city - das magazin für urbane gestaltung 1/2011

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Die Stadt und der Sommer judith eiblmayr über das stadtleben am donaukanal | manuela prusa über wohlfühloasen in der stadt | ilse huber über die stadt 2050 und londons southbank | barbara kanzian über urban farming | iris meder über wiener freibäder und london im höhenrausch | barbara jahn über 10 Jahre Museumsquartier und über Wiener und Londoner Designer | roland kanfer über die renaissance der städte 2011 juni magazin-city.at

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Die Stadt und der Sommer London im Höhenrausch 10 Jahre Museumsquartier Die Renaissance der Städte

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Die Stadt und der Sommer

judith eiblmayr über das stadtleben am donaukanal | manuela prusa über wohlfühloasen in der stadt | ilse huber

über die stadt 2050 und londons southbank | barbara kanzian über urban farming | iris meder über wiener

freibäder und london im höhenrausch | barbara jahn über 10 Jahre Museumsquartier und über Wiener und

Londoner Designer | roland kanfer über die renaissance der städte

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liebe leserinnen und leser!Nach einer kurzen kreativen Pause sind wir wieder da: „city – das magazin für urbane ge-staltung“ stellt sich rundum erneuert vor. In neuem, frischerem Layout präsentieren wir Ihnen ein Stadtmagazin, das seine erweiterten Themenbereiche bereits im Titel trägt: Urbane Gestaltung - das ist Architektur, Stadtentwick-lung und Design im Gefüge einer Großstadt. Refl exionen, Meinungsbildung und Debatten zu diesen Themen sind ein unverzichtbarer Bestandteil eines solchen Magazins. Wir haben uns daher nicht nur die sozialen Aspekte im urbanen Wohnbau angesehen, sondern be-richten auch darüber, wie in- und ausländi-sche Experten auf dem Gebiet der Stadtpla-nung, aber auch Projektentwickler und Industrielle die Entwicklung der Stadt in den nächsten Jahrzehnten einschätzen und welche Kriterien für ein lebenswertes Umfeld dabei wichtig sind, um die sich abzeichnende Re-naissance der Städte zu unterstützen. Urban zu sein heißt aber auch, den Finger am Puls einer Stadt zu haben. Deshalb bietet city nicht nur Raum für theoretische Fragen von Stadtentwicklung und Architektur oder Platz für architektonische Highlights. Ein Magazin

für Urbanität sein zu wollen heißt auch, Ihnen als Leser Service zu bieten, um sich in der Stadt zurecht zu fi nden. Mit Tipps für Gastro-nomie, Freizeitlocations, Events, Ausstellun-gen und Bücher-Neuerscheinungen. Rechtzei-tig vor Ferienbeginn liegt es für ein Magazin wie city natürlich nahe, sich mit den Freizeit-angeboten einer Stadt auseinanderzusetzen. Wir unternehmen daher einen architektoni-schen Streifzug durch die Freibäder Wiens und die schönsten Plätze zum Chillen, Essen und Urlauben in der Stadt.

Urbanität bedeutet aber auch Weltläufi gkeit. Der Blick auf andere Großstädte ist daher ein fi xer Bestandteil des neuen city. Wir starten in dieser Ausgabe mit der einzigen echten Mega-city Europas: London, die Stadt, die sich einst „swinging“ nannte und die die Austragung der Olympischen Spiele im nächsten Jahr zum Anlass nimmt, über sich und ihren Platz in ei-ner Welt nachzudenken, in der Nachhaltigkeit und Energieeffi zienz immer wichtiger werden. Für die Liebhaber spektakulärer Architektur ist London immer eine gute Adresse: Wir stellen die neuesten Projekte vor, denen die Londoner

bereits liebevolle Kosenamen wie Glasscherbe oder Käsereibe gegeben haben. Dass London auch eine dynamische Designerszene hatte und immer noch hat, zeigt ein Streifzug durch die Ateliers der britischen Hauptstadt.

Die Muße kommt natürlich nicht zu kurz: Ein Vergleich der Flanier-, Gastronomie- und Kul-turmeilen Londons und Wiens lohnt sich. Der kritische Blick darf dabei nicht fehlen. So hin-terfragt die Wiener Architektin und Buchauto-rin Judith Eiblmayr, wie es mit der Entwick-lung des Wiener Donaukanals zur Eventmeile weitergeht. Auch die Wiederentdeckung der Donau als Freizeitoase gehört zur Renaissance der Stadt Wien als Lebens-, Arbeits- und Frei-zeitmittelpunkt mit Qualität, ebenso wie die Etablierung urbaner Hot Spots wie das Muse-umsQuartier, dessen zehnten Geburtstag wir zum Anlass für einen Rück- und Ausblick auf ein bewegtes Leben nehmen.

Einen wunderschönen Sommer in der Groß-stadt und viel Freude beim Lesen wünscht Ih-nen

Roland Kanfer

alles leinwandSOMMERKINOS Vom Rathausplatz über den Karlsplatz bis zum Augarten: Auf besonders schönen Plätzen Wiens warten zahlreiche Filmhighlights unter freiem Himmel. Auch das VOLXkino kommt heuer wieder zu den Besuchern und präsentiert in 16 Bezirken der Stadt ein vielfältiges Programm. I manuela prusa

Bereits zum 21. Mal geht heuer das Film Festival am Rathausplatz über die Bühne. Von 2. Juli bis 4. September laden musikalische und kulinarische Highlights zum Besuch ein. An 65 Abenden sind mehr als 40 Programmpunkte bei freiem Eintritt zu sehen. Im Ram-penlicht stehen die Jahresregen-ten Gustav Mahler und Franz Liszt, aber auch Placido Domingo, der heuer seinen 70. Geburtstag und sein 50. Bühnenjubiläum fei-ert. Neben den großen Stars der klassischen Musik wie Anna Ne-trebko stehen auch Größen des

Tanzes wie Jiri Kylian oder Jazz-klassiker wie Ray Charles im Blickpunkt. Weiters gibt es Live-Übertragungen aus den bedeu-tendsten Opernhäusern Europas. So kann man beispielsweise am 3. September den Saisonauftakt der Wiener Staatsoper mit Guiseppe Verdis „Simon Boccanegra“ am Rathausplatz miterleben. Neben dem hochkarätigen Musikpro-gramm locken kulinarische Köst-lichkeiten aus aller Welt. Rund 20 Top-Gastronomen verwöhnen die Besucher schon ab den Vormit-tagsstunden.

Einzigartiges AmbienteAm Karlsplatz fi ndet von 1. bis 24. Juli „Kino unter Sternen“ statt. Das Festival widmet sich dem Thema „Aus dem Koffer“ und zeigt – ebenfalls bei freiem Eintritt – Filme über Heimat-lose, Vertriebene, Reisende und Grenzgänger. Auf dem Pro-gramm stehen u. a. Streifen wie „Bock for President“, „Suzie Washington“ oder „Bon vo-yage“. Weiters wird in Koopera-tion mit dem Österreichischen Filmmuseum ein Special zu Max Steiner, dem Vater der Filmmusik, präsentiert. Das Sommerkino auf dem Dach der Hauptbücherei am Gürtel steht heuer ebenfalls im Zei-

chen des Reisens. Reisen in fremde Kulturen, Länder, Erdteile und Galaxien, Reisen in die Zu-kunft und die Vergangenheit, aber auch Reisen in die Psyche. Bis 10. September bietet das höchste Open-Air-Kino der Stadt unter dem Titel „Reisefi eber“ cineasti-sche Raritäten und aktuelle Pro-duktionen. Zu sehen sind u. a. „Amacord“, „The Straight Story“, „Paris, Texas“ und „Into the Wild“.„Kino wie noch nie“, das Open-Air am Augartenspitz, lädt von 30. Juni bis 14. August zu einer Reise durch die Welt und die Ge-schichte des Kinos ein. Der Spiel-plan sorgt für eine spannende Mi-schung aus Filmklassikern, Festival-Highlights und Öster-reich-Premieren. Ergänzt wird das Hauptprogramm durch fünf The-men-Specials. So wird mit Jac-ques Tati ein großer Meister des Kinos gewürdigt und mit „Dark Stars“ ein Fenster in die Welt der Slash-Filme geöffnet – von Horror über Science-Fiction bis zu Fan-tasy. Bei den CinemaSessions dür-fen sich die Besucher auf Stumm-fi lmschätze mit avantgardistischer Live-Musik freuen. Gezeigt wird u. a. der G.-W.-Pabst-Klassiker „Das Tagebuch einer Verlorenen“. Neben dem Kino im Filmarchiv-Garten wird wieder ein ambitio-

niertes kulinarisches Angebot er-stellt – „Gastronomie wie noch nie!“. Es warten hochwertige regi-onale Produkte von Biobauern, die in innovativen Rezepten köst-lich veredelt werden.

Wanderkino in den BezirkenLast but not least ist auch wieder das älteste Open-Air-Kino Wiens in 16 Bezirken unterwegs: Das VOLXkino geht in seine 22. Sai-son und präsentiert bis 16. Sep-tember bei freiem Eintritt 100 ös-terreichische und internationale Spiel-, Dokumentar-, Kurz- und Animationsfi lme. Einige davon sind bisher noch nie in österrei-chischen Kinos gezeigt worden. Auf dem Programm stehen u. a. Filme wie „Looking for Eric“, „Soul Kitchen“, „Farbrausch“ und „Monsters“. Gespielt wird überall dort, wo Platz ist – in Parkanla-gen, zwischen Gemeindebauten, auf öffentlichen Plätzen und Märkten, am Gürtel oder am Stadtrand. ❙

> Infos:

www.wien-event.atwww.kinountersternen.atwww.kinoamdach.atwww.kinowienochnie.atwww.volxkino.at

Impressum: Herausgeber Bohmann Druck und Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, KR Dr. Rudolf Bohmann Geschäftsführung Drin. Gabriele Ambros, Gerhard Milletich Verleger Bohmann Druck und Verlag, GesmbH & Co. KG, A-1110 Wien, Leberstraße 122 Verlagsleitung Mag. Patrick Lenhart Chefredaktion Roland Kanfer ([email protected]; Tel. 740 95-559) Autorin-nen Manuela Prusa, Iris Meder, Barbara Jahn, Barbara Kanzian, Ilse Huber, Judith Eiblmayr Mediaberatung: AAC - Austria Advertising Consult/Mag. Thomas Parger Redaktionsassis tenz Michaela Kern ([email protected]; Tel. 740 95-556) Vertriebslei-tung Angelika Stola ([email protected]; Tel. 740 95-462) Aboverwaltung [email protected]; Tel. 740 95-466 Layout & Produktion Thomas Weber Hersteller Druckerei Berger, Wienerstraße 80, A-3580 Horn.Die Zeitschrift City ist ein unabhängiges Medium für Architektur, Stadtentwicklung, Design und Urbanität. Nachdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach §  44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten.Coverbilder: Ingo Derschmidt; Rpbw, Renzo Piano Buil-ding Workshop; London Olympia 2012; Wolfgang_Sim-linger; Iris Meder

Foto: After Image Productions

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city talk

schöne neue stadt Die Stadt in 40 Jahren hat viele Gesichter. Ihre räumliche Gestalt zeigt sich bestenfalls kompakt, grün und ressourceneffi zient hat eine Studie des österreichischen Instituts für Raumplanung (ÖIR) herausgefunden. Etliche Köpfe der Universität Klagenfurt (Insti-tut für soziale Ökologie) sowie sieben weiterer europäischer Ins-

titutionen machten sich unter der Lei-tung des ÖIR Gedanken, welche Ent-wicklungen denn die Städte Athen,

München, Newcastle upon Tyne, Porto, Stockholm, Wien und Mar-seille im Jahr 2050 nehmen könnten. Und weil die Untersu-chungen nicht nur lokale Aussa-gekraft besitzen, hat sich auch die Chinesische Akademie der Wis-senschaften mit dem Institut für satellitengestützte Beobachtung der Siedlungsentwicklung am Projekt beteiligt.

Phänomen Landfl uchtGenannt wurde das Forschungs-projekt SUME: Sustainable Urban Metabolism for Europe. Wenn auch die geographischen Voraus-

setzungen durchaus unterschied-lich sind, so eint doch alle Metro-polen der Welt, dass die Stoff fl üsse überall dieselben sind. Wasser, Erde, Luft, Abfall, Ver-kehr und Energie heißen die Faktoren, die den Stoffwechsel (Metabolism) einer Stadt kenn-zeichnen. Und Landfl ucht ist ein weltweites Phänomen, das alle Kontinente betrifft. War in der Vergangenheit die urbane Anzie-hungskraft immer wieder ein Thema, so wohnt nun erstmals in der Geschichte bereits mehr als die Hälfte aller Erdenbürger in (Mega)cities. Pakistans Hauptstadt Karatschi liegt mit seinen gezähl-ten 12 Millionen Einwohnern „nur“ auf Platz 20, der Großraum

Moskau nimmt als erstes europäi-sches Gebiet mit seinen 14,61 Millionen Einwohnern Platz 15 ein, während New York, Mexiko-Stadt und Tokio-Yokohama die dichtesten Agglomerationen dar-stellen. Allein in der japanischen Metropole leben 37 Millionen Menschen, ein weltweit unüber-troffener Wert.

Wohntrends ändern StadtbilderAcht europäische Länder und zwei Kontinente waren in die Forschungsarbeiten für SUME in-volviert und was dabei heraus-kam, ist der Versuch, die städti-sche Entwicklung der Zukunft nicht dem Zufall zu überlassen,

sondern sie so zu planen, dass sie überschaubar bleibt. Es herrscht grundsätzliche Übereinstimmung unter den Experten, dass der Res-sourcenverbrauch von Land und Energie nicht in dem Maß weiter-gehen kann wie bisher. So hat sich hierzulande in 20 Jahren (von 1981-2000) der individuelle Flächenbedarf um zwanzig Pro-zent erhöht. Das lässt sich im pri-vaten Bereich am besten abbil-den: Welche vierköpfi ge Familie wohnt heute schon auf rund 50 Quadratmetern? Klappbetten, wie sie in den 1980er Jahren noch zur Platzersparnis in Einbau-schränken ver-schwanden, kann man wohl noch kaufen, sie sind aber nicht gerade der Werbeträger einer Imagekampa-gne von Möbelhäusern. Jede und jeder kalkuliert in größeren Woh-nungseinheiten. Singlewohnun-gen, die unter 50 Quadratmetern angeboten werden, heißen dann schnell Vorsorgeimmobilie - sei es für den Alterssitz oder für die ers-ten eigenen vier Wände. So ein Trend schlägt sich auch im Aussehen einer Stadt nieder. Da

TREND In den nächsten Jahrzehnten zieht es welt-weit immer mehr Menschen in städtische Räume. Was können die nächsten Generationen erwarten, wenn der Raum eng, die Ressour-cen begrenzt und die Wege länger werden? Die Stadt 2050 - Anlass für Visionen.

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01 Christof Schremmer leitet das interna-tionale Forschungsprojekt SUME (Foto: Österr. Institut f. Raumplanung)02 + 03 Dicht an dicht stehende Gebäude signalisieren das gleiche Dilemma wie extensiv verteile Eigenheime mit Garten: Stadtraum ist kostbar

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kommt es aller-dings darauf an, um welche Stadt es sich handelt, denn nicht jede ist gleich attrak-tiv. Die portugie-sische Stadt Porto wird in Zukunft eher schrumpfen als wachsen, prog-nostiziert SUME. Andererseits re-sümiert das For-schungsprojekt, können Häuser durch bessere

Wärmedämmungen hohe Reduk-tionspotenziale im Energiebereich erreichen. München und die nordostenglische Stadt Newcastle/ Tyne, so die Analysen, zeigen un-ter den untersuchten Städten Eu-ropas mit 82 Prozent die größten Einsparungsmöglichkeiten bis 2050, verglichen mit dem Stand des Jahres 2010.

Mehr Menschen, aber weniger VerbrauchDie Einwohnerzahlen von Stock-holm und Wien legen im Jahr 2050 ordentlich zu. Verantwort-lich dafür sind die geopolitischen Voraussetzungen: „Sowohl Stock-holm als auch Wien begegnen der internationalen Zuwanderung sehr offen“, erläutert Christof

Schremmer vom ÖIR. Beide Met-ropolen kennzeichnet eine Topo-graphie, die eine räumliche Aus-dehnung zulässt. So sprechen Experten von einer östlichen und einer westlichen Wachstums-banane in Europa. Die „blaue Wachstumsbanane“ zieht sich entlang der niederländisch-deut-schen Grenze zwischen Düssel-dorf und Venlo. Die östliche, auch die „rote Banane“ genannt, um-fasst die Twin City Region Wien-Bratislava. Allein in Wien rechnet man in vier Jahrzehnten statt der aktuellen 1,8 Millionen Einwoh-ner mit 2,4 Millionen – ein Plus von 35 Prozent. Würde man die aktuelle lineare Entwicklung ein-fach fortsetzen, hieße das, dass die Stadt um mehr als die Hälfte der Fläche zunimmt. Statt von 415 Quadratkilometern entstünde eine urbane Agglomeration von knapp 600 Quadratkilo-metern. Die Ausdehnung von Wien hätte ihren Einfl uss-bereich bis an die Staatsgrenzen im Osten bzw. Norden.

Verdichtung gegen WachstumFolglich lautet die Formel gegen das unbändige Wachstum: Ver-

dichtung. Die erste Phase befi ndet sich gerade in der Umsetzung. Schremmer: „Wien hat das Glück, mehrere ehemalige Bahnhofsge-lände mit neuen Stadtvierteln zu beleben.“ Gemeint sind West-, Nord- und Hauptbahnhof, die durch Wohn-, Schul- und Büro-bauten aufgefüllt werden. Der nächste Schritt soll dann entlang von öffentlichen Verkehrsanbin-

dungen erfol-gen. Statt fl ä-chenintensive Einfamilien-häuser zu er-richten, bieten mehrgescho-ßige Wohn-bauten mehr

Personen Unterkunft. Dem Trans-portsystem kommt laut Fachleu-ten wesentliche Bedeutung zu. Müsse der Passivhausbewohner täglich mit dem Auto fahren, würde das auf Dauer mehr Ener-gie verschlingen als der klima-

schonende Hausbau. Wird die SUME-Vision Wirklichkeit, könnte sich der Wiener Flächen-verbrauch von plus 55 Prozent auf nur plus 14 Prozent reduzie-ren.

Der Traum vom Grün darf bleibenDer raumplanerische Vorschlag hat für Wien eine einfache Bot-schaft: Gleiches Wachstum bei nur 20 Quadratkilometer mehr Flächenverbrauch. Wer sich jetzt schon sorgt, dass der Traum vom Grün in virtuelle Welten rückt, kann einen Stoßseufzer von sich geben. Nicht nur, dass der Natio-nalpark Donauauen bereits in der Lobau beginnt, begrenzt auch der Biosphärenpark Wienerwald das urbane Wachstum. Soweit die großräumige naturnahe Abpuffe-rung. Im direkten Wohnumfeld spielen in Hinkunft gemeinschaftlich ge-nutzte Räume die tragende Rolle. Urbane Attraktivität spiegelt sich in gemischten Wohnformen wi-der. Der verdichtete bunte Mix aus Grünanlagen und Bauobjek-ten in U- oder S-Bahnnähe ist das Konzept der Zukunft. Ob diese Vorstellungen die heute noch Un-geborenen auch umsetzen wer-den? ❙

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04 Europas Blaue und Rote Wachstums-banane: Hier fi nden sich die Ballungs-räume der Zukunft. (Grafi k: Österr. Institut f. Raumplanung)05 München zeigt die größten Einspa-rungsmöglichkeiten unter den untersuch-ten Städten Europas06 + 07 Auto ade? Die Anbindung an den Öffentlicher Verkehr bestimmt auch die Zonen zur Stadterweiterung.

