Claudia Nuber - Auffallend Gut - Außergewöhnliche Bewerbungen, Die Überzeugen

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Claudia Nuber Auffallend gut Außergewöhnliche Bewerbungen, die überzeugen scanned by ab corrected by madman Jeder möchte den Traumjob bekommen, den er sich wünscht. Auffallend gut basiert auf konkreten Vorstellungen der befragten Unternehmen und auf wahren Beispielen erfolgreicher Bewerbungsstrategien. ISBN 3-478-74220-X 2002 verlag moderne industrie Umschlaggestaltung: Grafikhaus, München Umschlagabbildung: ZEFA Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

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Claudia Nuber

Auffallend gut

Außergewöhnliche Bewerbungen, die

überzeugen

scanned by ab corrected by madman

Jeder möchte den Traumjob bekommen, den er sich wünscht. Auffallend gut basiert auf konkreten Vorstellungen der befragten Unternehmen und auf wahren Beispielen erfolgreicher Bewerbungsstrategien.

ISBN 3-478-74220-X 2002 verlag moderne industrie

Umschlaggestaltung: Grafikhaus, München Umschlagabbildung: ZEFA

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

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Buch

Jeder möchte den Traumjob bekommen, den er sich wünscht. Auffallend gut basiert auf konkreten Vorstellungen der befragten Unternehmen und auf wahren Beispielen erfolgreicher Bewerbungsstrategien.

Sie werden aufgefordert sich mit sich selbst auseinander zu setzen, sich Ihrer eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden, sich zu orientieren und wenn nötig auch mit einem Schuss Frechheit Ihr berufliches Fortkommen eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen.

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Autor

Claudia Nuber ist Management Coach und

Unternehmensberaterin. Seit 1992 leitet sie erfolgreich ihre Beratungspraxis CN CONSULT® in München. Sie ist gefragte Referentin für namhafte Unternehmen und Verbände und führt Seminare und Coachings für Einzelpersonen und Unternehmen mit folgenden Schwerpunkten durch: berufliche Potenzialentwicklung, Veränderungsmanagement, Integrationsprozesse bei Unternehmenszusammenschluss und Firmennachfolge. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.cnconsult.de.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort - Team ist alles!...........................................................8

1 Wie alles begann ...................................................................9

Worum geht es in diesem Buch?....................................... 10 2 Wie finde ich die richtige Firma und wie findet die Firma die richtigen Bewerber?................................................................14

Mitarbeiterrekrutierung aus Sicht der Unternehmen ......... 15 Der Wunschkandidat und worauf geachtet wird ................ 19 Der erste Eindruck - die Bewerbungsmappe..................... 21 Das Vorstellungsgespräch - Stress hoch zwei.................. 24 Gebündelte Aussagen: Was Unternehmen wirklich wollen ..................................... 28

3 Auffallen aber gut!................................................................30

Was heißt auffallen? .......................................................... 30 Auf die richtige Dosis kommt es an! .................................. 34 Wer bin ich? ....................................................................... 36

4 Persönliche Voraussetzungen, um erfolgreich aufzufallen.38

Die Inventur „Wer bin ich und was kann ich?“ ergibt Ihr Inventar............................................................................... 39 Was fange ich mit all meinen Gaben an?.......................... 46

5 Der Weg ist das Ziel oder umgekehrt?................................52

Das Ziel - ein neuer Job! .................................................... 52 Die Routenplanung ............................................................ 56 Die Schlaglöcher auf dem Weg......................................... 59

6 Blindbewerbungen können erfolgreich sein! .......................65

Initiative zeigen - sich unaufgefordert bewerben! .............. 66 7 Stellenanzeigen und ihre Tücken ........................................74

Stellenanzeigen, die ihr Ziel erreichen .............................. 76 Personalberatungen - Freund oder Feind? ....................... 79

8 Be-Werben am Telefon die Stimme macht's! .....................84

Ein Muss - der Gesprächsleitfaden.................................... 85 Mit Charme und Stil zum Ziel ............................................. 87

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9 Das Internet - eine heiße Job-Fundgrube? .........................91

Ran an die Maus - und an den (Job-)Speck...................... 91 Online-Date mit einer Firma?............................................. 94 Auch das Netz hat seine Regeln! ...................................... 95 Es ist nicht alles Gold, was glänzt ..................................... 97

10 Das Anschreiben - am besten ganz persönlich! ...............99

Es kräht der Gockel auf dem Mist ein jeder doch verschieden ist! ................................................................ 100 Worauf es beim persönlichen Anschreiben wirklich ankommt........................................................................... 101 Der Bewerber als Berater ................................................ 104

11 Die Bewerbungsmappe ................................................... 108

Inhalt und Reihenfolge ..................................................... 109 Der Lebenslauf - kurz und aussagekräftig ....................... 110 Das Qualifikationsprofil - ein Sahnehäubchen ................ 114 Die vollständige Bewerbungsmappe ............................... 117

12 Einladung zum Vorstellungsgespräch oder Absage? ..... 119

Die Bewerbungsunterlagen kommen zurück................... 120 13 Hurra-Sie sind zum Vorstellungsgespräch eingeladen!.. 122

Mythos „Erster Eindruck“.................................................. 123 Die richtige mentale Einstellung bringt's!......................... 127

14 Darf ich vorstellen? .......................................................... 133

Monolog oder Dialog?...................................................... 134 Was interessiert das Unternehmen an potenziellen Mitarbeitern? .................................................................... 138 Informationen, die Sie bekommen sollten ....................... 140 Das Thema Geld .............................................................. 141 Wie geht es weiter?.......................................................... 143 Besonderheiten bei Vorstellungsgesprächen.................. 143

15 Das lange Warten............................................................ 145

Die Qual der Wahl............................................................ 146 Nutzen Sie die Zeit! .......................................................... 148

16 Die Würfel sind gefallen................................................... 149

Warum wurde mir abgesagt?........................................... 149

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Ring frei zur nächsten Runde! ......................................... 151 17 Tipps zum ersten Arbeitstag und für die Probezeit......... 153

Der erste Arbeitstag ......................................................... 154 Die Probezeit.................................................................... 156

18 Fallbeispiele ..................................................................... 158

Komplex = kompliziert?.................................................... 158 In der Kürze liegt die Würze!............................................ 160 Mit Charme überzeugen!.................................................. 162 Auf Umwegen zum Ziel .................................................... 164 Bewerben geht durch den Magen!................................... 166 Auch ein Bademantel kann entzücken! ........................... 170 Bewerbung im Hemd - aber nicht hemdsärmelig! ........... 172 Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! ................................. 173 Leningrad Cowboy goes to Bank - oder: Wie man es trotzdem schafft................................................................ 175 Steter Tropfen höhlt den Stein ......................................... 178 Möbelverkauf zum Nulltarif .............................................. 180 Gut beraten....................................................................... 182 Quadratisch - praktisch - gut............................................ 184 Vom sitzenden Redakteur zum rollenden Reporter ........ 185 Übung macht den Meister................................................ 189 Eine süße Bewerbung...................................................... 191 Schneller als der Markt oder: Träume werden wahr! ...... 192 Engineering by Video....................................................... 194 Bei Anruf Job! ................................................................... 195 Vom „hot job“ zur Hotline ................................................. 197 Erlebnisgastronomie ........................................................ 198 Was alle Beispiele gemeinsam haben............................. 200

Anhang.................................................................................. 203

Literaturverzeichnis .......................................................... 203

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Vorwort - Team ist alles!

Bedanken möchte ich mich zuallererst bei den Menschen und Unternehmen, die mir im Rahmen meiner Recherchen zu den außergewöhnlichen Beispielen zur Verfügung standen. Den vielen, die ungenannt bleiben möchten, und den folgenden, die ich als Kontributoren nennen darf: Rainhard Hahn von der Kirch-Gruppe, Siegfried Kapfer vom ADAC, Karin Scheingruber von Motorola sowie Winfried Sturm von Force Computers. Den Unternehmen, die mich persönlich empfingen, zum Beispiel Lotus und E.ON, sei für ihre Offenheit und Zeit gedankt. Nennen möchte ich den „Turbo-Anschub“, den ich von Mona Nebgen erhielt und ohne den dieses Buch wahrscheinlich nie geschrieben worden wäre.

Die großzügige Unterstützung von Karl-Heinz List, prodomo JOB-BERATUNG in Hamburg, Dr. Kristin Gisbert in Frankfurt, Herbert Ost Mentaltraining in München und das begleitende Coaching meiner Literaturagentin Christine M. Huber sowie die Rückenstärkung durch Reinhard Gründer waren für mich als Erstautorin ein Geschenk.

Sie alle und die zahlreichen Ungenannten haben dazu beigetragen, dass dieses Buch so viele verschiedene Facetten des Bewerbungsprozesses aus ebenso vielen verschiedenen Aspekten beleuchtet.

Ich wünsche Ihnen Spaß bei der Lektüre, viele hilfreiche Erkenntnisse und vor allem guten Erfolg auf der spannenden Reise zu Ihrem Job!

Ihre Claudia Nuber

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1 Wie alles begann

Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute, seht, wohin uns die Normalen gebracht haben! (George Bernard Shaw)

Eines Tages erhielt ich einen Anruf von einer mir

unbekannten Dame. Sie bat mich, ein Buch über außergewöhnliche Bewerbungen zu schreiben. Ich fiel aus allen Wolken, denn von meinen Anfangszeiten als Bewerbungs- und Karriereberaterin Anfang der 90er Jahre hatte ich mich schon lange zum Management Coach weiterentwickelt. Und dann noch „aus dem Rahmen fallende“ Bewerbungen in einer Zeit der Standardisierung und Checklisten! Aber es war ein spannendes Projekt und je mehr ich mich mit den verschiedenen Aspekten von Ausgefallen-Sein auseinander setzte, umso mehr reizte es mich, diese Herausforderung anzunehmen und diesen Ratgeber der besonderen Art zu schreiben.

Allerdings blieb da noch die Frage: Woher nehme ich die ausgefallenen Beispiele? In meiner Beratungspraxis hatte ich meine Klienten sicherlich immer auf ihre Individualität hingewiesen, ihr Stärkenprofil mit ihnen erarbeitet und sie zu authentischen Bewerbungen veranlasst - aber so viel Ausgefallenes war meiner Meinung nach nicht dabei. Also, was tun? Mitten in der Nacht kam mir dann der rettende Einfall: Warum interviewe ich nicht einfach Personalchefs, die auf eine lange Karriere zurückblicken können und Lust haben, aus ihrem Nähkästchen zu plaudern? Gesagt, getan. Es folgten viele interessante Gespräche mit echten Fachleuten, die mich - und durch die Lektüre dieses Buchs nun auch Sie - an ihrem reichen Erfahrungsschatz teilhaben ließen. Diese Dialoge hatten darüber hinaus den wunderbaren Nebeneffekt, dass ich direkt von den Personen, die über eine Anstellung letztlich auch entscheiden,

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erfahren konnte, wie sich die Firmen ihre Bewerber und Bewerbungen vorstellen und wünschen. Diesen Aspekt des Buches möchte ich Ihnen besonders nahe legen, wenn Ihre Bewerbung erfolgreich sein soll und das wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen!

Worum geht es in diesem Buch?

Der Markt für Bewerbungsratgeber boomt. Meterweise stehen die einschlägigen Bücher in den realen und virtuellen Buchläden, fein säuberlich nach Autorin oder nach Autor sortiert und immer wieder kommt ein neues hinzu.

Warum besteht zum Thema „Bewerben“ so ein großer Informationsbedarf? Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der die Negativmeldungen in den Medien die Positivmeldungen bei weitem übersteigen, und das verunsichert uns. Auch die Tatsache, dass es mehr Arbeitslose als offene Stellen gibt oder zu geben scheint, verunsichert uns. Dazu kommt, dass es für uns einen großen Stellenwert hat, die Dinge „richtig“ zu machen und wir uns fürchterlich blamiert oder gar wertlos fühlen, wenn wir glauben, etwas „falsch“ gemacht zu haben. Deshalb informieren wir uns, wie denn was zu machen ist. Wir besorgen uns Bücher, die wir aufmerksam lesen, und im besten Fall denken wir sogar kurz darüber nach, welche der vielen angebotenen Strategien die für uns persönlich passendste ist; und dann verfahren wir nach Schema F - wie viele unserer Mitbewerber auch. Und so haben wir den klassischen Fall geklönter Bewerbungen, deren Erfolg wir im Verlauf des Buches immer wieder kritisch hinterfragen werden. Mit unserer Bewerbung riskieren wir jedes Mal aufs Neue, vom Unternehmen als Mitarbeiter abgelehnt zu werden. Denn auch der zweitplatzierte Kandidat wird die Position nicht bekommen, es sei denn, der Favorit sagt ab oder versagt während der Probezeit. Nur dann hat der Zweitplatzierte im

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Allgemeinen eine Chance, zur Nummer l aufzurücken. Auch wenn Sie sagen können, Sie haben sich gegen 250 Mitbewerber als Zweiter durchgesetzt, so haben Sie die Position nicht gewonnen - aber eine Erfahrung und, wenn Sie offen dafür sind, eine Erkenntnis. Beim Bewerben ist es wie im Spiel: Sie können gewinnen - oder verlieren. Dazwischen gibt es nichts, oder vielleicht doch? Mit dieser Frage werden wir uns intensiv auseinander setzen. Jeder von uns wünscht sich den „Traumjob“, von dem er glaubt, dafür qualifiziert zu sein und ihn zu verdienen. Das ist ganz okay so und Ihr gutes Recht, aber bitte bedenken Sie: Ein altes Sprichwort sagt: „Träume sind Schäume“. Sie hören meistens da auf, wo es wirklich spannend wird. Mich erinnert das an die schönen schillernden Seifenblasen, die ich als Kind so liebte; aber wie traurig war ich, als sie zerplatzten! Genauso ist es mit dem „Traumjob“. Erst ist er sehr erstrebenswert: Er erscheint uns als der nächste glorreiche Schritt auf der Karriereleiter oder gar als Krönung unserer beruflichen Laufbahn. Und stellen Sie sich vor, es klappt wirklich: Aufgrund Ihrer Bewerbung werden Sie zum Vorstellungsgespräch gebeten. Das persönliche Kennenlernen ist ein Erfolg, das Gespräch läuft gut, man passt zueinander und ein Anstellungsvertrag wird geschlossen. Voller Begeisterung und Elan treten Sie die neue Arbeit an. Doch dann: Nach einigen Wochen hat Ihre anfängliche Euphorie sichtlich nachgelassen. Sie fühlen sich matt, lustlos und vage unzufrieden. Was ist geschehen?

Möglicherweise werden Ihre Erwartungen nicht erfüllt. Die im Vorstellungsgespräch versprochene Eigenverantwortung entpuppt sich als pures Lippenbekenntnis und sogar die Büromaterialbestellung muss von oben genehmigt werden. Oder das vielgepriesene Betriebsklima besteht aus Gleichmacherei und Rechthaben-Wollen. Frei nach Einstein: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein!“ Auch die gelegentlichen Überstunden, gegen

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die kein engagierter Mitarbeiter ernsthaft etwas einwenden wird, stellen sich als permanente 60- bis 70-Stunden-Woche heraus. Das alles kann man dem Arbeitgeber zur Last legen. Viel schlimmer ist es allerdings, wenn Sie zugeben müssen, dass Sie sich geirrt haben und jetzt enttäuscht sind: Die Seifenblase ist geplatzt - der Traum ist vorbei. Sie sind aufgewacht. Guten Morgen und willkommen in der Realität! Für jeden Menschen ist die Wirklichkeit eine persönliche Realität, denn sie ist subjektiv und wird immer aus der Perspektive des Betrachters wahrgenommen. Ebenso verhält es sich mit der Motivation: Das, was den einen motiviert, lahmt den anderen. Meine persönliche Motivation, dieses Buch zu schreiben, ist folgende: Jeder Mensch ist einzigartig und okay so, wie er ist. Jeder Mensch hat etwas ganz Spezielles an sich oder bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse, die ihn für eine bestimmte Aufgabe im Leben prädestinieren (von prä = vor und destinare = bestimmen). Menschen auf der Suche nach ihrer Unverwechselbarkeit zu begleiten ist immer wieder eine meiner vielfältigen Aufgaben als Coach. Aus dieser Haltung heraus und unter dem Aspekt des Haushaltens mit den eigenen Ressourcen erscheint es mir für jeden Bewerber wichtig, sich Schritt für Schritt der neuen beruflichen Herausforderung anzunähern:

§ Wer bin ich? § Was kann ich? § Wo sind meine Stärken? § Was will ich? § Welchen Preis bin ich gewillt, dafür zu zahlen? § Was biete ich dem Unternehmen?

Sich nach Klärung und Beantwortung dieser Fragen dann gezielt und wirkungsvoll zu vermarkten erscheint mir wesentlich sinnvoller, als sich mit der Einstellung „Ich brauche einen Job, egal welchen“ auf Stellenanzeigen zu stürzen, die im ersten Augenblick verlockend erscheinen. Das Bewerben nach dem

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Gießkannen-Prinzip bedingt logischerweise viele Ablehnungen, denn Sie können ja nicht jeden Job bekommen. Auch wenn Sie glauben, ein Absagebrief mache Ihnen nichts aus, so ist er doch ein „Nein“ und zeigt früher oder später seine Wirkung. Eine Information am Rande: Wussten Sie, dass ein 18jähriger Jugendlicher in seinem Leben 20000 Mal „Nein“ und 3000 Mal „Ja“ gehört hat? Ist das der Grund, weshalb wir uns mit Kritik leichter auseinander setzen, als Lob und Anerkennung anzunehmen? Diese Überlegung ist einen Gedanken wert, meinen Sie nicht auch? Doch zurück zum Thema.

Die Basis einer erfolgreichen Bewerbungsstrategie ist, sich klar zu werden, über sich selbst, seine Wünsche, seine berufliche Kompetenz, mögliche Karriereziele und den Preis, den man bereit ist, dafür zu zahlen. Aus dieser persönlichen Inventur heraus entwickeln Sie Ihr Berufsziel, erklimmen vielleicht die nächste Stufe auf der Karriereleiter oder stellen möglicherweise fest, dass der Umstieg auf eine ganz andere Leiter Sinn macht. So, nun setzen wir einmal voraus, Sie haben die Basisarbeit geleistet - Ihr Ziel entwickelt - und jetzt sind Sie auf dem Weg zur Zielerreichung: Wow - das Spannendste liegt vor Ihnen! Deshalb einige Punkte mit auf den Weg:

→ Seien Sie kritisch und ehrlich! Auch oder vor allem sich selbst gegenüber!

→ Seien Sie selbstbewusst! Aber natürlich mit dem nötigen Realitätsbezug!

→ Und wenn es Ihnen gefällt: Fallen Sie aus dem Rahmen - seien Sie ausgefallen!

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2 Wie finde ich die richtige Firma und wie findet die Firma

die richtigen Bewerber?

Geben und Nehmen - ein Wechselspiel unter Gleichen! (Claudia Nuber)

Wenn Sie sich über ein Unternehmen schlau machen wollen,

so ist neben persönlichen Kontakten oder dem Internetauftritt vor allem der gedruckte Geschäftsbericht ein geeignetes Medium. Sie bekommen ihn von der Pressestelle des Unternehmens zugesandt, können ihn fallweise über Ihre Bank bestellen oder auch bei der Industrie- und Handelskammer einsehen. Die Lektüre lohnt sich, denn neben den Bilanzzahlen finden Sie viele Informationen zum Produktportfolio und zum organisatorischen Aufbau der Firma. In manchen Fällen wird auf die Vision sowie die Philosophie des Unternehmens eingegangen und der Personalbericht ebenfalls mitgeschickt. Wenn Sie den Geschäftsbericht lesen, achten Sie unter anderem auch darauf, wie oft die Mitarbeiter genannt werden beziehungsweise auf sie eingegangen wird. Wenn Sie nur einen Satz finden, der so ähnlich lautet wie: „Wir danken unseren Mitarbeitern für ihre ausgezeichneten Leistungen, denn ohne sie wäre dieses Jahresergebnis nicht möglich gewesen“, können Sie davon ausgehen, dass die Mitarbeiter eher als eine Nummer oder Funktion gesehen werden und nicht als Individuen mit unverwechselbarer Persönlichkeit, die einen motivierten Beitrag zu leisten imstande sind.

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Mitarbeiterrekrutierung aus Sicht der Unternehmen

Bei meinen Recherchen zu diesem Buch hatte ich sehr intensive Kontakte zu den Personalchefs großer wie mittelständischer Unternehmen und teilweise auch zu den Personalreferenten, die für die Einstellung und Rekrutierung der Mitarbeiter zuständig sind, also für das Personalmarketing.

Bei diesen Gesprächen begegnete mir immer wieder der Satz „Schon anhand des Layouts der Bewerbung können wir erkennen, wo sich der Bewerber schlau gemacht hat“ - also welches Buch er gelesen oder bei welchem Trainer er ein Seminar besucht hat. Bitte verstehen Sie mich richtig: Es ist wichtig, dass ein Lebenslauf nach einem bestimmten Raster aufgebaut ist. Zum einen wegen der Übersichtlichkeit und zum anderen findet der Leser sehr schnell die gesuchten Informationen. Es ist weiterhin notwendig, sich über das Bewerbungsszenario gründlich zu informieren, bevor man sich darauf einlässt. Sie vermeiden dadurch, sich blauäugig unnötige „Veilchen“ einzufangen, wenn es eine Absage nach der anderen hagelt.

Wer von Seminaren mehr profitiert als vom Bücherlesen, dem sei ein Bewerbungsseminar angeraten. Hier sollten Sie sich vor der endgültigen Buchung informieren, welche Themen in welcher Zeit bearbeitet werden und ob es die Möglichkeit einer Hotline für spezielle Fragen nach dem Seminarbesuch gibt. Sie können sich auch eine Karriereberatung oder ein Coaching gönnen.

Wenn die Unternehmen von geklonten Bewerbungen sprechen, so heißt das lediglich, dass eine große Anzahl Bewerbungen eingeht, die unmodifiziert nach den Vorgaben eines bestimmten Bewerbungsratgebers oder -trainers aufgebaut

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sind und offensichtlich ohne nachzudenken schlicht nach Schema F übernommen wurden. Solche Bewerbungen sind zwar technisch perfekt, lassen jedoch keinerlei Rückschlüsse auf die Persönlichkeit und das Starken-/Schwächenprofil des Bewerbers zu. Vor allem tragen sie maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Firmen die Eignung eines Kandidaten anhand fachspezifischer Checklisten „abhaken“. Das sieht dann so aus, dass die gewünschten Fähigkeiten und Kenntnisse auf einem Formblatt vorgegeben sind und mit dem Lebenslauf (!), nicht mit den Zeugnissen, verglichen und Übereinstimmungen abgehakt werden. Die Bewerber, in deren Lebenslauf die meisten Übereinstimmungen mit den Begriffen auf der Checkliste gefunden wurden, werden zum Vorstellungsgespräch gebeten. Den anderen Bewerbern werden ihre Unterlagen zusammen mit einem nichtssagenden Absageschreiben zurückgeschickt.

Ein deutsches Großunternehmen hatte eine Trainee-Aktion ausgeschrieben und erhielt für die 45 zu besetzenden Stellen sage und schreibe 6000 (sechstausend!) Bewerbungen, die es innerhalb von zwei Wochen auf Eignung zu prüfen hatte. Diese Mammutarbeit war nur durch das schematische Abhaken vorbereiteter Checklisten auf zu erfüllende Kriterien zu bewältigen.

Dieses Beispiel soll verdeutlichen, welcher Arbeitsaufwand hinter der Besetzung von Stellen steckt. Die Personalsachbearbeiter, bei denen die Bewerbungen eingehen, übernehmen die Vorprüfung der Unterlagen: Sind sie komplett? Wenn nicht, was fehlt? Ist der Bewerber für das Unternehmen interessant, wird das Fehlende nachgefordert, ansonsten werden die Bewerbungsunterlagen gleich dem Stapel „Absage“ zugeordnet. Die Befugnisse der Sachbearbeiter wie auch die Auswahlkriterien unterscheiden sich von Firma zu Firma. Manchmal ist es die Teamsekretärin, die Sympathieträger aufgrund des mitgeschickten Fotos identifiziert, oder der Geschäftsführer selbst nimmt sich die Zeit, Bewerbung für

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Bewerbung intensiv durchzuarbeiten. Die Bandbreite des Möglichen und das Spektrum der Vorgehensweise in den Unternehmen sind so groß und so unterschiedlich, dass man kaum generalisieren kann. Im Schnitt nimmt man sich maximal drei bis fünf Minuten Zeit für die erste Durchsicht einer Bewerbungsmappe.

Zum Glück setzt sich auch in Deutschland mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass Mitarbeiter das größte Kapital einer Firma sind. Selbstverständlich ist es wichtig, dass man die Funktion, für die man eingestellt werden soll, von der Qualifikation her professionell ausfüllen kann, trotzdem wird dem „human factor“ zwischenzeitlich mehr und mehr Raum gegeben:

→ Chemie zwischen Unternehmen und Mitarbeiter → Umgangsweise zwischen den Mitarbeitern

→ Persönliche Einstellung zur Arbeit und zum Unternehmen selbst

Alles Aussagen, die in die Kardinalfrage einfließen, ob man zum Unternehmen passt oder nicht. Diese „weichen Faktoren“ können meist erst im persönlichen Gespräch geklärt werden und der Aufwand, der betrieben werden muss, um genau das herauszufinden, ist immens.

Nehmen wir einmal an, auf eme ausgeschriebene Stelle bewerben sich 200 Personen. Davon entsprechen 150 dem Anforderungsprofil. Wie soll der Personalsachbearbeiter oder der Referent nun feststellen, welcher Bewerber am besten zum Unternehmen passt, wenn alle Bewerbungen gleich aussehen, also gleich viele Häkchen auf den Checklisten aufweisen? Stellen Sie sich vor, er müsste diese 150 Bewerber zum Gespräch bitten, das heißt, 150 Vorstellungsgespräche terminieren, also die Termine vorschlagen und bestätigen, 150 Gespräche durchführen, wobei jedes Gespräch zwischen 60 und 90 Minuten dauert. Berücksichtigen Sie bitte weiterhin, dass

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eine Stunde Arbeitszeit des Personalreferenten im Schnitt das Unternehmen mindestens 80 Euro kostet. Welch ein ungeheurer Zeit- und Kostenaufwand, der betrieben werden muss, nur um eine Position zu besetzen!

Sie sehen, der Personaler kann gar nicht anders, als anhand der fachlichen Checkliste versuchen, die Spreu vom Weizen zu trennen, um kurzfristig und einigermaßen kostenbewusst einen neuen Mitarbeiter zu finden und einzustellen.

Also, lieber Bewerber: Nur wenn Sie in allen Punkten exakt dem geforderten Mitarbeiterprofil entsprechen, hätten Sie eine Chance, wenn Sie nach der Schema-F-Methode vorgehen, und wie hoch schätzen Sie diese Wahrscheinlichkeit bei Ihrer Bewerbung ein? Sie sehen also, geklonte Bewerbungen haben ihre Vor- und Nachteile und es lohnt sich, im jeweiligen Fall diese gegeneinander abzuwägen.

Ich hoffe, dass Sie aufgrund des gerade geschilderten Szenarios bei der Bewerberauswahl in Unternehmen etwas mehr Verständnis dafür aufbringen, dass Sie manchmal länger auf die Antwort des Unternehmens warten müssen. Wenn Sie zu den ungeduldigen Menschen gehören, die jeden Tag dort anrufen und nachfragen, wie denn der Stand der Dinge sei, so bedeutet das für den jeweiligen Personalsachbearbeiter eine unzumutbare Zusatzbelastung. Abgesehen davon, ist ein solches Verhalten Ihrer Sache ganz gewiss nicht dienlich. Wenn Sie schon nachfragen (müssen), so fragen Sie lieber konkret, wann Sie sich wieder melden sollen, und halten Sie sich auch daran. Unfreundliche Anrufer sind ebenso tabu wie „Schleimer“. Wenn Sie aus Entscheidungsgründen in Zeitnot geraten, so teilen Sie es dem Sachbearbeiter ehrlich mit. Manchmal kann er Ihnen bereits am Telefon sagen, wie seiner Einschätzung nach die Chancen Ihrer Bewerbung stehen.

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Der Wunschkandidat und worauf geachtet wird

Die meisten Firmen wünschen sich natürlich den perfekt qualifizierten Bewerber, jung, fit und dynamisch, mit immenser Berufserfahrung, ausgeprägter Sozialkompetenz, selbstmotivierend und zum Unternehmen passend. Also die viel zitierte „Eier legende Vollmilchsau“. Ja, Sie sehen es richtig: Wunsch und Realität klaffen auch hier meilenweit auseinander. Auf den ersten Blick erkennen Sie das schon an der Formulierung der Stellenanzeigen. Wenig Konkretes findet sich in vielen Stellenangeboten, die in Zeitungen geschaltet werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Anzeigen eher zur Imagepflege der Unternehmen dienen sollen als zur echten Mitarbeitergewinnung. Lesen Sie die Stellenanzeigen genau und überprüfen Sie, wenn nötig, auch mit fremder Hilfe, ob Sie wirklich für die ausgeschriebene Position geeignet sind. Sie ersparen den Unternehmen damit Arbeit und, was noch viel wichtiger ist, sich selbst eine Menge unnötiger Frustration! Sind wir ehrlich, jede Absage, und sei sie noch so freundlich formuliert, ist und bleibt eine Absage. Das kann man sich nicht oft genug ins Gedächtnis rufen.

Wenn Sie Schwierigkeiten haben, die Stellenanzeige zu verstehen, oder der Meinung sind, dass die darin angesammelte Menge von Worthülsen so gut wie nichts aussagt, rufen Sie im Unternehmen an. Fragen Sie den Sachbearbeiter freundlich nach Konkretem, zum Beispiel:

→ Was genau umfasst der Tätigkeitsbereich?

→ Wo im Unternehmen ist die Position angesiedelt, wer ist Ihr Chef, sind Ihnen Mitarbeiter unterstellt, wenn ja, wie viele?

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→ Welche fachlichen Kernqualifikationen sind für diese Position absolut notwendig?

→ Worauf legt das Unternehmen bei seinen Mitarbeitern besonderen Wert?

Wenn es für Sie wichtig ist, können Sie durchaus nach dem Gehaltsrahmen für die inserierte Position fragen. Ich empfehle in diesem Fall, von sich aus zu sagen, welcher Verdienst für Sie die Untergrenze darstellt. Ihr Gesprächspartner kann Ihnen dann antworten, ohne Vertraulichkeitsverletzungen zu begehen, denn in den meisten Unternehmen gilt immer noch der Grundsatz „Über Gehälter wird bei uns nicht gesprochen“.

Erzählen Sie in diesem Gespräch durchaus etwas von sich, aber „quatschen“ Sie Ihren Gesprächspartner nicht voll. Erstens wollen Sie von ihm etwas erfahren, zweitens können Sie davon ausgehen, dass Sie nicht der Einzige sind, der Informationsbedarf hat, und drittens, dass der Personalsachbearbeiter leicht genervt ist, weil er sich vorkommt wie ein Kassettenrecorder, der immer wieder das gleiche Band abspult. Da kann ich nur sagen: Selber schuld! Es ist für ernsthafte Bewerber zwingend notwendig, so lange nachzufragen, bis sie wissen, worum es bei dem Stellenangebot wirklich geht, bevor sie entscheiden, ob sie sich bewerben können oder wollen. Solange das Unternehmen nicht lernt, die Anforderungen an seine neuen Mitarbeiter präzise und wahrheitsgemäß zu formulieren, muss erhöhter Leidensdruck bei den Personalern ausgeübt werden. Zumindest so lange, bis sich ein Wandel abzeichnet: hin zu ehrlichen, konkreten Stellenanzeigen, in denen die Position beim Namen genannt und nicht zum „Manager dies und das“ aufgeblasen wird. In denen ähnlich wie beim Beipackzettel einer Arznei auch auf Risiken und Nebenwirkungen eingegangen wird: „Der ideale Bewerber sollte ausgeprägte Motivationsfähigkeiten besitzen.“ Oder: „Wir erwarten eine xx-Stunden-Woche, die wir auch durch schnelle Weiterentwicklung honorieren.“ Zum Thema Stellenanzeigen

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finden Sie ab Seite 80 ein eigenes Kapitel und ein interessantes Beispiel „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!“ auf Seite 181.

Wenn Sie nach einem Nachfrage-Telefonat und/oder nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen sind, dass Sie die gewünschten Voraussetzungen wirklich mitbringen erst dann sollten Sie sich bewerben. Wie?

→ Mit einem tabellarischen Lebenslauf (siehe Beispiel auf Seite 117) mit Foto (wenn Sie möchten)

→ Mit entsprechenden Zeugnissen und Referenzen → Und ganz wichtig: mit dem persönlichen

Anschreiben Ich werde in diesem Buch nicht weiter auf die üblichen

Standards beim Erstellen eines Lebenslaufs und die Sortierung der Zeugnisse und Referenzen eingehen. Dazu haben sich bereits darauf spezialisierte Autoren umfassend geäußert. Eine Übersicht einiger Bücher finden Sie im Literaturverzeichnis ab Seite 213. Sie sollten auf jeden Fall darauf achten, dass Ihre Bewerbungsmappe eine logische Struktur aufweist, die ohne große Mühen vom Leser sofort erkennbar ist.

Der erste Eindruck - die Bewerbungsmappe

Was von allen Firmen als wichtigstes Kriterium der Bewerbung genannt wurde, ist das persönliche Anschreiben, Deshalb widmen wir uns diesem K.o.-Kriterium in aller Ausführlichkeit. An dieser Stelle zunächst aus Sicht der Unternehmen. Die individuelle Bewerbung wurde immer in den Vordergrund gerückt. „Sobald man erkennt, dass das Anschreiben Massenware ist, kann das schon das Aus für den Kandidaten bedeuten“, sagte mir der Leiter Führungspersonal eines internationalen Konzerns. Eine 08/15-Bewerbung würde

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ebenfalls schnell zur Seite gelegt. Das Anschreiben habe einen Stellenwert von 50 Prozent der Gesamtbewerbung, meinte man bei einer Hightech-Firma. In einem knackigen Anschreiben von maximal einer Seite Länge könne man durchaus erkennen, warum der Bewerber „der“ Richtige sei, war eine weitere Aussage. Besonders wichtig sei eine klare zeitliche Angabe, wann der Bewerber für einen Eintritt in die Firma zur Verfügung stünde. Auch die Vorstellungen, die sich der Kandidat von seiner neuen Position mache, wo seine Stärken und Schwächen liegen und warum er einen Wechsel anstrebt, werden als Inhalt des Anschreibens begrüßt.

Eine internationa le Bauunternehmung formulierte ihre Anforderungen ganz präzise: „Wir wünschen uns ein Anschreiben, aus dem deutlich Vergangenheit und Zukunftswünsche hervorgehen. Die Auseinandersetzung mit unserem Unternehmen sollte ersichtlich sein und ein eigener Schreibstil wirkt ebenfalls positiv. Allerdings schreiben viele Bewerber aus Ratgebern ab und haben verlernt, der Macht ihrer eigenen Worte zu vertrauen.“ Das oder Ähnliches war allerorts und immer wieder zu hören.

Suspekt wirkt die Bewerbung auch dann, wenn der Bewerber seine „Soft Skills“ exakt so formuliert und auflistet, wie man es ständig in der Presse finden kann: Teamfähig, kommunikativ, führungsstark, integrationsfähig, kreativ, konfliktfähig, feedbackfähig, sozial kompetent, hoher emotionaler Quotient und viele andere Schlagworte finden sich immer wieder. „Diese platte Wiedergabe macht misstrauisch, weil kein Mensch ein Anforderungsprofil so umfassend erfüllen kann. Bei solcher Übertreibung ergibt sich schnell ein Bruch zum Lebenslauf, denn ein solcher Vergleich findet sofort statt“, war der Kritikpunkt einer erfahrenen Personalfrau.

Foto beifügen - oder nicht? Als Foto wünschten sich die meisten Unternehmen ein

professionell fotografiertes Bewerberporträt. Es zeige, dass sich

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der Bewerber Gedanken über sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit gemacht hat. Ein unverkrampfter, freundlicher und optimistischer Eindruck sage oft mehr über einen Kandidaten aus, als der vielleicht denkt, meinte einer meiner Gesprächspartner. Eine Dame aus dem Personalmarketing erklärte mir, sie könne gut auf ein Foto in der Bewerbung verzichten, da es nichts über die Fähigkeiten und Inhalte des Bewerbers aussage. Meine Meinung ist, dass ein gepflegtes Aussehen für Positionen, die viel Kundenkontakt mit sich bringen, durchaus ein Kriterium ist. Wenn Sie gute Fotos von sich haben, ist meine Empfehlung, Ihrem Lebenslauf eines beizufügen. Gerade wenn Sie ein älterer Bewerber sind, können Fotos die Power, die Sie haben, gut transportieren. Private Fotos, zum Beispiel Urlaubsschnappschüsse mit Sonnenhut, wurden von allen Befragten einstimmig abgelehnt. In anderen Ländern, zum Beispiel in Amerika, ist es unüblich, ein Foto mitzuschicken. Wenn Sie sich also für einen Job im Ausland interessieren, versäumen Sie nicht, sich über die dort herrschenden Gepflogenheiten vorab zu informieren.

Der Aufbau muss stimmen! Bei der Bewerbungsmappe ist auf strukturierten Aufbau,

ordentliches Erscheinungsbild und Standardisierung zu achten, darauf wurde von vielen Personalentscheidern immer wieder hingewiesen. Und es geht um die Qualität des Inhalts, also Ihrer Referenzen und Zeugnisse, und nicht um die Quantität der verwendeten Papierseiten. Es soll Bewerber geben, die stolz berichten, dass ihre Bewerbungsmappe besonders dick sei. Diesen Kandidaten ist eine Reduktionskur auf das Wesentliche zu verordnen. Loseblattsammlungen sind genauso out wie das Pendant dazu, nämlich eine Klarsichthülle für jedes einzelne Blatt der Bewerbungsmappe. Als Fazit aus allen Quellen: Es ist unbedingt nötig, die Bewerbung auf die Position und das Unternehmen individuell abzustimmen - alles andere funktioniert nicht.

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Das Vorstellungsgespräch - Stress hoch zwei

Nach etwa zwei Tagen bis zu fünf oder sechs Wochen, je nach Anzahl der zu sichtenden Bewerbungen und abhängig davon, ob gerade Urlaubszeit ist oder sich eine wichtige Person im Krankenstand befindet, melden sich die Unternehmen bei den Kandidaten. Entweder mit einem Standard-Absagebrief oder einer Einladung zum Vorstellungsgespräch. Nicht nur die Kandidaten bereiten sich auf dieses Gespräch vor, auch ihre Gesprächspartner im Unternehmen tun das. Dazu benutzen sie mehr oder weniger ausgearbeitete Interviewleitfäden, zum Beispiel diesen:

Interviewleitfaden Name: Datum:

→ Persönliche Situation des Bewerbers/der Bewerberin

→ Schulbildung/Studium

→ Berufliche Ausbildung/Beruflicher Werdegang Bitte schildern Sie in kurzen Sätzen Ihren bisherigen

Ausbildungs- und Berufsweg.

→ Was hatte den größten Einfluss auf Ihre Berufswahl? → Welche beruflichen Tätigkeiten haben Sie bis jetzt

nach der Ausbildung ausgeübt? → Aufgaben und Aufgabenschwerpunkte

→ Verantwortlichkeiten, Kompetenzen → Weiterbildungsaktivitäten

→ Was haben Sie während der einzelnen Stationen Ihres Berufsleben gelernt, wovon Sie heute noch profitieren?

→ Aktuelle Position/Neue Position

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Schildern Sie einen typischen Tagesablauf in Ihrer jetzigen Position:

→ Was von Ihrer Tätigkeit bei Ihrem jetzigen Arbeitgeber werden Sie vermissen?

→ Warum wollen Sie sich verändern?

→ Welche Ziele haben Sie für eine neue Position? Persönliches Was hat dazu beigetragen, dass Sie bisher beruflich

erfolgreich waren? Welches sind Ihre Stärken?

→ Zum Ausbau welcher Kompetenzen/Fähigkeiten haben Sie sich in der Vergangenheit Weiterbildungsmaßnahmen gewünscht? Warum haben Sie sie nicht besucht?

→ Arbeitsverhalten Welche Routinearbeiten gibt es in Ihrer jetzigen

Aufgabenstellung und wie gehen Sie damit um?

→ Was ist Ihnen in Bezug auf Ihre Arbeitsumgebung wichtig?

→ Wie würden Sie Ihren Arbeitsstil bezeichnen? → Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten

In welchen Situationen stimmen Sie sich mit ihren Interviewleitfaden (Fortsetzung) Arbeiten Sie in einem Team und wie ist es

zusammengesetzt {wie viele Kollegen bzw. Kolleginnen, Berichtsweg, Zuständigkeiten)?

→ Leistungsbereitschaft → Gibt es Situationen, die für Sie stressbehaftet sind?

→ Was motiviert Sie, Leistung zu bringen? → Welche beruflichen Pläne haben Sie kurz- und

mittelfristig?

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→ Sonstiges Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche? Welche

Erwartung haben Sie an Ihre Arbeitszeit? Wann sind Sie verfügbar? Wie hoch ist Ihr jetziges Jahresgesamtgehalt?

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Isolde Thomas, Personalberatung Thomas, München)

Vorstellungs-Kurznotiz Name, Vorname Straße, PLZ, Ort, zu kontaktieren: E-Mail/Telefon/Fax Interviewer Position Datum Ausbildung/Studium Jetzige Funktion als/bei DV-Erfahrung/Consulting-Erfahrung/Methodenerfahrung Projekterfahrungen Wünsche/Anforderungen an die zukünftige Position Eindruck des Interviewers/Empfehlung für das weitere

Vorgehen Möglicher Eintritt/Kündigungsfrist Derzeitiges Jahresgehalt

Standort/Mobilität Nun stehen beziehungsweise sitzen sich der gut vorbereitete

Bewerber und der zuständige Personalreferent zum ersten Mal gegenüber. Manchmal ist auch der potenzielle Fachvorgesetzte dabei.

Auf diese zwölf Punkte wird geachtet: 1. Wie ist der erste Eindruck? Er entsteht innerhalb von 12 bis

30 Sekunden und er kann (manchmal) im Gespräch revidierbar sein.

2. Die Ausstrahlung: unverkrampft, optimistisch, spontan, freundlich?

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3. Die Aufwärmphase dient zur Entspannung: Wie und wann legt der Kandidat seine Nervosität ab? Ist er smalltalkfähig?

4. Ist die Kleidung angemessen? Entspricht sie der Position und dem persönlichen Stil?

5. Hat sich der Bewerber intensiv mit dem Unternehmen beschäftigt? Was weiß er darüber?

6. Welche Fragen stellt der Kandidat über den künftigen Arbeitsplatz und seine Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen?

7. Sind seine Vorstellungen realistisch? 8. Kann sich der Kandidat präzise äußern? 9. Sind die Aussagen des Kandidaten authentisch, also echt

und wahrheitsgetreu? 10. Ist der Kandidat eher lösungs- oder problemorientiert? 11. Hat er sich ernsthaft mit der Frage, warum er für diese

Position geeignet ist, auseinander gesetzt? 12. Verfügt der Bewerber in ausreichendem Maße über die

„Soft Skills“ wie: soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Flexibilität, Offenheit, Neues zu lernen, Begeisterungsfähigkeit, Toleranz, Kreativität?

Viele meiner Interviewpartner gaben offen zu, dass sie sich vom persönlichen Eindruck beeinflussen lassen und die fachliche Kompetenz mit ungefähr 70 Prozent zu Buche schlägt. Auch merkten sie an, dass das Verhalten des Bewerbers nach dem Vorstellungsgespräch durchaus Einfluss auf ihre Entscheidung hat: zum Beispiel ob er bei bestimmten Verhandlungspunkten „nachtarockt“ und ob die Aussagen des ersten mit denen des zweiten Vorstellungsgesprachs übereinstimmen.

Bedenken Sie bitte, dass Sie immer die Chance haben, eventuelle „Fehler“ wieder gutzumachen, und nutzen Sie jede Brücke, die Ihnen gebaut wird. Sitzen Sie nicht stumm herum

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wie das hypnotisierte Kaninchen vor der Schlange! Es ist ebenso wichtig für die Unternehmen, Mitarbeiter zu gewinnen, die zu ihnen passen, wie für Sie, den für Sie passenden neuen Job zu finden - Sie sind ebenbürtiger Partner in diesem Spiel!

