CLAUSSEN, Detlev_Eine Gescheiterte Freundschaft

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 Detlev Claussen Eine gescheitert e Fr eundschaft Hannah Arendts Briefwechsel mit Gershom Scholem  Normalerweise verbindet man mit Briefwechseln Freundschaftsgeschichten. Wer hat schon die Energie, auf jemand genau einzugehen, sein Interesse zu wecken? Wer möchte nicht gern von einem Fremden verstanden werden, mit Aussicht auf Erfolg? Ein Freund , eine Freundin machen Hoffnung, eine enge menschliche Beziehung könnte ohne Spekulation auf ökonomische Vorteile oder erotische Komplikation en zustande kommen. Auch Altersunter- schiede scheinen in Brieffreundschaften überwindbarer zu sein als im ganz normalen Leben. Dem zehn Jahre älteren Gershom Scholem wurde Hannah Arend t von seinem Jugendfreund Walter Benjamin ans Herz gelegt. Scholem und Benjamin waren Kinder des Kaiserreichs, Arendt der W eimarer Republik. Als sie Benjamin 1939 in seinem Pariser Exil kennenlernte, lobte er ihre in der Entstehung befindliche Arbeit über Rahel V arnhagen als eine »wider den Strom erbauliche Judaistik. Du weißt«, schrieb er seinem besten Freund, »dass alles, was man über die ›Juden in der deutschen Literatur‹ bis dato lesen konnte, von eben dieser Strö- mung sich treiben lässt.« Scholem bewahrte das ihm zugeschickte Exemplar der Arbeit in Jerusalem. Hannah Arendt konnte es sich nach dem Krieg in ihr neues Exilland USA schi- cken lassen, nachdem sie alle ihre eigenen Exemplare auf der Flucht verloren hatte. Be- kanntlich hat Benjamin die Flucht nicht überlebt, aber Arendt sah es als ihre vornehmliche Aufgabe, seinen besten Freund in Jerusalem und den von ihm selbst eingesetzten Nachlass- verwalter Teddie Wiesengrund, der erst nach 1942 unter dem Namen Adorno weltbekannt wurde, über die Todesumstände zu informieren und seine letzten Arbeiten, vor allem die weltbewegenden »Geschichtsphilosophischen Thesen«, zu übersenden. Der nach langen Mühen mit sorgfältigen Anmerkungen von Marie Luise Knott versehe- ne Briefwechsel zwischen Are ndt und Scholem liest sich spannend wie ein Krimi. Aber man muss auch lesen können, um das Ganze richtig zu verstehen. Sehr leicht kann man vorge- fasste Meinungen bestätigt f inden, wenn man nicht den ganzen Lebenshintergrund der Au- toren vor Augen hat. Dieser Briefwechsel ist jedoch auch eine gute Gelegenheit, sich über gängige Attribute wie »zionistisch«, »jüdisch«, »marxistisch« oder »bürgerlich« Gedanken zu machen. Besonders die deutsche Öffentlichkeit tut sich bis heute mit dem Begriff des Zio- nismus schwer, den sie erst in den 1970er Jahren, verzerrt durch den linken Antizionismus, kennengelernt hat. Die zionistische Feld-, W ald- und Wiesenliteratur hatte seit den zwanzi- ger Jahren einen polemischen, antiassimilationistischen Tenor angestimmt, aber gerade in der Ablehnung dieser modischen Tendenz waren sich Benjamin, Arendt und Scholem einig. Arendt teilt in ihrem ersten Brief an Scholem am 29. Mai 1939 mit, was sie mit Rahel vor- hatte: »… natürlich hat mir irgendeine Verherrlichung hier immer sehr fern gelegen. Ich habe einen Bankrott beschreiben wollen, allerdings einen geschichtlich notwendigen und vielleicht auch heilsamen. Lieber wäre es mir, wenn man trotz aller Kritik in den beiden letz- ten Kapiteln eine Art Ehrenrettung herauslesen könnte. Dies vor allem augenblicklich, wo  jeder da hergelaufene Ignorant d as a ssimilierte Judentu m v erachten zu dü rfen glau bt.« Sc ho-

