Chemische Reaktionen - Alpen Adria Gymnasium … · 67 Entropieänderung : S Die Entropie des...

15
65 Chemische Reaktionen Wann läuft eine chemische Reaktion freiwillig ab? Wie viel Energie wird dabei abgegeben oder aufgenommen? Mit diesen Fragen befasst sich die Reaktionsenergetik. Sie ist ein Teilgebiet der Thermodynamik. In der Reaktionskinetik wird untersucht, wie schnell Reaktionen ablaufen und welche Faktoren die Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen. Viele Reaktionen, vor allem Reaktionen in Lebewesen, würden bei Körpertemperatur unendlich langsam ablaufen. Um sie zu beschleunigen, verwendet man Katalysatoren. Lebewesen produzieren ihre eigenen Katalysatoren: die Enzyme. Enthalpie [H] Die Reaktionsenthalpie ( H) gibt an, wieviel Wärme bei einer Reaktion frei wird oder zugeführt werden muss (bei konstantem Druck - Luftdruck). Ist die Enthalpie negativ ( H < 0), bedeutet dies, dass bei der Reaktion Energie frei wird (Die reagierenden Stoffe verlieren Energie). Solche Prozesse nennt man exotherm . Ist H > 0, muss dem System Energie zugeführt werden, die Reaktion ist endotherm. Betrachtet man die Reaktion eines Mols eines Stoffes bei Standardbedingungen (25°C = 298 K, 1013 mbar = 101,3 kPa), erhält man die Standard-Reaktionsenthalpie : H 2 +½O 2 H 2 O = –286 kJ/mol Die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff, also die Bildung von Wasser aus den Elementen, ist stark exotherm. Sie läuft bei Zündung eines Sauerstoff-Wasserstoff-Gemisches schlagartig mit einem lauten Knall ab, man bezeichnet sie daher als "Knallgasreaktion". Für die Rückreaktion, also die Zerlegung von Wasser in die Elemente, ist eine Energie von +286 kJ/mol nötig; da die Hinreaktion exotherm ist, ist die Rückreaktion endotherm. Merke: Bei exothermen Reaktionen werden aus unpolaren Stoffen polare Stoffe gebildet (Zunahme von EN) Satz von Heß Der Satz von Heß (Heßscher Wärmesatz) besagt, dass die Reaktionsenthalpie nur vom Zustand der Edukte und Produkte abhängt, nicht vom Reaktionsverlauf und der Anzahl der Schritte. Durch Anwendung des Satzes von Heß können Reaktionsenthalpien indirekt bestimmt werden, die experimentell nicht direkt gemessen werden können, beispielsweise die Bildungsenthalpie von Kohlenmonoxid (CO):

Transcript of Chemische Reaktionen - Alpen Adria Gymnasium … · 67 Entropieänderung : S Die Entropie des...

65

Chemische Reaktionen

Wann läuft eine chemische Reaktion freiwillig ab?Wie viel Energie wird dabei abgegeben oder aufgenommen?Mit diesen Fragen befasst sich die Reaktionsenergetik. Sie ist ein Teilgebiet der Thermodynamik.In der Reaktionskinetik wird untersucht, wie schnell Reaktionen ablaufen und welche Faktorendie Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen.Viele Reaktionen, vor allem Reaktionen in Lebewesen, würden bei Körpertemperatur unendlichlangsam ablaufen. Um sie zu beschleunigen, verwendet man Katalysatoren. Lebewesenproduzieren ihre eigenen Katalysatoren: die Enzyme.

Enthalpie [H]

Die Reaktionsenthalpie (H) gibt an, wieviel Wärme bei einer Reaktion frei wird oder zugeführtwerden muss (bei konstantem Druck - Luftdruck). Ist die Enthalpie negativ (H < 0), bedeutet dies,dass bei der Reaktion Energie frei wird (Die reagierenden Stoffe verlieren Energie). SolcheProzesse nennt man exotherm.Ist H > 0, muss dem System Energie zugeführt werden, die Reaktion ist endotherm.

