere größere Städte wie Mönchengladbach und Neuss signifikant verbessern. Im Vergleich: Größere Ver-schlechterungen traten hingegen für Herten, Heimbach und Gladbeck ein.

    3.2 Die Verteilung der Kassenkredite

    Die Kassenkredite haben in den letzten 20 Jahren in vielen Gemeinden und Städten in NRW an Bedeutung gewonnen. Wie bereits in Kapitel 2 gesehen, stieg das Volumen im Vergleich zu den

    Abbildung 3-3: Veränderung der relativen Verschuldungsposition zwischen 2010 und 2017

    Gesamte Verschuldung in Euro pro Einwohner als Abweichung vom Mittelwert

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

    Düsseldorf

    DuisburgEssen

    Krefeld

    Mönchengladbach

    Mülheim an der Ruhr

    Oberhausen

    Remscheid

    SolingenWuppertal

    Bonn

    Köln

    LeverkusenBottrop

    Gelsenkirchen

    Münster

    Bielefeld

    Bochum

    Dortmund

    Hagen

    Hamm

    Herne

    Kranenburg

    Langenfeld (Rhld.)

    Monheim am Rhein

    Neuss

    Moers

    Aachen

    Roetgen

    Heimbach

    Hürtgenwald

    Bedburg Hürth

    Euskirchen

    Mechernich

    Gangelt

    Gummersbach

    Hennef (Sieg)

    Königswinter

    Siegburg

    Olfen

    Gladbeck

    Herten

    Marl

    Recklinghausen

    Ahlen

    GüterslohHarsewinkel

    Bad Lippspringe

    Paderborn

    Breckerfeld

    Ennepetal

    Schwelm

    MarsbergMeschede

    Iserlohn

    Burbach

    Neunkirchen

    Siegen

    Bad Sassendorf

    Lippetal

    Werl

    -4.000

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    -3.000 -2.000 -1.000 0 1.000 2.000 3.000 4.000 5.000 6.000 7.000

    Abweichung vom durchschnittlichen Schuldenstand im Jahr 2017

    Abweichung vom durchschnittlichen Schuldenstand im Jahr 2010

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    „klassischen“ Investitions- und Wertpapierkrediten deutlich an.1 Dies zeigt sich auch in der Ver-teilungsanalyse der Kassenkredite (Abbildung 3-4). Während im Jahr 2000 dieser Verschul-dungstyp in 308 Kommunen überhaupt nicht auftaucht, sind im Jahr 2017 nur noch 132 Kom-munen ohne Kassenkredite. Die Zahl der Kommunen mit Kassenkrediten von mindestens 500 Euro pro Einwohner stieg von neun im Jahr 2000 über 125 im Jahr 2010 auf schließlich 165 im Jahr 2017 und betrifft somit fast 42 Prozent aller Kommunen. Dieser Trend ist ein Alarmsignal hinsichtlich solider kommunaler Finanzen. Denn anders als In-vestitionskredite dienen Kassenkredite nicht der Finanzierung von (sinnvollen) Langfristprojek-ten, sondern sollen Liquiditätsengpässe überbrücken. Je mehr und je größere Engpässe auftre-ten, desto gefährdeter ist die Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte. Bei „klassischen“ Inves-titionskrediten kann ein höherer Schuldenstand dagegen die Finanzierung von mehr Infrastruk-turprojekten mit einer entsprechenden Zukunftsrendite bedeuten, weshalb ein höherer Schul-denstand in dem Fall nicht per se besorgniserregend ist.

    Die regionale Verteilung der Kassenkredite im Jahr 2017 (Abbildung 3-5) zeigt Unterschiede im Vergleich zur Verteilung der Gesamtverschuldung. Allerdings sind die Darstellungen nicht direkt miteinander vergleichbar, da anstatt einer Quartilsbetrachtung fixe Grenzwerte die Kommunen in Kategorien einteilen. Der Grund ist, dass immerhin noch mehr als ein Viertel aller Kommunen

    1 Bei den Analysen zur Entwicklung der Kassenkredite über die Zeit wird immer auf die konsistente Abgrenzung der

    Kassenkredite im Kernhaushalt abgestellt. Bei der Alleinbetrachtung im Jahr 2017 werden hingegen noch die Wert-papierschulden zur Liquiditätssicherung hinzugerechnet, die erst ab 2017 separat ausgewiesen werden. Diese ma-chen allerdings nur knapp 6 Prozent des Volumens an Kassenkrediten im Jahr 2017 aus.

