CLAUDIA ENGLER Als Universitätsbibliothek Bern in die...

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ZEITSCHRIFT DER STADT- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK BERN 2˙2006 LIBERNENSIS CLAUDIA ENGLER Als Universitätsbibliothek Bern in die Zukunft BERNHARD DENGG Die Reform des Schweizer Urheberrechts aus Sicht der Bibliotheken MARION PRUDLO Der Kunde ist König oder warum Qualitätsmanagement in Bibliotheken wichtig ist CHRISTIAN LÜTHI Das «Intelligenzblatt für die Stadt Bern» erhält ein zweites Leben STADT- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK BERN

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CLAUDIA ENGLERAls Universitätsbibliothek Bern in die Zukunft

BERNHARD DENGGDie Reform des Schweizer Urheberrechtsaus Sicht der Bibliotheken

MARION PRUDLODer Kunde ist König oder warum Qualitätsmanagementin Bibliotheken wichtig ist

CHRISTIAN LÜTHIDas «Intelligenzblatt für die Stadt Bern»erhält ein zweites Leben

STADT- UND UN IVERS ITÄTSB IBL IOTHEK BERN

STADT- UND UN IVERS ITÄTSB IBL IOTHEK BERN

Bibliophile KostbarkeitenDie Stadt- und Universitätsbibliothek Bern (StUB) verfügt über einen bedeutendenhistorischen Buchbestand und anderes wertvolles Schriftgut. Dazu zählen kost-bare und international beachtete Sondersammlungen. Als Schatz des Hauses gel-ten vor allem die 450 Inkunabeln, das sind seltene Zeugnisse des frühesten Buch-drucks. Schwerpunkt des historischen Buchbestandes bilden die Bernensia, diedas wissenschaftliche und kulturelle Leben Berns bis in die Gegenwart dokumen-tieren. Für deren Pflege und Erhaltung trägt die StUB als Archivbibliothek eine be-sondere Verantwortung.

Kulturelles Erbe Berns in GefahrZahlreiche der unersetzlichen Bücher und Karten weisen Alters-, Nutzungs- oderUmweltschäden auf, die nach dringender konservatorischer Behandlung rufen.Eine wichtige Arbeit leistet dabei die Restaurierung. Unsere finanziellen Mittel rei-chen jedoch lange nicht aus, um nur einen kleinen Teil des gefährdeten Schriftgutszu behandeln.

Wir appellieren daher an das Engagement von Freunden und Förderern der StUB,unsere konservatorischen Anstrengungen mit einer Spende zu unterstützen.Schon mit einem kleinen Beitrag übernehmen Sie eine herzlich willkommeneBuchpatenschaft.

Gerne erteilen wir Ihnen unter Telefon 031 320 32 50oder E-Mail [email protected] nähere Auskunft.

Für Beiträge auf Konto 30-8264-7 sind wir sehr dankbar.

Helfen Sie mit einer Buchpatenschaft!Nur dank Ihrem Beitragüberleben wichtige Bücher.

Inhalt

Aktuell4 Claudia Engler: Als Universitätsbibliothek Bern in die Zukunft6 Bernhard Dengg: Die Reform des Schweizer Urheberrechts

aus Sicht der Bibliotheken8 Harald Kraemer/Agatha Rihs: Connaisseure unterwegs:

eine Ausstellung in der StUB12 Marion Prudlo: Der Kunde ist König oder warum Qualitätsmanagement

in Bibliotheken wichtig ist

Interview16 Christine Eggenberg/Christian Lüthi: Die etwas andere Bibliothek

im Kornhaus

Projekte20 Christian Lüthi: Das «Intelligenzblatt für die Stadt Bern»

erhält ein zweites Leben19 Bettina v. Greyerz: Telefonische Rechercheauskunft

Partner22 Christine Felber: Das Deutsche Bucharchiv zieht von München

nach St.Gallen um

Weiterbildung25 Yvonna Schindler: Lesen, Medien, Literacy

Bücher und andere Medien26 Buch-am-Mittag-Thema: Hartmut Abendschein/Markus A. Hediger:

Schreiben im Netz27 Aktuelle Bernensia

Eine StUB-Abteilung stellt sich vor28 Ulrike Bürger: Schimmel, Goldstaub und Bits

Personelles30 Mitarbeitende verabschieden Mitarbeitende30 Neue Mitarbeitende der StUB stellen sich vor

32 Ausstellungen und Veranstaltungen der StUB

34 Ansprechpartner der StUB/Impressum

LIBERNENSIS 2˙2006

Titelbild: Originalausgaben des«Intelligenzblattes für die Stadt Bern»im Magazin der StUB. – Vgl. denArtikel von Christian Lüthi, S. 18f.

Claudia Engler ist Konservatorin für den historischen Buchbestand und Projektleiterin NBO

4 LIBERNENSIS 2.2006

Aktuell

Die Stadt- und Universitätsbibliothek Bern und die universitären Bibliothekenwerden bis 2009 zur Universitätsbibliothek Bern zusammengefasst.

Als Universitätsbibliothek Bernin die Zukunft

Im Verlauf der letzten 150 Jahre ist parallel zum Ausbau derFachgebiete der Universität Bern ein universitäres Biblio-thekswesen entstanden, das knapp 50 Bibliotheken umfasst.Das Spektrum dieser Institutionen reicht von Bibliotheken mitrund 5000 bis zu solchen mit 160 000 Bänden. Auch bezüglichdes Bibliothekspersonals existiert eine grosse Spannweite:Sie reicht in den einzelnen Bibliotheken von Störbibliotheka-rinnen mit einem 10%-Pensum bis zu über zehn Vollstellen.Diese Bibliotheken stehen nahe bei ihrer Kundschaft und sind«Forschungslabors» für die Dozierenden und Lernort für dieStudentinnen und Studenten in den Universitätsinstituten.

Ein grosser Nachteil dieses Systems ist die fehlendeFührung als Gesamtbibliothek und einzelne Doppelspurig-

keiten zur Stadt- und Universitätsbibliothek Bern (StUB).Diese stand als Stiftung rechtlich ausserhalb der Universitätund versorgte nicht nur die Universität, sondern auch weitereBevölkerungskreise des Kantons Bern mit wissenschaftlicherLiteratur. Mit der Zusammenführung der 50 universitären Ins-tituts-, Fachbereichs- und Fakultätsbibliotheken und derStUB zu einer einzigen Organisation, der neuen Universitäts-bibliothek Bern (UB Bern), sollen Synergien genutzt und diebibliothekarischen Leistungen für die Universität und denKanton Bern optimiert werden.

Neue Struktur und Führung

Für die Integration der StUB in die Universität Bern und dieSchaffung eines funktional einschichtigen Bibliotheks-systems an der Universität wurde im Februar 2006 das Pro-jekt «Neue Bibliotheksorganisation» (NBO) gestartet. Die Pla-nungsarbeiten sind bereits weit fortgeschritten, die politi-schen Voraussetzungen weitgehend erfüllt, sodass die neueOrganisation ab 1. Januar 2007 schrittweise umgesetzt wer-den kann.

Anfang 2007 besteht sie aus dem Personal und denRessourcen der heutigen StUB und der Bibliothekskoordi-nation (BiKo) der Universität. In den folgenden zwei Jahrenwerden fünf weitere Bibliotheksbereiche in die neuen Struk-

turen eingebunden. Neu entstehen per1. Januar 2008 die BibliotheksbereicheRechts- und Wirtschaftswissenschaften,Human- und Veterinärmedizin sowie derBereich Naturwissenschaften. Anfang2009 werden auch die Bereiche Geistes-wissenschaften und Theologie sowie

Human- und Sozialwissenschaften integriert. Letzterer wirdmit der Einrichtung des Von-Roll-Areals 2012 einen neuenStandort als Fachbereichsbibliothek erhalten.

Die heute gut funktionierenden dezentralen Strukturenwerden nach Möglichkeit beibehalten. Jeder Bibliotheksbe-reich wird ein weitgehend vergleichbares Grundangebot prä-sentieren, aber bedingt durch ihre unterschiedliche Benutzer-schaft und Mediennachfrage auch ihre eigene Identität aus-bilden. Die Medienauswahl treffen weiterhin die Institute. Mitdem Modell der fachlich gruppierten universitären Biblio-

Mit der Zusammenführung der 50 universitären Instituts-,Fachbereichs- und Fakultätsbibliotheken und der StUBsollen Synergien genutzt und die bibliothekarischen Leis-tungen für Universität und Kanton Bern optimiert werden.

5 LIBERNENSIS 2.2006

theksbereiche kann das Ziel der einschichtigen und gleich-zeitig flexiblen und kundennahen Bibliothek an dezentralenStandorten verwirklicht werden.

Administrativ ist die Universitätsbibliothek der Verwal-tungsdirektion der Universität unterstellt. Die Leitung über-nimmt Frau PD Dr. Susanna Bliggenstorfer, die heutige Direk-

torin der StUB. Im zentralen Führungsbereich der Univer-sitätsbibliothek werden sich die Abteilungen Betrieb undRessourcen mit übergreifenden Führungs- und Koordina-tionsaufgaben in den Bereichen Betriebsorganisation undSteuerung, Finanzen, Personalwesen und Projekte befassen.

Aus der StUB wird die ZentralbibliothekEinen eigenen Bibliotheksbereich bildet die Hauptbibliothekder heutigen StUB an der Münstergasse. Sie wird zur Zentral-bibliothek (ZB) innerhalb der neuen Bibliotheksorganisation.Der neue Name ist eine wesentliche Orientierungshilfe für die

nicht universitären Benutzerinnen und Benutzer. Die Zentral-bibliothek ist als öffentliche wissenschaftliche Kantonsbiblio-thek die wichtigste Anlaufstelle für das breite Publikum undhat den derzeit grössten und alle Wissensgebiete umfassen-den Medienbestand. Sowohl der Standort Münstergasse alsauch Angebot und Service der ehemaligen StUB bleiben den

Benutzerinnen und Benutzern vollstän-dig erhalten. Geplant ist ein Ausbau desAngebots im Bereich der historischenBestände. Die grossen und wertvollenSondersammlungen, die alten Druckeder StUB und das Restaurierungsateliersollen voraussichtlich ab 2008 in einer

Abteilung «Zentrum Historische Bestände» zusammenge-fasst werden. Damit könnten die Dienstleistungen in diesemBereich ausgebaut (z. B. Speziallesesaal, erweiterter Repro-duktionsservice) sowie die wissenschaftliche Forschung unddie Zusammenarbeit mit andern Institutionen, namentlich derBurgerbibliothek Bern, gefördert werden. Gleichzeitig wäredas «Zentrum Historische Bestände» für die Beratung undBetreuung der Sondersammlungen und der älteren Beständeder gesamten Universitätsbibliothek verantwortlich.

Kontakt: [email protected], Telefon 031 631 55 48

Die StUB Münstergasse wird zur Zentralbibliothek:Als öffentliche wissenschaftliche Kantonsbibliothek istsie die wichtigste Anlaufstelle für das breite Publikumund hat den derzeit grössten Medienbestand.

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Bibliotheksbereiche

Direktorin

Organigramm der neuen Universitätsbibliothek Bern, ab 2007.

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Bernhard Dengg ist Leiter der Juristischen Bibliothek der Universität Bern

Aktuell

Durch das neue Urheberrechtsgesetz befürchten die Bibliotheken Einschränkungen in der Informationsvermittlung sowie stärkere finanzielle Belastungen.

Die Reform des Schweizer Urheberrechts aus Sicht der Bibliotheken

In der Schweiz liegt nun der Entwurf für ein neues Urheber-rechtsgesetz vor. Die bevorstehenden Debatten des Natio-nalrats in der Wintersession 2006/07 werden von allen Be-teiligten mit Spannung erwartet – auch von den SchweizerBibliotheken.

Die Entwicklung des Urheberrechts lässt sich im We-sentlichen in zwei Abschnitte aufteilen: in die Zeit ohne digi-tale Technologien und in die Zeit mit digitalen Technologien.Führte die Verbreitung der analogen, papierenen Fotokopiebereits zu komplexen Lösungen, um dieInteressen der Urheber und deren Nut-zungsberechtigten zu wahren, so kommtes aufgrund der leichten Zugänglichkeitvia Internet oder durch die Vereinfa-chung, Kopien von digitalisierten Infor-mationen zu erstellen, zu einer völligenNeuorientierung. Der wirtschaftliche Schaden, der durchRaubkopien verursacht wird, schlägt sich in Form von striktenSchutzmassnahmen im Zuge der Anpassung des Urheber-rechts an die neuen technischen Gegebenheiten nieder. Soauch in der Schweiz.

Alarmstimmung in Bibliotheken, Archivenund WissenschaftDie strengeren Regelungen führen zu einer Alarmstimmung inBibliotheken, Archiven, in Wissenschaft, Lehre und For-schung, aber auch bei den Konsumentenvertretern. Nebenden Einschränkungen in der Informationsvermittlung werdenvon allen auch stärkere finanzielle Belastungen befürchtet.Der wirtschaftliche Nutzen von Wissenschaft und Kultur lässt

sich weiterhin schwerer messen als die vorgelegten Zahlenvon Verlagen oder anderen Nutzungsberichtigten.

Die Grundlage der Diskussion ist der vom Institut fürgeistiges Eigentum dem Bundesrat vorgelegte Entwurf zurÄnderung des Bundesgesetzes über das Urheberrecht undderen verwandten Schutzrechte (URG). Damit will man einer-seits den beiden bereits 1996 verfassten Internet-Abkommender World Intellectual Property Organisation (WIPO) Rech-nung tragen, zu deren Durchsetzung die Schweiz völkerrecht-

lich verpflichtet ist, zugleich sich aber auch an die Bestim-mungen der Europäischen Union anlehnen, die sich ebenfallsnach den WIPO-Abkommen richten.

Die Kritik am Entwurf besteht vor allem darin, dass künf-tig technische Schutzsysteme zur Verhinderung des Zu-gangs zu digitalen Inhalten nicht mehr umgangen werdendürfen. Damit sind vor allem der Kopierschutz von CDs oderDVDs, aber auch passwortbeschränkte Zugänge zu Datengemeint. Die geplanten Bestimmungen führen sogar so weit,dass die Herstellung und der Vertrieb von Umgehungssoft-ware verboten werden soll. Einzig und allein das Anfertigenvon Privatkopien ist erlaubt, solange damit keine kommer-ziellen Interessen verfolgt werden. Es ist jedoch nicht geklärt,wie nun eine private Kopie erstellt werden kann, wenn den

Die Kritik am Entwurf zum neuen Urheberrechtsgesetz besteht auch darin, dass künftig technische Schutz-systeme zur Verhinderung des Zugangs zu digitalenInhalten nicht mehr umgangen werden dürfen.

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Konsumenten der Erwerb von technischen Umgehungsmass-nahmen innerhalb der Schweiz unmöglich gemacht wird.

Dürfen aber nun Bibliotheken und Archive Kopien von di-gitalen Werken erstellen? Zumindest zur Sicherung und zurArchivierung ihrer Bestände sieht der Entwurf eine Ausnahmevor. Der Gesetzgeber beschränkt die vorgesehene Bestim-mung auf Einrichtungen, die nur öffentlich zugänglich sind.Bildungseinrichtungen und Museen sind von dieser Bestim-

mung ebenfalls erfasst. Alles andere als das Erstellen vonSicherungskopien ist aber auch Bibliotheken und den ihnenverwandten Einrichtungen untersagt.