Betrachtet man die Reaktion eines Mols eines Stoffes bei Standardbedingungen (25°C = 298 K,1013 mbar = 101,3 kPa), erhält man die Standard-Reaktionsenthalpie H°:

H2 + ½ O2 H2O H° = –286 kJ/mol

Die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff, also die Bildung von Wasser aus den Elementen, iststark exotherm. Sie läuft bei Zündung eines Sauerstoff-Wasserstoff-Gemisches schlagartig miteinem lauten Knall ab, man bezeichnet sie daher als "Knallgasreaktion".Für die Rückreaktion, also die Zerlegung von Wasser in die Elemente, ist eine Energie von+286 kJ/mol nötig; da die Hinreaktion exotherm ist, ist die Rückreaktion endotherm.

Merke: Bei exothermen Reaktionen werden aus unpolaren Stoffen polare Stoffe gebildet(Zunahme von EN)

Satz von Heß

Der Satz von Heß (Heßscher Wärmesatz) besagt, dass die Reaktionsenthalpie nur vom Zustandder Edukte und Produkte abhängt, nicht vom Reaktionsverlauf und der Anzahl der Schritte. DurchAnwendung des Satzes von Heß können Reaktionsenthalpien indirekt bestimmt werden, dieexperimentell nicht direkt gemessen werden können, beispielsweise die Bildungsenthalpie vonKohlenmonoxid (CO):

66

C + O2 CO2 H°1 = –393,5 kJ/mol experimentell bestimmt

CO + ½ O2 CO2 H°2 = –283,0 kJ/mol experimentell bestimmt

C + ½ O2 CO H° = –110,5 kJ/mol berechnet aus H°1 – H°2

Entropie [S]

Die Entropie S kann vereinfacht als Maß für die Unordnung eines Systems betrachtet werden.Mit zunehmender "Unordnung" in einem System steigt die Entropie. Festkörper, besondersKristalle, haben daher eine kleinere Entropie als Flüssigkeiten und Flüssigkeiten eine kleinere alsGase.

SFeststoff < SFlüssigkeit < SGas

Reinstoffe besitzen eine kleinere Entropie als Stoffgemische. Verteilt sich ein Stoff in einem Gefäß,beispielsweise indem sich ein Salz löst, nimmt die Entropie zu.

SReinstoff < SGemisch

67

Entropieänderung : S

Die Entropie des gesamten Systems bleibt bei völlig reversiblen Prozessen konstant, beiirreversiblen Prozessen nimmt sie zu. Die Simulation zeigt schematisch zwei irreversibleVorgänge, die von der Entropiezunahme angetrieben werden:

S > 01. Wärmeaustausch zwischen zwei Körpern, bis diese die gleiche Temperatur besitzen;2. 2. Diffusion = Konzentrationsausgleich zwischen Lösungen.

http://www2.chemie.uni-erlangen.de/projects/vsc/chemie-mediziner-neu/kinetik/entropieaenderung.html

Freie Enthalpie [G] nach Gibbs

Die Reaktionsenthalpie (H) gibt an, ob ein Prozess exotherm oder endotherm abläuft. Sie sagtjedoch nichts darüber aus, ob die Reaktion freiwillig abläuft. Es gibt zahlreiche endothermeReaktionen, die spontan ablaufen, wobei sich das Reaktionsgemisch abkühlt.Die Triebkraft einer Reaktion wird von der freien Enthalpie (G) angegeben. Sie wird über dieGibbs-Helmholtz-Gleichung:

G = H – T·S

aus der Enthalpie und der Entropie (S) berechnet. Der Einfluss der Entropie wird dabei von derTemperatur mit bestimmt. Eine Reaktion läuft freiwillig ab, wenn G < 0 ist = exergone Reaktion.Ist G > 0 bezeichnet man die Reaktion als endergon.