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renaissance der städteEine Stadt ist nicht nur zum Ar-beiten da. In ihr muss auch gelebt werden können. Wohn-, Freizeit- und Arbeitsqualität sind die Fun-damente für ein richtiges Lebens-gefühl. Nur wenn der richtige „Vibe“ in einer Stadt vorhanden ist, kann sie im internationalen Wettbewerb bestehen. Binsenweisheiten? Nicht unbe-dingt, wenn man an so manche City, vorwiegend im außereuro-päischen Raum denkt, die zwar untertags von Business People be-völkert wird, darüber hinaus aber wenig zu bieten hat. Die Wiener können sich glücklich schätzen: Ihre Stadt ist ein attraktiver Wohn- und Arbeitsort. Dass das so bleibt, ist auch der Industrie ein Anliegen. Für Georg Kapsch,

den Präsidenten der Wiener In-dustriellenvereinigung, ist Wien in diese Hinsicht in den letzten Jahren einen guten Weg gegan-gen. Es sei der Stadt gelungen, Zielgebiete wie das Messegelände, die Krieau, aber auch den Donau-kanal oder das Gründerzeitviertel Westgürtel erfolgreich zu beleben und auszubauen, meint Kapsch. Bei Projekten wie dem Haupt-bahnhof, dem Erdberger Mais, der neuen Wirtschaftsuniversität oder der Seestadt Aspern sieht der In-dustrielle Potenzial und damit verbunden Prestige, trotz verein-zelter Schwachpunkte wie feh-lende oder unzureichende Anbin-dungen an den öffentlichen Verkehr.

Integrierte StadtentwicklungWo es nach Meinung von Georg Kapsch jedoch noch Bedarf gibt, ist Beschleunigung: Beschleuni-gung bei der Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für eine in-tegrierte Stadtplanung. Was unter integrierter Stadtplanung zu ver-stehen ist, erläuterte er anlässlich des von der IV Wien veranstalte-ten Stadtentwicklungs-Symposi-ums „future.forums“: „Wir müs-sen über Eigentümergrenzen hinweg denken“, so der Appell des Industriellen an die Wiener Kommunalpolitik und alle ande-ren an der Stadtentwicklung Be-teiligten zu mehr Flexibilität und Eigeninitiative. Nun ist ja die Forderung nach mehr Flexibilität von Seiten der

Industrie meist an die Arbeitneh-merseite gerichtet. In diesem Fall richtet sich der Appell an die Po-litik „auch wieder ans Produzie-ren zu denken“, so Kapsch – sprich: wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen für die In-dustrie zu schaffen. Mit dem Stadtentwicklungsplan 2005 (STEP 05) sei das weitgehend ge-lungen, zeigt sich der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Lud-wig überzeugt. Dieser Plan, der die Vertei-lung von Nutzungen be-stimmt und Entwicklungs-gebiete, Grün- und Freiräume

sowie Ver-kehrsinfra-struktur aus-weist, sei, so Ludwig, unter den drei Ge-sichtspunkten Ökologie und Sozialverträglichkeit, aber auch Wirtschaftlichkeit erarbeitet wor-den und soll die Entwicklung ei-ner nachhaltigen Stadt ermögli-chen.

Stadt gewinntwieder an BedeutungFür die Wiener Industrie habe die Stadt damit grundsätzlich den richtigen Ansatz gewählt, meint deren Vertreter – nämlich weg vom strengen „Flächendenken“, hin zu einer verstärkten Konzen-tration auf konkrete Stadtent-wicklungsgebiete. Was ihr noch fehle, sei das Denken über Gren-zen hinweg, meint Kapsch. Und zwar einerseits über die Landes-grenzen hinweg – in Österreich, wo Fragen der Raumordnung ebenso wie Bauordnungen und Förderbestimmungen fest in Bundesländerhänden sind, ein Ding der Unmöglichkeit. Und die zweite Herausforderung liege für die Stadtplanung in der Integra-tion von Wohnen, Arbeiten, Frei-zeit und Mobilität. Denn der Trend geht, wie Experten bestäti-gen, wieder zurück in die Stadt. „Der Wert der Stadt gewinnt wie-der an Bedeutung“, bestätigt Ru-dolf Scheuvens, Professor für Stadtentwicklung an der Techni-

schen Universität Wien und stell-vertretender Vorsitzender des Grundstücksbeirats, eines Gremi-ums, das Wohnbauvorhaben in

Wien auf ihre planerischen, ökonomischen und ökologi-schen Qualitä-ten unter-sucht. „Es gibt viele Men-

schen, die in der Stadt leben und sie auch nicht verlassen möchten“, meint der vor drei Jahren aus Dortmund nach Wien

übersiedelte Raumplaner.

Urbane Quartiere brauchen Konsens Und diese Menschen, die sich be-wusst für ein Leben in der Groß-stadt entscheiden, suchen natür-lich nach einer Wohnqualität, die bezahlbar ist und in der sie auch ihre Freizeit verbringen können. Ein solches „urbanes Quartier“ will die Stadt Wien in den nächs-ten Jahren auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern aus dem Boden stampfen. Mit rund 240 Hektar Fläche ist es nicht nur das größte Stadtentwicklungsgebiet Wiens, sondern auch eines der größten Europas. 20.000 Bewohner und ebenso viele Arbeitsplätze sollen bis zum Jahr 2030 „aspern Die Seestadt Wiens“ bevölkern. „As-

pern ist keine Siedlung, sondern eine städtisch durchmischte Struktur. Das ganze Leben soll dort Platz haben, dazu gehören Arbeiten, Wohnen und Freizeit“, zeigt sich Claudia Nutz, Vorstand des Projektentwicklers Wien 3420 Development AG visionär. Soziale Durchmischung ist auch die Vision der HafenCity Ham-burg. „Dazu benötigt man ein breites Angebot an Arbeitsplät-

zen“, bestätigt Dieter Polkowski, Baudirektor für Stadtentwick-lung in Hamburg und zuständig für die HafenCity, die Forderung der Industrie. Breit heißt, eine Konzentration auf den Dienst-leistungsbereich in der Stadtent-wicklung zu vermeiden. Das sei zu wenig, warnt Polkowski. Aber den potenziellen Investoren Nut-zungen in der Planungsphase vorzuschreiben, das hat man sich in Hamburg denn doch nicht ge-traut. Immerhin sei es aber ge-lungen, allen Projektentwicklern Erdgeschoßzonen mit fünf Me-tern Raumhöhe abzuverlangen. Ob sich damit die Hoffnung des Hamburger Baudirektors langfris-tig die gewünschte Durchmi-schung sicherstellen zu können erfüllt, bleibt abzuwarten. Ob so etwas auch in Wien möglich wäre? „Die Ziele, die eine Stadt in der Entwicklung verfolgt, brauchen Konsens“, so Polkow-ski. Eine g´mahte Wies´n für Wien: Wo wird der Konsens schließlich ausgiebiger zelebriert als in der Hauptstadt des Kom-promisses? ❙

01 40.000 Menschen sollen in aspern Die Seestadt Wiens im Jahr 2030 leben und arbeiten. (Rendering: schreinerkastler)02 HafenCity Hamburg: Erdgeschoßzo-nen mit fünf Metern Raumhöhe sollen Durchmischung garantieren. (Foto: ELBE&FLUT)03 Dieter Polkowski, HafenCity Ham-burg: „Ziele der Stadt in der Entwicklung brauchen Konsens.“ (Foto: Amt für Lan-des- und Landschaftsplanung Bezirk Hamburg Mitte - Projektgruppe Hafen-City)04 Georg Kapsch, Industriellenvereini-gung Wien: „Wiens Stadtentwicklung fehlt noch das Denken über Grenzen hinweg.“ (Foto: Markus Prantl)05 Rudolf Scheuvens, TU Wien: „Wert der Stadt gewinnt wieder an Bedeutung.“ (Foto: Ralf Emmerich)06 Claudia Nutz, Wien 3420 Development: „Aspern ist eine städtisch durchmischte Struktur.“ (Foto: Ludwig Schedl)

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INTEGRIERTE STADT-ENTWICKLUNG Wohn-, Freizeit- und Arbeitsqualität sind die Fundamente für ein richtiges Lebensgefühl. Nur wenn der richtige „Vibe“ in einer Stadt vor-handen ist, kann sie im in-ternationalen Wettbewerb bestehen. I roland kanfer

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Wolfgang Vasko: „Nicht ohne Grund wird Wien als eine der le-benswertesten Städte der Welt be-zeichnet. Die ansteigende Zahl der Wientouristen ist ein Beweis für die Qualität der Stadt – die Anzie-hungskraft auf potente Investoren

aber letztlich der Beleg dafür, dass in Wien auch eine starke Zukunft gesehen wird. Das soziale Ge-füge hat sich in Wien bereits historisch bedingt im-mer aus einer Vielfalt an Nationen zusammenge-setzt, bis 2050 könnte eine multikulturelle Gesell-schaft entstehen, durch Schaffung von Themenzen-tren wie z. B. St. Marx, durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und durch die Verdichtung des bereits bebauten und aufgeschlossenen Gebieta der Stadt entsteht eine kompakte übersehbare Met-

ropole. Das Zusammenleben von Alt und Jung wird von der Stadt gefördert, was ich persönlich als sehr wichtig erachte. Ich habe – mit Sicherheit eine ide-alisierte – Vision, wie die Stadt Wien 2050 aussehen wird: Elektroautos neben einem lückenlosen, dich-ten öffentlichen Verkehrsnetz, einer ausreichenden Anzahl an Wohnungen, eine unabhängige Energie-versorgung – die Stadt erzeugt die Energie, die sie braucht, selbst – und gesunden, glücklichen Be-wohnern.“

Wolfgang Vasko, Jahrgang 1943, Bauingenieur, Geschäftsführender Gesellschafter Vasko+Partner Zivil-techniker GmbH mit 250 Mitarbeitern. Aktuelles Groß-projekt: Generalkonsulent (Generalplanung, Tragwerks-planung, Gebäudetechnik und Bauphysik) für den Neubau der WU Wien.

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city planning

miteinander wohnenSTADTENTWICKLUNG Interkulturalität hält Einzug in den Wiener Wohnbau. Die Philosophie ist zwar nicht neu, aber immer noch aktuell. Denn die Gesellschaft wird heterogener, die Zuziehenden wechseln nicht nur die Stadtbezirke, sondern mitunter auch die Kontinente. Interkulturell bedeutet etwas an-deres als multikulturell. Während früher überall von multikulti die Rede war, hat sich gezeigt, dass vieles auch nebeneinander abge-laufen ist. Parallelwelten haben sich etabliert und die will man so gar nicht. Also heißt es nun mo-dern „interkultu-rell“, ein anderer Begriff für Vermi-schung. Aus-tausch. Interak-tion. Im weitesten Sinn geht es da-rum, sich mit sei-nem Gegenüber auseinander zu setzen. Miteinander Wohnen bedeutet im besten Fall auch gemeinsam woh-nen. Das wussten schon Pioniere des kommunalen Wohnbaus in den vergangenen Jahrzehnten. Sie planten und bauten Stätten, die nicht nur das Grundbedürfnis nach dem Dach über dem Kopf stillten, sondern auch noch die Gemeinschaft förderten. Aus die-ser Zeit sind uns großzügige, grüne Innenhöfe erhalten. Diese versorgen auch heute noch die Bewohner mit Schatten, frischer Luft und Aufenthaltsmöglichkei-ten vor der Haustür. Stellte einst der halböffentliche Freiraum eine Art Klammer um den persönli-chen Wohnraum dar, so haben sich die Ansprüche der Bewohner stetig weiterentwickelt. In den 1970er/80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ver-langten viele Betroffene mehr Mitbestimmung im Wohnbau. Dies ist nach wie vor ein Wunsch etli-cher Beteiligter, bloß mit dem Unterschied, dass die Bewohnerinnen kulturell durchmischter sind und eine neue Dynamik im Denken, Planen und Um-setzen notwendig wird.

2006 – das Jahr der ÖffnungDie klassischen Wiener Gemeindebauten waren ursprünglich ausschließ-lich für österreichische Staatsangehörige reser-

viert. Doch dann kam der EU Bei-tritt Österreichs und mit ihm neue Bestimmungen: die Woh-nungen müssen seitdem auch für Drittstaatenangehörige geöffnet werden. Nicht nur EU Bürger, sondern auch Türken, Amerika-ner, Schweizer und Norweger sol-

len in den ge-förderten Wohnungen leben dürfen. Was sich auf dem Papier recht einfach liest, ist in Wirklichkeit ein langer Weg. In ande-

ren Metropolen bilden sich ethni-sche Minitowns heraus, die im besten Fall erfreu-lich urbane Abwechslung bringen, im schlechtesten Fall aber zu Ghettos füh-ren. Um derartige Fehl-entwicklungen abzuwen-den, beschloss die Wiener Stadtregierung im geför-derten Wohnbau neben Architektur, Ökologie und Ökonomie die soziale Nachhaltigkeit zu forcie-ren. Die sogenannte vierte Säule nimmt allmählich konkrete Formen an: ne-ben dem Wohnen in Ge-meinschaft soll auch das Wohnen für wechselnde Bedürfnisse reichen.

Wohnbaustadtrat Michael Ludwig setzt auf Vielfalt: „Der Grund warum ich Themenbauten wie Inte-rethnisches Wohnen initi-iert habe, liegt darin be-gründet, dass sich die Bauträger mit der sozialen Durchmischung intensiv auseinandersetzen sol-len.“

Beispiele und AussichtenIm Jahr 2000 entstand der erste geförderte Wohnbau mit dieser Ausrichtung in Wien Liesing. Seit elf Jah-ren wohnen Menschen aus 18 verschiedene Nati-

onen „in der Wies’n“. Mit viel Aufwand, Diskussion, Aufklärung und Abwehr von Störaktionen hat sich eine Gemeinschaft gebil-det, wie der Hausbetreuer Ahmadschah Akrami re-sümiert: „Im ersten Jahr sind mehrere Male Skin-headgruppen gekommen und haben uns als Gesin-del beschimpft.“ Viele Vorurteile mussten abge-baut werden, doch nun hat sich wirklich so etwas wie eine Gemeinschaft herausgebildet, die im ei-genen Veranstaltungssaal Feste feiert oder Turn-stunden organisiert. Eine Bewohnerin lobt die Ar-

chitektur: „Das ist so gestaltet, dass man miteinander zu tun ha-ben muss, wie in einem Dorf, da kann man nicht in seiner Woh-nung bleiben.“ Architekt Peter Scheifi nger plante den „Globalen Hof“ für die Sozialbau AG mit de-ren Vordenker Herbert Ludl er da-für im Jahr 2009 den ersten Wie-ner Wohnbaupreis erhielt.Mit diesem Projekt kam eine Ent-wicklung in Gang, die mehrere Nachfolgeprojekte in Wien er-möglichte. Aktuelle Vorhaben kümmern sich immer mehr um interethnische Ansätze. So entste-hen gerade auf dem Nordbahnhof

derartige Projekte und auf den Mautner-Markhof-Gründen werden insge-samt 700 Wohnungen er-richtet. Bei dem Bauträgerwettbewerb in Simmering setzte sich auf einem der fünf Bauplätze das Projekt ‚Join In-Viel-falt gemeinsam leben’ von Silja Tillner und Alfred Willinger durch. Die bei-den Architekten erarbei-ten mit dem Garten- und Landschaftsplaner Jakob Fina und der moderieren-den Stadtplanerin Andrea Breitfuss sozialpädagogische Kon-zepte wie sich Zusam-menleben gedeihlich be-

werkstelligen lassen könnte. Nicht endgültige Vorstellungen werden mit dem Bauträger ÖSW bzw. Fa-milienwohnbau verwirklicht, son-dern die Bewohner bringen sich aktiv ein, welche Form der Nach-barschaft sie anstreben. Dazu kommt ihnen das Wiener Hilfs-werk zugute, das die Erdgeschoß-zone beziehen wird und als An-sprechstelle für alle dient. Alfred Willinger erklärt die Intention da-hinter: „Wohnen muss begleitet und betreut werden. Gibt es je-manden, der zuhört oder fi ndet sich eine Anlaufstelle, die sicher-stellt, dass das ganze Zusammen-leben moderiert wird, ist viel ge-wonnen.“ Wohnen funktioniert durch die richtigen Personen am richtigen Ort. Die Interethnische Nachbarschaft in Wien Liesing hat mit ihrem Hausbetreuer Ahmad-schah Akrami jene Persönlichkeit gefunden, die ausgleicht, eingreift oder auch durchgreift, wenn es Schwierigkeiten gibt. Man kann gut und intelligent bauen, doch wenn die Menschen nicht zuein-ander fi nden, läuft etwas schief. Miteinander wohnen hat sich ne-ben der „Hardware“ Baukörper, wie es Architekt Alfred Willinger nennt, auch mit den Soft Skills ihrer Bewohner auseinanderzu-setzen. Das ist ein ordentliches Stück Arbeit und man ist noch lange nicht am Ende aller Wege. ❙

> Interethnisches Woh-nen: „Das ist so gestaltet, dass man miteinander zu

tun haben muss, da kann man nicht in seiner

Wohnung bleiben.“ <

text I ilse huberfotos I ilse huberrenderings (3) I Tillner und

Willinger

01 Vom grünen Dach der interethnischen Nachbarschaft in Wien Liesing blickt man ins Grüne02–04 Beim Join In Projekt hat jede Wohnung ihren Balkon, der Freiraum wird Treffpunkt

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flexibler grundriss – die wohnung passt sich an

AKAZIA TERRASSEN In Oberlaa – nahe Rothneusiedl – wurde vom Bauträger KALLCO inmitten des historisch gewachsenen Wohngebietes am Fuße des Laaer Berges ein Eigentumsprojekt mit rundum viel Grün und Natur verwirklicht. Konzept dieses Projektes war, Wohnungen zu schaffen, die ein Leben lang den Bedürfnissen ge-recht werden: Durch das offene Raumkonzept, in dem rund um einen in der Wohnungsmitte an-geordneten haustechnischen Ver-sorgungskern hierarchiefreie Räume angeordnet sind, die in ih-rer defi nitiven Ausgestaltung vom Nutzer weitgehend frei festgelegt

werden können. Wohnungs-trennwände und der zentrale Ver-sorgungskern sind die einzigen festen Parameter der Wohnungs-grundrisse, die über leichte Trennwände ganz nach individu-ellen Anforderungen an Lebens- oder Arbeitssituationen fl exibel angepasst werden können - für den Single bis zur Familie mit Kindern, alles ist möglich. Die

Wohnung passt sich an – vom Loft bis zur Fünf-zimmerwoh-nung.