Gebündelte Aussagen: Was Unternehmen wirklich wollen

1. Bewerber, die wissen, was sie wollen. 2. Kandidaten, die sich präzise ausdrücken können, also

schnell zum Punkt kommen. 3. Ein individuelles Anschreiben, in dem der Bewerber in

seinen eigenen Worten auf die folgenden Punkte eingeht: → Warum bewerbe ich mich bei diesem Unternehmen?

→ Was erwarte ich? → Was bringe ich mit?

→ Wann kann ich anfangen? → Warum das Unternehmen mich einstellen sollte

4. Eine saubere Bewerbungsmappe → die logisch strukturiert ist,

→ die auf Überflüssiges verzichtet (zum Beispiel Volksschulzeugnisse, irrelevante Zertifikate und Bescheinigungen etc.),

→ die einen übersichtlichen Lebenslauf mit professionellem Foto enthält,

→ mit ordentlichen Kopien relevanter Zeugnisse/Referenzen.

5. Im Vorstellungsgespräch lebendige Kandidaten

→ die den Erwartungen, die ihr Anschreiben geweckt hat,

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entsprechen → die sich artikulieren können, anstatt stumm nickend

wie der Wackeldackel auf ihrem Platz zu sitzen → die ehrlich und angemessen ihre Interessen und

Meinungen vertreten. 6. Mitarbeiter, die sich realistisch für das Unternehmen mit

allen Vor- und Nachteilen entschieden haben und diesem auch längerfristig erhalten bleiben.

Die Kosten, die den Unternehmen durch Mitarbeiterfluktuation entstehen, sind immens. Laut Aussagen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) betragen sie 8000 Euro für einen Facharbeiter, 13000 Euro bei einer Sekretärin und gar 200000 Euro bei einer Führungskraft.

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3 Auffallen aber gut!

Das Leben ist zu kurz, um sich klein zu machen. (Unbekannt) In unserem Sprachgebrauch hat das Wort „auffallen“ zwar

keine negative Bedeutung, aber ein bisschen zweischneidig ist es doch. Warum eigentlich? Lassen Sie uns diesen Begriff doch einmal näher betrachten. Wenn jemand auffällt, so bewundern wir ihn einerseits, andererseits steht der, der auffällt, überwiegend alleine da. Und wir wollen doch alle so gerne dazugehören! Dazugehören zu unserer gesellschaftlichen und beruflichen Umwelt nach dem Motto „Gleich und Gleich gesellt sich gern“. Was glauben Sie: Entspricht diese Einstellung eher dem gerade behandelten Vorgehen zum Thema geklonte Bewerbungen oder bringt sie uns auf unserem Weg zum Erfolg voran? In meiner Praxis als Coach stelle ich meinen Klienten Fragen, die sie zum Nachdenken anregen und ihnen neue Sichtweisen eröffnen können, was wiederum andere Lösungsansätze hervorruft. Deshalb lade ich Sie jetzt ein, das Wort „auffallen“ und das, was wir damit verbinden, zu hinterfragen. Es mag durchaus sein, dass Ihnen der ein oder andere Denkanstoß etwas unbequem erscheint. Gerade hier könnte es sich aber lohnen, einmal genauer nachzudenken.

Was heißt auffallen?

Im Wörterbuch finden sich unter dem Wort „auffallen“ neben „beeindrucken“ noch eine ganze Liste von Synonymen, also von Wörtern mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung. Ich habe zehn davon aufgelistet und mir Fragen aus meiner Coaching-Praxis überlegt, die Ihnen helfen können, Ihren Stärken und Ihrer

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Individualität näher zu kommen. Beeindrucken

→ Will ich beeindrucken und wenn ja, wie?

→ Habe ich es nötig, „Eindruck zu schinden“? → Welches ist der erste Eindruck, den mein Gegenüber

von mir hat? Anecken Der ehemalige BDI-Präsident Olaf Henkel sagte einmal: „Ich

glaube, dass wir weniger runde Tische und mehr eckige Entscheidungen brauchen.“ Ob er damit wohl das allgemeine Konsensverhalten und die Stromlinienförmigkeit unserer Zeit gemeint hat?

→ Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie das letzte Mal angeeckt sind?

→ Wie war die Reaktion der anderen darauf? → Wie würden Sie heute mit dieser Situation umgehen?

Blenden → Mache ich einen Unterschied zwischen „Auffallen“

und „Blenden“? Wenn ja, welchen? → Wo stelle ich mein Licht unter den Scheffel?

→ Welches ist meine blendendste Eigenschaft? Entgleisen

→ Was geschieht, wenn ich die eingefahrenen Gleise verlasse?

→ Was bringt mich zum Entgleisen - wo raste ich aus und warum?

→ Stelle ich die Weichen für meinen „Lebenszug“ selbst oder folge ich vorgegebenen Gleisen?

Hervorragen, herausragen

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→ Empfinde ich dies eher als gefährlich oder macht es mich an?

→ Worin besitze ich hervorragende Kenntnisse? → Wie und wo habe ich sie mir angeeignet?

Anstoßen Die Umwelt reagiert im Allgemeinen auf etwas Auffallendes

ob positiv oder negativ, sei dahingestellt. In jedem Fall wird ein Prozess angestoßen: Das kann sein, dass man darüber nachdenkt, was genau auffallend ist; welche Konsequenzen sich daraus ergeben können; wie es einem selbst damit ginge etc.

→ Sind Sie einer, der die Dinge ins Rollen bringt?

→ Wenn ja, welche haben Sie ins Rollen gebracht - und wie zu Ende geführt?

Es gibt immer noch sehr viele Menschen, die Dinge zwar anstoßen, jedoch nicht zu Ende führen, nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“!

Hervortreten Wenn Sie auffallen, so treten Sie aus der Masse hervor. Sie

unterscheiden sich von den anderen, sei es in Ihrer Kleidung, durch Ihr Auftreten, mit Ihrem beruflichen Erfolg.

→ Sind Sie schon einmal hervorgetreten?

→ Wie hat sich das angefühlt, was haben Sie empfunden? → Wie müsste es sein, damit Sie sich wohl damit fühlen?

Überraschen „Die Unterstützung der Kollegin X hat mich sehr überrascht.

Sie ist mir sonst immer durch ihre Zurückhaltung aufgefallen.“ Ups, da hat sich die Kollegin einmal anders verhalten als sonst.

→ Wie gehen Sie mit Überraschungen um? → Was bedeutet der Begriff „Flexibilität“ für Sie?

Sich auszeichnen, sich hervortun

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Klingt nach Strebertum? Nach dem gestriegelten Knaben aus der Schule, der immer alles wusste und für den es selbstverständlich war, ausgezeichnete Noten zu haben, wo wir immer versuchten, gerade noch die Note 3 zu ergattern? Denn bei einer Note 4 gab's zu Hause ein hochnotpeinliches Verhör, was wir tagsüber denn so trieben.

→ Wie sieht das heute in Ihrem Leben aus?

→ Werden Sie von Ihrem Chef gelobt, wenn Sie eine ausgezeichnete Idee hatten?

→ Halten Sie diese ausgezeichnete Idee eher zurück, weil Sie der Meinung sind, das sähe nach „hervortun“ aus oder würde sowieso nicht anerkannt?

Letzteres ist in vielen beruflichen Situationen der Fall. Mitarbeiter beklagen zu Recht, dass mit Anerkennung und Lob noch mehr gespart wird als mit Gehaltszulagen. Reinhard K. Sprenger, ein bekannter Fachautor und Redner, fragt in seinen Vorträgen für Führungskräfte provokant „Haben Sie heute schon demotiviert?“ und es gelingt ihm damit, manchen Chef aufzurütteln, seine Mitarbeiter endlich wahrzunehmen, sie zu befragen und ihren Antworten zuzuhören, anstatt von sich zu verlangen, immer alles selbst zu wissen und Vorgaben zu machen. Das lernende Unternehmen: Das sind Menschen, die voneinander lernen, um eine Sache zum Wohle aller voranzutreiben - oder wie sehen Sie das?

Beachtet werden Im Rampenlicht zu stehen, das ist für mich und viele andere

immer wieder eine Herausforderung. Sitzt das Kostüm, wirke ich sympathisch? Ähnliche Gedanken haben Sie vielleicht auch, wenn Sie in den Konferenzraum treten und sich alle Gesichter Ihnen zuwenden. Und wenn Sie dann durch Verspätung oder als Überbringer schlechter Neuigkeiten auffallen... Zum Glück gibt es auch das positive Auffallen, wie:

→ Wenn wir etwas sagen, was die Sache auf den Punkt

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bringt, auch wenn es im ersten Moment unbequem sein mag.

→ Wenn wir Zivilcourage zeigen und uns für etwas stark machen, von dem wir überzeugt sind.

→ Wenn unsere Präsentation mit weniger Folien mehr Inhalt transportiert.

→ Wenn wir hinter dem Vorhang der Gleichmacherei mit unserer Persönlichkeit hervortreten und andere mitreißen.

→ Wenn unsere Fähigkeiten die der anderen übersteigen und wir zu unserer eigenen Größe stehen können.

Auf die richtige Dosis kommt es an!

In Ihrer Bewerbung müssen Sie ganz deutlich zum Ausdruck bringen, warum genau Sie die richtige Besetzung für die anvisierte Stelle sind. Ohne aufzufallen ist es heute kaum noch möglich, sich von der Vielzahl qualifizierter Mitbewerber zu unterscheiden. Allerdings kommt es auf die richtige Dosis an, denn sonst verkehrt sich das positive Hervortreten leicht in das abgeschmackte „Auffallen um jeden Preis“. Und Letzteres haben Sie gewiss nicht nötig.

Der Mut eines Stellensuchenden, die scheinbar ausweglose Bewerbung doch in Angriff zu nehmen, die Power, die dahinter steckt und die ungewöhnliche Kreativität freisetzt - ist das nicht auch auffallend, weit es der Norm, sich im Bereich des Machbaren zu versuchen, widerspricht?

Kinder, die wissen, was sie wollen, fallen oft auf. Sie lassen sich fast nie von ihren Zielen abbringen. Sie ziehen alle Register ihres kreativen Potenzials - und das ist riesig, wie Sie vielleicht aus eigener Erfahrung wissen - um das zu bekommen, was sie wollen. Denken Sie an den Karaoke-Sanger von neulich, der mit

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Begeisterung und Hingabe einen Hit „zerknödelt“, der nicht im Traum daran denkt, dass seine Sangeskünste eher negativ denn positiv beeindrucken könnten.

Empfinden wir bei solchen oder ähnlichen Situationen nicht immer ein kleines bisschen Neid oder Bewunderung? Darüber, dass diese Menschen sich trauen, ihren Bedürfnissen lauthals Ausdruck zu verleihen, ihren Wünschen freien Lauf zu lassen und ihre Ziele zu verfolgen?

Der Wohlfühlfaktor Um „richtig“ aufzufallen und sich damit wohl zu fühlen,

braucht es Absichtlichkeit und die vorherige Klärung der Frage: Was genau will ich erreichen? Sie können im Vorfeld auffallen durch die außergewöhnliche Form Ihrer Bewerbung, die präzisen Aussagen in Ihrem Anschreiben, die hervorragenden Zeugnisse früherer Arbeitgeber und vieles mehr. Im Vorstellungsgespräch ist es komplizierter: Da gilt es zum einen zu signalisieren: Ich passe zu euch! (Ich füge mich in das Unternehmen [die Herde] ein.) Und zum anderen müssen Sie darstellen, welche hervorragenden Eigenschaften, Fähigkeiten und Kenntnisse Sie dem Unternehmen bringen. Ich nenne dieses Verhalten gerne „den inneren Spagat“. Wenn eine Bewerberin besonders sexy und provokativ zum Bewerbungsgespräch erscheint, so kommt das in seriösen Unternehmen nicht unbedingt gut an. Die schlagfertige Argumentation eines Bewerbers, auf die uns im Moment keine Antwort einfällt, kann schon eher positiv auffallen. Dazu mehr im Kapitel „Darf ich vorstellen?“ ab Seite 139.

Wer sich von anderen unterscheiden will, muss sich trauen, aufzufallen, anzuecken, aus der Masse hervorzutreten etc. Diese Menschen wirken ungeniert, sind manchmal sehr direkt und unbefangen wie Kinder. Das heißt, ihre Absicht, etwas Bestimmtes zu erreichen, ihr Mut zu sich selbst und dem, was

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sie sind, und ihr Selbstbewusstsein sind spürbar. Sie besitzen eine gewisse Portion Respektlosigkeit, ja fast Unverschämtheit im Sinne von „Frechheit siegt“. Wer sich traut, aufzufallen, verlässt ausgefahrene Gleise und ausgetretene Pfade, um Neuland zu erobern. Auf ungewöhnliche Weise wird oft Außergewöhnliches vollbracht - eine Chance, die sich Unternehmen immer weniger entgehen lassen.

Aus Amerika schwappt gerade die neue Managementthese der „rebellischen Mitarbeiter“ herüber und ich hoffe, dass sie ebenso leicht angenommen wird wie die Philosophie des Shareholder Value. In den USA versteht man unter einem rebellischen Mitarbeiter eine Person, die es wagt, auch Unbequemes kundzutun, gleichzeitig jedoch Lösungen aufzeigt und den Dialog im Unternehmen sucht. Dadurch werden notwendige Konfrontationen auf die Sache beschränkt und unproduktive Schuldzuweisungen vermieden. Die im Vordergrund stehende Frage lautet: „Wie können wir es besser machen?“ anstatt wie so oft „Wer hat das verbockt?“

Wer bin ich?

Beantworten Sie bitte diese fünf Fragen so ehrlich, wie Sie nur können:

→ Bin ich der Typ, der gerne auffällt? Es muss Ihnen liegen, denn man kann nicht von einem

Häschen erwarten, dass es sich wie ein Löwe benehmen wird. → Wie gehe ich mit Überraschungen um?

Wenn Sie selbst keine Überraschungen mögen, werden Sie vielleicht gerne darauf verzichten, anderen welche zu bereiten.

→ Wie interpretiere ich „rebellisch“? Wenn rebellisch für Sie negativ behaftet ist, anstatt so etwas

ähnliches wie Zivilcourage zu signalisieren, lassen Sie es sein.

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Jeder Mensch ist erfolgreicher, wenn er authentisch ist. Und ehrlich gesagt: Nicht jeder muss ein Rebell sein.

→ Wodurch unterscheide ich mich von anderen? Die Beantwortung dieser Frage ist das A und O (Alpha für

Anfang und Omega für Ende) einer erfolgreichen Bewerbung. Holen Sie sich Unterstützung von außen bei dieser Frage, denn sie ist eine der schwersten überhaupt.

→ Wie könnte sich meine Bewerbung von anderen unterscheiden?

Finden Sie heraus, welche kreativen Potenziale in Ihnen stecken, es könnte Sie überraschen.

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4 Persönliche Voraussetzungen, um erfolgreich aufzufallen

Im Leben geht es nicht darum, gute Karten zu haben, sondern auch mit einem schlechten Blatt gut zu spielen.

(Robert Louis Stevenson) Es setzt Mut und Selbstvertrauen voraus, sich von der Menge

zu unterscheiden. Man könnte als „unbequem“ abgestempelt werden, nicht mehr zur Gemeinschaft der anderen dazugehören, weil man aus der Reihe tanzt, und schlimmstenfalls sogar als „Spinner“ abgetan werden. Da braucht es schon ein gewisses Rückgrat, eine Haltung sich selbst und seinen Zielen gegenüber. Die Erkenntnis, dass sich eine solche Einstellung im Unternehmen fortsetzt, das heißt durch Mitarbeiter, die der Sache verpflichtet sind, ihre Arbeit qualitätsbewusst erledigen und mögliche Verbesserungspotenziale aufzeigen, setzt sich mehr und mehr durch.

Es gibt zwingende persönliche Voraussetzungen für erfolgreiches „Auffallen“. Zum einen sind sich diese Menschen ihrer selbst bewusst, sie kennen ihre Stärken und Schwächen, Sie wissen, wer sie sind und was sie können. Das verleiht ihnen ein gesundes (!) Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein. Zum anderen haben sie den ausgeprägten Willen, etwas Bestimmtes mit Sicherheit zu erreichen, wir wollen es den „Mut zur Zielerreichung“ nennen. Außerdem haben sie Spaß an dem, was sie tun, und sehen das Leben eher durch die positive Brille.

Aber die Angst, sich zu blamieren, hindert uns oft daran, das zu tun, was wir eigentlich gerne tun würden. In diesen Situationen sind wir weder ehrlich, also authentisch, noch lebendig. Wir folgen widerspruchslos den ausgetretenen Pfaden

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anderer, anstatt unserer eigenen Überzeugung Raum zu geben. Dadurch wirken wir gehemmt sowie unglaubwürdig und unsere Umwelt reagiert darauf entsprechend. Was glauben Sie, ist in der heutigen Arbeitswelt gefordert: eher der Mitläufer oder mehr der Macher? Der fachlich perfekte menschliche Befehlsempfänger mit den besten Features macht zunehmend seltener das Rennen um die wirklich interessanten Arbeitsplätze. Mehr und mehr wird nach Mitarbeitern gesucht, die über ihre fachliche Eignung hinaus Sozialkompetenz und Eigeninitiative besitzen, konstruktive Verbesserungs- und Veränderungsvorschläge machen, eine eigene Persönlichkeit haben und sie auch während ihrer Arbeitszeit nicht verleugnen. Letzteres allerdings mit Maß und Ziel. Beruf ist Beruf und Privatleben sollte auch Privatleben bleiben.

Bevor Sie zu einer erfolgreichen Selbstvermarktung ansetzen, und darum handelt es sich bei einer Bewerbung immer, sollten Sie sich ausführlich mit folgenden Grundüberlegungen auseinander setzen und eventuell die Antworten kurz schriftlich fixieren:

→ Welche Qualität und Einzigartigkeit besitzt das Produkt, das Sie anbieten?

→ Wer ist die geeignete Zielgruppe für Ihr Produkt?

→ Welchen Service bieten Sie zu welchem Preis an? → Warum sollte der Kunde ausgerechnet bei Ihnen

kaufen?

Die Inventur „Wer bin ich und was kann ich?“ ergibt Ihr Inventar

Ihre Arbeitsleistung zusammen mit Ihrer Persönlichkeit bilden

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das Produkt, das Sie Ihrem potenziellen neuen Arbeitgeber anbieten können. Je besser Sie über sich selbst Bescheid wissen und von Ihrer Leistungsfähigkeit überzeugt sind, umso leichter wird es Ihnen fallen, sich sowohl ehrlich und glaubwürdig als auch positiv und werbewirksam darzustellen.

Auf die Frage „Wer bin ich?“ fällt Ihnen wahrscheinlich eher ein, wer Sie nicht sind. Das ist normal und ganz okay so. Nehmen Sie sich einen Stift und ein leeres Blatt Papier. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen einfällt, ohne darüber nachzudenken oder es zu bewerten. Das könnte eine Liste von Eigenschaften ergeben, wie: freundlich, stur, ehrlich, gutmütig, ehrgeizig, kompetent, introvertiert, sympathisch, arbeitsfreudig, engagiert, analytisch.

Also alles Schlagworte, die für sich betrachtet immer nur ein Steinchen des ganzen Mosaiks Ihrer Persönlichkeit zeigen. Das Gesamtbild bleibt Ihnen leider verborgen. Sie sind zu nah dran, um die Gesamtschau aus der Helikopterperspektive zu sehen, es handelt sich ja um Sie selbst. Um trotzdem eine gewisse Distanzierung zu schaffen, hier als Hilfestellung eine Liste von Fragen. Bitte nehmen Sie sich ausreichend Zeit zum Nachdenken, bevor Sie antworten:

Von welchem Beruf haben Sie als Kind geträumt? Wie genau sah das Bild aus, das Sie damals vor sich sahen? Was hat Sie daran gehindert, diesen Beruf zu ergreifen? Wie erscheint es Ihnen aus heutiger Sicht?

Wo liegen Ihre sportlichen/technischen/kommunikativen/ analytischen/künstlerischen/kreativen/zwischenmenschlichen/ Führungsfähigkeiten und eigenschaften? Sind Sie extrovertiert und spontan oder eher zurückhaltend? Können Sie Menschen begeistern? Sind Sie eher intuitiv oder intellektuell gepolt? Wie gehen Sie mit Problemen um? Wie wichtig ist Ihnen Verantwortung für die Sache, für die Mitarbeiter?

Beschreiben Sie jede dieser Fähigkeiten und Eigenschaften

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anhand einer konkreten Situation und gehen Sie bei dieser Inventur sehr gründlich vor. Sie können die verschiedenen Stationen Ihres Lebenslaufs in allen Einzelheiten durchforsten oder andere nach ihrem Bild von Ihnen befragen. Wenn Sie sich mit Ihrer Familie, Freunden und Kollegen austauschen, halten Sie die Ergebnisse schriftlich fest. Sie können sich eine Tabelle wie beispielsweise die folgende aufbauen:

Gesagt von Situation Fähigkeit/Eigenschaft selbst Gestern fand ich ein Portemonnaie,

das 500 Euro enthielt. Ich konnte nicht mehr feststellen, wer es verloren hat, und habe es gleich bei der nächsten Polizei-dienststeile abgegeben.

Ich bin ehrlich. Ich bin gründlich.

Sabine (Kollegin)

Als mein Computer dauernd abstürzte und mir die eingegebenen Daten verloren gingen, hast du mir am nächsten Tag beim Eingeben geholfen, obwohl du viel zu tun hattest.

Du bist hilfsbereit. Du verhältst Dich kollegial. Du bist belastbar

Mutter Schon als kleines Kind warst du immer zornig, wenn du etwas nicht bekommen hast. Du hast dich im Supermarkt auf den Boden gelegt und bist erst aufgestanden, als ich dir den Lutscher gekauft habe.

Du bist jähzornig. Du bist stur. Du weißt, was du willst.

Jede Situation kann verschiedene Fähigkeiten und

Eigenschaften beleuchten, ebenso gibt es immer mehrere unterschiedliche Aspekte, unter denen eine Situation betrachtet werden kann. Wenn Sie andere in Ihre Inventur mit einbeziehen, so berücksichtigen Sie immer, dass das Feedback manchmal nur die Sichtweise des Feedbackgebers darstellt und wenig mit allgemein gültiger Wahrheit zu tun hat.

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→ Werden manche Ihrer Fähigkeiten und Eigenschaften öfters genannt? Zeichnen sich gewisse Schwerpunkte ab und wenn ja, welche?

→ Was können Sie besser als all die anderen Menschen, die Sie kennen? Auf Ihrer Liste sollten mindestens 10 bis 20 Punkte stehen zusammen mit der Geschichte, in der Sie sie unter Beweis gestellt haben.

→ Wovor haben Sie beruflich am meisten Angst? Was ist das Schlimmste, was Ihnen in einem Job passieren kann? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit in Prozent, dass es wirklich eintritt?

→ Wenn Sie beruflich noch einmal von vorne anfangen könnten, was würden Sie anders machen? Welche Auswirkungen hätte das auf Ihre Gegenwart und Zukunft?

→ Worauf würden Sie beruflich auf keinen Fall verzichten wollen? Auf Ihre Eigenständigkeit, auf Führungsverantwortung, auf eine geregelte 40-Stunden-Woche, auf die Unterstützung Ihrer Kollegen...?

Trotzdem nicht ganz zufrieden mit der Inventur? Dann ist es Zeit, sich Unterstützung zu holen. Es gibt jede Menge Persönlichkeits- und Eignungstests. Zu konkreten Fragen können Sie sich Feedback von Familie, Freunden und Bekannten geben lassen. Sie können Ihr Profil mit einem Berater oder Coach erarbeiten. Jede Variante hat etwas für sich!

Persönlichkeits- und Eignungstests Der Markt hierfür boomt, denn wir wollen doch alle ganz

genau wissen, wer und wie wir wirklich sind. Am meisten vertrauen wir dabei den „unbestechlichen“ Tests, die allerdings auch nur so gut sind wie die Menschen, die sie erarbeitet haben.

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Wenn Sie sich einem solchen Test, der manchmal recht teuer sein kann, wirklich unterziehen wollen, lassen Sie sich vorher die Wissenschaftlichkeit belegen. Ich selbst bin akkreditierte Beraterin und Trainerin von Team Management Systems, einem umfassenden Instrument zur beruflichen Schwerpunktsetzung. Zum einen kann man aus Arbeitgeber-, Kollegen- und Kundensicht die für eine Position notwendigen Fähigkeiten und Eigenschaften analysieren. Zum anderen kann man für den Bewerber ein Profil seiner beruflichen Präferenzen und Fähigkeiten erstellen, das gerade bei Karriereschritten und beruflicher Veränderung hilft, den richtigen Weg zu finden. Eine weitere Dimension ist die Untersuchung, ob wir eher problem- oder lösungsorientiert handeln, also ob unser Glas immer halb voll oder halb leer ist. Ich empfehle es gerne denjenigen meiner Klienten, die eine entpersonalisierte Sicht von außen wünschen, und sie alle haben Ihre finanzielle Investition als sinnvoll erachtet. Es gibt zu viele verschiedene, mehr oder weniger wirkungsvolle Tests, um sie an dieser Stelle aufzuzählen, deshalb seien nur die am weitesten verbreiteten genannt: der Myers-Briggs-Type-Indicator, kurz MBTI genannt, das DISG® Persönlichkeitsprofil und das Eneagramm. Manche Firmen setzten diese Tests bei der Stellenbesetzung ein.

Jeder seriöse Persönlichkeits- oder Eignungstest sollte Ihnen durch einen qualifizierten Berater oder akkreditierten Trainer erläutert werden, um Missverständnissen oder Fehlinterpretationen vorzubeugen.

Ehrlichkeit ist angesagt! Sie wissen, wie das ist: Da bittet Sie ein Freund oder eine

Freundin um Ihre Stellungnahme zu einer bestimmten Situation: „Sag mal, wie siehst du das?“ Was soll man sagen, wie soll man sich verhalten? Niemand will seinen Freund verletzen oder gar die Freundschaft gefährden und so neigen wir eher dazu, auf die Gefühle unserer Freunde Rücksicht zu nehmen, anstatt ihnen die

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„harte Wahrheit“ zu sagen. Deshalb meine Empfehlung: Befragen Sie sich zuallererst selbst, bevor Sie andere um eine Stellungnahme bitten!

Für diese Selbsteinschätzung schreiben Sie alle Adjektive (also Eigenschaftswörter), die Ihnen einfallen, untereinander auf ein Blatt Papier, zum Beispiel: mutig, vorsichtig, ehrlich, pünktlich, treu und so weiter. Sie sollten mindestens 50 verschiedene Eigenschaften auflisten. Dann vergeben Sie folgende Skala, auf der Sie das für Sie zutreffende ankreuzen. + 2 = trifft voll auf mich zu, + l = trifft weniger auf mich zu, - 2 = trifft überhaupt nicht auf mich zu, - l trifft manchmal auf mich zu. Auf die berühmte Null für „Weiß nicht“ oder „Kann mich nicht entscheiden“ verzichten Sie auf dieser Liste ganz bewusst, denn Sie wollen ja wissen, wie oder wer Sie sind. Interessant ist es dann, wenn Sie Ihre eigene mit den Listen anderer vergleichen. Achten Sie auf die Übereinstimmungen und zählen Sie diese. Wo sind die meisten Übereinstimmungen? Wo die wenigsten? So ergibt sich ein Profil, aus dem man Rückschlüsse auf die eigene Selbstwahrnehmung und die Fremdwahrnehmung ziehen kann. Je ähnlicher sich beide sind, umso besser! Sollten Sie gravierende Unterschiede feststellen, dann ist es Zeit für „bezahlte Freunde“.

Bezahlte Freunde: Trainer, Berater und Coach Auf die Gefahr hin, in ein oberlehrerinnenhaftes Genre zu

verfallen, werde ich zuerst die Unterschiede zwischen Trainer, Berater und Coach aufzeigen, um falschen Erwartungen vorzubeugen.

Ein Trainer ist jemand, der Ihnen beibringt, wie etwas geht. Zum Beispiel, welche Taste Sie wann am Computer drücken müssen, um etwas zu speichern, oder Ähnliches. Sie haben das Problem, der Trainer hat die Lösung, die er Ihnen beibringt. Bewerbungstrainings erschöpfen sich also in generellen

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Ratschlägen, ohne Sie als Persönlichkeit zu berücksichtigen. Dabei kommen standardisierte Lebensläufe und ordentliche Bewerbungsmappen heraus und Sie erhalten sicherlich nützliche Tipps für das generelle Vorgehen bei der Jobsuche und das Verhalten im Vorstellungsgespräch.

Ein Berater wird sich mit Ihrer Situation auseinander setzen. Er wird mit Ihnen zusammen den jetzigen Stand betrachten (Ist-Analyse), das Inventar Ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse, Stärken und Schwächen erarbeiten und daraus verschiedene Möglichkeiten für Ihre berufliche Zukunft ableiten (Soll-Zustand). Sie haben das Problem und wiederum ist der Berater der Experte für die Lösung. Die Umsetzung der von der Qualifikation des Beraters abhängigen Lösungsalternativen bleibt Ihnen selbst überlassen. Ein guter Berater wird sich immer öfter auch als Coach verstehen, der Ihren beruflichen Neuorientierungsprozess begleitet. Der Coach begleitet Sie ein Stück des Wegs. Er dient als Spiegel, in dem Sie sich erkennen können, und durch die Reflektion der gestellten Fragen finden Sie zu Ihren Lösungen. Der Begriff Coaching kommt aus dem Sport, deshalb ein Beispiel aus diesem Bereich:

Ion Tiriac hat nie Wimbledon gewonnen, aber er hat Boris Becker zum Sieg gecoacht, das heißt, er hat Boris Becker zum Gewinnen befähigt, gewonnen hat Boris Becker jedoch selbst. Es gibt Coachs, die helfen, Schwächen auszumerzen, und es gibt Coachs, die unterstützen, Stärken zu mobilisieren. Entscheiden Sie selbst, welcher Ansatz Ihnen mehr bringt. Eine gute Coaching-Seite im Internet ist www.coaching.de. (Sie sind jedoch auch bei mir www.cnconsult.de herzlich willkommen.)

Was können Sie von Ihrem bezahlten Freund erwarten? Von einem Trainer vor allem Standardlösungen, die Sie auf Ihre eigene Situation anpassen müssen. Ein Berater liefert Ihnen Maßgeschneidertes, wobei Sie entscheiden, in welchem Anzug Sie sich am wohlsten fühlen oder welches Kostüm Ihnen am besten passt. Ein Coach bedeutet Hilfe zur Selbsthilfe und setzt

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voraus, dass Sie an Ihrer Zukunft arbeiten, denn es ist Ihre Zukunft! Wenn Sie an bestimmten beruflichen oder persönlichkeitsbezogenen Themen arbeiten wollen, wie zum Beispiel Selbst- und Fremdeinschätzung, Stärken- und Schwächenprofil, die nächsten Karriereschritte etc., so ist ein Coach oder Karriereberater bestimmt ein guter Partner für Sie.

Um den Rahmen dieses Buches nicht zu sprengen, lassen Sie uns zurückkehren zum Inventar dessen, was Sie sind und was Sie können. Wenn Sie diese Inventur präzise und umfassend vorgenommen haben, so besitzen Sie jetzt ein klares Bild von Ihren Eigenschaften, Ihren Fähigkeiten und dessen, was Sie beruflich leisten können. Und schon lugt die nächste Frage um die Ecke: Was fange ich damit an?

Was fange ich mit all meinen Gaben an?

Wie das Kind vor dem weihnachtlichen Gabentisch stehen Sie vor den vielen Erkenntnissen, die Sie während Ihrer Inventur über das „unbekannte Wesen, ich selbst“ gewonnen haben. Super, was sich da alles findet - manches wussten Sie noch nicht, vieles ist Ihnen altbekannt. Doch wie schaffen Sie aus diesen vielen Puzzleteilen ein klares Bild von dem, was Sie beruflich wirklich wollen?

Wo haben Sie sich erfolgreich profiliert? Wie beim Puzzlespiel fangen wir einfach mit irgendeinem

Teilchen an. Am besten nehmen wir etwas Angenehmes, wie zum Beispiel „Erfolg“. Über folgende Fragen erarbeiten wir uns unser individuelles Erfolgsprofil:

→ Waren Sie schon einmal erfolgreich?

→ Wie sah das aus? Führen Sie sich die Situation(en) vor Augen und schreiben Sie die dazugehörige Geschichte

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so konkret wie möglich auf. → Wie hat es sich angefühlt, erfolgreich zu sein? Lassen

Sie die Gefühle aufsteigen, die Sie damals hatten. Vielleicht spüren Sie ein Prickeln auf der Haut oder es überfließt Sie ein wohliger Schauer. Genießen Sie die Situation(en) noch einmal mit allen Sinnen! Schön, wie sich Erfolg anfühlt, nicht wahr?

Wieder in den rationalen Kopf zurückgekehrt, fragen Sie sich, wie Sie Erfolg definieren, und machen sich hierzu eine Liste, wieder so konkret wie möglich. Fragen für diese Erfolgsdefinition können sein:

→ Ist es das Geld, das Ihnen wichtig ist? Wenn ja, wie viel davon brauchen Sie, um in Ihren Augen erfolgreich zu sein? Was würden Sie mit dem Geld machen?

→ Bedeutet Erfolg für Sie teure Statussymbole wie ein großes Auto, wertvoller Schmuck, oder das Prestige wie die Mitgliedschaft in einem teuren Golfclub? Wenn dem so ist, schreiben Sie auf, welches Auto Sie dann besitzen, schildern Sie den Schmuck, den Sie tragen werden, wenn Sie erfolgreich sind.

→ Geht es Ihnen bei Erfolg eher darum, für Ihre Taten bewundert zu werden? Welche Taten haben Sie vollbracht, wie sind Sie bewundert worden?

→ Oder lieben Sie es, anderen sagen zu können, wo's langgeht? Welchen Vorstandssessel werden Sie innehaben, welche Armee befehligen, welche Einsatztrupps leiten, wenn Sie Erfolg haben?

Wissen Sie jetzt, woran Sie persönlich feststellen, dass Sie auf der Erfolgsleiter ganz oben stehen? Wenn nicht, forschen Sie weiter. Erfinden Sie Fragen, die Ihnen helfen, noch mehr Klarheit über Ihren eigenen Erfolgsfaktor zu gewinnen. Wenn Sie ihn erkannt haben, beantworten Sie bitte noch folgende

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Fragen: Wenn die oberste Sprosse der Leiter die Nummer 10 ist und ganz unten die erste, auf welcher Sprosse Ihrer Erfolgsleiter stehen Sie jetzt? Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie die oberste erreichen?

Lebenszeit planen Mit den aus dieser Übung gewonnenen Erkenntnissen gehen

wir weiter zum nächsten Puzzleteil, auf dem steht „Lebenszeit“. Die meiste Zeit unseres wachen Lebens verbringen wir in der Arbeit. Lebenszeit, die wir nicht ansparen und später nutzen können, auf die es keinen Kredit gibt und von der wir nicht wissen, wie viel wir davon noch vor uns haben. Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Arzt würde Ihnen sagen, dass Sie nur noch sechs Monate zu leben hätten. Was würden Sie in dieser Zeit noch erleben wollen? Was ist Ihnen so wichtig, dass Sie Ihre letzte Zeit damit verbringen? Was strebt nach Realisierung? Sie glauben, das hat nichts mit Ihrem Job zu tun? Mitnichten! Denn nur das, was Sie gerne tun, werden Sie auch langfristig gut machen! Also, was wollen Sie wirklich? Wenn Sie sich darauf noch keine Antwort geben können, fragen Sie anders herum: Was wollen Sie auf keinen Fall?

Machen Sie eine Stoffsammlung, genau wie beim Inventar, bis sich herauskristallisiert, womit Sie beruflich den Großteil Ihrer Lebenszeit verbringen wollen.

Alles hat seinen Preis! Dieses Puzzleteil ist leider weniger angenehm, denn es heißt

„Bezahlen“. Jetzt geht es um den Preis, den Sie für Ihren Erfolg zahlen müssen. Wenn Sie viel verdienen wollen, müssen Sie wahrscheinlich auch viel arbeiten. Das heißt, dass Sie noch mehr Zeit im Job verbringen als bisher und auf einen Teil Ihres Privatlebens verzichten müssen. Das wäre der Preis, den Sie für den finanziellen Gewinn bezahlen müssen. Der Umkehrschluss

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ist, wenn Sie viel Zeit mit Ihrer Familie verbringen wollen und Wert auf ein ausgeprägtes Privatleben legen, werden Sie sich einen Job suchen, bei dem Sie weniger Zeit investieren müssen. Dafür kann es aber sein, dass Sie finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Das ist der Preis, den Sie hier bezahlen.

Bei Frauen auf der Karriereleiter stellt sich die Frage nach Kindern. Wenn Sie Kinder haben wollen, für die Sie dann auch da sind, werden Sie Ihren Arbeitgeber nach bestimmten Arbeitszeitmodellen auswählen, anstatt zu der Firma zu gehen, die Ihnen die besten Entwicklungschancen verspricht. Kind und Karriere sind heutzutage durchaus vereinbar und immer mehr Arbeitgeber entwickeln entsprechende Programme, um ihre weiblichen Angestellten zu halten. Übrigens, wussten Sie, dass vor allem Männer, die in Erziehungsurlaub gehen, angeben, dass sie davon sehr profitiert haben? Nicht allein durch die bessere Bindung zu ihren Kindern, sondern vor allem durch eine signifikante Erweiterung ihrer „Soft Skills“.

Wenn Sie sich für Karriere pur entscheiden, bedeutet das lebenslanges Lernen und immer wieder neue Herausforderungen, denen Sie sich stellen müssen. Wenn Sie dabei vergessen, sich physisch und psychisch fit zu halten, kann der Preis, den Sie dafür zahlen, sehr hoch sein!

Was bieten Sie einem Unternehmen? Ich denke, Sie wissen jetzt, wie Ihre eigene Kosten-Nutzen-

Rechnung aussieht, und sind bereit für das letzte Puzzleteilchen. Es heißt: „Was biete ich dem Unternehmen?“ Das sind zum einen Ihre beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse, zum anderen die aus Ihrem Persönlichkeitsinventar abgeleiteten Stärken. Da wir alle zur Bescheidenheit (v)erzogen sind, fällt uns das „Marketing in eigener Sache“ nicht gerade leicht. Es kann daher sinnvoll sein, bei diesem Punkt unbeteiligte Außenstehende, zum Beispiel die vorher erwähnten bezahlten Freunde,

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hinzuzuziehen. Nehmen Sie sich Ihre Arbeitszeugnisse zur Hand und sehen

Sie nach, welche Stärken Ihnen immer wieder attestiert wurden. Betrachten Sie noch einmal kritisch die Liste mit den 10 Dingen, die Sie besser können als andere. Stehen Sie wirklich hinter jedem Punkt? Ist jeder auf dem Arbeitsmarkt zu verwerten? Wenn nicht, nehmen Sie ihn heraus und schreiben Sie einen neuen Punkt auf, der beide Kriterien erfüllt. Fügen Sie die in Ihren Zeugnissen genannten Stärken hinzu, um ein möglichst umfassendes Bild von dem zu erhalten, was Sie als Mitarbeiter für ein Unternehmen interessant machen kann. Wichtig ist Ihre persönliche Leistungsmotivation. Dazu gehören die Beharrlichkeit, zielgerichtet und ausdauernd vorzugehen; die Dominanz, die es braucht, um andere anzuleiten; das Engagement, das, was man tut, gut zu tun. Gesunder Optimismus, Flexibilität und eine gewisse Furchtlosigkeit, Fehler zu machen, um daraus zu lernen, Selbstständigkeit und Selbstkontrolle sowie Stolz auf die eigene Leistung sind weitere Facetten, die Ihre Bestandsaufnahme enthalten sollte.

Beantworten Sie allein oder mit Ihren (bezahlten) Freunden folgende Fragen ganz ehrlich:

1. Womit hatten Sie Schwierigkeiten und wie haben Sie sie gemeistert?

2. Wie sicher sind Sie sich Ihrer menschlichen und beruflichen Stärken?

3. Wo sehen Sie Entwicklungspotenzial? 4. Sind Sie von sich und Ihren Leistungen genügend

überzeugt, um gezielt auf Jobsuche zu gehen? 5. Was hindert Sie daran und wie können Sie dieses Hindernis

überwinden? Wenn Sie möchten, können Sie sich eine Tabelle anlegen, auf

der Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren sichtbar werden:

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Meine persönlichen Erfolgsfaktoren Beruflicher Erfolg bedeutet für mich...

Dafür ist nötig, dass ich Folgendes tue, lerne...

100 000 Euro im Jahr zu verdienen Englisch verhandlungssicher

Kann ich es erreichen? Wenn ja, mit welcher Wahrscheinlichkeit? (in % )

Welchen Preis muss ich dafür zahlen? Was gebe ich auf?

100 % 4 Monate Intensivkurs abends

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5 Der Weg ist das Ziel oder umgekehrt?

Ein großer Fehler: Dass man sich mehr dünkt, als man ist, und weniger schätzt, als man wert ist.

(Johann Wolfgang von Goethe) In den Kapiteln 3 und 4 haben wir uns vor allem mit der

Bestandsaufnahme dessen beschäftigt, wer wir sind und was wir bisher zuwege gebracht haben. Wir haben die Erfahrungen der Vergangenheit Revue passieren lassen und daraus abgeleitet, was für uns in der Arbeit und im Leben wichtig ist und an welchen Dingen wir unseren Erfolg messen. Mit diesem Wissen im Gepäck ist es jetzt Zeit, die Routenplanung für die Reise zum neuen Job in Angriff zu nehmen. Was ist damit gemeint? Erinnern wir uns an das Zitat von Christian Morgenstern: „Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden.“ Nun bilden wir im Umkehrschluss den Spruch: „Wer den Weg nicht kennt, kommt später, nach vielen Irrwegen oder gar nicht ans Ziel.“ Mit anderen Worten: Erst definieren wir das Ziel, in diesem Fall den neuen Job, und dann überlegen wir uns, wie wir unser Ziel am besten erreichen.

Das Ziel - ein neuer Job!

Wie soll Ihr neuer Job aussehen? Sie haben erarbeitet, was für Sie wichtig ist, und wissen, worauf es für Sie ankommt. Aber wie finden Sie den passenden Deckel zu Ihrem Topf? Mein Vorschlag ist, dass Sie als ersten Schritt eine Stellenanzeige für Ihren Wunschjob entwerfen, und zwar so:

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Nehmen Sie ein weißes Blatt Papier und bereiten Sie es wie im Folgenden beschrieben vor. Dann ergänzen Sie die Überschriften mit Ihren eigenen Informationen, Beziehen Sie die Informationen aus Ihrer Bestandsaufnahme mit ein. Es ist durchaus möglich, dass Ihnen nicht gleich alle Informationen einfallen, deshalb nehmen Sie sich Zeit dafür. Sie können diese Arbeit auch unterbrechen und später fortsetzen. Wichtig ist, dass Sie so präzise und konkret wie möglich formulieren und wirklich jede einzelne Aussage vertreten können!

Stellenanzeige für (Ihr Name), (Ihre Wunschposition) Ich wünsche mir einen Arbeitsplatz, an dem ich zum Beispiel gelobt werde, anerkannt bin, zeitliche Freiräume habe, viel Geld verdienen kann, meinen Hund mitbringen darf, Sicherheit und Aufstiegschancen zum... habe, das Arbeitsklima stimmt... Ich kann mich mit folgenden Fähigkeiten einbringen: zum Beispiel analytisches Denkvermögen, Genauigkeit, perfekte Spanischkenntnisse, PC- und Internet-Anwendungen, Organisationsvermögen, Belastbarkeit in hektischen Situation... Bei folgenden Punkten benötige ich Unterstützung: bei der Einhaltung von Terminen, bei Übersetzungen aus dem Griechischen, bei der Nutzung von folgenden PC-Programmen...

Sind Sie mit Ihrem Stellenangebot zufrieden? Sie sollten jetzt ein ziemlich genaues Bild davon haben, auf welche Anforderungen und Versprechungen Sie beim Lesen einer echten Stellenanzeige achten sollten. Wenn zum Beispiel Terminsicherheit gefragt ist und Sie hierfür Unterstützungs- bedarf angemeldet haben, sollten Sie sich für diese Position nicht bewerben. Diese Äußerung mag Ihnen hart erscheinen, doch wenn Sie bei der Zieldefinition nicht absolut ehrlich mit sich selbst sind, werden Sie ein Ziel verfolgen, das wenig mit dem gemein hat, was Sie wirklich erreichen wollen und können.