T ist die absolute Temperatur, gemessen in Kelvin (K). Sie wird bezogen auf den absolutenNullpunkt bei –273°C = 0 K. Somit erhält man für 0°C = 273 K

Übungsaufgabe

68

Chemisches Gleichgewicht

Im 1. Kapitel wurde das chemische Gleichgewicht bereits durch das Massenwirkungsgesetzbeschrieben. Die Gleichgewichtskonstante K steht in Beziehung freien Enthalpie G. In der Grafikist die Veränderung von G im Laufe einer Gleichgewichtsreaktion aufgetragen.

A + B C + D

Hat G das Minimum erreicht, hat sich das Gleichgewicht eingestellt (in unserem Beispiel bei etwa80%igem Umsatz). Ausgehend von den Edukten A + B wurde als Energie Ghin frei. Würde manvon den Produkten C + D ausgehen, würde sich das gleiche Gleichgewicht einstellen, es würdeaber weniger Energie frei: Grück. G° bezeichnet die Gibbs freie Standardenthalpie, die beivollständiger Umsetzung je eines Mols A + B C + D freigesetzt würde: G° = Ghin – Grück

Zusammenhang zwischen G° und Gleichgewichtskonstante (ohne Ableitung):G° = – RT · ln K

Mit dieser Gleichung kann aus der freien Standardenthalpie auf die Lage des Gleichgewichtsgeschlossen werden - oder umgekehrt, nach Berechnung der Gleichgewichtskonstanten K überdas Massenwirkungsgesetz, G° berechnet werden.

Gekoppelte Reaktionen

In der Biochemie sind meist mehrere Reaktionen miteinander gekoppelt. Die Verbindungen sinddabei in mehrere verschiedene Umsetzungsprozesse eingebunden. Sind alle Reaktionen imGleichgewicht, können die Massenwirkungsgesetze zusammengefasst werden.

A B G°1

B C G°2

A C G°ges = G°1 + G°2

69

Reaktionsgeschwindigkeit

Die Reaktionskinetik befasst sich mit der Geschwindigkeit von Reaktionen und den Faktoren, diedie Reaktionsgeschwindigkeit beeinflussen. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist definiert als dieAbleitung der Konzentration nach der Zeit:

A P

Man kann hierbei die Konzentrationsänderung (pro Zeiteinheit) der Produkte [P] oder die derEdukte [A] betrachten. Während der Reaktion nimmt [P] zu (positives Vorzichen), [A] ab (negativesVorzeichen).Sind Edukte und Produkte gefärbt, kann man den Reaktionsverlauf auch direkt beobachten.

Reduktion von Methylenblau durch GlucoseExperiment des Monats: August 1998

Reaktionsordnungen

Die Reaktionsgeschwindigkeit hängt in der Regel von den Konzentrationen der beteiligten Stoffeab. Die allgemeine Gleichung (das sogenannte Geschwindigkeitsgesetz) lautet:

a

Reaktion erster Ordnung: Die Reaktionsgeschwindigkeit ist proportional zur Konzentration [A].Viele Zerfallsreaktionen verlaufen 1. Ordnung.Reaktionen zwischen zwei Molekülen sind meist von zweiter Ordnung.k bezeichnet die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante.