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 Detlev Claussen

Eine gescheiterte Freundschaft

Hannah Arendts Briefwechsel mit Gershom Scholem

 Normalerweise verbindet man mit Briefwechseln Freundschaftsgeschichten. Wer hatschon die Energie, auf jemand genau einzugehen, sein Interesse zu wecken? Wer möchtenicht gern von einem Fremden verstanden werden, mit Aussicht auf Erfolg? Ein Freund, eine

Freundin machen Hoffnung, eine enge menschliche Beziehung könnte ohne Spekulation auf ökonomische Vorteile oder erotische Komplikationen zustande kommen. Auch Altersunter-schiede scheinen in Brieffreundschaften überwindbarer zu sein als im ganz normalen Leben.Dem zehn Jahre älteren Gershom Scholem wurde Hannah Arendt von seinem JugendfreundWalter Benjamin ans Herz gelegt. Scholem und Benjamin waren Kinder des Kaiserreichs,Arendt der Weimarer Republik. Als sie Benjamin 1939 in seinem Pariser Exil kennenlernte,lobte er ihre in der Entstehung befindliche Arbeit über Rahel Varnhagen als eine »wider denStrom erbauliche Judaistik. Du weißt«, schrieb er seinem besten Freund, »dass alles, wasman über die ›Juden in der deutschen Literatur‹ bis dato lesen konnte, von eben dieser Strö-mung sich treiben lässt.« Scholem bewahrte das ihm zugeschickte Exemplar der Arbeit in

Jerusalem. Hannah Arendt konnte es sich nach dem Krieg in ihr neues Exilland USA schi-cken lassen, nachdem sie alle ihre eigenen Exemplare auf der Flucht verloren hatte. Be-kanntlich hat Benjamin die Flucht nicht überlebt, aber Arendt sah es als ihre vornehmlicheAufgabe, seinen besten Freund in Jerusalem und den von ihm selbst eingesetzten Nachlass-verwalter Teddie Wiesengrund, der erst nach 1942 unter dem Namen Adorno weltbekanntwurde, über die Todesumstände zu informieren und seine letzten Arbeiten, vor allem dieweltbewegenden »Geschichtsphilosophischen Thesen«, zu übersenden.

Der nach langen Mühen mit sorgfältigen Anmerkungen von Marie Luise Knott versehe-ne Briefwechsel zwischen Arendt und Scholem liest sich spannend wie ein Krimi. Aber manmuss auch lesen können, um das Ganze richtig zu verstehen. Sehr leicht kann man vorge-

fasste Meinungen bestätigt finden, wenn man nicht den ganzen Lebenshintergrund der Au-toren vor Augen hat. Dieser Briefwechsel ist jedoch auch eine gute Gelegenheit, sich über gängige Attribute wie »zionistisch«, »jüdisch«, »marxistisch« oder »bürgerlich« Gedankenzu machen. Besonders die deutsche Öffentlichkeit tut sich bis heute mit dem Begriff des Zio-nismus schwer, den sie erst in den 1970er Jahren, verzerrt durch den linken Antizionismus,kennengelernt hat. Die zionistische Feld-, Wald- und Wiesenliteratur hatte seit den zwanzi-ger Jahren einen polemischen, antiassimilationistischen Tenor angestimmt, aber gerade inder Ablehnung dieser modischen Tendenz waren sich Benjamin, Arendt und Scholem einig.Arendt teilt in ihrem ersten Brief an Scholem am 29. Mai 1939 mit, was sie mit Rahel vor-hatte: »… natürlich hat mir irgendeine Verherrlichung hier immer sehr fern gelegen. Ich

habe einen Bankrott beschreiben wollen, allerdings einen geschichtlich notwendigen undvielleicht auch heilsamen. Lieber wäre es mir, wenn man trotz aller Kritik in den beiden letz-ten Kapiteln eine Art Ehrenrettung herauslesen könnte. Dies vor allem augenblicklich, wo

 jeder dahergelaufene Ignorant das assimilierte Judentum verachten zu dürfen glaubt.« Scho-