Klare Ziele können uns stark motivieren. Wenn wir uns einige Ziele jedoch nicht eingestehen, sie uns nicht bewusst machen, sie aufschieben oder verdrängen, werden sie zu Störfaktoren, die

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im Unterbewusstsein weiterarbeiten. Unzufriedenheit und Missstimmungen sind das Resultat. Ich halte es an dieser Stelle für sehr wichtig, dass Sie sich Ihrer uneingestandenen Ziele bewusst werden. Sie können sich ja von denen, die Sie für unerreichbar halten oder die aus heutiger Sicht für Sie nicht mehr wichtig sind, endgültig verabschieden! Sie können allerdings auch eine Liste mit Zielen anlegen, entweder nach „Wichtigkeit oder zeitlichem Ablauf“, die Sie künftig immer wieder an die noch „offenen Baustellen“ in Ihrem Leben erinnert. Sie sind der Meister des Spiels: Machen Sie sich also immer wieder bewusst, dass es Ihre Ziele sind; dass nur Sie entscheiden, welche Ziele Sie in die Tat umsetzen, welche Sie auf später vertagen und von welchen Sie Abstand nehmen wollen.

Es ist überaus wichtig, dass Sie mit Leib und Seele hinter Ihren Zielen stehen. Wenn Sie also als Wunschposition „Außendienstleiter“ angeben und es hassen, im Außendienst zu arbeiten, werden Sie Ihre Mitarbeiter nie motivieren können. Gibt es so einen Störfaktor in Ihrer Zieldefinition? Ihr Produkt kann noch so gut sein - wenn die Beziehung zwischen ihm und der Zielgruppe, für die es bestimmt ist, nicht wirklich stimmt, werden Sie Ihr Produkt nur schwer verkaufen!

Zieldefinition und Formulierung Wie soll ein Ziel aussehen? Es soll klar sein, also präzise und

konkret formuliert. Es muss messbar sein, also zum Beispiel: „Am 1. September

trete ich meinen neuen Job an.“ Es muss realistisch und erreichbar sein. Das heißt, dass Sie

die Voraussetzungen dafür entweder bereits mitbringen oder innerhalb einer gegebenen Zeit schaffen können, damit Ihr Ziel realisiert werden kann. Wenn Sie keine Ahnung von der deutschen Sprache haben, werden Sie sicherlich länger als zwei Jahre studieren müssen, um als perfekt Deutsch sprechende und

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schreibende Sekretärin einen Job im Vorstandssekretariat zu bekommen - es sei denn, Sie verfügen über andere Fähigkeiten, die für die Zielerreichung ebenso wichtig sind. In diesem Beispiel könnten es Ihre Muttersprache oder Führungserfahrung sein. Oder aber Sie möchten innerhalb kurzer Zeit sehr viel Geld verdienen. Können Sie das in der von Ihnen angestrebten Position wirklich erreichen? Der Punkt „Machbarkeit“ hat viele Facetten und sollte von mehreren verschiedenen Standpunkten aus immer wieder überprüft werden,

→ Wer kann mir helfen, mein Ziel zu erreichen?

→ Wo kann ich mir Unterstützung holen? → Wer könnte jemand kennen, der mir Empfehlungen

geben kann? → In welchen Büchern oder Medien kann ich weitere

notwendige Informationen finden? → Über welche Zusatzausbildung kann ich mir die

gewünschte Qualifikation aneignen? Ihr Ziel sollte auch moralisch vertretbar und vor allem

gesetzlich in Ordnung sein. Einer der wichtigsten Faktoren jedoch ist, dass Sie Ihr Ziel wirklich akzeptieren und Ihre Umwelt ebenfalls dazu steht. Ist es für Ihre Frau zum Beispiel in Ordnung, wenn Sie so viel auf Dienstreisen sind, dass Sie sich höchstens am Wochenende und im Urlaub sehen? Können Sie Ihren privaten und gesellschaftlichen Verpflichtungen, die für Sie wichtig sind, noch in vollem Umfang nachkommen, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben?

Betrachten Sie auch den Preis, den Sie für die Erreichung Ihres Ziels bezahlen müssen: Können Sie darauf verzichten, Ihre Kinder täglich zu sehen? Wollen Sie Ihre wöchentlichen Squashtermine wirklich aufgeben? Haben Sie nach diesem Arbeitstag wirklich noch die Kraft für Ihr soziales Engagement?

Der krönende Abschluss der Zieldefinition ist die Frage:

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Womit werde ich mich belohnen, wenn ich mein Ziel erreicht habe? Ein romantisches Wochenende zu zweit, eine zusätzliche Lok für meine Modelleisenbahn, etwas Neues zum Anziehen? Ich bin sicher, dass Sie für diesen Punkt am wenigsten Unterstützung brauchen - oder?

Wenn Sie jetzt Ihr Ziel klar, ohne Wenn und Aber, präzise, umweltverträglich und realisierbar formuliert haben, können Sie es noch visuell darstellen: als Bild, als Collage oder als Flussdiagramm. Sie können sich Ihren neuen Job allerdings auch in allen Details ausmalen und ihn immer wieder vor Ihrem inneren Auge auftauchen lassen, also visualisieren. In guten Mentaltrainings, die nicht teuer sein müssen, lernen Sie die Techniken dazu.

Die Routenplanung

Viele Wege führen nach Rom! Sie sind alle unterschiedlich und ein jeder davon hat eine bestimmte Qualität: Die eine Route bringt uns sehr schnell hin, dafür schnurrt unser Auto auch eintönig das Asphaltband der Autobahn entlang. Ein anderer Weg führt über imposante Alpenpässe, doch der Spaß am Fahren braucht seine Zeit.

Die Routenplanung erfordert einiges an Überlegung. Vor allem handelt es sich um Ihre Lebenszeit und die möchten Sie ja maximal nutzen und genießen. Es kann durchaus sein, dass Sie sich für eine langfristige Planung entscheiden, weil Sie erkannt haben, dass Sie noch eine Zusatzausbildung brauchen, um Ihrem beruflichen Ziel nahe zu kommen. Genauso kann es möglich sein, dass Sie aus finanziellen Gründen gezwungen sind, sich schnell wieder eine Arbeitsstelle zu suchen, auch wenn sie nicht ganz Ihren Zielvorstellungen entspricht, sondern eher mit einem Etappenziel gleichzusetzen ist. Vielleicht haben Sie noch Lust, Ihre beruflichen Erfahrungen durch ein Praktikum zu ergänzen,

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bevor Sie den nächsten Schritt auf der Karriereleiter wagen? Wenn Sie diese Vorüberlegungen beendet haben, lade ich Sie zu folgender Übung ein.

Nehmen Sie ein weißes Blatt Papier, ziehen Sie eine waagerechte Linie und beschriften Sie den Anfangspunkt mit dem heutigen Datum. Den Endpunkt versehen Sie mit dem Datum, bis wann Sie Ihr Ziel erreicht haben wollen, zum Beispiel mit dem Datum, an dem Sie Ihren Vertrag unterschrieben haben wollen, oder mit dem Starttermin im neuen Job. Dann bilden Sie so genannte Meilensteine, und zwar vom Ziel ausgehend. Sie kreieren also Ihre zukünftigen Aktionen von der Zukunft, nämlich vom Datum Ihrer Zielerreichung, aus. Die Meilensteine tragen ein bestimmtes Datum, das zwischen heute und dem Ziel steht. Der erste Meilenstein vor dem Ziel „1. Arbeitstag“ könnte zum Beispiel heißen „Vertragsunterschrift“, der davor „erfolgreiche Vorstellungsgespräche“, der wiederum davor „Versand der Bewerbungsunterlagen“. Überprüfen Sie bei jedem Meilenstein, wo genau er stehen soll, damit es unvermeidbar wird, dass Sie Ihr Ziel erreichen!

Zugegeben, diese Planung ist etwas schwierig, vor allem wenn Sie sie zum ersten Mal machen. Deshalb rate ich Ihnen, die Daten der Meilensteine zuerst mit Bleistift einzutragen und alle Aktionen - also alles, was Sie zwischen den einzelnen Meilensteinen tun müssen, um das, was Sie sich dafür vorgenommen haben, zu erreichen - vorher festzulegen. Wenn alle „To do's“ eingetragen sind, überprüfen Sie, ob Ihre Meilensteine realistisch und pünktlich zu erreichen sind. Wenn nicht, dann ändern Sie sie entsprechend. Sobald Sie einen Meilenstein erreicht haben, passen Sie Ihr Blatt entsprechend an. Im Folgenden werden die ersten Meilensteine beispielhaft demonstriert.

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Mein neuer Job: Vorstandsassistent - 1. Schritt

Mein neuer Job: Vorstandsassistent - 2. Schritt

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Mein neuer Job: Vorstandsassistent - 3. Schritt

Die Schlaglöcher auf dem Weg

Haben Sie Ihren ersten Meilenstein erreicht? Ja? Herzlichen Glückwunsch und vergessen Sie nicht, sich auch wirklich zu belohnen! Sie haben es diesmal nicht geschafft? Schade. Was ist passiert: Sind Sie krank geworden oder haben Sie sich zu viel vorgenommen? Oder hat Sie ein „Schlagloch“ aufgehalten? Als Schlaglöcher möchte ich die Vorkommnisse bezeichnen, die andernorts als „Fallen“ oder „Hemmnisse“ beschrieben werden. Ich finde den Ausdruck „Schlagloch“ deshalb so passend, weil wir einen Schlag versetzt bekommen, der uns daran hindert, in der ursprünglich geplanten Schnelligkeit auf der Route voranzukommen, die wir uns vorgenommen haben. Dadurch sind wir gezwungen, innezuhalten und uns mit der Ursache auseinander zu setzen. Vielleicht fallen wir ja auch in ein „Loch“ und sind deprimiert, weil wir unser Tagesziel nicht erreicht haben.

Der Volksmund sagt ja, dass „leichte Schläge auf den Hinterkopf“ durchaus das Denkvermögen anregen, uns also

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dazu bringen, eine bessere Route zu wählen oder uns zu fragen, ob wir mit dem richtigen Fahrzeug unterwegs sind.

Der innere Schweinehund - Freund oder Feind? Falls ich mich zu blumig ausgedrückt haben sollte, hier im

Klartext: Wenn wir etwas, was wir uns fest vorgenommen haben, nicht erreichen, haben wir es meistens mit unserem „inneren Schweinehund“ zu tun, der uns daran hindert, zielgerichtet und konsequent vorzugehen. Kommt Ihnen Folgendes bekannt vor? Sie wollen heute unbedingt noch etwas Dringendes im Büro fertig machen. Den ganzen Tag klingelt das Telefon, Sie müssen Kollegen helfen und kommen nicht zu der Arbeit, die Sie sich für diesen Tag vorgenommen haben. Es wird 19:30 Uhr und Sie sind noch nicht fertig. Dies und das fällt Ihnen noch ein und plötzlich ist es 21:00 Uhr - zu spät um die Arbeit jetzt noch in Angriff zu nehmen.

Mein persönlicher Schweinehund zeichnet sich zum Beispiel dadurch aus, dass er mich mit großer Kraft immer von den Dingen abhält, vor denen ich mich sowieso drücken will. Ein äußerst hilfreicher Zeitgenosse, wenn man ihn einmal genau betrachtet, anstatt ihn unwirsch zu verscheuchen oder seine unrühmliche Existenz hinter dem Mäntelchen fadenscheiniger Entschuldigungen zu verbergen.

Nehmen Sie sich die Zeit, sich mit Ihrem „inneren Schweinehund“ einmal zu unterhalten. Es ist höchst interessant, herauszufinden, was dieses Wesen bewegt und mächtig genug werden lässt, um Ihnen immer wieder erfolgreich in die Quere zu kommen. Stellen Sie ihm Fragen wie:

→ Welche Absicht verfolgst du? → Warum tust du das?

→ Wovor willst du mich bewahren? → Woher nimmst du diese Kraft?

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→ Was brauchst du, um zufrieden zu sein? → Was kann ich für dich tun?

Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie dieses Powerpaket zu Ihrem Verbündeten anstatt zu Ihrem „besten Feind“ hätten! Vielleicht fällt Ihnen ja auch ein freundlicherer Name als Schweinehund ein, denn es handelt sich schließlich um einen durchaus positiven Teil Ihres Selbst. Von einem erfahrenen Coach oder NLP-Trainer (NLP = Neurolinguistische Programmierung) können Sie sich bei dieser Art der Konversation, Reframing genannt, wirkungsvoll unterstützen lassen. Sie werden überrascht sein, was dadurch an positiver Energie freigesetzt wird.

Der innere Dialog Schlaglöcher können auch durch unsere inneren Dialoge

verursacht werden. Unser Denken plappert pausenlos. Wenn wir alles, was wir denken, diktieren würden und uns dann mit dem Geschriebenen auseinander setzen müssten, wäre uns die Kontrolle des Denkapparats mindestens genauso wichtig wie die unseres Gewichts.

Warnungen wie „Das kannst du nicht“, „Der meint es bestimmt nicht so“, „Das haben wir schon immer so gemacht“, „Pass auf, an deinem Stuhl wird gesägt“, „Auf der Party wird sowieso keiner mit mir reden, also gehe ich erst gar nicht hin...“ und ihre Auswirkungen auf unser Befinden und unsere Motivation sind jedem von uns bekannt. Diese bremsenden inneren Dialoge zeigen bestimmte Verhaltensmuster auf, die in unserer Kindheit und Jugend geprägt wurden, als zum Beispiel ein Lehrer uns bescheinigte „Du lernst es nie“ oder - schlimmer noch - „Aus dir wird nie was“. Es kann auch die Stimme eines Elternteils sein, eines Bruders, Verwandten oder von jemandem, der uns in unserer Kinder- und Jugendzeit beurteilt hat. Urteile über eine Person oder deren Verhalten sagen ähnlich wie beim

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Feedback sehr viel über die urteilende Person aus. Manchmal benutzt der Urteilende den Urteilsempfänger wie eine Leinwand, auf die er seinen eigenen Ärger, seinen derzeitigen Frust, seine tiefste Angst oder noch Schlimmeres projiziert. Davon sollten Sie sich schleunigst befreien!

Hören Sie sich Ihre inneren Dialoge aufmerksam an. Hören Sie genau hin, wer da mit Ihnen spricht.

→ Wessen Stimme können Sie erkennen?

→ Ist es Ihre fürsorgliche Mutter oder der rivalisierende Bruder?

→ Der strenge Vater oder der ziemlich spießige Mathe-Lehrer?

→ Wer urteilt da über Sie? → Treffen diese Urteile heute noch zu?

Wenn ja, ist es okay, ihren Ratschlägen zu folgen. Wenn nicht, so ist es höchste Zeit für Sie, diese Urteile aufzuheben, und das geht so: Wenn Sie ein Urteil entdecken, das für Sie nicht mehr zutrifft, so verabschieden Sie es mit den (innerlich gesprochenen) Worten: „Ich danke dir, dass du da warst, als ich dich brauchte. Aber jetzt bestimme ich selbst.“ Und dann lassen Sie es los. Wenn Ihnen diese Vorgehensweise widerstrebt, so probieren Sie eine andere Möglichkeit, die des „Ankerns“. Wann immer Sie einem hinderlichen Urteil in Ihrem Denken begegnen, halten Sie kurz inne, veranschaulichen Sie sich den Verursacher oder die Situation und wischen Sie es vom Revers. Mit dieser Geste haben Sie einen Anker gesetzt, den Sie von jetzt an immer anwenden können, um diese bremsenden Schlaglöcher zu bewältigen.

Die Zeitfalle „Da lief mir die Zeit davon,“ Diesen Spruch kennt jeder. Wir

wissen allerdings auch alle, dass Zeit eine subjektive Qualität

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hat: Manchmal empfinden wir eine Zeitspanne unerträglich lang, vor allem wenn wir auf den Briefträger mit dem ersehnten Arbeitsvertrag warten oder wenn dieser den an uns adressierten Briefumschlag umständlich aus seiner Tasche nimmt und uns in ein belangloses Gespräch verwickelt, das uns daran hindert, den Brief sofort zu öffnen, um zu erfahren, ob wir Grund zum Feiern haben. Wir sitzen wie auf Kohlen, wenn wir auf Prüfungsergebnisse oder unsere Liebste warten, Minuten erscheinen uns dann wie Stunden! Wenn wir uns jedoch rundum wohl fühlen, Spaß haben oder eine interessante Arbeit tun, verfliegt die Zeit wie im Nu. Das beweist uns, dass wir die Zeit subjektiv wahrnehmen, wohingegen unsere Uhr exakt die Minuten misst.

Planen Sie genügend Zeitpuffer für die Aktivitäten ein, die Sie sich für Ihre Jobsuche vorgenommen haben. Auch wenn Sie nicht alles, was Sie sich vorgenommen haben, in der dafür eingeplanten Zeit erledigen können, geben Sie nicht nach dem Motto „Alles oder nichts“ auf. Wenn Sie merken, dass Sie ein Zeitproblem haben, setzen Sie Prioritäten und überlegen Sie, ob und was Sie an wen delegieren könnten. Denken Sie daran: Die meisten Menschen sind geschmeichelt, wenn man sie um Hilfe bittet! Außerdem sollten Sie nie vergessen, dass es sich um Ihre eigenen Zeitvorgaben handelt und Sie die Macht haben, sie Ihren Anforderungen und Bedürfnissen entsprechend anzupassen.

Jeder von uns hat seine eigene Geschwindigkeit, mit der er Dinge erledigt und Entscheidungen trifft. Manche von uns sind flott unterwegs, schaffen an einem Tag so viel wie andere in einer Woche und sind dabei noch entspannt und fröhlich. Das sind die Rennpferde unter den Menschen. Dann gibt es die Überlegten, Das sind die Zeitgenossen, die immer viele Informationen brauchen, um eine Entscheidung zu treffen. Sie haben die Angewohnheit, alles von allen verschiedenen Seiten zu beleuchten, alle Wenns und Abers abzuklären, bevor sie sich

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festlegen. Das sind die Schnecken unter uns. Beides muss es geben und beides ist okay. Kein Mensch würde von einem Rennpferd erwarten, dass es sich in eine Schnecke verwandelt oder umgekehrt! Also nehmen Sie sich das Recht, so schnell oder langsam, wie es für Sie angenehm und passend erscheint, Ihren Weg zu gehen.

Wichtig ist, dass Sie sich über Ihre persönliche Geschwindigkeit im Klaren sind und dementsprechend Ihre Route zum neuen Job planen.

Checkliste: Ziele definieren und erreichen

ja nein

1. Passt Ihnen Ihr Ziel wie angegossen? O O

2. Ist es wirklich realistisch und erreichbar? O O

3. Haben Sie die Route bis zur Zielerreichung festgelegt?

O O

4. Haben Sie ausreichend Zeit für die Bewältigung schwieriger Wegstrecken eingeplant?

O O

5. Lassen Sie sich durch Schlaglöcher behindern?

O O

6. Sind Sie auf der Zielgeraden? O O

7. Haben Sie an Ihre Belohnungen gedacht? O O

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6 Blindbewerbungen können erfolgreich sein!

Man darf das Schiff nicht an einen einzigen Anker und das Leben nicht an eine einzige Hoffnung binden. (Epikur von Samos)

Sie haben Ihr Ziel, also die Position, die Sie suchen, festgelegt, die einzelnen Schritte auf dem „Weg dorthin geplant. Nun geht es darum, die „richtige Firma“ zu finden. Die wenigsten offenen Stellen werden in der Zeitung oder über Jobbörsen angeboten, denn oft findet sich über den internen Stellenmarkt im Unternehmen selbst schon die geeignete Besetzung. Und der interne Stellenmarkt ist kaum zu unterschätzen, denn jede Vakanz wird zuerst im Unternehmen bekannt gemacht, sei es per Aushang auf dem schwarzen Brett oder über das Intranet, so dass sich Interessierte aus dem Unternehmen selbst bewerben können, bevor man außerhalb rekrutiert. Seine eigenen Mitarbeiter glaubt man bereits zu kennen und deren Eignung leichter einschätzen zu können. Dass das nicht immer den Tatsachen entspricht, verdeutlicht Ihnen das Beispiel auf Seite 207 „Vom ,hot job' zur Hotline“.

Außerdem kostet jeder Missgriff bei Personalauswahl und -einstellung Unternehmen richtig Geld. Der andere Grund ist die Tatsache, dass viele Unternehmen über die „natürliche Fluktuation“ Personal abbauen. Darunter versteht man, dass Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, ob aus Alters- oder sonstigen Gründen, nicht von außen ersetzt, sondern von innen „umgesetzt“ werden. Die dritte Variante des internen Stellenmarkts heißt „Einstellungsstopp“. Das Unternehmen wird aus finanziellen oder organisatorischen Gründen keine weiteren Mitarbeiter von außerhalb einstellen. Aber immer wieder kann

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durchaus Bedarf bestehen, ein ganz bestimmtes Knowhow oder eine bestimmte Funktion von außen einzukaufen. „Probieren geht über Studieren“ heißt hier die Devise.

Initiative zeigen - sich unaufgefordert bewerben!

Wenn Sie sich nicht auf ein Stellenangebot hin, sondern „aus eigener Initiative“ bei einer Firma bewerben, so handelt es sich um eine Initiativbewerbung. Früher nannte man es auch „Blindbewerbung“, denn im Allgemeinen wissen Sie nicht, ob eine für Sie passende Position frei ist, das heißt, Sie sind „blind“, was den Bedarf angeht.

Im Prinzip können Sie sich immer und überall blind bewerben. Jede Firma sieht es als indirektes Kompliment an, wenn gute Initiativbewerbungen eingehen. Wenn gerade kein konkreter Bedarf besteht, die Bewerbung jedoch interessant erscheint, bitten die Unternehmen oft darum, die Unterlagen so lange behalten zu dürfen, bis eine passende Position frei wird. Ein freundliches und durchaus ernst gemeintes Angebot, dem im überwiegenden Fall auch durchaus Taten folgen können. Gleiches gilt auch, wenn Sie einen Personalberater eingeschaltet haben (siehe Seite 85).

Es schadet nicht, alle sechs Monate unaufgefordert nachzufragen. Falls der Personalreferent sich nicht gleich an Ihre Bewerbung erinnert, bleiben Sie freundlich und verständnisvoll. Ein persönliches Gespräch, auch wenn es nur am Telefon stattfindet, kann Türen öffnen, von denen Sie gar nicht wussten, dass sie überhaupt existieren! Dem Personalreferenten kann zum Beispiel jemand einfallen, der einen Mitarbeiter wie Sie brauchen könnte, oder er verweist an eine befreundete Firma.

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Doch woher wissen Sie, wo Sie sich bewerben sollen? Das können Sie nicht wissen, denn wie eingangs erwähnt - auf diesem Auge sind Sie ja blind. Bei dieser Form der Bewerbung geht es einzig um die Frage, wo Sie sich bewerben wollen! Das herauszufinden ist allerdings eine anspruchsvolle Aufgabe, für die folgende Checkliste hilfreich sein kann.

Checkliste: Welche Firma kommt für mich in Frage? 1. Wie lange soll mein Weg zur Arbeit maximal sein? Überlegen Sie sich dabei, ob Sie mit dem eigenen Auto

fahren, öffentliche Verkehrsmittel benutzen oder Mitfahrgelegenheiten bevorzugen.

2. In weichem Umkreis meines Wohnorts sollte mein neuer Arbeitgeber liegen?

Sie können diesen dann auf einer Orts- oder Landkarte eintragen und eventuell bevorzugte Gegenden farbig markieren.

3. Was ist mir an meinem Arbeitgeber wichtig? Dass ich mich mit seinem Produkt identifizieren kann (wie

Autos, Topfe, Software...) → Ein informelles, lockeres Betriebsklima

→ Internationa les Arbeitsumfeld einer Weltfirma → Persönliche Freiräume, flexible Arbeitszeitmodelle

→ Jobsicherheit und betriebliche Altersvorsorge → Bezahlung, Firmenwagen, vergünstigter

Produkteinkauf, gesellschaftlicher Status → Eigener Kindergarten, Karriere- und Teilzeitmodelle

für berufstätige Mütter → Jobrotation, vielleicht auch die Chance, im Ausland zu

arbeiten → Gezielte Entwicklungsprogramme und

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Weiterbildungsmöglichkeiten → Flache Hierarchien, um Führungsverantwortung

innerhalb kurzer Zeit zu übernehmen → Mehr „mitten im Geschehen“ zu sein, als nur am

Schreibtisch zu sitzen

→ Wissenschaftlich zu arbeiten und zu forschen -› Persönlich für meine Leistungen anerkannt zu werden

→ In ein professionelles Team eingebunden zu sein → In kurzer Zeit viele; Aspekte eines Unternehmens

kennen zu lernen 4. Welche Unternehmensgröße bevorzuge ich

beziehungsweise welche ergibt sich aus meinen Antworten zu Frage 3?

In einem Großunternehmen haben Sie vielleicht mehr (vermeintliche) Sicherheit, größere Entwicklungschancen, können schneller aufsteigen oder intern die Stelle wechseln. Das Betriebsklima kann jedoch eher funktional und unpersönlich sein. Bei einem kleinen Unternehmen ist zwar der „Kuschelfaktor“ größer, dafür aber die Bezahlung etwas mickriger. In mittelständischen Unternehmen wird manchmal patriarchalisch geführt, also die Firma wie eine große Familie mit einem Familienoberhaupt verstanden. Es kann aber auch sein, dass Sie hier schneller in spannende Projekte einbezogen werden, eigene Ideen verwirklichen können und Ihre Leistungen als die Ihren anerkannt werden.

Wenn Sie diese Fragen für sich beantwortet und mit Ihren Ergebnissen aus Ihrem Inventar abgeglichen haben, können Sie als ersten Schritt über Informationsdienste - zum Beispiel die Telekom, die örtliche Industrie- und Handelskammer oder professionelle Anbieter (wie zum Beispiel dem Hoppenstedt-Verlag) nach geeigneten Unternehmen recherchieren beziehungsweise recherchieren lassen. So erhalten Sie den

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korrekten Firmennamen, die Post- und Hausanschrift, die Telefonnummer der Zentrale und vielleicht auch Daten wie Unternehmensgröße, Anzahl der Niederlassungen und mehr, Tageszeitungen und die Regionalpresse sind auch eine ausgezeichnete Informationsquelle, ebenso wie das Internet. Unter www.branchendino.de ist eine gezielte Firmensuche möglich und unter www.hotlinel.de gibt es die kostenlosen Servicerufnummern von 500 deutschen Unternehmen. Bei manchen Unternehmen gibt es sogar eine spezielle Jobline-Nummer für Arbeitsuchende...

Als nächste Aktion sollten Sie sich einen aktuellen Geschäftsbericht der in Frage kommenden größeren Unternehmen besorgen. Das wird in der Regel der vom Vorjahr sein, er ist entweder bei der Pressestelle der Firmen, über die zuständige Industrie- und Handelskammer oder fallweise bei einer Bank zu bekommen. Manchmal haben ihn die Firmen auch auf ihre Homepage gestellt. Dort nachsehen lohnt sich allemal, auch bei Unternehmen, die keiner Publikationspflicht unterliegen.

Im Geschäftsbericht finden Sie folgende Informationen:

→ Vision und Philosophie des Unternehmens → Übersicht über den Verlauf des Berichts-

Geschäftsjahrs im Vergleich zum Vorjahr → Produkte und Produktbereiche

→ Organisationsstruktur und Unternehmensaufbau → Anzahl der Mitarbeiter im In- und Ausland,

Entwicklung zum Vorjahr → Anzahl der Niederlassungen und/oder

Tochterunternehmen mit Adresse und Telefonnummer sowie die Namen der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder

→ Jahresabschluss und Bilanz mit Erläuterung(en)

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→ Ausblicke auf die künftige Geschäftsentwicklung Viele Unternehmen geben zusätzlich zum Geschäftsbericht

einen Personalbericht heraus. Sie können ihn sich über die gleichen Kanäle besorgen. Einer der vorbildlichsten Personalberichte, die ich kenne, ist der von der Deutschen Telekom. Darin finden Sie spannende Aussagen wie:

→ Personalstrategie im Vergleich zur Unternehmensvision

→ Entwicklung der Mitarbeiterzahlen und angewandte Führungsleitbilder

→ Informationen zur Gleichstellung der Geschlechter

→ Personalentwicklung für Auszubildende, Mitarbeiter und Führungskräfte

→ Was von Mitarbeitern erwartet wird (oft ve rschlüsselt ausgedrückt!)

→ Modelle zur Mitarbeitermotivation und Altersvorsorge

→ Allgemeine Angaben zu eingeführten Bewertungs- und Leistungssystemen

→ Vorschau auf das nächste Geschäftsjahr aus personeller Sicht

Trotzdem werden diese verschiedenen Informationen längst nicht alle Ihre Fragen beantworten. Vor allem nicht die zu Unternehmensinterna wie Betriebsklima, Führungsverhalten, Entwicklungschancen und so weiter. Diese Informationen können Sie sich am besten über bei Ihrem Wunschunternehmen beschäftigte Freunde oder Bekannte besorgen. Doch achten Sie darauf, wer Ihnen was wie sagt, denn Objektivität ist nicht jedermanns Stärke!

Fragen Sie gezielt vor allem nach der Unternehmenskultur - wie man mit den Mitarbeitern umgeht - denn oft wird Management by Objectives (das heißt Management durch

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Zielvorgaben) mit Management by Moses (also Mitarbeiter in die Wüste schicken und dann beten) verwechselt.

Das viel belächelte Management by Champignon (Kopf raus und ab) wird immer noch gerne in hierarchisch strukturierten und nach preußischem Vorbild geführten Unternehmen praktiziert.

Fragen Sie auch nach der durchschnittlichen echten Wochenarbeitszeit und ob eine generelle 60-Stunden-Woche üblich ist. Ziehen Sie bei der Antwort durchaus ins Kalkül, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der viel arbeiten und Stress haben chic und wichtig sind.

Was tun, wenn Sie niemanden kennen, der in Ihrem Wunschunternehmen arbeitet? Was tun, wenn das Unternehmen keinen Geschäfts- oder Personalbericht herausgibt und im Internet nichts zu finden ist? Anrufen, den Namen des Personalleiters erfragen und sich zu dessen Sekretariat durchstellen lassen. Die Zeiten sind zum Glück längst vorbei, als dort noch ein so genannter „Vorzimmer-Cerberus“ saß, dessen vordringlichste Aufgabe darin bestand, den Chef abzuschotten und am Telefon niemanden durchzustellen. Die meisten Mitarbeiter in den Personalbüros sind hilfsbereit und erstaunlich gut informiert. Schildern Sie ihnen Ihr Anliegen so präzise wie möglich, damit sie sich ein Bild machen können. Seien Sie freundlich und entgegenkommend. Wenn Sie merken, dass Sie ungelegen anrufen, fragen Sie, wann es besser passt. Probieren Sie es dann erneut oder bitten Sie um den Namen des zuständigen Personalsachbearbeiters oder -referenten und rufen Sie diese Person an. Nehmen Sie die Informationen, die Sie erhalten, durchaus ernst, aber lassen Sie sich nicht abwimmeln. Schließlich geht es um Ihren zukünftigen Arbeitsplatz!

Es kann sich durchaus lohnen, zu fragen, ob es die Möglichkeit eines „Schnuppertages“, Praktikums, Volontariats oder einen Tag der Offenen Tür gibt, um das Unternehmen von innen kennen zu lernen. Echtes Interesse an einer Firma ist

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bisher immer positiv gesehen worden - siehe in den Kommentaren der Personalentscheider im Beispielteil. Wenn Sie eine Firma gefunden haben, für die Sie arbeiten wollen, die Ihnen derzeit allerdings keine Ihren Erfahrungen und Fähigkeiten angemessene Position bieten kann, mag es durchaus Sinn machen, auf einer niedrigeren Stufe einzusteigen, um dann von innen Karrie reschritte zu machen. Und wenn Sie gut sind, werden diese nicht lange auf sich warten lassen.

Die Masse macht's Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihnen das „Gießkannen-

Prinzip“ eher liegt als der etwas steinigere Weg der individuell recherchierten Bewerbung, ist das auch in Ordnung.

Lesen Sie hierzu auch das Faílbeispiel auf Seite 198 „Übung macht den Meister“. Versenden Sie Ihre kompletten Bewerbungsunterlagen an alle auf Ihrer Liste befindlichen Firmen, für die Sie gerne arbeiten würden. Überlegen Sie sich für jede Firma, welchen Job Sie dort haben möchten beziehungsweise welcher Bereich für Sie in Frage kommt und warum Sie für genau diese Firma arbeiten möchten. Notieren Sie sich, welchen Vorteil die jeweilige Firma davon hat, dass ausgerechnet Sie dort arbeiten werden. Diese Passage arbeiten Sie in Ihr allgemeines persönliches Anschreiben ein. Daraus muss klar ersichtlich sein,

→ für welchen Job Sie sich interessieren

→ warum Sie sich bei dieser Firma bewerben → was die Firma davon hat, wenn sie genau Sie einstellt.

Zu Initiativbewerbungen finden Sie reichlich Fallbeispiele in Kapitel 18:

→ Mit Charme überzeugen! → Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

→ Möbelverkauf zum Nulltarif

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→ Eine süße Bewerbung → Schneller als der Markt oder: Träume werden wahr!

→ Engineering by Video Bereiten Sie das persönliche Anschreiben und Ihre

Bewerbungsmappe bei Initiativbewerbungen besonders gut und sorgfältig auf. Es ist der erste Eindruck, den die Firma von Ihnen erhält.

Anschreiben und Mappe sind die Verpackung für das Angebot, das Sie der Firma machen. Dieses Angebot soll so unwiderstehlich sein, dass die Firma es einfach nicht ablehnen kann!

Checkliste: Die entscheidenden Fragen 1. Welche Vorteile haben Initiativbewerbungen für mich? 2. Wo bekomme ich die Informationen, die ich unbedingt

brauche? 3. Wer kann mir Insider-Informationen geben? 4. Wer kennt jemanden, der in meinem Wunschunternehmen

arbeitet? 5. An welche Art der Ansprache habe ich noch nicht gedacht?

Kreieren Sie Ihre eigene Strategie!

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7 Stellenanzeigen und ihre Tücken

Beide schaden sich selbst: der zu viel verspricht und der zu viel erwartet.

(Gotthold Ephraim Lessing) Nicht jedem Menschen ist es gegeben, offen auf andere

zuzugehen. Und so wird es auch nicht Sache eines jeden Bewerbers sein, sich aus eigener Initiative „blind“ bei einem Unternehmen seiner Wahl zu bewerben. Es wird ihm leichter fallen, sich auf Stellenangebote in Tageszeitungen oder Fachpublikationen, in Jobbörsen im Internet oder auf sonstige Stellenausschreibungen zu bewerben.

Als wir uns damit beschäftigt en, was die Unternehmen sich wünschen, haben wir schon festgestellt, dass Wunsch und Wirklichkeit doch heftig auseinander klaffen. Manchmal sind Stellenanzeigen so formuliert, dass man wirklich nicht weiß, ob sie der Imagepflege des Unternehmens dienen sollen oder eher zur Abschreckung potenzieller Bewerber gedacht sind. Während meiner Recherchen zu diesem Buch hörte ich von den Unternehmen immer wieder: „Wir bekommen zwar viele Bewerbungen, aber kaum die richtigen!“ Deshalb sei mir an dieser Stelle ein kle iner Exkurs über die Qualität von Stellenanzeigen gegönnt, gleichermaßen informativ und hilfreich für Bewerber und Unternehmen. Vor allem deshalb, weil Karl-Heinz List, Autor vieler Fachbücher, Dozent an der Hanseatischen Akademie für Medien und Kommunikation sowie Inhaber der „prodomo JOB-BERATUNG“ in Hamburg, mich mit seinem umfangreichen Knowhow bei diesem diffizilen Thema unterstützt hat.

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Für anspruchsvolle Kunden... Wir sind das führende Unternehmen für zeitlos schöne Garten- und Parkeinrichtungen. Unsere Kunden sind anspruchsvolle Privathaushalte, Architekten und Objekteinrichter. Für unsere Zentrale in Wiesbaden suchen wir Sie zum 01.01.02 oder früher als engagierte/n Mitarbeiterin für unsere Auftragsannahme/Beratung. Eingebunden in die telefonische Auftragsannahme übernehmen Sie zusätzliche Assistenz-Funktionen. Sie organisieren die Abläufe in der Abteilung und koordinieren den reibungslosen Informationsfluss sowie die Zusammenarbeit mit den angrenzenden Bereichen. Darüber hinaus arbeiten Sie neue Mitarbeiter ein, werten Statistiken aus und pflegen unsere Verkaufsunterlagen. Die niveauvolle und kundenorientierte Telefon-Kommunikation gehört ebenso zu Ihren Stärken wie die stilsichere Korrespondenz. Neben einer sehr guten Aligemeinbildung bringen Sie Berufspraxis mit. Im Alter zwischen 35 und 40 Jahren passen Sie am besten zu uns.

Macht Sie das an? Was würden Sie sich unter dieser Position vorstellen: Eine Führungsaufgabe oder eher einen „Mädchenfüralles“-Job? Hat man hier das Niveau des anspruchsvollen Publikums auf die Stellenanforderung übertragen und entspricht es der Bedeutung der Position und der Bezahlung? Haben Sie schon einmal Steilenanzeigen gelesen, wie „Wir suchen dringend Mitarbeiter! Bitte bewerben Sie sich bei Firma Hinz und Kunz, Telefon 0123-456789“ oder noch besser „Hauswirtschafterin mit guten hauswirtschaftlichen Kenntnissen gesucht“? Da fragt man sich schon, wes Geistes Kind dahinter steckt. Vor allem aber, ob man in einer solchen Umgebung wirklich arbeiten kann und möchte.

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Stellenanzeigen, die ihr Ziel erreichen

Man muss den Unternehmen den Vorwurf machen: Die erforderliche Präzision bei der Formulierung von Stellenanzeigen beherrschen leider noch viel zu wenige. Je genauer die Stellenanzeige formuliert ist, desto qualifizierter sind die Bewerbungen, die beim Unternehmen eingehen. Die Annonce sollte deshalb nach folgenden Kriterien aufgebaut werden:

→ Wer wird gesucht? Die zu besetzende Position sollte so präzise - und ehrlich! - wie möglich bezeichnet werden und falls möglich in allgemein verständlicher Sprache.

→ Was wird vom Bewerber erwartet? Realistische Anforderungen, die einer abgespeckten Stellenbeschreibung ähneln, jedoch weniger bürokratisch formuliert sind, waren hier wünschenswert. Der Bewerber weiß, worauf es der Firma ankommt, und kann sich präzise, ohne allgemeines Blablabla, in seinem persönlichen Anschreiben profilieren.

→ Was hat die Firma zu bieten? Super Gehalt, tolle Karrierechancen, Teamarbeit, Führungsverantwortung, Sicherheit... Aussagen, die beantworten, wodurch sich diese Firma von all den anderen unterscheidet, die händeringend qualifiziertes Personal suchen.

→ Auf welche Art soll der Bewerber Kontakt aufnehmen? Es gibt Unternehmen, die es Bewerbern leicht machen, indem sie neben der Adresse auch Ansprechpartner und Telefonnummer für Voranfragen nennen. Das ist sehr partnerschaftlich gedacht und

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sollte der heutige Standard sein. Allerdings gibt es - vor allem in traditionellen Branchen - immer noch Firmen, die es sich leisten, telefonisch keine Auskünfte zu erteilen. Was Sie als künftiger Mitarbeiter eines solchen Unternehmens davon zu halten haben, überlasse ich Ihrer Fantasie.

Bei Chiffre-Anzeigen drängt sich mir immer die Frage auf, warum sich der Stellenanbieter hinter einer Ziffernkombination verstecken muss. Weiß der jetzige Stelleninhaber vielleicht noch nichts von seiner Kündigung oder dient die Anzeige nur der Marktforschung eines obskuren Unternehmens? Das sind die Gedanken, die mir dabei durch den Kopf gehen. Chiffre-Anzeigen erscheinen mir ähnlich wie eine Peep-Show, denn der Bewerber legt einen beruflichen Striptease vor einem ihm unbekannten Unternehmen hin.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein paar Beispiele vorstellen. Folgendes Inserat für einen Ausbildungsplatz fand sich in einer großen Tageszeitung:

Ein Beruf, der Freude macht! Wir bieten Ihnen zum... einen Ausbildungsplatz zum/zur

Buchhändler/in in einer bundesweit bekannten Fachbuchhandlung für Tiermedizin. In unserem Team werden Sie sich wohl fühlen, wobei wir erwarten, dass Sie sich mit gleicher Intensität kaufmännisches und buchhändlerisches Fachwissen aneignen wollen. Klar, dass wir mit modernsten Betriebsmitteln arbeiten, mit den Ausbildungsschwerpunkten Vertrieb, Werbung, EDV, Buchhaltung. Interessiert? Dann richten Sie Ihre Bewerbung (Lebenslauf, Foto, Zeugnisse) bitte an...

Vergleichen Sie diese Anzeige mit folgendem Text: Buchhändler sind Leseratten! Sie auch? Wir bieten zum...

einen Ausbildungsplatz als Buchhändler(in). Buchhändler lesen viel. Sie lieben Bücher. Aber im

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Hauptberuf verkaufen sie Bücher. Sie werden deshalb ausgebildet im Vertrieb, in der Werbung, EDV und in der Buchhaltung. Wollen Sie das alles lernen? Wenn Sie nichts auf der Welt davon abhalten kann, Buchhändler zu werden, sollten Sie sich ganz schnell bewerben bei...

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Karl-Heinz List, prodomo JOB-BERATUNG, Hamburg)

Welcher Text motiviert Sie mehr, den Beruf eines Buchhändlers zu erlernen? Wenn Sie kein Auszubildender mehr sind, sondern Ihre erste richtige Führungsposition anstreben, sehen Sie sich diese überzeugende Anzeige einer Großbank an:

Zur Verstärkung unseres Bereichs Organisation und EDV suchen wir eine/n Gruppenleiter/in Bank-/Betriebsorganisation. Sie sind ein/e erfahrene/r Bankkaufmann/frau und verfügen über eine abgeschlossene Organisatorenausbildung. Aufgrund Ihrer umfassenden bankbetriebswirtschaftlichen Kenntnisse sind Sie in der Lage, die wechselnden Aufgabenstellungen eines komplexen Bankbetriebes zu strukturieren, konzeptionell aufzuarbeiten und Ihre Arbeitsergebnisse sicher zu präsentieren. Ablaufuntersuchungen, Reorganisationen und Prozessmanagement zählen zu Ihren besonderen Stärken. Sie haben Verhandlungsgeschick mit einem gesunden Maß an Durchsetzungsvermögen und Überzeugungskraft. Durch die erfolgreiche Leitung von Projekten haben Sie auch unter Beweis gestellt, dass Sie in der Lage sind, qualifizierte Mitarbeiter zu führen. Wenn für Sie Ergebnisorientierung, persönliche und fachliche Kompetenz, Teamfähigkeit und die Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung ebenso selbstverständlich sind wie selbstständiges, eigenverantwortliches Arbeiten, dann bieten wir Ihnen eine verantwortungsvolle Aufgabe» bei der Sie mit einem jungen, leistungsfähigen Team unter Beweis stellen können, dass Sie zu den Profis in der Branche gehören. Falls die Position eine Herausforderung an Ihr Können bedeutet und Sie vor Ihrem nächsten Karriereschritt stehen, senden Sie bitte Ihre

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vollständigen Bewerbungsunterlagen an... Wenn Sie es lieber flott und lustig haben: Saftladen sucht Buchhalterin. Wir handeln mit allen Säften

und Früchten dieser Welt. Von A wie Ananas bis Z wie Zitrone. Und schon zur nächsten Ernte können Sie für halbe Tage dabei sein. Sie sollten ohne fremde Hilfe Äpfel von Birnen unterscheiden können, wissen, wie man mit der DATEV umgeht, sich bereits mit Computern angefreundet haben und with English too. Schreiben Sie uns doch einfach...

Sie sehen, auch angestaubte Bürojobs können so aufpoliert werden, dass man sich mit Begeisterung darauf stürzt.

Personalberatungen - Freund oder Feind?

Wenn Personalberatungsfirmen die Anzeigen für ihre Klienten schalten, so kann das verschiedene Hintergründe haben: Die Firma überträgt der Personalberatung die Formulierung und Schaltung der Anzeige, um sich Arbeit zu sparen. Außerdem steht die Beratung für die Beantwortung telefonischer Voranfragen zur Verfügung. Nach jeder Anzeigenschaltung gehen bei den Unternehmen nicht nur die Anrufe potenzieller Bewerber ein, sondern es melden sich alle Arten von Dienstleistern, wie Zeitarbeitsfirmen, Personalvermittlungen, Werbeagenturen, um ihren Service anzubieten. Der zuständige Personalreferent kommt kaum noch zu seiner eigentlichen Arbeit, weil er überwiegend am Telefon hängt, um Nachfragen potenzieller Bewerber zu beantworten oder um Firmen abzuwimmeln, auf deren Dienste das Unternehmen keinen Wert legt.