    Abbildung 3-4: Die Verteilung der Kassenkredite der Kommunen in NRW Kassenkredite in Euro pro Einwohner

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

    0

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    KeineKassenkredite

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    2000 2010 2017

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    keine Kassenkredite haben. Im Norden und Westen des Landes liegen beispielsweise viele Kom-munen, die gänzlich ohne Kassenkredite auskommen und hohe Kassenkreditbestände über 1.000 Euro pro Einwohner kommen nur vereinzelt vor. Allerdings ist die Verschuldung mit Kas-senkrediten auch in Teilen des Sauerlands und in Köln und Umgebung nicht so stark verbreitet. Hochburgen der Verschuldung mit mehr als 2.000 Euro Kassenkredite je Einwohner finden sich hingegen im Ruhrgebiet sowie südlich angrenzend davon in den bergischen Städten und Land-kreisen.

    Abbildung 3-5: Die regionale Verteilung der Kassenkredite der Kommunen in NRW Kassenkredite in Euro pro Einwohner

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    In der Liste der 15 Kommunen mit dem höchsten Kassenkreditbestand pro Einwohner liegt im Jahr 2017 Oberhausen vorne mit 7.634 Euro (Tabelle 3-2). Daraus ergibt sich für Oberhausen ein Anteil der Kassenkredite an der Gesamtverschuldung von fast 85 Prozent. Auch in den wei-teren Städten der Liste ist sowohl das Niveau der Kassenkredite als auch die Quote sehr hoch. Die Stadt Siegburg, die den höchsten Gesamtschuldenstand hat, liegt in dieser Betrachtung mit einem Kassenkreditstand von 2.080 Euro pro Einwohner außerhalb der Liste.

    Tabelle 3-2: Kommunen mit der höchsten Verschuldung in Kassenkrediten Kassenkredite in Euro pro Einwohner im Jahr 2017

    Höchste Verschuldung in Kassenkrediten

    1. Oberhausen 7.634 Euro

    2. Mülheim an der Ruhr 6.241 Euro

    3. Hagen 5.763 Euro

    4. Remscheid 5.314 Euro

    5. Herten 4.844 Euro

    6. Heimbach 4.488 Euro

    7. Waltrop 4.046 Euro

    8. Essen 3.864 Euro

    9. Monschau 3.742 Euro

    10. Herne 3.605 Euro

    11. Oer-Erkenschwick 3.542 Euro

    12. Witten 3.366 Euro

    13. Wuppertal 3.266 Euro

    14. Mönchengladbach 3.115 Euro

    15. Duisburg 3.016 Euro

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

    Durch die enorme Zunahme des Volumens der Kassenkredite ist auch der zeitliche Vergleich zwischen den Kommunen interessant. Im Streudiagramm in Abbildung 3-6 ist für NRW die mit-telwert-zentrierte Verschuldung in Kassenkrediten pro Einwohner dargestellt. Auf der X-Achse ist hierbei die Verschuldung des Jahres 2000 und auf der Y-Achse die des Jahres 2017 abgetra-gen. Die senkrechte Ansammlung der Kommunen am linken Rand im Diagramm ergibt sich dadurch, dass diese Kommunen alle im Jahr 2000 kassenkreditfrei waren. Alle Kommunen, die sehr weit unten liegen, sind auch im Jahr 2017 kassenkreditfrei und haben einen niedrigen Stand an Kassenkrediten. Je höher die Kommunen liegen, desto höher die Kassenkredite im Jahr 2017. Alle Kommunen, die oberhalb der gepunkteten Linie liegen, haben sich auch relativ im Vergleich