1. Ordnung

A + B P 2. Ordnung

70

Reaktionen pseudo-erster Ordnung

Bei Reaktionen, die in Lösung ablaufen, stimmen die beobachteten Reaktionsordnungen oft nichtmit den erwarteten überein. Betrachten wir als Beispiel die Hydrolyse von Saccharose("Rohrzuckerinversion"). Bei dieser Reaktion wird Saccharose (Rohrzucker) in Gegenwart einerSäure in Glucose (Traubenzucker) und Fructose (Fruchtzucker) gespalten. Formal reagiert je einMolekül Saccharose mit je einem Wassermolekül. Die Protonen der Säure nehmen an derReaktion zwar teil, werden aber nicht verbraucht. (Sie sind ein Katalysator.) Man würde dahereine Reaktion 2. Ordnung vermuten. Untersucht man die Konzentrationsabhängigkeit dieserReaktion, findet man nur einen Einfluss der Saccharose-Konzentration, die experimentelleReaktionsordnung ist 1. Die Ursache hierfür liegt in dem großen Überschuss des LösungsmittelsWasser (von 1 : 100 oder mehr). Während die Hälfte der Saccharose bereits gespalten wurde, istbei unserem Beispiel nur ein sehr kleiner Teil des Wassers verbraucht worden. DieWasserkonzentration hat sich fast nicht geändert, die Reaktion scheint die Wasserkonzentrationnicht zu beeinflussen. Man nennt solche Reaktionen pseudo-erster Ordnung.

Kinetische Herleitung des Massenwirkungsgesetzes

Hin- und die Rückreaktion besitzen unterschiedliche Geschwindigkeitskonstanten, die hier mitkhin und krück bezeichnet werden. Für jede Teilreaktion kann ein eigenesGeschwindigkeitsgesetz formuliert werden:

Das Gleichgewicht ist erreicht, wenn Hinreaktion und Rückreaktion gleich schnell ablaufen,also RGhin = RGrück ist. Die Geschwindigkeitsgesetze können dann gleichgesetzt werden:

Im Gleichgewicht: RGhin = RGrück: khin·[A]·[B] = krück·[C]·[D]

71

Durch Umformen erhält man eine dem Massenwirkungsgesetz entsprechende Gleichung, derQuotient aus den beiden Geschwindigkeitskonstanten ergibt die Gleichgewichtskonstante K.

Übungsaufgabe zur Gleichgewichtskonstante

Folgereaktionen

Wenn das Produkt einer Reaktion sofort eine neue Reaktion eingeht, bezeichnet man den Prozessals Folgereaktion. Wenn es sich bei allen drei Stufen (Edukt A, Zwischenprodukt B und Produkt C)um stabile Verbindungen handelt, können deren Konzentrationen im Laufe der Gesamtreaktionunabhängig voneinander verfolgt (gemessen) werden.

Zu Beginn der Folgereaktion liegt nur Substanz A vor, die zunächst zu B reagiert. B reagiertweiter zu C. Da es keine Rückreaktionen gibt, nimmt die Konzentration von A beständig ab,die Konzentration von C zu. [B] durchläuft ein Maximum. Erst wird B aus A gebildet, ab demSchnittpunkt der Kurven [A] und [C] überwiegt dann aber der Verbrauch von B unter Bildungvon C. Die Konzentration von B nimmt nach diesem Punkt wieder ab.Die Konzentration des Endproduktes C nimmt zunächst sehr langsam zu. Dieser Verlauf istcharakteristisch für Reaktionen, bei denen ein Zwischenprodukt auftritt.

72

Halbwertszeit

Als Halbwertszeit bezeichnet man den Zeitraum, in dem die Konzentration des Eduktes auf dieHälfte abnimmt.

In der Medizin versteht man unter Halbwertszeit jene Zeit, die vergeht, bis durch Ausscheidung dieMenge des Wirkstoffs (Medikamentes) im Organismus auf die Hälfte abgenommen hat.

Halbwertszeit bei Reaktionen 1. Ordnung

Die Halbwertszeit kann aus dem Geschwindigkeitsgesetz berechnet werden. Wir betrachtenwieder eine einfache Reaktion:

A BDiese Reaktion läuft 1. Ordnung ab:

Durch Umstellung ("Variablentrennung") erhält man daraus:

Die Gleichung wird nun integriert, wobei als Nullpunkt die Ausgangssituation vor Beginn derReaktion gewählt wird. [A]o bezeichnet die Anfangskonzentration von A bei t = 0.