Wenn Sie als Bewerber trotzdem Interesse an einem Stellenangebot haben, das wenig aussagekräftig ist, so rufen Sie

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die Firma oder den Personalberater bitte an und stellen Sie die bereits auf Seite 22 genannten vier Fragen;

→ Was genau umfasst der Tätigkeitsbereich?

→ Wo im Unternehmen ist die Position angesiedelt, wer ist Ihr Chef, sind Ihnen Mitarbeiter unterstellt, wenn ja, wie viele?

→ Welche fachlichen Kernqualifikationen sind für diese Position absolut notwendig?

→ Worauf legt das Unternehmen bei seinen Mitarbeitern besonderen Wert?

Gehen Sie davon aus, dass Sie sicher nicht der Einzige sind, der Informationsbedarf hat. Wenn Ihr Telefonpartner genervt reagiert, weil er das, was er Ihnen erzählt, bereits 50 Mal an diesem Tag erzählt hat - nehmen Sie's bitte nicht persönlich. Es ist nicht Ihre Schuld, wenn man sich in diesem Unternehmen keine Zeit für eine gut formulierte Stellenanzeige nimmt. Man kann Ihnen sogar dankbar sein, dass Sie sich trotzdem bewerben (wollen). Ich halte es für absolut wichtig, so lange nachzufragen, bis klar ist, worum es bei dem Stellenangebot wirklich geht, bevor Sie entscheiden, ob Sie als Mitarbeiter infrage kommen. Es ist meiner Meinung nach absolut legitim, bei schludrigen Unternehmen erhöhten Leidensdruck zu erzeugen, bis sie lernen, ehrliche und konkrete Stellenanzeigen aufzugeben. Und wenn sie es nicht können oder tun wollen, sollen sie einen Spezialisten einschalten, der diese zugegebenermaßen schwierige Arbeit für sie übernimmt, Personalberatungen sind meistens auch für die Vorauswahl der Kandidaten zuständig und präsentieren die infrage kommenden Bewerber in der ersten Vorstellungsrunde. Dadurch sparen die Unternehmen viel Zeit und Geld. Für Sie als Bewerber hat es den Vorteil, dass Sie sensible Details, wie das gebotene Gehalt und sonstige Leistungen, erfragen können, ohne gleich bei Ihrem potenziellen Arbeitgeber einen bestimmten Eindruck zu machen.

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Gute Personalberater haben einen feinen Instinkt dafür, welche Mitarbeiter zu welchem Unternehmen passen (können), und nehmen sich schon mal die Freiheit, darauf hinzuweisen, dass man bei der Firma Schulze besser aufgehoben sei als bei Schmidt.

Wenn dem Personalberater eine Bewerbung interessant erscheint und er sich als Personalmarketing-Spezialist versteht, so wird er von sich aus anbieten, Ihre Bewerbung entweder an einen seiner anderen Kunden weiterzugeben oder aber bei Bedarf auf Sie zurückzukommen. Die Weitergabe Ihrer Unterlagen ¡st nur mit Ihrer expliziten Zustimmung erlaubt! Wenn Personalberater als Multiplikatoren für die Vermarktung eines Bewerbers fungieren, so halte ich das für eine gute Sache, denn Berater werden an der Qualität der Kandidaten gemessen, die sie dem Unternehmen präsentieren, und sind somit stark daran interessiert, gute Bewerber bei der Stange zu halten. Der Personalberater ist im Allgemeinen beim Vorstellungsgespräch der Kandidaten anwesend, eine Tatsache, die für den ein oder anderen Bewerber hilfreich sein kann.

Hier noch ein besonders geglücktes Beispiel einer von einem Personalberater geschalteten Stellenanzeige:

Wir, der Kreisverband... mit vielfältigen Aufgaben im sozialen Bereich, werden unsere ambulanten Dienste in einer gemeinnützigen GmbH neu strukturieren. Wir suchen zum... eine(n) Geschäftsführer (in) ambulante Dienste. Wir wollen unsere Sozialstation, die ambulanten Pflegedienste, die Seniorentagesstätte, das Geschäftsfeld Hausnotruf, den Mahlzeitendienst auf Rädern, die Tagespflegestätte und unsere betreute Seniorenwohnanlage unter einem Dach zusammenfassen.

Aufgaben sind u.a. Personalverantwortung für 150 Mitarbeiter, Budgetverantwortung, Zusammenfassung der genannten Teilbereiche, Ausbau bestehender Geschäftsbereiche.

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Wir erwarten: Studium der Betriebswirtschaft, Erfahrung im sozialen Bereich, Erfahrung in Marketing und Kommunikation, Führungserfahrung, Integrationsvermögen, Empathie, Gestaltungswissen, eigene Ideen.

Wir bieten: einen Dreijahresvertrag, eine außertarifliche Bezahlung mit Erfolgsbeteiligung und Freiraum für unternehmerisches Handeln.

Wenn Sie zu denen gehören, die gerne zu neuen Ufern aufbrechen sowie Konzepte entwickeln und umsetzen können, dann schicken Sie Ihre schriftliche Bewerbung mit Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung an den von uns beauftragten Personalberater...

Sie sehen, hier wird sowohl der Auftraggeber genannt, als auch die Rolle des Personalberaters offen gelegt. Wenn hier statt Personalberater nur „Agentur“ stünde, könnte es sich um eine Werbeagentur handeln, die lediglich Stellenanzeigen konzipiert. Folgende Anzeige finde ich bemerkenswert, weil die gesetzlich vorgeschriebene Gleichstellung beider Geschlechter elegant ausgehebelt wurde, indem man auf die Erhöhung der Frauenquote im Führungsteam hinweist. Die Firma, die sich hinter dieser Anzeige verbirgt, hat meine volle Anerkennung für den hier bewiesenen Mut!

Wir sind ein mittelständisches Industrieunternehmen im Großraum Bodensee, das innerhalb eines international tätigen Konzerns expandiert. Wir suchen zum... eine(n) Verkaufsbereichsleiter (in}.

Der/Die Stelleninhaber(in) berichtet unmittelbar an die Geschäftsleitung.

Ihr Profil: Sie haben eine kaufmännische/betriebswirtschaftliche Ausbildung. Sie haben erste Erfahrungen im Verkauf sammeln können, im Innen- und Außendienst. Sie sprechen fließend Englisch, Italienischkenntnisse wären von Vorteil. Sie sind ein

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Verkaufstalent und haben Spaß an Ihrer Arbeit. Sie besitzen Führungseigenschaften und verfolgen konsequent Ihre Ziele. Sie machen gerne längere Dienstreisen.

Ihre Aufgaben sind u.a.: Personalführung (4 Mitarbeiter), Verantwortung für Auftragsabwicklung und Versand, Akquisition und Betreuung von Kunden/Handelsvertretern in Europa, Vertragsverhandlungen mit Key Accounts, Strategie-, Umsatz- und Absatzplanung, Budgetverantwortung.

Wir wollen den Frauenanteil in unserem Führungsteam erhöhen und freuen uns über Bewerbungen von Frauen. Bitte schicken Sie Ihre schriftliche Bewerbung mit Angabe Ihres Gehaltswunsches an...

Mehr Informationen zu Stellenangeboten und wie man sie liest finden Sie im Literaturverzeichnis ab Seite 213.

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8 Be-Werben am Telefon die Stimme macht's!

Ich bin auf wundersame Weise nicht dafür verantwortlich, was Sie hören, aber voll verantwortlich für das, was ich sage.

(Humberto Maturana) Gerade am Telefon können Sie die Werbetrommel für sich als

potenzieller Mitarbeiter wirkungsvoll rühren. Positive sinnliche Wahrnehmung weckt Assoziationen, also Gedankenverknüpfungen, Das wird beispielsweise bei Aroma- und Musiktherapie bereits wirkungsvoll eingesetzt. Ein Duft oder Klang weckt bestimmte Vorstellungen oder Erinnerungen. Eine wohltönende, sympathische Stimme wird mit einem ebensolchen Menschen assoziiert. Aufgrund Ihrer Stimme und Ihres Telefonverhaltens bekommt Ihr Gesprächspartner einen ersten Eindruck von Ihnen, den Sie bewusst steuern können!

Mit telefonischen Anfragen lässt sich bei Blindbewerbungen bereits im Vorfeld abklären, ob es überhaupt Stellen gibt, die für Sie interessant sind, und ob eventuell gerade eine Neubesetzung ansteht. Vor allem lassen sich zusätzliche Informationen über eine zu besetzende Position abfragen und ein erster Eindruck vom Unternehmen gewinnen.

Telefonische Bewerbungen setzen eine gute Vorbereitung voraus. Sie sollten sich vorher überlegen, wie Sie sich am besten darstellen und was Sie sagen wollen. Verschwenden Sie mehr (!) als einen Gedanken daran, wie Sie mit Hindernissen umgehen: Zum Beispiel hat der Angerufene keine Zeit oder er ist abgelenkt und hört Ihnen nicht zu, oder aber er hat schlechte Laune. Vergessen Sie nicht, Personaler sind auch „nur“ Menschen und unterliegen individuellen Leistungskurven. Wenn

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man gerade konzentriert bei der Arbeit ist, das Telefon klingelt und einen aus den genialsten Gedankengängen reißt, dann empfindet man jeden Anruf als brutale Störung. Umgekehrt kann es aber auch sein, dass man gerade in einem schwierigen Gespräch steckt und verzweifelt nach einem Ausweg sucht. Der „störende“ Anruf kann einem hier die Zeit verschaffen, die man braucht, um den „rettenden Einfall“ zu bekommen, à la „saved by the bell“. Im Allgemeinen weiß der Anrufer selten, in welcher Situation sich der Angerufene befindet und ob sein Anruf eher als störend denn als angenehm empfunden wird.

Wenn Sie jemanden ungebeten anrufen, nennen Sie deutlich Ihren Namen und fragen Sie dann, ob Sie gerade stören. Das ist das mindeste Gebot der Höflichkeit! Wenn Sie beim Telefonieren unsicher sind, versuchen Sie das bitte nicht durch aufgesetzte Forschheit zu kaschieren. Ihre gepresste oder vibrierende Stimme und deren Lage verraten Sie sofort! Ein etwas nervöser oder leicht gehemmter Kandidat ist den meisten Angerufenen allerdings lieber als ein nassforsches „Hoppla, jetzt komm ich“-Gehabe.

Ein Muss - der Gesprächsleitfaden

Eine gute Vorbereitung - nicht nur für Unsichere - ist ein ausführlicher Gesprächsleitfaden, der Ihnen hilft, Ihr Anliegen kurz und prägnant rüberzubringen. Die wichtigsten Aussagen, die Sie vor Bewerbungsanrufen parat haben müssen, können zum Beispiel lauten:

1. Bei Initiativbewerbungen: Was bin ich und für welche Position(en) interessiere ich mich?

Bei Stellenausschreibungen: die Stelle, für die Sie sich bewerben

2. Meine Qualifikation ist...

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Bitte beginnen Sie mit der höchsten erreichten Qualifikation, zum Beispiel mit Ihrer Promotion, nicht mit dem Wechsel ins Gymnasium. Legen Sie sich Ihren Lebenslauf parat, damit Sie für gezielte Fragen gewappnet sind.

3. Ich interessiere mich für diese Position, weil... Eine oder zwei knackige Aussagen genügen vollauf, denn Sie

wollen ja nur auf Ihre Bewerbung neugierig machen. 4. Welchen Nutzen könnte das Unternehmen davon haben,

wenn es Sie einstellt? Sollten Sie das zum Zeitpunkt Ihres Anrufs noch nicht

abschätzen können, überlegen Sie sich, was Sie besonders gut können und wodurch Sie sich von anderen unterscheiden.

5. Wann könnten Sie eine neue Stelle anfangen? Falls dringender Bedarf besteht, greift oft der Grundsatz: Wer

zuerst kommt, mahlt zuerst, 6. Wie viel will ich verdienen? Diese Frage kann negativ bewertet werden, denn die Haltung

„Erst soll der Mitarbeiter zeigen, was er wert ist, und dann reden wir übers Gehalt“ ist weit verbreitet. Wenn Sie aber ein bestimmtes Einkommen erzielen wollen oder müssen und von der Dotierung Ihre Bewerbung abhängig machen, sagen Sie das im Gespräch am besten ganz offen. Im Allgemeinen wird diese Haltung akzeptiert.

7. Was will ich mit diesem Anruf erreichen? Will ich wissen, ob es Sinn macht, meine

Bewerbungsunterlagen blind einzuschicken, oder will ich eruieren, ob eine ausgeschriebene Position für mich geeignet ist?

8. Wie ist das weitere Vorgehen? mUSS ich nochmals anrufen, werde ich zurückgerufen, soll ich meine Bewerbungsmappe schicken...?

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Mit Charme und Stil zum Ziel

Erfolgreiche Anrufe setzen eine angenehme Telefonstimme, eine gewisse Flexibilität im Gespräch und sanfte Beharrlichkeit voraus. Der Anrufer hört nur Ihre Stimme und Sie müssen schnell auf unvorhergesehene Situationen reagieren können.

Führen Sie niemals telefonische Bewerbungsgespräche, wenn Sie gestört werden könnten. In meinen Augen zeugt es von schlechtem Stil, sich vom Telefon des derzeitigen Arbeitgebers aus bei einer anderen Firma zu bewerben. Die Grundlagen der Telefon-Etikette sind leider nicht jedem Anrufer geläufig, deshalb setzen Sie sich vom Gros der Anrufer positiv ab, wenn Sie folgende Grundsätze befolgen:

Die 10 Gebote der Telefon-Etikette 1. Bevor Sie den Hörer in die Hand nehmen, machen Sie sich

einen Gesprächsleitfaden wie oben beschrieben. Überlegen Sie sich genau, was Sie mit Ihrem Anruf bezwecken wollen. Vom ersten guten Eindruck über „auf sich neugierig machen“ bis hin zum Sammeln von Informationen. Malen Sie sich aus, wie ein positiver Gesprächsabschluss für Sie aussieht, also dass Sie das Resultat erreichen, das Sie sich vorgenommen haben. Es kann sein, dass Sie gebeten werden wollen, Ihre Bewerbungsmappe zu schicken oder dass man Sie gleich zum Vorstellungsgespräch bittet. Mit diesem mentalen Bild versetzen Sie sich in eine positive Grundhaltung, mit der Sie dieses Telefonat führen.

2. Um die Nervosität zu reduzieren und sich etwas zu entspannen, folgender Tipp: Atmen Sie tief ein und aus und zählen Sie pro Atemzug langsam (!) einundzwanzig - zweiundzwanzig. Spüren Sie, wie Sie ruhiger werden und sich Ihr Zwerchfell hebt und senkt. Wenn Ihre Stimme aus dem Bauch kommt, anstatt kopflastig zu piepsen, haben Sie Ihre optimale Stimmlage erreicht und können hoffentlich etwas

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gelassener zum Hörer greifen. 3. Während Sie die Nummer wählen, vergegenwärtigen Sie

sich nochmals das Bild Ihrer Zielerreichung und lassen Sie dabei ein Lächeln zu.

4. Mit diesem Lächeln in der Stimme empfangen Sie Ihren Telefonpartner und beginnen das Telefonat mit „Guten Tag, mein Name ist... Ich rufe an, um mich über die inserierte Stelle eines... zu erkundigen. Störe ich gerade?“ „Wenn eine freundliche Stimme am Telefon ist, wird der Anrufer selten unwirsch abgefertigt, auch wenn er gerade eine große Störung verursacht.

5. Fahren Sie alle Antennen aus, um zu erspüren, in welcher Situation der Angerufene gerade steckt. Falls Sie mit Ihrem Anruf im Moment stören sollten, so ist es angebracht zu fragen, wann Sie sich wieder melden können, um Ihr Anliegen zu besprechen. Wenn Ihnen ein genauer Zeitpunkt genannt wird, so versuchen Sie bitte, diesen einzuhalten, denn Personalreferenten haben viele Besprechungen und sitzen selten stundenlang an ihrem Platz. Deshalb haben Sie bitte Verständnis, wenn ein Telefonat nicht gleich beim ersten oder zweiten Anlauf zustande kommt.

6. Formulieren Sie Ihre Fragen knapp und präzise! Wie gesagt, ist es am besten, wenn Sie Ihre Fragen im Gesprächsleitfaden (siehe Seite 91) gesammelt und vorformuliert haben. Diese Liste sollten Sie sich neben das Telefon legen und die Antworten gleich notieren. So verschwenden Sie keine Zeit mit unnötigen Fragen und wirken professionell.

7. Wenn Sie nicht alle Informationen in diesem Gespräch bekommen können, vereinbaren Sie entweder einen neuen Telefontermin oder schicken Ihre kompletten Bewerbungsunterlagen per Post. Wenn Sie Ihre schriftliche Bewerbung einreichen sollen oder wollen, so tun Sie das bitte

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prompt. Sie sollte spätestens drei Tage nach dem Telefonat beim Adressaten eingehen. Den Namen des zuständigen Ansprechpartners lassen Sie sich bitte buchstabieren, denn nichts ist so peinlich wie jemand mit falschem Namen anzusprechen.

8. Fragen Sie Ihren Gesprächspartner, ob Sie sich auf dieses Gespräch beziehen können und welches Stichwort er Ihnen dafür vorschlägt. Gehen Sie davon aus, dass er bei der Vielzahl der eingehenden Anrufe sich nicht jedes Gespräch merken wird.

9. Was immer Sie versprechen, halten Sie es auch! Ob man Sie bittet, nochmals zu einem bestimmten Zeitpunkt anzurufen, oder Ihnen ein Telefoninterview anbietet, versuchen Sie sich an die Zeiten zu halten. Wenn Ihnen das nicht möglich ist, so geben Sie rechtzeitig Bescheid und vereinbaren Sie einen neuen Termin.

10. Bedanken Sie sich auf jeden Fall für das Gespräch, auch und vor allem dann, wenn es in Ihren Augen negativ verlaufen ist. Sie können sich mit ehrlicher Freundlichkeit in solchen Situation ein kleines „Hintertürchen“ offen halten und später wieder einmal anrufen. Außerdem gehört es sich, sich beim anderen nicht nur für die erhaltenen Informationen, sondern auch für seine Zeit zu bedanken.

Wenn Sie in einer Firma anrufen und den Namen des Ansprechpartners nicht kennen, fragen Sie am besten entweder direkt nach der Personalrekrutierung oder nach dem Sekretariat der Personalabteilung, denn Sekretärinnen sind gut darüber informiert, was gerade in der Abteilung läuft.

Wenn Sie mit der Telefonzentrale sprechen, tun Sie das bitte höflich! Die Damen und Herren können Ihnen umso besser helfen, je besser sie wissen, worum es geht.

Sollten Sie sich allerdings mit dem „Buchbinder-Wanninger-Syndrom“ konfrontiert sehen, also von einer Person zur nächsten, dann zur übernächsten usw. verbunden werden,

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müssen Sie sich fragen, ob Sie sich klar genug ausgedrückt haben oder ob es sich bei dem angerufenen Unternehmen so verhält, dass die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut. In letzterem Fall könnte es sich durchaus lohnen, sich für die Betriebskommunikation oder Organisationsabteilung zu bewerben.

Checkliste: So sind Sie gut vorbereitet

ja nein 1. Enthält Ihr Gesprächsleitfaden alles Notwendige? O O 2. Kennen Sie alle Hindernisse, die auftauchen können?

O O

3. Sind Sie positiv auf dieses Gespräch eingestimmt?

O O

4. Haben Sie al!e Störungen ausgeschlossen? O O 5. Reicht der Akku Ihres Handys oder das Guthaben auf Ihrer Telefonkarte noch für ein langes Telefonat?

O O

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9 Das Internet - eine heiße Job-Fundgrube?

Erfolg hat nur, wer etwas tut, während er darauf wartet. (Edison) „Kein anderes Medium bietet höhere Aktualität und größere

Reaktionsgeschwindigkeit“, sagte Ingrid Turba, Geschäftsführerin der CNT Gesellschaft für Personal- und Organisationsentwicklung in Hamburg. Vom Praktikanten, Hochschulabsolventen bis zum Top-Manager tummelt sich fast jeder im Netz, der jung, qualifiziert und global orientiert ist. Man kann im Web aktiv sowohl nach dem passenden Job als auch nach dem qualifizierten Bewerber suchen. Angeblich befinden sich über 7,5 Millionen Lebensläufe im Netz. Dieses „active sourcing“ genannte Vorgehen ist eine kostengünstige Art für Unternehmen, direkt mit infrage kommenden Bewerbern Kontakt aufzunehmen. Es heißt, dass die Rekrutierungskosten im Web um die Hälfte niedriger seien als die für den konventionellen Weg. Diese Art der aktiven Ansprache wird von den Unternehmen zwar zunehmend genutzt, aber suchende Bewerber sollten sich nicht allein darauf verlassen, von ihnen gefunden zu werden.

Ran an die Maus - und an den (Job-)Speck

Neben den Stellenangeboten auf den Homepages des jeweiligen infrage kommenden Unternehmens orientieren sich viele Bewerber erst einmal über die Jobbörsen. Inzwischen bieten zirka 200 bis 300 Internet-Stellenbörsen über 600 000

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Jobs an. Sie finden dort auch Bewerbungstipps und verschiedene Zusatzinformationen rund um den Job. Jeder, der weiß, wo er suchen muss, wird im Cyberspace fündig.

Um einen Überblick zu gewinnen, sollten Sie zuerst Spezial bzw. Metasuchmaschinen anklicken und mit dem Suchbegriff „Jobbörsen“ reingehen. Ich kann Ihnen versprechen, Sie werden fette Beute machen!

Metasuchmaschinen bzw. Kataloge sind beispielsweise www.metacrawler.de www.klugsuchen.de www.metager.de www.monster.de www.google.de Unter www.dinoonline.de/seiten/go60stelten.htm www.jobs.zeit.de/hotlist.html www.berufskarriere.de und www.suchfibel.de sind viele Jobbörsen übersichtlich gelistet.

fm Folgenden finden Sie eine kleine Auswahl an Jobbörsen, teilweise branchenspezifisch aufgeführt - Multimedia, IT, Soziales, Medizin, Umwelt... Über die Qualität und ob/welche Kosten entstehen, kann an dieser Stelle nichts gesagt werden, denn sie differieren zu sehr und ändern sich ständig. Am besten erfragen Sie direkt bei der jeweiligen Jobbörse, ob und was Sie investieren müssen.

Achten Sie bei Ihrer Auswahl darauf, wie aktuell die bereits vorhandenen Profile der Stellensuchenden sind und wie übersichtlich die Angebote präsentiert werden. Auslandsjobs:

www.jobware.de www.worldwideiobs.de www.berufsberatung.ch (Berufsinformationen und

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Lehrstellenangebote in der Schweiz) www.austropersonal.com (für Österreich) Allgemein: www.arbeitsamt.de www.jobpilot.de www.stellenanzeigen.de www.stepstone.de www.berufsstart.de www.mamas.de Behinderten hilft www.keinhandicap.de weiter. Branchen: Multimedia: www.medienjobs.de www.hightext.de www.multimedia.de Ingenieurwesen: www.ingenieurweb.de IT: www.it.job.de www.dvmarkt.de www.dvjobs.de Soziales: www.socialservice.com www.sozialmarketing.de www.socialwork.com Medizin: www.medirent.de www.infomed.de

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www.aerzteblatt.de Umwelt www.oekonetzwerk.de www.quality.de www.oekotest.de/job Fach- und Führungskräfte: www.careerbase.net www.businesschannel.de www.karrieredirekt.de Hochschulabsolventen: www.almamater.de www.unicum.de www.akademikeronline.de Freie Mitarbeit: www.gulp.de www.freelancer.de www.freiberufler.com Wenn Sie Fragen zum Arbeitsrecht haben, lohnt es sich, bei

www.arbeitsrecht4free.de vorbeizusurfen.

Online-Date mit einer Firma?

In der Blütezeit des E-Commerce und der Boomzeit der dot.coms hat sich die Online-Bewerbung zu einem eigenständigen Rekrutierungswerkzeug entwickelt, dessen Qualitätsschwankungen durchaus mit den Bewegungen der Nasdaq zu vergleichen sind. Es gehört inzwischen zum guten Ton, dass Firmen ihre vakanten Stellen auf die eigene Homepage setzen, wobei sich manche Unternehmen durch eine tödliche „Alibi-Homepage“ im Netz auszeichnen, andere

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dagegen über einen wohl durchdachten Auftritt verfügen, der auch ästhetischen Ansprüchen gerecht wird, mit bestechend kurzen Ladezeiten und direktem Link zum jeweiligen Stellenmarkt, genannt „Jobs“. Einige Unternehmen haben sogar Eignungs- und Persönlichkeitstests mit großem Spaßfaktor ins Netz gestellt. Dadurch kann sich der potenzielle Bewerber vorstellen und qualifizieren, bevor er zum eigentlichen Online-Bewerbungsformular findet. Rekrutierungsspiele, wie man sie bei Siemens oder anderen Hightech und Mobilfunkunternehmen findet, lassen aufschlussreiche Auswertungen zu, die Personalfachleuten differenzierte Informationen über die Fähigkeiten und Persönlichkeit des Bewerbers vermitteln. Deshalb sei ob und wie man weiterklickt, dem Einzelnen selbst überlassen, denn die Testergebnisse können durchaus für den weiteren Berufsweg hilfreich sein.

Wenn Sie die Firma Ihrer Wahl im Netz nicht auf Anhieb finden, sehen Sie unter www.branchendino.de nach, einem elektronischen deutschlandweiten Firmenverzeichnis. Sie können auch Suchmaschinen abfragen wie zum

www.altavista.de www.web.de www.lycos.de www.yahoo.de www.fireball.de

Auch das Netz hat seine Regeln!

Wer glaubt, dass er sich bei Online-Bewerbungen in einem lockeren Chatroom-Jargon ausdrücken könnte, hat schon verloren. Auch in diesem Medium wird großer Wert gelegt auf sprachlichen Ausdruck, Rechtschreibung und Personalisierung der Bewerbung. Eher störend sind aufwändige und

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„geschraubte“ Formulierungen. Sie sollten auf jeden Fall mindestens genauso viel Mühe investieren wie für eine Bewerbung auf normalem Weg.

Online-Knigge 1. Füllen Sie die Betreffzeile der E-Mail aussagekräftig und

eindeutig aus, damit Ihre Bewerbung der entsprechenden Position zugeordnet werden kann.

2. Wenn der Name des Personalsachbearbeiters genannt wird, sprechen Sie ihn in der Anrede persönlich an, also: „Sehr geehrter Herr Müller-Lüdenscheid“ statt „Hi, Human Resources“.

3. Stehen Sie mit der Orthographie auf Kriegsfuß, kann man in den meisten E-Mail-Programmen die automatische Rechtschreib- oder Grammatikhilfe drüberlaufen lassen, was sich unbedingt empfiehlt, denn auf Fehlerfreiheit, Ausdrucksform und konkreten Bezug auf das geschaltete Inserat wird sehr genau geachtet.

4. Bitte beachten Sie: Alles, was nur entfernt nach „Massendrucksache“ aussieht, wird per Mausklick in den Papierkorb befördert.

5. Auf Spezialeffekte und witzige Formatierungen sollten Sie verzichten, denn nicht jedes Mailprogramm kann alles lesen.

6. Der Hinweis auf die eigene Homepage lohnt sich nur dann, wenn sich dort berufsspezifische Informationen finden. Nennen sollten Sie auf jeden Fall Ihre Adresse, Telefonnummer und wann Sie am besten zu erreichen sind.

7. Den Lebenslauf fügen Sie am besten als „Attachment“ an. Sie sollten dazu ein gängiges Format wie zum Beispiel „.rtf“, ,,.txt“ oder „.pdf“ verwenden, denn Sie wissen nicht, mit welchen Programmen der Adressat arbeitet. Kann Ihre Bewerbung nicht geöffnet werden, so wandert sie ungelesen in

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den elektronischen Papierkorb. 8. Wenn Zeugnisse oder ein Foto erwünscht sind, müssen Sie

beides einscannen (lassen) und als Attachment anfügen. Achten Sie darauf, die Dateien als „.jpg“ abzuspeichern, damit sie nicht allzu groß werden.

9. Ihre Online-Bewerbung sollte nicht größer als ein Megabyte sein! Die Firewalls einiger Firmen beschränken manchmal die Größe von E-Mails und außerdem kostet das Laden der Mail viel Zeit.

10. Bevor Sie die E-Mail versenden, sollten Sie sie probehalber erst an sich selbst schicken oder an Freunde, von denen Sie Feedback möchten. Sie erfahren dadurch die Ladezeit Ihrer Bewerbung und können Form und Qualität gegenchecken lassen.

11. Wenn Job-Anzeigen auf ein Formular verlinken, so empfiehlt es sich, dieses Bewerbungsformular zu nutzen, statt eine eigene E-Mail zu schicken. Das Formular sollten Sie sich auf jeden Fall ausdrucken, bevor Sie es versenden.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Ein Personalleiter eines beliebten Hightech-Arbeitgebers hat mir gesagt, dass auf Online-Bewerbungen innerhalb von maximal 48 Stunden persönlich reagiert würde. Damit gehört diese Firma zu den Top 15 Prozent! In den meisten Fällen bestätigt ein so genannter Autoresponder den Eingang der Bewerbung, bittet um etwas Geduld und manchmal sogar darum, nicht anzurufen. Schlimmstenfalls war das aber auch alles, was man von seiner Bewerbung gehört hat! Es soll sogar Statistiken geben, die belegen, dass 35 Prozent aller Online-Bewerbungen ohne jegliche Resonanz bleiben.

Online-Bewerbungen sind schnell, direkt und auf den ersten

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Blick unkompliziert. Überlegen Sie sich trotzdem, ob Sie Ihre persönlichen Daten ins Internet stellen oder über ein offenes Netz versenden wollen.

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10 Das Anschreiben - am besten ganz persönlich!

Ein solcher Brief - von solcher Hand! (Elizabeth Barrett)

Hand aufs Herz: Bekommen Sie lieber persönliche Briefe

oder Postwurfsendungen? Genau, mir ist ein Brief, der auf meine Bedürfnisse eingeht und mir ein klares Bild des Absenders vermittelt, viel wertvoller als ein bunt bebildertes Werbepamphlet. Deshalb: Neben dem Wohlfühlaspekt des Empfängers ist Ihr Anschreiben Ihre ganz persönliche Visitenkarte! Nach dem Umschlag ist dies das erste visuelle Zeichen, das man von Ihnen erhält, es sei denn, Sie haben Ihre Bewerbungsmappe persönlich bei Ihrem potenziellen Arbeitgeber abgegeben. In Ihrem Anschreiben machen Sie einer bestimmten Firma das Angebot Ihrer Mitarbeit. Ein Angebot muss Bedarf beim Käufer wecken, das heißt den Bedarf des potenziellen Arbeitgebers, Sie und gerade Sie einzustellen!

Ihr Schreiben soll Appetit machen auf mehr, nämlich Sie

persönlich kennen zu lernen. Es soll kurz und auf den Punkt formuliert sein, damit das Lesen nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt, und es soll alle wesentlichen Fakten über Sie als Bewerber enthalten, die für den potenziellen Arbeitgeber interessant sind beziehungsweise sein könnten.

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Es kräht der Gockel auf dem Mist ein jeder doch verschieden ist!

Ein humorvoller und menschlicher Personalvorstand mit vielfältiger Lebens- und Berufserfahrung hat mir gesagt, seiner Meinung nach gibt es neben den normalen Bewerbungen noch drei andere Arten:

→ Die Kikeriki-Bewerbung Hier handelt es sich um den „Gockel auf dem Mist“, der

angibt, was das Zeug hält; auf den Putz haut, dass es nur so kracht; und obendrein noch vermessen behauptet: „Ich weiß gar nicht, wie Ihre Firma ohne mich bisher überlebt hat.“ Nun, das Unternehmen wird wahrscheinlich noch länger erfolgreich auf ihn verzichten...

→ Die Pomp-Bewerbung Diese Bewerbung ist pompös gestaltet und sehr teuer

aufgemacht - mehr Schein als Sein ist hier der Fall. Wenn die fachliche Qualifikation und der persönliche Anspruch mit den Erfordernissen des Unternehmens nicht übereinstimmen, ist diese Bewerbung wohl auch für den „Absage-Stapel“ bestimmt.

→ Die Defekt-Bewerbung Dieser Bewerber hat einen so genannten Defekt: Entweder er

hat eine Lücke im Lebenslauf, einen Karriereknick in der Laufbahn oder ein gewisses Lebensalter erreicht, er ist also ein Oldtimer. Sollte Letzteres auf Sie zutreffen, so legen Sie neben einem ansprechenden Foto ruhig ein allgemeines ärztliches Gesundheitszeugnis Ihrer Bewerbung bei. Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat die Kampagne ‹50plus› im Internet unter www.arbeitsamt.de/aeltere gestartet. Die Zeiten für ältere Arbeitnehmer werden (zum Glück!) wieder besser, nicht nur weil es aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge sonst Personalprobleme gibt. Bedenken Sie: Selbstbewusstsein

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bedeutet unter anderem auch, zu seiner Erfahrung und zu seinem Alter zu stehen. Immer mehr wird Erfahrung der Dynamik vorgezogen, da man festgestellt hat, dass junge Dynamiker meist mehr „operative Hektik“ verbreiten als konstruktive Veränderungen bewirken. Von Führungsqualitäten, die teilweise auch auf Lebenserfahrung beruhen, ganz abgesehen.

Dieser Personalvorstand, der selbst im Alter von 55+ noch eine neue Aufgabe übernommen hat, sieht sich in jedem Fall alle die Bewerber an, deren Anschreiben locker, präzise und authentisch (also in persönlicher Sprache) abgefasst ist. Er ist der Meinung, dass seine Firma echte Persönlichkeiten braucht, keine „stromlinienförmigen“ Mitarbeiter oder gar Fachidioten. Immer wieder wurde mir in all meinen Recherche-Gesprächen die Wichtigkeit der schriftlichen Selbstdarstellung im Anschreiben genannt. Auch wenn mich jetzt alle Bewerbungsberater auf die Liste ihrer meistgehassten Personen setzen: Es ist offensichtlich wirklich so, dass geklonte, sprich einfach aus Büchern übernommene Musteranschreiben, von Haus aus unter den Tisch fallen, auch wenn die fachliche Eignung noch so gut ist. Warum?

Wie oben schon gesagt: Firmen wollen überwiegend Persönlichkeiten einstellen, die sich ins Unternehmen einfügen lassen. Menschen, die stolz auf ihre Arbeit sind, die sich selbst motivieren können, die mitdenken und über den Tellerrand hinausblicken (können). Menschen, die sich an Unternehmenszielen orientieren und ihre Energien nicht im Hickhack mit Kollegen, Mitarbeitern und Chefs vergeuden.

Worauf es beim persönlichen Anschreiben wirklich ankommt

Das persönliche Anschreiben ist das Blatt Papier, das bei Bewerbungen mit größter Sicherheit aufmerksam gelesen wird.

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Dass die Firma eine bestimmte Position zu besetzen hat und Sie sich für diese Position bewerben wollen, ist der Firma bekannt. Daher sollte der Betreff lediglich lauten: Stellenangebot „Software-Entwickler/in“ Ihr Inserat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom...

Den Einleitungssatz „In der FAZ vom... habe ich gelesen, dass Sie eine Software-Entwicklerin suchen, und möchte mich für diese Stelle bewerben“ können Sie sich sparen, denn außer einem großen Gähnen erreichen Sie damit nichts.

Darauf sollten Sie besonders achten → Auf fehlerlose Rechtschreibung und ordentliche

Darstellung: Um Tippfehler zu vermeiden, lassen Sie am besten einen Profi darüber lesen oder die Korrekturhilfe Ihres PC-Schreibprogramms darüber laufen. Da, wo Sie sich unsicher sind, empfiehlt sich die Konsultation des guten alten Duden. Tippfehler, Radiermarkierungen oder - noch schlimmer - Fettspritzer auf dem Papier sind unmöglich!

→ Stellen Sie Ihre Persönlichkeit vor: Schreiben Sie, wer Sie sind, ob Sie sich als Teammitglied, Teamleiter, Anschieber, Generalist, Spezialist, für was auch immer, definieren. Ob Sie ein super Verkäufer sind, besonders gut mit Zahlen umgehen können oder am liebsten Reklamationen behandeln. Alles Erkenntnisse, die Sie bei der Inventur Ihrer Stärken herausgefunden haben. Schreiben Sie, was Ihnen wichtig ist und wofür Sie Ihre Energien am liebsten einsetzen. Arbeit muss Spaß machen, sonst werden Sie sie nicht gerne tun und auch nicht erfolgreich sein!

→ Schreiben Sie konkret, warum Sie sich bei genau dieser Firma für genau diese Position bewerben und was Sie von anderen Bewerbern unterscheidet. Im

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Allgemeinen wissen Sie nicht, wer Ihre Mitbewerber sind, und so ist diese Aufgabe nur dadurch zu bewältigen, dass Sie das Ergebnis Ihres Inventars hinzuziehen, nämlich was Sie besser können als alle anderen Menschen, die Sie kennen. Da Sie sich mit dem Inhalt der Stellenanzeige oder den Bedürfnissen des Unternehmens, bei dem Sie sich bewerben, intensiv auseinander gesetzt haben, dürfte Ihnen diese Aussage keine großen Schwierigkeiten bereiten.

→ Drücken Sie sich allgemein verständlich und klar aus. Verfallen Sie nicht in einen „geschwollenen“ Tonfall und floskelhaften Stil, beides kommt negativ an. Jargon und Umgangssprache sind tabu.

→ Überlegen Sie sich und formulieren Sie so genau wie möglich, warum die Firma gerade Sie einstellen sollte.

Gehen Sie ein auf (ungestellte) Fragen wie: Welche Vorteile hat die Firma davon, dass Sie dort arbeiten?

Welches ist Ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg? Was genau bringen Sie aufgrund Ihrer Persönlichkeit ein? Was haben Sie davon, für dieses Unternehmen zu arbeiten? Eine Frage, die selten gestellt und noch weniger angesprochen wird. Arbeitgeber und Arbeitnehmer befinden sich in einer sich gegenseitig bedingenden Situation und es ist nicht nur wichtig, was Sie bekommen, sondern auch hochinteressant zu wissen, was der andere für sich herausholt. Wenn ein Mitarbeiter stolz ist, für ein Unternehmen zu arbeiten, in dem schon sein Großvater gearbeitet hat, so spart das dem Unternehmen unter Umständen eine Menge Geld, denn ein Mitbewerber will vielleicht für das gleiche Unternehmen nur deshalb arbeiten, weil die Bonuszahlungen und der Firmenwagen eine Klasse über dem liegen, was ihm andere Unternehmen geboten haben. Welcher Mitarbeiter, glauben Sie, wird das Unternehmen bei gleicher Leistung weniger kosten?

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→ Machen Sie den Leser Ihres Anschreibens neugierig darauf, Sie persönlich kennen zu lernen. Sich geheimnisvoll zu geben und interessant zu machen ist hiermit nicht gemeint. Die Formulierung „Interessiert es Sie, wie ich ticke? Das würde ich Ihnen gerne persönlich darstellen“ wurde mir von einem multinationalen Unternehmen als Beispiel genannt. Wer sich traue, im Anschreiben eine solche Formulierung stimmig anzuwenden, der sei einen Termin wert, war die Meinung. Wie Sie jemand auf sich neugierig machen können, wissen Sie am besten, denken Sie doch mal an Ihr letztes Rendezvous...

→ Fassen Sie sich kurz! Eine DIN-A4-Seite sollte genügen. Verwenden Sie eine 12er Schrift und teilen Sie das Blatt optisch ansprechend auf.

Was immer einen besonders guten Eindruck macht, ist ein kurz und präzise formuliertes Anschreiben (eine Seite) und ein separates „Qualifikationsprofil“ in Form einer Tabelle, siehe Seite 120.

Berücksichtigen Sie bitte, dass Sie alle in Ihrem Anschreiben aufgestellten Behauptungen im persönlichen Gespräch nicht nur halten, sondern auch untermauern müssen!

Der Bewerber als Berater

Wenn Sie die Branche Ihres potenziellen Arbeitgebers so gut kennen, dass Sie eine kompetente Bewertung des Unternehmens von außen abgeben können, so werden Sie sich vielleicht als „der Bewerber als Berater“ positionieren.

Zum Beispiel könnten Sie eine neue Marketingstrategie entwerfen und Ihrer Bewerbung beifügen, wenn Sie sich für eine Position in der Marketingabteilung bewerben. Wenn Sie sich für

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PR-Arbeit interessieren, können Sie einen Vorschlag zur Optimierung der Corporate Identity beifügen oder eine neue pfiffige Werbekampagne kreieren.

Bei Tätigkeiten in der Produktion oder Verwaltung mag es durchaus Möglichkeiten geben, Geld zu sparen oder Abläufe zu rationalisieren oder zu beschleunigen. Vorausgesetzt, Sie kennen die Sachlage innerhalb Ihrer neuen Firma ganz genau, können Sie Verbesserungsvorschläge durchaus bereits in Ihre Bewerbung einflechten. Diese Unterschiede machen neugierig!

Heute mehr denn je wissen Firmen Mitarbeiter zu schätzen, die sich außer mit dem Logo auf ihrem Gehaltsscheck auch mit den Unternehmenszielen identifizieren und sich als ein wichtiger Teil des Unternehmens verstehen. Diese Bewerber haben von vornherein einen Bonus gegenüber anderen Kandidaten, man muss sie nur rechtzeitig erkennen, am besten schon anhand des persönlichen Anschreibens!

Voraussetzung für ein Gelingen dieses beraterhaften Vorgehens ist allerdings, dass Sie sich wirklich als kompetent erweisen und Ihr Vorschlag realisierbar ist. Wie man im Allgemeinen über Berater denkt, mag Ihnen diese kleine Geschichte verdeutlichen:

Es war einmal ein Schäfer, der in einer einsamen Gegend seine Schafe hütete. Plötzlich tauchte in einer großen Staubwolke ein nagelneuer Cherokee Jeep auf und hielt direkt neben ihm. Der Fahrer des Jeeps, ein junger Mann in Brioni-Anzug, Cerutti-Schuhen, Ray-Ban-Sonnenbrille und einer YSL-Krawatte steigt aus und fragt ihn: „Wenn ich errate, wie viele Schafe Sie haben, bekomme ich dann eins?“ Der Schäfer schaut den jungen Mann an, dann seine friedlich grasenden Schafe und sagt ruhig: „In Ordnung“.

Der junge Mann parkt den Jeep, verbindet sein Sony-Notebook mit dem Nokia-Handy, geht im Internet auf eine NA-SA-Seite, scannt die Gegend mithilfe seines GPS-

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Satellitennavigationssystems, öffnet eine Oracle-Datenbank und 60 Excel-Tabellen mit einer Unmenge Formeln. Schließlich druckt er einen 150seitigen Bericht auf seinem Hightech-Minidrucker aus, dreht sich zu dem Schäfer um und sagt: „Sie haben hier exakt 1.586 Schafe“.

Der Schäfer sagt: „Das ist richtig. Suchen Sie sich ein Schaf aus“. Der junge Mann nimmt eins und lädt es in seinen Cherokee Jeep ein. Der Schäfer schaut ihm zu und sagt: „Wenn ich Ihren Beruf errate, geben Sie mir das Schaf dann zurück?“ Der junge Mann antwortet: „Klar, warum nicht.“ Der Schäfer sagt: „Sie sind ein Unternehmensberater.“ „Das ist richtig, woher wissen Sie das?“, will der junge Mann wissen. „Sehr einfach“, sagt der Schäfer, „erstens kommen Sie hierher, obwohl Sie niemand gerufen hat. Zweitens wollen Sie ein Schaf als Bezahlung haben dafür, dass Sie mir etwas sagen, was ich ohnehin schon weiß, und drittens haben Sie keine Ahnung von dem, was ich mache, denn Sie haben sich meinen Hund ausgesucht.“

Die Moral dieser Geschichte: Sollten Sie sich Ihres Sachverstandes nicht wirklich sicher sein, so empfiehlt es sich dringend, von dem Vorgehen „Der Bewerber als Berater“ Abstand zu nehmen, bevor Sie sich blamieren, ja vielleicht sogar disqualifizieren und Ihre Bewerbung statt im Tor weit im Abseits landet. Es gibt noch eine Variante, die ich in diesem Kapitel ansprechen möchte, und zwar die eines Joboptimierers: Sie lesen eine Stellenanzeige, finden sie recht interessant formuliert - aber trotzdem, etwas fehlt. Die dargestellte Position könnte wesentlich interessanter sein, wenn man den ein oder anderen Arbeitsbereich mit abdecken würde, der in dem Inserat nicht genannt ist. Hier steht es Ihnen durchaus frei, in Ihrem Anschreiben darauf Bezug zu nehmen und die optimale Position zu kreieren, die Sie wirklich interessiert und für die Sie sich auch bewerben. Ob im persönlichen Anschreiben oder bei der Positionierung als Berater: Zeigen Sie auf, dass Sie Lösungen

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entwickeln können und machen Sie deutlich, was man alles mit Ihnen bewegen kann!