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    zu den anderen Kommunen verschlechtert, alle die darunter liegen, haben sich relativ verbes-sert (dies kann auch der Fall sein, wenn weiterhin keine Kassenkredite vorliegen, da sich die anderen Kommunen verschlechtern). Die durchgezogene Linie zeigt die absolute Veränderung des Bestands an Kassenkrediten als Abstand zum jeweiligen Mittelwert an. Sie liegt weit unter-halb der gepunkteten Line, weil der überwiegende Teil der Kommunen im Zeitraum Kassenkre-dite aufgebaut hat (und sich somit absolut verschlechtert hat). Die Kommunen aus der Liste in Tabelle 3-2 liegen auch in dieser Darstellung weit oben im Diagramm und über der gepunkteten Linie. Kommunen, die sich relativ verbessern konnten, sind beispielsweise Remscheid, Werl und Krefeld, obwohl sie auch Kassenkredite aufgebaut haben. Städte wie zum Beispiel Warstein, Grevenbroich und Meschede hatten zwar im Jahr 2000 überdurchschnittliche Kassenkredite, diese Bestände haben sich allerdings über die Zeit kaum erhöht beziehungsweise konnten leicht reduziert werden, so dass diese Kommunen deutlich unterdurchschnittliche Bestände im Jahr 2017 aufweisen.

    Abbildung 3-6: Veränderung der relativen Verschuldung in Kassenkrediten zwischen 2000 und 2017

    Kassenkredite in Euro pro Einwohner als Abweichung vom Mittelwert

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

    Düsseldorf

    DuisburgEssen

    Krefeld

    Mönchengladbach

    Mülheim an der Ruhr

    Oberhausen

    Remscheid

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    Hamm

    Herne

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    Heimbach

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    Königswinter

    Siegburg

    Olfen

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    Herten

    Marl

    Oer-Erkenschwick

    Recklinghausen

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    Abweichung vom durchschnittlichen Schuldenstand im Jahr 2017

    Abweichung vom durchschnittlichen Schuldenstand im Jahr 2000

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    Aufgrund der insgesamt enormen Zunahme an Kassenkrediten von 2000 bis 2017 haben sich einige Kommunen in Abbildung 3-6 relativ verbessert, obwohl sie (in geringerem Umfang) Kas-senkredite aufgebaut haben. Insgesamt haben die Kassenkredite pro Einwohner von 2000 bis 2017 um mehr als das 13-Fache zugenommen. Daher wird in Abbildung 3-7 auch der Zeitraum zwischen 2010 und 2017 betrachtet, in dem die allgemeine Zunahme an Kassenkrediten nicht mehr ganz so stark verbreitet war und die Haus-halte der Kommunen in der Summe Überschüsse erreichten. Remscheid, Wuppertal, Mönchen-gladbach, Duisburg und Essen konnten sich in diesem Zeitraum sowohl relativ als auch absolut leicht verbessern, während dies bei anderen Kommunen aus der Liste wie Oberhausen, Mül-heim an der Ruhr und Herten nicht der Fall war. Eine deutliche Verbesserung trat in Monheim am Rhein, Weilerswist und Euskirchen ein.

    Abbildung 3-7: Veränderung der relativen Verschuldung in Kassenkrediten zwischen 2010 und 2017

    Kassenkredite in Euro pro Einwohner als Abweichung vom Mittelwert

    Quellen: Landesdatenbank von IT.NRW; Institut der deutschen Wirtschaft

    Düsseldorf

    DuisburgEssen

    Krefeld

    Mönchengladbach

    Mülheim an der Ruhr

    Oberhausen

    Remscheid

    Solingen

    Wuppertal

    Bonn

    Köln

    LeverkusenBottrop

    Gelsenkirchen

    Münster

    Bielefeld

    Bochum

    Dortmund

    Hagen

    Hamm

    Herne

    Monheim am Rhein

    Moers

    Aachen

    Monschau

    Heimbach

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    Euskirchen

    Weilerswist

    NümbrechtWaldbröl

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    Siegburg

    Gladbeck

    Herten

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    Oer-Erkenschwick

    Recklinghausen

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    Abweichung vom durchschnittlichen Schuldenstand im Jahr 2017