Einschränkungen von Informationsvermittlung als FolgeVerfolgt man die derzeitige Diskussion, die aus urheberrecht-licher Sicht über die elektronischen Dokumentenlieferdienstegeführt wird – man nehme nur das Beispiel des LieferdienstesSubito in Deutschland –, so kann man davon ausgehen, dasses aufgrund der neuen gesetzlichen Regelungen endgültigkeine Hoffnung mehr geben wird, digitale Informationen auseiner von der Bibliothek angekauften Datenbank als Datei inForm der elektronischen Fernleihe zu versenden – es seidenn, der Verwertungsberechtigte (in den meisten Fällen derVerlag) gibt die Erlaubnis dazu. Dies ist jedoch zu bezweifeln,wenn man nicht bereitwillig den Anstieg der Kosten in Kaufnehmen will.

Doch muss man von Seiten der Bibliotheken noch vonGlück sprechen, dass nicht alles in den Entwurf aufgenom-men wurde, was von den Rechteinhabern vorgeschlagenwurde. Dies betrifft vor allem die Einrichtung einer Geräteab-gabe. Würde man jedes Computergerät als reines Speicher-medium sehen, das auch zur Vervielfältigung geeignet ist, soist verständlich, warum die Urhebervertreter nach einer zu-sätzlichen Gebühr beim Kauf von Geräten verlangen. Vorerst

bleibt es jedoch dabei, dass nur auf Speichermedien wie CDsoder DVDs etc. eine bereits mit dem Kaufpreis geleistete Ge-bühr gezahlt wird.

Für Aufregung in bibliothekarischen Kreisen sorgte aucheine für Juni 2006 angekündigte Motion von NationalrätinVreni Müller-Hemmi, in der sie für die Ausleihe von Werk-exemplaren in Bibliotheken die Einführung einer Abgabe,einer Bibliothekstantieme, verlangt. Nach heftigen vom Ver-

band der Bibliotheken und Bibliotheka-rinnen/Bibliothekare BBS geführten Pro-testen hat sie jedoch die Motion zurück-gezogen. Es bleibt abzuwarten, wannder nächste Vorstoss in diese Richtungunternommen wird.

Die Folgewirkungen der geplantenUrheberrechtsreform werden sich für Bibliotheken vorerstnoch in Grenzen halten. Doch ist die Richtung, die derGesetzgeber im Zusammenhang mit all den anderen neuenBestimmungen zu Lasten der Kundschaft, der Bibliotheken,Archive, etc., einschlägt, zu kritisieren. Dies auch, weil nach allden Jahren der Diskussion noch keine innovativen Lösungs-ansätze zu bemerken sind. Ein grosser Wurf ist dem Gesetz-geber somit leider nicht gelungen.

Kontakt: [email protected], Telefon 031 631 87 91

Zum Nachlesen:– Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung

von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (BBl 2006 3389)

– Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG) (Entwurf) (BBl 2006 3443)

– Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkom-men der Weltorganisation für geistiges Eigentum und über die Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Entwurf) (BBl 2006 3447)

– WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) (BBl 2006 3453)– WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT)

(BBl 2006 3463)– Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht

und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz, URG)(SR 231.1)

Von Seiten der Bibliotheken muss man von Glück sprechen,dass nicht alles in den Entwurf aufgenommen wurde, was von den Rechteinhabern vorgeschlagen wurde,beispielsweise die Einrichtung einer Geräteabgabe.

Fotokopieren in Bibliothekenbleibt auch in Zukunft erlaubt.Das neue Urheberrechtsgesetzschränkt jedoch das Erstellenvon digitalen Kopien, zumBeispiel aus elektronischenZeitschriften, massiv ein.

8 LIBERNENSIS 2.2006

Die Reisen von Hans R. Hahnloser und Julius von Schlosser zu kulturellen Stättenim Europa der zwanziger Jahre: eine Ausstellung in der StUB.

Connaisseure unterwegs

Harald Kraemer ist Kunsthistoriker im Institut für Kunstgeschichte der Universität BernAgatha Rihs ist Kunsthistorikerin und Bibliotheksleiterin im Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern

Lange bevor die Bilder reisten, suchten Menschen bestimmteOrte auf, um entweder ihr Heil zu finden, Ungewöhnliches zubestaunen oder aber um sehend zu lernen. So waren anKunst und Kultur Interessierte schon immer auch Reisende,die von Ort zu Ort, von Reise zu Reise ihr Wissen vermehrten.

Mit jeder Grand Tour füllten sie ihr visuelles Archiv und kamenin den Genuss, Orte, Plätze, Landschaften und Menschenvergleichend zu sehen. Durch die Verbesserung der Verkehrs-wege, des Transportwesens und transportabler Fotoapparateals Medium der Aufzeichnung kultureller Orte begann das ge-hobene Bildungsbürgertum Anfang des 20. Jahrhundertsseine Reiselust auszuleben. Connaisseure bildeten sich her-

aus. Als Spezialisten einer damals noch jungen Wissenschaftgehörten die Kunsthistoriker Hans R. Hahnloser und Juliusvon Schlosser zu diesen «Connaisseuren unterwegs», derenPhilosophie lautete, Lernen durch eigene Anschauung zu be-treiben.

Hans R. Hahnloser unternahm in den zwanziger Jahrenausgedehnte Studienreisen in Süd- und Westeuropa und imVorderen Orient, auf denen er teilweise von seinem MentorJulius von Schlosser begleitet wurde. Mittels einer stereosko-pischen Kamera namens Verascope brachte Hahnloser vondiesen Reisen eine reichhaltige Ausbeute an Bildmaterial mitzumeist architektonischen Motiven mit. Wie wichtig die Foto-grafie als Medium kunstwissenschaftlicher Dokumentationgenutzt wurde, kommt anhand des Berner Stereoskopien-Projektes im Archiv des Instituts für Kunstgeschichte (IKG)zum Ausdruck, dessen Teilergebnisse in Form dieser Aus-

stellung erstmals der Öffentlichkeit vor-gestellt werden. Die Sacherschliessungder Stereoskopien gibt einen Einblick inkunstwissenschaftliches Arbeiten undin die Notwendigkeit der Bewahrung un-seres kulturellen Erbes durch Massnah-men der Archivierung und Restaurierung.

Das vorhandene Material macht kulturelle Stätten in Süd-europa und Kleinasien und zugleich die Faszination dieserEntdeckungsfahrten des Bildungsbürgertums in den zwan-ziger Jahren sichtbar. In der Ausstellung wird auch erfahrbar,wie notwendig kunstwissenschaftliche Methoden trotz unter-schiedlichster Reproduktionsmedien auch heute noch derOriginale bedürfen, seien es Bauwerke oder Gemälde.

Aktuell

Wie wichtig die Fotografie als Medium kunstwissenschaft-licher Dokumentation genutzt wurde, kommt anhand des Berner Stereoskopien-Projektes im Archiv des Institutsfür Kunstgeschichte zum Ausdruck.

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Über die Connaisseure Hans R. Hahnloserund Julius von SchlosserBei der Vorbereitung zu den Festlichkeiten zum 100-jährigenBestehen des Instituts für Kunstgeschichte der UniversitätBern kamen zu Beginn des Jahres 2005 im Instituts-Archiveinige Fundstücke zum Vorschein. Darunter befinden sichneben dem schriftlichen Nachlass des Vertreters der WienerSchule, Julius von Schlosser, auch 2500 stereoskopischeGlasdiapositive der Jahre 1920 bis 1940 aus der Schenkungdes Berner Kunsthistorikers Prof. Dr. Hans R. Hahnloser(1899–1974). Der Sohn des bekannten Winterthurer Arzt- undSammlerehepaars Arthur und Hedy Hahnloser-Bühler stu-dierte in Wien Kunstgeschichte bei Prof. Dr. Julius von Schlos-ser und habilitierte sich über das Skizzenbuch des Villardd’Honnecourt. Aufgrund der Empfehlung seines berühmtenWiener Lehrers wurde er 1934 in Bern Ordinarius, hielt denLehrstuhl bis 1966 inne und stand der Berner Universität inden Jahren 1956/57 als Rektor vor. Ab 1935 engagierte ersich in der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte,deren Präsident er von 1957 bis 1966 war. Neben seinen

grundlegenden Publikationen zum Berner Münster und zumSchatz von San Marco in Venedig war er Mitbegründer desseit 1956 erscheinenden und bis heute laufenden Gemein-schaftsprojektes europäischer Glasmalerei Corpus VitrearumMedii Aevii. Hahnlosers Mentor Julius von Schlosser (1866–1938) war Schüler von Franz Wickhoff an der UniversitätWien. Bevor Schlosser den Lehrstuhl an der Universität über-

nahm, war er im Wiener Kunsthistorischen Museum von 1889bis 1922 tätig und stand als langjähriger Direktor der Samm-lung für Plastik und Kunstgewerbe vor. Sein Interesse an prä-ziser Erschliessung von Schriftquellen gipfelte 1924 in derKunstliteratur. In diesem Standardwerk wurden erstmals ita-lienische Quellentexte vom Mittelalter bis in die Frühromantikkritisch erfasst. Diese lebenslange Begeisterung für Italienzeigt sich auch darin, dass Schlosser zahlreiche Schriften Be-nedetto Croces ins Deutsche übersetzte.

Das Berner Stereoskopien-Projektim Archiv des Instituts für KunstgeschichteHahnloser war ein rastlos Reisender, der mittels seiner ste-reoskopischen Kamera namens Verascope reichhaltigeAusbeute von seinen Reisen nach Süd- und Westeuropamitbrachte. Wie erfolgreich die Stereoskopie Anfang des20. Jahrhunderts war, belegen die Verkaufszahlen dieser 1893patentierten Kamera. Bis in die dreissiger Jahre hergestellt,wurden weit über 50 000 Stück verkauft. Im Archiv des Insti-tuts für Kunstgeschichte finden sich in zwei Holzschränkchen

mit 14 Fächern und zahlreichen losenPlastikschachteln mit der BezeichnungTaxiphote ca. 2500 stereoskopischeGlasdiapositive in den Massen 4,5 ✕ 10,8cm. Sowohl Verascope als auch dasdazugehörige Projektionsinstrument mitder Bezeichnung Le Taxiphote Stéréo-

Classeur Distributeur automatique Breveté S.G.D.G. wurdenvon Jules Richard in Paris entwickelt. Le Taxiphote – das in-stitutseigene Gerät ist nach der Restaurierung wieder einsatz-fähig – war aufgrund der Möglichkeit, Diapositive in Serie zusehen, damals eine Sensation. Die Glasdiapositive wurden imLauf des Jahres gesichtet, sortiert, gereinigt, restauriert und inhoher Auflösung gescannt. Durch umfangreiche Recherchen

Neben all den menschenleeren architektonischen Aussen-und Innenansichten tauchen sehr persönliche, familiäre,beinahe schon intim zu nennende gefrorene Augenblickeauf dünnem Glas auf.

Julius von Schlosser (rechts) und Hans R. Hahnloser, 1926.

10 LIBERNENSIS 2.2006

wurden die meisten Bildinhalte bestimmt und in eine Bildda-tenbank eingegeben. Somit konnten diese Trouvaillen geret-tet und sowohl der Öffentlichkeit als auch der Forschungzugänglich gemacht werden. Die vorhandenen DiapositiveHahnlosers sind nach Fahrten geordnet und durchnumme-riert; zahlreiche sind eigenhändig bezeichnet.

Einen besonderen inhaltlichenSchwerpunkt nimmt der Vordere Orientein. Auch Hahnloser konnte sich der Be-geisterung, mit der Orientreisende seitvielen Jahrhunderten der kulturellen Viel-falt Vorderasiens gegenüberstehen, nichtentziehen. Die stereoskopischen Aufnah-men zeigen eindrücklich, wo die Ziegelbauten Mesopota-miens, die imposanten Palastanlagen des sassanidischenPersiens und die Grossbauten des byzantinischen Syriens inder Architektur des Islam verschmelzen. Eine ebensolche An-ziehungskraft hatte Italien auf unsere Connaisseure, wie diehäufigen Reisen durch alle Regionen belegen. Und nach allden illustren, menschenleeren Aussen- und Innenansichten,all jener architektonischen Momentaufnahmen, tauchen sehrpersönliche, familiäre, beinahe schon intim zu nennende ge-frorene Augenblicke auf dünnem Glas auf, die Bezeichnungentragen wie Cannes mit Vallotton und Bonnard auf dem Bal-kon oder «Maler» bei Antibes oder ganz schlicht 1928 chezMatisse. So wurde auch Julius von Schlosser von seinem As-sistenten Hahnloser per stereoskopischer Aufnahme ver-

ewigt. Unter diesen Porträts des Mitbegründers der WienerSchule finden sich diverse Aufnahmen von Exkursionen, wienach Assisi 1923, Laxenburg 1926 oder Rapperswil 1927, undals besondere Trouvaille gibt es eine Strandszene mit dem Alt-meister in Badehose. Einen ebensolchen persönlichen Cha-rakter hat die Holzbox mit den ca. 800 an Hahnloser gerichte-

ten Postkarten, so genannten Originalfotokarten, die nachtopografischen Kriterien geordnet sind und zahlreiche Kunst-kartenserien enthalten, wie beispielsweise die Serie BernerPatrizierhäuser oder Schnitzfiguren und Altäre des Schweize-rischen Landesmuseums in Zürich. Dass es sich hierbei umArbeitsmaterialien handelt, wird an den handschriftlichen Er-gänzungen der Inventarnummern ersichtlich.

Medienwandel in der kunstwissenschaftlichenWerkbetrachtungDie Ausstellung bietet nicht nur einen Überblick über die ge-retteten Stereoskopien, sondern auch einen Einblick in denWandel der Medien im Fach Kunstgeschichte. Nicht immerfand kunstwissenschaftliche Werkbetrachtung vornehmlich

Roccamadour, französische Pyräneen,1923.

Kairo, Ibn Tulun-Moschee,Blick durch Arkadenbogen auf Minarett,Anfang zwanziger Jahre.

Heutzutage sind die digitalen Sammlungen und Bilddaten-banken auf dem Vormarsch, und so verwaist die Diathek – einst Schatztruhe anregender Zufälligkeiten undMahnmal der eigenen Lückenhaftigkeit – zusehends.

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im Dunkeln der Seminarräume statt. Seitdem OrdinariusFerdinand Vetter im Wintersemester 1903/04 eine Vorlesungmit Lichtbildern über die kirchliche Baukunst des Mittelaltersankündigte, fanden diverse Medien ihre Anwendung. Begin-nend bei Gipsabgüssen, Originalen und grafischen Vorlage-werken über die Entdeckung von Epidiaskopen und Dia-Pro-jektion, über den Einsatz von Fotografie und Film bis hin zuinteraktiven Hypermedia-Anwendungen im Internet und alsCD-ROM führt der lange Weg. Heutzutage sind die digitalenSammlungen und Bilddatenbanken auf dem Vormarsch, undso verwaist die Diathek – einst visuelles Gedächtnis, Schatz-truhe anregender Zufälligkeiten und Mahnmal der eigenenLückenhaftigkeit – zusehends. Mit dem Auf- und AusbauDigitaler Sammlungen rücken die althergebrachten Wunsch-vorstellungen der Spätphase des Historismus nach allum-fassender Kategorisierung und permanentem Zugriff auf en-zyklopädische Wissensspeicher in greifbare Nähe.

Das Berner Institut für Kunstgeschichte investiert seitdem Wintersemester 2003/04 in eine digitale, browserba-sierte Bilddatenbank. Auch im Web ist das IKG überaus prä-sent. Einerseits mit der in Fachkreisen geschätzten Webseite(www.ikg.unibe.ch) und andererseits mit dem von Prof. Dr.Oskar Bätschmann initiierten Projekt Artcampus (www.art-campus.ch). Mit letztgenanntem, im Rahmen des VirtuellenCampus Schweiz realisierten Projekt wurde eine webbasierteEinführung in die kunstwissenschaftliche Methodenlehre ge-schaffen. Kern des Projekts ist ein Online-Kurs, der als eineEinführung in das Studium der Kunstgeschichte konzipiert istund anhand interaktiver Beispiele die wichtigsten kunst-wissenschaftlichen Kompetenzen vermittelt. Diesem durchzahllose Medienbrüche gekennzeichneten Weg soll nach-gespürt werden und das Augenmerk gilt hierbei denjenigentraditionellen und neuen Medien, die im Institut für Kunstge-schichte der Universität Bern eingesetzt wurden und werden.

