CHOREOGRAfIEN DER NEAPOLITANISCHEN WEIHNACHT · 2015. 11. 14. · Luciano de Crescenzo hat diese...

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    C H O R E O G R A f I E N D E R N E A P O L I T A N I S C H E N W E I H N A C H T

    B U O N

    N A T A L E

    H e r a u s g e g e b e n v o n C h r i s t o p h K ü r z e d e r

    D i ö z e s a n m u s e u m f r e i s i n g

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    Christoph Kürzeder VORWORT – KRIPPE ODER CHRISTBAUM? 11

    Dieter Richter

    WEIHNACHTSSTIMMUNG IN NEAPEL Über die Neapolitaner und ihre Krippen 14

    Christoph Kürzeder

    »THE fINEST ExHIBITION, PERHAPS EVER SEEN«

    Vom Wesen neapolitanischer Krippen 34

    Nina Gockerell

    KOSTüME DER NEAPOLITANISCHEN fIGUREN IN DER fREISINGER KRIPPE 74

    Sabine Kroiss / Anna-Laura de la Iglesia y Nikolaus

    DIE »KöNIGLICHE KRIPPE« DES DIözESANMUSEUMS fREISING

    Genese und Technik 100

    Alessio Zanon

    DIE TIERE IN DER NEAPOLITANISCHEN KRIPPE VON fREISING 108

    Schoole Mostafawy

    SALUTSCHüSSE all a Turca zUR GEBURT DES HEIL ANDS 118

    Erri De Luca

    NEAPEL – EIN DAMPfKESSEL la città pentola 140

  • Krippenmarkt in der

    Via San Gregorio Armeno, Neapel

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    Gehörst du zu den »Presepisti« oder zu den »Alberisti«? Diese Frage zielt nicht auf das Bekenntnis zu einer politischen Partei, einer Glaubensgemeinschaft oder zu einem Fußball-club, sondern auf die persönlich bevorzugte Gestaltung des Weihnachtsfestes. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob man zum Fest eine Krippe (ital.: presepe) oder einen Christbaum (ital.: albero di natale) aufstellt. So nebensächlich diese Frage zunächst erscheinen mag: An einem Ort dieser Welt wird sie zum anthropologischen Unterscheidungsmerkmal schlecht-hin erklärt, um die Menschheit – zumindest die Europas – in zwei Lager aufzuteilen, nämlich in der lebensprallen Stadt am Fuße des Vesuvs, in Neapel. Der neapolitanische Schriftsteller Luciano de Crescenzo hat diese beiden kulturanthropologischen Kategorien mit geistvoller Ironie in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht. In seinem 1977 erstmals erschienenen Buch über Philosophie und Mentalität der Neapolitaner, Also sprach Bellavista, lässt er sein literarisches Alter Ego, Professor Gennaro Bellavista, über den grundlegenden, wesenhaften Unterschied beider Gruppen philosophieren. Diesen Unterschied hält er für so wesentlich, dass er die Zugehörigkeit zur jeweiligen Gruppe im Personalausweis neben Geschlecht und Blutgruppe vermerkt haben will und sogar vor »Mischehen« warnt. Natürlich sind es die Presepisti, die den neapolitanischen Volkscharakter und damit das südliche Lebensgefühl Europas repräsentieren. Sie stehen für den poetisch-gefühlvollen, traditionellen und leiden-schaftlichen Südeuropäer, die Alberisti hingegen für den rational-formalen, den fortschritts- und erfolgsorientierten Nordeuropäer. Dass Nordeuropa für den Neapolitaner de Crescenzo nördlich von Rom beginnt und bereits in Mailand seine volle Entfaltung erreicht hat, versteht sich von selbst.

    Wagt sich nun der Nordeuropäer – nach der Lehre Bellavistas durch Geburt zum Alberista bestimmt – im Dezember nach Neapel, und gerät er dann auch noch am späten Nachmittag in die Via San Biagio dei Librai, die pulsierende Lebensader und Hauptachse des antiken Neapel, von den Neapolitanern respektvoll Spaccanapoli genannt, dann wird er von der wogenden

    VORWORT

    KRIP P E ODER CHRISTBAU M?