    Abweichung vom durchschnittlichen Schuldenstand im Jahr 2010

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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    4 Skizzierung eines kommunalen Entschuldungsprogramms

    4.1 Referenzprogramme zur Unterstützung der Kommunen

    Die finanziellen Unterschiede zwischen einzelnen Kommunen in NRW sind kein außergewöhnli-ches Phänomen. Vielmehr ist eine Heterogenität beim kommunalen Schuldenstand auch in an-deren Bundesländern der Fall. Da das Schuldenniveau eng mit der Finanzkraft korreliert ist, glei-chen die Flächenländer die Finanzkraft der Städte und Gemeinden mittels eines kommunalen Finanzausgleichs aus. Allerdings hat dieser Ausgleich in einigen Bundesländern nicht verhindern können, dass einzelne Kommunen immer weiter neue Schulden aufnehmen und dabei die ei-gene Handlungsfähigkeit Stück für Stück verlieren. Vor diesem Hintergrund haben einige Bun-desländer in den vergangenen Jahren weitergehende Programme aufgelegt, um notleidende Kommunen aus ihrer Lage zu befreien. Dabei geht es nicht um eine Zuweisung von Verantwor-tung für die finanzielle Schieflage, sondern um effektive Hilfe. Denn ein geringerer Schulden-stand erhöht den Handlungsspielraum der öffentlichen Hand. NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland haben bereits Entschuldungsprogramme konzi-piert (Weber/Beck, 2013). Die Entschuldungsprogramme unterscheiden sich dabei nicht nur nach ihrem Volumen, sondern auch hinsichtlich der Teilnahmekriterien und Selbstverpflichtun-gen der Kommunen. Im Folgenden werden zunächst die relativ umfassenden Programme in Nie-dersachsen und Hessen dargelegt, bevor die Situation in NRW beleuchtet wird. In Niedersachsen wurde im Jahr 2009 zwischen Land und kommunalen Spitzenverbänden der Zukunftsvertrag vereinbart (Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, 2017). Aus-gangspunkt war das gestiegene Volumen an Liquiditätskrediten, die längst als selbstverständli-ches Mittel zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung aufgenommen wurden. Das Grundprinzip des niedersächsischen Modells lautete „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ziel war ein nachhaltiger Haus-haltsausgleich, der auch dadurch möglich gemacht werden sollte, dass die Zinsaufwendungen aufgrund des Entschuldungsprogramms sinken sollten. Gleichzeitig mussten sich die Kommunen zu eigenen Konsolidierungsmaßnahmen verpflichten. Beispielsweise durften die Aufwendungen im Vergleich zu den anderen Kommunen nur unterdurchschnittlich stark steigen. Zudem wur-den Gebietsfusionen gefördert. Die Entscheidung über die konkreten Maßnahmen oblag dabei den Kommunen. Voraussetzung für die Teilnahme waren relativ geringe Steuererträge und relativ hohe Kredite. Dabei wurden ausschließlich die Kernhaushalte berücksichtigt. Ziel war es, bis zu 75 Prozent der Liquiditätskre-dite abzubauen. Bei besonders finanzschwachen Kommunen wurden die Ziele weniger ambiti-oniert formuliert, da der Haushaltsausgleich zunächst nicht realistisch erschien. Die Konsolidie-rungsfortschritte wurden in jährlichen Berichten festgehalten und überwacht. Das Volumen des Fonds betrug 2 Milliarden Euro. Weitere Zuführungen wurden je hälftig von Land und Gemein-den erbracht, wobei der kommunale Anteil vorab dem kommunalen Finanzausgleich entnom-men wurde. Durch ein Forderungsverkaufsmodell konnten die Kommunen kurzfristig Geld zur