AusstellungConnaisseure unterwegs. Die Reisen von Hans R. Hahnloserund Julius von Schlosser zu kulturellen Stätten im Europa derzwanziger JahreKonzeptDr. phil. Harald Kraemer, Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern; Agatha Rihs, MA, Bibliothek, Institut für Kunst-geschichte der Universität BernGestaltungBernet & Schönenberger, ZürichOrtAusstellungsraum der StUB, Münstergasse 61–63, 3011 BernDauer25. Oktober 2006 bis 24. Februar 2007ÖffnungszeitenMo bis Fr, 8 bis 19 Uhr, Sa 8 bis 12 UhrVeranstaltungenDie Ausstellung begleiten Vorträge, ein Werkstattgespräch und ein LichtspielabendKontaktChristine Felber, Stadt- und Universitätsbibliothek Bern, Münstergasse 61, 3000 Bern 8, Telefon 031 320 32 56, Telefax 031 320 32 99, E-Mail [email protected].

Kontakt:[email protected], Tel. 079 773 78 [email protected], Tel. 031 631 47 48

Pisa, Camposanto mit Dom und Baptisterium, 1929.

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Marion Prudlo ist Leiterin der Erwerbungsabteilung

Aktuell

Mit Qualitätsmanagement werden Zufriedenheit und Bedürfnisse der Bibliotheks-kunden regelmässig evaluiert und gemessen.

Der Kunde ist König oder warumQualitätsmanagement in Bibliothekenwichtig ist

Qualitätsmanagement in der BibliothekBibliotheken stehen heute unter Druck, ihre Existenz zu legiti-mieren und trotz Budgetkürzungen ihren Kunden immer neueServices und Medien anzubieten. Ihren Geldgebern gegen-über muss die Bibliothek Rechenschaft ablegen und doku-mentieren, wofür sie die ihr zugewiesenen Mittel ausgibt, undder Öffentlichkeit muss sie zeigen, dass sie die Gelder imSinne der Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden und derGesellschaft im allgemeinen einsetzt. Diesen Ansprüchen

wird die Bibliothek durch die Implementierung eines aufQualität ausgerichteten Managements gerecht, mit dem siesicherstellt, dass die Interessen ihrer Kunden und damit auchdie ihrer Geldgeber immer im Mittelpunkt stehen.

Ein konsequentes Qualitätsmanagement beinhaltet,dass Kundenbedürfnisse und Kundenzufriedenheit regel-mässig evaluiert werden. Nur so kann die Bibliothek wissen,ob sie im Interesse ihrer Kunden handelt. Die Bibliotheks-leitung nutzt die Ergebnisse des Qualitätsmanagements, umsich gegenüber den Trägern zu legitimieren, um den Beitrag,den sie für das kulturelle und intellektuelle Leben leistet, auf-zuzeigen und um eine Imagekampagne für ihre Bibliothek zubetreiben. Mit der Ausrichtung auf Qualität und Kunden schafftsie sich loyale Kunden, die hinter der Bibliothek stehen.

Die Strategie der BibliothekIn ihrer strategischen Planung muss sich die Bibliothek klareZiele setzen, die sich aus ihrem Auftrag ableiten. Die Haupt-zielsetzung sowohl der Bibliothek als Ganzes als auch der ein-zelnen Serviceeinheiten ist dabei auf die Kunden ausgerich-tet. Ein Ziel im Bereich der Servicequalität könnte zum Bei-spiel die Schnelligkeit sein, mit der neue Bücher ausleihbereitsind. Die in der Planung gesetzten Schwerpunkte zeigen, wiedie Bibliothek die Bedürfnisse ihrer Kunden definiert und wo

sie ihre Kräfte einsetzen wird. DerNachweis der Zielerreichung erfolgtüber messbare Erfolgsindikatoren.In der Bibliothekswelt gibt es mehre-re Projekte, in denen versucht wird,gemeinsame Erfolgsfaktoren zu de-finieren, denn nur mit Hilfe von Stan-

dards können Bibliotheken sich später miteinander verglei-chen. Nachdem sich die Bibliothek entschieden hat, welcheBereiche evaluiert werden sollen, müssen Daten gesammeltund analysiert werden. Das Ergebnis wird dann in die weiterestrategische Planung einfliessen, denn aufgrund dieser Datenmüssen Ziele eventuell angepasst, Mitarbeiter geschult oderAbläufe geändert werden.

UmsetzungBibliotheken erstellen seit langem quantitative Erhebungen,die der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Die Zahlen zeigenzum Beispiel auf, wofür sie ihre Gelder ausgeben oder wiegross ihre Bestände sind. Ungewollt setzt diese Methodejedoch einen Schwerpunkt auf die Kosten und nicht auf die

In der Bibliothekswelt gibt es mehrere Porjekte, in denenversucht wird, gemeinsame Erfolgsfaktoren zu definieren,um mit Hilfe von Standards einen Vergleich zwischenden Bibliotheken zu ermöglichen.

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Leistungen. Die quantitative Methode erlaubt es nicht zu mes-sen, wie zufrieden die Kunden mit der Arbeit der Bibliotheksind, dafür müssen andere Verfahrensweisen angewendetwerden.

Eine dieser Verfahrensweisen ist die Kostenanalyse, mitder herausgefunden werden kann, was bestimmte Serviceskosten. Die Stadt- und Universitätsbibliothek Bern (StUB) hatin den Jahren 2002 und 2005 eine solche Analyse durchge-führt, um festzustellen, wie viel einzelne Arbeitsschritte kos-ten. Zum Beispiel durchläuft ein neues Buch mehrere Ab-teilungen, bis es ausleihbereit ist, dadurch entstehen hoheBearbeitungskosten. Nun muss die Bibliothek analysieren,ob dieser Aufwand im Sinne ihrer Kunden ist oder ob die Kos-ten zu hoch sind und Wege gefunden werden müssen, effi-zienter zu arbeiten.

Kunden sollten in die Selbstanalyse der Bibliothek direkteinbezogen werden. Damit beweist die Bibliothek, dass sieein echtes Interesse daran hat, ihren Kunden zuzuhören, unddass sie deren Bedürfnisse ernst nimmt. Dies kann in Formvon Gruppendiskussionen geschehen, an der Bibliotheks-kunden teilnehmen, um ihre persönlichen Erfahrungen mit derBibliothek zu diskutieren. Natürlich gibt es auch die Methodedes Fragebogens, um die Haltung der Kunden gegenüber derBibliothek zu eruieren. Die StUB hat dieses Instrument eben-falls eingesetzt. Im Rahmen mehrerer Diplomarbeiten wurdendie Kunden der StUB befragt.

Speziell die Umfrage unter den Nicht-Kunden ist wichtig,denn es ist ja von besonderem Interesse herauszufinden,warum sie die Bibliothek nicht nutzen. Dies kann wichtigeAuskunft über Schwachstellen in der Serviceleistung liefern.Eine solche Studie der Kantonalen BibliothekskommissionZürich wurde unter 500 Nicht-Kunden durchgeführt.1 Dabei

stellte sich heraus, dass die Bibliothek in der Vorstellung derNicht-Kunden ein veraltetes Image hat, dass aber die Bib-liotheken zugleich auch als notwendige Einrichtungen ge-sehen werden.

Wenn die Bibliothek die Erfahrung der Kunden mit ihremService aus erster Hand erheben möchte, kann dies auchdurch Beobachtung geschehen. Ein Bibliotheksangestellterbeobachtet dabei die alltägliche Arbeit mit den Kunden an derAusleihe oder in der Auskunft. Eine Methode, die aus der Ge-schäftswelt bekannt ist und auch manchmal in Bibliotheken

eingesetzt wird, ist die des «Mystery Shoppers». Dafür wirdein Testkunde unangemeldet in die Bibliothek geschickt, umdie Servicequalität der Bibliothek zu prüfen. Die Ergebnissewerden in anonymisierter Form kommuniziert und daraufhinanalysiert, wo grundsätzliche Schwachstellen im Dienstlei-stungsprozess existieren.

BenchmarkingBenchmarking ist der systematische Vergleich von Dienst-leistungen und Angeboten zwischen mehreren Bibliotheken.Das Ziel ist, Leistungsdefizite aufzudecken und von dengewinnbringenden Leistungen anderer zu lernen. In Biblio-theken geschieht das Benchmarking durch das Sammeln von

bestimmten Kennzahlen, wie zumBeispiel die Anzahl der Angestell-ten oder die Grösse des Bestands.Diese Statistiken werden auf derWebseite des Bundesamts für Sta-tistik veröffentlicht.2

Ein Benchmarking im BereichServiceleistung durchzuführen, ist sehr schwierig, denn nurdurch standardisierte Indikatoren lassen sich Vergleicheanstellen. In den USA wurde für die Messung von Service-qualität ein standardisierter elektronischer Fragebogen ent-wickelt. Immer mehr europäische Bibliotheken beteiligen sichan der so genannten LibQual+-Umfrage3, die damit auchzu einem Benchmarking-Instrument geworden ist. Die Kun-den werden hier beispielsweise gebeten, ihre Meinung zuden Bibliotheksressourcen, zum Personal und zu Serviceleis-tungen zu äussern.

Mit dem Einbezug von Kunden in die Selbstanalyse beweistdie Bibliothek, dass sie ein echtes Interesse daran hat,ihren Kunden zuzuhören, und dass sie auch deren Bedürf-nisse ernst nimmt.

Der Lesesaal im ersten Stockder StUB. Das Angebot an gutenLern- und Arbeitsplätzen fürStudierende und Forschendeist ein Bestandteil eines gutenBibliotheksservice.

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diesem Angebot ist. Die Evaluation kann durch eine Nutzer-befragung geschehen. Zum Beispiel enthält LibQual+ auchFragen zum Thema elektronische Ressourcen. Kunden habenso die Möglichkeit, ein Feedback zum Thema Technologie inder Bibliothek, dem Bibliothekskatalog und Webseiten derBibliothek zu geben. An der StUB läuft zur Zeit im Rahmeneiner Diplomarbeit ein Projekt, in dem die Nutzerfreundlichkeitder StUB-Webseiten analysiert wird.

Da immer mehr Kunden von elektronischen RessourcenGebrauch machen und das Bibliotheks-gebäude vielleicht gar nicht mehr betre-ten, muss im Benchmarking zusätzlichzu der Anzahl Bibliotheksbesucher proJahr auch die Zahl der Zugriffe auf dieelektronische Bibliothek und auf be-stimmte elektronische Services gezählt

werden. Diese Zahlen geben Auskunft darüber, ob die Servi-ces von den Kunden akzeptiert werden. Was spezifischeRessourcen wie abonnierte Datenbanken betrifft, kann basie-rend auf dem Abonnementspreis und den Nutzungsstatisti-ken ausgerechnet werden, wie hoch die Kosten pro Zugriffsind. Diese Zahlen werden daraufhin analysiert, ob sich dieAusgaben lohnen oder Gelder anders eingesetzt werden soll-ten. Auch die StUB sammelt und analysiert Nutzungsstatisti-ken, die bei der Erneuerung des Datenbankabonnementsimmer berücksichtigt werden.

Der Trend hin zu mehr Kundenorientierung und höhererQualität setzt sich in allen Dienstleistungssektoren durch.Auch die Universität Bern hat gerade angekündigt, dass dasQualitätsmanagement für alle Verwaltungseinheiten einge-führt werden soll .6

Kontakt:[email protected], Telefon 031 320 32 36

Links und Literatur:1 Vgl. Relly, C. (2004 ). Bibliotheken – schlechter als ihr Ruf?

In: Arbido, 5–18.2 Bundesamt für Statistik.

http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/kultur__medien__zeitverwendung/kultur/blank/analysen__berichte/bibliotheken.html

3 LibQual+. http://www.libqual.org/4 Vgl. Vogt, H. (2004). Kundenzufriedenheit und Kundenbindung:

erfolgreiche Managementkonzepte für öffentliche Bibliotheken.http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/ Kundenzufriedenheit_040210.pdf

5 Ramsauer, A. & Walser, K. (2005). Entwicklung eines Prozess-modells für das Beschwerdemanagement. Arbeitsbericht Nr. 169 des Instituts für Wirtschaftsinformatik Universität Bern.http://www.im.iwi.unibe.ch/publikationen/pdfs/Arbeitsbericht_Prozessmodell_Beschwerdemgt_2005_10_31.pdf

6 Vgl. (2006). Die kundenfreundliche Universität. In: unilink, 2–3.

BeschwerdemanagementGrundsätzlich sollten Kunden immer eine Vielzahl von Mög-lichkeiten haben, der Bibliothek ihre Rückmeldungen zu ge-ben, sei es durch einen Beschwerdebriefkasten, ein Formularauf der Webseite oder andere etablierte Beschwerdewege.

Studien haben gezeigt, dass sich die Mehrheit von unzu-friedenen Kunden nicht beschwert.4 Diese Erfahrungen tref-fen auch auf die Bibliothekswelt zu. Kunden, die einmal einunangenehmes Erlebnis hatten, kommen wahrscheinlich

nicht wieder. Wenn eine Bibliothek kaum Beschwerden erhält,bedeutet das nicht unbedingt, dass ihre Kunden mit dem Ser-vice zufrieden sind. Die StUB bietet ihren Kunden eine Reihevon Beschwerdewegen an. Neben dem Briefkasten für Rück-meldungen und Beschwerden gibt es zum Beispiel auch die E-Mail-Adresse [email protected], die sowohl für Be-schwerden als auch Anfragen genutzt werden kann.

Ein institutionalisiertes Beschwerdemanagement be-deutet, dass die Bibliothek eine Stelle eingerichtet hat, diefür die schnelle und effiziente Bearbeitung der Beschwerdenverantwortlich ist. Alle eingegangen Reklamationen werdenhier für die spätere Analyse festgehalten. Diese Analyse solltesowohl quantitativ (wie häufig tritt ein Problem auf?) als auchqualitativ (welche Ursache hat die Beschwerde?) sein. DerProzess beinhaltet, dass ein Kunde eine individuelle Antwortauf seine Beschwerde bekommt und dass Mitarbeiter, die mitder Öffentlichkeit arbeiten, ein Konflikttraining erhalten. DasZiel des Beschwerdemanagements ist es, «die Dauer derKundenbeziehung [zu] verlängern, zufrieden gestellte Kundenals Akquisiteure durch positive Mundwerbung zu gewinnen,Kosten ineffizienter interner Prozesse [zu] reduzieren, Un-zufriedenheit vor[zu]beugen, [ . . . ] positives Image und Ein-stellung [zu] bilden, Vertrauensbasis zum Kunden aus[zu]bauen»5.

E-BibliothekElektronische Ressourcen spielen in Bibliotheken eine sehrwichtige Rolle. Oft werden die elektronischen Zeitschriften,Webseiten, Datenbanken und digitalisierte Medien unter demDach einer elektronischen Bibliothek angeboten. Entspre-chend dem Stellenwert dieser Ressourcen und den finan-ziellen Mitteln, die dafür aufgewendet werden, muss auchhier analysiert werden, wie hoch die Kundenzufriedenheit mit

Studien haben gezeigt, dass sich die Mehrheit vonunzufriedenen Kunden nicht beschwert: nach einemunangenehmem Erlebnis kommen sie wahrscheinlichnicht wieder.

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Interview

Die Kornhausbibliotheken bilden mit ihrem breiten Medienangebot für jedes Alter einesinnvolle Ergänzung zu den wissenschaftlichen Bibliotheken.