oder A = A0 . e -kt

Diese Gleichung gilt für den gesamten Verlauf einer Reaktion 1. Ordnung. Wir betrachten jetzt dieHalbwertszeit (t½). Nach einer Halbwertszeit hat die Konzentration von A um die Hälfteabgenommen: [A] = ½[A]o. Dies wird nun in die Gleichung eingesetzt

Es gilt ln ½ = – ln 2. Durch Umformung erhalten wir einen Ausdruck für die Halbwertszeit:

Die Halbwertszeit ist also unabhängig von der Konzentration des Eduktes. Dies ist charakteristischfür Reaktionen 1. Ordnung. Auch der radioaktive Zerfall gehorcht einem Geschwindigkeitsgesetz 1.Ordnung. Man nutzt dies aus bei der Altersbestimmung, beispielsweise nach der C14-Methode.

73

Aktivierungsenergie

Damit die Teilchen überhaupt reagieren, müssen sie erst angeregt werden. Man muss jedemTeilchen eine bestimmte Energiemenge, die Aktivierungsenergie EA, zuführen. Dadurch wirdes in einen instabilen Übergangszustand versetzt, von dem aus die Reaktion zum Produktweiterläuft. Im Schaubild ist ein Energieprofil für eine exotherme Reaktion aufgetragen. DieEnergiedifferenz zwischen Edukten und Produkten ist die Reaktionsenthalpie HR. Bevor diese freiwerden kann, muss erst die Aktivierungsenergie EAhin zugeführt werden. Ausgehend vomÜbergangszustand wird dann die Summe HR+EAhin abgegeben. In diesem Diagramm sieht manweiterhin, dass für die Rückreaktion als Aktivierungsenergie ein höherer Betrag nötig ist.

Aktivierungsenergie und chemisches Gleichgewicht

Die Lage des Gleichgewichts hängt von der Größe der freien Reaktionsenthalpie (GR) ab. Ist dieReaktion exergon (GR < 0), liegt das Gleichgewicht auf der Seite der Produkte, ist sie endergon(GR > 0) auf der Seite der Edukte. Die Aktivierungsenergie beeinflusst die Geschwindigkeit derReaktion, sie bestimmt also die Zeit, die bis zur Einstellung des Gleichgewichts vergeht. Auf dieLage des Gleichgewichtes hat die Aktivierungsenergie keinen Einfluss!In der folgenden Simulation können Sie die energetische Lage der Edukte und Produkte, sowie dieAktivierungsenergie im Energiediagramm (linke Abbildung) verschieben. In der rechten Grafiksehen Sie die davon abhängigen Konzentrationsverläufe der Edukte (rot) und Produkte (grün). DasGleichgewicht ist erreicht, wenn sich die Konzentrationen von Edukt und Produkt nicht mehrändern, die Kurven also parallel verlaufen.

Übungsaufgabe zu Energieprofilen

74

Katalyse

Ein Katalysator beschleunigt eine Reaktion, ohne dabei selbst verbraucht zu werden. Vieleexotherme und exergone Reaktionen laufen bei Raumtemperatur extrem langsam ab, sie sindgehemmt. Durch Katalysatoren läßt sich diese Hemmung aufheben, die Reaktion kann stattfinden.Wichtig: Der Katalysator beeinflusst nicht die Lage eines Gleichgewichts, dasGleichgewicht wird durch den Katalysator nur schneller erreicht. Verschiedene Katalysatorenhaben dabei eine unterschiedliche Wirksamkeit.Am Beispiel des Zerfalls von Wasserstoffperoxid (H2O2) wird die Wirkung von verschiedeneneisenhaltigen Katalysatoren schematisch gezeigt. Der nicht katalysierte Zerfall ist sehr langsam, eskann keine Bildung von Gasblasen beobachtet werden. Schon die Zugabe eines Millimols/ l Fe3+-Ionen beschleunigt die Reaktion um das 1000-fache. Wird statt Fe3+ Häm zugegeben, läuft dieReaktion nochmals deutlich schneller. Die Katalase, ein Häm-haltiges Enzym, ist auf dieZersetzung von H2O2 spezialisiert. Entsprechend heftig wird die Reaktion bei deren Zugabe.