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»Vernunftzionismus« Arendts, wie Dan Diner das genannt hat, bleibt diese Kritik völligfremd und unzugänglich. Sie hält diesen Einwand für einen integralen Teil eines patriotischverblendeten Nationalismus, den sie als einen überholten Kollektivismus klassifiziert. Diese

Herangehensweise erleichterte die Rezeption ihres Textes in der nachnationalsozialistischenBundesrepublik, in der man vom Druck der nationalsozialistischen Vergangenheit loskom-men wollte, indem man den Nationalismus für eine Ideologie des 19. Jahrhunderts erklärte,deren extremer Auswuchs eben der Nationalsozialismus gewesen sei. Hier wurde ein Raumgeschaffen für die breite Wirkung einer entpolitisierten Existenzphilosophie, die abstraktscheinbar universell nach dem Bösen oder der Schuld fragt. Aus der Perspektive der Opfer aber hat das Monstrum eine konkrete Gestalt: Es sind die deutschen Eichmänner und ihreKollaborateure aus aller von Deutschen beherrschten Länder. Hannah Arendts Vorschlag,die Judenräte hätten die von ihnen registrierten Juden durch »non-participation« an der na-tionalsozialistischen Herrschaft den sie umgebenden Gesellschaften Polens, des Baltikums,

Rumäniens, Russlands und der Ukraine überlassen sollen, wird von Scholem als abstraktund weltfremd zurückgewiesen.Hinter diesen richtigen und wichtigen Argumenten droht aber eine von Hannah Arendts

wichtigen und richtigen Erkenntnissen, nämlich die von der »Banalität des Bösen«, verlorenzu gehen. In der amerikanischen und israelischen Öffentlichkeit wurde sie quasi als eineBotin einer schlechten Nachricht für das konventionelle Menschenbild bestraft. Auch Scho-lem missverstand sie als Interpretin einer Banalisierung des Bösen: »Es handelt sich darum,dass das Böse ein Oberflächenphänomen und nicht darum, dass es ›banalisiert‹ wird oder ver-harmlost. Das Gegenteil ist der Fall. Entscheidend ist, dass vollkommen durchschnittliche,die von Natur weder Böse noch gut waren, ein so ungeheuerliches Unheil anrichten konn-

ten.«

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) Diese Einsicht wird nicht dadurch »widerlegt«, dass hinter den Tätern eine national-sozialistische Weltanschauung stand. Es ist eher so, wie Adorno es in einer großartigen Ar- beit über »Die Freudsche Analyse und die faschistische Propaganda« schon 1944herausgearbeitet hatte, dass der antisemitische Affekt der Nationalsozialisten nicht das Motivist, sondern gespielt wird, um das konformistische Einverständnis mit der Gewalt gegen dieJuden zu demonstrieren. Hannah Arendt machte mit ihrer Erkenntnis von der Banalität desBösen einen entscheidenden intellektuellen Schritt zur Entdämonisierung des Nationalsozia-lismus, der dadurch nicht weniger schrecklich, sondern viel furchterregender wird, weil er inden Bedingungen fortexistiert, die zu Auschwitz geführt haben. Hier stößt ihr politischesDenken aber an eine entscheidende Grenze. Wenn die politische Ideologie nicht hinreicht, die