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

    21

    Entschuldung erhalten, während die Zuführungen jährlich erfolgten. Hierbei verkaufen die Kom-munen die künftigen Ansprüche aus dem Zukunftsvertrag – also die Finanzhilfe – an einen Fi-nanzintermediär und erhalten den Gegenwartswert, um sich sofort zu entschulden. Somit konn-ten auch Zinsänderungsrisiken vermieden werden. 68 der mehr als 900 Kommunen nahmen an dem Entschuldungsprogramm teil. 90 Prozent davon haben die Haushaltsziele erreicht. Das Land Niedersachsen wertet die im Jahr 2016 ausgelaufenen Zukunftsverträge daher als Erfolg. Auch nach Beendigung des Programms soll es weiter spezielle Förderungen von stark defizitären Gemeinden geben. In Hessen hat die Landesregierung die „Hessenkasse“ ins Leben gerufen, die an den „Kommu-nalen Schutzschirm“ als bisheriges Hilfsprogramm für die Kommunen anknüpft. Entscheidend bei der Hessenkasse ist der vorgesehene Schuldenschnitt. Damit sollen finanzschwache Kom-munen neue Handlungsfähigkeit erlangen. Zudem soll mit parallelen Konsolidierungsmaßnah-men verhindert werden, dass sich der Prozess der kontinuierlichen Kassenkreditaufnahme wie-derholt. Land und Kommunen steuern insgesamt 7 Milliarden Euro zur „Hessenkasse“ bei, wo-von 5 Milliarden Euro für die Tilgung und 2 Milliarden Euro für Zinszahlungen kalkuliert sind. Das Land trägt etwa ein Viertel der Gesamtsumme, den Rest bringen die Städte und Gemeinden im Programm direkt auf beziehungsweise indirekt alle Kommunen über Landesmittel, die ihnen zu-gestanden hätten und jetzt für die Zwecke der Hessenkasse eingesetzt werden. Je Einwohner muss eine teilnehmende Kommune pro Jahr 25 Euro in die Hessenkasse einzahlen. Diese Höhe des Eigenbeitrags wurde als notwendig angesehen, um auf einen angemessenen Eigenanteil am Entschuldungsvolumen zu kommen und gleichzeitig die Belastungsobergrenze der Kommunen so weit wie möglich auszureizen, ohne diese zu überschreiten (Dieter, 2018). Um finanzpolitisch solide Kommunen nicht vor den Kopf zu stoßen, wird gleichzeitig ein Investi-tionsprogramm aufgelegt, das in Höhe von 600 Millionen Euro vom Land finanziert wird und das sich an Kommunen richtet, die aufgrund ihrer guten Finanzpolitik kein Kandidat für die „Hessen-kasse“ sind. Kritisch ist allerdings, dass es einige Kommunen gibt, die weder von der Hessen-kasse noch vom Investitionsprogramm profitieren können. Ein Streitpunkt bleibt, ob die hohe Verschuldung der Gemeinden in Hessen Folge einer strukturellen Unterfinanzierung durch das Land oder auf individuelles Versagen zurückzuführen ist (Dieter, 2018). Die Gründe für den per-manenten Schuldenaufbau können vielfältig sein. Auf individueller Ebene kann ein hoher politi-scher Wettbewerb zu höheren Leistungsversprechen führen, ebenso kann eine Konkurrenzsitu-ation zwischen Bürgermeister und Kämmerer eine solide Haushaltspolitik gefährden (Boettcher, 2012). Auch in NRW gibt es mit dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ ein Hilfsprogramm für die Kommu-nen. Das Programm besteht zusätzlich zum kommunalen Finanzausgleich, der alleine die Finanz-probleme einzelner Kommunen nicht strukturell lösen kann (FiFo, 2013). Beim Stärkungspakt lautet das Grundprinzip, dass Landeshilfe mit Konsolidierungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene einhergehen soll. So wird aus 1 Euro Förderung ein Konsolidierungsumfang in Höhe von 2,4 Euro. Die Konsolidierung erfolgte in vielen Fällen über die Ertragsseite, indem die Realsteu-erhebesätze insbesondere bei der Grundsteuer erhöht wurden. Das Volumen des Stärkungs-pakts in Höhe von 5,8 Milliarden Euro entspricht lediglich rund 10 Prozent des heutigen Schul-denstands, weshalb der Fokus auf besonders finanzschwachen Kommunen lag (Rappen, 2017).