Übungsaufgabe zur Katalyse

Energieprofil bei der Katalyse

Im Schaubild ist anhand eines Energieprofils die Wirkungsweise eines Katalysators dargestellt.Der Katalysator bildet mit dem Edukt eine Zwischenstufe, wobei die Aktivierungsenergie für derenBildung deutlich geringer ist, als die Aktivierungsenergie für den Reaktionsweg ohne Katalysator.Zur Bildung des Produktes ist nur noch wenig Energie zur Überwindung des zweitenÜbergangszustandes nötig. Da der "Energieberg" für die Gesamtreaktion bei der katalysiertenReaktion deutlich kleiner ist, kommen mehr Teilchen schneller über diese Barriere, dieReaktionsgeschwindigkeit steigt.

75

Übungsaufgabe zur Katalyse

homogene – heterogene Katalyse

Der Katalysator kann in der gleichen Phase vorliegen (homogene Katalyse), also imReaktionsmedium gelöst sein, oder als getrennte Phase auftreten (heterogene Katalyse).

Bei der heterogenen Katalyse liegen Reaktionsgemisch und Katalysator in verschiedenen Phasenvor. Die Katalyse kann daher nur an der Phasengrenzfläche, also an der Oberfläche eines festenKatalysators oder an der Grenzschicht zwischen zwei Flüssigkeiten bzw. Flüssigkeit und Gas,ablaufen.

Als Experiment wird hier die durch Braunstein (MnO2)katalysierte Zersetzung von Wasserstoffperoxidgezeigt:

2 H2O2 2 H2O + O2 Eine Spatelspitze pulverisierten Braunsteinswird zu einer 10%igen wässrigenWasserstoffperoxid-Lösung gegeben. Es erfolgtsofort eine heftige Gasentwicklung. Dasentstehende Gas wird durch dieGlimmspanprobe als Sauerstoff identifiziert.

Bei heterogenen Katalysatoren spielt die Größe der Oberfläche eine entscheidende Rolle, dennnur an der Oberfläche (bzw. Phasengrenzfläche) kann die Reaktion ablaufen. Feste Katalysatorenwerden daher fein pulverisiert oder als dünne Schicht auf ein besonders poröses Materialaufgebracht.

76

Kfz-Abgas-Katalysator

Benzin- und Dieselmotoren produzieren schädliche Abgase. Einwarmgelaufener Motor eines Mittelklassewagens emittiert imSchnitt pro Kilometer Fahrstrecke 2 g Stickoxide und 9 gKohlenmonoxid. Außerdem gibt er diverse unverbrannteKohlenwasserstoffe ab.Für Otto-Motoren wird seit den 1980er Jahren der "Dreiwege-Katalysator" zur Abgasreinigung eingesetzt. Die Bezeichnungrührt daher, dass durch den Katalysator die drei wichtigstenSchadstoffgruppen durch unterschiedliche Prozesse in ungiftigeStoffe umgewandelt werden. Kohlenwasserstoffe undKohlenmonoxid werden durch Stickoxide und Sauerstoff oxidiert,wobei die Stickoxide zu Stickstoff reduziert werden:

CH4, CO, NO2 (+ O2) CO2, N2, H2ODie katalytisch aktive Substanz ist eine Legierung ausPlatinmetallen, meist Platin + Rhodium. Diese Legierung befindetsich als dünner Überzug auf einem feinporigen Träger, meist auseiner Keramik. Der abgebildete Katalysator enthält in einemStahlmantel drei platinbeschichtete Keramik-Einheiten, diehinterste ist freigelegt und halbiert.