Hinwendung zur SonneDie 28 Eigen-tumswohnungen mit einer Größe zwischen 98 m² bis 142 m² sind im Erdgeschoß und 1.OG als Ge-

schoßwohnungen mit Eigengär-ten im Westen oder mit großen Loggien ausgebildet. Entspre-chend der Umgebungscharakteris-tik ist das architektonische Kon-zept des Hauses in der Oberlaaer Straße 210 auf Offenheit, Einbe-ziehung der grünen Umgebung, Hinwendung zur Sonne und na-turbezogenes Wohnen ausgerich-tet. Die Ost-West-Orientierung der Anlage ermöglicht durchwegs von beiden Seiten belichtete und quer durchlüftete Wohneinheiten und kommt somit diesem frei-raumbezogenen Wohnthema ent-gegen. Die lichtdurchfluteten Wohnungen sind über offene Laubengänge erreichbar und zeichnen sich durch große Log-gien oder Gartenterrassen aus.

Günstiger PreisDachterrassen zur gemeinsamen Nutzung, ein Gemeinschaftsgar-ten mit Kinderspielzone und Ab-

stellräume für Fahrrä-der/Kinderwagen sowie eine bequeme Tiefgarage runden das Angebot ab. Den Be-wohnern stehen gene-rell breite Stellplätze in der Tiefgarage, niveau-gleiche Zugänge zu al-len Bereichen des Hauses, ein behinder-tengerechter Lift sowie beidseitig sperrbare Schließzylinder bei den Eingangstüren zur Verfügung.Der günstige Preis dieser geförder-ten Eigentumswohnungen braucht keinen Vergleich mit Mietwohnungen zu scheuen - bei langfristiger Betrachtung hat das Eigentumsprojekt „Akazia Terras-sen“ entscheidende Kostenvor-teile. Um den Einstieg für junge Familien attraktiver zu machen, ist auch eine Mietvariante mit späterer Kaufoption möglich. ❙

Informationen: www.kallco.at Kallco Bauträger GmbHWimbergergasse 14, 1070 WienTel : 01 546 25 DW [email protected]

DIE PLATTFORM FÜR DEN KREATIVEN WETTBEWERB

Wettbewerbe sind eine Herausforderung zu außergewöhnlichenLeistungen. Seit 33 Jahren dokumentiert das Architekturjournalwettbewerbe den Beitrag der österreichischen Architekten zurBaukultur und zur Qualität, die den Wettbewerb zur Grundlage hat.

Das Architekturjournal wettbewerbe berichtet aber auch überrealisierte Projekte, Trends und Innovationen auf dem Gebiet desBauens und der Baustoffe sowie über Themen in Zu-sammenhang mit Architektur, Bauen, Nachhaltig-keit, Energieeffizienz, Facility Management.

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Berichte

Stall, Stadel und Scheune sind traditionsreiche Bauty-pen, die durch den Strukturwandel der Landwirtschaft jedoch zunehmend an Funktion verlieren – sie stehen leer, werden umgenutzt, abgerissen oder verfallen. Neue Wirtschaftsgebäude entstehen jedoch durch mo-

derne Bewirtschaftungstechniken, wachsende Betriebs-größen und veränderte Organisationsformen. Orts-, Siedlungs- und Landschaftsbilder geraten in Auflösung,

da dieser Bautypus seit Jahrhunderten unverrückbar die Dorfstruktur geprägt hat. Die Ausstellung erkundet die Architektur und Soziologie des Stalls in Graubünden, Südtirol und Vorarlberg. Das Projekt möchte nicht nur ein Porträt des Kulturverlusts zeichnen, sondern Orien-tierung geben und zum Handeln anregen. Begleitende Veranstaltungen an acht verschiedenen Orten in Vor-arlberg bieten offene Diskussionsforen für Eigentümer, Planer und Gemeinden an.

DER NICHT MEHR GEBRAUCHTE STALL. AUSSTELLUNGTermin

21. Jänner bis 7. Mai 2011

Ort

vai – vorarlberger architektur institut

Marktstraße 33

6850 Dornbirn

ÖffnungszeitenDienstag bis Freitag 14 bis 17 Uhr, Samstag 11 bis 17 Uhr

Weitere Informationenwww.v-a-i.at

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Eine hochkarätige Ausstellung des Ar-chitekturbüros Dietrich І Untertrifaller konnte Zumtobel für zwei seiner Stand-orte gewinnen. Helmut Dietrich und Much Untertrifaller, die in ihrer Genera-tion zu den erfolgreichsten Architekten Vorarlbergs zählen, präsentieren in ihrer Ausstellung „Bauen im Kontext“ einen Streifzug durch ihre Werke. Nach dem Zumtobel Lichtforum in Wien wandert die Ausstellung nun in das Zumtobel Lichtzentrum nach Prag. Die Baukunst von Dietrich І Untertrifaller entwickelt sich stets aus dem Kontext heraus. Dabei setzen die Architekten städtebauliche Zeichen, die sich gleich-zeitig respektvoll in die Landschaft und Umgebungsstruktur eingliedern. In der Wanderausstellung zeigen sie ihre wichtigsten Werke: So werden unter anderem Modelle aus Bildung, Kultur, Wohnen/Hotel, Gewerbe und Einfamili-enhäuser vorgestellt. Die verschiedenen Projekte werden zum Teil über Modelle und diverse Fotostrecken anschaulich präsentiert. Einleitende Texttafeln, de-taillierte Schnittzeichnungen und eine Bildschirmpräsentation runden das Ge-samtkonzept ab.

BAUEN IM KONTEXT. AUSSTELLUNG

Termin

16. März bis 29. April 2011

Ort

Lichtzentrum PragJankovcova 2

170 00 Praha 7

ÖffnungszeitenMontag bis Donnerstag 9 bis 17 Uhr, Freitag 9 bis 15 Uhr

Weitere InformationenT: +420 (266) 782 [email protected]

Festspielhaus Bregenz, 2006 von Dietrich I Untertrifaller.

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Stadthalle Wien, 2006 von Dietrich I Untertrifaller.

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Berichte

Bangkoker Innenstadtviertels Sathorn setzt. Alle 370

Wohnungen werden allseitig belichtet und belüftet,

was ein besonders nachhaltiges tropisches Wohnen

ohne Klimaanlage ermöglicht.

Der Burj Khalifa erhielt eine besondere Anerkennung für

technologische Innovation aufgrund zahlreicher Neu-

erungen auf dem Gebiet der Baukonstruktion und der

Aufzugstechnik.

PreisProjekt: The Met, Bangkok, Thailand

Planung: WOHA Architects, Singapur;

Assoziierte Architekten: Tandem Ar-

chitects, ThailandHöhe: 231 Meter Geschoße: 69 Fertigstellung: 2009 Nutzung: Wohnungen

Fotos: © Kirsten Bucher, © Patrick

Bingham-Hall

Auszug Jurybegründung:

The Met ist entschieden programma-

tisch im Hinblick auf seine Funktiona-

lität. Die Idee ist dabei, ein Hochhaus

so zu öffnen, dass es inmitten einer

Megacity nahezu buchstäblich atmet.

Indem das traditionelle Hochhaus

von innen nach außen gekehrt wird

und die äußeren Freiräume nach

innen platziert werden, ermöglicht

es ein sehr angenehmes tropisches

Leben in einer ökonomisch sehr effizi-

enten Struktur, die richtungsweisend

sein wird bei der Suche nach innova-

tiven lokalen Entwurfsansätzen.Besondere Anerkennung

Projekt: Burj Khalifa, Dubai, VAE

Planung: Skidmore, Owings & Merrill

LLP, ChicagoHöhe: 828 Meter Geschoße: 163 nutzbar, 206 insge-

samt Fertigstellung: 2010

Nutzung: Hotel, Wohnungen, Büros

Foto: SOM | Nick Merrick © Hedrich

Blessing

Auszug Jurybegründung:

Der Burj Khalifa, weltweit das zur Zeit

höchste Hochhaus, ragt unter den

fünf Finalisten nicht allein wegen

seiner Höhe hervor, sondern auch

wegen der bedeutenden technolo-

gischen Fortschritte im Entwurf und

beim Bau. Seine besondere Leistung

besteht auch darin, einen neuen

Typus des Hochhauses entwickelt zu

haben, das eine ganze Stadt für 10-

15.000 Menschen in sich fasst und da-

bei zugleich eine Ikone von globaler

Statur kreiert.

NominierungProjekt: Aqua Tower, Chicago, USAPlanung: Studio Gang

Architects, ChicagoHöhe: 262 Meter Geschoße: 82 Fertigstellung: 2010

Nutzung: Wohnungen, Hotel, Einzelhandel

Foto: Steve Hall, © Hedrich BlessingAuszug Jurybegründung:

Die Jury ist von der überzeugenden skulpturalen Her-

angehensweise eingenommen, mit der eine konventi-

onelle, flexible Box umhüllt wird und dabei doch klare

Funktionen erfüllt werden. Den Aqua Tower zeichnen

seine herausragende Balkongestaltung aus, die zugleich

die Verschattung des Gebäudes begünstigt, sowie die

Ausblicke, die sich durch die bodentiefe Verglasung

hindurch ergeben. Das verschafft dem Gebäude eine

starke Identität, obwohl es nicht durch eine besondere

Höhe heraussticht.

NominierungProjekt: Mode Gakuen Cocoon Tower, Tokio,

JapanPlanung: Tange Associ-

ates, TokioHöhe: 203,65 Meter Geschoße: 50 Fertigstellung: 2008

Nutzung: BildungFoto: © Horiuchi / Shin Shashin Kobo

Auszug Jurybegründung:

Der Mode Gakuen Cocoon Tower ist darin einzigartig,

wie er inmitten eines dicht besiedelten Stadtviertels

eine neue Typologie auf nahezu unbekanntem Gebiet

entwirft. Das Gebäude setzt einen neuen Standard, in-

dem es drei Bildungseinrichtungen komplett integriert

und dabei eine neue Nutzungsart in die Welt der Hoch-

häuser einführt, die bis dato immer Büros und Wohnun-

gen vorbehalten war.

NominierungProjekt: Shanghai World Financial Center,

Shanghai, ChinaPlanung: Kohn Peder-sen Fox Associates,

New YorkHöhe: 492 Meter Geschoße: 101 Fertigstellung: 2008 Nutzung: Büros, Hotel,

EinzelhandelFoto: © Shinkenchiku

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Fotos: Kallco

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wohlfühloase am wasserNEUE IMPULSE Von Otto Wagners Schützenhaus über die summerstage und das Badeschiff bis zur Strandbar Herrmann: Der Donaukanal lockt mit einer pulsierenden Lokal- und Kulturszene, Erholungs- und Freizeitangebo-ten sowie einer architektonisch spannenden Umgebung. In den kommenden Jahren soll der urbane Raum im Herzen der Stadt noch attraktiver gestaltet und weiterentwickelt werden. I manuela prusa

Die Anfänge des Donaukanals lie-gen bereits lange zurück: Mit der Donauregulierung in den Jahren 1870 bis 1875 verlandeten die zahllosen Donauinseln und bilde-ten eine kompakte Fläche. Zu die-ser Zeit entstand auch die Idee, den „Wiener Arm“ der Donau, über den jahrhundertelang Waren bis direkt an die Stadtmauern ver-schifft worden waren, zu regulie-ren. Heute ist dieser südlichste

Arm 17,3 Kilometer lang. Die erste Brücke über den Kanal war die „Schlagbrücke“, anstelle der heutigen Schwedenbrücke. Sie wurde Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet und 1945 – wie alle Do-naukanalbrücken – von deut-schen Truppen gesprengt, jedoch von sowjetischen Pionieren wie-der instandgesetzt.

Vom Gestern zum HeuteNach dem Wiederaufbau entstan-den links und rechts des Kanals die ersten imposanten Gebäude, wie beispielsweise der Ringturm. Unter dem ehemaligen Planungs-stadtrat Rudi Schicker wurde im Rahmen des Stadtentwicklungs-plans STEP 05 der Donaukanal als eines der urbanen Zielgebiete de-fi niert. Zur Weiterentwicklung hat der Gemeinderat 2007 die Ausarbeitung eines Masterplans unter der Leitung von Bernhard Engleder beschlossen. Im Rahmen dieses Masterplans wurden neben einer Einteilung der künftig für weitere Nutzungen und Projekte

heranzuziehenden Flächen auch Maßnahmen hinsichtlich Erreich-barkeit, Barrierefreiheit, sanitäre Einrichtungen und Infrastruk-turerweiterungen defi niert sowie Vorgaben für eine weitere quali-tätsvolle Entwicklung festgelegt. In den vergangenen Jahren konnte entlang des urbanen Flusslaufs eine Reihe städtebauli-cher Akzente gesetzt werden, z. B. mit dem Mediatower, dem UNIQA-Gebäude und dem Kaipa-last (K47). Weiters wurden u. a. Projekte wie der Twin City Liner, der Skywalk Spittelau, die Wohn-hausanlage der Architektin Zaha Hadid und die Schiffstation Wien City realisiert. Für eine Belebung der Szene sorgen vor allem die summerstage, das Flex, die Strandbar Herrmann, das Bade-schiff und der Tel Aviv Beach.

Vom Heute zum MorgenDie Weiterentwicklung des Do-naukanals zu einem vielfältigen Freizeitgestaltungs- und Naherho-lungsraum wird 2011 durch ge-zielte Maßnahmen fortgesetzt. So sollen ein Konzept zur einheitli-chen und nutzungsoffeneren Mö-blierung das Angebot zum Rela-xen erhöhen oder ein Pfl ege- und Entwicklungskonzept für die Grünfl ächen die ökologischen Po-tenziale stärker nutzen. „Wir sind froh, dass wir mit dem Masterplan Donaukanal viele Po-tenziale sichtbar machen konnten, die wir nun strukturiert ausschöp-fen“, sagt Donaukanalkoordinator Bernhard Engleder. Zum Beispiel werden heuer wieder Aktionen unter dem Motto „Fairness zone

am Donaukanal“ durchgeführt. Seit 1. April kann man gratis kleine Fahrradreparaturen bei der „Selber Service Station“ im Be-reich der Strandbar Herrmann durchführen. Von 4. bis 8. Juli werden „FairRadler“ unterwegs sein, die Menschen am Donauka-nal auf das Thema Fairness und gegenseitige Rücksichtnahme an-sprechen und Vorschläge zu Ver-besserungen einholen. Weiters ist es bei der summerstage ab Juli möglich, sein Rad gratis in Schuss bringen zu lassen. Der Masterplan gibt auch bei der Bürgermitgestaltung wichtige Handlungsschwerpunkte vor. So wird der im Vorjahr begonnene Beteiligungsprozess für die Gestal-tung des Ermöglichungsraumes bei der Friedensbrücke heuer ab-geschlossen. Dabei sollen erste Maßnahmen, wie z. B. eine Hun-dezone, umgesetzt werden. Dazu die zuständige Stadträtin Maria Vassilakou: „Die Ermöglichungs-räume am Donaukanal beweisen, dass Bürgerbeteiligung und Parti-zipation ein wichtiges Anliegen bei der Entwicklung des Donau-kanals sind.“ Darüber hinaus weist der Master-plan die letzte kommerziell be-spielbare Freifl äche zwischen Ma-rienbrücke und Schwedenbrücke (im 2. Bezirk) aus. Über ein trans-parentes Verfahren soll dort ein geeigneter Investor gefunden werden. Vor Kurzem wurde au-ßerdem das neu genutzte Otto Wagner Schützenhaus eröffnet, das im Sinne des historischen Ambientes mit Fischgerichten aus der Monarchie beleben will – ein weiterer Qualitätsbaustein in der Angebotsvielfalt. Auch mit der Neubelebung des Gastronomie-Bereiches bei der Salztorrampe im 1. Bezirk wird die Aufwertung des Angebotes einen Schritt vorange-hen. Geplante Projekte am Do-naukanal sind zudem ein Well-ness-Schiff, eine schwimmende Kulturplattform und das „Kaiser-bad – Flex“. ❙

> LINK wien.at/verkehr-stadtentwicklung/

01 Seit Mai hat das Wiener Schützenhaus geöffnet: In dem denkmalgeschützten Otto-Wagner-Bau wird nach Originalrezepten der Jahrhundertwende gekocht. (Foto: Zielinski) 02 Der Donaukanal hat sich zu einem trendigen Treffpunkt entwickelt. (Foto: iStockphoto) 03 Die summer stage lädt zum Relaxen direkt am Wasser ein. (Foto: summerstage) 04 Sand und Liege-stühle: Am Donaukanal kann man den Sommer in der Stadt genießen. (Foto: Ingo Derschmidt) 05 Die Schiffstation Wien City dient den Ausfl ugsschiffen der DDSG Blue Danube und der Twin City Liner-Flotte als „Stadthafen“. (Foto: Wien Hol-ding/Wulz)

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less is more DONAUKANAL Obiger aussagekräftige Satz des berühmten Architekten der klassischen Moderne Ludwig Mies van der Rohe gilt auch für eine funktionierende Stadtprogrammatik: Urbanität soll womöglich von selbst „in Fluss kommen“. Das Stadtleben am Donaukanal, ein Beispiel.Der Donaukanal war seit jeher als hoch fre-quentiertes Infrastrukturband durch Wien angelegt. Die Regulierung des Donaustro-mes 1870-75 zog ein infrastrukturelles Fol-geprojekt nach sich, für das 1892 ein Wett-bewerb ausgeschrieben wurde: Der Generalregulierungsplan für Wien sollte

nicht nur die gezielte Nutzung des Donau-kanals mit begleitender Anlage von Abwas-ser-Hauptsammelkanälen, sondern auch die Errichtung eines Stadtbahnnetzes festlegen. Entlang des Donaukanals wurden somit Entsorgung und Versorgung der Stadt fest-geschrieben. Bereits nach Schleifung der Stadtmauern 1858 war der Franz Josefs Kai der erste provisorisch fertig gestellte Stra-ßenzug der Stadterweiterung und anders als die Ringstraße war dieser nie als Pracht-straße angelegt, sondern - in Verlängerung der Einfallstraße Rossauer Lände - als brei-ter Handelsweg neben der Wasserstraße.Dies ist im Prinzip bis heute gleich geblie-ben: Am Donaukanal liegen Müllverbren-nungsanlagen und Hauptkläranlage, aber auch eine der wichtigsten Einfallstraßen bzw. Durchzugsstraßen in Wien. Von der Idee der Wiener Stadtplanung aus den 60er Jahren, eine Stadtautobahn an die Unter-kais des Donaukanals zu legen, blieb der Flusslauf zwar verschont, die Oberkais je-doch sind primär für den motorisierten Ver-kehr freigegeben.

Spiel des Zufalls und der SpannungDas veränderte Mobilitäts- und Freizeitver-halten der letzten Jahre hat gleichzeitig

dazu geführt, dass sich an den mittlerweile üppig zugewachsenen Ufern am Kanal für Fußgänger bzw. mit Fahrrad oder Inlines-kates ein eigener Bereich etablieren konnte – sei es für den täglichen Weg oder die Frei-zeit. Aus der permanenten Bewegung in menschlichem Tempo scheint hier noch ein

Spiel des Zufalls und der Spannung mög-lich, welches letztendlich das Gefühl der Stadtbewohner von gelungener Urbanität beschreibt. Diese Entwicklung zum „Wasser-Boule-vard“ (Zitat Architekt Boris Podrecca) zieht die organisierte Bespielung nach sich: Ein-fache Lokale, „Beach Locations“, das Bade-schiff oder die wieder etablierte sinnvolle Nutzung der Wasserstraße wie durch den

Twin City Liner, dem Personenschiff nach Bratislava. Ist ein Stadtraum allerdings erst einmal mit „soft skills“ aufbereitet und durch eine expansive Besucherfrequenz in seiner spezifi schen Qualität verlässlich an-erkannt, lassen die Investoren nicht lange auf sich warten und versuchen den Ort zu verwerten: An den Oberkais durch die Er-richtung von Hochhäusern, an den Unter-kais durch Freizeiteinrichtungen, die eben-falls eine „Wertschöpfung“ bringen sollen.