Die etwas andere Bibliothek im Kornhaus

Christine Eggenberg, Direktorin der Kornhausbibliotheken, im Gespräch mit Christian Lüthi, Direktionsadjunkt der StUB

An der Universität war ich im medizinischen Bereich tätig.Dort spielten die Medien Buch und gedruckte Zeitschrift nureine marginale Rolle. Wichtige Aufgaben waren die Zeitschrif-tenlizenzgeschäfte in Zusammenarbeit mit dem Konsortiumder Schweizer Hochschulbibliotheken, aber auch die Vermitt-lung von Informationskompetenz. Ein wesentlicher Teil meinerArbeit war die Schulung von Institutsmitarbeitenden. Diesewollten wissen, wie man Fachliteratur am besten findet undherunterlädt.

In der allgemein öffentlichen Bibliothek sind die Medienphysisch vorhanden und werden auf konventionelle Weiseausgeliehen. Die Zielgruppe der Kornhausbibliotheken istbreiter als in der wissenschaftlichen Bibliothek. Sie stelltein Angebot für die ganze Bevölkerung, vom Kind bis zurSeniorin, bereit.

Frau Eggenberg, seit Herbst 2005 sind Sie Direkto-rin der Kornhausbibliotheken. Welche Geschäftehaben Sie seither am meisten beansprucht?

Zuerst habe ich mein Team kennen gelernt. Dann haben michdie Leistungsvereinbarungen mit der Stadt Bern stark absor-biert. Netzwerke und Projekte der Kornhausbibliothekenüberblicken, weiterführen und wo nötig ausbauen, waren wei-tere Punkte, die am Anfang viel Zeit in Anspruch genommenhaben.

Sie haben zuvor in einer wissenschaftlichen Biblio-thek der Universität Bern gearbeitet. Wie haben Sieden Wechsel in eine allgemein öffentliche Biblio-thek erlebt? Wo liegen für Sie die markantestenUnterschiede?

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Der Leistungsauftrag der Kornhausbibliotheken beinhal-tet nicht nur die Informationsbeschaffung und -vermittlung.Wir organisieren auch viele Veranstaltungen und sind be-strebt, die Bibliothek als interessanten sozialen Treffpunkt zugestalten. Eine weitere Aufgabe ist es, ein Medienangebot fürRandgruppen und sprachliche Minderheiten bereitzustellen.

Welche neuen Projekte haben Sie in der Kornhaus-bibliothek gestartet?

Wir haben das Floorwalking eingeführt. Mitarbeiterinnengehen aktiv auf die Kundinnen und Kunden zu, um bei der Re-cherche behilflich zu sein. Das Projekt haben wir aufgrundguter Erfahrungen in der Stadtbibliothek Rotterdam gestartet.Der neue Service stösst auf grosses Interesse. Ausserdemwollen wir im Rahmen unseres Integrationsauftrags auf dieBedürfnisse von Migrantinnen und Migranten eingehen undspeziell auf sie ausgerichtete Internetkurse anbieten.

Welches ist der Umfang ihrer Medien? Wie hoch istder Anteil der Kinder und Jugendlichen, die ihre Bi-bliothek benutzen?

Wir bieten 360 000 Medien an. Davon befindet sich ein Drittelan der Hauptstelle. Der Rest ist auf die 18 Zweigstellen ver-teilt. Jährlich leihen die Kornhausbibliotheken fast 1,7 Millio-nen Medien aus. Ein Drittel unserer Kundinnen und Kundensind Kinder und Jugendliche. Das weibliche Geschlecht do-miniert in fast allen Altersklassen.

Wie viele Personen aus der Stadt Bern besuchendie Kornhausbibliotheken?

44 Prozent der Kundschaft wohnt in Bern, die anderen kom-men aus Aussengemeinden. Bezogen auf die Einwohnerzahlbenutzt ein Drittel der Bevölkerung Berns unsere Bibliotheken.

Welches ist der Anteil der Non-Books bei der Aus-leihe?

Das Verhältnis von Büchern zu Non-Books liegt bei der Aus-leihe bei 7 zu 3.

Aus Sicht der StUB stellen wir fest, dass nur wenigeBenutzerinnen und Benutzer unsere beiden Biblio-theken besuchen. Sehen Sie das auch so?

Grundsätzlich ja. Berührungspunkte gibt es in der Reiselitera-tur und den Musik-CDs. Hier haben bereits Gespräche be-züglich Abgrenzung stattgefunden. Aus finanzieller Sicht findeich es unvernünftig, Medien auf so nahem Raum doppelt an-zuschaffen.

Die StUB und die Hauptstelle der Kornhausbiblio-theken liegen in naher Distanz beieinander. Wiebeurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen denbeiden Institutionen? Was wäre für Sie wünschbar?

Es finden regelmässig Treffen zwischen den drei Leiterinnender StUB, der Schweizerischen Landesbibliothek und derKornhausbibliotheken statt. Ich erachte es als sehr sinnvollund fruchtbar, Erfahrungen auszutauschen, insbesonderedeshalb, weil wir auf dem Platz Bern je einen anderen Biblio-thekstyp vertreten. Die Zusammenarbeit oder das gemeinsa-me Auftreten gegenüber Politik, Kultur und Bildung kann füralle drei sinnvoll sein. Ausserdem werden Synergien bei derInformationsvermittlung künftig immer wichtiger.

Die universitären und anderen wissenschaftlichenBibliotheken in Bern weisen ihre Bestände im IDS-Katalog Basel/Bern nach. Wäre es denkbar, dassdie Kornhausbibliotheken sich diesem Verbund an-schliessen?

Christine Eggenberg, Direktorinder Kornhausbibliotheken Bern.

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Positiv ist, dass wir immer die Aufgabe haben werden, derBevölkerung der Stadt Bern, in welcher Form auch immer,Informationen zu vermitteln. Ich halte es für eine wichtigeAufgabe aller Bibliotheken, Schnittstelle zwischen Politik,Bildung und Kultur zu sein. Ein gemeinsames starkes undselbstbewusstes Auftreten aller Bibliotheken ist gefragt.

Leider werden auch in absehbarer Zukunft nicht mehr öf-fentliche Gelder vorhanden sein, das heisst wir werden auchkünftig nicht mehr Personal einstellen können, obwohl dieszum Teil dringend nötig wäre. Und was passiert, wenn Googleins Online-Ausleihgeschäft einsteigt? Eine Auseinanderset-zung mit Lizenzen seitens der allgemein öffentlichen Biblio-theken wird wichtig werden. Grundsätzlich kann der Druckaber auch anspornen, neue und unkonventionelle Wege zugehen. Dazu bin ich bereit!

Kontakt:[email protected], Telefon 031 327 10 [email protected], Telefon 031 320 32 87

Weitere Informationen:www.kornhausbibliotheken.ch

Es wäre in jedem Fall benutzerfreundlich. Ich erachte unter-schiedliche Kataloge für die Recherche in Bern als eine Zu-mutung für unsere Kundinnen und Kunden. Längerfristig ist eswünschenswert, Bestände zusammenzuführen und in einemgemeinsamen Katalog auszuweisen.

Welche Arbeitsteilung besteht zwischen der Haupt-bibliothek im Kornhaus und den Filialen in denAussenquartieren und Vorortsgemeinden?

Wir funktionieren nach dem so genannten einschichtigenBibliothekssystem, das heisst die Medien unserer Zweigstel-len werden im Haupthaus zentral aufgearbeitet. Ich lege gros-sen Wert auf Corporate Identity und gemeinsame Bereichs-ziele. Jährlich finden zwei Konferenzen mit den Leiterinnender Aussenstellen statt, die mir direkt unterstellt sind. Die Ver-anstaltungen der einzelnen Zweigstellen richten sich nachden Bedürfnissen der Einwohner in den Quartieren und in denGemeinden.

Wie wirkt sich der Trend zum Internet und zu digita-len Medien in Ihrem Bibliothekssegment aus?

Nicht mit der gleichen Schnelligkeit und Ausschliesslichkeit,wie ich ihn im wissenschaftlichen Bereich erlebt habe. Bei dengedruckten Medien können wir immer noch Ausleihsteigerun-gen verbuchen. Digitale Dokumente oder Datenbanken bie-ten wir noch nicht an. Es gibt bei uns jedoch Internet- und PC-Stationen für ein breites Publikum. Mit zielgruppenorientiertenProjekten wollen wir der zunehmenden digitalen Spaltung un-serer Gesellschaft entgegenwirken.

Wenn Sie einen Ausblick in die nächsten Jahrewagen, gibt es positive oder negative Entwicklun-gen, die Sie als Bibliotheksdirektorin beschäftigen?

Lese- und Spielpavillon derKornhausbibliotheken Bern aufder Münsterplattform.

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Projekte

Die Jahrgänge 1834 –1888 des «Intelligenzblattes» sind neu im Internet zugänglichund lassen sich nach Datum oder Stichworten durchsuchen.

Das «Intelligenzblatt für die Stadt Bern»erhält ein zweites Leben

Christian Lüthi ist Direktionsadjunkt der StUB

rufe, Berichte über Verbrechen und vieles mehr. GrossenRaum nehmen zudem Inserate ein; sie zeigen, welche Stellenzu besetzen waren und für welche Produkte und Dienstleis-tungen das Berner Gewerbe damals warb.

Der Titel «Intelligenzblatt» verleitet heute zur Vorstellung,dass sich diese Zeitung nur an gescheite Leute richtete. Dieswar jedoch nicht der Fall; der Name war im 18. und 19. Jahr-hundert ein Synonym für Nachrichtenblatt. Diese Wortbedeu-tung findet sich heute noch im englischen Wort Intelligence,das unter anderem Nachricht bedeutet. In der Schweiz exi-stierten im 19. Jahrhundert rund zwanzig Zeitungen mit die-sem Titel.

Die meisten Tageszeitungen landen nach der Lektüre im Alt-papier oder im Abfall. Einige wenige Exemplare haben dasGlück, in Bibliotheken archiviert zu werden. Genau diese er-leben nun an vielen Orten eine zweite Geburt, indem sie digi-talisiert und im Internet einem breiten Publikum neu zugäng-lich gemacht werden.

Die StUB hat die wichtigsten Berner Zeitungen des19. und 20. Jahrhunderts in gedruckter Form archiviert. Dazuzählen natürlich «Der Bund» ab 1850 und die «Berner Zei-tung» mit ihren Vorläufertiteln ab 1888. Die StUB hat für ihrerstes Zeitungsdigitalisierungsprojekt bewusst eine Zeitungdes 19. Jahrhunderts ausgewählt und nicht die erwähntenbeiden Titel, um die Menge der Seiten in einem kleinerenRahmen zu halten – allein der «Bund» zählt bis heute rund1,1 Millionen Seiten. Ausserdem sind bei den Zeitungsausga-ben nach 1920 nicht alle urheberrechtlichen Fragen geklärt.

Das «Intelligenzblatt für die Stadt Bern» erschien von1834 bis 1919, 1919 bis 1922 trug es den Namen «Berner Lan-deszeitung», 1922 fusionierte diese mit dem «Berner Tag-blatt». Am Anfang kam die Zeitung ein- bis zweimal proWoche heraus, ab 1841 täglich; insgesamt existieren rund166 000 Seiten. Im 19. Jahrhundert war dieses Blatt die wich-tigste Stadtberner Zeitung, was die lokale Berichterstattungbetrifft. Der «Bund» war zu Beginn – wie sein Titel besagt –eine Zeitung, die weniger über die Stadt Bern als über schwei-zerische Themen berichtete. Wer sich mit der Geschichte derStadt Bern beschäftigt, findet im «Intelligenzblatt» viel Quel-lenmaterial. Darunter sind Berichte über das politische Ge-schehen, amtliche Mitteilungen von Stadt, Kanton und Bur-gergemeinde, Nachrichten aus Vereinen, Leserbriefe, Nach-

Diese Werbung für Bockbier im «Intelligenzblatt für die Stadt Bern»vom 1. Mai 1858 ist ein frühes Beispiel für grafische Elemente inden Inseraten dieser Stadtberner Zeitung.

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Bernhard Friedrich Haller (1804–1871) war der Gründerund bis 1870 auch der Redaktor dieser Zeitung. Er war Arztund gehörte politisch dem liberalen Lager an. 1834 übernahmer die Leitung der seit 1711bestehenden Druckerei seines Va-ters und lancierte das freisinnige «Intelli-genzblatt». Die Druckerei Haller gingübrigens 1912 durch eine Fusion in diebekannte Firma Hallwag über.

Arbeitsschritte der DigitalisierungAuf dem Weg zur Online-Ausgabe sind mehrere Schritte zuabsolvieren. Zuerst waren Sponsoren zu suchen, dann ver-filmte eine Spezialfirma in der Schweiz das Original auf Mikro-film. Die Filme wurden anschliessend in Den Haag einge-scannt. Die Scans durchliefen darauf in Israel weitere Ver-arbeitungsgänge, bis am Schluss die Daten als Volltext und inArtikel strukturiert in der Software Olive Active Paper vor-lagen. Die Qualität der Originalseiten war allerdings teilweiseschlecht, da manchmal der Druck der Rückseiten durch dasdünne Papier schimmert.

Die StUB leistet mit der Digitalisierung des «Intelligenz-blattes» Pionierarbeit: Sie bietet als erste Schweizer Biblio-thek eine Zeitung digital im Volltext an. Die «Neue Zürcher Zei-tung» hat ihre historischen Ausgaben ebenfalls gescannt,diese Inhalte sind jedoch leider nicht frei zugänglich. Ausser-dem haben die Nationalbibliotheken in Österreich und Skan-dinavien bereits zahlreiche Zeitungen ins Netz gestellt. DieBritish Library und die Bibliothèque nationale de France sindebenfalls daran, im grossen Stil Tageszeitungen aus ihrenLändern zu digitalisieren.

Es ist kein Zufall, dass Zeitungen überall zuoberst auf derPrioritätenliste der Digitalisierungsprogramme von Bibliothe-ken stehen. Sie enthalten Berichte zu den Ereignissen derWelt sowie der einzelnen Länder und Regionen. Die Texte

und Inserate berichten vom Alltag ihrer Zeit, was sowohl fürdie Forschung als auch für ein breites Publikum interessantist. So sind in Bern Forschende verschiedener Fachgebieteder Universität am digitalen «Intelligenzblatt» interessiert.Darüber hinaus wünschen wir uns auch eine intensive Nut-zung aus weiteren Bevölkerungsgruppen.

Was bietet die Online-Ausgabe des«Intelligenzblattes»?Das digital wiedergeborene «Intelligenzblatt» ist viel leichterzugänglich als seine gedruckte Vorgängerin. Im Internet kannman die 106 500 Zeitungsseiten der Jahrgänge 1834 bis 1888als Faksimile anschauen. Die Jahrgänge 1889 bis 1922 sindaus finanziellen Gründen noch nicht digitalisiert. Eine Zu-gangsmöglichkeit ist der Einstieg über ein bestimmtesDatum. Zum Beispiel ist die Berichterstattung über den Teue-rungskrawall vom 17. Oktober 1846 auf diese Weise schnellauf dem Bildschirm lesbar. Damals protestierten hungrigeBernerinnen und Berner gegen steigende Lebensmittelpreisenach einer Missernte.

Die StUB leistet mit der Digitalisierung des «Intelligenz-blattes» Pionierarbeit: Sie bietet als erste SchweizerBibliothek eine Zeitung digital im Volltext an.

Das «Intelligenzblatt für die StadtBern» auf verschiedenen Daten-trägern: auf Papier gedruckt,auf Mikrofilmrollen, via Internetauf dem Bildschirm und imKopf des Autors dieses Artikels.