Checkliste: Ein gelungenes Anschreiben

ja nein 1. Sind Rechtschreibung und Grammatik Ihres Anschreibens korrekt?

O O

2. Sieht Ihr Anschreiben ansprechend aus? O O 3. Enthält es Name, Adresse, Telefonnummer und E-Mail- Adresse?

O O

4. Kommt rüber, dass der Absender für die Position geeignet ist?

O O

5,.Findet der Empfänger alle Angaben, die er für den ersten Eindruck braucht, übersichtlich gegliedert auf einer DINA4-Seite?

O O

6. Ist erkennbar, welchen Nutzen das Unternehmen von diesen Mitarbeiter hätte?

O O

7. Macht es den Empfänger neugierig darauf, den Absender kennen zu lernen?

O O

8. Ist der Brief original unterschrieben? O O

9. Gestaltet sich die Kontaktaufnahme einfach und direkt?

O O

10. Hält der Lebenslauf, was das Anschreiben verspricht?

O O

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11 Die Bewerbungsmappe

Alles Große und Edle ist einfacher Art.

(Gottfried Keller) Die Bewerbungsmappe ist das „Outfit“ für Ihren Lebenslauf,

Ihre Zeugnisse und Referenzen. Dieses Outfit sollte ebenso sorgfältig ausgewählt werden wie Ihre Kleidung, wenn Sie zum Vorstellungstermin gehen, denn man wird Rückschlüsse auf Ihre Persönlichkeit und Professionalität daraus ziehen.

Darauf sollten Sie achten:

→ Ist die Mappe einfach zu öffnen? → Jeder Personalreferent ist dankbar, wenn er, ohne sich

die Fingernägel zu ruinieren, an den Lebenslauf und die Zeugnisse kommt.

→ Wie viele Deckel müssen umgeblättert werden, bis die Unterlagen gelesen werden können?

Wenn 50 bis 250 Bewerbungen auf dem Schreibtisch zur Bearbeitung liegen, ist der Personalreferent um jede gesparte Sekunde froh! Dreiteilige Bewerbungsmappen, die aufgeklappt viel Platz beanspruchen, sind zwar hübsch und sehen professionell aus, sind aber für den Empfänger nicht unbedingt praktisch.

→ Lässt sich das Schriftgut übersichtlich präsentieren? Hier gilt das oben Gesagte ebenfalls. Einfach und

übersichtlich ist es, wenn Sie zwischen die einzelnen Abteilungen Trennblätter legen.

→ Ist die Mappe der Position, für die ich mich bewerbe, angemessen oder entsteht möglicherweise der Eindruck einer „Pomp-Bewerbung“?

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Inhalt und Reihenfolge

Das Anschreiben gehört nicht zum Inhalt der Bewerbungsmappe. Das Anschreiben ist der Begleitbrief für die Bewerbungsmappe und liegt immer außen.

Der Inhalt der Bewerbungsmappe besteht aus einem Original-Lebenslauf, auf den Sie Ihr Foto aufkleben können, aus Fotokopien Ihrer Zeugnisse und Referenzen. Bitte achten Sie darauf, dass Sie sauberes Papier verwenden. Verschmierte Tinte, Toner oder gar Fettflecken sind einfach megamegaout! Das Schriftgut, also der Inhalt, soll zudem übersichtlich präsentiert und in Abteilungen gegliedert sein. Die Reihenfolge der Abteilungen und Unterlagen sieht so aus:

Der Original-Lebenslauf liegt ganz oben auf. Wenn Sie sich entscheiden, ein Foto mitzuschicken, sollte dies auf der ersten Seite zu sehen sein.

Als nächste Abteilung kommen die Referenzen, also die Zeugnisse Ihrer vorherigen Arbeitgeber, wobei das Zeugnis des letzten Arbeitgebers an oberster Stelle liegt. Alle früheren folgen in absteigender Chronologie (also vom neuesten zum ältesten) dahinter.

Die nächste Abteilung bilden die Aus- und Weiterbildungszeugnisse. Nicht jedes PC-Kurs-Teilnahmezertifikat ist für die Position relevant, die Sie anstreben. Hier sollten Sie selektiv vorgehen, wenngleich Sie im Lebenslauf alle Fortbildungsaktivitäten angegeben haben. Wichtig sind auf jeden Fall das letzte Schulabschlusszeugnis beziehungsweise der Studienabschluss oder die Promotionsurkunde, der Gesellenbrief oder der IHK-Abschluss. Ich rate zu einer chronologischen Sortierung in absteigender Form (siehe oben).

Gönnen Sie Ihrer Bewerbungsmappe ab und zu eine Schlankheitskur! Es sollten maximal 15 Seiten Anlagen sein.

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Eventuelle Arbeitsproben, Dissertationen etc, bitte nur auf ausdrücklichen Wunsch mitschicken. Die Ausnahme bilden journalistische und künstlerische Berufe, denn hier sind Arbeitsproben üblich. Über eine witzige Arbeitsprobe lesen Sie im Beispiel „Bewerbung im Hemd - aber nicht hemdsärmelig“! in Kapitel 18.

Der Lebenslauf - kurz und aussagekräftig

Es gibt viele Varianten, einen Lebenslauf zu schreiben. Es wird auch selten so viel gelogen wie in Lebensläufen. Einige „Korrekturen“ sind erlaubt, andere wiederum können, wenn die Unwahrheit ans Licht kommt, zu einer fristlosen Kündigung führen. Wenn Ihre berufliche Vita Lücken aufweist, überlegen Sie sich, welche beruflich nutzbaren Erfahrungen Sie in dieser Zeit gemacht haben und versuchen Sie, zu den Tatsachen zu stehen. Der tabellarische Lebenslauf hat sich überwiegend durchgesetzt, handschriftliche Lebensläufe sind nur auf Verlangen abzugeben. Wie Lebensläufe zu schreiben sind, haben viele andere Autoren bereits geschildert, siehe Literaturverzeichnis ab Seite 213. Ich möchte deshalb nur auf das eingehen, was mir aus Sicht der Unternehmen geschildert wurde und mir sinnvoll erschien. Übrigens arbeiten die Bildungsminister der EU an einem standardisierten Formular für tabellarische Lebensläufe, dem so genannten Curriculum Vitae, um den Unternehmen die Bewertung zu erleichtern.

Der Lebenslauf sollte leicht lesbar sein. Deshalb verwenden Sie bitte eine Schriftart mit Serifen, wie zum Beispiel Times Roman. Serifen sind die „Schwänzchen“ an den einzelnen Buchstaben, die dem Auge helfen, die Zeile zu halten. Sie können auch die heute gängige Arial als Schriftart wählen. Zier- oder Schreibschriften sind nicht angebracht.

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Eine Variante der Gliederung des Lebenslaufs könnte so aussehen:

(Seite l rechts oben oder mittig - Schriftgrad 12) Name Adresse Telefonnummer E-Mail-Adresse (Seite l mitten auf dem Blatt Ihr Foto) (Seite l unter dem Foto - Schriftgrad 16 oder ähnlich) Bewerbungsunterlagen für: (Nennen Sie die Position, die

Sie anstreben) Seite 2 und folgende als Fußzeile Ihren Namen, Anschrift und

Telefonnummer. Die Rubrik sollte links stehen, zum Beispiel Schulbildung, Aus- und Weiterbildung, Wehrdienst, Sprachkenntnisse, Beruflicher Werdegang, Sonstiges. Darunter die Jahreszahl des Abschlusses oder von wann bis wann Sie dort ausgebildet oder tätig waren. Monat und Jahr genügen im Allgemeinen.

Auf Seite 2 oben in größerer Schrift wird mittig das Wort „Lebenslauf“ geschrieben und etwas kleiner darunter Ihr voller Name. Wenn Sie Akademiker sind, nennen Sie bitte Ihren Titel vor Ihrem Namen. Dann folgen die persönlichen Details wie Geburtstag, Geburtsort, Familienstand, Anzahl der Kinder, Staatsangehörigkeit. Sie können mit den besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen (zum Beispiel Sprachen, EDV...) weitermachen oder gleich zur Schulbildung übergehen. Hier nennen Sie den höchsten Abschluss. Wenn Sie studiert haben, so nennen Sie Studiengang, Universität und Abschluss. Die Praktika führen Sie gesondert auf. Wichtig ist noch der Schulabschluss wie Mittlere Reife, Fachoberschule oder Abitur.

Die berufliche Ausbildung wie IHK-Abschluss, Gesellen- und Meisterbrief, Praktika, Weiterbildung folgt als nächste Rubrik in

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chronologischer Reihenfolge. Ihren beruflichen Werdegang stellen Sie als Nächstes dar. Hier beginnen Sie mit Ihrem letzten Arbeitgeber. Nennen Sie Firma, Firmensitz und Ihre Tätigkeitsbezeichnung. Wenn Sie Führungsaufgaben wahrgenommen haben, so nennen Sie bitte Anzahl der geführten Mitarbeiter und wem Sie unterstellt waren. Gehen Sie kurz (maximal fünf Zeilen) auf die wichtigsten Aspekte Ihrer Tätigkeit ein. Stellen Sie heraus, welche Erfahrungen Sie für Ihre neue Position mitbringen. Wenn die Beschäftigungszeit sehr kurz war (unter zwei Jahren), empfiehlt es sich, den Grund für den Wechsel anzugeben. Wenn Sie als freier Mitarbeiter gearbeitet haben, geben Sie die Projekte und Ihren Auftraggeber an. Am Ende des Lebenslaufs können Sie Ihre persönlichen Interessensgebiete darlegen oder auf ehrenamtliche Tätigkeiten und Verbandszugehörigkeiten eingehen. Auf jeden Fall muss der Lebenslauf datiert und im Original - am besten mit blauer Tinte - unterschrieben sein.

Es gibt die verschiedensten Varianten und Empfehlungen, wie man einen Lebenslauf zu schreiben habe. In den Interviews mit Personalreferenten wurde ich immer wieder gebeten, in diesem Buch darauf hinzuweisen, dass es wichtig sei, die wesentlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Bewerbers schnell erfassen zu können. Deshalb wird auf Übersichtlichkeit der größte Wert gelegt. Ob der Lebenslauf nun zwei oder sechs Seiten habe, sei zweitrangig, an erster Stelle lägen die leichte Lesbarkeit und die präzise Ausdrucksweise. Seien Sie kundenfreundlich und passen Sie die Aussagen Ihres Lebenslaufs den Erfordernissen Ihrer angestrebten Position an. Das heißt, wenn Sie sich für eine Position im Export bewerben, heben Sie in Ihrem Lebenslauf die Qualifikationen und Kenntnisse hervor, die Sie für diese Position als wichtig erachten. Wenn Sie einen Job mit Auslandseinsätzen anpeilen, so werden Sie auf Ihre Sprachkenntnisse, Erfahrungen mit anderen Kulturen und Ländern besonders eingehen.

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Hier eine sehr kurze Lebenslaufvariante:

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Das Qualifikationsprofil - ein Sahnehäubchen

Wenn Sie die Form des individualisierten tabellarischen Lebenslaufs wenig begeistert, so steht Ihnen die Möglichkeit

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offen, ein Qualifikationsprofil zu erstellen. Dieses Profil bezieht sich auf die Position, die Sie anstreben, das heißt, welche Fähigkeiten/Kenntnisse Sie dafür prädestinieren. Ihre Aussagen sollten sich exakt auf die ausgeschriebene Tätigkeit beziehen und auf einer Seite Platz haben. Diese Seite sortieren Sie in der Bewerbungsmappe noch vor dem Lebenslauf ein, so dass sie das Erste ist, was der Betrachter in Ihrer Bewerbungsmappe sieht. Dahinter erst findet er den standardisierten Lebenslauf sowie die Zeugnisse und Referenzen.

Worin bestehen die Vorteile eines Qualifikationsprofils? Der Empfänger findet auf einem Blatt Papier übersichtlich alles dargestellt, was er vom Bewerber für diese Stelle wissen muss. Persönliche Daten und alle nötigen Hintergrundinformationen holt sich der Personalreferent, wenn die Voraussetzungen des Bewerbers mit denen der Stelle übereinstimmen, aus dem beigefügten Lebenslauf und den Zeugnissen. Er spart also Zeit und lästiges Blättern. Das wirkt sich generell als Pluspunkt für den Kandidaten aus, denn jede Form der Kundenorientierung ist für den Unternehmenserfolg heute mehr denn je eine wichtige Voraussetzung, Auch wenn ein Mitarbeiter nichts mit den Kunden des Unternehmens zu tun hat, so hat er doch im Innenverhältnis mit anderen Mitarbeitern zu arbeiten, die seine „internen Kunden“ sind. Diese Zusammenarbeit gestaltet sich zunehmend reibungsloser, je ausgeprägter die Einstellung „Wie kann ich Ihnen die Arbeit erleichtern?“ beziehungsweise „Was ist der Sache dienlich?“ vorhanden ist. Man kann es auch als kooperatives Miteinander bezeichnen im Gegensatz zu dem Hauen und Stechen, das leider immer noch weit verbreitet ist. Dem Qualifikationsprofil merkt man sehr schnell an, ob sich der Bewerber mit der Stellenanzeige wirklich auseinander gesetzt hat und wie er deren Inhalt interpretierte.

Ein Qualifikationsprofil kann so aussehen:

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Qualifikationsprofil für Technischen Einkäufer

Sie wünschen Ich biete Zusätzliches

Diplomingenieur, Werkstofftechnik

Studienabschluss Dipl.-Ing.TU München

Diplomarbeit im Bereich Oberflächen-technik

2-¡ahrige berufliche Tätigkeit

1995-1998 Tätigkeit bei Dornier Aircraft in der Abteilung Technischer Einkauf

Kenntnisse von Qualitätssicherungs-systemen und Werkstoffprüfung

1999 Weiterbildung bei der IHK Oberpfalz Qualitätssicherungs-verfahren ISO 9001

Ausbildung zum Auditor

Berufserfahrung im Bereich Luftfahrt

3 Jahre Tätigkeit für Wingbird Aircraft

Sicheres und selbstbewusstes Auftreten

Ein persönliches Kennenlernen, damit Sie sich davon überzeugen können

Englisch in Wort und Schrift

3monatiges Praktikum in San Diego während meines Studiums, Sprachdiplom: Cambridge First Certificate

Während meines Praktikums lernte ich meine heutige Frau kennen, Ich bin mit der amerikanischen Mentalität dadurch sehr vertraut.

Organisations-talent Einführung ISO 9000 bei Fa. Müller

Kostenbewusstsein Verbesserungsvorschlag bei Fa. Müller

Hohe Belastbarkeit Siehe Zeugnisse

Bereitschaft zu Dienstreisen

Kein Problem, da ich gerne reise

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Die vollständige Bewerbungsmappe

Was gehört in Ihre Bewerbungsmappe? Lebenslauf mit Foto im Original, Kopien Ihrer Zeugnisse und Referenzen, In welcher Reihenfolge?

Lebenslauf, Abteilung Referenzen (Arbeitszeugnisse), Abteilung Aus- und Weiterbildung (Schulzeugnisse), Sonstiges Foto: Ja oder Nein?

Ich neige dazu, immer ein Foto beizulegen. Man kann sich einfach ein besseres Bild vom Bewerber machen. Allerdings halte ich es für sehr wichtig, dass das Foto professionell gemacht worden ist. In gute Bewerbungsfotos, genannt Bewerbungsserien, die von Fotografen angeboten werden, sollten Sie durchaus Geld investieren. Beachten Sie bitte länderspezifische Besonderheiten, wenn Sie sich im Ausland bewerben. Welche Art von Mappe soll es sein?

Die Mappe soll gut zu handhaben sein, beim Öffnen nicht zu viel Platz beanspruchen und schnellen Zugang zum Schriftgut bieten. Vermeiden Sie „Pomp-Bewerbungen!“ Mappen aus Pappe neigen zu Eselsohren und wirken dadurch schnell abgegriffen. Vielleicht greifen Sie eher zu einer Mappe aus Plastik oder bauen sich selbst eine: Nehmen Sie einen guten Folieneinband, in den Sie das Schriftgut legen. Die Rückseite versteifen Sie mit einem hübschem Fotokarton und das Ganze wird mit einer passenden Klemmschiene zusammengehalten.

Individualisierter Lebenslauf oder Qualifikationsprofil? Durch ein durchdachtes Qualifikationsprofil können Sie sich von Mitbewerbern positiv abheben. Zum einen signalisieren Sie Ihrem potenziellen Arbeitgeber, dass Sie sich mit der ausgeschriebenen Stelle wirklich auseinander gesetzt haben, und zum anderen genügt es, sich auf einen standardisierten Lebenslauf zu beschränken, anstatt für jede Bewerbung einen individuellen zu erstellen.

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→ Endkontrolle: Ist das Erscheinungsbild sauber und ordentlich? Enthält die

Mappe alle wichtigen Informationen? Sind alle unwichtigen Bescheinigungen etc. aussortiert? Ist die Mappe übersichtlich gegliedert?

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12 Einladung zum Vorstellungsgespräch oder

Absage?

Zuversicht ist die Mutter großer Taten. (Friedrich von Schiller)

Wenn Sie die Bewerbung verschickt haben, wird es spannend.

Werden Sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen oder nicht? Das ist die Frage. Es kann von Fall zu Fall variieren, wie lange Sie auf die Beantwortung Ihrer Frage warten müssen. Früher war es so, dass jeder Bewerber eine Empfangsbestätigung über seine eingegangenen Unterlagen erhielt, damit er sicher sein konnte, dass sie auch angekommen waren. Heute ist dies aufgrund der starken Arbeitsbelastung der Personalabteilungen leider nicht mehr möglich, so dass sich Bewerber mindestens zwei Wochen gedulden müssen, bevor sie das Unternehmen anrufen, um nachzufragen. Früher sollten Sie dies auf keinen Fall tun, denn 14 Tage entspricht der Regelzeit bei der Bearbeitung von Bewerbungen innerhalb der Firmen.

Wenn Sie beim Unternehmen anrufen, worauf ist zu achten? Ihr Anruf ist nichts anderes als eine telefonische Bewerbung und es gelten die gleichen Regeln. Lesen Sie hierzu im Kapitel „Be-Werben am Telefon - die Stimme macht's“ ab Seite 90 nach.

→ Bereiten Sie sich auf dieses Gespräch vor und erstellen Sie einen Gesprächsleitfaden mit den Fragen, die Sie beantwortet haben möchten.

→ Sorgen Sie dafür, dass Sie entspannt sind und Ihre Stimme gut klingt.

→ Wenn Sie den zuständigen Ansprechpartner erreicht

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haben, fragen Sie höflich, ob Sie gerade stören. → Wenn nicht, fassen Sie sich kurz!

→ Wenn Sie stören, vereinbaren Sie einen Telefontermin, den Sie dann bitte auch einhalten.

→ Vermeiden Sie es, Druck auszuüben, auch wenn Sie eine Entscheidung treffen wollen und Ihnen Klarheit wichtig ist.

Die Bewerbungsunterlagen kommen zurück

Bedenken Sie, dass 90 Prozent aller Bewerber eine Absage bekommen und nur 10 Prozent zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Falls Sie statt der ersehnten Einladung einen standardisierten Absagebrief bekommen, überlegen Sie sich, ob Sie wirklich alle Voraussetzungen für den Job mitgebracht hätten. Es kann sein, dass Sie beim Checklisten-Abhaken weniger Häkchen hatten als die anderen. Häufige Ablehnungsgründe für eine Bewerbung sind: Die fachlichen Mindestanforderungen der Position werden nicht erfüllt, das Alter passt nicht zum Kollegenkreis, es fehlt an Branchenkenntnissen, die Mitbewerber haben bessere Zusatzqualifikationen, die Gehaltsvorstellungen sind zu hoch. Häufig sind es auch Mängel bei den Bewerbungsunterlagen wie Eselsohren, Schreibfehler, Fettflecken... Zu häufige Stellenwechsel können ebenfalls ein Ablehnungsgrund sein, deshalb empfehle ich, die Gründe für den Stellenwechsel im tabellarischen Lebenslauf mit einem Satz darzustellen. Wenn Sie einen Standardbrief bekommen, so lohnt es sich selten, anzurufen und die Frage nach dem „Warum?“ zu stellen. Wenn eine Mitbewerberin das Rennen gemacht hat, weil sie in genau diesem Job schon Erfahrungen sammeln konnte, wenn im

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Prinzip für diesen Job ein Mann und keine Frau - oder umgekehrt - gesucht wurde, wenn man sich für einen Bewerber aus dem Haus entschieden hat oder kurzfristig die Stelle total streichen musste - diese Dinge wird man Ihnen nicht sagen wollen oder sagen können. Sie haben auch nichts mit Ihnen oder Ihren beruflichen Fähigkeiten zu tun. Mit Ihrer Persönlichkeit schon gar nicht, denn man hat Sie ja nicht einmal kennen gelernt. Ein weiser Unternehmer pflegte zu sagen „Wisch dir die Nase ab und sieh nach vorn!“, wenn etwas nicht geklappt hatte. Diese Bewerbung hat eben nicht geklappt. Es lohnt allerdings immer, für sich zu hinterfragen, welche Lernerfahrung Sie daraus ziehen können. Etwas, das Sie beim nächsten Mal besser machen können, woran Sie noch schleifen können. Waren die Unterlagen picobello? Habe ich wirklich alle für den Job notwendigen Qualifikationen? Wenn Sie sich dergestalt erst selbst an die Nase gefasst haben und zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen sind, dann können Sie - vorausgesetzt Ihr Herz hängt wirklich daran - beim zuständigen Personalreferenten anrufen und nach dem Grund für die Absage fragen. Wenn Sie keine schlüssige Antwort erhalten, was zu vermuten ist, fragen Sie nach einem Tipp, den Sie in Zukunft beherzigen sollen. Dann richten Sie sich wieder auf, sehen Sie nach vorn - und auf geht's zu neuen Ufern!

Laut Informationen einiger Karriereberater sollte auf sechs Bewerbungen mindestens eine Einladung zum Vorstellungsgespräch kommen. Wenn Sie mehr Absagen bekommen haben, könnte es sich lohnen, einen Karriereberater oder Coach zu Rate zu ziehen. Meist genügen zwei Sitzungen, damit Sie Ihre Stärken und Erfahrungen wirkungsvoll präsentieren können.

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13 Hurra-Sie sind zum Vorstellungsgespräch

eingeladen!

Ein Gespräch ohne Vorbereitung ist wie eine Therapie ohne Diagnose. (Unbekannt)

Herzlichen Glückwunsch! Es freut mich für Sie, dass Sie das erste Hindernis mit Bravour genommen haben und sich unter den „Top Ten“ der Bewerber befinden, die zum Vorstellungsgespräch gebeten werden. Falls Sie Probleme haben sollten, den vom Unternehmen vorgeschlagenen Termin für Ihr Vorstellungsgespräch wahrzunehmen, überlegen Sie sich zuallererst, ob Sie Ihren persönlichen Termin nicht verschieben können. Firmen terminieren ganze Tage mit Vorstellungsgesprächen durch, das heißt Sie kommen um 9:00 Uhr dran, der nächste Kandidat um 10:30 Uhr und so weiter. „Wenn Sie, aus welchen Gründen auch immer, den für Sie vorgesehenen Termin verschieben müssen, kommt diese abgestimmte Planung der Bewerbungsgespräche durcheinander und es entsteht ein nicht zu unterschätzender zusätzlicher Aufwand. Denn einen Termin zu verschieben bedeutet einen Arbeitsaufwand von mindestens 45 Minuten: Der Personalsachbearbeiter muss die zuständigen Personen der Fachabteilung anrufen, ihre Anwesenheit beziehungsweise terminliche Verfügbarkeit abklären, um Ihnen dann den neuen Termin mitzuteilen und schriftlich zu bestätigen. Außerdem wird er für den durch Ihre Terminverlegung frei gewordenen Zeitraum einen weiteren Kandidaten einschieben, was noch einmal mit Aufwand verbunden ist. Bedenken Sie: Im schlimmsten Fall kann es durchaus sein, dass dieser „eingeschobene“ Kandidat Ihnen den heiß begehrten Job

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wegschnappt! Deshalb bitten Sie um eine Verlegung Ihres Vorstellungsgesprächs erst dann, wenn Sie alle Alternativen ausgeschöpft haben.

Denken Sie daran, den Vorstellungstermin zu bestätigen, auch wenn nicht ausdrücklich darum gebeten wird. Eine Einladung wird ausgesprochen und vom Eingeladenen entweder angenommen oder abgelehnt - wie im gesellschaftlichen Leben auch. Die Terminbestätigung können Sie telefonisch, per E-Mail oder Fax vornehmen - wie es für Sie am einfachsten ist. Wenn Sie schriftlich reagieren, dann bitte in ordentlicher Darstellung und korrekter Rechtschreibung.

Mythos „Erster Eindruck“

Wussten Sie, dass der erste Eindruck, den wir von einem Menschen haben, innerhalb von 12 bis 30 Sekunden geprägt wird? Nicht nur, dass wir diesen Menschen sofort in die Schubladen „Freund“ oder „Feind“ einsortieren, sondern viel schlimmer, wir bilden uns über diesen Menschen ein Urteil, noch bevor wir ein Wort mit ihm gewechselt haben! Diese Vor-Urteile sind schwer veränderbar.

Wie schon der Volksmund sagt: „Der erste Eindruck ist immer der richtige.“ Wir können im Vorfeld trotzdem vieles unternehmen, damit der erste Eindruck von uns ein positiver ist - vom Äußeren wie von der inneren Einstellung her. Lassen Sie uns mit dem Äußeren beginnen und eine Bestandsaufnahme durchführen, und zwar von oben nach unten:

Äußere Vorbereitung Wie gepflegt sind Ihre Haare, Ihre Frisur? Überlegen Sie sich, ob vor Ihrem Vorstellungstermin noch ein

Friseurbesuch notwendig ist. Wenn Sie sich nicht sicher sind,

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empfiehlt es sich auf jeden Fall, einen Termin beim Figaro zu machen und die Haare in Fasson bringen zu lassen. Von drastischen Styling-Experimenten und allzu grellen Färb- und Strähnenkombinationen sollten Sie allerdings Abstand nehmen, wohingegen seriösklassisch mit einem Schuss Pep immer in Ordnung ist.

Ist Ihr Teint frisch und klar? Wenn Sie Pickel oder Mitesser plagen, empfiehlt sich ein

Peeling oder ein Besuch bei der Kosmetikerin. Übrigens sollte dieser Termin zur allmonatlichen Pflegeroutine nicht nur von Frauen, sondern auch von Männern gehören!

Wie sehen Ihre Hände aus? Gepflegte, saubere Fingernägel werden immer positiv zur

Kenntnis genommen. Es lohnt sich durchaus, in eine professionelle Maniküre (Kostenpunkt zirka 15 Euro) zu investieren, wenn Sie selbst kein Könner im Umgang mit Schere und Feile sind. Sollten Sie zu den vielen weiblichen Geschöpfen gehören, die kurze Fingernägel haben, stehen Sie dazu. Es kann durchaus hinderlich sein, sich mit künstlichen „Krallen“ zu schmücken.

Wie halten Sie es mit Geruch und Düften? Die Benutzung von Deodorants sollte zu Ihrem täglichen

Hygieneritual gehören. Wenn Sie zu den Menschen gehören, die in Prüfungs- oder Stresssituationen, und ein Vorstellungsgespräch gehört auf jeden Fall zu beiden Kategorien, stark transpirieren: Waschen Sie sich nochmals kurz vor dem Gesprächstermin, benutzen Sie ein gutes Deo und lassen Sie es kurz trocknen, bevor Sie sich ankleiden. Wenn diese Vorbeugemaßnahme nicht ausreicht, empfehle ich ein Chlorophyll-Präparat, das Sie in jeder Apotheke rezeptfrei erhalten. Sie können - rechtzeitig vor Ihrem Termin - ein Pfefferminzbonbon lutschen oder ein Atemspray benutzen. Ein frischer Atem wirkt immer angenehm. Der Gebrauch von

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Aftershave oder Parfüm sollte wohl dosiert erfolgen. Berücksichtigen Sie, dass nicht jeder Ihre Vorlieben teilt und üppige Duftwolken sensible Nasen empfindlich stören können. In den USA hat man sogar schon parfumfreie Zonen eingerichtet!

Was ziehen Sie zum Vorstellungsgespräch an? Prüfen Sie Ihren Kleiderschrank auf geeignete Garderobe. Sie

sollte der angestrebten Position entsprechen und muss nicht zwangsläufig teuer sein. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie einen in Kleidungsfragen versierten Freund oder lassen Sie sich von einer qualifizierten Stylistin beraten.

Es gibt zwar kaum noch eine starre Kleiderordnung - doch einige ungeschriebene Gesetze sollte man beachten: Klassische Businessfarben sind dunkelblau, grau, schwarz und beige. Sie wirken Vertrauen erweckend und signalisieren Kompetenz. Für Herren empfiehlt sich ein Straßenanzug oder eine Kombination. Das Hemd sollten Sie in einer hellen Farbe wählen. Die Krawatte sollte dezent und trotzdem modisch sein, vor allem aber Typ und Outfit unterstreichen. Je nach Unternehmen sind Sie auch in Hose und Pulli angemessen gekleidet, wobei Sie aber den heißgeliebten ausgebeulten Isländerpulli oder das sportliche Sweatshirt diesmal im Schrank lassen sollten. Bei Damen ist entweder das klassische Kostüm oder der Hosenanzug angesagt. Auch ein Sommerkleid mit Jackett oder eine schicke Strickkombination mag passend sein. Bluse oder Shirt sollten helle Farben haben. Auf den

Transparentlook sollten Sie im Vorstellungsgespräch auf jeden Fall verzichten, denn schick ist gut, sexy kann gefährlich sein.

Ganz wichtig; Ihre Kleidung muss gepflegt und sauber sein. Also lieber nochmals reinigen lassen, wenn Sie sich unsicher sind, ob das gute Stück einen Fleck hat oder nur der Stoff changiert.

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Wie viele Accessoires sind angesagt? Inklusive Brille und Haarspange sollten Sie nicht mehr als 9

Schmuckstücke tragen, zum Beispiel: 2 Ohrringe, l Uhr, l Armband, 3 Ringe, l Kette und Ihre Brille. Funkelnd behängte „Weihnachtsbäume“ sind ebenso out wie überreich geschmückte „Pfingstochsen“.

Welche Schuhe sollten Sie wählen? Die Schuhe sind ein heikles Thema. Sie tragen uns durch

unser Leben und sind vielen Beanspruchungen ausgesetzt. Häufig sehen sie die Schuhcreme zu selten und den Schuster gar nicht. Schiefgelatschte Absätze und abgestoßene Spitzen sollten Sie auf jeden Fall reparieren lassen. Wenn Sie in neue Schuhe investieren wollen, so wählen Sie ein klassisches Modell, in dem Sie gut laufen können. Vor Ihrem Termin sollten Sie die Schuhe ein paar Mal angehabt haben, um sie einzulaufen, denn nichts ist gemeiner als schmerzende Füße und Blasen! Meine Erfahrung ist, dass sich die (leider nicht unerhebliche ) Investition in ordentliches Schuhwerk immer lohnt. Die Farbe Ihrer Handtasche oder Aktentasche sollte mit der Farbe Ihrer Schuhe entweder übereinstimmen oder zumindest damit harmonieren.

Haben Sie ein sauberes Taschentuch? Auch wenn es altmodisch klingen mag - stecken Sie ein

sauberes Taschentuch ein! Die Gefahr feuchter Hände oder eines Niesanfalls ist immer gegeben.

Bekommen Sie vor Aufregung nasse Hände? Vor dem Termin mit ein wenig Talkumpuder einreihen! Das

hilft über das erste Händeschütteln trocken hinweg. Welches Makeup ist angebracht? Ihr Tages-Makeup sollte dezent und der Gesichtsform

angepasst sein. Die individuelle Gesichtsfarbe und Ihr Typ sollten unterstrichen werden. Vermeiden Sie es, den Eindruck zu erwecken, Sie seien gerade einem „Farbeimer“ oder gar der

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Familiengruft entstiegen. Auch hier mag die Unterstützung durch eine Kosmetikerin oder Makeup-Stylistin helfen, das Beste aus Ihrem Typ zu machen. Von so einer Beratung profitieren Sie oft ein Leben lang.

Generell gilt: Wählen Sie Ihre Kle idung konventionell und klassisch aus, fügen Sie Ihren persönlichen Akzent hinzu, so wie Sie es im Job auch tun würden. Sie sollten sich in Ihrer Haut und in Ihrer Kleidung wohl fühlen, denn das Vorstellungsgespräch ist anstrengend genug, und wenn Sie Ihr Outfit dann noch kneift und zwickt, kann das fatale Folgen haben. Wenn Sie sich jedoch gut fühlen, strahlen Sie das auch aus: Ihre Gesichtszüge wirken straff, Ihre Augen sind lebendig und die Mundwinkel bewegen sich leichter in Richtung oben, denn im Vorstellungsgespräch darf durchaus gelacht werden. Ihre Haltung und Ihr Gang sind aufrecht, Ihre Körpersprache ist stimmig. Bedenken Sie, dass manche Firmen den Parkplatz beobachten, um zu sehen, wie Sie sich verhalten und bewegen, wenn Sie sich unbeobachtet glauben!

Übrigens: Wussten Sie, dass Aussehen, Gestik und Mimik unseren Erfolg zu 55 Prozent beeinflussen?

Die richtige mentale Einstellung bringt's!

Wir hören es oft im Fernsehen: Viele Sportler geben ihrer fehlenden mentalen Vorbereitung die Schuld, wenn sie ein Match verloren haben, Fußballer müssen „mental gut drauf sein“, Rennfahrer und Tennisspieler ebenso. Was genau verbirgt sich dahinter?

Zum einen eine positive Einstellung gegenüber sich selbst. Affirmationen (das sind positive Bestätigungen} wie zum Beispiel „So wie ich bin, bin ich okay“ oder „Es steht mir alles zur Verfügung, was es braucht, um dieses Spiel zu gewinnen“ strahlen aus auf die physische Haltung und der Körper lügt

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nicht. Diese Affirmationen sollten Sie mit einem guten Trainer erarbeiten, denn sie begründen gewisse mentale Programmierungen. Sie kennen das von Ihrem Computer: Wenn die Programme fehlerhaft sind oder nicht ordentlich synchron laufen, haben Sie ziemlich großen Ärger mit Ihrem Gerät, So ähnlich verhält es sich auch mit unserem Gehirn, Sie sollten sich und Ihre Ziele noch einmal bewusst hinterfragen: Will ich diesen Job wirklich? Wenn ich ihn bekomme, bin ich auch die richtige Person dafür? Was ist, wenn ich den Job nicht bekomme?

Überprüfen Sie Ihre Einstellung zum Unternehmen, zu dessen Produkten und Ihrer Zukunft in dieser Firma. Welches sind Ihre Bedenken, Ihre Hoffnungen, Ihre Wünsche? Machen Sie sich Notizen für das Vorstellungsgespräch.

Spielen Sie die Vorstellungssituation vorher gedanklich in allen nur möglichen Varianten durch. Malen Sie sich die Details, die Fragen und Ihre Antworten so farbig und konkret wie möglich aus. Sehen Sie sich dazu auch den Interviewleitfaden auf Seite 27 und die Vorstellungs-Kurznotiz auf Seite 29 an. Einige Vorschläge:

Variante 1 : Das perfekte gelungene Vorstellungsgespräch Man ist sich auf Anhieb sympathisch, die Chemie stimmt, das

Gespräch verläuft sehr angenehm, man ist sicher, man hat gute Chancen, den Job zu bekommen. Diese Variante sollten Sie sich in allen Details immer wieder im „Gehirnkino“ ansehen, also immer wieder gedanklich durchspielen.

Variante 2: Das schwierige Vorstellungsgespräch Man weiß nicht so recht und ist nervös, der Gesprächsverlauf

ist zwar freundlich, aber irgendwie schleppend. Am Ende trennt man sich höflich und ein bisschen erleichtert, aber ob man zum zweiten Gespräch eingeladen wird, hängt noch in der Luft.

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Diese Vorstellung hilft Ihnen, auch schwierige Gesprächssituationen in der Realität elegant zu meistern, denn Sie hatten sie ja bereits gedanklich in allen Facetten durchgespielt.

Variante 3: Der schlimmste Fall Die gegenseitige Sympathie hält sich in Grenzen, Das

Gespräch ist stockend und holprig, das Interesse füreinander gering. Am liebsten würden Sie das Gespräch abbrechen und Ihre Bewerbung zurückziehen. Wie ginge es Ihnen damit? Was für Konsequenzen würde dieses Verhalten nach sich ziehen? Auch wenn Ihnen diese Vorstellung unangenehm ist, versuchen Sie trotzdem gedanklich das Gespräch zum Positiven zu wenden und greifen Sie in Ihrer Fantasie zu allen Mitteln und Tricks, die Ihnen einfallen.

Dieses Vorgehen dürfen und sollten Sie sich bei allen

Varianten erlauben. Es ist ja nicht die Realität, sondern ein mentales Gedankenspiel, das Ihnen helfen soll, sich auf den „Ernstfall“ vorzubereiten. Es lohnt sich auf jeden Fall, sogar das Ungewöhnlichste durchgespielt zu haben. Stellen Sie sich die unbequemsten Fragen vor, die Ihnen gestellt werden könnten, und bereiten Sie darauf alle möglichen Antworten vor - schlüssige, intelligente, freche und außergewöhnliche. Spielen Sie mit so vielen Möglichkeiten wie nur möglich, damit Sie für alle Eventualitäten gewappnet sind.

Locker und gelassen, das ist der Gemütszustand, den Sie haben sollten, wenn Sie in ein Vorstellungsgespräch gehen. Sie sollten sich Ihrer Sache sicher sein und eine vorurteilsfreie Einstellung gegenüber Ihren Gesprächspartnern haben. Welches Interesse sollte Ihr Gegenüber daran haben, Ihnen eine bösartige Falle nach der anderen zu stellen? Es ist doch so: Die Firma braucht einen geeigneten Mitarbeiter - Sie brauchen einen

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geeigneten Job. Also stehen Sie beide auf der gleichen Ebene; beide können gewinnen, beide können verlieren. Es kommt hier auf ein ausgewogenes Geben und Nehmen an, denn bedenken Sie, dass eine falsche Personalentscheidung das Unternehmen mindestens einen sechsstelligen Betrag kosten kann. Sie verlieren auf jeden Fall unersetzbare Lebenszeit. Deshalb sind Offenheit und Ehrlichkeit sehr wichtig, und zwar von beiden Seiten! Sie verlassen sich doch auch darauf, dass das, was man Ihnen im Vorstellungsgespräch verspricht, im Arbeitsverhältnis eingehalten wird, oder?

Checkliste: Fragen, auf die Sie unbedingt vorbereitet sein

sollten:

1. Erzählen Sie von sich! 2. Beschreiben Sie Ihre Berufserfahrung, wo haben Sie

welche Erfahrungen gemacht? 3. Weshalb haben Sie Ihr Studium/Ihre Ausbildung

abgebrochen? 4. Weshalb verlassen Sie Ihre jetzige Arbeitsstelle? 5. Wie würden Sie sich selbst beurteilen? Welches sind Ihre

größten Starken/ Schwächen? 6. Haben Sie bereits Führungserfahrung? Wenn ja, welche,

und wie gingen Sie damit um? Checkliste: Fragen, auf die Sie unbedingt vorbereitet sein

sollten (Fortsetzung) 7. Arbeiten Sie gerne im Team oder sind Sie lieber ein

Einzelkämpfer? 8. Wie strukturieren Sie Ihre Arbeit? Was tun Sie

gerne/ungern? 9. Welches sind Ihre mittelfristigen/langfristigen

Karriereziele? 10. Welche Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse bringen

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Sie mit, um in dieser Position erfolgreich zu sein? 11. Wie lange würden Sie in dieser Position bleiben? Wie

stellen Sie sich Ihre weitere Entwicklung vor? 12. Was wissen Sie über unsere Firma, unsere Produkte,

unsere Märkte, unsere Kunden? Was gefällt Ihnen daran? Was würden Sie verändern?

Checkliste: Fragen, auf die Sie unbedingt vorbereitet sein sollten (Fortsetzung)

13. Warum haben Sie sich bei uns beworben? 14. Was halten Sie von unserer hierarchischen Struktur? 15, Wie ist Ihre private Situation, sind Sie verheiratet, haben

Sie Kinder, was arbeitet Ihre Frau/Ihr Mann? 16. Wie mobil sind Sie? Wie ist Ihre Einstellung zu

Dienstreisen, zu einem Umzug? 17. Welche Sprachen sprechen Sie? Wie gut? Können wir das

Gespräch in dieser Sprache fortsetzen? 18. Welche Erfahrungen haben am meisten zu Ihrer

Persönlichkeit beigetragen? Checkliste: Fragen, auf die Sie unbedingt vorbereitet sein

sollten (Fortsetzung) 19. Bei welchen anderen Firmen haben Sie sich beworben? 20. Was bedeutet Verantwortung für Sie? Übernehmen Sie

gerne Verantwortung? Man kann es nicht oft genug sagen: Geben Sie ehrliche Antworten! Sie müssen nicht auf jede

Frage eine Antwort haben. Es zeugt von Ehrlichkeit und Zivilcourage, zu sagen „Das weiß ich nicht“ oder „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht“. Sie können sich Zeit erbitten, um über Ihre Antwort nachzudenken, oder nach weiteren Informationen fragen. Das kommt oft besser an als die

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gut eingeübten „spontanen“ Antworten. So wie Sie durchaus in der Lage sind, unehrliche oder Gefälligkeitsantworten zu erkennen, so erkennt sie Ihr Gegenüber auch - und das gibt Minuspunkte.

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14 Darf ich vorstellen?

Man kann nicht nicht kommunizieren.

(Paul Watzlawik) Nun ist er da, der große Tag, an dem Sie zeigen können, wer

Sie sind, und erläutern können, warum Sie den Job bekommen sollten.

Erinnern Sie sich: Sie haben maximal 30 Sekunden Zeit für den ersten Eindruck! In dieser Mini-Zeitspanne Auftreten, Körpersprache und Ausstrahlung zu kontrollieren ist schlichtweg unmöglich. Also probieren Sie es erst gar nicht - sondern besinnen Sie sich auf Ihr mentales Training (wer Sie sind, was Sie zu bieten haben ...) und werden Sie innerlich ganz ruhig.

Um bewusst zu entspannen und zur Ruhe zu kommen, ist es ganz wichtig, gut durch die Nase ein- und durch den Mund auszuatmen. Eine gute Übung ist zum Beispiel: tief ein- und ausatmen, dabei den Beckenboden entspannen und sich eine positive Gesprächssituation vorstellen. Dabei sagen Sie sich innerlich: „So wie es kommt, ist es recht. Ich tue mein Bestes, um den für mich besten Job zu bekommen.“ Und auf geht's!

Selbstverständlich werden Sie pünktlich und gut vorbereitet erscheinen. Wenn Sie es für passend halten, können Sie auch 15 bis 30 Minuten früher da sein, um die Atmosphäre aufzunehmen und sich in Ruhe vor Ort nochmals mental vorzubereiten. Vielleicht werden Sie am Empfang abgeholt oder der Pförtner schickt Sie gleich in Richtung Besprechungsraum, wo Sie der Personalreferent und vielleicht auch gleich Ihr zukünftiger Vorgesetzter erwarten. Wenn Sie beim Empfang abgeholt werden, ist das neben einer freundlichen Geste auch eine prima

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Gelegenheit, um neben freundlichem „Smalltalk“ ein paar Fragen zu stellen, zum Beispiel „Wie lange sind Sie schon in der Firma?“, „Was machen Sie im Unternehmen?“ Im Besprechungsraum angekommen, bedanken Sie sich höflich bei Ihrem Begleiter und verabschieden sich. Das wird meistens vor lauter Nervosität vergessen und derjenige, der trotzdem daran denkt, macht einen positiven Eindruck.