Schleichende PrivatisierungDies ist allerdings der kritische Punkt: Eine durchschnittliche „Eventisierung“ des öf-fentlichen Raumes ist notwendig und bringt Leben in die Stadt, sobald mit Urba-nität jedoch primär Geschäft gemacht wer-den soll, gerät der Stadtraum zur Kulisse und kann seine eigene Qualität nicht mehr entfalten. Die schleichende Privatisierung führt zu einer Zonierung des Freiraums und engt die Nutzer erst recht wieder ein. Der Wiener Stadtplanung ist es dankens-werterweise bewusst, dass der „Hype“ um

die neu entdeckte Gegend nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden darf. Denn wenn der wahre Satz „Eigentlich ist es schön am Donaukanal!“ zum Leitmotiv der sogenannten Betreiber und der freie öf-fentliche Raum mit zu vielen aufgesetzten Nutzungen besetzt wird, kann der funktio-nierende, schöne Ort empfi ndlich gestört werden. Das kann nicht Sinn der Sache sein?! ❙

text I judith eiblmayr fotos I metroverlag

+ + TALK DIREKT + + + TALK

Judith Eiblmayr ist Ar-chitektin, Architektur-publizistin, Kuratorin in Wien. Zahlreiche Textbeiträge, Ausstel-lungen und Publikatio-nen. Zum Thema ist im Mai 2011 das Buch: Judith Eiblmayr / Peter Payer: „Der Donaukanal – Die Ent-deckung einer Wiener Stadtlandschaft“ im Metroverlag erschienen.

Andere Publikationen: „Der Attersee – Die Kultur der Sommerfrische“, „Haus Hoch – Das Hochhaus Herrengasse und seine berühmten Bewohner“, „Der Teu-fel steckt im Detail – Architekturkritik und Stadtbetrachtung“

01 Funktionierendes Sommerleben am Donaukanal: Herrmanns Strandbar. 02 Personenschifffahrt als sinnhafte Nutzung am Donaukanal: Die Schiffsanle-gestelle für den Twin City Liner vom Architektenteam fasch & fuchs.

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cooler sommer in der stadtFREIZEITOASEN Strandfeeling, kulinarische Genüsse, erfrischende Cocktails und laue Nächte am Wasser: An den schönsten Tagen im Jahr bietet Wien zahlreiche Möglichkeiten zum Relaxen und die perfekten Plätze zum Chillen unter freiem Himmel. City präsentiert Ihnen die Hot Spots der Sommersaison. I manuela prusa

Urlaub in der Großstadt? Wien hat allen Daheimgebliebenen und Gästen aus dem Ausland eine Menge zu bieten: Auf der Donau-insel, an der Alten Donau und im Prater sind Erholung und Frei-zeitspaß garantiert. Straßencafés, Gastgärten und Heurige laden zum Besuch ein. Dazu kommen beliebte Treffpunkte im Zentrum der Stadt wie der Naschmarkt mit seinen vielen Lokalen und das MuseumsQuartier mit seinen trendigen Liegemöbeln. Auch der größte City Beach Club Öster-reichs befi ndet sich im Herzen Wiens – SandintheCity am Heu-markt bietet 6.000 m2 Fläche und jede Menge südliches Flair mit Palmen und feinstem Sand. Darü-ber hinaus hat sich an den Ufern des Donaukanals eine vielfältige Gastro- und Ausgehszene ange-siedelt.

Klassiker summerstageWiens Klassiker unter den Out-door-Locations ist die summers-tage bei der Rossauer Lände. Der schöne Platz für sonnige Tage und gemütliche Abende öffnete bereits Mitte der 1990er-Jahre seine Pforten. Der von Oswald Schell-mann geschaffene Kultur-Kulina-rik-Treff ist ein Fixpunkt des Som-mers – für Kunstinteressierte (u. a. gibt es einen Skulpturengarten) und Gourmets ebenso wie für Sportler (Boule, Beach Volleyball und Trampolin) und Fans von Live-Konzerten. Dank des Glaspa-villons können die Gäste auch bei Regen und frischeren Temperatu-ren die Sicht aufs Wasser genie-ßen. Ab 20. Juli fi nden Koch-kurse statt und ab 24. Juli gibt es jeden Sonntag Literatur und Wein unter dem Motto „Gemischter Satz“.Feiner Sand, Liegestühle, eine Bar und coole Sounds warten auf die

Besucher in der Strandbar Herr-mann bei der Urania. Am Wo-chenende gibt’s den beliebten Brunch im Pavillon – samstags mit Jazz vom Feinsten und sonn-tags mit chilligem Sound. Außer-dem kann man an Sonntagen Yoga am Strand praktizieren. Von 22. bis 24. Juli fi ndet in der Strandbar Herrmann zudem die erste österreichische Beachhockey Trophy statt.

Baden und Essen am SchiffWer gerne mitten in der Stadt im Outdoor-Pool seine Längen schwimmen und sich am Sonnen-

deck bräunen möchte, ist am Ba-deschiff bestens aufgehoben. Dort lädt auch das 2010 von GaultMil-lau mit zwei Hauben ausgezeich-nete Restaurant Holy Moly zum Besuch ein. Am Festland locken

der „Urban Biergarten“ und ein Fischmarkt. Im Vorjahr eröffnet hat das „Motto am Fluss“ in der Schiffssta-tion Wien – mit einem schicken, ganzjährigen Gastronomieangebot mit Café und Restaurant. Im Som-mer ist die Terrasse des neuen Hot Spots bis auf den letzten Platz be-setzt. Auch der Outdoor-Bereich des nahe gelegenen Flex Cafés ist ein Publikumsmagnet.

Tel Aviv in WienAm linken Donaukanal-Ufer kon-zentriert sich die Lokalszene zwi-schen Augartenbrücke und Salz-torbrücke. Die „Adria Wien“ offeriert neben dem schönen Blick aufs Wasser einen Sand-strand, Liegen, Grill und eine Bar im Glaspavillon.Ein paar Meter weiter hat der „Tel Aviv Beach“ sein Quartier aufge-schlagen, der seit seiner Eröff-

nung im Mai 2009 eine urbane Feelgood-Oase ist. Der Tel Aviv Beach ist für Wien ein trendiges Aushängeschild mit internationa-ler Anerkennung. Haya, Elior,

Ilan und Nuriel Molcho betreiben ihn als Familienbetrieb und ver-suchen den positiven „Vibe“ aus Tel Aviv nach Wien zu bringen. Neben mediterran-orientalischen Köstlichkeiten und Drinks gibt es DJ-Acts und Live-Auftritte. Haya Molcho führt auch das „Neni“ am Naschmarkt und im Sofi tel das neue „Neni im Zweiten“. Gleich neben dem Tel Aviv Beach ist mit dem Wiener Schützenhaus kürzlich eine neue Location dazu-gekommen. In dem Otto-Wagner-Bau werden Küche aus der Mon-archie, eine Weinbar und ein Gastgarten geboten, wo man die Abendsonne wunderbar genießen kann. ❙

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Ossi Schellmann: Ich reise sehr viel und habe dadurch die Gele-genheit viele vergleichbare Städte rund um die Welt kennen zu ler-nen. Bis heute habe ich bei aller Schönheit keine Stadt gefunden, in der ich lieber leben würde als in

Wien. Wien ist für mich die lebens- und liebens-werteste Stadt der Welt. Besonders angenehm fi nde ich die extrem hohe Sicherheit, das unvergleichli-che, vielfältige Kulturangebot und die effi ziente und bürgernahe Verwaltung. Meine Lieblingsplätze sind mein Arbeitsplatz – die summerstage am Do-naukanal, das Museumsquartier und der Musikver-ein. Ich lebe und arbeite seit nunmehr 35 Jahren in Wien und die Entwicklung der Stadt in diesem Zeitraum ist für mich atemberaubend und eine echte Erfolgsgeschichte. Ich fühle mich rundum wohl in Wien und wünsche mir für die Zukunft nur, dass Wien auch in Zukunft zu den lebenswer-testen Städten der Welt gehören wird und ich sehe auch keinen Grund, dass sich das in naher Zukunft ändern wird.

Haya Molcho: Für mich ist Wien der Schmelztie-gel der östlichen Hemi-sphäre Europas. Das Ge-fühl von Urbanität gibt mir Antrieb und neue Ideen. Ich liebe die klei-nen versteckten Plätze in dieser Stadt, die sich ei-nem erst nach längerem Suchen oder durch Zu-fall eröffnen. Meine Lieblingslocations in Wien sind der Nasch-markt, der Donaukanal, der 2., 6., 7. und 8. Be-zirk. Ich verbinde mein Lebensgefühl immer stark mit gutem Essen. Wenn ich in Wien zum Beispiel ausgezeichneten Fisch essen will, gehe ich immer ins Nautilus am Naschmarkt. Wien bietet kulina-risch eine große Auswahl an interessanten Loca-tions mit dem richtigen Flair und ausgezeichnetem Essen. Die Liebe zur Stadt wird erwidert...

> Infos www.donauinsel.atwww.alte-donau.infowww.sandinthecity.atwww.summerstage.atwww.strandbarherrmann.atwww.badeschiff.atwww.motto.at/mottoamfl usswww.adriawien.atwww.tlvbeach.atwww.neni.at

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oben v.l.n.r01 Naturparadies zum Bummeln und Verweilen: die Alte Donau02 Sommeroase und Kunstareal: das MuseumsQuartier03 Für Romantiker: Abendstimmung an der Alten Donauv.l.n.r04 Treffpunkt Donaukanal: Relaxen mitten in der Stadt.05 Ein Klassiker unter freiem Himmel: die summerstage. 06 Zwei-Hauben-Restaurant: Holy-Moly! am Badeschiff.07 Hot Spot für Nachtschwärmer: der Tel Aviv Beach.

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Sommer in der Stadt city life | 11

strandferien in der stadt Am Anfang waren die Heilbäder. Erhalten haben sich mit Vöslau und Fischau am nördlichen Rand der „Thermenline“ zwei Badean-stalten aus dem frühen 20. Jahr-hundert, die dank ihres Kurort-Charmes öfter auch als Filmsets dienen. Dort schwimmt man zwi-schen alten Holz-Umkleiden in den als Becken mit Kiesboden ge-fassten kühlen Quellteichen. In derselben Zeit entstand das Ther-malstrandbad Baden. Art-Déco-Bleiglasfenster im Foyer und die Umkleiden sowie Sand und Pal-men im Freien evozieren ein al-tertümliches Adria-Gefühl.

Etwas weniger mondän badet man im Kamptal, das um die Jahrhundertwende eine kurze „Hausse“ als Sommerfrische er-lebte. In den träge dahinfl ießen-den Kamp mit seinem samtig-leh-migen Boden steigt man am stilvollsten im Flussbad Langen-lois, entstanden um 1900, oder im reizenden kleinen Bad von Plank mit seinen charakteristischen rot-weiß gesteiften Kabinengebäuden aus dem Jahr 1928. Vor wenigen Jahren neu angelegt wurden die eleganten Holzplattformen des Moorbades Schrems, entworfen von Thomas Konrad und Jakob

Fina, und die von Hans Kupelwieser ge-plante Plattform des Seebades Lunz, die auch als Seebühne genutzt wird.

Wien am MittelmeerDer Klassiker unter den Wiener Flussbä-dern ist das Gänse-häufel, vom Lebens-

reformer Florian Berndl auf einer Insel in der Alten Donau begrün-det. Nach Kriegszerstörungen bauten die Architekten Max Fel-lerer und Eugen Wörle das Bad 1947 als leichte Sichtbeton-Kons-truktion mit einem fi ligranen Sys-tem aus Brücken, Stegen und Ter-rassen wieder auf. Der vor kurzem sorgsam restaurierte Komplex bietet ausreichend Platz für alle, vom rustikalen Do-naustädter bis zum Neubauer Bobo. International vielfach publiziert, beeinfl usste das Gänsehäufel auch das wunderbare Bundesbad Alte Donau, ehemals ein Militärbad, das die Bundesgebäudeverwaltung 1958 gemeinsam mit dem Land-schaftsarchitekten J. O. Wladar neu errichtete. Das Bad punktet mit einem der nahen UNO-City geschuldeten internationalen Pub-likum, schnittigen Dauerkabinen und einem Café-Pavillon in bester Fünfziger-Jahre-Dynamik, dem schönsten Kiesstrand der Stadt und einer großen Liegewiese mit Pappeln und Platanen. Hier stellt

sich mehr als an-derswo das Gefühl ein, eigentlich am Mittelmeer zu sein – wenn die Boote der Segelschule vorbeizie-hen, ist der Süden in Wien. Wem der Sinn eher nach dem Wiener-wald steht, der wird seinem Paradies im Neuwaldegger Bad näherkommen. Das privat geführte Bad entstand in seiner jet-zigen Form 1927. Die Stamm-Klientel liebt die trotz vieler Fami-lien mit Kleinkindern immer ruhige Atmo-sphäre ebenso wie den Geruch von Harz, alten Holzplanken und der Wiener Kü-che.

Parcours der BauepochenEinst Mittelstation der Zahnrad-bahn zum Kahlenberg, hat auch das Krapfenwaldl eine lange Ge-schichte. Der älteste Teil ist ein Salettl aus dem 18. Jahrhundert, Rest eines adligen Landschaftsgar-tens, in dem heute das Buffet un-tergebracht ist. Nach der Stillle-gung der Zahnradbahn wurde der Park 1921 zum städtischen Bad. Das weitläufi ge Areal ist ein Par-cours der Bauepochen; in den Sechzigern entstand, dem Zeit-geist entsprechend, eine Terrasse mit Tanzfl äche und einer wand-hohen Jazzband als Sgraffi to-Re-lief. Der Fußweg windet sich zwi-schen hohen Kiefern zum obersten Bassin: ein Logenplatz mit Blick nicht nur auf die male-risch drapierten durchtrainierten Körper am Beckenrand, sondern über ganz Wien bis zum Anninger und den kleinen Karpaten.

Gemeindebau unter den BädernDas Rote Wien der Zwischen-kriegszeit setzte eher auf reellen Sport als auf Panorama-Posing. So etwa mit dem 1928 von Erich Leischner geplanten Kongressbad. Das immer gut besuchte „Kongo“ mit seinen rot-weiß gestreiften Holzbauten ist der Gemeindebau unter den Wiener Bädern. Das bodenständige Pathos der Arbei-terbewegung wird am Eingang von zwei konstruktivistischen Fahnenmasten unterstrichen. Mit ihrem 100-m-Becken war die Anlage damals das größte Bad Eu-ropas, auch Schauplatz der Aus-scheidungskämpfe zur Arbei-terolympiade von 1931.Die lange verschwundenen Do-naukanalbäder des 19. Jahrhun-derts fi nden heute eine urbane Entsprechung im Wiener Bade-schiff. An lauen Sommerabenden ist das Schwimmen im von unten beleuchteten Becken durch nichts zu schlagen. Strandferien mitten in der Stadt. Perfekt. ❙

ARCHITEKTUR Die Sommer bäder von Wien und Umgebung bieten jede Menge Außer-gewöhn liches, Besonde-res und sommerlich Be-zauberndes – von historischen Kurbädern und Militär schwimm - schulen bis zu den Sport-arealen und Wettkampf-becken des Roten Wien.

01 Quellteich im Themalfreibad Bad  Vöslau 02 Becken der Kristalltherme Bad Fischau-Brunn 03 Art-Déco-Blei-glasfenster im Strandbad Baden 04  Kabinengebäude im Flussbad Plank am Kamp 05 „Turmkabanen“ im Gänse-häufel 06 Café-Pavillon im Bundesbad Alte Donau 07 Streng getrennt im Neu-waldegger Bad 08 Jazzband-Sgraffi to von 1961 im Krapfenwaldl 09 Das Kongress-bad, der Gemeindebau unter Wiens Bädern 10 Badeschiff im Donaukanal

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Es ist nicht verwunderlich, dass die Engen und Weiten des Do-nautales auch für das breite Publi-kum interessant werden. Der Bal-kankrieg in den 1990er Jahren schränkte die Schiffbarkeit des Stromes enorm ein. An den Fol-gen der Kriegsereignisse laborier-ten Kroatien und Serbien noch lange. Erst seit dem Jahr 2005, als die zerstörte Brücke im serbischen Novi Sad wieder errichtet wurde, ist die freie Fahrt wieder möglich. Und das beginnen die Besucher zu genießen. Schließlich begleiten beeindruckende Landschaften den Strom zu seiner Mündung: Vom Naturschutzgebiet Donauleiten in

Bayern, über das UNESCO Welt-kulturerbegebiet Wachau, den Nationalpark Donauauen, den Nationalpark Donau-Eipel in Un-garn, den kroatischen Naturpark

„Kopacki rit“, zwei serbische Na-turschutzgebiete bis zum rumäni-schen Donaudelta. Nicht nur Ös-terreich allein weiß die Werte der Donaulandschaft zu nützen. Auch die anderen Anrainerstaaten fo-kussieren ihr Interesse auf den insgesamt 2880 Kilometer langen Strom quer durch Mittelosteu-ropa. Dabei hilft ihnen die von der Europäischen Union ins Le-ben gerufene Donauraumstrate-gie, aber auch die Reiselust der Menschen. In Zeiten, wo die Zahl der globalen Krisenherde zu-nimmt, besinnt man sich gern auf das Gute, das bestenfalls auch noch nah ist. Die Donau ist „in“

und das freut besonders die Kreuzfahrts- und Ausfl ugsboot-unternehmer. „Unsere Passagier-zahlen sind in den letzten fünf Jahren leicht, jedoch kontinuier-lich gestiegen“, sagt Wolfgang Hanreich von der DDSG-Blue Da-nube Schifffahrt. Die einst staatli-che Donaudampfschifffahrtsge-sellschaft ist heute zu gleichen Teilen in Händen des Wiener Ver-kehrsbüros und des Wiener Ha-fens. Seit 1996, der ersten Saison unter der Flagge DDSG, sind sechs Schiffe stromauf und stromab un-terwegs. Das Unternehmen ist Marktführer auf den österreichi-schen Gewässern. „Insgesamt be-fördern wir auf unseren eigenen Schiffen im Rahmen der Linien-schifffahrt in Wien und in der Wachau, im Bereich Charter und Themenfahrten annähernd 300.000 Passagiere jährlich“, so Prokurist Hanreich weiter. Von den Donauwellen lassen sich

gern auch noch andere Schiffs-bäuche umspü-len. Im Inland bauen die „Brandner Schifffahrt“ und die Gesellschaft „Wurm und Köck“ ihr Ange-bot stetig aus. Dabei ist nicht nur der Weg das Ziel, sondern es zählen das Er-

lebnis und die Kombinationsmög-lichkeit mit regionalen Ver anstal-tungen. Ein Festival, eine Landesausstellung oder ein per-sönliches Jubiläum will schon bei der Anreise genossen werden. Wenn einem auch noch der Do-nauwind um die Ohren bläst und die Aussicht vom Oberdeck neue Perspektiven eröffnet, dann ist die Chance groß, als Eindruck unver-gessen zu bleiben.