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Ein weiterer und neuer Zugang zum digitalisierten «Intel-ligenzblatt» ist die Stichwortsuche. Mit einer Spezialsoftwarewurden die digitalisierten Zeitungsseiten in Spalten und ineinzelne Artikel strukturiert. Ausserdem sind die Artikel in Voll-texte umgewandelt worden, in denen man nun recherchierenkann. Eine Suche mit dem Stichwort Felsenau ergibt mehrere

Dutzend Treffer, darunter sind die wichtigsten Ereignisse derEntwicklung dieses Quartiers. Ausserdem findet man zahl-reiche Kleininserate, die für das Bier der Brauerei Felsenauwarben. Die vielen Inserate führen oft zu einer grossen Treffer-zahl. Durch eine geschickte Wahl der Suchbegriffe oder durchden gezielten Einsatz von Suchoperatoren lässt sich die Re-cherche präzisieren. Insgesamt führt die digitale Ausgabe des«Intelligenzblattes» dank den Suchmöglichkeiten im Volltextzu Material, das beim Original nur durch tage- oder wochen-langes Blättern auffindbar ist. Damit lassen sich die Personal-kosten für Zeitungsrecherchen im Rahmen von Forschungs-projekten massiv reduzieren.

Zeitungsseiten und einzelne Artikel, die man gefundenhat, lassen sich selbstverständlich ausdrucken, sie könnenaber auch als Bild jemandem zugemailt werden. Je nachInteresse kann man so ein persönliches Zeitungsausschnitt-archiv des 19. Jahrhunderts anlegen.

In zahlreichen Zeitungsberichten war die Stadtbiblio-thek, also die Vorgängerin der StUB, ein Thema. Mitte des19. Jahrhunderts war sie jeweils nur an zwei Stunden pro Taggeöffnet, was zu Klagen Anlass gab. In der Diskussion derBurgergemeinde vom 6. Juni 1838 über die Bibliothek gab esStimmen, das Angebot an «schöner Literatur» sei zu klein.

Ein Mitglied der Bibliothekskommissionmeinte, «dass man einen dicken Katalogmit den fehlenden Werken füllen könnte».Andere waren der Ansicht, die Stadtbi-bliothek sei eine wissenschaftliche Ein-richtung und keine Lesegesellschaft fürdas breite Publikum. Die Bibliothek war

damals auch Hüterin zahlreicher Kunstschätze, die später andie Berner Museen übergingen. Der Oberbibliothekar mussteanwesend sein, wenn die wertvollsten Schätze dem Publikumgezeigt wurden. Die beiden Unterbibliothekare durften blossKupferstiche und Bücher herausgeben.

Kontakt:[email protected], Telefon 031 320 32 87

Weiterführende LinksDirektlink zum Intelligenzblatt für die Stadt Bern:www.intelligenzblatt.unibe.chDigiBern, Berner Kultur und Geschichte im Internet, www.digibern.chANNO, Austrian newspapers online, http://anno.onb.ac.atTiden, Nordic digital newspaper library, www.kb.seBayerische Landesbibliothek online, www.bayerische-landes-bibliothek-online.de

Die digitale Ausgabe des «Intelligenzblattes» führtdank den Suchmöglichkeiten im Volltext zu Material,das beim Original nur durch tage- oder wochen-langes Blättern auffindbar ist.

Die Titelseite des «Intelligenzblattes für die Stadt Bern» vom18. Juni 1857 enthält unter anderem amtliche Bekanntmachungen.Rechts ein Beispiel eines Inserates vom 23. April 1860.

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Die Fülle an elektronischen Recherchemöglichkeiten, wie Bib-liothekskataloge, Datenbanken, elektronische Zeitschriftenoder Fachportale, ist in den letzten Jahren sehr gross und un-übersichtlich geworden.1 Gleichzeitig ist dank technischerEntwicklungen im Bereich des Internets die Recherche nichtmehr an einen Ort gebunden, wodurch sich die Arbeitsplätzeder Forschenden aus der Bibliothek an periphere Orte ver-lagert haben.

Diese Entwicklungen haben die Anforderungen an dieInformationsvermittlung in Bibliotheken stark beeinflusst. EinGrossteil der Studierenden und Forschenden nutzt die biblio-grafischen Angebote nicht mehr in den Räumlichkeiten derBibliothek und kann sich daher bei Fragen auch nicht persön-lich an die anwesenden Auskunftsbibliothekare wenden. DieStadt- und Universitätsbibliothek Bern (StUB) hat diesen Ver-änderungen Rechnung getragen und mit einer neuen Dienst-leistung den Bedürfnissen der Benutzenden entsprochen:Seit Mitte Mai 2006 bietet die Abteilung Benutzung desHaupthauses an der Münstergasse zusammen mit der Basis-bibliothek Unitobler (BTO) die telefonische Rechercheaus-kunft an.

Während der Woche ist eine Fachperson erreichbar, dieKundschaft bei allen Fragen der Recherche behilflich ist.Grundsätzlich bietet die telefonische Auskunft dieselbenDienstleistungen wie die Auskunftsperson in den Bibliothe-ken: Hilfestellung bei der Katalogabfrage, Unterstützung beithematischen Suchen in Datenbanken oder elektronischenZeitschriften. Bei fachlich komplexen Fragen können Anru-fende auch an die zuständigen Fachreferenten weitergeleitetwerden.

Dieses Angebot einer telefonisch erreichbaren Aus-kunftsperson, die nur für Recherchefragen zuständig ist, istin der deutschen Schweiz zur Zeit einmalig. Zwar verfügenalle grossen Hochschulbibliotheken über eine Auskunftsnum-mer; Anrufende, die eine komplexe Rechercheanfrage haben,werden jedoch aufgefordert, persönlich bei der Auskunfts-stelle in der Bibliothek vorbeizukommen. Mit der neu einge-führten telefonischen Rechercheauskunft möchte die StUBdiesen unbefriedigenden Zustand ändern und ihren Benutze-rinnen und Benutzern weiterhin einen optimalen Service an-bieten.

Für das Team der telefonischen Auskunft ergeben sichmit dieser neuen Dienstleistung auch neue Herausforderun-gen: Neben der Notwendigkeit, fachlich immer auf dem Lau-fenden zu sein und die vielfältigen Angebote der Bibliothek im

Bereich elektronischer Angebote zu kennen, müssen die Mit-arbeitenden auch mit den Eigenheiten des Telefons umgehenkönnen. Nonverbale Kommunikation ist ausgeschlossen,Hinweise, wie «Klicken Sie dort», sind für die Anrufendennicht sehr hilfreich.

Eine Erhebung der Anrufe auf die Hauptlinie der StUBhat gezeigt, dass die meisten Telefonate zwischen 10 und 16Uhr eingehen.2 Dementsprechend sind die Ansprechzeitender telefonischen Auskunft der StUB festgelegt. Im Gegen-satz zu anderen Auskunftsdiensten wird die neue Serviceleis-tung der StUB zum normalen Telefontarif berechnet.

Kontakt:[email protected], Telefon 031 320 33 25

Telefonische Auskunft der StUB und BTOMontag bis Freitag, 12 bis 16 Uhr, 031 320 33 55

1 Vgl. zu dieser Thematik den ausführlichen Artikel vonJörg Müller: Lotsen im Datenmeer. In: Libernensis 1’2005.

2 Fahrländer, Judith: Konzept zum Aufbau eines Call Centers imAuskunftsdienst der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern,Diplomarbeit 2002.

Projekte

Bettina v. Greyerz ist Auskunftsbibliothekarin der StUB

TelefonischeRechercheauskunft

Mit einer neuen Dienstleistung entsprichtdie StUB veränderten Bedürfnissen.

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Partner

Die Stadt St.Gallen gewinnt in doppelter Weise: Sie übernimmt ein hervor-ragendes Dokumentationszentrum zum Buch- und Zeitschriftenwesen und erhälteinen Studiengang Buchwissenschaft.

Das Deutsche Bucharchivzieht von München nach St.Gallen um

Christine Felber ist Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der StUB

Wer von Büchern spricht, erzählt meistens von Inhalten, vonGeschichten oder Sachtexten, bezieht sich also weniger aufdie Materialgestalt des Buches. Bücher fallen jedoch nichtvom Himmel, sondern bilden wie jede andere Ware das End-produkt eines längeren Entwicklungs-, Herstellungs-, Ver-triebs- und Vermittlungsprozesses: Am Anfang jedes Buchessteht der Autor oder die Autorin, die ihr Manuskript einemVerlag übergibt; dieser stellt mit Hilfe von Gestaltern und Zu-lieferern, wie der Papierwirtschaft und der Druckindustrie, dasBuch her, anschliessend verbreiten es Vertriebsorganisatio-nen, damit es in der Buchhandlung ver-kauft werden und an den Leser oder dieLeserin gelangen kann. Mit diesem Publi-kationsprozess und seinen rechtlichen,wirtschaftlichen, politischen und gesell-schaftlichen Einflussfaktoren befasstsich die Buchwissenschaft, die sich in den vergangenenzwanzig Jahren in Deutschland – in anderen europäischenLändern und in den USA bereits früher – als eigenständigewissenschaftliche Disziplin an Universitäten etablierte.

Wer sich inner- oder auch ausserhalb des universitärenAngebots mit Fragen der Buchwissenschaft beschäftigt, wirdfrüher oder später auf das Deutsche Bucharchiv Münchenstossen. Diese Institution bietet eine Fülle an Dokumentenund Informationen zu sämtlichen Bereichen des Buches undder verwandten Zeitschrift: Entstehung, Herstellung, Verwer-tung, Distribution, Vermittlung und Rezeption. Entstanden istdas Bucharchiv auf Initiative von Prof. Dr. Ludwig Delp, imHauptberuf Anwalt, der in den Jahren des Wiederaufbaus

nach dem Krieg anfing, Bücher, Zeitschriften, Zeitungsaus-schnitte, Statistiken und anderes aussagekräftiges Materialzu sammeln, um für die Erforschung buchwissenschaftlicherFragen die notwendigen Grundlagen zu bieten. Für seingleichermassen idealistisches wie weitsichtiges Vorhabengründete er 1948 das Bucharchiv München. Institut für Buch-wissenschaften und entwickelte es mit unermüdlichem Enga-gement bis heute weiter – ohne öffentliche Zuschüsse, finan-ziert durch Freunde, Förderer und Stiftungen. Neben der In-formation und Dokumentation für Forschung und Lehre sieht

das Archiv mit Spezialbibliothek seine Aufgabe darin, Unter-suchungen durchzuführen, Gutachten zu erstellen, Seminarezu veranstalten sowie auch selbst Forschung zu betreiben:Seit 1950 gibt das Archiv die Schriftenreihe Buchwissen-schaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv heraus,in der bislang 73 Bände erschienen sind.

Im Oktober 2006 ist nun das Deutsche Bucharchiv vonMünchen nach St. Gallen umgezogen. Kanton, Universitätund Deutsches Bucharchiv München haben gemeinsam dieStiftung «St. Galler Zentrum für das Buch» gegründet, um inSt. Gallen die buchwissenschaftliche Forschung und Lehre zufördern. Der dafür grundlegende Archivbestand ist als Dauer-leihgabe der neuen Stiftung übertragen und als eigenstän-

Bücher fallen nicht vom Himmel: Sie bilden wie jedeandere Ware das Endprodukt eines längerenEntwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebsprozesses.

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diger Bereich in den Betrieb der Kantonsbibliothek St. Gallenintegriert worden. An der Universität St. Gallen wird ein inter-disziplinärer Kompetenzbereich Buchwissenschaften ge-schaffen, der seinen Lehrbetrieb im Wintersemester 2007/08aufnimmt. Damit kommt Bewegung in die Schweizer buch-wissenschaftliche Forschung, die bislang mit keinem univer-sitären Angebot vertreten war. Mit der universitären Veranke-rung der von ihm fast sechs Jahrzehnte lang betreuten Insti-tution ist für Ludwig Delp ein langjähriger Wunsch in Erfüllunggegangen.

Herr Professor Delp, Sie haben sehr jung, nacheinem Jurastudium den Entschluss gefasst, ein Ar-chiv für alle Fachfragen des Buchwesens zu grün-den. Worauf beruhte diese Idee?

Bereits in jungen Jahren kam ich mit dem Leipziger Archiv desdortigen Börsenvereins in Verbindung und erfuhr leidvoll dietotale Vernichtung im Krieg. Ein solches Archiv erneut zu be-gründen, erschien mir geradezu lebensnotwendig. Noch wäh-rend meines Studiums, das sich auch ausgiebig mit Urheber-recht befasste, erlangte ich bald persönlichen Kontakt mitdem Lehrbeauftragten für Urheberrecht, Herrn Prof. Dr. Wil-helm Diess, der mich seinerseits seinem Freund Horst Klie-mann, damaliger Direktor des R. Oldenbourg Verlags, ver-mittelte. Als ich eines Tages in Begleitung von Horst Kliemannüber die Ludwigstrasse spazierte, kam mir der Gedanke einesneuen Archivs. Ich sprach ihn aus. Kliemann blieb stehen undsagte nachdenklich, dass das eine grosse, schwierige Aufga-be sei. In meinem damaligen jugendlichen Optimismus schobich die Bedenken beiseite und «gründete» das Bucharchiv –zunächst in Gedanken, dann aber recht bald durch die An-schaffung eines vom Schreiner gezimmerten Regals. Die zu-nächst noch leeren Regale verdeckte ich mit einer Platte ausAktendeckeln und entwarf darauf das 10 ✕ 10-System einer-

seits vom Autor bis zum Leser, andererseits von der Kulturge-schichte bis zur Rechtswissenschaft. Mit diesen 100 Fachge-bieten konnte ich das Buchwesen einteilen und die gesam-melten Bestände danach katalogisieren.

Woher rührt Ihre starke Affinität zum Buch?Das Buch ist für mich wegen der Vielseitigkeit seiner Erschei-nungsform immer schon ein Faszinosum gewesen. Es ist dieAussage seines Autors in dauerhafter Form, kann jederzeitbefragt werden, erfordert keine maschinellen Umsetzungen,ist also dauerhaft aussagebereit. Das Buch ist eine Ware; Her-stellung und Vertrieb haben ihre besonderen Eigenheiten. DasBuch kann ein Kunstwerk sein, sei es grafisch oder literarisch.Dies alles brachte mich immer wieder zum Buch.

Sechs Jahrzehnte hat das Bucharchiv bald Be-stand. Was hat Ihren Idealismus gestärkt, um all dieHürden zu nehmen, die einer privaten Initiative ohnestaatlichen Auftrag erfahrungsgemäss im Weg ste-hen? Gab es Momente, in denen Sie Ihr Lebenswerkernsthaft gefährdet sahen?

In den sechs Jahrzehnten des Bucharchivs fand ich für meineIdee verständige Förderer, die durch die Gewährung vonSonderkonditionen die Anschaffung begünstigten. Das Buch-archiv hatte nicht den Charakter einer externen Bibliothek.Es war auch für mich, für meine Tätigkeit als Rechtsanwalt fürUrheber- und Medienrecht eine ständige Informationsquelle.Ein «Lebenswerk» sah ich darin nicht, eher eine hochinteres-sante, vielseitige Information für mein Steckenpferd «Buch».Gefährdungen gab es natürlich: Das Archiv wuchs und wuchsund brauchte neue Räumlichkeiten, die zeitweise zur Verfü-gung standen, aber auch aus irgendwelchen ganz und garnicht sachbezogenen Gründen aufgegeben werden mussten.So kam es auch vor, dass für eine gewisse Zeit die Bestände

Prof. Dr. Ludwig Delp hat 1948 das Deutsche BucharchivMünchen gegründet und dessen Entwicklung während fastsechs Jahrzehnten begleitet. 1993 wurde er von der Fried-rich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, an der er seit1988 Lehrbeauftragter für Buch- und Bibliothekskunde ist,zum Honorarprofessor ernannt.