Katastrophe zu erklären, dann ist es nach ihr die »Gedankenlosigkeit« Eichmanns. Unter deutschen Historikern kehrte diese Frage Jahrzehnte später als Kontroverse zwischen Inten-tionalisten und Funktionalisten wieder, die gar nicht einseitig zu lösen ist, sondern nur einespezielle Unfähigkeit dokumentiert, dialektisch zu denken. Arendts theoretisches Vermögenstößt hier an seine Grenze. Sie ist in der Tat aus der deutschen Philosophie hervorgegangen,wie sie Scholem gegenüber beteuert – und sie hat Heideggers Abscheu gegen Soziologie, spe-ziell Gesellschaftstheorie, beibehalten. Das hat sie auch gehindert, die begründete Anziehungder »Kritischen Theorie« auf Walter Benjamin zu verstehen, und sie stattdessen dazu ver-führt, die Attraktion als einen ökonomischen Erpressungsversuch darzustellen.

In ihrem noch heute lesenswerten Benjamin-Essay hat sie behauptet, was Scholem ernst-

haft verstimmte und Adorno erschreckte: »Für Benjamin blieb die Monatsrente die einzigmögliche Existenzform, und um sie nach dem Versagen der Eltern zu erhalten, war er zu

3) Arendt an Scholem, 14. 09.1963, in: Der Briefwechsel, S. 458 f 

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manchem bereit, oder glaubte es doch zu sein – hebräisch zu lernen für 300 Mark im Monat,wenn sich die Zionisten davon etwas versprachen, oder dialektisches Denken mit allen ver-mittelnden Schikanen für 1000 französische Franken, wenn die Marxisten anders nicht mit

sich reden ließen.« Benjamin war für Geld nicht zu haben; aber er schwankte in seinen In-teressen zwischen dem, was er für jüdisches Wissen hielt und einer überindividuellen Theo-rie, die in der Lage ist, die unaufhaltsamen Veränderungen zu begreifen. Die eine Seite ver-körperte die Freundschaft mit Scholem, die andere Theodor W. Adorno. Scholem stand nichtfür einen politischen Zionismus, der Benjamin anzog, sondern Scholems Zionismus bedeu-tete ihm eine Respekt verlangende und Neugier herausfordernde Lebensform, ein jüdischesLeben in Palästina zu führen. Dazu mochte Benjamin sich selbst jedoch nicht entschließen.Seine Lebensform blieb das Schreiben, seine Manuskripte hatte er Scholem immer zur Ar-chivierung geschickt; er schleppte eine schwere Aktentasche mit krankem Herzen über diePyrenäen. Kopien seiner letzten Arbeit, den berühmten »Geschichtsphilosophischen The-

sen«, brachte dann Hannah Arendt mit nach New York und unterrichtete Adorno mündlichund Scholem schriftlich in Jerusalem von den Umständen, unter denen Benjamin an der spa-nischen Grenze umgekommen war. Diese bewegenden Briefe festigten die vertrauensvolleBeziehung zu Scholem. Gleichzeitig säte Arendt immer Misstrauen gegen Adorno und das»Institut für Sozialforschung«, das unter Max Horkheimers politisch kluger Leitung An-schluss an die Columbia University gefunden hatte. Gemeinsam mit seinem JugendfreundFriedrich Pollock sorgten sie sich um die Finanzierung des Instituts und vor allem der »Zeit-schrift für Sozialforschung«, die Walter Benjamin, aber auch vielen anderen intellektuellenEmigranten, die Möglichkeit eines Arbeitseinkommens bot. Die Furcht, in den USA nach1941 etwas auf Deutsch zu veröffentlichen, war durchaus begründet – die Möglichkeit näm-

lich, als »enemy alien« (feindlicher Ausländer) interniert zu werden. 1942 erschien in 200Exemplaren ein mimeografiertes Heft unter dem Titel »Walter Benjamin zum Gedächtnis«,das seine Thesen enthielt und sie so zu einem konstitutiven Bestandteil der »KritischenTheorie« machte, die dann in der 1944 erstmals veröffentlichten »Dialektik der Aufklärung«konkrete Gestalt annahm.