Eine Kreuzfahrt, die ist lustig...Spannt man einmal an den öster-reichischen Ufern des Flusses aus und beobachtet gedankenverloren

den Schiffsverkehr, so fällt auf, dass Frachtschiffe unvergleichlich seltener unterwegs sind als Aus-fl ugsschiffe. Und hier nehmen auch die Kabinenschiffe immer mehr zu. Eva Michlits leitet die Unternehmenskommunikation der österreichischen Wasserstra-ßen Gesellschaft Via Donau. Sie erzählt, dass jedes Jahr durch-schnittlich drei neue Anbieter dazu kommen. Über 100 Kreuz-fahrtschiffe befördern die Gäste meist von Deutschland ins Schwarzmeer-Delta. Der Donau-hafen Passau zählt hier zu den wichtigsten An- und Ablegestel-len für die sieben- bis zehntägige Reise, die in eine Richtung

stromab geht. Interessanterweise gibt es Jahre, wo weniger Kreuz-fahrtschiffe unterwegs sind, dafür aber mehr Personen befördert werden. So auch im Jahr 2010. Da legten in Wien tatsächlich we-niger Schiffe an, die Anzahl der abgefertigten Passagiere hingegen stieg an. „Pro Jahr sind mehr als eine Million Fahrgäste auf Passa-gier- und Kabinenschiffen auf der Donau unterwegs“, hält der Ge-schäftsführer der Via Donau, Hans-Peter Hasenbichler, fest. Für das Unternehmen sei nicht nur der Verkehr auf der Donau rele-vant, sondern auch das Flussbett samt Hochwassersicherheit, be-merkt Hasenbichler: „Als Infra-strukturbetreiber kümmert sich Via Donau um rund 500 km Trep-pelwege in Österreich, die als Radwege von rund 1,5 Millionen Personen pro Jahr genutzt wer-den.“

Zeitreisen am WegDie Donauschifffahrt boomt nicht erstmals in der Geschichte. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts baute man eine Flotte, die verein-zelt auch heute noch zu sehen ist. Nahe der Schleuse Freudenau steht das ehemalige K.u.K.- Dampfschiff „Fréderic Mistral“, das von Franz Scheriau Ende der 1990er Jahre von Rumänien nach Wien geschleppt wurde und nun von ihm bewohnt wird. Gleich-zeitig dient es als An- und Ablege-stelle für Überfuhren zur Donau-insel. Zufall oder nicht, kurz danach gründete sich der Verein „Freunde Historischer Schiffe“. Inzwischen fasst die Gruppe 250 Mitglieder, der Vereinsstandort ist Korneuburg. Wer sich mit nauti-schen Themen aus der Vergan-genheit beschäftigen möchte, kann sich der Reise des Vereins anschließen, die heuer Ende Sep-tember nach Budapest geht. ❙

donau ahoi! LEBEN AM FLUSS Europas zweitlängster Fluss hat nicht nur Musiker, Politiker und Versicherungsgründer in ihrem Wirken maßgeblich beeinfl usst, sondern er lockt zunehmend immer mehr Menschen zwischen Deutsch-land und dem Schwarzmeerdelta an Bord. Die Donauschifffahrt fährt mit enormer Schubkraft voraus.

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Die Stadt ist dort, wo viele Menschen leben wollen. Die oberste Prämisse ist es für mich an einer Stadt zu arbeiten, an einem Wien zu arbeiten, in dem viele, viele, viele Menschen leben wollen. Nicht leben, weil sie es müssen, sondern weil sie es wollen. Ich will, dass die Stadt so gestaltet wird, dass sie jenen, die glauben im Umland, im ver-meintlich Grünen ihr Heil zu su-chen, ein Angebot macht. Dazu braucht es mehr Lebensqualität in der Stadt, mehr Grün- und Freiräume auch im dicht verbau-ten Gebiet. Für mich ist eine Stadt dort, wo Begegnung und Inspiration ist. Die Stadt ist keine

Ansammlung von Häusern, Fenstern, Ein-gängen und To-ren. Sie fi ndet nicht in ge-schlossenen Räumen statt, sondern in den Freiräumen, den öffentlichen Räumen, den Parks. Wien braucht Räume für Begegnung und Inspiration, denn sie sind das eigentliche Herz der Stadt.

Maria Vassilakou: Geb. 1969 in Athen, 2004-2010 Klubobfrau der Grünen im Wr. Gemeinderat, seit 2010 Vizebürgermeisterin und Pla-nungsstadträtin der Stadt Wien.

01 + 02 Belgrad ist die Zweifl üssestadt, wo sich Save und Donau treffen und ist damit eine beliebte Anlegestelle für Schiffe aller Art.03 Unter der wieder errichteten Freiheits-brücke in Novisad, Serbien, erholen sich viele am Štrand04 Auf dem Weg ins Schwarze Meer pas-sieren Schiffe die Stadt Hainburg..05 ...ohne Schleusen geht es nicht!

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kartoffel statt bomben

URBAN FARMING Das Landwirtschaften in der Stadt liegt ganz im Trend: Auf brach liegenden Flächen, in Hinterhöfen oder in abgewirtschaf teten Gärten und Parks werden Urban Farmer immer aktiver. Es ist nicht nur die Ernte, die den Kick ausmacht, sondern oft ist der Weg dorthin das Ziel. I barbara kanzian

U3-Endstation Wien-Ottakring: Wir verlas-sen den Bahnhof und gehen Richtung Hei-gerleinstraße, zahlreiche Neubauten säumen hier abwechselnd mit Gründer-zeithäusern den Weg. Die dichte Verbau-ung wird dazwischen immer wieder von Grünfl ächen aufgelockert. Plötzlich stehen wir vor einem rund 1000 Quadratmeter großen Garten, in dem an diesem Samstag-vormittag rund 20 Leute mit Sense, Schau-fel und Gartenschlauch am Werk sind. Sie haben sich eines der insgesamt 24 Beete des Nachbarschaftsgartens Heigerleinpark gemietet, bepfl anzen diese nach Belieben, plaudern und genießen einfach die Zeit miteinander. Die Idee zu diesem Garten knüpft an die erfolgreichen „interkulturel-len Gärten“ an, wie es sie in Paris, Berlin oder New York gibt. Zentraler Punkt ist die Begegnung, der Austausch und die Kom-munikation von Menschen unterschiedli-chen Alters und Herkunft. Was in einem Bezirk wie Ottakring mit einem relativ ho-hen Ausländeranteil besonders wichtig er-scheint, 23,8 % der Gesamtbevölkerung haben hier Migrationshintergrund. „Durch das gemeinsame Gärtnern entsteht ein gleichberechtigtes Miteinander“, beschreibt Nadja Madlener, eine der Initiatorinnen das Projekt, das gemeinsam mit der Stadt Wien realisiert wurde. Auch die Bewohner des benachbarten Hau-ses der Barmherzigkeit kommen einmal in der Woche zum Gärtnern hier vorbei. Für sie gibt es ein Hochbeet mit einer rollstuhl-gerechten Umfahrung. Auf speziellen Kin-derbeeten lernt auch der Nachwuchs, wie der Weg der Lebensmittel vom Samen zur Frucht aussieht.

Vorreiter BerlinSteht im Wiener Heigerleinpark speziell der Gedanke des Gemeinsamen im Vorder-grund, so verfolgt z. B. der Prinzessinnen-garten am Berliner Moritzplatz einen etwas anderen Ansatz. Auf einer vom Liegen-schaftsfonds gemieteten 6000 Quadratme-ter großen Fläche wird seit 2009 eine biolo-gische Landwirtschaft betrieben, die alte und seltene Sorten kultiviert. Angebaut wird in recycelten Industriekörben, die ein transportables Beetsystem darstellen. So bleiben diese Gärtner mobil und können woanders Brachfl ächen, Hausdächer und Wände in Orte verwandeln, an denen Ge-müse lokal und in Bioqualität wächst. Der Prinzessinnengarten versteht sich als Ver-suchslabor für die nachhaltige Stadt der Zu-kunft. In Berlin gedeiht die Urban Farming-Bewe-gung prächtig. Das mag einerseits mit der städtebaulichen Situation zu tun haben: Da gibt es mehr Flächen, die nicht an eine be-stimmte Nutzung gebunden sind, das mag auch mit der Kreativität und Lockerheit der

Berliner zu tun haben. Außerdem ist die Stadt pleite, also froh, wenn gewisse Eigen-initiativen von den Bürgern übernommen werden, meint die gebürtige Berlinerin Nadja Madlener. Bevor sie nach Wien zog, war sie bei Rosa Rose mit dabei, einer der ersten Vereine, die einen Nachbarschafts-garten in Berlin-Friedrichshain realisiert haben. Um die Urban-Farming Vorreiterrolle Ber-lins künftig noch weiter auszubauen, ent-wickeln Forscher der TU Berlin und des Leibniz-Zentrums bis zum Jahr 2013 Poten-ziale, Chancen und einen Fahrplan zur Umsetzung von Anbaukonzepten in der Stadt. Mit mehr Landwirtschaft in der City soll auch die derzeitige Trennung zwischen Land und Stadt, zwischen globalisierter Ag-rarproduktion und städtischem Konsum aufgebrochen werden.

Guerilla GardenersDass mitten in der Stadt Landwirtschaft be-trieben, neben U-Bahn-Stationen Kartoffel geerntet werden, irritiert den üblichen Blick auf die Stadt und ermöglicht, sie an-ders und neu zu erfahren. Welche Genera-tion steckt eigentlich hinter den Urban Far-mers? Die Soziologin Christa Müller defi niert den Prototyp als jung und weib-lich. Es ist im Speziellen die Internet-Gene-ration, die den Garten zum Entschleunigen nutzt; er dient als Gegenmodell zum virtu-ellen, schnellen Raum des World Wide Web. Der Garten auch als Sinnbild für das Schöne, der die Menschen auf die Qualität der Lebensmittel sensibilisiert. Und nach Müller sind diese Stadtgärten hoch politi-sche Orte, denn die Stadtgärtner wollen mit ihrem Tun autonom sein, sich nicht in Ab-hängigkeiten zu großen Lebensmittelkon-zernen begeben. Der politische Wille wird schon im Namen einer weiteren Form von Stadtgärtnern deutlich: Guerilla Gardeners sind bereits in zahlreichen europäischen Großstädten ver-treten. Mit ihrem Versuch kleine Gärten in der Stadt ohne Lizenz anzulegen machen sie sich für die gemeinschaftliche Nutzung des öffentlichen Raums stark. Statt Bomben gibt es bei der Wiener Delegation Seed-bombs, das sind Erd/Ton/Samen-Kugeln, die leicht in der Stadt verteilt werden kön-nen mit dem Ziel, dass da und dort Pfl an-zen keimen und aufgehen. So friedvoll soll-ten alle Guerilla-Kriege ausgehen. ❙

> Buchtipp und Blog Urban Gardening, über die Rückkehr der Gärten in die Stadt von Christa Müller, erschienen im oekom VerlagBlog von Barbara Kanzianwww.ueber-land.eu

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Lebendige StadtSie können sich sicher noch an die Alltags-geschichten der Elizabeth T. Spira erin-nern. Diese mehrmals ausgezeichnete Fernsehproduktion stellte die „kleinen Leute“ in den Mittelpunkt und versuchte die „österreichische Seele“ zu zeigen. All das, was dem Österreicher, meistens dem Wiener, ein Anliegen ist, wurde von Spira fi lmisch umgesetzt: Da ging es um Men-schen im Prater und beim Heurigen, um die Beziehung von Menschen zu ihren Hunden oder um „Das kleine Glück im Schrebergarten“. Dabei zeigte sie Orte zum Träumen und Leut’ ausrichten, ließ Ver-einsmeier und verfeindete Nachbarn zu Wort kommen, die die Gartenanlage kont-rollierten. Spira zeigte aber auch die an-dere Seite: eine einsame Dame, die in ih-rem verwilderten Garten mit Spatzen und Amseln spricht – ein Stück Poesie eben.

Ausgleich für geplagte Städter19 Jahre ist das nun her. Die Bewegung der Schrebergärtner reicht allerdings ins 19. Jahrhundert zurück. In der Zeit der Industrialisierung boten Kleingärten in der Stadt den Menschen die Möglichkeit, sich mit frischem Obst und Gemüse zu versorgen. Sie waren auch als Armen- oder Arbeitergärten bekannt. Jahre später entstanden die Schrebergärten: Sie wur-den nach dem Leipziger Arzt Moritz Schreber benannt, dem es vor allem um die Gesundheit der Stadtjugend innerhalb karger Mietskasernen ging. Er propagierte die Arbeit in den Gärten. Der Schrebergarten hat seinen Ursprung darin, einen Ausgleich für die von den Folgen der Industrialisierung geplagten Städter darzustellen. Da sind die Motive der heute trendigen Bewegung der Urban Farmer anders gelagert. Sie sind Teil einer

vernetzten und globalen Gesellschaft, einer Welt, in der in einem un-glaublichen Tempo stän-dige Veränderungen pas-sieren. Mit ihren landwirtschaftlichen Ak-tionen in der Stadt treten sie bewusst auf die Bremse, entschleunigen, nehmen das Tempo zurück, erden sich wieder.

Urban Farmers irritierenSie legen ihre Gärten in unterschiedlichen Formen an, sei es in Gemeinschaftsgärten, in offenen landwirtschaftlichen Höfen oder in „Nacht-und-Nebel-Aktionen“, wo sie ihre Pfl anzen querfeldein verstreuen. Die Urban Farmers defi nieren den Begriff der Stadt neu, irritieren mit ihren Aktio-nen oft den gewohnten Blick und machen die Stadt so anders erfahrbar. Sie besetzen Orte mit anderen Nutzungen, stellen da-mit automatisch für die Stadtentwicklung neue Weichen. Es ist kein Zufall, dass in ihren Gärten oft alte oder seltene Pfl anzen gesät werden. Es ist vielmehr ein Zeichen dafür, dass sie einen ganz bewussten Umgang mit dem Ursprünglichen pfl egen. Damit steuern sie agrarindustriellen Bewegungen und Gen-technik-Entwicklungen entgegen und machen ihren gesellschaftspolitischen Standpunkt klar sichtbar. Die Schrebergärtner frönen ihrer Lust nach Grün, schaffen sich mit ihrem Gar-ten eine Oase und einen Rückzugsort in-nerhalb der Stadt. Urban Farmer hinge-gen gärtnern auf offenen Plätzen, laden andere ein, ihre Bewegung mit zu tragen. Eines haben beide gemeinsam: Sie sind ein lebendiger urbaner Teil, der dazu bei-trägt, die Grenze zwischen Land und Stadt verschwimmen zu lassen.

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eine dekade voller leidenschaftEs war schon immer ein tages- und abendfüllendes Gesprächs-thema jener Generation, die mit ihm groß geworden ist. Und ist es bis heute. Damals noch Studen-ten, heute vielleicht schon junge Eltern, die seit 2001 den Platz heimsuchen, der sie immer be-wegt hat: das MuseumsQuartier. Es ist das Kind jener Stadtväter, dessen Geburt keine leichte war. Die Frage, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden sollte, blieb lange ungeklärt. Und doch kam es auf die Welt und hat gleich ein-mal polarisiert. Die einen waren zurückhaltend, denn vom ganzen Kind blieb ihrer Meinung nach „nur der Rumpf“ übrig. Die ande-ren jubelten, denn die Geburt war der Startschuss für etwas, das die ehemaligen Hofstallungen, nein,

den siebten Bezirk, nein, ganz Wien zu etwas Besonderem machte. Wien war Gesprächs-thema, weltweit. Und macht durch das MuseumsQuartier seit damals immer wieder von sich re-den. Heute ist es allen egal, ob der Leseturm gebaut wurde oder nicht. Das MuseumsQuartier würde sich niemand mehr weg-nehmen lassen. Zu sehr ist es den

Wienern ans Herz gewachsen. Zu schauen im MUMOK und im Leo-pold Museum, zu essen im Dschungel, in der Halle oder im Glacis Beisl, sich auf den legen-dären Enzis zu sonnen oder sich überraschen zu lassen, was in die-

sem großen Wohnzimmer gerade passieren könnte – alles zusam-men ergibt ein Gefühl, das man nur schwer beschreiben kann. Es ist leicht, es ist schön, es ist befl ü-gelnd und fühlt sich so an wie eine Mischung aus Markusplatz und Versailles. Das Beste daran ist: Es dürfen alle mitmachen. So-gar die Kinder, die im ganzen Komplex nicht nur geduldet, son-dern sogar willkommen sind. Eine Rarität in Wien.

Die gebaute VisionDer menschliche Zustrom wird je-den Tag stärker - gerade jetzt, je näher der Sommer rückt, erlebt das MuseumsQuartier seine abso-lute Hochblüte. Das wäre auch ohne zehnjähriges Jubiläum so. Mit den Kommenden und Gehen-den, mit den Lustwandelnden und Schaulustigen, erinnert man sich gerne zurück an eine be-wegte Zeit. An echte Ruhephasen in der 300-jährigen Geschichte der Architektur kann sich nie-mand erinnern. Als kaiserliche barocke Hofstallungen Anfang des 18. Jahrhunderts konzipiert und als späteres Messe- und Ausstel-lungsgelände genutzt, war es fast obligatorisch, erneut Hand anzu-legen und im beginnenden Jahr-

tausend einen weiteren Stempel der Zeit aufzudrücken. Wie ein roter Faden zieht es sich durch die Baugeschichte, dass man Plänen Einhalt gebot, um wieder neue Strategien zu ersinnen, die immer nur auf einer Unschlüssigkeit be-ruhten, die dem Bauwerk den perfekten Guss versagte. Das war vor 300 Jahren nicht anders als vor zehn Jahren. Und man fragt sich hinterher, warum eigentlich? Warum erzeugt man äußerliche Homogenität, wenn es gar keine gibt? Warum werden Unterbre-chungen kaschiert und warum müssen sich die Museumsbauten vor Ehrfurcht brav „ducken“ und der Leseturm darf erst gar nicht entstehen? Im Grunde sind das alles architektonische Halbwahr-heiten. Trotzdem ist das Erschei-nungsbild des MuseumsQuartiers, so wie es heute dasteht, ein ehrli-ches, ein prägendes, ein nachhal-tiges. Das österreichische Archi-tekturbüro Ortner & Ortner hat es geschafft, vorhandene historische Bausubstanz mit zeitgenössischer Architektur zu verbinden, und zwar so, dass die Verknüpfung zwischen Alt und Neu, Kunst und Naherholung, Künstlern und Pu-blikum funktioniert und authen-

tisch wirkt. Schon damals bildete der Bau als architektonischer Ab-schluss des „Kaiserforums“ ein historisch einzigartiges Kraftfeld, das sich in seiner ganzen Wirkung über die Jahrhunderte herüber retten konnte. Doch statt aristo-kratischem Pferdemist gibt es heute Kultur querbeet und für alle – das ist der Unterschied. Das MuseumsQuartier geht als größ-ter Kulturbau in die Geschichte der Republik Österreich ein, der die einzelnen Kulturräume der Stadt noch näher zusammenrü-cken lässt. Gleichzeitig ist es zu einem Lexikon der zeitgenössi-

schen Architekturszene herange-wachsen, das einen repräsentati-ven Querschnitt darstellt. Namen wie PPAG Anna Popelka und Georg Poduschka, awg_Alles-WirdGut, BEHF, Gregor Eichinger von ehemals EOK, die französi-schen Architekten Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal oder Ar-kan Zeytinoglu schrieben die jüngsten Kapitel dieser Ge-schichte, die vielleicht auch noch die nächsten 300 Jahre Österreich und die ganze Welt in Atem hal-ten, überzeugen, begeistern wird. Die nächsten Dekaden können kommen. ❙

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Daniela Enzi, interimistische Leiterin des Muse-umsQuartiers, mit CITY im Gespräch – über Ver-gangenheit, Gegenwart und Zukunft.

