Carlos Castaneda - Die Kunst des Verschwindens · PDF fileBand 85 Januar / Februar 2015...

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    Carlos Castaneda -

    Die Kunst des Verschwindens

    Roland Rottenfuer

    Der Autor von Die Lehren des Don Juan hat in diesem und elf weiteren Bestsellern nicht nur einen spirituellen Mythos kreiert, sondern ist auch als Person zur Legende geworden. Seine Konturen verschwimmen in ei-nem Dunst aus Hypothesen, Falschaussagen und Verleumdungen. Hat der rtselhafte Meisterzauberer Don Juan Matus berhaupt existiert? Wel-che Version des Lebenslaufs von Castaneda ist die richtige? Und warum verschwanden fnf seiner Jngerinnen unmittelbar nach dem Tod ihres Meisters spurlos? Man ist, in diesem Nebel stochernd, versucht, Casta-nedas Leben in den Kategorien seiner Bcher zu interpretieren und zu fragen: Gibt es vielleicht mehr als eine Realitt?

    Horizonte

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    Carlos Castaneda fiel aus allen Wolken, als er bei einem Besuch in Mexiko ein Plakat sah, das eine Veranstaltung mit ihm ankndigte. Er selbst hatte

    fr dieses Datum nie sein Kommen angekndigt, also mischte er sich

    neugierig unter die Zu-schauer. Dort traf ich auf einen fal-schen Carlos Ca-

    staneda, der sich fr mich ausgab. Er be-geisterte die Zuhrer mit seiner Eloquenz

    und erzhlte tief-grndig von seinen

    Erlebnissen mit Don Juan. Er hat seine Rolle glnzend ge-spielt. Ich habe nie-mandem verraten, wer ich wirklich bin und wohnte dem Schauspiel bis zum Schluss bei. Irgendwie empfand ich ihn

    als besseren Carlos Castane-da als mich selbst.

    Diese Episode ist typisch fr ei-nen Autor, der seine Identitt stets absichtlich verwischt hatte und der somit in der ffentlichen Wahr-nehmung schon in die Nhe einer mythischen Gestalt gerckt ist. In Reise nach Ixtlan, dem dritten Buch Castanedas, heit es: Man sollte sich nicht darum kmmern, Foto- oder Tonbandaufnahmen festzuhalten. () Man sollte sich um den Geist kmmern, der immer flchtig ist. Auch wird in der Philo-sophie Castanedas bzw. seines Ge-whrsmanns, des geheimnisvollen Yaqui-Indianers Don Juan, das Ego wie in spirituellen Schulen des Ostens gering bewertet. Solange der Mensch glaubt, er sei das Wich-tigste auf der Welt, kann er die Welt, die ihn umgibt, nicht wirklich wrdi-gen. Er ist wie ein Pferd mit Scheu-klappen; er sieht nur sich selbst, getrennt von allem anderen. Dies mag mit zu der seltsamen Gelas-senheit beigetragen haben, mit der Castaneda den Missbrauch seines Namens hinnahm.

    Castaneda Erleuchteter oder Despot?Diesem egolosen, gleichsam selbstvergessenen Mann wurden

    von anderen Quellen jedoch grobe Egozentrik, Guru-Al-lren und Machtwahn unter-stellt, etwa in der Sddeut-schen Zeitung (2008): Erst Jahrzehnte spter, nachdem aus dem Anthropologiestu-denten der Anfhrer einer zurckgezogenen Gruppe von Jngern und Jngerinnen ge-worden war, von denen einige seinen Tod nur um Tage oder Wochen berlebten Jahr-zehnte spter also kommt heraus, dass sich in dem net-ten Schriftsteller ein dste-rer, machtbewusster Charis-matiker verborgen hatte. Ein Mann, der seine Geschich-ten wohl selbst geglaubt hat am Ende seines Lebens, als er sich gegen die Schmer-zen des Leberkrebses mit Morphium und Kriegsfilmen betubte. Der, wie das Internet-Magazin Salon nun schreibt, einige seiner ihm ergebenen Geliebten vielleicht dazu brachte, ihm in den Tod zu folgen.

    Tatschlich gehrt zu den gro-en Rtseln in Castanedas Leben die Tatsache, dass fnf (!) seiner Anhngerinnen unmittelbar nach seinem Tod spurlos verschwan-den. Die Hexen, wie sie genannt wurden, galten als Geliebte des Meisters, gaben in seinem Auftrag Seminare und unterrichteten die auf Castenadas Bchern basieren-de Bewegungskunst Tensegrity. Hinter den Skandalberichten ber Castanedas Sekte mag auch mit Neid getrnkte Entrstung dar-ber gestanden haben, dass die-ser im doppelten Wortsinn ein Don Juan war. Florinda Donner-Grau(Traumwache) und Taisha Abelar (Die Zauberin) verfassten jeweils Bcher, in denen sie be-haupteten, ebenfalls von Don Juan Matus unterrichtet worden zu sein. Dessen Existenz wurde somit von zwei weiteren (nicht ganz) unab-hngigen Quellen besttigt. Nur von einer der Frauen, Patricia Par-tin, wurde 2006 durch DNS-Analyse ein Skelett identifiziert, von den an-deren fehlt bis heute jede Spur.

    Handelte es sich bei Castanedas exklusivem Club folglich um eine Selbstmordsekte la Heavens Gate (Massenselbstmord 1997)? Oder waren die Frauen gem den Lehren des Don Juan durch Trans-formation ihrer Krper als En-

    ergiewesen in eine geistige Welt eingegangen? Derartiges wurde bei Castaneda nmlich ber dessen Lehrer Don Juan Matus ausgesagt. Nchterner wird Castanedas Ge-meinschaft von Amy Wallace, einer seiner frheren Geliebten geschil-dert. Das Schlimmste, schreibt sie in ihren Erinnerungen, ist, wenn man geliebt und geliebt wird und dann misshandelt und misshandelt, und wenn es keine Regeln gibt oder wenn sie dauernd verndert werden, wenn man nichts richtig macht und dann dafr geksst wird. Eine Be-schreibung, die fr Erfahrungsbe-richt ber psychischen Missbrauch in Sekten typisch ist.

    Wirklichkeit und andere Wirk-lichkeitAls Geburtstag und -Ort hat Ca-staneda selbst immer wieder den 25.12.1931 in Brasilien angegeben. Roman Warszewski, der den Autor 1983 interviewt hat, nennt jedoch den 25.12.1925 in Peru. Diese An-gaben, so Warszewski, gingen aus den Immigrationsunterlagen her-vor, die nach dem Tod Castanedas bekannt wurden. Sein voller Name war demnach Carlos Cesar Arana Castaneda. Sein Vater war Gold-schmied, seine Mutter Hausfrau, die Herkunft der Familie spanisch. Er besuchte eine Schule in Lima und eine Kunstakademie. Castane-da selbst hatte jedoch angegeben, in einem Internat in Buenos Aires erzogen worden zu sein. Die Un-klarheit, die derartige Angaben bis heute umweht, ist typisch fr den

    Eines von nur zwei existieren-den authentischen Fotos von Carlos Castaneda

    Horizonte

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