aufgeschnittener Kfz-Abgaskatalysator

Enzyme

Die Reaktionen in lebenden Organismen laufen bei verhältnismäßig kleinen Temperaturen, in derRegel unter 40°C ab. Damit sie ausreichend schnell ablaufen, sind hochaktive Katalysatoren, dieEnzyme, am Werk. Die Enzyme sind Proteine, in die teilweise Metallkomplexe oder organischeCofaktoren eingelagert sind. Enzyme arbeiten nicht nur schnell, sondern auch sehr selektiv, d.h.sie besitzen (in der Regel) eine hohe Substratspezifität. Dies ist in biochemischen Systemen sehrwichtig, da in den Zellen ein Gemisch sehr ähnlicher Verbindungen vorliegt, von denen oft nur einein einer speziellen Weise umgesetzt werden soll. Ein weiteres Charakteristikum der Enzyme ist dievielseitige Regulationsmöglichkeit ihrer Aktivität.Auch bei den Enzymen kommen homogene und heterogene Katalyse vor: Die Proteine können imCytoplasma gelöst vorkommen (homogen) oder in eine Membran eingebunden sein (heterogen).

Die Amylase kommt im Mundspeichel vor. Sie gehört zu den Verdauungsenzymen undspaltet die Glucose-Ketten der Stärke in das Disaccharid Maltose.

Die Succinat-Dehydrogenase befindet sich in der inneren Mitochondrien-Membran. Sie istTeil des Citrat-Cyclus und der Atmungskette. Im Citrat-Cyclus spaltet das Enzym zweiWasserstoffatome unter Bildung einer Doppelbindung aus Succinat (Bernsteinsäure) ab,wobei Fumarat (Fumarsäure) entsteht. Die Wasserstoffatome werden auf das CoenzymFAD übertragen.

77

Amylase Succinat-Dehydrogenase

Enzymtest: Urin-Teststreifen

Enzyme arbeiten hoch spezifisch. Enzymatische Prozesse werden daher auch in der Diagnostikeingesetzt, beispielsweise in den Teststreifen zur Harnanalyse auf Glucose. Diese Stäbchenwerden zur schnellen Untersuchung auf eine Glucoseausscheidung mit dem Urin eingesetzt.Hiermit läßt sich ein Verdacht auf Diabetes bestätigen oder (bei nachgewiesener und behandelterDiabetes) eine ausreichende Insulin-Gabe überprüfen.Bei den hier gezeigten Teststreifen ist neben dem Glucose-Testfeld (links) noch ein Test aufKetonkörper (vor allem Aceton und Acetessigsäure) angebracht. Ketonkörper werden beiübermäßigem Fettabbau oder mangelhafter Kohlenhydrat-Verwertung (beispielsweise im Zugeeiner Diabetes) ausgeschieden.

Keto-Diastix®-Teststreifen der BAYER Diagnostics GmbH

Der Glucose-Teststreifen enthält zwei Enzyme: Glucoseoxidase und Peroxidase , sowie weitereReagenzien. Der Glucose-Nachweis erfolgt durch eine gekoppelte Enzymreaktion. Die Glucosewird von der Glucoseoxidase unter Bildung von Wasserstoffperoxid zu Gluconsäure oxidiert. DiePeroxidase oxidiert mit dem gebildeten Wasserstoffperoxid einen Redoxindikator, der hierbei vongrün nach gelb-braun umschlägt. Aus der Farbe kann mit Hilfe einer Vergleichstabelle auf dieGlucose-Konzentration in der Prüflösung geschlossen werden.Während mit dem Glucose-Test nur eine Verbindung nachgewiesen werden soll, eben dieGlucose, muß der Ketonkörper-Test auf verschiedene Verbindungen ansprechen. Hierfür wirddaher kein Enzym eingesetzt, sondern ein anorganischer Komplex: Nitroprussidnatrium. Bei

78

Anwesenheit von aliphatischen Ketonen bildet sich ein violetter Komplex, bei aromatischen (vgl.Phenylketonurie) ein orangeroter.