City: Wenn Sie an den Anfang zurückdenken, hätten Sie mit ei-ner so fulminanten Entwicklung des MuseumsQuartier gerech-net?

Daniela Enzi: Das Museums-Quartier hat alle Erwartungen übertroffen. Als es 2001 eröffnet wurde, rechnete man mit rund einer Million Besuchern in den Institutionen, heute zählen wir 3,6 Millionen pro Jahr. Ein Großteil davon kommt aus Wien, das beweist, dass das MuseumsQuartier nicht nur ein beliebtes Ziel für Touristen ist, sondern auch ein Zentrum der Kultur und Erholung für die Wiener und Wienerinnen im Zentrum der Stadt.

City: Realisiert wurde leider nur die „abgespeckte“ Version. Was hätte aus Ihrer Sicht verwirklicht werden sollen?

Daniela Enzi: Als das Muse-umsQuartier eröffnet wurde, wäre ein Bau wie der „Lese-turm“ ein deutlich sichtbares Signal nach außen gewesen, um es zu bewerben. Heute ist das nicht mehr notwendig, denn das  MuseumsQuartier ist über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Dennoch wäre es schön ein architektonisches oder künstlerisches Zeichen zu ha-ben, um zu zeigen, dass hinter den barocken Fassaden moderne und zeitgenössische Kunst und Kultur stattfi ndet.

City: Was be-deutet das Mu-seumsQuartier für Wien?

Daniela Enzi: Es ist ein Symbol für das moderne, zeitgenössische und kreative Wien. Jedes Jahr genießen tausende Touristen die weltweit einzigartige Atmo-sphäre dieses Areals sowie die Möglichkeit, einen Kulturbesuch mit Entspannung und urbanem Szene-Flair zu verbinden.

City: Und für Sie persönlich?

Daniela Enzi: Für mich ist das MuseumsQuartier ein gelunge-nes Beispiel dafür, auch junge Leute für Kunst und Kultur be-geistern zu können. Durch die vielen Kulturveranstaltungen in den Höfen, wie Lesungen, Film-festivals oder Musikprogramme, die bei freiem Eintritt stattfi n-den, bieten wir unseren Besu-chern einen unkonventionellen Zugang: Man kann Kultur kon-sumieren, muss es aber nicht.

City: Wie sieht die Zukunft des MuseumsQuartier aus?

Daniela Enzi: Unser Ziel ist es, unseren Besuchern auch weiter-hin ein umfangreiches und ab-wechslungsreiches Programm zu bieten. Gleichzeitig sollen das dreidimensionale Konzept des MuseumsQuartier – Kunstraum, Schaffensraum, Lebensraum – weiter fortgeführt und noch mehr als bisher Kunstprojekte im öffentlichen Raum gefördert werden.

10 JAHRE MQ Zwei Buchstaben, die die Stadt dieses Jahr besonders be-wegen: Das MQ feiert zehnten Geburtstag. Die Geburt war alles andere als leicht. I barbara jahn

01 Wegweiser (Foto: Ali Schafl er) 02  MUMOK (Foto: MUMOK) 03 Zoom (Foto: Cathrine Stukhard ZOOM Kindermuseum) 04 Wagner Raum (Foto: LEOPOLD MUSEUM Wien Promota) 05 Klanghimmel (Foto: Paul Frank)

Chronologie eines architektonischen Abenteuers1713 Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) plant Hofstallge-bäude am Glacis vor dem äußeren Burgtor. Beginn der Bauarbeiten 17191725 Fertigstellung der Hauptfront1850 – 1854 Umgestaltung der Hofstallungen durch Leopold Mayer, Erweiterung um Winterreit schule und Sommerreitbahn1919 Versteigerung eines Großteils der Hofstallungen 1921 Hinter der Winterreithalle wird eine große Halle errichtet 1922 Bezeichnung „Messepalast“1946 Im Haupthof werden zwei große Hallen errichtet1983 Konzept für ein Kulturforum1986 Ausschreibung der ersten Stufe eines Architekturwettbewerbs mit Aus-stellungshalle und Museum Moderner Kunst. Die Jury ermittelt sieben Preisträ-gern, darunter die Brüder Laurids und Manfred OrtnerJuni 1989 Start der zweiten Wettbe-werbsphaseApril 1990 Die Jury empfi ehlt ein-stimmig den Ortner-Entwurf zur Aus-führung. Er sieht u.a. zwei Türme vor1995 Neuplanung. Kubatur um die Hälfte verkleinert, „Leseturm“ gekappt. Das MUMOK verliert ein Stockwerk, die Grundfl äche ist um 25% kleiner1997 Baubewilligung und positiver Bescheid des Denkmalamts. Dezember Spatenstich1998 BaubeginnJuni 2001 Abschluss der Bauphase I, offi zielle Eröffnung des ArealsSommer 2002 Das Architektenteam PPAG kreiert das Sitzmöbel „Enzi“September 2002 Abschluss der Bauphase II d.h. Renovierung des historischen Fischer-von-Erlach-TraktsOktober 2003 Abschluss der Bau-phase III, Renovierung der Räume im Mittelrisalit (Barocke Suiten)Oktober 2004 Fertigstellung MQ West, Breite Gasse

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stadt im höhenrauschSWINGING LONDON Seit der Jahrtausendwende erlebt London einen neuen Hochhausboom. Zurzeit sind im Finanzdistrikt mehr als 30 Bürohochhäuser von mehr als 150 m Höhe in Bau. Engagierte Architekten planen und bauen aber auch für die Bevölkerung jenseits von Börsen und Banken. I iris meder

Man könnte meinen, im fi ebrigen New York der Dreißiger zu sein. Damals wetteiferten Empire State und Chrysler Building um die Re-kordmarke des höchsten Gebäu-des der Welt. Heute heißen die Ehrgeizlinge „The Shard“, die Scherbe, und „The Pinnacle“, die Zinne. Überhaupt scheint die City of London, das Finanzzentrum der Stadt, eine einzige Baustelle zu sein. Beinahe verzwergt wir-ken da Landmarks wie „The Gherkin“, das Gewürzgurkerl, bürgerlich Swiss Re Building, 2001-04 gebaut vom Architekten Lord Norman Foster und mit läp-pischen 180 m knapp zwei Drittel so hoch wie Scherbe und Zinne. Wegen seiner wackligen Themse-Fußgängerbrücke hinüber zur Tate Modern wird Foster gerne auch „Lord Wobbler“, Lord Wack-ler, genannt. Fast harmlos mutet da der Kosename „Inside-Out Building“ für den High-Tech-Bü-roturm der Versicherung Lloyd‘s of London an, entworfen 1978-86 von Fosters ehemaligem Partner, dem (mittlerweile zum Lord ge-adelten) Architekten Richard Ro-gers.

Glasscherbe, Zinne und KäsereibeAuch heute bauen die Großen der englischen Architektur in Lon-dons Zentrum. Von Rogers stammt der Entwurf der steilen Pyramide des „Shard“, die an der London Bridge emporwächst. Ihre 310 Höhenmeter werden auf 71 Etagen ein Restaurant, ein Fünf-Sterne-Hotel, Luxuswohnungen und vor allem Büros beherbergen. Der offi ziell Bishopsgate Tower genannte „Pinnacle“, geplant vom New Yorker Ar-chitekturbüro Kohn Pederson Fox und Heimat für 88 000 qm Bürofl äche, wird zwar nur 288 m und 63 Stock-werke hoch, da-für aber etwas früher fertig als die Scherbe und darf sich so wohl zumindest eine Zeitlang als (nach dem Mercury City Tower in Moskau) zweit-höchstes Gebäude Europas fühlen – auf jeden Fall aber als Bau mit der größten Solarzellenfläche Englands. Kohn Pedersen Fox bauen gerade auch den Heron To-wer (46 Stockwerke), der New Yorker Architekt Rafael Vinoly „The Walkie-Talkie“ (36 Stock), Lord Rogers „die Käsereibe“ (Lea-denhall Building) mit 48 Etagen, während sich das vom Pariser Ar-chitekten Jean Nouvel entwor-fene Bürohaus „One New Change“ wohl nur wegen seines Standortes gegenüber St. Paul‘s Cathedral mit einer bescheidenen Höhe begnügt.

Megacity London400 000 m2 Bürofl äche sind zur-zeit in der City in Bau, ein Viertel davon vermietet; im gesamten Zentrum von London sind es fast eine Million Quadratmeter. Die Vermietungsumsätze steigen, so die Makler, und auch Wohnraum gibt es: In Rogers‘ kürzlich fertig-gestellten NEO Bankside Towers nahe der Tate Modern, die zu den

teuersten Wohnlagen der Stadt gehören, richtete die Lifestyle-Zeitschrift Wallpaper jüngst zwei todschicke Muster-Apartments ein.London war im Grunde die erste asiatische Megacity auf europäi-schem Boden. Im 19. Jahrhundert explodierte die Bevölkerungszahl der im Zuge der industriellen Re-volution fl orierenden Stadt. 1939 war mit 8,6 Millionen Einwoh-nern ein kaum noch erträgliches Bevölkerungsmaximum erreicht.

Als sich die Stadt unkontrolliert in das Umland aus-zudehnen drohte, schuf man 1965 die Verwaltungsre-gion „Greater London“, mit heute etwa 14 Millionen Ein-wohnern – Lon-

don selbst hat derzeit 7,5 Millio-nen. 1981 startete ein großes Stadtentwicklungsprogramm u. a. mit dem Ausbau von Canary Wharf und der Isle of Dogs, ver-nachlässigten Industriebrachen im Osten der City.

Armer OstenEast London ist immer noch ein sozial schwaches Gebiet. Durch die Olympischen Spiele soll die Gegend nachhaltig aufgewertet werden. Aber auch jenseits der Olympics tut sich einiges. So wird derzeit der „London Sustainable Industries Park“ in Dagenham er-schlossen, ein von der London Thames Gateway Development Corporation beauftragtes und vom Architekturbüro Sergison Bates entwickeltes langfristiges Konzept eines nachhaltigen, CO2-neutralen, energieautarken Ge-werbegebiets mit optimaler Öko-bilanz. In dem 142 ha großen Industriegebiet am Fluss soll ein Verkehrskonzept mit öffentlicher Anbindung, Rad- und Fußwegen die Mitarbeiter der Technologie-unternehmen von einer Anreise mit dem Auto abhalten. Das Zür-

cher Büro Vogt Landschaftsarchi-tekten entwickelte mit den Archi-tekten eine Freiraumplanung mit 40 m breiten Baumstreifen sowie Blumen, Gräsern und Kräutern, die dazu beitragen, den kontami-nierten Boden zu reinigen.

Mehr als nur BankenJonathan Sergison und Stephen Bates haben sich bei dem Projekt nicht das erste Mal mit East Lon-don beschäftigt. So entstand 2008

eine städtische Wohnhausanlage in Canning Town im Stadtteil Ne-wham. Die 2- bis 3-Zimmer-Woh-nungen haben sorgfältig geplante Grundriße mit fl exiblen, nut-zungsneutralen Zonen. Alle ver-fügen über große, raumhohe Fenster und Balkon oder Loggia. Außen tragen die Gebäude eine langlebige Ziegelhaut, wie man sie aus den historischen englischen Arbeiter-Wohnvierteln kennt. Innen ist die Wohnqualität aber trotz aller fi nanziellen Einschrän-kungen erstklassig. Die Stadt besteht eben nicht nur aus Ban-ken. ❙

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In Wien geht man auf einen Kaffee, in London mit einem Kaffee. Zeit ist nach Geld wohl das wich-tigste Gut. Der Londoner läuft daher ständig der Zeit hinterher – daran erkennt man ihn. Öfter je-doch sitzt er in U-Bahn und Bus oder steht gedul-dig in Warteschlangen – und bleibt freundlich: Da-ran erkennt man ihn auch. Hat man es als „Newbie“ (das ist man mindestens vier Jahre lang) einmal eilig und versteht nicht, warum der Schicht-wechsel am Ticketschalter gerade bei einem selbst vollzogen wird, während hinten keiner mehr steht, erntet man schnell ein „That‘s so continental!“. Auch territoriale Kriterien sind wichtig. Grob wird in Ost und West geteilt, was durchaus mit dem Ge-fälle von West- und Osteuropa zu vergleichen ist (Österreich liegt östlich ungefähr zwischen Stoke Newington und Bethnal Green). Gemäß dem Rat von Vivienne Westwood werden Kleidungsstücke

so lange getragen, bis sie von den Füßen oder Schultern fallen. Da-bei ist nicht festzustellen, ob die löchrigen Schuhe und abgetrage-nen Jacken auf Mangel oder Überschuss (an Coolness) zurück-zuführen sind. Aber das ist auch ziemlich egal – in London kann man sich alles er-lauben, ohne abschätzende Blicke zu ernten. Inter-esse aber schon: Als Kate Middleton aus dem Hoch-zeitsauto stieg, brach die Website der BBC zusammen – 34 Millionen Briten wollten ihr Kleid sehen (nicht den Kuss!). London wird man wohl nicht so schnell verstehen. Aber das muss man auch nicht immer. Manuela Hötzl ist Architekturkritikerin und -theoreti-kerin. Sie lebt derzeit als Studentin (MA Research Architecture, Goldsmiths) in East London.

> 400.000m2 Bürofl äche sind zurzeit in Londons

CIty in Bau <

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01 „Shard“, die Glasscherbe, entworfen von Richard Rogers, wächst direkt bei der London Bridge bis auf 310 Meter in die Höhe. (Rpbw, Renzo Piano Building Workshop)02 Das 240 Meter hohe Leadenhall Building („The Cheese Grater“) von Lord  Richard Rogers entsteht in unmittel-barer Nachbarschaft zum Swiss Re Building („The Gherkin“) von Konkur-renten Sir Norman Foster. (British Land)03 Wohnqualität trotz Einschränkungen: Wohnhausanlage in Canning Town, Stadtteil Newham, 2008 vom Architektur-büro Sergison Bates entworfen. (David Grandorge)

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Eigentlich ist die Geschichte des rechten Flussufers alles andere als glamourös. Der Mittelpunkt der Politik fand seit jeher auf der anderen Seite seinen Repräsentations-ort. Das Parlament, die Residenz des Premi-erministers - besser bekannt unter Dow-ning Street Nr.  10, und der Sitz des Königshauses, der Buckingham Palace, sie alle befi nden sich am linken Ufer der Themse. The City of London hatte eben schon früh ihre eigenen Rechte. Jenseits des Flusses hingegen herrschte lange Ruhe. Die Häuser fädeln sich entlang enger kopf-steingepfl asteter Gassen, die so schmal sind, dass gerade mal ein Auto durchfahren kann. Jahre vor dem Milleniumswechsel wiegte sich das Viertel in stiller Ruhe. „Die Southbank war kein Ort, der in Reisefüh-rern erwähnt wurde. Es war fi nster, die Straßenbeleuchtung schummrig, die Stim-mung sogar leicht beklemmend und es wa-ren kaum Leute auf der Straße“, beschreibt Monika Krzizala ihre Eindrücke aus ihren ersten Londonbesuchen. Sie kennt die Stadt schon seit ihrer Schulzeit. Nach wie vor fährt sie regelmäßig und begeistert im-mer wieder hin. Doch in den 1980er Jah-ren ignorierte das Stadtmarketing dieses Viertel an der Biegung der Themse völlig. Nicht zuletzt deswegen, weil es in den Jahrhunderten zuvor ein zwielichtiges Image erworben hatte. Bordelle und Spiel-höllen in Form von Tierwettkämpfen wie

dem „Bear baiting“, bei dem Kampfhunde auf einen krallen- und fangzahnlosen Bä-ren gehetzt wurden, fanden hier ihre Un-terkunft. Und da ist auch noch die Themse, die zeitweise weniger ein Fluss als eine Kloake war. Manche Sitzungen des Unter-hauses in Westminster mussten vor der Ka-nalisierung unterbrochen werden, weil der Gestank nicht auszuhalten war. Doch auch Shakespeares Globe Thea-tre siedelte sich im 17. Jahrhundert hier an. Seine Geschichte ist eine durchaus durchwachsene. Wohl wirkte an dem Ort William Shakespeare höchstpersönlich als Schauspieler und Teilha-ber, doch Vernichtung und Aufbau des Gebäudes wechselten einander ab. 1997, zum 300 Jahr Jubiläum, wurde es endgültig rekonstruiert.

Glanz im neuen JahrtausendDie Milleniumsfeierlichkeiten brachten ei-nen Umschwung. „Die Southbank wurde zum offi ziellen Entwicklungsgebiet“, resü-miert die jahrelange Londonliebhaberin Monika Krzizala, „das London Eye wurde aufgestellt, die Tate Modern ergänzt das Museumsangebot und die Künstlerszene hat einen neuen Anziehungspunkt.“ Vom weltgrößten Riesenrad aus kann man ein Auge auf die Innenstadt werfen. Ein Sea Life Aquarium beherbergt etliche Meeresle-

bewesen, was auch gar nicht einmal so weit hergeholt ist. Schließlich ist die Themse ein Gezeitenfl uss, dessen Wasser-stände durch die Nordsee ständig schwan-ken, das Wasser ist leicht brackig, weil salz-haltig. Von dem Tidenhub merkt man allerdings seit 1980 nur mehr wenig. In Woolwich Reach wurde ein Sperrwerk er-richtet, um die schweren Flutwellen aus der Nordsee abzuwehren. Immer wieder gab es Katastrophen mit etlichen Toten. Mit der „Zähmung“ des marin beeinfl ussten Flusses konnten auch Schiffsanlegestellen eingerichtet werden, öffentliche Verkehrs-mittel benutzen die Wasserstraße. Die so genannten Thames Clippers setzen als schnelle Bootsverbindungen die Menschen von Waterloo nach Greenwich über. Der

Gabriels Wharf zieht mit seinen Bars, Cafés und Geschäften mit Blick aufs Wasser Schlenderer, Genießer und Schaulustige an. Der Bezirk wandelte sich von der ver-gessenen Seite im Schatten der pompösen Prunk-, Palast- und Politikszene zum viel-besuchten Ausgehviertel. Altes kontrastiert Neues. So gesellte sich zum traditionellen Old Vic Theatre das Young Vic als Veran-

staltungsort für junge Talente hinzu. Etliche Ga-lerien bringen zeitgenössi-sche Kunst, es gibt ein Imax Kino neben dem BFI Southbank Filmcenter. „Wie lange habe ich frü-her nach bestimmten Or-ten gesucht“, erzählt Mo-nika Krzizala, „nichts war

angeschrieben, kein Wegweiser weit und breit.“ Davon kann heute keine Rede mehr sein. Individuell zusammengestellte Stadt-routen, die über soziale Netzwerke kom-muniziert auf das Handy geladen werden können oder nach eigenen Vorlieben kom-poniert werden, sind die moderne Form der Reiseplanung. Längst spielt die South-bank Webadresse alle Stückeln der elektro-nischen Vermittlung.