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

    22

    Die schwierige Finanzlage einzelner Kommunen zieht sich seit den ersten Haushaltssicherungs-konzepten in den 1980er Jahren. Heute sind ungefähr 150 bis 200 Kommunen in der Haushalts-sicherung. Der Stärkungspakt zielt auf einen Haushaltsausgleich und das Verhindern neuer Schulden durch Konsolidierung und erst in zweiter Linie auf einen direkten Abbau der Altschul-den wie im niedersächsischen oder hessischen Modell. Unter der neuen schwarz-gelben Lan-desregierung wurde die sogenannte Solidaritätszulage abgeschafft, die von den Kommunen fi-nanziert wurde und einen horizontalen Ausgleich darstellte. Grund für die Abschaffung war, dass sich mehrere Kommunen zu Einzahlungen gezwungen sahen, obwohl sie selbst mit dem Haushaltsausgleich zu kämpfen hatten. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ zusätzlich zum kommunalen Finanzausgleich für einzelne Kommunen eine Hilfe auf dem Weg zum Haushaltsausgleich darstellt und gleichzeitig zu höheren Realsteuerhebesät-zen geführt hat, wodurch die wirtschaftliche Dynamik gebremst wird (MIK NRW, 2015; Rappen, 2017).

    4.2 Grundsätzliche Ableitungen für NRW

    Mit Blick auf den Umfang der kommunalen Verschuldung in NRW ist offenkundig, dass der Stär-kungspakt jenseits der Frage einer sinnvollen Ausgestaltung bei Weitem nicht ausreicht, um zum nachhaltigen Abbau der Altschulden beizutragen. Vor diesem Hintergrund wäre ein zusätzliches Instrumentarium erforderlich, um erreichte Haushaltsverbesserungen bei einem Anstieg des Zinsniveaus nicht zu gefährden und den Kommunen weiteren Handlungsspielraum zu ermögli-chen. Angesichts eines festgestellten Investitionsdefizits der Gemeinden in Deutschland von 159 Milliarden Euro erscheint dies zielführend (Kfw, 2018). Die Herausforderungen steigen wei-ter, zum Beispiel durch demografisch bedingte Remanenzkosten. Die Kommunen in NRW inves-tieren zudem vergleichsweise wenig in die Infrastruktur. Die kommunalen Bauinvestitionen in Bayern sind in Relation zu den Gesamtaufwendungen mehr als dreimal so hoch wie in NRW (Abbildung 4-1). Ein Lösungsansatz wäre es, als Ergänzung zum kommunalen Finanzausgleich und zum Stärkungs-pakt „Stadtfinanzen“ eine direkte Hilfe bei der Altschuldentilgung einzuführen (Eicker-Wolf et al., 2017). Dies sollte mit einer Konsolidierung auf der Aufwendungsseite kombiniert werden. Die Modelle in Niedersachsen und Hessen könnten dabei als Orientierung für einen „kommuna-len Zukunftsfonds NRW“ dienen. Dabei ist es wichtig, konkrete Bedingungen für eine Teilnahme festzulegen (Junkernheinrich et al., 2011). Eine grundlegende Herausforderung besteht darin, notleidenden Kommunen zu helfen, ohne die Anreize zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik zu verschlechtern. An der Bedeutung einer Begrenzung der Verschuldung im Sinne einer hand-lungsfähigen und generationsgerechten Politik bestehen dabei keine Zweifel.