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in Bücherkisten verpackt und eingelagert werden mussten,bis sich eine neue Aufstellungsmöglichkeit ergab. Ich hatteimmer wieder versucht, auch öffentliche Förderer für dasBucharchiv zu gewinnen. Zahllose Gespräche fanden statt,ein Ergebnis wurde jedoch nicht erzielt.

Im ersten Moment wundert man sich, weshalb einsolch hervorragendes Dokumentationszentrumzum Buch- und Zeitschriftenwesen in die Schweizabwandert. Uns freut’s. Doch wie sehen das dieMünchner, die mit einem eigenen Studiengang ander Universität der Buchwissenschaft doch auchBedeutung beimessen?

In der Schweiz gab es bisher keine buchwissenschaftlichenEinrichtungen, aber eine weltoffene Universität in St. Gallen.Die dort geführten Gespräche waren erfolgreich, auch des-wegen, weil ich nicht für eine «literarisch orientierte Buchwis-senschaft» eintrete, sondern für ein Buchwesen insgesamt,repräsentiert durch die Superlativform «Buchwissenschaf-ten». Diese bei näherem Nachdenken doch recht wesentlicheDifferenzierung vereitelte die Kooperation mit deutschenInstituten für Buchwissenschaft wie etwa in München, wobeiich betone, dass ich mit den jeweiligen Institutsdirektorengute persönliche Beziehungen pflegte und unser Bucharchivselbstverständlich auch den Studierenden zur Verfügungstellte. Ich habe die Verlegung des Archivmaterials nach St.Gallen mit dem Bayerischen Kulturministerium offen erörtertund Verständnis für meinen Plan gefunden.

Wie ist die Wahl auf St. Gallen als neue Heimstättedes Deutschen Bucharchivs gefallen? «Buchstäd-te» mit Universitäten gibt es in der Schweiz nochandere, beispielsweise Basel.

Ohne damit den übrigen Schweizer Universitäten in irgend-einer Weise zu nahe zu treten: An der Universität St. Gallen ge-fiel mir die Modernität, die Aufgeschlossenheit und die inter-nationale Richtung des dortigen Bildungssystems. DieseÜberlegung scheint richtig zu sein.

Mit der Übernahme des Bucharchivs wird ander Universität St. Gallen gleichzeitig ein Lehrpro-gramm Buchwissenschaft mit ökonomisch-juristi-scher Ausrichtung geschaffen. Bleibt da – führt mansich die Doppelnatur des Buches als Kultur- undWirtschaftsgut vor Augen – die kulturhistorische, jabibliophile Seite des Buches nicht auf der Strecke?

Das geplante Lehr- und Forschungsprogramm Buchwissen-schaften mit ökonomisch-juristischer Ausbildung ist ver-glichen mit den Programmen der anderen buchwissenschaft-lichen Einrichtungen neu. Die kulturhistorische, bibliophileSeite, wie sie von den anderen Instituten zu Recht gepflegtwird, bleibt nicht «auf der Strecke». Die ökonomisch-juristi-sche Ausrichtung soll lediglich den besonderen Schwerpunktder St. Galler Programmrichtung dartun. Kulturgeschichte, Bi-bliophilie, Literaturwissenschaft und Ähnliches kommen imProgramm St. Gallen vor, aber nicht in erster Linie. Die Be-gründung ist eigentlich einleuchtend. Ohne die ökonomischeund juristische Grundlage wäre ein Buch als Handelsobjektgar nicht denkbar.

Haben Sie einen persönlichen Wunsch, wie sich dasBucharchiv in St. Gallen weiterentwickeln soll?

Wir werden wohl im Oktober 2006 den gesamten Bestandnebst Katalogen und eingearbeitetem Personal als Dauerleih-gabe an die von uns dort neu initiierte Stiftung «St. Galler Zen-trum für das Buch» verlegen und dankbar der Bertreuungdurch die Vadiana entgegensehen. Die Stiftung DeutschesBucharchiv verbleibt weiterhin in München. Von hier aus wer-den alle Unternehmungen zur Förderung der Buchwissen-schaften in St. Gallen zusätzlich subventioniert. Denn ichmöchte, dass mein persönlicher Wunsch in Zusammenhangmit der seinerzeitigen Gründung des Bucharchivs über dieAktivitäten in St. Gallen europaweite und nach Möglichkeitauch internationale Anerkennung findet.

Kontakt:[email protected], Telefon 031 320 32 56www.bucharchiv.dewww.kb.sg.ch

Ab Oktober 2006 beherbergt die KantonsbibliothekSt. Gallen die der neugegründeten Stiftung«St. Galler Zentrum für das Buch» übertragenenBestände des Deutschen Bucharchivs.

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Von Lese- und Schreibkompetenzen und vom souveränenUmgang mit dem Computer ist in der Folge von PISA häufigdie Rede. Denn seit dem Siegeszug von Computer und Inter-net nimmt die Medienkompetenz als Basis für die erfolgreicheNutzung von Medien aller Art eine Schlüsselrolle ein. Damithaben sich auch die Anforderungen der Lesedidaktik und derLiteraturrezeption im Umfeld der Schule grundsätzlich verän-dert; diese zeichnen sich immer häufiger durch multimedialeLernangebote aus.

Der Nachdiplomkurs (NDK) Lesen, Medien, Literacy 2(2006–2008) bietet deshalb mit einem vielfältigen ProgrammGrundlagen für die Entwicklung sowie Förderung von Lesenund Schreiben im Rahmen eines medienpädagogischen Kon-zepts an. Der NDK baut auf dem Vorgängerprogramm Lesen,Medien, Literacy 1 (2004–2006) auf und übernimmt dessenbewährte Elemente, wie z. B. das Konzept und die am bestenbeurteilten Module. Leitidee ist nach wie vor die Verschrän-kung von theoretisch und praktisch ausgerichteten Kursan-geboten mit einem im realen Berufskontext durchgeführtenLernprojekt. Ausserdem enthält der NDK weiterführendeKursteile mit Aspekten der Lehrerinnen- und Lehrerausbil-dung sowie des Bildungsmonitorings, welches mittels Tests,Fragebögen oder statistischer Auswertungen eine systemati-sche Beschaffung von Informationen über ein Bildungssys-tem erfasst und damit datengestützt Auskunft über dessenErfolgsmessung gibt.

Das gemeinsame Angebot des Instituts für Erziehungs-wissenschaften der Universität Bern und des Zentrums Lesender Fachhochschule Nordwestschweiz (Pädagogische Fach-hochschule) richtet sich einerseits an Absolventinnen und Ab-

solventen des Nachdiplomkurses Lesen, Medien, Literacy 1oder von ähnlichen Weiterbildungen sowie an Leute, die mehrüber internetgestützte Lehr-, Lern- und Betreuungsumgebun-gen erfahren wollen. Andererseits ist der NDK auch für dieWeiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern, die Erwachse-nenbildung, für Mitarbeitende von Bibliotheken und Medio-theken sowie für Studierende offen.

Die Ausbildung ist berufsbegleitend und dauert zwei Jahre.Inhaltlich gliedert sich der Kurs in drei Bereiche, welche inengem Zusammenhang stehen:

– Reading Literacy: Grundlagen der Lese-, Schreib- undSprachdidaktik

– Media Literacy: Lernen und Lehren mit ICT-Hilfsmitteln(Informatik- und Kommunikationstechnologie)

– Lernprojekt: Planung und Durchführung eines Vorha-bens im realen Berufskontext

Der Ablauf des Nachdiplomkurses sieht im ersten Jahr einenkursorischen Teil vor, im Zentrum des zweiten Jahres steht einLernprojekt, das im Team in einer internetgestützten Umge-bung entwickelt wird. Die Teilnehmenden haben so die Mög-lichkeit, die erworbenen Grundlagen in eigenen Vorhaben inder Lehrpraxis auf ihre Weise umzusetzen. Nach Ablauf desKurses sollten die Teilnehmenden in der Lage sein, E-Lear-ning im Rahmen ihres angestammten Lehrauftrags gezielt fürdie Förderung des Lesens und Schreibens zu nutzen sowieentsprechendes Wissen und Können im Bereich der Aus- undWeiterbildung an Lehrpersonen zu vermitteln.

Kontakt:[email protected], Telefon 031 320 32 26

Weitere Informationen unter www.ndk-literacy.ch

Weiterbildung

Yvonna Schindler ist Mitarbeiterin derÖffentlichkeitsarbeit der StUB

Lesen, Medien,Literacy

Nachdiplomkurs an der PädagogischenHochschule Nordwestschweiz

zudem den Text durchlässig und ermöglicht eine Leser/Autor-Kommunikation, die gleichzeitig wieder Teil des (Literatur-)Geschehens werden kann: eine Funktion, die auch in dem imWeblog taberna kritika – kleine formen geschriebenen undimmer noch teilweise zur Disposition gestellten Fragment-roman «Dranmor» genutzt wird. Die Kommentare dort fliessenwieder zurück in einen Metatext, der sich mit der Textgeneseund Reflektion der Bearbeitung jenes Romanmanuskripts be-schäftigt.

Natürlich gibt es auch literarische Weblogs, die in inten-sivem Austausch mit anderen stehen. Im Weblog HangingLydia wurden beispielsweise Motive eines anderen Weblogsaufgegriffen und fortgeführt. Daraus entstand ein kollabora-tives Textganzes, dessen Entstehungsprozess minutiös do-kumentiert wird. So entstand eine weitere Zusammenarbeitan dem Text, der unter dem Titel «urban studies» gelesenwurde und bald als druckfertiges Manuskript vorliegen soll.

Um sozusagen die Interessen literarischer Weblogs zuvertreten, d. h. sie etwas zu bündeln und bekannter zu ma-chen, haben wir Ende 2004 die Internetseite www.litblogs.netins Leben gerufen. Ausser einer Auflistung der Autorinnenund Autoren resp. deren Weblogs kann diese Seite aber nocheiniges mehr. Ausgerüstet mit einer Datenbank und einem Ag-gregator, kann die Seite nicht nur die jüngst geschriebenenBeiträge der Mitglieder synoptisch anzeigen und auf das je-weilige Weblog verlinken, die Texte werden auch als Exzerptedort (via RSS4) eingelesen, sodass die Seite nicht nur alsAutorenportal, sondern auch als Echtzeit-Online-Magazin zubezeichnen ist.

1 Der Befund wurde spätestens in diesem Jahr revidiert, seit be-kannt wurde, dass die aktuelle Bachmann-Preisträgerin KathrinPassig auch für das Weblog der Zentralen Intelligenz Agentur(www.riesenmaschine.de/) schreibt.

2 Vgl. auch den Wikipediaeintrag zu «Weblog» (http://de.wikipe-dia.org/wiki/Weblog)

3 Mehr dazu auch in: Digitalität und Literalität. Zur Zukunft derLiteratur im Netzzeitalter. Fink, 2005 (auch: http://www1.uni-hamburg.de/DigiLit//index.html)

4 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/RSS

Kontakt:[email protected]

Links:litblogs.net – literarische Weblogs in deutscher Sprache(http://www.litblogs.net/)Die Dschungel. Anderswelt(http://albannikolaiherbst.twoday.net/)taberna kritika – kleine formen(http://www.abendschein.ch/weblog.php)Hanging Lydia(http://www.skypaperpress.com/)

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Schreiben im Netz

Hartmut Abendschein ist Fachreferent für Germanistik der StUBMarkus A. Hediger ist Germanist in Winterthur

Noch vor wenigen Jahren las man in den Zeitungen den Be-fund, dass es sich bei Weblogs um eine eher private und tri-viale Form der Verbreitung von Inhalten im Internet handelt1,die aus dem Amerikanischen zu kommen schien. Zu diesemZeitpunkt konnte man allerdings schon eine rege Entwicklungdes Begriffs, der Technik und neuartigen Ästhetik dieser wie

Pilze aus dem Boden schiessenden Mini-Content-Manage-ment-Systeme feststellen.2 Die in den 1990er-Jahren begin-nende Form der einfachen und unabhängigen Verbreitungvon Content im Internet hatte sich schon hochgradig ausdif-ferenziert. Auch auf dem Feld der Literatur wurden erste Ver-suche bekannt, wie Schriftsteller diese Form – oder soll mansagen: dieses Medium? – für ihre Arbeit gebrauchten.3

Allen voran ist sicherlich Alban Nikolai Herbst mit seinemWeblog Die Dschungel. Anderswelt zu nennen, der als einerder Ersten einen Grossteil der Palette von Möglichkeiten nutz-te, die eine Weblog-Software anbot: die externe und interneVerlinkung, Rubrizierung von Beiträgen in verschiedene Ka-tegorien und die Entwicklung einer weblogspezifischen Poe-tologie. Die Möglichkeit, spezifisch zu kommentieren, macht

Bücher und andere MedienBuch-am-Mittag-Thema vom 11. April 2006

Partizipative Textgenese in literarischenWeblogs

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Aktuelle Bernensia

Knechte und MägdeIn Oeschberg bei Koppigen feiert ein Altersheim sein hundert-jähriges Bestehen. Es ist kein normales Altersheim, sonderneine Institution, in der Knechte und Mägde ihren Lebens-abend nach Jahren voller Arbeit und Entbehrung verbringen.Fotografien machen den überwiegenden Teil des Bandes aus:Bilder, die Andreas Reeg während mehrerer Jahre in Oesch-berg aufgenommen hat. Auffallend – und beim ersten Be-trachten vielleicht irritierend – ist, dass die Bilder keine Le-genden haben. Die Aufnahmen sprechen jedoch für sich undzeigen genau das, was Walter Däpp in seinem Vorwort be-schreibt: die starken Seiten dieser Menschen, ohne sie zu be-schönigen. Viele sind körperlich gezeichnet von ihrem hartenArbeitsleben.