Hedonismus purDie Qualität des urbanen Gewässers be-ginnt sich in sämtlichen Lebensbereichen durchzusetzen. Gern fällt in diesem Zusam-menhang auch der Begriff Künstlerenklave. Das Savoir-vivre auf Englisch fi ndet immer mehr Anhänger. Schon sprießen die Festi-vals aus dem Boden. Von Juni bis Septem-ber 2011 spielt das Old Vic Theatre unter der Leitung von Kevin Spacey Shakes-peares Richard III. Im Juli fi ndet das Lon-don Literatur Festival statt, ebenso das Vin-tage Festival. Und bis in den Herbst hinein spielt es sich zwischen Gabriel’s Wharf, Oxo Tower Wharf and Bernie Spain Gardens or-dentlich ab: Straßentheater, Musik und Performances beleben die Flussufer. Da bräuchte es fast gar nicht mehr das 60-jäh-rige Kronjubiläum von Queen Elisabeth. Aber so ist es doch dankbarer Anlassgeber für Veranstaltungen aller Art. Ob mit Fami-lie oder mit Freunden, mit Kunstbesonnen oder Lebenskünstlern, das Angebot reicht von kulinarischen Höhepunkten bis zu di-versen Wellnessaktionen. Dass London an der Themse liegt, lernt man wohl schon in der Schule, was das aber konkret bedeutet, musste auch die englische Metropole erst herausfi nden. ❙

> Link www.southbanklondon.com

vom anderen ufer der themseSOUTHBANK Im April fokussierten sich die Kameras auf die royale Hochzeit des Jahres diesseits des Flusses. Kate Middleton und Prinz William gaben sich in der Westminster Abbey das Jawort. Nach dem Großereignis erweitert sich der Blick auf die andere Seite der Themse, der bunten Welt der Southbank.

01 Das London Eye ist nicht nur Europas größtes Riesenrad, es bietet auch den besten Ausblick über die Metropole an der Themse02 Shakespears Globe Theatre wurde zum 300 Jahr Jubiläum endgültig wieder aufgebaut, nachdem es et-liche Male zerstört worden war03 Die vielfältige Museumslandschaft erhält mit der Tate Modern einen weiteren Anziehungspunkt04 Auch das 2002 vom Londoner Architekten Nor-man Foster entworfene Rathaus von London steht an der Southbank.05 Zur Ausspannung für zwischendurch lädt die Uferpromenade ein, wo Veranstaltungen und Lokale für Abwechslung sorgen

> Die City of London hatte eben schon früh ihre eigenen Rechte. Jenseits des Flusses hingegen herrschte

lange Ruhe. <

> Die Milleniumsfeierlichkeiten brachten den Umschwung.

Der Bezirk wandelte sich zum vielbesuchten Ausgehviertel. Altes kontrastiert Neues. <

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architektur für londons zukunftOLYMPIA 2012 Die in London entstehenden Bauten für die Sommerspiele sollen dauerhafte ökologische, aber auch infrastrukturelle und sozialpolitische Auswirkungen haben. Dazu kommt ein hoher architektonischer und künstlerischer Anspruch.

London hat für das Jahr 2012 Olympische Spiele der Nachhal-tigkeit angekündigt. Die wenig später am selben Ort stattfi nden-den Paralympics sind bereits Teil dieser Nachhaltigkeit. Barriere-freiheit war demgemäß Voraus-setzung. Aber nicht nur: Nachhal-tigkeit heißt ganz unspektakulär auch, dass bestehende Infrastruk-tur genutzt und permanente Neu-bauten nur bei gesicherter Nachnutzung errichtet werden. Außer der Kernzone in East Lon-don sind also auch andere Schau-plätze in das Konzept eingebun-den – so etwa Wimbledon für Tennis und Eton für Rudern.

Konzept „One Planet Living“Für London geht es vor allem da-rum, die Lebensqualität im infra-strukturschwachen Lower Lee Valley dauerhaft zu steigern. Ba-sierend auf dem Konzept „One Planet Living“ gründen sich die Planungen auf fünf Kernthemen, deren Berücksichtigung von einer unabhängigen Kommission über-prüft wird: Minimierung von CO

2-Emissionen, Müllvermei-

dung, Biodiversität – Habitats sol-len erhalten bleiben und neue ge-schaffen werden –, Involvierung breiter Bevölkerungsschichten mit dem Ziel ethnischer und sozialer Vielfalt und schließlich die Propa-gierung eines nachhaltigen, ge-sunden Lebensstils.Den Bewohnern brachten die Pla-nungen zunächst einmal eine Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanbindung sowie ein Netz von Fuß- und Radwegen. Das neue Umspannwerk (Entwurf NORD architects), in dessen Zie-gelmauern Vögel nisten sollen, wurde schon Ende 2009 fertig, wenig später die von John Lyall Architects entwor-fene Kläranlage mit blau beleuchtetem Turm, Gründach und Fledermaus-höhlen sowie ein vom Londoner Ar-chitekturbüro John McAslan & Partners geplantes Biomasse-Holzschnitzel-Heiz-werk.

Olympic Park auf ehemali-gem IndustriegeländeAbgesichert durch einen hohen Bauzaun entstehen die olympi-schen Neubauten im 2,5 km² gro-ßen „Olympic Park“. Gemäß dem Masterplan der Architekten Allies & Morrison werden, an die große Tradition englischer Gärten an-knüpfend, auf dem dekontami-nierten früheren Industriegelände Wasserläufe gereinigt, mehr als 4000 heimische Bäume gepfl anzt, Feuchtbiotope und Wildblumen-

wiesen angelegt und damit, vor allem im Nordteil, Lebensräume für Amphibien, Reptilien, Vögel und Insekten geschaffen. Der Südteil wiederum sieht einer Nachnutzung mit Veranstaltungs-fl ächen und Cafés entgegen. Für heftige Kontroversen im Park sorgt eine 115 m hohe rote Turm-

Spirale, entworfen vom Turner-Preisträger Anish Kapoor und dank der Finanzierung durch den indischen Stahlmagnaten Lakshmi „ArcelorMittal Orbit“ ge-nannt.

Ansammlung von Spitzen architekturDer größte Bau im Park ist das spinnenartig über dem Wasser sit-zende, über fünf Fußgängerbrü-cken zugängliche Olympiastadion, entworfen von der Designer-gruppe Populous, gemeinsam mit dem englischen Architekten Peter Cook. Den 25.000 permanenten Plätzen des Stadions wurde eine temporäre leichte Stahlbetonkon-struktion mit weiteren 55.000

Plätzen aufgesetzt. Das Brücken-system, das während der Spiele der Hauptzugang zum Park ist, bildet gleichzeitig einen Teil des Dachs des von Zaha Hadid ent-worfenen wellenförmigen Aqua-tics Centre. Der elegante holzver-kleidete Bau des für die Kanu-Slalom-Bewerbe von Faul-knerBrowns Architects geplanten „Lee Valley White Water Centre“ wird bereits seit April genutzt.Weiter stehen im Park die Basket-ball Arena (Planung: Wilkinson

Eyre / KSS Design Group), eine leichte, helle Fachwerkkons-truktion und mit 12  000 Plätzen der drittgrößte Bau auf dem Gelände, die Handball Arena (Make Architects / PTW / Ove Arup), ein Quader mit kup-ferverkleidetem

Stahlrahmen und natürlicher Be-lichtung über 88 Deckenöffnun-gen und das von Michael Hopkins

Architects entworfene Velodrom mit emporschwingendem doppelt gewelltem Stahldach – so soll auch die nordwestenglische Stah-lindustrie unterstützt werden.

Für Nachnutzung ist gesorgtGroßes Lob, auch von der Emi-nenz der britischen Architektur Lord Richard Rogers, kommt vor allem für das Stadion, während das Medienzentrum, eine giganti-sche Schachtel für 20 000 Journa-listen und Catering-Zentrum für täglich 50 000 Mahlzeiten, nicht nur von Anwohnern kritisch be-urteilt wird. Sie äußern die Ver-

mutung, dass sich die ersehnten Technologieunternehmen garan-tiert woanders ansiedeln würden, sollten deren Vertreter die trostlo-sen Räumlichkeiten sehen. Schließlich wurde als kosmetische Maßnahme die Außenhaut des Baus überarbeitet – mit einem Schachbrettmuster.Ob die Unternehmen nun kom-men oder nicht – im Olympischen Dorf, das von mehreren Architek-ten in das Freiraumkonzept des Zürcher Büros Vogt Landschafts-architekten eingebettet wurde,

stehen nach dem Auszug der 17.000 Sportler, Trainer und Funktionäre 2.800 neue Wohnungen, davon die Hälfte So-zialwohnungen, zur Verfügung, die auch von der Infrastruktur mit Läden, Restau-rants und Poliklinik profitieren. Zur Wohnsiedlung ge-hört auch das von den Architekten All-ford Hall Monaghan Morris geplante Schulzentrum „Chobham Aca-

demy“. Nicht zuletzt das wird für ein lebendiges neues Stadtviertel sorgen. ❙

+ + city PEOPLE + + + city PEOPLE + + + city PEOPLE + + + city PEOPLE + + + city PEOPLE

Im Vergleich zu London fühlte sich Wien in den ers-ten Monaten zu langsam an. Mit der Zeit realisierte ich aber, dass man in Wien in einer normalen, menschlichen Geschwindigkeit lebt und in London eine unnatürliche Geschwindigkeit herrscht. Es gibt zweifellos mehr Möglichkeiten im Bereich der Kul-tur in einer Stadt wie London, die Arbeits- und Le-bensqualität ist in Wien aber ganz anders. In der Stadtentwicklung gibt es zwar Ähnlichkeiten, aber

auch große Unterschiede. Und ich hoffe sehr, dass gerade diese Unter-schiede bleiben.

Jasper Sharp ist Kunsthistoriker und Kurator. Nach London, Venedig und New York lebt er seit 2006 in Wien, wo er als Kurator für Moderne und Zeitgenössische Kunst im Kunsthistorischen Museum arbeitet

01 + 02 Aquatic Center für Olympia 2012

03 + 04 Velodrome 05 Handballarena

Foto: A

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text I iris mederfotos/renderings I London 2012

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Terence Conran kennt beinahe jeder. Tom Dixon auch. Von Tricia Guild gar nicht erst zu reden. Diese Namen sind jedem design-sinnigen Ohr geläufi g. Zwangsläufi g redu-ziert sich die britische Gestaltungsland-schaft auf ein paar Stars, die dem britischen Design auf die Sprünge geholfen haben, denn sie haben es geschafft die Blümchen-Tapete salonfähig zu machen, den Chester-fi eld-Stil an das dritte Jahrtausend anzu-passen und mit einem Schuss Ironie die Kreativszene auf der Insel aufzumischen. London leistet sich sogar ein eigenes De-sign-Museum, ein eindeutiger Beweis da-für, dass hinter den altehrwürdigen Mau-ern der Docks und Wharfs entlang der Themse mehr kreatives Potenzial stecken muss, als der Durchschnittverbraucher überhaupt erahnen kann. Und es ist ziem-lich wahrscheinlich, dass gerade dieser auch schon ein Stück „besessen“, „begrif-fen“ oder in Augenschein genommen hat, auf dessen Etikett nicht gerade Namen wie Conran, Dixon oder Guild stehen.

Zwei Strategien – ein WegGanz egal, was auf sie auch zukommt, die beiden packen´s an: Luke Pearson und Tom Lloyd sind seit 1997 mit ihrem eigenen und unter anderem auch preisgekrönten Lon-doner Designstudio unterwegs zu neuen Herausforderungen. Eigentlich ist es genau umgekehrt, denn die Herausforderungen kommen zu ihnen. Ihr Repertoire reicht von der Gestaltung von Möbeln, Leuchten und Gebrauchsgegenständen bis hin zu Konzepten für Interieurs und öffentliche Plätze, vieles davon wurde mit den höchs-ten Designauszeichnungen belohnt. Und die Namen ihrer Auftraggeber können sich ebenfalls sehen lassen, denn sie heißen Ar-temide, Bene, Classicon, Fritz Hansen, Knoll International, Lufthansa, Walter Knoll oder Virgin Airlines. Das Erfolgsge-heimnis dieser harmonischen „Design-Ehe“ liegt wohl in der speziellen Art, wie die bei-den miteinander umgehen – in ihrer Her-angehensweise völlig unterschiedlich, er-gänzen sie einander perfekt und pfl egen den intensiven Dialog und die tiefe Ausein-andersetzung mit den Aufgaben, die auf sie zukommen. Arbeitsteilung halten die bei-den für nicht sinnvoll, zu sehr schätzen sie

die Inputs und die Kritik des anderen. „Wir mögen die Komplexität von Beziehungen, die Komplexität der Produktion und die Komplexität der Branchen“, sagt Tom Lloyd, der Möbeldesign in Nottingham und Industriedesign am Royal College of Art studierte. Dort lernte er sein späteres Alter Ego Luke Pearson kennen, der das Fach Möbeldesign belegt hatte und Industrie-design am Central Saint Martins Col-lege of Art ebenfalls mit dem Mas-ter abschloss. Dem Royal College of Art in London sind beide bis heute treu geblieben, als Gastdozenten. Wie Tom Lloyd ist auch Luke Pear-son davon überzeugt, dass sich die Disziplinen Indus-trie-, Möbel- und Pro-duktdesign intelligent mit-einander verknüpfen lassen: „Einer der interes-santesten und zugleich wich-tigsten Aspekte im Designpro-zess ist immer die Augen offen zu halten und ständig neue Infor-mationen zu sammeln. Man sollte nie davon ausgehen, dass man bereits alles er-fasst hat.“

Zwei Namen – ein GedankeWie fruchtbar müssen die Neunziger Jahre am Royal College of Art in London gewe-sen sein? Denn auch Edward Barber and Jay Osgerby machten dort beide ihren Ab-schluss. Allerdings in Architektur und In-nenarchitektur. Doch die Brücke zum De-sign war bald geschlagen: Schon bei ihren Diplomarbeiten setzten sie sich mit dem großen Thema De-sign auseinander. Noch intensiver dann da-nach, als sie immer wieder versucht haben, die richtigen Ob-jekte für die von ihnen gestal-teten Räume zu finden. Das stellte sich jedes Mal als sehr schwierig heraus, und so begannen sie, die für sie „richti-gen“ Möbel einfach selber zu entwerfen. Begonnen hat alles ebenfalls 1997, als auf der „100 % Design“ ihr Tisch „Loop“ ent-deckt wurde, der Teil eines Restaurantpro-jektes gewesen war. Niemand geringerer als der italienische Design-Zampano Giulio Cappellini war von dem mit spartanischem Surrounding präsentierten Tisch dermaßen fasziniert, dass er ihn sofort produzieren wollte. Jasper Morrison ist Zeuge. In der Zwischenzeit gehören auch sie zu den ge-

fragtesten zeitgenössischen Designern. Auch sie lassen sich aber nicht in eine be-stimmte Schablone quetschen, sondern verstehen sich viel mehr als Schnittstelle von Industriedesign, Möbeldesign und Ar-chitektur. Eine Qualität, die neben Cappel-lini auch Vitra, Classicon, Established & Sons, Flos und Venini, aber auch Stella Mc-

Cartney, H&M, Paul Smith und Damien Hirst erkannten, für die die beiden

Designer unter dem Label Univer-sal Design Studio ihre Architek-

turprojekte durchzogen. Der Name BarberOsgerby hinge-gen ist und bleibt aus-schließlich dem Design vorbehalten. Man soll die Dinge eben nie unnötig miteinander vermischen.

Ein Mann – viele Talente

Der geborene Londoner Mi-chael Sodeau studierte Pro-

duktdesign am Central Saint Martins College of Art & Design,

wo er 1994 graduierte. Er war ein Gründungsmitglied von Infl ate, und auch

er startete schließlich 1997 mit seinem ei-genen Designstudio „Michael Sodeau Part-nership“ voll durch. Und er konnte durch sein Multitalent viele Hersteller für sich ge-winnen, darunter Abet, Architectural Ligh-ting, Asplund, Gervasoni, Isokon Plus, Liv‘it, Magis und Modus sowie Offecct, Ro-yal Doulton, SCP, Swedese, Tronconi, Tho-net Vienna und Wedgwood. Doch das ist

für ihn noch immer nicht genug Arbeit: Michael Sodeau kuratiert Aus-

stellungen in Großbritan-nien und den großen

Städten der ganzen Welt, gestaltet

Messestände, entwirft Res-taurants und Geschäfte und

entwickelt Mar-kenidentitäten,

Grafi ken und Web-Design. Daneben blieb

ihm sogar noch ein bisschen Zeit, ein Buch mit dem Titel

„Once upon a line“ zu verfassen und dafür zu sorgen, dass einige seiner Entwürfe in der ständigen Sammlung des „Victoria & Albert Museums“ zu sehen sind.

Ganz ehrlich? Es gibt etwas, was diese Her-ren so sympathisch macht. Sie schreien nicht am lautesten, wenn es darum geht, einen Auftrag zu ergattern. Sie blühen fast im Verborgenen und sind trotzdem präsen-ter als so manch anderer. Echte Gentlemen eben. ❙

> Infoswww.barberosgerby.comwww.michaelsodeau.comwww.pearsonlloyd.com

city design

mister, master, musterknabenKREATIVES LONDON Briten ticken manchmal anders. Ja. Aber sie lachen nicht nur im Keller und stri-cken dabei Design für Backyard-Architektur. Man muss nicht zweimal hinsehen, um die wahren Qualitäten der britischen Designer herauszufi nden und um zu verstehen, wie gut sie eigentlich wirklich sind.

text I barbara jahnfotos I hersteller

PearsonLloyd entwarfen unter anderem den Stuhl „Lox“ für Walter Knoll, den Sessel „Eleven“ für Alias und das System „Parcs“ für Bene (v.l.n.r.).

Aus der Feder von Barber & Osgerby stammen der Kleiderständer „Saturn für“ Classicon und

der Stuhl „Tip Ton“ für Vitra.

Eines der bekanntesten Produkte von Michael Sodeau (o.) ist der Drehstuhl „Oyster“

für Offecct.

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schmankerl zum aperitivoKREATIVES ÖSTERREICH Die Ausstellung „Design Vision Austria“ während des „Salone Internazionale del Mobile 2011“ ließ vergessen, dass zwischen Wien und dem Designmekka Mailand 800 Kilometer liegen. Öster-reich mischt mit in der internationalen Designszene. Und zwar ordentlich.