Enzym-Klassen & Nomenklatur von Enzymen

Mit Ausnahme von einigen, bereits seit längerer Zeit bekannten Enzymen wie Pepsin,Trypsin oder Renin, setzt sich der Name eines Enzyms aus der Bezeichnung des jeweiligenSubstrates und der Endung -ase zusammen; das Enzym Urease setzt also Harnstoff (engl.urea) um. Die international einheitliche Klassifizierung der Enzyme erfolgt auf der Basis dervon ihnen katalysierten Reaktionen. Insgesamt sind sechs Reaktionsklassen definiertworden, in die jedes Enzym eingeordnet wird. In diesem System erhält jedes Enzym einevierzahligen Klassifizierungscode, die sogenannte Enzyme-Classification-Number (EC) undeine systematische Bezeichnung.

Beispiel für die Namensgebung bei

Enzym-Klasse Subklassen Reaktionstyp Beispiele

Oxido-reduktasen Dehydrogenasen

Oxidasen ElektronentransferAlkoholdehydrogenase (ADH)Lactatdehydrogenase (LDH)Phenylalanin-Monooxygenase

TransferasenKinasen

Acetyl-, Methyl-,Aminotransferasen

Polymerasen

Transferchemischer

Gruppen

TransaminasenHexokinaseGlykogen-Phosphorylase)

Hydrolasen

ProteasenEsterasenNukleasen

GlucosidasenATPasen

HydrolyseAcetylcholinesterase (AChE)LysozymATPasen

Lyasen

DecarboxylasenAldehydlyasenHydrolyasenSynthasen

Hinzufügen zuoder Abspalten

von Gruppen vonDoppelbindungen

CarboanhydraseFumarat-HydrataseAdenylatkinase

Isomerasen RacemasenEpimerasenIsomerasen

Transfer vonGruppen

innerhalb vonMolekülen

RetinalisomeraseTriosephosphatisomerase

Ligasen Synthetasen

Bildung von C-C-,C-S, C-O oder C-NBindungen durch

Kondensationunter ATP-Spaltung

Glutamin-SynthetaseArgininosuccinat-SynthaseDNA-Ligase

79

Hemmung von Enzymen

Im Organismus müssen die verschiedenen Stoffwechselprozesse aufeinander abgestimmt undreguliert werden. Es gibt daher unterschiedliche Steuermechanismen für die Enzymaktivität. Hiersollen nur zwei Hemmechanismen vorgestellt werden:

Bei der kompetitiven Hemmung konkurriert ein Inhibitor mit dem Substrat um einenPlatz im aktiven Zentrum. Bei einer großen Inhibitor-Konzentration sind die aktivenZentren der meisten Enzymmoleküle blockiert, die Reaktion kommt zum Erliegen. Steigtdie Substratkonzentration an, verdrängen Substratmoleküle den Inhibitor aus demaktiven Zentrum, die Reaktion kann stattfinden.

Greift ein Inhibitor außerhalb des aktiven Zentrums an, wird die Struktur des Enzymsverändert. Die Enzyme werden deaktiviert, es kommt zur nicht kompetitivenHemmung. Diese Hemmung kann durch eine große Substratkonzentration nichtüberwunden werden. Die Hemmung kann reversibel oder irreversibel erfolgen.

Im folgenden Experiment wird die irreversible nicht kompetitive Hemmung der Katalasedurch Quecksilberionen demonstriert. Katalase, ein H2O2 spaltendes Enzym, kommt unteranderem auch in Kartoffeln vor. Gibt man ein frisch ausgeschnittenes Stück einer Kartoffel (im Bildlinks) in eine 3%ige H2O2-Lösung, tritt eine heftige Sauerstoffentwicklung ein. Legt man einentsprechendes Kartoffelstück zunächst für einige Sekunden in eine HgCl2-Lösung und gibt das so"vergiftete" Stück in die H2O2-Lösung (rechts), bleibt die Gasentwicklung aus. DieQuecksilberionen haben die Enzymfunktion zerstört.

Quecksilber als EnzymgiftExperiment des Monats: Oktober 1998