Bereits beim Durchblättern wird klar, was das Speziellean diesem Altersheim ist: Die Bewohner arbeiten, sind weiter-hin in der Landwirtschaft oder im Haushalt aktiv. Sie tun das,was sie das ganze Leben gemacht haben: «wärche». DerUnterschied ist jedoch, dass sie nun den Umfang dieser Ar-beit selbst bestimmen können. «Sie dürfen weiterhin die Kühemelken, . . . sie dürfen – aber sie müssen nicht.» Den Ab-schluss des Buches bildet ein knapper Text über die hundertJahre Geschichte des Dienstbotenheims Oeschberg. Es istein einfaches Dokument entstanden, das aber berührt undeinen Blick in eine uns unbekannte Welt gewährt, die wir nichtso schnell vergessen. Bettina v. Greyerz

Reeg, Andreas: Knechte und Mägde. Das DienstbotenheimOeschberg. Bern: Benteli, 2006. 114 Seiten, ill., Fr. 42.–StUB-Signatur: RAA 68354

Industriekultur im Kanton BernDer Architekturhistoriker Hans-Peter Bärtschi hat die Infor-mationsplattform für schützenswerte Industriekulturgüterder Schweiz (ISIS) aufgebaut, die im Internet abrufbar ist(www.industrie-kultur.ch). Auf der Grundlage dieser Arbeit hater einen Reiseführer verfasst, der die Industriekultur im Kan-ton Bern erschliesst. Das handliche Buch ist in acht Ausflugs-routen gegliedert, die je einen Kantonsteil umfassen. Sie the-matisieren die Eisenverarbeitung im Berner Jura, die Uhren-industrie in Biel, die Brücken in der Region Bern, Fabriken undMühlen entlang der Emme sowie die Tourismusinfrastruktur

und Wasserkraftwerke im Berner Oberland. Die Publikationstellt nicht nur Fabrikbauten vor, sondern auch Mühlen, Kanä-le, historische Bahnen, Museen und weitere Bauten, die teil-weise bereits vor dem Industriezeitalter errichtet wurden. Dievorgestellten Objekte sind jeweils im Bild dargestellt, undkurze Texte liefern Adresse, geografische Koordinaten, Datenzur Geschichte und Informationen zur Zugänglichkeit. Die Pu-blikation ist in der Serie von schön gestalteten Wanderbü-chern des Rotpunktverlages erschienen und lädt zum Blätternoder Nachschlagen ein. Die 333 Industriekulturbauten lassensich sowohl zu Fuss, mit dem Fahrrad als auch mit dem öf-fentlichen Verkehr erkunden. Christian Lüthi

Bärtschi, Hans-Peter: Industriekultur im Kanton Bern.Unterweg zu 333 Zeugen des produktiven Schaffens. Zürich:Rotpunktverlag, 2006. 278 S., ill. Fr. 38.–. StUB-Signatur:FHB_LB_85150 1

Gefässkeramik und Hafnerei im Kanton BernNeuzeitliche Gefässkeramik gehört zu den häufigsten archä-ologischen Funden und zählt zum Grundstock vieler kultur-historischer und volkskundlicher Sammlungen, darunter desSchweizerischen Landesmuseums, des Historischen Mu-seums Bern und des Rätischen Museums. Nähere Unter-suchungen solcher Funde sind jedoch bislang ausgeblieben.In seiner in den Schriften des Bernischen HistorischenMuseums erschienenen Dissertation gibt Adriano Boschetti-Maradi nun einen Überblick über die frühneuzeitliche Gefäss-keramik des 16. bis 18. Jahrhunderts und konzentriert sichdabei auf den alten bernischen Kantonsteil. Ausgehend vonden Aufschüttungen der bernischen Stadtgräben wird diezahlreich angefallene Irdenware nach ihrer Herstellungstech-nik beschrieben und anhand von Fundkomplexen nach Form-typen und Warenarten geordnet. Als Ergänzung des starkfragmentierten archäologischen Fundmaterials zieht derAutor Museumsstücke heran, bei denen es sich jedoch meistnicht um Alltagsgeschirr, sondern um Stücke handelt, diewegen ihrer Besonderheit erhalten geblieben sind. Schliess-lich werden auch Schriftquellen untersucht, welche die Pro-duktionsverhältnisse der Hafnereien beleuchten und über denGeschirrhandel Auskunft geben. Entstanden ist ein an Fund-material und Informationen zur bernischen Gefässkeramikund Hafnerei überaus reicher Band, der darüber hinaus einefür ein Wissenschaftswerk sehr ansprechende, benutzer-freundliche Gestaltung erfahren hat. Christine Felber

Boschetti-Maradi, Adriano: Gefässkeramik und Hafnerei in der FrühenNeuzeit im Kanton Bern. Bern: Historisches Museum Bern, 2006.379 S., ill. Fr. 78.–. StUB-Signatur: in Bearbeitung

Bücher und andere Medien

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Das Restaurierungsatelier der StUB trifft zur Erhaltung des historischenBestands sowohl vorbeugende als auch schadensbehebende Massnahmen.

Schimmel, Goldstaub und BitsUlrike Bürger ist Leiterin Konservierung

Das Restaurierungsatelier der StUB ist Teil der Abteilung His-torischer Bestand/Konservierung. Zu deren Aufgaben gehö-ren Massnahmen zur Erhaltung und Dienstleistungen für denhistorischen Bestand und die Sondersammlungen. Eine Me-diävistin, Bibliothekare und Restauratorinnen kümmern sichin enger Zusammenarbeit um die Erschliessung, die wissen-

schaftliche Betreuung und Beratung, um Schadenspräven-tion, Konservierung und Restaurierung. Die vier Restaurato-rinnen arbeiten für beide Bibliotheken im Hause: In der StUBsind sie für die Bestandserhaltung zuständig, für die Burger-bibliothek Bern übernehmen sie Konservierungs- und Res-taurierungsarbeiten im Mandatsverhältnis.

Bibliotheks- und Archivgut aus verschiedenenZeiten und MaterialienDie StUB und die Burgerbibliothek beherbergen Bibliotheks-und Archivgut vom Mittelalter bis in die Gegenwart aus unter-schiedlichsten Materialien. Die ältesten Bücher sind Hand-schriften, die auf gespannt getrocknete Tierhaut, Pergament,geschrieben sind. Ihre Einbände sind mit Leder bezogeneHolzdeckelbände. Ab dem 13. Jahrhundert wird auf Papiergeschrieben, später gedruckt. Die Malfarben, die Schreib-und Drucktinten sind über Jahrhunderte hinweg ähnlich zu-sammengesetzt, die Anwendung der Materialien aber unter-scheidet sich regional und zeitlich.

Im 15. Jahrhundert werden in Norditalien die leichtenBuchdeckel aus Karton erfunden. Kostbare Bücher werdennach arabischem Vorbild über und über mit Gold verziert.Neben den gedruckten Büchern lagern in den Magazinen Ar-chivalien wie Pergamenturkunden oder Korrespondenz inallen möglichen Druck- und Kopiertechniken. Gross- undkleinformatige Karten gehören wie Skizzen, Zeichnungen undDruckgrafik zu den Einblattformen. Aus dem 19. Jahrhundertsind Fotografien in den verschiedensten Positiv- und Nega-tivformen in Familienarchiven und anderen Sammlungen er-halten. Im 20. Jahrhundert erweitert sich die Materialpalette

Eine StUB-Abteilung stellt sich vor

Der Goldhintergrund der Miniatur aus Deckfarbenmalerei blättert ab.Lose Schollen werden vor dem Ausstellen der Handschrift gefestigt.BBB, Cod. 112, fol. 181r, Wilhelm von Tyrus, Geschichte des HeiligenLandes, 14. Jh.

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um die synthetisch hergestellten Stoffe. Das Trägermaterialvon Information verändert sich im analogen Bereich mit denaudiovisuellen Medien, und die digitale Revolution erweitertdas Informationsangebot über Bits und Bites.

Leitlinien zur BestandserhaltungInwieweit es die Informationen auf den vielfältigen Materialienzu erhalten gilt, ist in den Leitlinien zur Bestandserhaltung inder StUB und ihren Filialen formuliert. Bernensia zum Bei-spiel gehören gemäss kantonalem Sammlungs- und Erhal-tungsauftrag zur Konservierungsstufe 1. Wie der grösste Teildes historischen Bestands werden sie unter besten Bedin-gungen aufbewahrt: Die Signier- und anderen Schildchensind alterungsbeständig, und die Benutzung ist so sorgsam

wie möglich. Die Erhaltung der digitalen Daten, das sichereSpeichern und Migrieren, obliegt den Informatikern. Die kon-servatorischen und restauratorischen Massnahmen zur Er-haltung der Grafik, des Schriftguts und der audiovisuellenMedien sind Aufgaben der Restauratorinnen.

Die Vielfalt der Objekte bedeutet für die Restauratorin-nen, sich in historischen Einbandtechniken, alten und moder-nen Drucktechniken ebenso auszukennen wie in der Zu-sammensetzung von Kunststoffmäppchen. Sie müssen dieObjekte historisch einordnen und sowohl das Alterungsver-halten wie die Schäden der Materialien bestimmen, um Kon-servierungs- oder Restaurierungsvorschläge ausarbeiten zukönnen.

Zu den Konservierungsmassnahmen gehören die Opti-mierung der Aufbewahrungsbedingungen (Klima, Lagerung,Schutzbehälter) und Benutzungsbeschränkungen (Ausleih-bedingungen, Kopiervorgaben). Damit werden einzelne Ob-jekte, Sammlungen oder der ganze Bestand vor mechani-scher Belastung und chemischem Zerfall geschützt. Auchbiologischem Abbau gilt es vorzubeugen. Dazu wird zum Bei-spiel die Keimfähigkeit von Schimmelsporen überprüft.

Restaurierung setzt ein, wenn ein Objekt bereits beschä-digt ist. Schäden sind nicht rückgängig zu machen, chemi-scher und biologischer Abbau kann jedoch gestoppt oderstark verlangsamt und mechanische Beschädigungen wieRisse oder Fehlstellen können geschlossen werden. Zu denrestauratorischen Massnahmen gehört auch die Sicherung

der Malschicht einer mittelalterlichenHandschrift, die für eine Ausstellung aus-geliehen werden soll. Haftet beispiels-weise der goldfarbene Hintergrund un-genügend auf dem Pergament, so wirdzur Konsolidierung ein Bindemittelge-misch aus dem Pflanzenschleim Tragant

und dem gelatineartigen Klebstoff Hausenblase unter dielosen Schollen gegeben.

Restaurieren bedeutet, einen Eingriff an einem einzelnenObjekt vornehmen. Der Schaden muss untersucht, beschrie-ben, die Behandlung eventuell getestet und auch dokumen-tiert werden. Die Arbeitsstunden summieren sich schnell. Diezu restaurierenden Werke sind deshalb von Bibliothekarenund Restauratoren sorgfältig auszusuchen, Zustandsuntersu-chungen und Erhaltungskonzepte wie die Leitlinien zur Be-standserhaltung sind hierzu wichtige Hilfsmittel.

Kontakt:[email protected], Telefon 031 320 33 47

Die Vielfalt der Objekte bedeutet für die Restauratorinnen,sich in historischen Einbandtechniken, alten undmodernen Drucktechniken ebenso auszukennen wie inder Zusammensetzung von Kunststoffmäppchen.

Petra Hanschke reinigt eine von Schimmel-pilz befallene Handschrift mit einem Spezial-staubsauger mit ultrafeinem Partikelfilter.Die Schimmelsporen sind hier nicht mehr aktiv,können aber für Menschen noch gesund-heitsschädigend wirken und müssen deshalbentfernt werden.

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«Au revoir» an Claudia Schaedeli,Rechnungsführerin«Als ungeprüfte wissenschaftlicheHilfskraft» begann Claudia Schaedeli,wie sie selber schrieb, ihre beruflicheLaufbahn in einer Institutsbibliothek. AlsLeiterin der Finanzabteilung verliess sieEnde Februar die Stadt- und Universi-tätsbibliothek Bern, um die Gesamtver-antwortung für die Verwaltung einermittelgrossen sozialen Institution zuübernehmen. Claudia Schaedeli hat gutsieben Jahre in der StUB gearbeitet. IhrAufstieg von der Mitarbeiterin im Rech-nungswesen zur Abteilungsleiterin istdabei folgerichtig. Claudia liebt die Pro-jektarbeit. Sie kann sehr gut motivieren.Mit viel Engagement hat sie die Evalu-ation und schliesslich die Implemen-tierung eines neuen Buchhaltungssys-tems an die Hand genommen. Sie hatdie Kostenstellen- und Kostenträger-rechnung weiterentwickelt und einenneuen Budgetierungsprozess eingelei-tet. Zusammen mit der Leitung der Be-nutzungsabteilung realisierte sie dasautomatische Inkasso für eine Reihevon Bibliotheken. Ob Projekt- oder All-tagsarbeit, sie konnte sich stets auf ihrkleines Team verlassen. Die Ausbildunglag ihr am Herzen: Mit viel Geduld führ-te sie die neue Vorgesetzte in die Fi-nanzgeschäfte der StUB ein. Von denAuszubildenden sprach sie, als wärenes Familienangehörige, und immerwieder suchte sie mit viel didaktischemGeschick geeignete Aufgaben, um diejungen Leute in die Geheimnisse derdoppelten Buchhaltung einzuführen.Abteilungsleitung, Projekte, eigene Wei-terbildung in Public Management . . . die

Belastung wuchs manchmal ins Uner-trägliche. Aber Claudia fand stets wie-der Mut, dank ihrer grossartigen Fähig-keit, mitten in der Hektik innezuhaltenund so spielerisch wie unvermitteltalle Anwesenden auf andere Gedankenzu bringen. Kurze Pausen waren dasjeweils, ein Lachen, und wir fanden Lö-sungen, wo vorher alles verfahrenschien.

Auf das Lachen im Haus und dasgetrocknete Elefantenfleisch aus Afrikamüssen wir nun verzichten. Das spiele-rische Innehalten üben wir weiter, den-ken dabei an Claudia Schaedeli, dan-ken ihr für alles, was sie für die StUB ge-leistet hat, und wünschen ihr für die Zu-kunft und die neue Arbeit von Herzenalles Gute. Stets «moderato cantabile»,liebe Claudia! Susanna Bliggenstorfer

Neue Mitarbeitendeder StUB stellensich vor

Sri Sinnathamby,Mitarbeiterin BuchhaltungGut fünfzig Jahre sind es her, dass ich inSri Lanka, genauer gesagt in der Pro-vinz Jaffna in einem kleinen Dorf, gebo-ren wurde. Dort habe ich meine Kindheitverbracht und auch meine Ausbildungzur Buchhalterin absolviert. Danach ar-beitete ich in dieser Funktion bei derStadtverwaltung von Jaffna. Wegen po-litischer Unruhen musste ich mit meinerFamilie 1985 mein Heimatland verlas-sen. Dies fiel uns sehr schwer. Im Janu-ar 1985 reisten wir in die Schweiz.

Es war eine grosse Umstellung,sich an das neue Land zu gewöhnen.Alles war neu: Sprache, Kultur, Menta-lität und Klima. Aber ich hatte grossesInteresse, Neues zu lernen und mich zuintegrieren. So war ich fasziniert vomWechsel der Jahreszeiten, von den

Schneeflocken und Tannenbäumen undanderen schönen Sachen, die es in un-serer Heimat nicht gibt. Ich besuchteeinen Intensiv-Deutschkurs bei der In-lingua und erhielt das Mittelstufen-diplom. Danach absolvierte ich zweiJahre lang eine Handelsschule. 1994bekam ich glücklicherweise eine Stelleals Sachbearbeiterin.

Nach mehrjähriger Berufstätigkeitverspürte ich den Wunsch, in meinemangestammten Beruf als Buchhalterinarbeiten zu können. Dazu liess ich michwährend drei Jahren beim MössingerInstitut Zürich ausbilden. Im Sommer2005 erhielt ich eine Teilzeitstelle alsMitarbeiterin in der Buchhaltung derUniversität Bern. Im Februar 2006 be-kam ich dann die Gelegenheit, bei derStUB eine Teilzeitstelle anzunehmen.Und ich kann sagen: beide Arbeitsstel-len gefallen mir sehr gut.

Neben der Familien- und Berufs-arbeit habe ich mich 2005 zur inter-kulturellen Übersetzerin ausbilden las-sen, um Landsleuten im Gesundheits-,Sozial- und Bildungsbereich beizu-stehen.

Anna Junker-Aebi,Magazindienst 50%Mein berufliches Leben führte überganz verschiedene Wege: Im Musik-haus Krompholz habe ich als Musik-händlerin begonnen, danach in Könizals Friedhofsgärtnerin gearbeitet, bevorich nach anderen Tätigkeiten schliess-lich in die Bibliothekswelt eintrat. Dieseerlebe ich nun von zwei Seiten:

Mit einer Kollegin betreue ich diekleine Schul- und Gemeindebibliothekvon Rapperswil, wo ich um den Einkaufvon Non-Books, das Katalogisieren, diePräsentationen, die Buchpflege und dieAusleihe besorgt bin. In der StUB arbei-te ich vor allem in der «Unterwelt».

Die StUB habe ich auf einer Füh-rung kennen gelernt, als ich den Kursfür Mitarbeitende in Schul- und Ge-

Personelles

MitarbeitendeverabschiedenMitarbeitende

31 LIBERNENSIS 2.2006

meindebibliotheken absolvierte. Es warimmer ein geheimer Wunsch von mir,in einer grossen Bibliothek meinen Le-bensunterhalt zu verdienen. Mit etwasGlück habe ich eine Stelle als Magazi-nerin (oder «Katakombenschlurpfe»,wie man die Magaziner auch nennt) ge-funden. Hier bin ich für das Bereit- undZurückstellen der Bücher für die Heim-ausleihe, die Filialen und die Fernleihezuständig. Diese Arbeit erfordert einegute Kondition und auch Konzentration.Neben der Arbeit bin ich Familienfrau.Meine Freizeit verbringe ich mit Kochenund Wandern mit meinen Hunden.