Der Deutsche Rat für Formge-bung, junges Design aus Polen und Serbien, aus Israel und aus Belgien – sie alle präsentierten sich im Rahmen des Fuori Salone in Mailand in den herunterge-kommenen ehemaligen Fabriks-gebäuden, die diesen unbestechlichen Bohemien-Charme haben. Eine Art natio-nale Mikrodör-fer, die schein-bar zur Tradi-tion werden. In der Via Bu-gatti, einer eher unschein-baren Seiten-gasse der pulsie-renden Via Tortona, sprach man österrei-chisch und zwar auf die ganz besondere Art. Die Aust-rian Design Party war nur der Auftakt einer glanzvollen Aus-stellungswoche österreichischer Gestaltungstradition, an der Un-ternehmen genauso teilnahmen wie Designer und internationale Kreative, die mit einheimischen Institutionen eng zusammenar-beiten. So reihte sich etwa Pearson Lloyds Büro-konzept „Parcs“ von Bene an Wolfgang Joops Hochlehner „Harlem“ für die Neue Wiener Werkstätte, die Kommode „Mrs. Robin-son“ von Pu-delskern nahm neben der Neu-aufl age des Uni-versalmöbels „Enzi“ von MN*LS und PPAG Platz. Wäh-rend Sitzmöbel „Dune“ von Rainer Mutsch und Pfl anzgefäß „DuneCubik S“ von Martin Mostböck – beide aus Eternit – die Gesellschaft von Phi-lipp Brunis „Pinocchio“ für die Porzellanmanufaktur Augarten spannend fanden, hielt die Mö-belgruppe High-Tech Low-Tech Furniture des Designduos Wal-king Chair neben der Serie „Vindobona“ von Claesson Koi-visto Rune ein Pläuschchen mit Thomas Feichtners „Vienna Tea-pot“, allesamt Kreationen für die

Wiener Silber Manufaktur. Kurz und gut: Eine echt gute Melange.

Schluss mit Fußstapfen-TretenEs liegt nicht nur an der gemein-samen Landesgrenze, dass sich Österreich mit Italien stark ver-

bunden fühlt. Es ist das Finger-spitzengefühl für Formge-

bung, wie es in einem Objekt von Lobmeyr

Ausdruck findet, selbst wenn dieses nicht funkelt und glitzert, sondern als nüchterner Basket von Marco Dessi von der Decke hängt und trotzdem

ebenso glänzt. Das Feinsinnige findet

man aber auch in der hauchdünnen Glasserie

von Monica Singer oder im „One Crystal Chandelier“ von Thomas Feichtner, die nicht nur die Marke Lobmeyr, sondern ihre ganze Umgebung zum Strahlen bringen. Ebenso viel Sensibilität erfordern auch Kooperationen mit Augarten und der Silberma-

nufaktur, die beide ihren Tradi-tionen stark verpflichtet

sind. Da können Produ-zenten wie Team 7

oder Bene wesent-lich entspannter sein: Sie sind zwar auch stolze Österreicher, aber bei Weitem flexibler, was die historische Verpfl ichtung

angeht. Nichts-destotrotz werden

auch hier die Desi-gner sorgfältigst aus-

gewählt. Schließlich hat man viel zu verlieren:

Österreich hat sich endlich aus dem Erbe Josef Hoffmanns und der Wiener Werkstätte be-freit und bewegt sich – dank am-bitioniertem und talentiertem Nachwuchses – selbstbewusst über das internationale Design-Parkett. Erlesen und – Verzei-hung – fast aristokratisch. Doch Aristokratie ist längst Geschichte, wenn auch die Affi nität zum Glanz alter Zeiten da und dort noch immer ein wenig durchblit-zen darf.

Wirtschaftsfaktor DesignLängst hat man auch in Öster-reich erkannt, dass man aus guter Gestaltung Potenzial gewinnen kann. Während man für den Tou-rismus immer noch alles Mögli-che unter die schützende Glasglo-cke stellt, durchdringen junge, neue Ansätze den Alltag, die eine gewisse Würze und Frische spü-ren lassen. Um das auch nach au-ßen zu tragen, durften sich die so genannten „Österreicher“ heuer bereits zum zweiten Mal im Rah-men eines Benchmark-Events präsentieren. Veranstaltet wurde die Inszenierung heimischen Könnens von der Außenwirt-schaft Österreich (AWO) im Rahmen einer Initia-tive von Wirtschafts-ministerium, Wirt-schaftskammer und in Koopera-tion mit der Ös-terreichischen Möbelindustrie und Wien Pro-ducts. „Altes Handwerk und neues Design ver-binden sich hier zu einer spezifi sch öster-reichischen, sehr quali-tätsorientierten Form von Produktkultur“, erklärt AWO-Abteilungsleiter Walter Koren.

Aufstieg zur Design-NationIn Mailand hat es sich nun ein-mal mehr herumgesprochen: „Möbel ,Made in Austria‘ stehen für die Verbindung von hand-werklichen Traditionen, span-nendem Design und industrieller Präzision. Dadurch ist eine hohe Qualität der Produkte gewährleis-tet“, heißt es von Seiten der Ös-terreichischen Möbelindustrie, die sich mit dem fulminanten Er-folg des Events sehr zufrieden zeigt. Schließlich leistet die Ver-anstaltung einen weiteren wichti-gen Beitrag für die internationale Anerkennung des Designlandes Österreich, das viel zu lange un-terbewertet war und endlich – dank potenter und vor allem ernsthafter Initiativen - wieder verstärkt wahrgenommen wird. Zudem ist gerade Italien nach Deutschland Österreichs zweit-wichtigster Exportmarkt. Was in den letzten Jahren gesät wurde, kann nun also endlich geerntet

werden, denn die wirt-schaftliche Bedeu-tung des Designs in Österreich hat sich durch diese überaus positive Entwick-lung stark ge-wandelt. Öster-reichs Möbelherstel-ler haben erkannt, dass die Positionierung durch ein star-kes Design ein ausschlaggebender Faktor für den differenzierten

Marktauftritt und den inter-nationalen Erfolg ist. Zahl-

reiche internationale Designauszeichnun-

gen sind schließlich der endgültige Be-weis dafür. ❙

> Links www.cosmit.itwww.wko.at/awo

www.wittmann.at

text I barbara jahnfotos I niels stoltenborg,

hersteller / designer

Streifl icht

Kaum zu glauben, aber wahr: Beim größten und wichtigsten Möbel-salon mischte sich lediglich ein einziges österreichisches Unternehmen in den bunten, international hoch-karätig besetzten Design-reigen: Wittmann. So ernüchternd dieses Fak-tum auch klingen mag, so eupho-

risch kann man dem tra di tionsreichen Famili-enunternehmen nur gratulieren. Mut? Nein, Mut erfordert das wahrhaft nicht. Schon gar nicht, wenn man Jean Nouvel „im Gepäck“ hat. Dessen neue Möbelkollektion „Vienna“, in Wien erst-

mals der Öffentlichkeit präsentiert, liegt mit ihrer unpräten tiösen Art ganz im Trend. Geradlinig, souverän, zurückhal-tend und vor allem auch in der neuen viel gesichteten Trendfarbe Grau setzt

sie den Menschen, der darauf Platz nimmt, in Szene. Und nicht

umgekehrt. Damit bleibt Nouvel seinen eigenen Prinzipien treu und lässt das Möbel das sein, was es sein soll: ehrlich.

„Dune“ von Rainer Mutsch für Eternit

„Harlem

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„Pinocchio“ von

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„Vienna“ von Jean Nouvel für Wittmann

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„Drawing Lamp“ von Thomas Feichtner

„Mrs. Robinson“ von Pudelskern

„Vienet“ von Copa

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Page 20: city - das magazin für urbane gestaltung 1/2011

city eventsBis 26. 8. 2011

AAAuusssstteelllluunngWienbibliothek

„Die Vermessung Wiens“ präsentiert Lehmanns Adressbücher von 1859 bis

1942 – die Vorläufer heutiger Bran-chenplattformen.

Wienbibliothek im Rathaus, Lichtenfelsgasse 2, 1010 Wien

www.wienbibliothek.at

Bis 28. 8. 2011KKiinnddder

ZOOM KindermuseumMeer, Eissalon & Co.: Das Kindermu-

seum lädt zur Mitmachausstellung „Die großen Ferien“.

ZOOM Kindermuseum, Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.kindermuseum.at

Bis 20. 9. 2011AAAuusssstteelllluunng

LIECHTENSTEIN MUSEUMMeisterwerke europäischer Malerei

aus der Hohenbuchau Collection: „Brueghel, Rubens, Jordaens...“. LIECHTENSTEIN MUSEUM,

Fürstengasse 1, 1090 Wienwww.liechtensteinmuseum.at

Bis 26. 9. 2011AAAuusssstteelllluunng

Österreichisches Theatermuseum

Die Schau „Ungezähmte Natur“ stellt Bühnenbilder aus drei Jahrhunder-

ten in den Blickpunkt. Österreichisches Theatermuseum,

Lobkowitzplatz 2, 1010 Wienwww.khm.at/oetm

Bis 30. 9. 2011SSoommmmmmeerrbbüüühhnne

Theater am SpittelbergDie Sommerbühne lockt mit Musik,

Theater, Kabarett, Kleinkunst und ei-nem Familienprogramm.

Theater am Spittelberg, Spittelberggasse 10, 1070 Wien

www.theateramspittelberg.at

Bis 2. 10. 2011AAAuusssstteelllluunng

Albertina„Die Explosion der Bilderwelt“ be-

leuchtet die Anfangszeit der österrei-chischen Fotografi e.

Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien

www.albertina.at

Bis 2. 10. 2011AAAuusssstteelllluunng

Minoritenkirche„Leonardo da Vinci: Mensch – Künst-ler – Genie“ zeigt Repliken seiner be-

deutendsten Werke. Minoritenkirche,

Minoritenplatz 2a, 1010 Wienwww.ticketorder.at

Bis 3. 10. 2011AAAuusssstteelllluunng

Leopold MuseumRund 200 Fotografi en aus drei Jahr-

hunderten präsentiert die Schau „Magie des Objekts“.Leopold Museum,

Museumsplatz 1, 1070 Wienwww.leopoldmuseum.org

Bis 16. 10. 2011AAAuusssstteelllluunng

Kunsthistorisches Museum„Götter, Menschen und das Geld der

Griechen“ zeigt Glanzstücke der grie-chischen Münzprägung.

Kunsthistorisches Museum, Maria Theresien-Platz, 1010 Wien

www.khm.at

Bis 16. 10. 2011AAAuusssstteelllluunng

Künstlerhaus„Beziehungsarbeit – Kunst und Insti-

tution“ bringt Themenbeispiele aus den letzten vier Jahrzehnten.

Künstlerhaus, Karlsplatz 5, 1010 Wien

www.k-haus.at

Bis 30. 10. 2011AAAAuussssstteeellllung

MAK„Industriemöbel – Prototypen der

Moderne“ ein kaum beachtetes Phänomen der Designgeschichte.

MAK, Stubenring 51010 Wien

www.mak.at

Juli & August 2011 (jeden Fr & Sa)

FFillmmmmffeeessttivalMuseumsQuartier

Das Filmfestival „frame[o]ut“ zeigt europäische Spiel- und Dokumentar-

fi lme sowie neue fi lmische Formen. MuseumsQuartier,

Museumsplatz 1, 1070 Wienwww.mqw.at

6. 7. bis 28. 9. 2011AAAAuussssstteeellllung

Jüdisches Museum WienSport steht im Zentrum von

„Achtung! Fertig!! Los!!! Jüdischer Sport = Maccabi-Games“.

Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien

www.jmw.at

7. 7. bis 6. 11. 2011AAAAuussssstteeellllung

KUNST HAUS WIENZum 20-jährigen Jubiläum gibt’s die

Schau „Hundertwasser – Die Kunst des grünen Weges“.

KUNST HAUS WIEN, Untere Weißgerberstraße 13, 1030 Wien

www.kunsthauswien.com

29. 7. bis 15. 8. 2011FFFeeessttival

Afrika Tage WienMit Bazar, Kunsthandwerk, Work-

shops, Trommeln und viel Musik, u. a. mit Marla Glen & Band.

Donauinsel, Floridsdorfer Brücke, 1210 Wien

www.afrika-tage.at

10. 9. 2011 bis 8. 1. 2012AAAAuussssstteeellllung

MUMOKDie Neupräsentation der Sammlung auf allen Ebenen des MUMOK trägt

den Titel „Museum der Wünsche“. MUMOK,

Museumsplatz 1, 1070 Wienwww.mumok.at

14. bis 18. 9. 2011MMMMooddeeewwwwooche

MuseumsQuartierZum dritten Mal fi ndet die

„MQ Vienna Fashion Week“ statt – mit opulenten Fashionshows.

MuseumsQuartier, Museumsplatz 1, 1070 Wien

www.mqw.at

Ab 15. 9. 2011MMMuuussical

RonacherDie Wiener Fassung von „Sister Act“

startet – mit dabei sind Ana Milva Gomes, Drew Sarich, u. a.

Ronacher, Seilerstätte 9, 1010 Wien

www.vbw.at

21. 9. 2011 bis 22. 1. 2012AAAAuussssstteeellllung

Hofmobiliendepot„Intime Zeugen. Vom Waschtisch zum

Badezimmer“ präsentiert die Ge-schichte der Körperhygiene.

Hofmobiliendepot • Möbel Museum Wien,

Andreasgasse 7, 1070 Wienwww.hofmobiliendepot.at

20. 10. bis 2. 11. 2011FFillmmmmffeeessttival

ViennaleÖsterreichs größtes Filmevent fi ndet heuer zum 49. Mal statt und bietet

jede Menge Highlights. Mehrere Kinos in der Innenstadt

1010 Wien & 1030 Wienwww.viennale.at

Klein, aber fein

Wien ist längst eine Reise wert, wenn es um zeitgenössische Architek-tur geht. Außerdem sind in den letzten Jahren einige spannende Projekte der Landschaftsarchitektur entstanden: Die Autoren Dag-mar Grimm-Pretner und Peter Zöch führen in diesem Wien-Beglei-

ter kompetent durch neue Plätze im historischen Kontext (Liechtensteinpark, Schloss Schönbrunn) oder Parks in Stadtentwicklungsgebieten (Rudolf-Bednar-Park, Monte Laa u.a.). So gut und übersichtlich dieses Büchlein auch gemacht ist, nach den vorgestellten 33 Projekten kommt man zum Schluss: In Anbetracht der Quanti-tät hat in Wien die Zeit der zeitgenössischen Landschaftsarchitektur eben erst begon-nen. An der Qualität heimischer Landschaftsplaner mangelt es jedenfalls nicht. Bar-bara Kanzian

Wien, Ein Begleiter zu neuer LandschaftsarchitekturEdition Garten + Landschaft, Callwey, ISBN 978-3-7667-1859-4

seit 01.04.

Das traditionsreiche Wachsfi gurenkabinett Madame Tussauds hat am 01. April 2011 am Riesenradplatz des Wiener Praters seine Pforten geöffnet. Unter die gesamt 65 Wachsfi guren reihen sich 27 österrei-chische Prominente aus den Bereichen Film, Fernsehen, Sport, Poli-

tik, Musik und Geschichte, die das Land auf außergewöhnliche Art und Weise geprägt haben. Realistische Kopien prominenter Persönlichkeiten fi nden sich in speziell erschaffenen interaktiven Kulissen wieder, die in der neuen Wiener At-traktion einen besonderen Stellenwert einnehmen. Wien ist damit der weltweit 12. Standort neben Städten wie London, wo Marie Tussaud im späten 18. Jahr-hundert beauftragt wurde, Totenmasken von hingerichteten Aristokraten anzu-fertigen.1884 entstand das erste Museum an der Marylebone Road.Öffnungszeiten im Wiener Prater sind täglich von 10:00 bis 18:00.Infos: www.madametussauds.com/wien

bis 03.10.

Wildwüchsiger Immobilienboom, kitschige Oligarchen-Paläste, Prunkbauten in Anlehnung an westliche Standards inmitten von Plattenbauten zählen zum heutigen Stadt- und Landschafts-bild Russlands. Doch dagegen regt sich auch Widerstand. Alex-

ander Brodsky ist die herausragende Figur einer künstlerischen und architekto-nischen Position, die sich dem Mainstream verweigert. Das Architekturzentrum Wien zeigt bis 3. Oktober eine Schau über den Querdenker: „It still amazes me that I became an architect“ präsentiert das „andere Moskau“, das in Kontrast zur Entwicklung Russlands steht. In seinen Projekten, die von klarer Einfachheit und theatralischer Stärke geprägt sind, verbindet Brodsky oft scharfe Kritik am Sys-tem mit feiner Ironie. Für das Az W hat er eine die Ausstellungshalle einneh-mende „Total-Installation“ verwirklicht, die den Besucher in ihren Bann zieht –

der Tag wird zur Nacht, die Dimensionen von Raum und Zeit scheinen sich aufzulösen, während man durch eine künstlich geschaffene archäologische Wunderkammer schreitet. Wieder ans Tageslicht zurückgekehrt, ge-währt eine Auswahl an realisierten Projekten Einblicke in Brodskys architektonisches Schaffen. www.azw.at

bis 09.10.

Wie kein zweiter Künstler des 19. Jahrhunderts prägte Hans Ma-kart eine Ära, zu deren Symbol er aufstieg und die als „Makart-Zeit“ Eingang in die Geschichte fand. Dem österreichischen „Ma-lerfürsten“ sind in Wien zwei Ausstellungen gewidmet, die den

Mythos Makart umfassend präsentieren: Das Wien Museum zeigt im Künstler-haus bis 16. Oktober „Makart. Ein Künstler regiert die Stadt“. Im Mittelpunkt stehen die vielfältigen Beziehungen zwischen Künstler, Stadt und Gesellschaft. Neben Hauptwerken aus eigenem Bestand stehen in der Schau hochkarätige Leihgaben im Mittelpunkt. So etwa vier Gemälde aus Makarts Bilderzyklus zum „Ring des Nibelungen“, die erstmals seit ihrer Erstpräsentation 1883 wieder in Wien vereint zu sehen sind. Einen Höhepunkt bilden Originalexponate des Hul-digungsfestzuges für das Kaiserpaar von 1879, den Makart als Großevent künst-lerisch gestaltet hat und bei dem ganz Wien auf den Beinen war. Weiters sind In-terieurs und Mode aus der Makart-Zeit zu sehen. Das Untere Belvedere präsentiert bis 9. Oktober mit „Makart. Maler der Sinne“ die zweite Ausstellung, die sich mit dem berühmten Künstler befasst. www.wienmuseum.at, www.belvedere.at

bis 23.10.

Schmelzende Uhren und endlos weite, in kühlen Sonnenschein getauchte Landschaften: Das ist das Erkennungsmerkmal von Salvador Dalí. Die Kunsthalle Wien widmet dem bedeutenden Künstler die Ausstellung „Le Surréalisme, c’est moi!“ (bis 23. Oktober). Bis in die Gegenwart üben

sein Schaffen, seine experimentellen Filme sowie sein unverkennbarer Malstil inspirierende Faszination auf Künstler aus. In der Schau werden die Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen von Dalí gemeinsam mit den jüngeren Werken von Louise Bourgeois, Glenn Brown, Markus Schinwald und Francesco Vezzoli gezeigt. Zentrale inhaltliche Anknüpfungspunkte sind die psychoanalytische Bildwelt des Unbewussten und der Träume, die Tradition und Technik der Male-rei und der Darstellung des Körpers, die Inszenierung von Räumen und die Überschreitung der Grenzen zwischen Kunst, Film und Design sowie das Ver-hältnis zur Massenkultur. Die Ausstellung möchte die innovativen Impulse, die von Salvador Dalí ausgegan-gen sind, und die visionären, oftmals verkannten Aspekte seines provokativen und kontroversiell wahrge-nommenen Schaffens neu akzentuieren. www.kunsthallewien.at

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