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

    23

    5 Fazit

    Die Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen (NRW) hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenommen. Dabei haben sich Bürgermeister und Kämmerer großzügig an Kassenkrediten bedient, die lediglich zur Liquiditätssicherung vorgesehen sind. Der kontinuier-liche Anstieg der Kassenkredite zeigt jedoch, dass diese zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung eingesetzt werden. Seit 2016 weisen die Kommunen in NRW im Saldo zwar Überschüsse auf, die Schulden sinken allerdings kaum. Hinzu kommt, dass die Schulden sehr ungleich über die Kom-munen verteilt sind. Im Jahr 2000 hatten zwei Drittel der nordrhein-westfälischen Kommunen Schulden in Höhe von maximal 1.500 Euro pro Kopf, im Jahr 2017 waren es nur noch 40 Prozent. Acht Kommunen wiesen im Jahr 2000 Schulden von mehr als 3.000 Euro auf, aktuell sind es 98. Insgesamt sind die Kommunen in NRW mit rund 54 Milliarden Euro verschuldet, wovon knapp 24 Milliarden Euro auf Kassenkredite entfallen. Mit rund 1.300 Euro je Einwohner sind diese nur in Rheinland-Pfalz und dem Saarland höher als in NRW. Nur noch jede dritte Kommune in NRW kommt ohne Kassenkredite aus, im Jahr 2000 waren es noch knapp vier von fünf Kommunen. Die Verteilung der Kassenkredite konzentriert sich dabei überwiegend auf das Ruhrgebiet sowie die südlich angrenzenden bergischen Städte und Landkreise. Vereinzelt finden sich aber auch Kommunen im Sauerland, der Eifel und in Ostwestfalen mit relativ hohen Kassenkrediten. An

    Abbildung 4-1: Bauinvestitionen der Gemeinden In Prozent der Gesamtausgaben für die 13 Flächenländer für das Jahr 2017 (Kern- und Extrahaushalte)

    Quelle: Statistisches Bundesamt, Vierteljährliche Kassenstatistik

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  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

    24

    der Spitze liegt Oberhausen mit mehr als 7.600 Euro je Einwohner. Es folgen Mülheim an der Ruhr, Hagen und Remscheid mit ebenfalls jeweils mehr als 5.000 Euro je Einwohner. Um Städten und Gemeinden wieder mehr Handlungsspielraum zu geben, ist ein „kommunaler Zukunftsfonds NRW“ in Verbindung mit einer Konsolidierung der Aufwendungen zielführend. Auf der Ertragsseite erscheinen die kommunalen Möglichkeiten angesichts hoher Hebesätze bei Grund- und Gewerbesteuer bereits ausgereizt. Da konzeptionell eher die Kassenkredite als problematisch anzusehen sind und ihr Volumen relativ hoch ist, sollten diese im Fokus stehen. Die Überschüsse der öffentlichen Hand bieten die Chance, Altschulden durch gemeinsame An-strengungen der Gebietskörperschaften nachhaltig zurückzuführen. Rahmenbedingungen und Teilnahmevoraussetzungen wären zu diesem Zweck noch konkret auszugestalten. Bei der Kon-zeptionierung könnte sich die Politik an vergleichbaren Programmen in Hessen und Niedersach-sen orientieren.

    Literatur

    Bertelsmann-Stiftung, 2017, Kommunaler Finanzreport 2017, Gütersloh Boettcher, Florian, 2012, Kommunale Haushaltsdefizite: Umfang, Ursachen und Lösungsmög-lichkeiten, in: dms – der moderne staat – Zeitschrift für Public Policy, Recht und Management, Heft 1, S. 65–84 CDU/CSU und SPD, 2018, Koalitionsvertrag, Ein neuer Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land, 7.2.2018, Berlin Dieter, Jürgen, 2018, Schuldenschnitt mittels Hessenkasse. Lösung nur für Hessen oder Modell für andere Länder?, in: Junkernheinrich, Martin et al., (Hrsg.), Jahrbuch für öffentliche Finanzen 1-2018, S. 423–437, Berlin Eicker-Wolf, Kai / Nees, Martin / Truger, Achim, 2017, Kommunalfinanzbericht 2017 – Perspek-tiven der Kommunalfinanzen in Nordrhein-Westfalen: Anforderungen an die Bundes- und die Landespolitik, Eine Studie im Auftrag von ver.di NRW, Landesfachbereich Gemeinden, Düssel-dorf FiFo – Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln, 2013, Weiterent-wicklung des kommunalen Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen, Gutachten im Auftrage des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen, Köln Geißler, René / Boettcher, Florian, 2016, Disparitäten in der Entwicklung der Gemeindesteuern, in: Wirtschaftsdienst, Heft 3, S. 212–219

  • Verschuldung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen

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