Beni Hächler,Lehre zum IuD-AssistentenIm August 2006 habe ich die Lehre zumIuD-Assistenten begonnen. Das Inte-resse an diesem Beruf wuchs durchmeine fast täglichen Besuche in derQuartierbibliothek. Bei der Lehrstellen-suche kamen für mich aber auch hand-werkliche Berufe in Frage, weshalb ichmich zunächst in diesem Bereich be-warb. Als mir mein Vater in der Zeit-schrift Libernensis die Vorstellung vonneuen Mitarbeitenden zeigte, wurde mirklar, dass mir ein Beruf in der Bibliotheksehr viel bedeutet. Ich schrieb sofort ei-nige Bewerbungen an verschiedeneAusbildungsplätze und freute mich rie-sig, als ich eine Lehrstelle bei der StUB

bekam. In meiner Freizeit lese ich viel,bin oft am Computer beschäftigt undhöre gerne Musik. Jeden Samstag geheich in die Pfadi, wo ich seit längeremeine Gruppe mitleite. Ich treibe auch vielSport und gehe gerne mit meinenFreunden aus. Ich freue mich sehr aufdrei spannende Jahre!

Kristina Reber,Lehre zur IuD-AssistentinSchon als kleines Kind spielte ich mitmeinem jüngeren Bruder «Bibliothe-kärlä». Noch heute kann es daher vor-kommen, dass beim Öffnen unsererBücher selbst gebastelte und abge-stempelte Ausleihzettel herauspurzeln!

Als ich bei der Berufsberaterin wie-der auf die Bibliothek stiess, war fürmich klar, dass ich einen Beruf in die-sem spannenden Bereich erlernen woll-te. An dieser Arbeit fasziniert mich dieMischung aus Kontakt mit Menschenund stillem Arbeiten. Ich bin häufig inder Bibliothek anzutreffen, wo ich auchschon als Aushilfe Bücher eingeräumthabe, um ein bisschen Geld zu ver-dienen.

In meiner Freizeit gehe ich ver-schiedenen Hobbys nach. Ich spielesehr gerne Fussball und bin ein Fan desFC Thun und der portugiesischen Nati,besonders von Cristiano Ronaldo.Meine zweite grosse Leidenschaft ist

das Reiten. Ich bin eine grosse Pferde-närrin und reite, seit ich vier Jahre altbin. Letzten Winter entdeckte ich nunmeine Begeisterung für das Snowboar-den. Neben dem Sport spiele ich Kla-vier, lese viel oder treffe mich mit mei-nen Kollegen. Nun freue ich mich aufdie drei Jahre in der StUB und bin ge-spannt, was ich alles lernen und sehenwerde und wen ich kennen lernen darf.

Jasmin Hügi,Praktikantin IuD-SpezialistinDie Matur bestanden, was nun? Ich ent-schied mich zunächst für ein Studiumder Mathematik, der Religionswissen-schaft und Informatik. Ein bisschen Uni-Luft schnuppern, das war der Grundge-danke. Es gefiel mir alles ganz gut, daseinzige Problem: Mathematik. Wiesomuss man auf einmal den Pythagoras-Satz beweisen, wo er doch am Gymna-sium immer als gegeben hingenommenwurde? Meine Vorstellungen entspra-chen nicht der Realität, also hiess es fürmich: umorientieren.

Nach intensiver Auseinanderset-zung mit meinen Interessen und Fähig-keiten beschloss ich, die Ausbildungzur Informations- und Dokumentations-spezialistin in Angriff zu nehmen. Dochdie Anmeldefrist war bereits abge-laufen, die Praktikantenstellen warenschon besetzt. Kurzerhand baute ichmeinen Nebenjob aus. Ich arbeiteteschliesslich mehr als ein Jahr im Kun-dendienst vom Schulverlag in Bern.Dort konnte ich mit Büchern arbeiten,was mir sehr gefiel.

Dass ich nun ein Praktikum in derStUB absolvieren kann, freut michausserordentlich. Ich habe mich wahr-scheinlich schon das erste Mal, als icheinen Fuss in diese Bibliothek setzte,in das Gebäude verliebt. Ausserdembildet die StUB eine wunderbare Ver-knüpfung mit meiner universitären Ver-gangenheit. Ich freue mich auf das vormir liegende Jahr.

V.l.n.r.:Kristina Reber,Anna Junker-Aebi,Sri Sinnathamby,Beni Hächler,Jasmin Hügi.

32 LIBERNENSIS 2.2006

Mi, 22., 18.30 Spezieller AnlassROGER CORNIOLEY: Flugzeugabsturzauf dem Gauligletscher im November 1946

Mi, 29., 18.30 LichtspielabendReisewelten im frühen Kino. Auf der Suchenach dem alltäglichen Abenteuer, eingeführtund kommentiert von HARALD KRAEMER

Mi, 29., 19.00 Vortrag SOB/Polit-ForumTOMÁS VILÍMEK: Prager Frühling 1968 –Was ist geblieben?

DezemberDi, 5., 18.30 Führung im Restaurierungsatelier

Vom Umgang mit alten Büchern

Di, 12., 12.30 Buch am MittagHARALD KRAEMER : Stereoskopie –Lichtbild – Hypermedia. Zum Wandel derMedien in der kunstwissenschaftlichenWerkbetrachtung

Di, 12., 13.15 Führung zur AusstellungConnaisseure unterwegs, mitHARALD KRAEMER

Mi, 13., 19.00 Vortrag SOB/Polit-ForumGESINE FUCHS:Die Grundlagen der polnischen Wendewährend der 1980er-Jahre

JanuarDi, 9., 12.30 Buch am Mittag

SUSANNA BLIGGENSTORFER :

Von berühmten Männern und Frauen. ZurNachwirkung Boccaccios am Burgunderhof

Mi, 10., 19.00 Vortrag SOB/Polit-ForumCHRISTIAN GIORDANO: 1989:Ist es angebracht von Revolutionzu sprechen?

Mi, 24., 19.00 Vortrag SOB/Polit-ForumCHRISTOPHE v. WERDT:Der Untergang der Sowjetunion

Vorträge, Führungen, KurseOktoberDi, 17., 12.30 Buch am Mittag

CHRISTOPHE V. WERDT: Ungarn 1956und das Zeitalter der Rebellion in Osteuropa

Di, 24., 18.30 Vernissage zur AusstellungConnaisseure unterwegs: Die Reisen vonHans R. Hahnloser und Julius von Schlosserzu kulturellen Stätten im Europa der zwan-ziger Jahre

NovemberMo, 6., 9.00 Einführung für Seniorinnen und Senioren

Bücher und andere Medien finden

Mo, 6., 17.15 Kulturelle FührungGeschichte, Bestände und Dienstleistungender StUB

Mi, 8., 19.00 Vortrag SOB/Polit-ForumANDREAS OPLATKA: Ungarn 1956

Di, 14., 12.30 Buch am MittagFRITZ SCHWEINGRUBER : Von der Holz-bibliothek des 18. Jahrhunderts zu denHolzatlanten im Internet

VeranstaltungskalenderWintersemester 2006

Ausstellungen und Veranstaltungen

33 LIBERNENSIS 2.2006

Do, 25., 18.30 Vortrag zur AusstellungFRANCINE GIESE-VÖGELI : FaszinationOrient. Die Hauptmoscheen von Damaskusund Samarra zwischen Byzanz, Persienund dem Islam

Mi, 31., 13.15 Führung zur AusstellungConnaisseure unterwegs, mitAGATHA RIHS

FebruarMi, 7., 19.00 Vortrag SOB/Polit-Forum

GERHARD SIMON: PostkommunistischeVolksbewegungen für die Demokratie in derUkraine, in Georgien und Serbien

Mo, 12., 17.15 Kulturelle Führung durch die BibliothekGeschichte, Bestände und Dienstleistungender StUB

Di, 13., 12.30 Buch am MittagYVONNE DOMHARDT: Das Buch derBücher. Die Tora als Wegweiser im jüdischenLeben

Mi, 14., 18.30 Werkstattgespräch zur AusstellungAGATHA RIHS : Trouvaillen der Kunst-literatur

MärzDi, 13., 12.30 Buch am Mittag

NINA V. ZIMMERMANN : Von Backfischenund Hausmütterchen. Die Mädchenbuch-autorinnen Luise Caroline Gsell-Fels undLily von Muralt

Fr, 23., 18.00 MuseumsnachtDie StUB macht wieder mit!

AprilMo, 2., 17.15 Kulturelle Führung durch die Bibliothek

Geschichte, Bestände und Dienstleistungender StUB

Ort der Veranstaltungen:Mit Ausnahme der Vorträge «Vortrag SOB/Polit-Forum»finden alle Veranstaltungen in der StUB statt.

AusstellungenOktober bis FebruarConnaisseure unterwegs:Die Reisen von Hans R. Hahnloserund Julius von Schlosser zu kulturellen Stättenim Europa der zwanziger JahreLange bevor die Bilder reisten, suchten Menschen bestimmteOrte auf, um entweder ihr Heil zu finden, Ungewöhnliches zubestaunen oder aber um sehend zu lernen. So waren anKunst und Kultur Interessierte schon immer auch Reisende,die von Ort zu Ort, von Reise zu Reise ihr Wissen vermehrten.Mit jeder Tour füllten sie ihr visuelles Archiv und kamen in denGenuss, Orte, Plätze, Landschaften und Menschen verglei-chend zu sehen. Durch die Verbesserung der Verkehrswege,des Transportwesens und transportabler Fotoapparate alsMedium der Aufzeichnung kultureller Orte begann das ge-hobene Bildungsbürgertum Anfang des 20. Jahrhunderts,seine Reiselust auszuleben. Hans R. Hahnloser und Julius vonSchlosser gehörten zu diesen «Connaisseuren unterwegs».An ihren Reisen wird ersichtlich, wie notwendig kunstwissen-schaftliche Methoden der Originale bedürfen, seien es Bau-werke oder Gemälde. Sie hinterliessen uns ein umfangreichesBildarchiv mit stereoskopischen Aufnahmen aus Südeuropaund dem Vorderen Orient der zwanziger Jahre. Wie wichtig dieFotografie als Medium kunstwissenschaftlicher Dokumen-tation genutzt wurde, kommt anhand des Berner Stereo-skopien-Projektes im Archiv des Instituts für Kunstgeschichtezum Ausdruck.Ort: Ausstellungsraum der StUB, Münstergasse 61–63,Parterre, 3011 BernDauer: 25. Oktober 2006 bis 24. Februar 2007

34 LIBERNENSIS 2.2006

Ansprechpersonen– Direktorin

PD Dr. Susanna Bliggenstorfer– Vizedirektorin

Marianne Rubli, lic. phil./exec. MBA HSG

– DirektionsadjunktChristian Lüthi, lic. phil.

– DirektionssekretariatRosmarie Lehmann

– PersonalwesenBeatrix Glättli-Maurer

– ÖffentlichkeitsarbeitChristine Felber, lic. phil./MAS

– Rechnungsführungvakant

– BenutzungJudith FahrländerBeatrix Stuber, lic. phil.

– EDVAlfred Fasnacht

– ErwerbungMarion Prudlo, MA/MLIS

– Alphabetische KatalogisierungSabine Wahrenberger

– SachkatalogisierungAdrian Waldmann, lic. phil.

– FachreferateJörg Müller, lic. phil.

– Konservierung-RestaurierungUlrike Bürger, lic. phil.

– Historische BuchbeständeDr. Claudia Engler

– Sammlung RyhinerDr. Thomas Klöti

Filialen– Basisbibliothek Unitobler (BTO)

Katharina Steiner, lic. phil.

– Schweizerische Osteuropa-bibliothek (SOB)Dr. Christophe v. Werdt

Kooperationsbibliotheken– Fachbereichsbibliothek Bühlplatz

(FBB)Jean-Daniel Enggist, lic. phil.

– Juristische Bibliothek (JBB)Bernhard Dengg, mag. iur. undmag. phil.

Stiftungsrat– Kantonsvertretung

Prof. Dr. Heinz E. Herzig, Präsident,emeritierter Professor für AlteGeschichte und Epigraphik der Uni-versität BernProf. Dr. Gunter Stephan, Vizerektorder Universität BernFrançois Wasserfallen, DEA littéra-ture, lic. ès lettres, Vorsteher Amt fürKultur, ErziehungsdirektionDr. oec. publ. Melchior Buchs,Inhaber BeratungsfirmaMatthias Burkhalter, lic. phil.,Geschäftsführer Bernischer Staats-personalverband, Grossrat

– StadtvertretungRegula Rytz, lic. phil.,Direktorin der Direktion für Tiefbau,Verkehr und StadtgrünSven Baumann, Fürsprecher,Generalsekretär der Direktion fürBildung, Soziales und Sport

– BurgergemeindevertreterCarl-Ludwig von Fischer, Für-sprecherHeinz Sommer, alt Rektordes Literargymnasiums Neufeld

ImpressumLIBERNENSIS, Zeitschrift der Stadt-und Universitätsbibliothek Bern 2’2006Erscheint zweimal jährlich– Redaktion

Christine Felber, Christian Lüthi,Christophe v. Werdt,Bettina v. Greyerz

– Redaktionsadresse/AnzeigenStadt- und UniversitätsbibliothekBernChristine FelberStelle für ÖffentlichkeitsarbeitMünstergasse 61, 3000 Bern 8Telefon 031 320 32 56Telefax 031 320 32 [email protected]

– KorrektoratJeannot Schoell

– Gestaltung und SatzBernet & Schönenberger, Zürich

– DruckRub Graf-Lehmann AG, BernISSN 1660–2439

BildnachweiseTitelbild: Der Bund, Valérie Chételat. –S. 5, 21, 28, 29, 31: StUB. – S. 7, 13:StUB, Heini Stucki, Biel. – S. 8, 9, 10,11, 33: Archiv, Institut für Kunst-geschichte, Universität Bern. – S. 15,16, 17: Kornhausbibliotheken Bern,Christian Bühler. – S. 18, 20: StUB,Signatur Zeit 1. – S. 23: Foto&Grafie:Jochen Anthuber, München. –S. 24: Kantonsbibliothek St. Gallen. –S. 25: Pädagogische Hochschule,Zentrum Lesen, Aarau. – S. 26:www.litblogs.net. – S. 32: Keystone.

Stadt- und Universitätsbibliothek Bern Münstergasse 61, 3000 Bern 8Telefon 031 320 32 11Telefax 031 320 32 99 E-Mail [email protected]

Bremm,Bremm!

Autenhausen, Benzin: Zwölfachsing Lenk.Bretten!Wetzikon –Bremm, Bremm, Schnelldorf!– Enge! – Lenk!. . . Rasa,Bretten!Bremm, Bremm!

– Ramstein . . .

. . . Poing!H

ELD

EN

Minimal-Geschichten, die konsequent zwischen

den Zeilen stehen und nur in den Köpfen

des Lesepublikums stattfinden. Auf den Zeilen

finden sich ausschliesslich Ortsnamen

des deutschsprachigen Raumes.

Judith Stadlin, Michael van Orsouw

Die Städte-RallyeMinimal-Geschichten, die die Landkarte schrieb. Erstaunlich, unverblümt und poetisch.

68 Seiten, fadengehefteter Pappband

ISBN 3-905748-04-5, CHF 17.80

Erhältlich in allen Buchhandlungen

oder unter

www.helden.ch