Hannah Arendt konnte und wollte das nicht sehen. Sie versuchte, sich als Benjamins besteFreundin vorzustellen, die das gleiche Unabhängigkeitsideal verfolgte wie Walter Benjaminund ihr Mann, der ehemalige deutsche Kommunist Heinrich Blücher. In der Ablehnung der kritischen Theorie Horkheimers waren sie sich einig. Sie verstanden gar nicht, dass Benja-min sich von der kollektiven Anstrengung, der Theorie einer bewussten gesellschaftlichen

Veränderung eine neue Gestalt zu geben, angezogen fühlte. Insofern standen bei ihm dieFrankfurter in einer direkten Konkurrenz zum Kommunismus eines Bert Brecht, der Benja-min gern in seiner Nähe sah. Das Attribut »marxistisch« für beide Versuche, das literarischeExperiment und das theoretische Werk, führt eher in die Irre, als dass es aufklärt. Horkhei-mer war gerade dabei, die kritische Theorie aus der Traditionsgeschichte des Marxismus zulösen. Auch Scholem war 1939 nicht ganz klar, was die Frankfurter vorhatten. Horkheimersgerade erschienener Aufsatz »Die Juden und Europa« mit seinem linksradikalen, säkulari-sierten Gestus hatte ihn zutiefst verärgert, und das hatte er seinem Freund Benjamin auchmitgeteilt. Aber 1975, als alle anderen schon im Grab lagen, hat er seiner Freundschaft einDenkmal gesetzt, in »Walter Benjamin – die Geschichte einer Freundschaft«. »Erst viele

Jahre später erfuhr ich von Adorno, dass der Titel, der in seiner Bezuglosigkeit auf den In-halt mich so aufgebracht hatte, gar nicht von Horkheimer, sondern von ihm stammte! In Fair-ness muß zugefügt werden, dass Horkheimer später, nach dem millionenfachen Judenmord,seine jüdische Stellung entscheidend geändert hat.«

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Hannah Arendts Versuch, Benjamin, den sie in ihren Briefen der ersten Zeit liebevoll»Benji« nannte, für sich zu reklamieren, bedurfte nicht nur der Abgrenzung gegenüber denFrankfurtern, sondern setzte eine vereinnahmende Übereinkunft mit Scholem voraus. Scho-

lem dagegen blieb reserviert, bis ihm 1945 ein Artikel von Hannah Arendt aus »The Meno-rah Journal« in die Hände fiel – »Zionism Reconsidered« betitelt. Der anschließende Brief-wechsel nimmt viel vorweg, was fünfzehn Jahre später in der Eichmann-Kontroverseaufbrach. Es lohnt sich, den Artikel Arendts, der auf Deutsch in dem Essayband »Die ver-

 borgene Tradition« vorliegt, nachzulesen, denn er schwankt zwischen Luzidität politischer Erkenntnis und abstrakten politischen Urteilen, die nur aus der unreflektierten Distanz – geografischer und lebenspraktischer Art – sich erklären lässt. Diese Art abstrakten Urteilenshat Arendt später dazu verleitet, die Judenräte in den Ghettos in eine geradezu kollaboratio-nistische Ecke zu stellen.

Scholem kritisiert Arendt in seinen Briefen 1946 schneidend, aber um Benjamins willen

erhält er die Freundschaft aufrecht. Noch standen die Veröffentlichung seiner Werke undBriefe bevor, für die Scholem Hannah Arendts Mitwirkung wollte. Es war aber Adorno, der  bei Peter Suhrkamp für die Publikationsmöglichkeiten sorgte. Die beiden Briefbände ge-stalteten sie 1966 gemeinsam, mit getrennten Vorworten, die den unterschiedlichen Seitendes verstorbenen Freundes gerecht wurden. Hannah Arendt war nicht mehr dabei. Sie ver-öffentlichte kurze Zeit darauf ihren Benjamin-Essay in »Men in Dark Times«, in dem siegegen Scholem und Adorno Benjamin für sich reklamierte. Die Freundschaft zu Scholemwar längst zerbrochen.