Ihre Gesprächspartner begrüßen Sie wahrscheinlich direkt mit Namen und stellen sich Ihnen vor. Wenn Ihnen ein Platz angeboten wird, so empfiehlt es sich, diesen zu nehmen - auch wenn Sie mit dem Rücken zur Tür und dem Gesicht zum Fenster sitzen. Wenn Sie das Licht blendet, sagen Sie es und bitten um Erlaubnis, einen anderen Sitzplatz zu wählen. Die Stühle am Kopf oder Fußende des Tisches sind allerdings tabu! Setzen Sie sich zeitgleich mit Ihrem Gegenüber. Nehmen Sie eine aufrechte (keine steife) Haltung ein. Bequemes Lümmeln ist megaout. Möglicherweise benötigte Unterlagen sollten Sie ohne langes Suchen zur Hand haben. Dafür - und wenn Sie sich Notizen machen möchten - empfiehlt sich eine separate Dokumentenmappe. Wenn Sie eine Fragenliste vorbereitet haben, können Sie sie ruhig auf den Tisch legen und für Ihre Notizen verwenden. Wenn Ihnen etwas zu trinken angeboten wird, so nehmen Sie es dankend an. Sonderwünsche wie „Ich hätte bitte gerne einen Tee, Pfefferminz, wenn es geht“ verursachen dem Gastgeber Umstände und Mehrarbeit, also verzichten Sie darauf, vor allem wenn Ihr Wunsch einem geheimen Profilierungswunsch entspringt.

Monolog oder Dialog?

Jedes Vorstellungsgespräch läuft anders ab. Manchmal werden zuerst das Unternehmen und die Position vorgestellt, manchmal wird auch der Bewerber zuerst befragt. Wie auch

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immer bemühen Sie sich, von Ihrer Seite alles dazuzutun, damit das Gespräch „wie unter Freunden“ abläuft.

→ Seien Sie freundlich, ohne unterwürfig zu sein

→ Halten Sie Augenkontakt, ohne zu starren → Antworten Sie präzise, umfassend und kurz

→ Tragen Sie zu einer offenen Gesprächsatmosphäre bei, man will Sie ja schließlich kennen lernen!

Immer wieder höre ich, dass sich Bewerber wie Schildkröten verhalten - also ihren Kopf einziehen und ganz still sind, Zweck eines Vorstellungsgesprächs ist das gegenseitige Kennenlernen und vor allem die Gelegenheit für Sie, sich selbst als den Top-Kandidaten darzustellen, indem Sie Ihre Energie, Ihre Kompetenz und Professionalität eindeutig rüberbringen. Gleichzeitig können Sie viel über Ihren künftigen Arbeitgeber erfahren. Deshalb: Stellen Sie Ihre vorbereiteten Fragen und diejenigen, die im Gespräch auftauchen, und achten Sie darauf, dass Sie Ihrem Gegenüber genügend Zeit lassen für seine Fragen, so dass ein fairer Informationsaustausch in einer angenehmen Gesprächsatmosphäre entstehen kann.

Stellen Sie vor allem offene Fragen. Sie beginnen alle mit W -Wer, Wo, Weshalb, Wieso, Wann und sind nicht mit einem Ja oder Nein zu beantworten. Zum Beispiel: „Warum ist die Stelle zu besetzen?“ anstatt „Ist dies eine neue Stelle?“ Sprechen Sie von sich aus Themen an, die Sie am meisten interessieren - nicht zuletzt auch, welche Erwartungen Sie an Ihren Vorgesetzten haben.

Fragen an den potenzielten Vorgesetzten

→ Wie stellen Sie sich den idealen Mitarbeiter vor?

→ Was freut Sie - was macht Sie wütend? → Wie gehen Sie mit Ihren Mitarbeitern am liebsten um?

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→ Worauf muss ich mich bei Ihnen einstellen? Erlauben Sie Ihrem Gegenüber, Ihnen die gleichen Fragen zu

stellen, und seien Sie darauf vorbereitet. Erzählen Sie, was Sie über die Firma wissen und warum Sie gerne dort arbeiten möchten. Stellen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein - hören Sie ihm genau zu und geben Sie klare Antworten. Es ist immer gut, jede Ihrer Fähigkeiten anhand eines kurzen Beispiels darzustellen, ungefähr so: „Während meiner Tätigkeit als Bauschlosser bei Tiefhoch hatte ich folgende Situation... und habe sie bewältigt, indem ich...“ Zeigen Sie Begeisterung, wenn Sie etwas toll finden. Beweisen Sie bereits im Gespräch Ihre Fähigkeit, Lösungen zu entwickeln, anstatt immer wieder die Phrase „Das Problem ist...“ zu benutzen. Die meisten Menschen benutzen solche Redewendungen unbewusst. Das gilt auch für bestimmte Lieblingsworte wie „geil, krass“ oder wenn man jeden Satz mit „ne“ beendet.

Seien Sie sich darüber klar, dass nur eine bestimmte Zeitdauer für dieses Gespräch vorgesehen ist. Um den heißen Brei herumzuschleichen kostet Ihre wertvolle Zeit! Wenn Sie etwas nicht wissen oder unsicher sind: Stehen Sie dazu. Keiner erwartet von Ihnen, dass Sie ein wandelndes Lexikon sind oder den betriebsinternen Slang bereits beim ersten Vorstellungsgespräch verstehen. Benutzen Sie so wenig Fachchinesisch wie möglich und so viel wie notwendig. Wenn Sie von Hause aus einen Dialekt sprechen - so behalten Sie ihn auch im Vorstellungsgespräch bei, allerdings in allgemein verständlicher Form. Nichts klingt komischer als beispielsweise ein Bayer, der versucht, Hochdeutsch zu sprechen, oder im umgekehrten Falle ein Norddeutscher, der sich in Stuttgart bereits akklimatisiert zu haben glaubt und anfängt zu schwäbeln.

Halten Sie Augenkontakt - aber starren Sie Ihr Gegenüber nicht an wie ein hypnotisiertes Kaninchen die Schlange! Es ¡st normal, dass die Augen wandern, wenn Sie nachdenken, doch wenn Sie sprechen, sollten Sie Ihrem Gesprächspartner in die

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Augen sehen. Wenn mehrere Personen anwesend sind, beziehen Sie alle in den Augenkontakt ein, indem Sie immer wieder in die Runde blicken. Sollten Sie zu den schüchternen Menschen gehören, denen es schwer fällt, anderen in die Augen zu sehen, so konzentrieren Sie sich auf die Augenbrauen oder die Nasenwurzel Ihres Gegenübers, Lächeln Sie, wenn Ihnen danach zumute ist. Dauerlächeln muss nicht sein. Prüfen Sie vorher im Spiegel, wie Sie aussehen, wenn Sie ernst sind. Berücksichtigen Sie bitte, wenn Sie gerne das Gesicht verziehen, dass Ihr Gegenüber Sie gerade erst kennen lernt und Ihre Mimik und Miene noch nicht akkurat deuten kann.

Ich sehe richt ig grimmig aus, wenn ich intensiv nachdenke, Außerdem gähne ich oft, wenn ich hoch konzentriert bin, weil mein Gehirn zusätzlichen Sauerstoff braucht. Seitdem ich das weiß, weise ich einen mir unbekannten Gesprächspartner auf diese Eigenarten hin, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen.

Jeder hat seine individuellen Verhaltensweisen. Wenn sie der andere kennt, kann er damit umgehen. Wenn nicht, kann es zu Fehlinterpretationen kommen, die Ihnen schaden. Vermeiden Sie das, indem Sie die Dinge offen und konkret ansprechen. Keiner wird Ihnen deshalb böse sein, sondern die Offenheit und Selbsterkenntnis schätzen, die Sie bei diesem Verhalten demonstrieren.

Wirkungsvolle Selbstdarstellung bedingt neben der richtigen verbalen Ausdrucksform auch eine Authentizität, eine Echtheit. Seien Sie so, wie Sie sind. Wenn Sie nervös sind, wird Sie keiner dafür verdammen, jeder weiß, dass Vorstellungsgespräche mit Stress verbunden sind, und wird Verständnis für Sie aufbringen.

Ich erzähle am Anfang von Vorträgen zum Beispie l immer, dass ich Lampenfieber habe (das stimmt wirklich!) und manchmal auch Angst, den Erwartungen meines Publikums nicht zu genügen. Vielleicht ist dieses Ansprechen eigener

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Gefühle oder Missstimmungen ein typisch weibliches Verhalten. Es hat jedoch zwei wunderbare Auswirkungen: Zum einen geht es mir besser, wenn ich meine Befürchtungen ausspreche, und zum anderen bekomme ich von meinen Zuhörern so viel Sympathie und Verständnis, dass sich die Situation entkrampft. Ich denke kaum, dass männliche Bewerber als „Weicheier“ oder „Warmduscher“ abgestempelt werden, wenn sie ein ähnliches Verhalten zeigen. Außerdem, wer isst denn schon gerne ausschließlich harte Eier und duscht am liebsten kalt?

Mein dringender Rat an Sie lautet: Stehen Sie zu dem, wie es Ihnen gerade geht! Wenn Sie Bauchschmerzen haben, sagen Sie das. Und wenn Sie heute nicht Ihren besten Tag haben oder wenn Sie vor dem Termin einen Autounfall hatten und deshalb etwas durch den Wind sind, beugen Sie durch das sofortige Ansprechen dieser Tatsache möglichen Fehlurteilen Ihres Gegenübers vor, die letztlich zu Ihrem Nachteil wären. Immer mehr wird auf das Kommunikationsverhalten geachtet, vor allem darauf, wie schnell und in welcher Weise kritische Situationen angesprochen werden.

Seien Sie sich bewusst, dass eine gegenseitige Abhängigkeit besteht zwischen Unternehmen und Mitarbeiter, denn ohne Unternehmen gibt es keine Angestellten und Unternehmen können ohne Mitarbeiter nicht überleben. Wenn Sie sich diese Einstellung vor Augen halten, können Sie ganz entspannt ein Vorstellungsgespräch erfolgreich meistern.

Was interessiert das Unternehmen an potenziellen Mitarbeitern?

Der Kandidat soll: → Die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten

mitbringen, die das Unternehmen braucht.

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→ Sich einfach und reibungslos in die Organisation integrieren lassen.

→ Sofort nach Arbeitsantritt und einer kurzen Einarbeitungszeit eigenständig arbeiten.

→ Initiative entwickeln und eigenverantwortlich handeln können, also ein „Selbststarter“ sein.

→ Das Unternehmen nach außen gut repräsentieren, in keiner Weise diskreditieren und seinen Ruf nicht gefährden.

Um sich über diese Dinge ein Urteil bilden zu können, werden der Fragenkatalog von Seite 135 oder Teile daraus angewendet. Es gibt auch vorbereitete Interviewleitfäden wie auf Seite 27 und Beurteilungsbögen wie den folgenden: Beurteilung +2 +1 -1 -2

Positiver Einstieg in das Interview

Begrüßung und Händedruck Erster Eindruck

Augenkontakt

Kommunikationsverhalten

Zuhören können

Selbstsicherheit

Sprachlicher Ausdruck

Enthusiasmus .

Initiative

Präzise Darstellung

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Höflichkeit

Takt

Generelles Verhalten

Interesse am Unternehmen

Interesse an der Position

Gehaltsfrage/Gehaltsverhandlung

Selbstrespekt

Sind Antworten schlüssig und auf den Punkt gebracht?

Beendigung des Interviews

Körperhaltung

Optischer Gesamteindruck

Weitere Bemerkungen:

Informationen, die Sie bekommen sollten

Wie schon gesagt, dient das Vorstellungsgespräch dem gegenseitigen Kennenlernen, um zu sehen, ob man zusammenpasst, ob „die Chemie stimmt“ und man einige Jahre miteinander arbeiten kann und will. Dazu ist es nötig, dass Sie bestimmte Dinge über das Unternehmen, seine Zukunft und die Position als solche erfahren. Wenn Ihr Gesprächspartner nicht von alleine auf diese Punkte zu sprechen kommt, fragen Sie danach, zum Beispiel nach Produkten, Strategien und Visionen, die die Firma jetzt hat und in der Zukunft verwirklichen will.

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Lassen Sie sich die Position Ihres Gesprächspartners und die Ihre auf dem Organigramm der Firma zeigen. Ein Organigramm ist eine schematische Darstellung der Unternehmensorganisation, sie zeigt, wer welche Position innehat und wer wem unterstellt ist. Salopp ausgedrückt gibt es schnellen Aufschluss über die Anzahl der Häuptlinge und die Verteilung der Indianer.

Fragen Sie, ob Ihre Position neu dazugekommen ist oder ob es sie schon länger gibt, weshalb sie vakant geworden ist und was mit dem vorherigen Stelleninhaber geschah. Wurde er befördert oder hat er das Unternehmen verlassen? Wurde er pensioniert oder gekündigt? Kann ich mich mit ihm treffen? Wer wird mich einarbeiten?

Sie sollten auch erfahren, welche Rechte und Pflichten der Stelleninhaber hat beziehungsweise bekommen soll, was von ihm erwartet wird, welche Verantwortlichkeiten er hat und was er delegieren kann. Wie oft sind Dienstreisen zu absolvieren?

Wichtig sind auch Informationen zu Ihrer beruflichen Weiterentwicklung innerhalb der Firma. Wie lange dauert es im Schnitt, bis jemand befördert wird? Wer entscheidet darüber? Welche Weiterbildung wird vom Unternehmen gefördert und wie? Müssen dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, zum Beispiel zwei Jahre Betriebszugehörigkeit? Wird Ihnen ein Coach zur Seite gestellt?

Das Thema Geld

Es ist möglich, dass konkrete Gehaltsverhandlungen erst im zweiten Vorstellungsgespräch geführt werden. Bedenken Sie, dass das Bruttogehalt nur ein Teil des Verdienstpakets sein kann. Es gibt Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (also Aktien zu Vorzugspreisen), Firmenwagen, Pensionsversicherungen, Zielerreichungsboni, Tantiemen, spezielle Urlaubs- und

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Gleitzeitregelungen, Übernahme der Telefonkosten und vieles andere mehr - abhängig von der Firmenphilosophie.

Fragen nach dem Gehalt sollten Sie nicht stellen! Wenn Ihr Gesprächspartner nach Ihren Gehaltsvorstellungen fragt, so sollten Sie eher eine Bandbreite von... bis... angeben, anstatt eine konkrete Zahl zu nennen.

Eleganter ist es, wenn Sie Ihren Gesprächspartner bewegen können, seine Vorstellungen preiszugeben, bevor Sie Ihre Einkommenswünsche nennen. Wenn Ihnen ein Jahreseinkommen genannt wird, fragen Sie, in wie vielen Monatsgehältern es ausbezahlt wird.

Behalten Sie im Hinterkopf, dass Ihr Bruttogehaít nur ca. 50 Prozent dessen ist, was die Firma für Sie als Mitarbeiter aufwenden muss. Die Arbeitgeberanteile für die Sozialversicherung und die Kosten für Fehlzeiten wie Urlaub, Krankheit usw. kommen noch dazu, ebenso die Kosten Ihres Arbeitsplatzes, also anteilige Miete, Mobiliar, Werkzeug, Heizung, Verbrauchsmaterial. Diese Zahlen hat Ihr Gesprächspartner im Kopf, wenn er mit Ihnen über Ihre Einkommensvorstellungen spricht, so dass Sie nicht davon ausgehen können, dass Sie eine gemeinsame Basis haben.

Denken Sie daran, dass die Firma einen konkreten Nutzen aus jedem Mitarbeiter ziehen will und muss. Er soll die Produktivität erhöhen, die Kosten senken und Fehler vermeiden.

Wenn nur einer dieser Punkte durch Sie nicht erreicht werden kann, sollten Sie nicht eingestellt werden.

Besinnen Sie sich auf Ihre persönlichen Erfolgsfaktoren: Darauf, was Ihnen an Ihrem neuen Job wirklich wichtig ist, und das muss ja nicht unbedingt ein Riesengehalt sein.

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Wie geht es weiter?

Im Allgemeinen dauert ein Vorstellungsgespräch 30 bis 90 Minuten - je nach Position und Organisationsgröße. Es ist manchmal länger, manchmal kürzer - je nach Kommunikationsverhalten der einzelnen Gesprächspartner, Wenn Sie den Eindruck haben, dass alles gesagt wurde und das Gespräch am Ausklingen ist, bedanken Sie sich für die Gelegenheit sich vorzustellen und für das Interesse, das die Firma an Ihnen signalisiert hat. Fragen Sie, ob noch eine zweite Vorstellungsrunde vorgesehen ist oder bis wann Sie erfahren, ob Sie die Stelle bekommen oder nicht. Sie können ruhig ansprechen, dass Sie noch andere Bewerbungen laufen haben und sich gerne bis zum Tage X entscheiden würden, wobei Sie diesen Job jedoch am liebsten hätten.

Falls Sie allerdings im Vorstellungsgespräch den Eindruck gewonnen haben sollten, dass Sie in dieser Firma nicht arbeiten möchten, so ist es durchaus in Ordnung, wenn Sie Ihre Bewerbung nach dem Gespräch zurückziehen. Sie können das mündlich oder auch schriftlich tun. In jedem Fall empfiehlt es sich, die Entscheidung noch einmal zu überschlafen, bevor man sie mitteilt. Seien Sie bitte nicht verletzt, wenn Sie Ihre Unterlagen trotzdem mit einem Standard-Ablehnungsschreiben zurückbekommen. Es gibt leider immer noch zu wenig Firmen, die bei der Rücksendung der Bewerbungsunterlagen differenzieren.

Besonderheiten bei Vorstellungsgesprächen

Es gibt Unternehmen, die alle interessanten Kandidaten für eine Position zu einem gemeinsamen Termin einladen, um Tests

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durchzuführen, die zeigen sollen, welcher Bewerber für die Position am besten geeignet ist.

Es gibt ein breites Spektrum an Persönlichkeitstests und Eignungsprüfungen, die anzusprechen den Rahmen dieses Buches sprengen würden. Im Literaturverzeichnis finden Sie dazu einige Vorschläge. Falls das Unternehmen Einstellungstests durchführt, wird Ihnen dies meistens bereits im Einladungsschreiben mitgeteilt. Besonders wenn es sich um ein „Assessment-Center“ handelt.

Es steht Ihnen in jedem Fall zu, Ihre Testergebnisse zu erfahren! Üblicherweise besprechen die Leiter dieser Testverfahren die Ergebnisse mit den Kandidaten im Zweiergespräch. Wenn Ihre Resultate mit Ihnen nicht besprochen werden, sollten Sie darum bitten und notfalls auch darauf bestehen.

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15 Das lange Warten

Man muss jedem Hindernis Geduld, Beharrlichkeit und eine sanfte Stimme entgegenstellen. (Jefferson)

Wie schon einmal gesagt, ist Zeit ein subjektiver Begriff. Wir alle wissen, wie schnell die Zeit vergeht, wenn wir uns amüsieren und es uns richtig gut geht. Wir alle wissen aber auch, wie die Sekunden dahinschleichen, sich Stunden zu Ewigkeiten dehnen und Tage scheinbar endlos sind. Letzteres beschreibt möglicherweise den Zustand sehr genau, in dem Sie sich befinden, wenn Sie das oder die Vorstellungsgespräche hinter sich gebracht haben und nun auf die Entscheidung der Firma warten. Manche Firmen treffen ihre Entscheidung schnell - manche brauchen dazu einfach länger, je nachdem, wie lang die Entscheidungswege sind, wer wann im Hause ist und wie schnell die notwendigen internen Verwaltungsabläufe funktionieren. Die Zeitspanne sagt absolut nichts über Erfolg oder Misserfolg Ihrer Bewerbung aus. Wenn Ihnen die Zeit (ab vier bis sechs Wochen) zu lange dauert, können Sie den zuständigen Personalsachbearbeiter anrufen oder ihm, sofern Sie die Möglichkeit dazu haben, eine freundliche E-Mail senden und sich nach dem Stand der Dinge erkundigen.

Es versteht sich von selbst, dass Sie diese E-Mail nicht von Ihrem jetzigen Arbeitgeber aus senden, sondern von Ihrem privaten PC.

Teilen Sie ruhig mit, warum Sie dringend auf die Entscheidung warten, und fragen Sie, ob und gegebenenfalls wann Sie sich wieder melden sollen - und dann halten Sie sich daran! Viele Sachbearbeiter klagen über ständig anrufende Bewerber, die sie aus ihrer Arbeit reißen und somit zu weiteren Verzögerungen beitragen. Deshalb finden sie eine Nachfrage per E-Mail nicht störend, weil es am wenigsten den Arbeitsablauf

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unterbricht. Bitte seien Sie nicht unfreundlich (egal wie ungeduldig oder enttäuscht Sie sind), sondern haben Sie Verständnis für die äußerst hohe Arbeitsbelastung, die Personalsachbearbeiter haben, wenn Bewerbungsrunden laufen. Einen Satz wie „Was müssen Sie zu tun haben, dass ich noch nicht von Ihnen gehört habe“ sollten Sie mit Vorsicht anwenden, denn er kann leicht als „Verhonepipelung“ aufgefasst werden und Sie von der Liste potenzieller Mitarbeiter blitzartig entfernen. Auch „Bestechungen“ in Form von Pralinen oder Flüssigem kommen nicht gut an. Wenn Sie dem überlasteten Personalmenschen eine Ermunterung zukommen lassen wollen, so machen Sie sich vorher die Mühe, herauszufinden, womit man ihm wirklich eine Freude machen kann. Diesem Päckchen können Sie einen Begleitbrief beifügen wie etwa folgenden:

Sehr geehrter Herr/sehr geehrte Frau Sowieso, vielen Dank für den freundlichen Empfang zum Vorstellungsgespräch am... und die Mühe, die Sie sich machen. Bitte verstehen Sie beigefügtes... nicht als „Bestechung“, sondern ats Wertschätzung Ihrer Arbeit. Ich freue mich sehr auf die Mitarbeit in Ihrem Unternehmen, denn ich bin gut und für den Job am besten geeignet, weil... (Überlegen Sie sich einen wirklich knackigen ersten Grund!) Ich will für Ihre Firma arbeiten, weil... (Überlegen Sie sich einen wirklich knackigen zweiten Grund!) Für eine baldige positive Nachricht bedanke ich mich im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Die Qual der Wahl

Wenn Ihre Bewerbungsstrategie vorsieht, dass Sie sich immer nur bei einem Unternehmen bewerben und warten, bis die Entscheidung gefallen ist, bevor Sie sich beim nächsten Unternehmen bewerben, so ist das Ihre Entscheidung und Ihr

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gutes Recht. Schneller geht es natürlich, wenn Sie sich bei mehreren Unternehmen gleichzeitig bewerben. Dass Sie Prioritäten setzen, welchen Job Sie am liebsten hätten, ist logisch. Hinderlich ist allerdings, sich den Kopf über Fragen zu zermartern wie: „Was mache ich, wenn ich der Firma A zusage - und die Firma B sagt doch noch meinen Traumjob zu?“ Wir können alle nicht in die Zukunft sehen und es ist müßig, bei so wichtigen Dingen wie Arbeitsplatzsuche darüber zu spekulieren. Da gibt es nur eines: Mit offenen Karten spielen! Rufen Sie die Firma B an und sagen Sie, was Sache ist. Fragen Sie, wie Ihre Chancen stehen; dass A Ihnen den Job angeboten hat, Sie aber lieber die Position bei B haben würden, und begründen Sie dies. Bitten Sie den Personalreferenten um eine klare Aussage und um Verständnis für die Zwickmühle, in der Sie stecken. Wenn Sie ehrlich rüberkommen, wird er Ihnen zumindest einen Hinweis auf Ihre Erfolgschancen geben, sei es in Form eines Zuspruchs, den Job bei A nicht gleich abzulehnen, oder als Frage, bis wann Sie sich definitiv entscheiden müssen.

Wenn Sie in diesem Gespräch den Eindruck gewinnen, dass Ihre Chancen 50:50 stehen, lohnt es sich auf jeden Fall, mit A Kontakt aufzunehmen und zu klären, bis wann man spätestens Ihre Zusage benötigt. Allerdings sollten Sie zum Zeitpunkt dieses Anrufs bereits den von A unterschriebenen Anstellungsvertrag in Händen haben und vermeiden, den Eindruck zu erwecken, die Position bei Firma A sei für Sie die zweite Wahl.

Ein in meinen Augen absolut unehrenhaftes Verhalten ist es, einen Vertrag zu unterschreiben und ihn dann nicht zu erfüllen. Es hat mich erschreckt, wie oft solche Vertragsbrüche in der Praxis vorkommen. Unternehmen schließen Verträge mit Mitarbeitern und rechnen fest damit, dass diese zum vereinbarten Zeitpunkt ihre Arbeit aufnehmen. Sie haben so viel in die Stellenbesetzung investiert und sagen allen anderen Kandidaten ab. Und dann erscheint dieser Mensch nicht! Fast so

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schlimm wäre es, wenn Sie in obigem Beispiel prophylaktisch den Vertrag bei A unterschreiben würden und, falls B die Position dann doch zusagt, den Vertrag mit A wieder lösen.

Nutzen Sie die Zeit!

Während Sie auf die Rückmeldungen zu den Vorstellungsgesprächen warten, lohnt es sich allemal, deren Verlauf zu überdenken, Fragen wie

→ Was hat geklappt? → Was hätte ich besser machen können?

→ Was hat mir an dem Gespräch gefallen, was nicht? → Wie war die Atmosphäre in dem Unternehmen?

→ Will ich wirklich dort arbeiten? können helfen, die Situation mit etwas mehr Distanz zu

betrachten und Fehlschlüsse zu vermeiden. Mit kühlem Kopf das Vorstellungsgespräch im Geiste Revue passieren zu lassen hat schon manchen Bewerber davor bewahrt, sich mit „rosaroter Brille“ auf einen Job einzulassen, der sich dann als Flop entpuppt.

Verhindern Sie, sich auf diesen einen Job zu kaprizieren. Es ist wie in der Liebe: Andere Väter haben auch hübsche Töchter oder umgekehrt: Andere Mütter haben auch hübsche Söhne.

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16 Die Würfel sind gefallen

Wer überall sein will, ist nirgends zu Hause.

(Seneca) Sie kommen nach Hause, öffnen Ihren Briefkasten und:

Endlich ist er da, der ersehnte Brief Ihres Wunscharbeitgebers! Vor Aufregung Öffnen Sie den Brief noch, bevor Sie die Türe hinter sich zugemacht haben und - BINGO - es hat geklappt! Wenn dem so ist, können Sie die Lektüre dieses Kapitels hier und jetzt beenden, das Buch verschenken und Ihren Erfolg ganz groß feiern. Werfen Sie trotzdem noch einen kurzen Blick auf die Tipps zum ersten Arbeitstag und die Probezeit in Kapitel 17.

Warum wurde mir abgesagt?

Sollten Sie jedoch zu den weniger Glücklichen gehören, die einen dieser Standard-Absagebriefe erhalten haben, die zwar freundlich formuliert sind, aber absolut nichts über den Grund der Ablehnung aussagen: Versinken Sie nicht in eine Depression, noch ist nichts verloren. Wenn Sie die erste Enttäuschung überwunden haben oder Ihre Wut verraucht ist, rufen Sie den Personalreferenten beziehungsweise Ihren Gesprächspartner aus dem Vorstellungsgespräch an. Fragen Sie ihn, ob er einen Moment Zeit für Sie hat. Wenn er „Nein“ sagt, respektieren Sie das und fragen Sie nach einem günstigeren Zeitpunkt, zu dem Sie dann wieder anrufen. Beherzigen Sie bitte unbedingt die Tipps in Kapitel 8 „Be-Werben am Telefon - die Stimme macht's!“, sie gelten für den Erfolg dieser Telefonate genauso! Wenn Sie Ihren Gesprächspartner erreichen, fragen Sie nach dem Grund der Absage. „Woran lag es wirklich: Fehlte

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Ihnen eine wichtige Qualifikation? Stimmte die „Chemie“ nicht? Wurde jemand mit mehr Berufserfahrung vorgezogen?

Haken Sie freundlich, aber bestimmt nach und, falls nötig, lassen Sie sich mit der Person verbinden, die Ihnen wirklich Auskunft geben kann. Bitte bedenken Sie, dass die Firmen nicht verpflichtet sind, die Gründe für eine Absage offen zu legen. Wenn Sie jedoch um einen Tipp bitten, worauf Sie beim nächsten Vorstellungsgespräch besser achten sollten, werden Sie sicher „erhört“. Allerdings: Falls Sie sich im Rahmen der Vorstellungsgespräche Tests oder einem Assessment Center unterziehen mussten, haben Sie Anspruch auf die Mitteilung Ihrer Resultate.

Ich habe von mehreren Fällen gehört, in denen das höflichhartnäckige Nachfragen des Bewerbers auf eine Absage hin in einer neuen erfolgreichen Bewerbung endete. Den Fall von Anni möchte ich Ihnen kurz erzählen:

Gesucht wurde eine Bilanzbuchhalterin. Anni war zwar erfahrene Buchhalterin, stand jedoch noch vor der Prüfung zur Bilanzbuchhalterin. Deshalb wurde ihre Bewerbung abgelehnt, erfuhr sie auf Nachfrage vom zuständigen Personalsachbearbeiter, In diesem Telefonat vereinbarten sie, dass Anni die Prüfung zur Bilanzbuchhalterin absolvieren und sich bewerben würde, falls in der Zwischenzeit eine entsprechende Stelle frei würde. Anni bestand die Prüfung, nahm Kontakt mit dem Sachbearbeiter auf und bekam eine neu geschaffene Stelle als Bilanzbuchhalterin.

Weiterhin kann es durchaus sein, dass der Kandidat, der die Zusage bekommen hat, sich als „Charakterschwein“ entpuppt und den Job nicht antritt oder innerhalb der Probezeit das Unternehmen verlässt und Sie doch noch zum Zuge kommen. Fragen Sie ruhig den Personalsachbearbeiter, ob es Sinn macht, wenn Sie sich in regelmäßigen Abständen bei ihm melden, um nach möglichen Vakanzen in Ihrem Bereich zu fragen. Wenn er das für gut erachtet, dann melden Sie sich in den vereinbarten

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Abständen bei ihm. Oft werden Stellenangebote auch im Internet veröffentlicht, also reihen Sie die Internetadresse Ihres „Traumarbeitgebers“ ruhig in die Liste der Favoriten ein.

Ring frei zur nächsten Runde!

Es kann sein, dass Sie die Gründe für die Absage nie erfahren. Vielleicht sind die Überlegungen oder Wertmaßstäbe des Unternehmens für die Gestaltung Ihrer Zukunft gar nicht wichtig. Vielleicht geht es eher darum, dass Sie aus dieser K.o.-Erfahrung etwas lernen. Laborversuche der Case Western Reserve University und der Universität Gießen haben ergeben, dass Zurückweisung wie „ein Schlag auf den Kopf“ wirkt und das klare Denken ausschaltet. Dadurch reagieren viele Menschen aggressiv. Deshalb ist es wichtig, für sich Strategien zu entwickeln, die es einem erleichtern, mit Zurückweisung richtig umzugehen. Katherina von Siena hat es so ausgedrückt: „Dem Tapferen sind Glück und Unglück wie seine rechte und linke Hand; er bedient sich beider.“ Wenn Sie also jetzt am Boden zerstört sind, weil es diesmal - oder vielleicht zum wiederholten Male - nicht geklappt hat, kann es sein, dass die linke Hand noch etwas lernen muss, damit die rechte Hand erfolgreich sein wird.

Folgende Fragen sollten Sie sich stellen und versuchen, sie so ehrlich wie möglich zu beantworten. Falls Sie unsicher sind, ob Sie das alleine können, suchen Sie sich einen guten Karriereberater oder Potenzialentwicklungs-Coach, der Ihnen hilft, Entwicklungspotenziale zu identifizieren und in der nächsten Bewerbungsrunde erfolgreich einzusetzen.

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Checkliste: 11 Fragen, die mich weiterbringen 1. Welchen Anteil habe ich an der Absage wirklich? 2. War ich wirklich ehrlich im Vorstellungsgespräch? 3. Was kann ich beim nächsten Mal besser machen? 4. War der Job, für den ich mich beworben habe, der richtige? 5. Sind meine beruflichen Ansprüche realisierbar? 6. Sollte ich mein berufliches Profil überprüfen? 7. Ist mein Inventar komplett oder habe ich etwas Wichtiges

übersehen? 8. Worauf werde ich das nächste Mal besser achten? 9. Habe ich mir wirklich alle Unterstützung geholt, die ich mir

holen könnte? 10. Was hindert mich zu sagen: „Ich habe mein Bestes

gegeben?“ 11. Welche Erkenntnis brauche ich, um diese Ablehnung als

Lernerfahrung zu akzeptieren? Scheuen Sie sich nicht, noch einmal von vorne anzufangen, es

könnte durchaus sein, dass etwas Besseres nachkommt, egal was die anderen sagen!

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17 Tipps zum ersten Arbeitstag und für die Probezeit

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! (Kästner)

„Hoppla, jetzt komm ich“, so oder ähnlich ist die Einstellung,

mit der manche Jungdynamiker ihren ersten Arbeitstag beginnen. Dass sie damit auf der Beliebtheitsskala nicht ge rade nach oben rutschen, dürfte ihnen spätestens nach einigen Wochen klar werden. Den berühmten „ersten Eindruck“ haben sie allerdings bei ihren Kollegen und Mitarbeitern dann bereits gemacht, und wie schwer dieser zu revidieren ist, weiß ein jeder von uns. Was tun, wenn Sie trotz aller guten Vorsätze in diesen Fettnapf getappt sind? Zuallererst sollten Sie sich selbst gegenüber zugeben, dass Sie sich falsch verhalten haben. Dann sollten Sie überprüfen, ob Ihre jetzige Einschätzung der Situation richtig ist:

→ Wem gegenüber haben Sie sich wie verhalten? → Welches sind die bisherigen Konsequenzen daraus,

wie könnten sie sich in der Zukunft entwickeln? Vielleicht ist es ja auch angebracht, sich bei dem einen oder

anderen Kollegen zu entschuldigen, dem Sie in vollem Schwung auf die Zehenspitzen getreten sind? Aber bitte nicht im Büßergewand und in gebückter Haltung, während Sie sich „mea culpa“ rufend an die Brust schlagen! Warten Sie lieber, bis sich eine Gelegenheit ergibt, in einem persönlichen Gespräch unter vier Augen eine ehrliche Entschuldigung einzuflechten. Auf jeden Fall ist es hilfreich, wenn Sie den von Ihrem Fehlverhalten Betroffenen gegenüber offen zugeben, dass Sie aufgrund von

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Unsicherheit (?) oder zu viel gutem Willen (?) Fehler gemacht haben. Es wäre übertrieben, zu erwarten, dass sie Ihnen vor Freundschaft um den Hals fallen, aber Anerkennung für Ihre Zivilcourage werden Sie auf jeden Fall bekommen und das an sich ist ja schon eine ganze Menge.

Wenn Sie zu den gemäßigten Temperamenten gehören, werden Sie diese Anfangsprobleme weniger haben. Es könnte nur sein, dass Sie darauf achten müssen, nicht unversehens in den Schubladen „graue Maus“ oder „der große Schweiger“ zu landen.

Der erste Arbeitstag

Dass Sie morgens pünktlich zu Arbeitsbeginn erscheinen, ist klar. Sollten Sie allerdings im Skiurlaub eingeschneit worden oder durch Krankheit verhindert sein, benachrichtigen Sie Ihren Arbeitgeber so früh wie möglich, am besten direkt Ihren neuen Vorgesetzten oder seine Sekretärin. Wenn Sie keinen von beiden erreichen, bitten Sie Empfang oder Telefonvermittlung, eine Nachricht weiterzuleiten.

Erscheinen Sie ausgeschlafen, der Position und dem Unternehmen angemessen gekleidet, mit geputzten Schuhen und so weiter - siehe Kapitel 13.

Rechnen Sie damit, dass Sie am ersten Arbeitstag durch das Unternehmen geführt und vielen Leuten vorgestellt werden. Kaum einer wird von Ihnen erwarten, dass Sie sich auf Anhieb alle Namen merken, aber bemühen sollten Sie sich schon. Merken Sie sich das Gesicht, die Position und sehen Sie dann später im Telefonverzeichnis nach. Vielleicht finden Sie auch im Intranet (unternehmensinternes Internet) die einzelnen Mitarbeiter mit Foto aufgeführt.

Scheuen Sie sich nicht, wenn Sie Ihrem neuen Kollegen

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wieder begegnen und sich nicht an seinen Namen erinnern, ihn danach zu fragen. Das ist weniger peinlich, als zu versuchen, die Direktansprache durch viel Sprachakrobatik zu vermeiden. In anderen Sprachen hat man wenigstens die Möglichkeit, jemanden mit „Madame, Signore“ oder „Sir“ anzusprechen. In Deutschland ist man gezwungen, dem „Herr“ oder „Frau“ einen Namen anzuhängen.

An Ihrem neuen Arbeitsplatz angekommen, empfiehlt es sich die Fotos seiner Lieben nicht gleich auszupacken und auf den Schreibtisch zu arrangieren, sondern erst zu sondieren, was in Hause üblich ist. Das Gleiche empfiehlt sich bei der Bestellung von Büroausstattung. Meist gibt es hierfür Unternehmensrichtlinien, die Sie sich so schnell wie möglich einprägen sollten. In dieser „firmeninternen Gesetzessammlung“ finden Sie die Unterschrifts- und Spesenregelung ebenso wie die Beschaffungs- und Budgetierungsrichtlinie sowie weitere hilfreiche Informationen.

In manchen Abteilungen ist es üblich, gemeinsam zum Mittag essen zu gehen. Auch wenn Sie das nicht besonders lieben, gehen Sie mit! Sie erfahren in der Kantine sicherlich viel über die „informellen“ Beziehungen und Informationskanäle einer Firma. Es kann für Ihre Karriere sehr wichtig sein, dass Sie dieses Netzwerk kennen und nutzen können. Vermeiden Sie es, die ersten Tage allzu viel von sich zu erzählen, hören Sie eher zu und stellen Sie Fragen.

Jeder versteht, dass ein neuer Mitarbeiter sich nicht gleich überall auskennt und eben fragen muss. Versuchen Sie trotzdem, ein Gespür dafür zu entwickeln, wann Sie fragen können und wann nicht. Manche Frage erübrigt sich vielleicht durch eigenes Nachdenken oder genaueres Hinsehen. Absolut falsch ist die eigene Erwartungshaltung, von Anfang an alles wissen zu müssen und niemanden fragen zu dürfen. Bevor Sie Energie und Arbeitszeit durch eigenes Probieren und Studieren verschwenden: Bitten Sie einen fachkundigen Kollegen um

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Erklärung oder Hilfestellung und vergessen Sie nicht, sich zu bedanken.

Generell sollten Sie auf Ihr Benehmen achten. Gutes Benehmen ist immer angesagt, vor allem auf Tischmanieren wird verstärkt Wert gelegt. Freundlichkeit, Bitte und Danke, ein höflicher Umgangston auch mit ungeliebten Kollegen und Verzicht auf persönliche Profitneurosen sind wichtige Sprossen auf der Karriereleiter.

Die Probezeit

Je nach Vertrag und Position kann Ihre Probezeit bis zu neun Monate betragen. Während der Probezeit werden Sie eingearbeitet und vielleicht auf ein Orientierungsseminar geschickt, um sich in der Unternehmenslandschaft leichter und schneller zurechtzufinden.

Es ist empfehlenswert, innerhalb der Probezeit zurückhaltend zu agieren, denn Sie können noch nicht genau einschätzen, wie rutschig das Firmenparkett wirklich ist. Die Seilschaften und informellen Kanäle sind Ihnen noch nicht vertraut und das Eis, auf dem Sie wandeln, kann tückisch dünn sein. Sie werden von vielen Seiten beobachtet und bewertet, vielleicht sogar ohne dass Sie es bemerken. Das Unternehmen prüft während dieser Zeit, ob Sie zum Unternehmen passen, ob Ihre Einstellung eine gute Investition war und ob man Sie in ein festes Anstellungsverhältnis übernehmen sollte. Gleiches sollten Sie auch tun.

Prüfen Sie, was Ihnen im Unternehmen gefällt und womit Sie Schwierigkeiten haben. Sind diese Schwierigkeiten zu lösen oder

Die müssen Sie sich damit arrangieren? Sollte Letzteres der Fall sein: Können Sie damit gut leben? Wenn nicht, sollten Sie

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sich überlegen, ob Sie während der Probezeit nicht lieber kündigen und sich eine andere Stelle suchen. Bedenken Sie, nur in dem, was Sie gerne tun, werden Sie über längere Zeit hinweg gut sein. Erinnern Sie sich an die Punkte des Inventars:

→ Wer bin ich? Ziehen Sie sich nur die Schuhe an, die Ihnen passen.

→ Was kann ich? Wo liegen meine Stärken und wie kann ich sie am besten einsetzen?

→ Was will ich und welchen Preis will ich bezahlen? Wo sind meine Grenzen?

→ Was biete ich? Was macht mich einzigartig? Es ist normal, dass Sie die eine oder andere kleine

Unsicherheit spüren, wenn Sie neu im Unternehmen sind. Versuchen Sie nicht, das zu verstecken. Es macht Sie menschlich und stellt automatisch Nähe her, denn jeder hat einmal neu angefangen. Wenn Sie Ihre Unsicherheit überspielen oder verbergen möchten, so kann es vorkommen, dass Sie zu dick auftragen oder sich gar arrogant geben. Es ist okay, stolz zu sein auf das, was man erreicht hat, denn das kommt aus den eigenen Stärken. Darauf sollte sich auch Ihre persönliche Marketingstrategie gründen, damit Ihr Chef merkt, wie gut Sie wirklich sind. Arroganz hingegen entsteht aus Schwäche und Unsicherheit, und wenn Sie genau hinsehen, dann entdecken Sie hinter jeder arroganten Fassade das „arme Würstchen“, das dahinter steckt. Und das sind Sie bestimmt nicht!

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18 Fallbeispiele

Komplex = kompliziert?

Fritz war ein vielseitiger Mensch. Er hatte einen Beruf erlernt, nebenbei sein Abitur gemacht, war einige Jahre bei der Bundeswehr gewesen, hatte studiert und nun wollte er sich als Maschinenbauingenieur bewerben.

Sein Lebenslauf war, weil viele Dinge parallel gelaufen sind, höchst kompliziert zu lesen. Fritz ließ sich etwas ganz Simples einfallen, was a) seine Fähigkeiten als Maschinenbauingenieur herausstellte und b) es den Personalsachbearbeitern leicht machte, seine Bewerbung richtig zu lesen. Innerhalb kürzester Zeit hatte er die Position, die er sich wünschte.

Strategie und Überlegung Komplexe Lebensläufe transparent zu machen und

vereinfacht darzustellen erfordert vom Bewerber logisches und analytisches Denkvermögen. Fritz entwickelte eine Matrix aus einer senkrechten kontinuierlichen Zeitachse und waagerechten Blöcken für seine Aus- und Weiterbildungen und die berufsbezogenen Erfahrungen. Die verschiedenen Stationen stellte er als Zeitblöcke dar:

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Für persönliche Daten, sein Foto und seine zusätzlichen

Fähigkeiten und Kenntnisse verwendete er ein eigenes Blatt. Meinung des Personalentscheiders

Die einfache Darstellung eines solch vielschichtigen Werdegangs hat uns neugierig auf den Bewerber gemacht. Die fachlichen Voraussetzungen haben gestimmt und das

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persönliche Auftreten empfanden wir als selbstbewusst und angenehm. Der Kandidat passte zu unserer Firma und hat gezeigt, dass er auch hochkomplexe Angelegenheiten auf das Wesentliche reduzieren kann.

In der Kürze liegt die Würze!

Für die PR-Abteilung eines Großunternehmens wurde ein weiterer Mitarbeiter gesucht. Es gingen sehr viele Bewerbungen ein. Einige Kandidaten hatten sogar Arbeitsproben beigefügt. Entsprechend umfangreich waren auch die Bewerbungsmappen, durch die sich die Personalabteilung zur Vorselektion zu kämpfen hatte.