    Christoph KürzederChr istrzeder

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  • Anbetung der Könige

    Folgende Doppelseite:

    Krippenausstellung in Neapel, 2014

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  • Freisinger Krippe, Gesamtansicht

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    Das Modicana-Rind ist eine äußerst bodenständige und robuste Rasse. Es stammt ursprünglich aus der früheren Grafschaft Modica in der Provinz Ragusa (Sizilien). Das Fell ist dunkelrot, bei weiblichen Tieren heller, mit schwarzen Schattierungen an den Flanken. Früher wurde es zur Feldarbeit gezüchtet (sehr kräftige Beine und Hufe), heute wegen der Milch, aus der man einige typische sizilianische Käsesorten wie den Caciocavallo oder den Ragusano gewinnt.

    Die beiden Büffel sind Campanische Büffel; die Art entspricht dem heutigen Italienischen Büffel. Der Italienische Büffel, im 6. Jahrhundert mit den Langobarden aus Osteuropa (Ungarn) eingeführt, ist fast ausschließlich in den campanischen Provin-zen Caserta und Salerno verbreitet, wo er heute zur Milchgewinnung für die Käseherstellung (Mozza-rella und geräucherter Provola/Scamorza) in großer Zahl gehalten wird.

    S C H A f E

    Bei den Schafen handelt es sich um lokale Schafrassen Süditaliens mit glatter Wolle, die heute ausgestorben sind (vergleichbar sind

    die heutigen Rassen Altamurana, Leccese oder Moscia Calabrese). Sie haben das ursprüngliche Aussehen vor der Einführung des Merino-Schafs und afrikanischer Fettschwanzschafe in Italien bewahrt.

    z I E G E N

    Es handelt sich um lokale Ziegenarten Süditaliens; unter den Tieren ist auch ein Ziegenbock. Die heutigen campanischen Ziegenrassen sind stark beeinflusst von Einkreuzungen mit Hängeohrziegen (Maltese, Derivata di Siria, Garganiche); zu den in der Krippe dargestellten Ziegen sind daher kaum mehr Vergleichsexemplare zu finden.

    ist es heute auf wenige Exemplare in den ärmeren Regionen Mittel- und Süditaliens zurückgegangen. Podolica-Kühe haben ein graues Fell, die Stiere sind etwas dunkler. Die Kälber sind beige-rötlich. (Bei einer Krippenkuh – einem ausgewachsenen Tier, aber mit ebendieser Fellfarbe – handelt es sich entweder um eine Einkreuzung mit einer rötlichen Rasse oder um eine Fellanomalie, bei der die Jung-tierfärbung bestehen bleibt.) Charakteristisch sind die langen Hörner (70 – 100 cm), die bei männlichen Tieren sichelförmig, bei weiblichen leierförmig sind.

    Bei einer Kuh handelt es sich um ein Chianina-Rind, möglicherweise mit Podolica-Einschlag. Das Chianina ist die älteste Hausrindrasse der Welt; bereits Vergil rühmte die Schönheit der Tiere, die ursprünglich im Tiber-Tal und im Val di Chiana gezüchtet wurden. Charakteristisch für das Chianina- Rind ist seine gewaltige Körpergröße; ausgewachsene Stiere können ein Stockmaß von bis zu 2 m erreichen. Das Fell ist bei beiden Geschlechtern porzellanweiß, Kälber werden bräunlich geboren. Charakteristisch ist dem Chianina der leichte und elegante Kopf, der bei den Kühen länglicher, bei den Stieren breitstirniger ausfällt.

    Zwei Rinder mit rotbraunem Fell, knochigem Körperbau und langen, spitzen Hörnern gehören zu alten insularen Hausrindrassen (Sardisches oder Sizilianisches Rind). Beide Unterarten haben eine dunkelrote Fellfärbung und sind aufgrund der kargen und bergigen Umgebung, in der sie leben, äußerst robust und beweglich gebaut. Zwei Tiere sind vermut-lich Modicana-Rinder (oder Kreuzungen zwischen Modicana und Podolica).

    Tiere (Chianina-Rind, Widder,

    Ziegenbock, schlafendes Schaf, Pute).

    Neapel, 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

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