Ganz zum Schluss dieser Ausschreibung erhielt die Personalabteilung einen normalen C6-Briefumschlag, die kürzeste Bewerbung, die man dort je erhalten hatte. Der Umschlag enthielt ein Faltblatt, das genauso gestaltet war wie die Produktinformationen des Unternehmens. Das Produkt, das die Kandidatin anbot, hieß „Berufserfahrung“. Der Text war so präzise formuliert und inhaltlich auf den Punkt gebracht, dass man auf das Angebot der Bewerberin, bei Interesse die kompletten Zeugnisse und Referenzen nachzureichen, gerne zurückkam.

Das Interesse des Unternehmens war nachhaltig geweckt und die nachgereichte Bewerbungsmappe war ebenso schlüssig wie die „Produktinformation“. Im Vorstellungsgespräch präsentierte sich die Kandidatin ebenfalls erfolgreich und wurde eingestellt.

Strategie und Überlegung Gisela, unsere Kandidatin, wollte schon immer in der PR-

Abteilung eines Großkonzerns arbeiten, denn die Arbeit in ihrer PR-Agentur machte ihr keine Freude mehr. Als sie das

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Stellenangebot las, war sie Feuer und Flamme: Sie wollte diesen Job unbedingt haben. Es war ihr jedoch bewusst, dass sie jede Menge Konkurrenz haben würde, denn es gab wenig Unternehmen in ihrer Heimatregion, die eine eigene PR-Abteilung hatten. Wie also konnte sie sich vom Gros der Bewerber unterscheiden und das Interesse des Unternehmens für sich wecken? Es musste eine außergewöhnliche und gleichzeitig überzeugende Bewerbung sein, so viel war klar. Gisela besorgte sich Produktinformationen des Unternehmens, das Farben herstellt, im örtlichen Fachgeschäft. Sie las die Texte und überlegte, wie und was sie zu einer guten PR-Arbeit des Unternehmens beitragen könnte. Jeder von uns erinnert sich bestimmt noch an die Schulzeit, als wir seitenlange Aufsätze schrieben. Das ist verhältnismäßig einfach, denn wir erzählen lang und bildhaft. Die Dinge auf den Punkt zu bringen, also knapp, präzise und ansprechend zu formulieren, ist ungleich schwerer. Gisela hatte dafür zwar Talent, doch Trommeln in eigener Sache ist eben doch etwas anderes. Sie machte sich also die Mühe, ihre Bewerbung als Produktinformation zu verpacken. Sie sah einer echten Produktinformation des Unternehmens fast zum Verwechseln ähnlich. Ihr Bewerbungsfoto nahm den Platz der Produktabbildung ein, die Farbenspezifikation machte sie zu ihren biografischen Details und das Produkt „Berufserfahrung“ formulierte sie so, dass alles für diese Position Wesentliche gesagt wurde. Am Schluss bot sie an, bei Interesse gerne aussagefähige und komplette Bewerbungsunterlagen nachzureichen. Ihre Bewerbung schickte Gisela bewusst nicht sofort ab, denn sie wusste ja, dass sich viele Leute bewerben würden. Dadurch, dass ihr Blatt quasi als „Nachzügler“ mit einem kleinen Umschlag ankam, wurde ihrer Bewerbung die Aufmerksamkeit zuteil, die sie sich gewünscht hatte.

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Meinung des Personalentscheiders Es war die kürzeste Bewerbung, die ich jemals bekam. Ich

war verblüfft, wie viele Informationen auf so kleinem Raum untergebracht werden können. Die Fähigkeit, kurz und prägnant zu formulieren, ist für die PR-Arbeit in unserem Unternehmen sehr wichtig. Die Bewerbung war außerdem gut geschrieben, also leicht zu lesen, und die wichtigen Dinge waren auf den Punkt gebracht. Die Gestaltung war sowohl übersichtlich als auch ansprechend. Sie erregte weiterhin Aufmerksamkeit, weil sie sich exakt an unseren Firmenrichtlinien für Produktblätter orientierte.

Außerdem war die Bewerbung, also die so genannte „Produktinformation“, auf dem Computer erstellt worden - mit den gleichen oder ähnlichen PC-Programmen, wie wir sie in unserem Unternehmen in der PR-Abteilung einsetzen. Die Kandidatin würde also keine teure zusätzliche Schulung benötigen, sondern sie wäre sofort voll einsetzbar. Die nachgereichten Unterlagen waren schlüssig, auch wenn andere Bewerber mehr Berufserfahrung vorzuweisen hatten. Wir luden die Kandidatin ein, denn ihre Kreativität beeindruckte uns, und wir wollten wissen, welche Persönlichkeit sich dahinter verbirgt. Als wir Gisela im Vorstellungsgespräch kennen lernten, erkannten wir rasch ihr Potenzial, strategisch und präzise vorzugehen. Wir stellten sie trotz großer Konkurrenz sofort ein und haben diese Entscheidung bis heute nicht bereut.

Mit Charme überzeugen!

Marlenes Mann wurde beruflich versetzt und sie gab ihre Stelle als Kosmetikerin in einem renommierten Salon auf, um ihm an seinen neuen Arbeitsort zu folgen. Nachdem sie sich eingelebt hatte, suchte Marlene eine neue Stelle und erfuhr, dass in ihrem neuen Wohnort ein großer Kosmetikkonzern ansässig

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war. Sie rief dort an und erfragte die Namen der Personaldirektorin

und deren Sekretärin. Danach rief sie die Sekretärin an und erkundigte sich, ob die Personaldirektorin am nächsten Tag im Büro sei. Die Sekretärin bejahte und Marlene machte sich am nächsten Morgen hübsch zurecht und ging ohne Voranmeldung zu dieser Firma. Ihre Bewerbungsunterlagen nahm sie gleich mit.

Der Portier wollte sie erst ohne Voranmeldung nicht einlassen. Marlene war unbeirrbar und setzte sich schließlich durch - und die Eingangsschranke hob sich. Zielstrebig marschierte sie auf das Verwaltungsgebäude zu und fragte sich höflich, aber bestimmt zum Büro der Personaldirektorin durch. Der Sekretärin im Vorzimmer erklärte sie ihr Anliegen so überzeugend, dass diese sie bei der Personaldirektorin anmeldete und die Personaldirektorin sie wirklich empfing. Nach einem kurzen Gespräch wurde Marlene als Verkaufsassistentin eingestellt.

Strategie und Überlegung Marlene war zwar gerne Kosmetikerin, aber sie fühlte sich

reif für etwas Neues - in der Branche allerdings wollte sie gerne bleiben. Sie erkundigte sich über die Möglichkeiten an ihrem neuen Wohnort. Als sie von dem Kosmetikkonzern erfuhr, überlegte sie, sich dort zu bewerben. Allerdings war keine Stelle ausgeschrieben.

Da sie nicht genau wusste, wofür sie sich bewerben sollte, entschloss sie sich zu einem zugegebenermaßen frechen Vorgehen: Sie erkundigte sich, wer ihre Ansprechpartnerin und wann sie anwesend war. Dann machte sie sich hübsch - eine Kosmetikerin ist in diesem Fall ihre eigene Visitenkarte -, nahm ihre Bewerbungsunterlagen und ging ohne Termin, aber mit viel Willen und Power zu ihrem potenziellen neuen Arbeitgeber, denn sie wollte für dieses Unternehmen wirklich gerne arbeiten.

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Mit dieser Einstellung hat sie die Hürde „Portier“ genommen und die Sekretärin überzeugt.

Meinung des Personalentscheiders Die Bewerberin hatte bereits Durchsetzungsvermögen und

große Zielstrebigkeit bewiesen, indem sie es unangemeldet bis zu mir ins Büro schaffte. Das hat mir gefallen. Ihre positive Ausstrahlung und ihr Mut zu Neuem ebenso.

Sie brachte ihre Angelegenheit mit viel Engagement vor, war jedoch völlig offen für alles - was immer auch wir ihr zu bieten hätten. Auf meine Fragen antwortete sie sehr ehrlich und meinen Anregungen hörte sie aufmerksam zu. Eine Fähigkeit, auf die wir bei Verkaufsassistentinnen großen Wert legen.

Ihre Unterlagen waren in Ordnung, aber der wahre Grund sie einzustellen war folgender: Sie wollte lernen und hatte eine innere Motivation, erfolgreich zu sein. Diese Einstellung - mehr als fachliches Können - hat mich bewogen, der Bewerberin eine Chance als Verkaufsassistentin zu geben.

Auf Umwegen zum Ziel

Die Abteilung Beteiligungscontrolling eines Medienkonzerns suchte einen Diplomkaufmann. Unter all den vielen Bewerbungen befand sich auch die von Martin. Seine gut aufbereitete Bewerbungsmappe fiel aus dem Rahmen und erweckte die Aufmerksamkeit des Personalreferenten. Martins Qualifikation entsprach dem fachlichen Profit und so wurde er von der Personalabteilung zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Im Vorstellungsgespräch mit dem Abteilungsleiter Beteiligungscontrolling ergab sich dann folgendes Bild: Martin war zwar im Controlling topfit, doch fehlten ihm die unbedingt erforderlichen Branchenkenntnisse. Also wurde Martin trotz fachlicher Kompetenz nicht eingestellt. Nach 18 Monaten

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bewarb sich Martin nochmals. Diesmal wurde er eingestellt. Was ist passiert?

Strategie und Überlegung Martin war fest entschlossen, in genau diesem Medienkonzern

zu arbeiten. Er fand die Vision dieses Unternehmens sehr anziehend und die Medienbranche an sich sehr spannend. Als seine erste Bewerbung aufgrund seiner fehlenden Branchenkenntnisse abgelehnt wurde, war er verständlicherweise sehr enttäuscht. Im Gespräch mit seinen Freunden machte er seinem Frust erst einmal Luft. Dort stieß er nicht nur auf Verständnis und Trost, sondern bekam gleich einen handfesten Tipp: „Wenn du Branchenkenntnisse brauchst, was hindert dich daran, dir diese anzueignen und es dann nochmals zu probieren?“ Das leuchtete Martin ein, und er dachte über Möglichkeiten nach, wie er sein „Defizit“ beseitigen könnte. Es war ihm klar, dass er Geld zu verdienen musste, wenngleich er für eine bestimmte Zeit auf einen Teil seines Einkommens verzichten konnte. Also informierte er sich, wie Geldverdienen und der Erwerb spezieller Kenntnisse der Medienbranche unter einen Hut zu bringen wären.

Nach reiflicher Überlegung und Abwägen verschiedener Möglichkeiten tat er Folgendes: Er belegte einen Studienlehrgang bei der Filmakademie, den er mit einem Praktikum in einer Filmproduktionsgesellschaft kombinierte. Das war zwar viel Arbeit und wenig Geld, doch die Aussicht, sein Ziel innerhalb eines überschaubaren Zeitrahmens vielleicht doch zu erreichen, ließ ihn die eineinhalb Jahre durchhalten.

Als er sein Abschlusszertifikat des Studienlehrgangs in der Tasche hatte, nahm er erneut Kontakt mit dem Personalreferenten des Medienkonzerns auf und fragte nach, ob eine Stelle für ihn frei sei.

Meinung des Personalentscheiders Mir war der Bewerber im Gedächtnis geblieben, denn er hatte

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sich im persönlichen Vorstellungsgespräch sehr positiv verhalten. Außerdem war er fachlich wirklich gut qualifiziert für eine Tätigkeit im Controlling.

Als er sich erneut bewerb, war ich beeindruckt. Der Kandidat war total lösungsorientiert vorgegangen, indem er sich die Branchenkenntnisse, die wir voraussetzen, angeeignet hat - und zwar auf die bestmögliche Art und Weise, theoretisch wie auch praktisch. Außerdem zeigte er eine Zielstrebigkeit und ein klares dringliches Wollen, gerade in unserem Unternehmen mitzuarbeiten.

Die Kombination von persönlichem Engagement und fachlicher Eignung bei der zweiten Bewerbung machte diesen Bewerber unschlagbar - einen solchen Kandidaten kann man nicht ziehen lassen.

Dass wir gerade eine Vakanz hatten, die auf sein Profil passte, war allerdings Glück, aber das hat bekanntlich nur der Tüchtige.

Bewerben geht durch den Magen!

Per Zeitungsinserat wurden Verkaufstrainer für einen großen Haushaltswarenhersteller gesucht. Im Trainingsbereich ist die Konkurrenz groß, die Qualifikation der Bewerber im Allgemeinen sehr hoch und ein Bewerber muss sich einiges einfallen lassen, um im Kampf um die ausgeschriebene Position erfolgreich zu sein.

Unsere Bewerberin Monika ist eine hervorragende Hobbyköchin. Sie benutzt die Produkte genau dieses Haushaltswarenherstellers seit ihrer Jugend und ist immer wieder absolut begeistert von den Töpfen - von ihrer ausgewogenen Form wie auch der Funktion.

Monika arbeitet schon eine geraume Zeit als freie Trainerin. Doch als sie das Stellenangebot dieser Firma liest, kommt sie zu

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dem Schluss, dass es ihr Traumjob wäre, als Angestellte Verkaufstrainerin für gerade diesen Hersteller zu arbeiten. Doch wie kann sie sich als Trainerin von allen Mitbewerbern abheben? Hier ist Kreativität gefragt: Monika ruft bei dem im Inserat genannten Ansprechpartner des Haushaltswarenherstellers an und erfragt weitere Details: Wie viele Verkaufstrainer man denn suche und wie man sich den idealen Wunschkandidaten vorstelle. Sie eruiert die im Inserat geforderten Qualifikationen und Eigenschaften, bis sie ein ziemlich exaktes Profil vorliegen hat. Sie notiert auch den Namen der Person, die über die Stellenbesetzung letztendlich entscheidet. Als Nächstes ruft Monika die Sekretärin des Personalentscheiders an und erklärt dieser ganz offen ihren Plan:

Dass sie unbedingt als Verkaufstrainerin für das Unternehmen arbeiten will, sich allerdings von den vielen Mitbewerbern positiv unterscheiden muss und deshalb eine Idee hat, die da heißt „Mittagessen“. Monika ist klar in der Sache, sie lässt sich nicht beirren. Nach einigem Hin und Her, nachdem sie die persönlichen Details aufgeschrieben und Monikas Identität durch einen Rückruf bestätigt hat, erklärt sich die Sekretärin bereit, Monika in ihrem Vorhaben zu unterstützen. Sie sagt ihr, wann ihr Chef ganz bestimmt im Hause ist, welches seine bevorzugten Speisen sind und wann er generell Mittagspause macht. Somit kann Monika zur Tat schreiten. An jenem bestimmten Tag kocht sie mit den Topfen und anderen Utensilien, die allesamt Produkte ihres potentiellen Arbeitgebers sind, voller Begeisterung ein exquisites 5-Gänge-Menü, richtet es schön an und fotografiert es zusammen mit den Töpfen des Haushaltswarenherstellers, in denen sie es gerade gekocht hat. Danach verpackt sie es in einer Warmhaltebox, die sie sich bei einem Pizzaservice geliehen hat. Mit einem Boten lässt sie das fertige Menü zusammen mit einer kleinen Flasche Champagner an den Personalleiter des Haushaltswarenherstellers liefern und fügt nur ihre Visitenkarte bei - sonst nichts. Da die Sekretärin

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eingeweiht ist, erreicht das Menü problemlos seinen Empfänger. Am Nachmittag des gleichen Tages ruft Monika dann diesen Herrn an. Sie gibt sich als die Köchin des Menüs zu erkennen und fragt ihn, ob es ihm geschmeckt hat. Er reagiert äußerst überrascht: „Es war toll, super, bestens - aber weshalb lassen Sie mir ein solches Gourmet-Menü und noch dazu Champagner schicken?“ Nun ist der Zeitpunkt für Monikas Selbstdarstellung gekommen. Sie ist ganz direkt und zielbewusst: „Wissen Sie, ich will unbedingt als Verkaufstrainerin in Ihrem Hause arbeiten. Aufgrund meiner Begeisterung und Identifikation mit Ihren Produkten, zusammen mit meinem fachlichen Knowhow als selbstständige Trainerin, bin ich sicherlich die beste Verkaufstrainerin für Ihr Unternehmen.“ Der Personalchef lacht und bittet sie, die üblichen Bewerbungsunterlagen einzureichen.

Diese liegen zwei Tage später auf seinem Schreibtisch. Es sind sorgfältig zusammengestellte und optisch ansprechende Bewerbungsunterlagen, allerdings mit einem kleinen Unterschied: Monika hat das Foto des von ihr gekochten Menüs beigefügt. Sie bekam den Job!

Strategie und Überlegung Monika konnte sich mit dem Unternehmen und seinen

Produkten identifizieren - neben der fachlichen Qualifikation eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Tätigkeit als Verkaufstrainer in einer Firma.

Ein Bewerber muss mit absoluter Klarheit wissen und argumentieren können, warum er für genau dieses Unternehmen arbeiten will. Einige Gründe können sein:

→ Er ist von den Produkten der Firma absolut begeistert.

→ Er ist von der Firmenphilosophie überzeugt. → Die Aufstiegs- oder sonstigen Chancen erscheinen ihm

verlockend. → Freunde, die dort arbeiten, haben ihm erzählt, wie

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super die Firma ist. Das Herausfinden der Firmenphilosophie erfordert Kreativität

und Einfallsreichtum. Personal- und Jahresberichte, firmeneigene Produkt- und Unternehmensbeschreibungen sowie Presseartikel sind eine Möglichkeit. Eine weitere Recherchemöglichkeit sind zielgerichtet geführte Telefonate mit den entsprechenden Ansprechpartnern - ohne jedoch diesen lästig zu fallen. Monika hatte einen Produktkatalog und den aktuellen Personalbericht des Unternehmens vorliegen. Sie erfragte telefonisch weitere Details, die sie brauchte, um ein abgerundetes Bild von Unternehmen und Zielperson zu bekommen und ihre Strategie darauf abzustimmen. Sie recherchierte gründlich in Bezug auf ihre Zielperson, in diesem Fall den Personalentscheiden

→ Wie heißt dieser Mensch?

→ Wann ist er ganz bestimmt im Hause? → Wann macht er Mittagspause?

→ Was für Speisen isst er gerne? Ganz wichtig ist es für Monika zu erfahren, ob nicht bestelltes

Essen überhaupt serviert wird, denn viele große Firmen haben Angst vor Anschlägen - nicht nur vor jenen auf die schlanke Linie! Logischerweise muss der Bewerber sehr gut kochen können, wenn er das Menü selbst herstellt.

Die erfolgreiche Bewerbung für heiß umkämpfte Positionen muss sich von anderen herausragend unterscheiden - hier das anonyme Gourmet-Menü und die formale Bewerbung mit beigelegtem Foto. Monika hat ihre ganz persönlichen Stärken nämlich kochen und trainieren - gebündelt und mit Produktidentifikation (siehe die Töpfe auf dem Foto) garniert.

Meinung des Personalentscheiders Als mir meine Sekretärin das Menü servierte, war ich sehr

verblüfft. Auf meine Fragen nach dem Warum und Wieso

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bekam ich von ihr lediglich die sybillinische Antwort: „Lassen Sie es sich schmecken - heute Nachmittag erfahren Sie mehr!“ Als mich die Kandidatin dann anrief und mir ihr Anliegen schilderte, war ich von der gezeigten Kreativität, sich von den Mitbewerbern zu unterscheiden, sehr beeindruckt. Als Verkaufstrainer sollte man in der Lage sein, die Einzigartigkeit der zu verkaufenden Artikel und des Herstellers deutlich bei den Verkäufern zu verankern. Dazu gehören eine große Menge Kreativität sowie auch der Mut, die normalen Trampelpfade zu verlassen. Beides wichtige Kriterien, die es bei Verkäuferinnen zu trainieren gilt. Die Qualität der nachgereichten Unterlagen und der Berufserfahrung hat gestimmt - wie auch die des Menüs. Die Identifikation der Bewerberin mit dem Unternehmen und seinen Produkten wurde durch das den Unterlagen beiliegende Foto offensichtlich.

Die selbstbewusste Selbstdarstellung im nachmittäglichen Telefonat und im folgenden Vorstellungsgespräch hat mir gefallen. Selbstbewusstsein und Geradheit sind in unserer Firma willkommen.

Auch ein Bademantel kann entzücken!

Ein großes Metzgereiunternehmen suchte Montagehelfer. Am letzten Tag der Bewerbungsfrist erhielt die Personalreferentin frühmorgens den Anruf eines Mannes, der dringend Arbeit suchte. Sie bat den Mann, gegen Mittag zum Bewerbungsgespräch vorbeizukommen, und erlebte den Schock des Tages, ais der Mann kam, denn der Bewerber erschien im Bademantel!

Christian, so hieß der Mann, erzählte seine Geschichte: Er hatte überraschend seinen Job verloren, als sein Arbeitgeber, wir es nicht wagen, ebenfalls ein Metzgereiunternehmen, Konkurs anmeldete, ist es schwer.

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Als er sich auf die geschaltete Anzeige bewarb und zum Gespräch gebeten wurde, hängte er seinen dunklen Anzug in den Trockenkeller zum Lüften. Die schwere Türe zum Trockenkeller fiel hinter ihm ins Schloss und er hatte seinen Wohnungsschlüssel drinnen liegen lassen! Der Trockenkeller war nur mit Schlüssel zu öffnen, er hatte kein Geld dabei, seine Bank war zu Fuß nicht zu erreichen und im ganzen Haus war kein Mensch anwesend!

So blieb Christian nichts anderes übrig, als im Bademantel zum Bewerbungsgespräch zu gehen, denn eine zweite Chance würde er so schnell nicht bekommen. Diese Geschichte und die Art und Weise, wie Christian sie erzählte, waren so überzeugend, dass die Personalreferentin ihn gleich als Anlernkraft zum Montagemeister schickte, und der wiederum war von der Arbeitswilligkeit des Mannes so begeistert, dass Christian eingestellt wurde.

Strategie und Überlegung Christian wusste, dass er einen Job brauchte, und es gab nicht

viele Metzgereiunternehmen in seinem Ort. Als er die Anzeige sah, war ihm sofort klar, dass er diese Chance ergreifen wollte, um so schnell wie möglich wieder eine Arbeit zu bekommen auch wenn die Tätigkeit als Montagehelfer unter seiner beruflichen Qualifikation lag. Es erschien ihm sinnvoll, erst einmal „einen Fuß in die Tür“ des Unternehmens zu bekommen, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und möglicherweise dann in eine adäquate Position aufzusteigen. Als dann die Kette der Missgeschicke begann, ließ er sich nicht beirren, sondern verfolgte seinen Plan zielstrebig - auch wenn es im Bademantel sein musste.

Meinung des Personalentscheiders Nachdem ich den anfänglichen Schock überwunden hatte, hat

mich der Mut des Mannes beeindruckt, im Bademantel zum Bewerbungsgespräch zu erscheinen.

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Die Geschichte, die er erzählte, war zwar verrückt, doch gleichzeitig realistisch und nachvollziehbar. Ich verstand, dass er so schnell wie möglich wieder eine Stelle haben wollte und sein ehrlicher Arbeitswille war unübersehbar. Jemand, der sich traut, im Bademantel zum Bewerbungsgespräch zu gehen, musste einen Versuch wert sein und ich stellte ihn auf Probe ein. Am nächsten Tag erschien Christian in normaler Kleidung beim Montagemeister und begann seine Arbeit. Der Montagemeister war von seiner Wesensart und seinem Arbeitswillen begeistert und Christian hatte seine Chance. Diese hat er auch gut genutzt, denn heute arbeitet Christian immer noch in unserem Unternehmen - allerdings in einer anderen Position.

Bewerbung im Hemd - aber nicht hemdsärmelig!

Ein international erfolgreiches Bekleidungsunternehmen sucht für die neu aufzubauende Herrenkonfektions-Linie einen qualifizierten Modedesigner. Luis, ein in Deutschland lebender Spanier, bewirbt sich und schickt seine kompletten Bewerbungsunterlagen in einer höchst originellen Verpackung: Statt in einer der üblichen Bewerbungsmappen stecken die Unterlagen in einem selbstgeschneiderten Miniaturhemd, das die Produkt- und Designphilosophie des potenziellen Arbeitgebers widerspiegelt.

Luis wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen und trägt zum Gesprächstermin das gleiche Hemd, in das er vorher seine Unterlagen verpackt hatte - in seiner Konfektionsgröße. Das Gespräch verläuft positiv und er bekommt die Position.

Strategie und Überlegung Luis schafft gerne etwas Neues. Deshalb fasziniert ihn die

Anzeige; denn er sieht darin seine Chance, als Mitarbeiter der

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ersten Stunde Strukturen und Prozesse mit zu gestalten und eventuell später im Unternehmen aufzusteigen. Vor der schriftlichen Bewerbung erfragt er telefonisch beim Unternehmen Hintergrundinformationen zum Thema Produktphilosophie. Dazu ruft er zuerst die Personalabteilung an. Von dort lässt er sich an die Fachverantwortlichen für die Produkt- und Designinformationen weiterleiten, Die Details und Vorstellungen, die er in diesen Telefonaten erfragt und erfahren hat, setzt er mit seinem ganzen fachlichen Wissen und Können in seinem Bewerbungshemd um. Die witzige Idee, das Minihemd der Verpackung in seiner Größe nachzuproduzieren, kam ihm, während er die Verpackung gestaltete und war der „Gag obendrauf“.

Meinung des Personalentscheiders Der Mann ist fachlich kompetent, das zeigten die Gestaltung

und die Verarbeitung seiner Arbeitsprobe. Nach anfänglichem Amüsement haben wir die Bewerbungsverpackung so bezeichnet. Überzeugt hat sein überlegtes Vorgehen bei der Sammlung der Hintergrundinformationen. Dass das Hemd die grundsätzlichen Ideen unserer Produktphilosophie widerspiegelte, zeigt, dass der Bewerber a) sehr gut zugehört hat, b) über eine gute Auffassungsgabe verfügt und c) das Gehörte/Erfasste auch ohne weitere Anleitung umsetzen kann.

Eine witzige, kreative Persönlichkeit mit gutem Fachwissen passt zu uns, unsere Mitarbeiter sind multinational und als Unternehmen in der Modeindustrie müssen wir immer innovativ sein.

Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Bernhard sucht eine neue Herausforderung. Er ist zurzeit für das Personalwesen in einer großen Werbeagentur zuständig und immer wieder entsetzt über die schlechte Qualität der

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Stellenanzeigen, die er in den Tageszeitungen liest. So auch heute. Eine große Aktiengesellschaft sucht einen Personalleiter und der Anzeigentext sagt weder Konkretes über die Tätigkeitsschwerpunkte des Gesuchten noch über die Wünsche und Vorstellungen der Firma aus. Kurz entschlossen entwirft Bernhard eine Stellenanzeige, wie er sie sich für die Suche nach einem Personalleiter vorstellen und wünschen würde. Zusammen mit diesem Anzeigenentwurf bewirbt er sich bei der Aktiengesellschaft als Personalentwickler. Der Begleitbrief zu seiner Bewerbung lautet in verkürzter Form etwa so: „... Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Es geht auch besser, hier ist ein Anzeigenvorschlag, der erstens dem Image Ihrer Firma gerecht wird und zweitens den Verantwortungsbereich eines Personalleiters konkret darstellt. Sie werden feststellen, dass die klassischen Aufgaben eines Personalentwicklers fehlen, denn für diese Position bewerbe ich mich mit diesem Schreiben...

Bernhard bekommt einen Vorstellungstermin und nach relativ kurzer Zeit seinen neuen Job in der Aktiengesellschaft.

Strategie und Überlegung Bernhard handelte eher spontan als mit ausgeklügelter

strategischer Überlegung. Jedoch leistete er mit seinem Entwurf dem Unternehmen einen Dienst, denn die meisten Unternehmen befassen sich sehr wenig mit ihrer Imagepflege in ihren Stellenanzeigen. Viele Bewerber haben sich wohl schon einmal über die wenig aufschlussreichen Angebotstexte voller Worthülsen und Klischees geärgert - ob im stillen Kämmerlein oder im Freundeskreis, aber unternommen haben sie wahrscheinlich weiter nichts.

Der Unterschied zu der geschilderten Situation ist hier, dass Bernhard seinem Ärger Luft macht, und zwar an der richtigen Adresse. Er macht das Unternehmen auf seinen „Fehler“ aufmerksam - und zwar auf konstruktive Weise, denn er bietet gleichzeitig eine Losung an. Lösungsorientierte Menschen, die Probleme angehen, ohne zuerst das große

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Schuldzuweisungstheater in allen Akten aufzuführen, sind in guten Unternehmen stets willkommen - auch wenn man erst einmal meint, dem Bewerber keine entsprechende Position anbieten zu können.

Meinung des Personalentscheiders Als wir das Anschreiben lasen, waren wir mehr konfrontiert

als erfreut. Allerdings hatte der Schreiber Recht - sein Text war wirklich aufschlussreicher als unserer: Er ging auf die von einem Personalleiter erwarteten Kernkompetenzen ein und stellte die Wünsche unseres Unternehmens an seinen zukünftigen Abteilungsleiter präzise und allgemein verständlich dar. Das gefiel uns und wir schalteten die redigierte Anzeige erneut. Was die Bewerbung als Personalentwickler betraf, so dachten wir zuerst, dass wir nichts damit anfangen können, denn eine solche Funktion hatten wir nicht zu besetzen. Als wir nach sehr kurzer Zeit den neuen Personalleiter gefunden hatten und ihm diese Geschichte erzählten, fand er das Vorgehen des Bewerbers so bemerkenswert, dass er ihn zum Gespräch bat. Obwohl der Kandidat keine klassische Personalentwicklungslaufbahn vorzuweisen hatte, brachte er die Eigenschaft mit, Probleme an der Wurzel anzugehen und konstruktive Lösungsansätze zu konzipieren. Dies veranlasste uns, ihn einzustellen. Zwar nicht in der klassischen Personalentwicklung, sondern als Moderator in der Begleitung interner Projekte.

Leningrad Cowboy goes to Bank - oder: Wie man es trotzdem schafft...

In einer großen deutschen Bank werden die infrage kommenden Bewerber für die Ausbildungsplätze gemeinsam zu einer Veranstaltung eingeladen, in der nicht nur geprüft wird, wer für den Beruf des Bankkaufmanns geeignet ist, sondern vor

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allem großes Augenmerk darauf gelegt wird, wer von den Bewerbern zum Unternehmen passt. Die Kandidaten, die das rigorose Ausleseverfahren erfolgreich bestanden haben, bekommen einen Ausbildungsvertrag und werden dann einzeln, kurz vor dem Antritt ihrer Lehre, zu einem persönlichen Gespräch mit dem Ausbildungsleiter gebeten. In diesem Gespräch wird ihnen der individuelle Ablauf ihrer Lehrzeit mitgeteilt, zum Beispiel in welcher Filiale sie wann zum Einsatz kommen und welche Ausbildungsblöcke sie wo lernen werden.

Der Ausbildungsleiter dieser großen Bank erzahlte mir folgende Geschichte über ein solches Gespräch, das er mit einem neuen Auszubildenden - namens Benjamin - führte: „Die Tür geht auf. Ein junger Mann, in schwarze Lederkluft gekleidet, tritt herein. Mit all den silbernen Nieten und dem schweren Gürtel sieht er - höflich ausgedrückt - mehr als bikermäßig aus. Die Haare sind im Stil der Leningrad Cowboys frisiert, mit viel Haarspray und Gel ist die Tolle „hinbetoniert“, am rechten Ohr baumelt ein Totenkopf - kurzum, jeder Mann in diesem Aufzug scheint für den Beruf eines Bankers total ungeeignet.

Ich bin geschockt und total sprachlos. Zu allen Überfluss kommt in diesem Moment nun auch der Abteilungsleiter Personal in mein Zimmer herein. Dem ist sein Schreck, als er Benjamin sieht, noch deutlicher anzumerken als mir und er verlässt fluchtartig den Raum.

Benjamin hat das alles bemerkt und sagt ganz cool: „Darauf habe ich gewartet. Wenn Sie mir jetzt einen Moment Zeit geben, zeige ich Ihnen, wie ich jeden Tag in die Bank kommen werde.“ Als ich nicke, noch immer sprachlos, geht er hinaus und ich bemerke erst jetzt, dass er eine Reisetasche trägt. Ungefähr 10 Minuten später erscheint ein seriös gekleideter junger Mann, in dem ich erst bei genauem Hinsehen Benjamin erkenne. Auf meine Frage, was er sich denn dabei gedacht hätte, meint er: “Wissen Sie, ich wollte nur Ihre Gesichter sehen, wenn ich so

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bei Ihnen auftauche. Ich hab's mir spannender vorgestellt. Außerdem sollten Sie auch wissen, wie ich in meiner Privatzeit aussehe und in die Berufsschule gehen werde.“

Als Benjamin draußen war, rief mich mein Chef zu sich. Er meinte, so jemand könnten wir doch nicht einstellen. Ich erzählte ihm die Geschichte des Gesprächsverlaufs und auch, dass Benjamin bereits einen Ausbildungsvertrag mit uns hatte. Wir beschlossen, kritisch abzuwarten, wie sich dieser Auszubildende während der Lehre entwickeln würde, und gegebenenfalls entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Während des Ausbildungsverlaufs hörten wir über Benjamin nichts Negatives und seine Privatsphäre hat die Bank nie kompromittiert. Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Lehre haben wir ihn in ein festes Angestelltenverhältnis übernommen - nicht zuletzt wegen der im Einzelausbildungsgespräch gezeigten Courage und Authentizität. Heute leitet er selbst eine unserer Zweigstellen - manchmal mit etwas ungewöhnlichen Methoden. Aber immer zu unserer Zufriedenheit.“

Strategie und Überlegung Benjamin hat sich für einen Beruf entschieden, in dem neben

den fachlichen Voraussetzungen auch konservatives, seriöses Aussehen und Auftreten entscheidend sind. Deshalb outete er sich erst dann als Rocker, als er den Ausbildungsvertrag in der Tasche hatte. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens, damit es im Nachhinein keine bösen Überraschungen (zum Beispiel Gerede über sein Priva tleben oder gar Mobbing durch die Kollegen) geben kann, die ihn unter Umständen seine Ausbildung kosten könnten, und zweitens, um zu zeigen, dass er einen eigenständigen Charakter hat, dazu steht, aber durchaus unterscheiden kann, welches Auftreten und Aussehen wo angemessen ist.

Er hatte vor seinem Outing mit dem Anwalt seiner Familie die Rechtslage abgeklärt, um zu vermeiden, dass er durch sein „Experiment“ Gefahr läuft, seinen Ausbildungsplatz zu

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verlieren. Meinung des Personalentscheiders Nachdem ich meinen anfänglichen Schock überwunden hatte,

war ich von dem Mut dieses jungen Mannes beeindruckt. Die gute Vorbereitung des Auftritts - wie eine durchgeplante Choreographie - und die darauf folgende konsequente Trennung zwischen Berufs- und Privatleben waren beachtlich.

Wir haben gerade diese Lehrzeit mit Argusaugen verfolgt und festgestellt, dass Benjamin seinen Mit-Azubis zeigte, dass man sich nicht verbiegen muss, um beruflichen Erfolg zu haben. Damit hat er ihnen ein Stück persönlicher Freiheit vermittelt. Das war letztlich auch der Grund, warum wir ihn in ein festes Angestelltenverhältnis übernommen haben, denn unsere Bank braucht eigenständige Mitarbeiter und keine Klone irgendwelcher Erwartungshaltungen, die aus längst überlebten Traditionen kommen.

Steter Tropfen höhlt den Stein

Eine große Mediengruppe suchte einen Nachwuchsverkäufer für Film- und Fernsehprogramme. Lars hatte sich seine ersten Sporen als Verkäufer in einer verwandten Branche verdient und war privat sehr an Film und Fernsehen interessiert. Trotz geringer Aussicht auf Erfolg sandte er seine optisch ansprechende, knapp und deutlich gefasste Bewerbung ein. Im Begleitschreiben wies er auf die umfassenden Kenntnisse der Materie hin, die er sich über sein Hobby, nämlich Kino und Fernsehen, erworben hatte.

Nach einigen Wochen wurde Lars zum ersten Vorstellungsgespräch gebeten. Seine Gesprächspartner waren ein Personalreferent und der Verkaufsleiter Film- und Fernsehprogramme. In diesem Gespräch stellte Lars sehr

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deutlich dar, weshalb er ausgerechnet in diesem Unternehmen als Verkäufer arbeiten wolle und dass er sich auch zutrauen würde, erfolgreich zu sein.

Nach dem Gespräch hörte er lange Zeit nichts mehr von seiner Bewerbung. Nach vielen Anrufen seinerseits kam ein zweites Gespräch mit denselben Gesprächspartnern zustande. Nach diesem Gespräch wurde Lars eingestellt.

Strategie und Überlegung Für Lars war ganz klar: Ich will unbedingt genau diesen Job

und keinen anderen. Ich kann gut verkaufen, das weiß ich. Mit meiner Bewerbung habe ich nichts zu verlieren - ich kann nur gewinnen und dafür setze ich mich ein.

Mit dieser Einstellung rief Lars hartnäckig (ohne wirklich lästig zu werden) immer wieder bei seinen Gesprächspartnern aus dem ersten Vorstellungsgespräch an. Immer wieder kommunizierte er sein authentisches Interesse an gerade diesem Job. Er wies deutlich darauf hin, dass er sich mit dem Thema TV und Kino persönlich stark beschäftigt und durch dieses Hobby ein trainiertes Auge für Filme hat.

Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ war er schluss endlich erfolgreich.

Meinung des Personalentscheiders Intern war dieser Bewerber sehr umstritten. Er besaß zwar

erfolgreiche Verkaufserfahrung, war aber mit der Medienbranche nur über sein Hobby vertraut. Wir hatten für diese Stelle viele Bewerbungen, doch zog sich der Entscheidungsprozess zur Besetzung dieser Nachwuchsvakanz aus verschiedenen Gründen sehr lange hin. Durch seine Anrufe hat sich Lars immer wieder ins Gespräch gebracht - vor allem weil er eine Art der Kommunikation pflegt, die Gespräche mit ihm angenehm machen. So wurde uns seine „Penetranz“ auch nicht lästig. Wir haben die Film- und Fernsehkenntnisse von Lars im ersten wie auch im zweiten Gespräch sehr intensiv

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hinterfragt. Er bewies in beiden Fällen, dass er sich in diesem Genre auskennt und brancheninternen Bewerbern durchaus ebenbürtig war. Den Ausschlag hat jedoch seine Hartnäckigkeit gegeben. Sein Drängen war authentisch und seine Positionierung klar und deutlich.

Möbelverkauf zum Nulltarif

Unser Bewerber, nennen wir ihn Gerhard, hat Buchhalter gelernt. Eine trockene Sache, wie er meint. Viel lieber hätte er es mit Menschen und nicht nur mit Zahlen zu tun. Da hört er von einem großen Möbelhaus ganz in seiner Nähe, das dringend Mitarbeiter mit gutem Zahlenverständnis für den Verkauf sucht.

In der Gegend herrscht große Arbeitslosigkeit. Gerhard gibt sich relativ wenig Chancen, als Quereinsteiger auf konventionellem Wege an diesen Job heranzukommen, der ihm die Möglichkeit bieten würde, sein gutes Zahlenverständnis zu nutzen und gleichzeitig mit vielen verschiedenen Menschen zusammenzukommen.

Also nimmt er unbezahlten Urlaub in seiner jetzigen Arbeitsstelle, geht zum Personalleiter dieses Möbelhauses und bietet ihm an, dort vier Wochen unentgeltlich sein Können unter Beweis zu stellen. Wenn man mit seiner Arbeitsleistung zufrieden sei, so würde er gerne in diese neue Position wechseln. Der Personalleiter, beeindruckt vom Engagement und der Zielgerichtetheit des Bewerbers, erlaubt ihm dies nach einigen Überlegungen.

In den folgenden vier Wochen entpuppt sich Gerhard, dem diese neue Tätigkeit wie ein Urlaub von den trockenen Zahlenkolonnen erscheint, als äußerst geschickter Verkäufer, der auf die Bedürfnisse seiner Kunden eingeht und einen guten Geschmack besitzt. Als Gerhard dem Möbelhaus noch einen Verbesserungsvorschlag unterbreitet, dessen Realisierung eine

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nicht unwesentliche Kostenersparnis nach sich zieht, ist die Sache klar: Ohne weitere Diskussionen bekommt er sofort einen unbefristeten Arbeitsvertrag - mit Fixum, großzügiger Provisionsregelung und einem Bonus für realisierte Verbesserungsvorschläge.

Strategie und Überlegung Gerhard langweilte sich in seiner Tätigkeit als Buchhalter. Er

hatte es satt, Tag für Tag die EDV-Programme mit Zahlen zu füttern, auf Fehlersuche endlose Ziffernreihen zu durchforsten und überwiegend mit dem PC zu kommunizieren. Gerhard war um die 35, also in einem Alter, in dem man die Sinnhaftigkeit seines Tuns und Lassens schon mal hinterfragt. Eine dieser Fragestellungen war auf den Beruf bezogen und lautete: Tue ich das, was ich tue, gerne? - Diese Frage konnte er mit einem klaren Nein beantworten. Die nächste Frage war schwieriger: Was tue ich wirklich gerne? Uff, da musste er erst einmal in sich gehen. Zuallererst fielen ihm all die Dinge ein, die er gar nicht mochte. Nichtsdestotrotz schrieb er sie auf und langsam kristallisierten sich einige Bereiche heraus, die ihm wirklich Spaß machten - wie zum Beispiel Leute beraten, in einer schönen Umgebung arbeiten, Leistungsorientierung zu zeigen und noch einiges mehr. Die dritte Frage - nämlich wie komme ich zu einer Arbeit, die mir bietet, was ich gerne tue, und wie könnte die aussehen - beantwortete sich von selbst durch die Anzeige des Möbelhauses. Damit blieb nur noch eine Frage offen: „Wie komme ich dorthin?

Er beschloss, sich zum Ausprobieren per Nulltarif anzubieten. Seine Idee war, dass wohl keine Firma zu einem solchen „Geschenk“ Nein sagen würde, und genauso kam es auch.

Meinung des Personalentscheiders Als wir das Angebot eines unentgeltlichen Probearbeiters

bekamen, klärten wir zuerst die gesetzlichen Rahmenbedingungen ab, bevor wir es akzeptierten. Wer kann

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schon der Möglichkeit widerstehen, einen Mitarbeiter vor der Einstellung - und sei es nur auf Probe - ohne finanzielles und arbeitsrechtliches Risiko auszuprobieren? Zugegeben, Gerhard hatte weder Erfahrung als Verkäufer noch in der Möbelbranche, machte aber im persönlichen Gespräch einen sehr angenehmen Eindruck. Er wusste, was er wollte, und „verkaufte“ uns seine Idee so geschickt, dass wir gar nicht wussten, dass wir ihn „gekauft“ hatten. In der kurzen Zeit von vier „Wochen hat er sich in unser Verkäuferteam integriert, Verkäufe getätigt und Kunden zufrieden gestellt. Das „Tüpfelchen auf dem i“ war sein Verbesserungsvorschlag. Was immer für Zweifel wir noch gehabt hätten, damit war es beschlossene Sache, Gerhard zum nächstmöglichen Zeitpunkt fest einzustellen. Zwischenzeitlich ist er zum Verkaufsleiter aufgestiegen.

Gut beraten

In der Grafikabteilung einer weltweit tätigen Unternehmensberatung wurde ein Projekt-Grafiker zum Einsatz in verschiedenen Studienprojekten gesucht. Neben den üblichen Bewerbungen ging ein kleiner, gepolsterter Umschlag ein, der eine Diskette mit dem Vermerk „Virengeprüft“ enthielt. Als die Diskette in den Computer eingelegt war, spielte sich ein wahres Feuerwerk an animierter Präsentation ab! Die Bewerbung war gestaltet wie eine Präsentation der Unternehmensberatung, animiert und zweisprachig, einmal in Deutsch und einmal in Englisch.

Man lud die Absenderin, Gabi, zum Vorstellungsgespräch ein, und sie wurde nach einem sehr kurzen Gespräch zum nächstmöglichen Termin eingestellt. In dieser Unternehmensberatung arbeitet sie heute noch, inzwischen als Leiterin der Grafikabteilung.

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Strategie und Überlegung Es war Gabi klar, dass sie sich positiv von den Mitbewerbern

abheben musste, um die Chance zu bekommen, in einer solch renommierten Firma anzukommen. Sie überlegte sich folgende Strategie: In einer Unternehmensberatung gibt es so genannte Layoutstandards, nach denen Berichte und Schaubilder gestaltet werden. Wenn sie diese bereits beherrschen würde und noch dazu die passenden Programmkenntnisse hätte, dann wäre sie mit ihrer Ausbildung zur Grafikerin und ihrer vierjährigen Berufserfahrung die ideale Kandidatin. Also frisch ans Werk: Gabi erfragte die Layoutstandards und die Namen der verwendeten Programme bei einem ihr bekannten Consultant dieser Unternehmensberatung. So gestaltete sie die Bewerbung unter Verwendung der Präsentationsstandards in Deutsch und Englisch mit einigen witzigen Animationen obendrauf. Sie speicherte ihre Bewerbungspräsentation auf Diskette, prüfte diese auf Computerviren und schickte sie ab.

Meinung des Personalentscheiders Eine durchaus akzeptable Kandidatin präsentierte sich auf

eine kurzweilige, aus dem Rahmen des Üblichen fallende Weise, wobei wir nicht sagen wollen, dass die Art unseriös gewesen ist. Wir bemerkten, dass die Bewerberin ein gutes grafisches Gespür besaß. Doch für uns verblüffend war der kreative Einsatz unserer Layoutstandards. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Präsentationen die erarbeiteten Informationen transportieren und das Kundeninteresse halten, damit viele Einzelheiten im Gedächtnis des Kunden haften bleiben. Diese Bewerberin hatte uns schlüssig bewiesen, dass sie dazu in der Lage ist - wichtig für einen Grafiker, der Studien beim Kunden begleitet und nicht in der Abteilung bei uns sitzt.

Als wir Gabi persönlich kennen lernten, hat uns ihre schnelle Auffassungsgabe gefallen. Sie beherrschte außerdem die von uns verwendeten Grafikprogramme und war mit unseren Standards vertraut. Dies alles verringerte die Einarbeitungszeit

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erheblich und sparte uns eine Menge Zeit und Geld. Klar, dass wir uns für diese Bewerberin entschieden. Sie hat sich in der Zwischenzeit zur Leiterin der Grafikabteilung weiterentwickelt.

Quadratisch - praktisch - gut

In der Pharmabranche sind gut dotierte Stellen in der Verwaltung rar und heiß begehrt. Als nun ein weltweit agierendes Unternehmen einen Produkt-Sachbearbeiter für neue Geschäftsfelder suchte, ging eine auffallende Bewerbung ein, im wahrsten Sinne des Wortes: Denn sie fiel dauernd aus dem Stapel der noch zu bearbeitenden Unterlagen. Warum? Sie war nicht im üblichen DIN-A4-Format gehalten - nein, sie war größer und quadratisch: der Umschlag, das Papier, die Zeugniskopien!

Diese Bewerbung zog die Aufmerksamkeit sofort auf sich. Das Wissen und die Vorbildung der Bewerberin entsprachen den Anforderungen und sie wurde als Erste zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Sie überzeugte und bekam die Stelle.

Strategie und Überlegung Nicole überlegte, wie ihre Bewerbung auf seriöse Weise

auffallen könnte, denn das Pharmaunternehmen, das inseriert hatte, war unter Insidern als sehr guter, jedoch ziemlich konservativer Arbeitgeber bekannt.

Sie ließ sich viele Varianten durch den Kopf gehen, die sie allesamt als zu „poppig“ verwarf, und entschied sich für ein Kuvert in einem ungewöhnlichen Format. Der Aufwand, einen quadratischen Umschlag größer als DIN-A4-Papier zu finden, war erheblich. Die Suche nach einem Grafiker, der ihre Zeugnisse auf ein quadratisches Papier vergrößern und kopieren konnte, nahm einige Zeit in Anspruch. Weiterhin verwandte sie

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sehr viel Mühe auf das Anschreiben, um zu vermeiden, dass sie und ihre Bewerbung „in die falsche Schublade gesteckt werden“.

Meinung des Personalentscheiders Wir bekamen immens viele Zuschriften auf dieses Inserat und

sind in Bewerbungen fast erstickt. Dann noch dieser komische Umschlag. Wir waren richtig genervt, weil er dauernd aus dem Stapel fiel. Deshalb haben wir diese Unterlagen auch gleich aus dem Stapel gezogen und angesehen.

Der Begleitbrief war gewinnend formuliert und die Qualifikation von Nicole stimmte auch. Das hat uns wieder versöhnt und wir waren neugierig zu sehen, wer sich hinter dieser Kombination aus fachlicher Qualifikation, Listigkeit und ein bisschen Frechheit verbirgt. Also haben wir sie vor allen anderen eingeladen.

Als Nicole zum Vorstellungstermin kam, war sie konservativ gekleidet und wirkte im Gespräch sachlich und konventionell. Nur das Funkeln in ihren Augen, das ab und zu aufblitzte, verriet ihren hintergründigen Humor. Sie hat uns gefallen, die Chemie stimmte und wir stellten sie ein. Den anderen Bewerbern haben wir gleich abgesagt und uns damit eine Menge unnötiger Arbeit erspart.

Vom sitzenden Redakteur zum rollenden Reporter

Die Mitgliederzeitschrift eines Automobilclubs suchte einen Reporter. Michael, bisher als Buchredakteur tätig, war mit seiner Aufgabe nicht mehr zufrieden. Er wünschte sich, mehr aktiv am Geschehen teilzunehmen, statt überwiegend am Schreibtisch zu recherchieren.

In der Stellenanzeige stand unter anderem der Satz: „Zeigen

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Sie uns gleich mit Ihrer Bewerbung, was Sie können.“ Michael nahm diesen Satz wörtlich und schrieb eine vier Seiten lange Reportage über sich selbst und seine Beweggründe, sich vom Redakteur zum Reporter zu verändern. Selbstverständlich fügte er seinen Lebenslauf, eine Liste von ihm veröffentlichter Bücher, Zeugnisse und sein Foto bei. Er überzeugte, bekam den Job und hat sich als „rollender Reporter“ zwischenzeitlich einen guten Namen gemacht.

Strategie und Überlegung Michael spürte die Unzufriedenheit mit seiner Position als

Redakteur. Er ging diesem Gefühl nach, hinterfragte sich selbst und kam zu einem Ergebnis. Dieses Ergebnis - Rollentausch vom passiven zum aktiven Berichterstatter - hat er zielstrebig umgesetzt. Er hat sich stark am Stellenangebot orientiert. Sein vierseitiges Bewerbungsschreiben - vollkommen unüblich, da Bewerbungsschreiben nicht länger als eine Seite sein sollten spiegelte seine Kompetenz und gleichzeitig seine Neigung wider.

Meinung des Personalentscheiders Alle anderen Bewerber hatten die üblichen Arbeitsproben

mitgeschickt. Entsprechend hoch war der Arbeitsaufwand in unserer Abteilung beim Sichten der Bewerbungen. Als wir die vierseitige Arbeitsprobe im Sinne einer Bewerbungsreportage bekamen, haben wir uns den Bewerber als Ersten angesehen. Es hat uns beeindruckt, dass er als einziger den Anzeigentext so verstanden hat, wie wir ihn meinten.

Im Gespräch hat er schlüssig argumentiert, warum dieser Job zu ihm passt und er ihn haben will. Er hat uns überzeugt und wir haben unsere Entscheidung nie bereut.

Die „Reportage“ Diese Bewerbung wurde mir in anonymisierter Form

zugesandt. Ich halte ein ähnliches Vorgehen auch in anderen Bewerbungssituationen für Erfolg versprechend und möchte

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Ihnen den Wortlaut der „Reportage“, den ich sehr amüsant finde, nicht vorenthalten:

Sehr geehrte Damen und Herren der Personalabteilung, liebe potenzielle Kollegen in der...-Redaktion, „Zeigen Sie uns gleich mit Ihrer Bewerbung, was Sie können.“ Konsequentes Recherchieren, Kreativität, Fingerspitzengefühl, Durchsetzungsvermögen und auch noch spannende Schreibe sind gefragt.

Da kratze ich mich erst mal nachdenklich am Hinterkopf, stütze mein vor Kreativität schier platzendes Haupt auf den abgewinkelten Unterarm, streiche die Falten auf meiner Stirn glatt und entspanne...

No problem! Schon gar nicht für einen Profi. Aber eine spannende Bewerbung ist mir bislang weder untergekommen noch habe ich je eine verfasst. Vielleicht hätten Sie es gerne so?

19. April...: Verhalten klingen neun Glockenschläge aus dem Nachbardorf

herüber, als es unvermittelt am Briefkasten raschelt. Nanu, schon so früh? Sonst bequemt sich der Postbote samstags nicht vor 11 Uhr. Vielleicht gibt's was Besonderes, denke ich plötzlich hellwach und beeile mich, den Kasten zu leeren. Rechnungen, belanglose Drucksachen und... ah, die Süddeutsche am Wochenende. Also nichts! Oder doch? Nach der zweiten Tasse Kaffee fällt mir beim Durchblättern das Wort „Reporter“ ins Auge und obwohl schon längst beim Feuilleton angelangt, assoziiere ich auf meinem geistigen Bildschirm plötzlich „Reporter - ADAC“. Was war das? Also schnell zurück und suchen. Tatsächlich! Auf der Seite 131 links oben lese ich es schwarz auf weiß. Das wolltest du doch schon immer machen, schießt es mir durch den Kopf. Nur kam alles ganz anders, damals, als ich jenen Verlag verließ, in dem ich mein journalistisches Handwerk erlernte. Anfangs mehr

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Zeitschriftenjournalismus, dann - ganz schleichend und unbeabsichtigt - mehr Rechercheaufträge für Buchverlage. Schließlich nur noch Sachbücher, immer Sachbücher, verdammte Sachbücher.

Es ist wie mit Alain Delon: einmal Ganove - immer Ganove. Und Heinz Rühmann musste sehr alt werden, bis jemand sich flexibel und weitsichtig genug zeigte, um ihm, dem auf ewig abgestempelten Komödianten, eine Charakterrolle anzubieten. Das, wonach er sich zeitlebens gesehnt hatte. Und er war gut, sehr gut sogar!

Wie kann ich das alles nachfühlen. „Ah, Sie schreiben Sachbücher?“ „Ja, aber verzeihen Sie, ich wollte eigentlich schon immer mal...“ „Sehr interessant. Ich hätte da etwas für Sie...“ Also fing ich dasselbe wieder von vorne an. Nicht gerade langweilig. Nein, aber irgendwie doch auf Dauer ermüdend und zu trocken. Keine Recherchen vor Ort, nur selten Primärinformationen aufspüren, den Puls des Lebens eher aus zweiter, wenn nicht gar aus dritter Hand nur fühlen und aufzeichnen können.

Wie anders ist da das Leben eines Reporters. Auch am Schreibtisch, aber auch viel draußen ohne Berührungsängste den Menschen in seiner Umwelt erleben! Aber wo den Verleger, den Chefredakteur finden, der einem unfreiwilligen Buchautor auch eine andere Rolle zutraut? Wo den Vorgesetzten finden, dessen Menschenkenntnis auf Diplome, Zeugnisse und andere gelebte und ungelebte Be- oder Verurteilungen verzichten kann?!

Und jetzt dieses Angebot aus heiterem Himmel. Ich setze mich an die Schreibmaschine und tippe, was es zu tippen gilt. Das Übliche, das Gewünschte. Geboren? Selbstverständlich! Wann und wo und alles andere. Aber dann doch noch diese merkwürdige Aufforderung „Zeigen Sie uns gleich mit Ihrer Bewerbung, was Sie können“. Und so kommen Zeilen zustande, die versuchen, bislang Unverstandenes verständlich zu machen, und ich mische intuitiv ein paar Funken Zuversicht darunter, 21.

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April..., München, 10:45 Uhr: Herr Hans Hansmann greift zielstrebig aus einem Stapel

Bewerbungen die eines gewissen Michael Müller heraus und beginnt zu lesen. Nur ein kurzes Zögern noch und er sucht - die Augen weiterhin auf die Unterlagen geheftet - mit einer fahrigen Handbewegung den Telefonhörer, tippt schließlich die Nummer......in die Tastatur (wenn gewünscht, folgt Fortsetzung live), Anruf genügt. Ich würde mich sehr freuen.

Viele Grüße Michael Müller

Übung macht den Meister

Nach erfolgreichem Abschluss ihres Hochschulstudiums als Wirtschaftsingenieurin machte sich die in Bewerbungsdingen unerfahrene Absolventin Lisa eine Liste von 100 Unternehmen, für die sie sich vorstellen konnte zu arbeiten.

Diese Liste begann in dem Unternehmen, für das sie am liebsten arbeiten würde. Diesem Unternehmen gab sie die Nummer 1. Lisas Liste endete mit der Zahl 100. Dieser Zahl hatte sie das Unternehmen zugeordnet, das für sie die letzte Priorität besaß. Ihre Bewerbungsunterlagen waren in Form von Flussdiagrammen aufgebaut. Der Leser wurde so durch ihre persönlichen Daten, Ausbildung und Berufserfahrung geleitet, ohne sich durch Fließtext „quälen“ zu müssen. Die ersten Bewerbungen sandte Lisa an die Unternehmen, die auf ihrer Liste zwischen 80 und 100 standen. Sie bekam Einladungen zu Vorstellungsterminen und auch viele Absagen. Als sie bei den Bewerbungen für die Unternehmen mit den Zahlen l bis 10 angekommen war, hatte Lisa so viel Routine und Erfahrung im Bewerben, dass sie viele Anfangsfehler vermeiden konnte und locker auch die schwierigsten Situationen in den Vorstellungsgesprächen meisterte. Am Schluss ihres „Bewerbungsmarathons“ bekam Lisa sogar noch einen höher

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dotierten Job, als sie sich eigentlich vorgestellt hatte. Strategie und Überlegung Lisa hatte ihr Diplom in der Tasche und entwickelte in Ruhe

ihre Bewerbungsstrategie. Sie war nicht an einen Ort gebunden und fragte sich: Für wen will ich überhaupt arbeiten? Sie befasste sich intensiv mit den jeweiligen Unternehmen und den eigenen Erwartungen, die sie an ihre Arbeitsstelle hatte. So lernte sie sehr viel über ihre eigenen beruflichen Bedürfnisse. Die Zielunternehmen gewichtete sie auf einer Rangreihe von l bis 100. Über diese Bewertung setzte sie sich mit dem jeweiligen Unternehmen auseinander, mit dessen Philosophie, ihren Aufstiegschancen - vor allem als Frau in einer männerdominierten beruflichen Umwelt.

Bei der Gestaltung ihrer Unterlagen legte Lisa großen Wert auf leichte Lesbarkeit und befasste sich damit, wie sie den Personalsachbearbeitern die Arbeit erleichtern könnte. Sie entwickelte die Bewerbung im Flussdiagramm-Stil und verhielt sich also extrem kundenorientiert.

Um Erfahrung und Routine im Vorstellungsgespräch zu bekommen, rollte sie ihre Lieblingsunternehmen von hinten auf. Das heißt, sie bewarb sich zuerst bei den Unternehmen, für die sie am wenigsten gerne arbeiten wollte. In den vielen telefonischen und persönlichen Bewerbungsgesprächen sammelte sie die Erfahrung, die sie brauchte, um den optimalen Job zu bekommen.

Meinung des Personalentscheiders Die Lockerheit und Offenheit der Bewerberin, die sich auch

durch die kniffligsten Fragen nicht aus der Ruhe bringen ließ, gaben den Ausschlag für ihre Einstellung. Sie zeigte keinerlei Scheu, wenn man ihre Äußerungen hinterfragte und sie „auf den Prüfstand stellte“. Das Verhalten im Gespräch war aufmerksam, selbstbewusst und souverän. Sie wirkte weder nervös noch unsicher und vertrat ihre Meinung klar und deutlich.

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Eine süße Bewerbung

Die Personalleiterin eines Nahrungsmittelkonzerns fand auf ihrem Schreibtisch eine ansprechend dekorierte Holzschachtel. Sie war bemalt und trug eine hübsche Schleife. Auf dem Geschenkanhänger stand ihr eigener Name. Erwartungsvoll öffnete die Personalleiterin die Holzschachtel und war sehr erstaunt: Der Inhalt war kein Geschenk, keine Pralinen, wie sie erwartet hatte, sondern eine auf sehr gutem Papier gedruckte Bewerbung als Bilanzbuchhalterin. Neugierig las die Personalleiterin die erstklassigen Referenzen und lud die Absenderin spontan zum Vorstellungsgespräch ein, obwohl es derzeit keine offene Stelle in der Buchhaltungsabteilung gab.

Die Bewerberin machte einen sehr gepflegten Eindruck und ihre Art entsprach dem Bild, das sie mit ihrer Bewerbung vermittelt hatte. Die Personalleiterin merkte sich die Bewerberin für die nächste frei werdende Stelle als Bilanzbuchhalterin vor und innerhalb von sechs Monaten war es dann soweit: die „Holzschachtel“ wurde eingestellt.

Strategie und Überlegung Ulrike befand sich in einer schwierigen Situation: Sie

arbeitete für ein Unternehmen, dessen Geschäfte zunehmend schlechter liefen, und sie wusste, dass es höchste Zeit für sie war, sich eine neue Stelle als Bilanzbuchhalterin zu suchen. Leider gab es in ihrer Stadt keine offenen Stellen und Ulrike wollte nicht wegziehen. Sie überlegte, welche Firma ihr einen weitestgehend sicheren Arbeitsplatz für die Zukunft bieten könnte, und da erschien ihr ein Großunternehmen wie der Nahrungsmittelkonzern optimal. Leider gab es aber auch dort keine Vakanz in der Buchhaltung.

Ulrike war klar, dass nur eine „außergewöhnliche“ Initiativbewerbung in Betracht käme, an die man sich immer positiv erinnern würde, vor allem dann, wenn eine adäquate

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Stelle im Unternehmen frei würde. Sie konnte recht gut malen und Spanschachteln zu gestalten war eines ihrer Hobbys. Sie brachte den Geschmack der Personalleiterin in Erfahrung, kaufte eine größere Spanschachtel und bemalte sie so, wie sie der Personalleiterin gefallen könnte. Sie verwendete außergewöhnlich schweres Papier für ihren Lebenslauf und das Anschreiben. Sogar ihre Zeugnisse und Referenzen kopierte sie darauf. Sie scheute also weder Kosten noch Mühen - und es hat sich gelohnt!

Meinung des Personalentscheiders Eine so edle Blindbewerbung habe ich noch nie gesehen. Die

Schachtel war zwar sehr weiblich aufgemacht, aber in keinster Weise kitschig. Das hat mich neugierig gemacht auf die Person, die dahinter steckt, obwohl wir keine Stelle anzubieten hatten. Ulrike war trotz der kreativen Art der Bewerbung eine seriöse, vertrauenswürdige Person mit der nötigen Fachkompetenz, und ich habe sie, als eine adäquate Stelle frei wurde, sofort eingestellt.

Schneller als der Markt oder: Träume werden wahr!

Theodor arbeitet in der Milchwirtschaft in Norddeutschland. Seine Frau und er sind echte Friesen, würden jedoch liebend gerne nach Bayern umziehen: Dort zu leben und zu arbeiten, wo sie sonst nur ihre Ferien verbringen, ist für beide das Ziel ihrer Träume. Einfach ist es allerdings nicht: Weder in den einschlägigen Fachzeitungen noch sonst wo sind Stellenangebote zu finden. Die infrage kommenden Stellen scheinen alle besetzt. Aus dem Wirtschaftsteil einer bayerischen Regionalzeitung erfährt Theodor, dass es Vermutungen über den Zusammenschluss zweier Molkereien gibt. Kurzerhand schreibt Theodor beide Molkereien an und bewirbt sich für eine

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möglicherweise frei werdende Stelle. Er bekommt ein kurzes Bestätigungsschreiben, dass seine Bewerbung vorgemerkt ist. Dann ist Funkstille.

Als er und seine Frau wieder nach Bayern in Urlaub fahren, vereinbart Theodor telefonisch mit den Personalabteilungen beider Molkereien einen kurzen Besuchstermin, In diesem Gespräch überzeugt Theodor mit seiner ruhigen und kompetenten Art beide Personalchefs. Sie finden Einsatzmöglichkeiten für ihn - und er kann sich aussuchen, für welche der beiden Molkereien er arbeiten will!

Strategie und Überlegung Theodor hat sich genau überlegt, welche Ressourcen ihm

außer den regulären Stellenangeboten noch zur Verfügung stehen. So abonnierte er die Regionalzeitung, in der alles Wissenswerte aus dem Landkreis stand, der ihm von seinen Ferien her vertraut war und in dem er leben wollte.

Er hat in seiner Firma um Urlaub gebeten. Danach hat er die Adressen und Ansprechpartner in beiden Molkereien recherchiert und die Gesprächstermine für die Zeit während seines Urlaubs vereinbart. Den Schwerpunkt setzte er schon bei den Gesprächsvereinbarungen auf die Tatsache, dass er relativ problemlos umziehen könne und seine Frau diesen Entschluss nicht nur begrüßt, sondern sogar forciert.

Meinung des Personalentscheiders Eigentlich hatten wir keine zu besetzende Stelle. Als sich

dieser norddeutsche Kandidat dann persönlich vorstellte, hat uns seine klare, ruhige Art beeindruckt und die Gelassenheit, mit der er das Gespräch führte, so dass uns eine Zusammenarbeit höchst wünschenswert erschien. Er passt einfach zu uns - ruhig, klar und verlässlich. Seine Frau haben wir auch gleich engagiert - sie arbeitet in unserer Verpackungsabteilung. Beide haben sich gut integriert - soll einer sagen, Bayern und Norddeutsche vertragen sich nicht!

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Engineering by Video

Reinhard, ein Hochschulabsolvent, bewirbt sich blind (also ohne dass die Firma eine offene Stelle ausgeschrieben hätte oft auch Initiativbewerbung genannt} als Software-Entwickler bei einem Hersteller von Industriecomputern. In den normalen schriftlichen Bewerbungsunterlagen stellt er seine fachlichen Fähigkeiten in den Vordergrund, Weiterhin fügt er einen 15minütigen Videofilm bei, in dem er sich persönlich vorstellt und gleichzeitig dezidiert darauf eingeht, warum er ausgerechnet bei diesem Computerhersteller arbeiten möchte.

In beiden darauf folgenden Vorstellungsgesprächen kann Reinhard sowohl den Fachvorgesetzten als auch den Personalchef davon überzeugen, dass es für das Unternehmen ein Gewinn ist, sich für ihn als Mitarbeiter zu entscheiden. Er wird für eine frei werdende Position eingestellt, obwohl er noch nicht in vollem Umfang über die gewünschte Berufserfahrung verfügt. Seine authentische Selbstdarstellung hat jedoch ausreichend Entwicklungspotenzial erkennen lassen, sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Hinsicht. Somit konnte Reinhard überzeugend den Eindruck vermitteln, dass Unternehmen und Mitarbeiter letztendlich zueinander passen werden.

Strategie und Überlegung Als Hochschulabsolvent verfügt Reinhard noch nicht über die

Fachkompetenz eines „alten Hasen“. Er befürchtet, dass seine Blindbewerbung abgewiesen würde, wenn ihm nicht etwas Besonderes einfiele, das ihn als High Potential positioniert. Also stellt er per Videofilm seine Persönlichkeit in den Vordergrund. Er sitzt entspannt in seinem Arbeitszimmer vor seinem PC und erzählt vor laufender Kamera über sich, und das etwa fünf Minuten lang, ohne langweilig zu werden. Dann zeigt die Kamera kurz auf den Geschäftsbericht des Computerherstellers

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und Reinhard sagt, was er über dieses Unternehmen weiß und warum er ausgerechnet da arbeiten will. In klar formulierten Sätzen fasst er am Ende zusammen, was er dem Unternehmen zu bieten hat und warum gerade er für eine frei werdende Stelle berücksichtigt werden sollte. Er verspricht über seine fachliche Eignung hinaus einen „value added“ für das Unternehmen. Selbstverständlich hat Reinhard im Vorfeld ein Drehbuch für sein Video erfasst und seinen Videoauftritt mehrmals geübt, bevor die endgültige Fassung aufgenommen wurde. Die hat er dann abgeschickt.

Meinung des Personalentscheiders Neben der fachlichen Eignung des Hochschulabsolventen hat

letztendlich überzeugt, dass er authentisch war. Er war sich seiner Stärken und Potenziale deutlich bewusst und hat sie klar formuliert. Die Gründe, die er anführte, um genau bei uns eine Stelle zu bekommen, waren schlüssig.

Zwischen der persönlichen Darstellung im Videofilm und dem Auftreten in den beiden Vorstellungsgesprächen war keine Diskrepanz. Damit waren die persönliche Eignung und die Identifikation mit dem Unternehmen unter Beweis gestellt.

Bei Anruf Job!

Harald ist Außendienstmitarbeiter eines weltweit tätigen Medienkonzerns. Er ist mit seiner Tätigkeit zwar zufrieden, doch die Verdienstmöglichkeiten sind beschränkt. Seine Freundin und er wollen heiraten, ein Haus bauen und dann eine Familie gründen. Diese Planung aber funktioniert nur dann, wenn Harald einer höher bezahlten Job findet. Es ist die Zeit der Liberalisierung des Telefonmarktes und ein großer internationaler Anbieter sucht dringend fest angestellte Außendienstler. Die Aufstiegs- und Verdienstchancen sind wesentlich besser als bei Haralds jetzigem Arbeitgeber. Er

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bewirbt sich mit den üblichen Unterlagen - und einem kleinen Extra: Harald kann seinem Anschreiben zehn Absichtserklärungen potentieller Kunden beifügen, die ihren Telefonanschluss wechseln würden, sobald Harald als Außendienstmitarbeiter des Telefonanbieters die Verträge abschließt.

Strategie und Überlegung Die Mitarbeiterführung des Medienkonzerns ist sehr eng. Die

Mitarbeiter haben wenig Freiraum bei der Gestaltung ihrer Arbeit. Harald empfindet das teilweise schon als Gängelei und wünscht sich mehr Gestaltungsfreiheit in seiner Arbeit. Der Telefonanbieter hat den Ruf, seinen Mitarbeitern weitgehend freie Hand zu lassen. Das Wort „Empowerment“ gehört für den englischsprachigen Konzern nicht nur zum Wortschatz, sondern wird auch im Tagesgeschäft praktiziert.

Die Entwicklungs- und Verdienstchancen sind gut und der Markt fängt an zu boomen; optimale Voraussetzungen für eine Tätigkeit im Außendienst. Entsprechend begehrt sind diese Stellen.

Harald weiß, das er nicht der einzige Bewerber sein wird, und ersinnt eine klevere Strategie: Er ruft bei der Servicenummer des Telefonanbieters unter dem Vorwand an, seinen Anschluss wechseln zu wollen. Harald bittet die Call-Center-Mitarbeiterin, ihm die Informations- und Vertragsunterlagen zu schicken. Diese überprüft er akribisch auf Kundennutzen wie Kostenersparnis, tarifliche Flexibilität und so weiter. Als er sich von der Qualität der angebotenen Tarifprodukte überzeugt hat, fragt er Freunde, Bekannte und interessierte Kunden, ob sie eventuell ihren Telefonanbieter wechseln möchten, und erzählt ihnen von seinen Karriereplänen. So findet Harald zehn Interessenten, die ihm eine Absichtserklärung unterschreiben, allerdings mit dem Vorbehalt, dass er ihr Außendienstmitarbeiter wird. Erst dann werden diese Absichtserklärungen in Verträge umgewandelt.

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Meinung des Personalentscheiders Der Mann hat wirklich Mumm! Im Vorfeld bereits so viel

Engagement zu entwickeln - noch dazu ohne Bezahlung -, das fanden wir echt stark. Es erfordert schon einigen Drive, Menschen für ein Produkt zu begeistern. Sie dann noch zu einer Unterschrift unter eine Absichtserklärung zu bewegen, die einem Vertragsabschluss gleichkommt, ist eine wunderbare Fähigkeit. Wir haben Harald logischerweise sofort eingeladen und ihn dann auch gleich eingestellt.

Vom „hot job“ zur Hotline

Ralfs großes Hobby war sein Computer. Viele Abende und Wochenenden verbrachte er in EDV-Kursen. Vor allem das Internet interessierte ihn sehr.

Tagsüber arbeitete er als Lagerarbeiter in einem großen Unternehmen, das seine Stellenangebote erst intern am schwarzen Brett bekannt gab, bevor es Personal von außen rekrutierte. Eines Morgens las er dort, dass für die interne PC-Support-Hotline ein Mitarbeiter gesucht würde. Kurz entschlossen marschierte er in seiner Lagerarbeitermontur direkt zum verdutzten Personalreferenten und sagte: „Ich beherrsche alle hier eingesetzten PC-Programme. Bitte lassen Sie mich diesen Job machen!“

Der Personalreferent gab ihm eine Chance und ließ ihn zwei Tage lang probehalber die Hotline-Fragen beantworten. In dieser Zeit bewies Ralf sein Können. Er hat sein Hobby zum Beruf und den Sprung vom Lagerarbeiter zum Hotliner gemacht!

Strategie und Überlegung Als Ralf die Stellenausschreibung las, handelte er ganz

spontan. Er dachte nicht lange darüber nach, wie etwas zu tun

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sei, sondern wusste intuitiv: Dies ist meine Chance, jetzt oder nie! Mit dieser Zielstrebigkeit und Unbeirrbarkeit hätte ihn auf seinem Weg zum Personalreferenten niemand aufhalten können. Ein Grund, warum sein unangemeldeter Vorstoß erfolgreich war.

Meinung des Personalentscheiders Die Bestimmtheit von Ralfs Auftreten hat mich überrascht.

Die selbstsichere Behauptung, dass er alle bei uns eingesetzten PC-Programme beherrsche, und das als Lagerist, konnte ich zuerst nicht glauben. Als ich ihn bat, in meinem Textverarbeitungsprogramm einige Einstellungen zu ändern und er das im Nu erledigte, nahm ich ihm seine Behauptung schon eher ab. Dass er diese Chance allerdings erhielt, hatte mit dem Job nicht direkt zu tun: Der Mut und die Chuzpe, die hinter so einem Vorstoß steckt, fand ich, war den Versuch wert. Ich konnte gar nicht anders, als ihm die Chance zu geben.

Erlebnisgastronomie

Stephanie hat gerade ihren Job als Leiterin eines Steakhauses verloren und ist entsprechend deprimiert. Zwar wollte sie schon immer in ein kleines, feines Restaurant wechseln, aber die Schließung der Filiale der Steakhauskette traf sie trotzdem unvorbereitet. Um sie zu trösten und aufzubauen, lud ihre Freundin sie in ein sehr edles Lokal in der näheren Umgebung ein.

Auf der Fahrt dorthin besprachen sie Stephanies weitere Berufsplanung. In der Gastronomie werden immer Kräfte gesucht, doch die Positionen für Restaurantleiter sind relativ dünn gesät, vor allem wenn man so präzise Vorstellungen hat wie Stephanie. Trotz der vielen Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten wollte sie nie wieder für eine Restaurantkette arbeiten, der Hotelbetrieb sagte ihr auch nicht

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zu. Sie wollte ein überschaubares, gehobenes Restaurant managen, das gute Gäste anzog. Als sie nach zehn Minuten Autofahrt das Lokal betraten, traute Stephanie ihren Augen nicht: Genau so sah ihr Traum-Restaurant aus!

Ihre Begeisterung legte sich etwas, als sie sah, dass Tische unabgeräumt blieben und das Servicepersonal hoffnungslos überlastet war. Bei der Bestellung erfuhren sie vom gestressten Kellner, dass seine beiden Kollegen überraschend ausgefallen waren und so schnell keine Aushilfe gefunden werden konnte. Stephanie dachte nicht lange nach, sie stand auf und räumte die Tische ab. Der Inhaber und gleichzeitig Koch des Restaurants bedankte sich mit einem Digestif, den er selbst servierte. Als er erfuhr, dass Stephanie auf der Suche nach einem neuen Job war, stellte er sie sofort ein.

Strategie und Überlegung Viel überlegt beziehungsweise strategisch geplant hat

Stephanie kaum. Sie handelte nach außen hin spontan - doch die Tatsache, dass sie „vom Fach“ war, half ungemein. Ein normaler Gast, der aufsteht und die Tische abräumt, wird, wenn er sich ungeschickt anstellt, lächerlich wirken.

Meinung des Personalentscheiders An diesem Abend war die Hölle los. Unsere Tische waren

trotz Urlaubsze it komplett reserviert und die Hälfte des Personals fiel der Sommergrippe zum Opfer. Ich hatte mit der Küche vollauf zu tun, keine meiner Hilfskräfte konnte ich für den „Notfall-Service“ entbehren und von unseren Aushilfen war auch keiner zu erreichen. Dass in dieser Situation ein Gast spontan einspringt - und sich dann im Gespräch als qualifizierte Gastronomiefachfrau entpuppt, das war ein Fingerzeig des Himmels.

Ich hatte schon häufiger darüber nachgedacht, ob es nicht an der Zeit wäre, einen Chef de Service zu suchen, der das Restaurant managt, so dass ich mich ausschließlich auf die

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Küche konzentrieren könnte. Seitdem meine Frau durch die Kinder nicht mehr mitarbeitet, hing der gesamte Betrieb an mir. Das Verhalten, das Stephanie durch ihre spontane Hilfsaktion gezeigt hat, zeugte von einer zupackenden Einstellung - eine Charaktereigenschaft, die ich sehr schätze. Also bot ich ihr ebenso spontan an, das Restaurant zu managen, und war glücklich, als sie akzeptierte.

Was alle Beispiele gemeinsam haben

Alle diese Beispiele sind echt - das heißt, die Geschichten sind wirklich so passiert und die geschilderten Bewerber haben wirklich die beschriebene Stelle bekommen.

Warum wohl? Wenn Sie die Beispiele sowohl mit Vergnügen als auch mit Aufmerksamkeit gelesen haben, mag Ihnen aufgefallen sein, dass sie Übereinstimmungen aufweisen:

→ Alle Bewerber haben sich etwas Außergewöhnliches überlegt, damit ihre Bewerbung aus den anderen hervorstach und auffiel.

→ Sie waren kreativ, sie ließen sich etwas einfallen. Sie waren innovativ, indem sie statt der allgemeinen Trampelpfade ihren eigenen Weg gingen, und, last not least, sie waren mutig, denn Zivilcourage ist eine Voraussetzung für ausgefallene Bewerbungen.

→ Durch die Bank hat sich jeder Kandidat selbstbewusst verhalten bei der Entwicklung seiner Strategie wie auch in den jeweiligen Vorstellungsgesprächen.

→ Sie haben sich nicht gescheut, andere um Rat zu fragen oder um Hilfe zu bitten. Freunde und Familie haben zwar ihre eigenen Vorstellungen darüber, was für Sie am besten ist und diese mögen sich nicht immer mit Ihren eigenen Gedanken decken. Trotzdem

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schadet es nicht, die Meinung anderer einzuholen, vorausgesetzt, Sie prüfen genau, ob die gemachten Aussagen Ihnen wirklich weiterhelfen. Das Gleiche gilt, wenn Sie um Hilfe bitten: Formulieren Sie Ihre Anfrage bitte so genau wie möglich, denn der andere kann nur helfen, wenn er versteht, worum es geht und warum er helfen soll.

→ Jeder Bewerber hat sich vorher zumindest gedanklich mit seinem potenziellen Arbeitgeber auseinander gesetzt und war über das Unternehmen so gut wie möglich informiert. Dass Sie sich über Ihren zukünftigen Arbeitgeber schlau machen, gehört zu den wichtigsten Aspekten Ihrer Bewerbung. Eine „08/15-Bewerbung“ kann sich heute niemand mehr leisten, egal wie toll oder qualifiziert er ist.

→ In allen Geschichten kam klar zum Ausdruck, dass die Bewerber genau wussten, was sie wollten, und sich nicht ablenken ließen.

Sicherlich werden Sie noch andere Übereinstimmungen herausfinden, aber die oben genannten halte ich für besonders wichtig, weil Sie daraus Fragen zur Entwicklung Ihrer eigenen Strategie ableiten können:

→ Welche Potenziale schlummern in mir? → Was ist es, was gerade mich unverwechselbar macht?

→ Wo stehe ich mir selbst im Weg und warum tue ich das?

→ Wie stelle ich mir meine berufliche Zukunft vor? → Will ich diesen Job wirklich und warum?

→ Wie kann ich auf angenehme oder dezent provokante Weise die Aufmerksamkeit auf meine Bewerbung ziehen?

→ Was passiert, wenn ich diesen Job dann auch

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bekomme? Falls Sie Bedenken haben oder sich über den einen oder

anderen Punkt Gewissheit verschaffen wollen, so scheuen Sie sich nicht, bezahlte Helfer in Anspruch zu nehmen. Es gibt Karriereberater und auf berufliche Zielerreichung spezialisierte Coachs. Wenn es Ihnen eher darum geht, Ihr Potenzial weiterzuentwickeln das bedeutet, dass Sie eher an Ihren Stärken arbeiten als sich damit beschäftigen, Ihre Schwächen „auszumerzen“ -, sollten Sie sich jemand suchen, der im Einzel- oder Gruppencoaching Potenzialentwicklung anbietet, Veränderungsprozesse begleitet und gute Kontakte zur Wirtschaft hat. Bei der Auswahl achten Sie außer auf Ihren Geldbeutel bitte vor allem auf Ihr Bauchgefühl, ob dieser Berater/Coach Sie wirklich weiterbringen kann. In diesem Markt hat sich die Spreu noch nicht vom Weizen getrennt.

Genug der Theorie. Es geht immer nur um das Eine: nämlich das Tun! Ganz banal gesagt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“

Ich wünsche Ihnen viel Glück und gute Einsichten auf Ihrem Weg - vergessen Sie nicht: „Jede Schwierigkeit ist eine Chance in Arbeitskleidung“, was nichts anderes heißt, als dass Chancen und Lernmöglichkeiten da lauern, wo es mal weniger glatt oder einfach geht.

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Anhang

Literaturverzeichnis

Bewerbung allgemein Bolles, Richard Nelson: Durchstarten zum Traumjob. Das

Bewerbungsbandbuch für Ein-, Um- und Aufsteiger, Campus 1999

Hesse, Jürgen/Schrader, Hans Christian: Die perfekte schriftliche Bewerbung, Eichborn 1998

Leger, Bernd: Praktikum in USA und Kanada. Der Leitfaden für die erfolgreiche Bewerbung, Campus 1996

List, Karl-Heinz: Bewerbungsbriefe, die ankommen. Individuell und treffend formulieren. Gezielt zum neuen Job, Fit for Business 2000

List, Karl-Heinz: Kreative Jobsuche. Was will ich? Was kann ich? Wie erreiche ich mein Ziel?, Fit for Business 2000

Manekeller, Wolfgang: Außergewöhnliche Bewerbungen. Wie Sie schon bei der Präsentation Pluspunkte sammeln, Gondrom 1998

Müller-Thurau, Claus Peter: Fit 4 USA. So wird der USA-Aufenthalt zum Erfolg. Praxis-Tipps für Job,, Schule, Praktikum, Studium, Fit for Business 1999

Rye, David F.: 1003 Wege Karriere zu machen. Weiterkommen mit der richtigen Selbst-PR, mvg 2001

Vollmer, Marianne: Raus aus dem Haus: Bewerbungstraining für Mütter. Verwirklichen Sie Ihren Traum vom Beruf, Fit for Business 2000

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Weiser, Melitta: Selbstdarstellung & Selfmarketing. So werden Sie eine unverwechselbare Persönlichkeit, Fit for Business 2001

Willmer, Karin: Aktiv zum neuen Job. Die erfolgreiche Initiativbewerbung,, mvg 2000

Winzen, Oscar J.: Ihre berufliche Zukunft - Ihre Chance. Fähigkeiten erkennen. Ziele verwirklichen. Ihre persönliche Bewerbungsstrategie (Audiotraining), Fit for Business 2000

Online-Bewerbung Hofert, Svenja: Praxismappe für die perfekte Internet -

Bewerbung, Eichborn 2001 List, Karl-Heinz/Huber, Christine M.: E-Mail-Bewerbung.

Erstklassige Selbstpräsentation. Mit Antwortgarantie, Fit for Business 2001

Vorstellungsgespräch Friedrich, Hans: Vorstellungsgespräche sicher und

erfolgreich führen, Falken 2000 Ibelgaufts, Renate: Das überzeugende Vorstellungsgespräch.

Erfolgreiche Strategien für den ersten Eindruck, Falken 2000 Knebel, Heinz: Das Vorstellungsgespräch. Die beliebteste

Art, Mitarbeiter auszuwählen, Schäffer 2000 Kratz, Hans-J.: Das Vorstellungsgespräch. Optimal

vorbereitet auf Ihren Live-Auftritt, „Walhalla 2000 Lines, June: 30 Minuten zum überzeugenden

Vorstellungsgespräcb, GABAL 1999 Lucas, Manfred: Das erfolgreiche Vorstellungsgespräch. Das

neue Bewerbungswissen, Fit for Business 2000 Einstellungs-, Persönlichkeits- und Intelligenztests Gay, Friedbert: Persönlichkeitsprofil DISG. Mit dem Original

DISG'Test zur Selbstauswertung, GABAL 2000 Hertwig, Sabine: Der Testtrainer, Bewerbung- und

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Eignungstests bestehen, Goldmann 2001 Hesse, Jürgen/Schrader, Hans Christian: Testtraining 2000

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Reiche!, Wolfgang: Psychologische Eignungstests. Wozu sie eingesetzt werden und was den Bewerber erwartet, Econ 1990

Siewert, Horst H.: Berufseignungstests souverän meistern, mvg 2000

Siewert, Horst H.: Kreativtests souverän meistern, mvg 2000 Siewert, Horst H.: Persönlichkeitstests souverän meistern,

mvg 2000 Siewert, Horst H.: Intelligenztests souverän meistern, mvg

2000 Siewert, Horst H.: Einstellungstests souverän meistern, mvg

2000 Assessment-Center Brenner, Doris/Brenner, Frank/Giesen, Birgit: Individuell

bewerben. Mit praktischen Übungen zum Assessment Center, Staufenbiel 2000

Gloor, Armin: Die AC-Methode. Assessment Center: Führungskräfte beurteilen und fördern, Orell Füssli 2000

Hesse, Jürgen/Schrader, Hans Christian: Die 100 wichtigsten Fragen zum Assessment Center. Optimale Vorbereitung in kürzester Zeit, Eichborn 1999

Hufnagl, Heidrun: Vom Assessment-Center zum Multimodalen Auswahlverfahren. So nehmen Sie jede Hürde!, Lexika 2001

Schumann, Karin von/Harss, Claudia: Karriere-Chance Assessment-Center. Methodik und Hintergründe verstehen. Maximalen Gewinn erzielen. Für Teilnehmer und Unternehmen, Fit for Business 2000

Siewert, Horst H.: Spitzenkandidat im Assessment Center. Die

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optimale Vorbereitung auf Eignungstests, Stressinterviews und Personalauswahlverfahren,, mvg 2000

Gehaltsverhandlungen Brenner, Frank/Brenner, Doris/Gatz, Birgit: 300 Tipps:

Gehaltsverhandlung, Humboldt 2001 Lucas, Manfred: Gehaltsverhandlungen richtig führen. So

erkennen Sie Ihre Chancen. Die besten Verhandlungsstrategien. Wann es Zeit für einen Wechsel ist, Econ 1998

Mendack, Susanne: Besser verdienen - Richtig verhandeln. Die besten Argumente für mehr Gebalt. So überzeugen Sie, Fit for Business 2000

Schössler, Christof: Erste Hilfe. Mehr Gehalt, Die besten Argumente für clevere Gehaltsverhandlungen, Haufe 2001

Frage- und Feedbacktechniken Altmann, Hans Christian: Die hohe Kunst der Überzeugung,

mvg 1999 Birkenbihl, Vera F.: Fragetechnik... schnell trainiert, Das

Trainingsprogramm für Ihre erfolgreiche Gesprächsführung, mvg 2000

Fengler, Jörg: Feedback geben. Strategien und Überlegungen, Beltz 1998

Fey, Gudrun: Gelassenheit siegt! Mit Fragen, Vorwürfen, Angriffen souverän umgehen, Fit for Business 2000

Ulsamer, Bertold: Exzellente Kommunikation mit NLP, GA-BAL 1997

Roebuck, Chris: Professionell kommunizieren, mvg 2001 Stoffel, Wolfgang: Geschickt fragen. So überzeugen Sie in

jeder beruflichen Situation, Fit for Business 1999 Tipler, Julia: Verhandlungen professionell führen, mvg 2000

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Persönliche Empfehlungen Kassorla, Irene C.: Tun Sie's doch! Lernen Sie, sich selbst zu

lieben. Der Rest kommt dann fast von alleine, Knaur 2001 Lauster, Peter: Selbstbewußtsein, Ullstein 2001 Mohl, Alexa: Der Zauberlehrling - das NLP Lern- und

Übungsbuch, Junfermann 2000 Sprenger, Reinhard K.: Das Prinzip Selbstverantwortung,

Campus 2000