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Coaching von Bühnenwerkern Deutsches Schauspielhaus Hamburg Manuelle Handhabung von Lasten im Bühnenbereich

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Coaching von BühnenwerkernDeutsches Schauspielhaus HamburgManuelle Handhabung von Lasten im Bühnenbereich

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IMPRESSUM

Autoren:Birgit Sauer,Betriebliches Gesundheitsmanagement Hamburg

Clemens von Weise,Deutsche Schauspielhaus GmbH, Hamburg

Rolf Landmann, Unfallkasse Nord

Sigrid Jacob, Unfallkasse Nord

Herausgeber:Unfallkasse Nord – Standort HamburgKörperschaft des öffentlichen RechtsSpohrstr. 222083 Hamburg

[email protected]

Redaktion:Sigrid Jacob, Unfallkasse Nord – Standort HamburgTelefon 040 / 271 53 - 213

Gestaltung und GesamtherstellungSoPunkt Agentur GmbH, Hamburg

© Unfallkasse Nord. Nachdruck und Kopien nur nachvorheriger Genehmigung.

2. Auflage, Hamburg 2008

Anmerkung:

Die Landesunfallkasse Hamburg und die UnfallkasseSchleswig-Holstein haben zum 1. Januar 2008 fusioniert.Das Ergebnis:Unfallkasse Nord – Schleswig-Holstein · Hamburg

Im Interesse der besseren Lesbarkeit wurde daraufverzichtet, bei den Bezeichnungen für Personen, Berufeoder Funktionen die jeweilige feminine Form mit anzu-führen. Selbstverständlich beziehen sich die Aussagenauf beide Geschlechter.

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Coaching von Bühnenwerkern

Deutsches Schauspielhaus – Hamburg

Manuelle Handhabung von Lasten im Bühnenbereich

(Stand 13. März 2003)

Ausgangssituation und Entwicklung des Projektes ..................................................4

Warum Coaching?............................................................................................................5

Was ist Coaching? ..........................................................................................................5

Coaching am Deutschen Schauspielhaus Hamburg ..................................................6

Projektziel ........................................................................................................................6

Projekteinführung ............................................................................................................6

Projektdurchführung ........................................................................................................7

> Einsatz von Videoaufzeichnungen ............................................................................7

> Einsatz von Rückenstützgürteln ................................................................................7

> Tagesablauf auf der Bühne ........................................................................................7

> Beispiele für bühnentechnische Arbeiten..................................................................8

Projektbewertung ..........................................................................................................16

Resümee ......................................................................................................................17

Ausblick ........................................................................................................................18

Diese Broschüre richtet sich primär an

> Bühnenwerker, die Requisiten, Kulissen, Ausstattung und Ausrüstung imBühnenbereich transportieren aber auch

> an deren Vorgesetzte und Unternehmerverantwortliche, die Verbesserungen beider Lastenhandhabung durchführen möchten und

> Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte, Betriebs- und Personalräte undandere Interessierte, die sich über die vorgestellte Thematik näher informierenmöchten.

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Manueller Lastentransport gehört auch heute nochzum Theater wie Beleuchtung oder Ton. Viele Theaterkönnen sich auf Grund ihrer Innenstadtlage häufig nurwenig ausdehnen und sich damit veränderten Platzan-forderungen anpassen. Dieses hat nicht selten zurFolge, dass Dekorationen, Requisiten und Einrichtun-gen zwischen Lagerräumen, die häufig außerhalbgelegen sind, und Spielstätten transportiert werden.

Das Deutsche Schauspielhaus – weit über die Grenzendes deutschsprachigen Raumes als größtes Sprech -theater ein Begriff – heißt eigentlich mit dem korrek-ten Firmennamen: Neue Schauspielhaus GmbH. Eswurde am 15. September 1900 mit Goethes „Iphige-nie auf Tauris“ eröffnet und feierte im Jahr 2000seinen 100. Geburtstag. Hatte es als „gepflegtesRepräsentationstheater“ begonnen, so steht es unterseinem derzeitigen Intendanten für mehr Innovationund Avantgarde-Projekte.

Der Theaterbetrieb hat durchschnittlich 430 Mitarbei-ter und umfasst zahlreiche Berufe aus den BereichenKunst, Technik und Verwaltung. Eigene Großwerkstät-ten mit Schlosserei, Tischlerei, Malsaal, Schneiderei-en gehören ebenso dazu wie die Bühnenwerker-Mannschaft, die im Zwei-Schichten-Betrieb für denAuf- / Ab- und Umbau der Bühnenbilder zuständig ist.

Nicht selten werden mehrmals am Tage schwereDekorationen transportiert und montiert. Dabei kannderen Gesamtgewicht mehrere Tonnen betragen.Weil das Deutsche Schauspielhaus als Repertoire-Theater täglich wechselnde Stücke spielt und gleich-zeitig am Tage auch noch auf der gleichen Bühneneue Stücke proben muss, ist der manuelle Lasten-transport im Bühnenbetrieb unabdingbar.

Der Beruf des Bühnenwerkers setzt zwei Qualifikatio-nen voraus:

> einen abgeschlossenen Handwerksberuf etwaaus den Bereichen Holz- und Metallverarbeitung,oder aus der Seefahrt und dem Schiffbau und

> die Zusatzqualifikation „Theatererfahrung“, dienirgendwo anders zu erwerben ist, als am Theaterselbst. In der Regel setzt sie eine mindestensdreijährige Tätigkeit am Theater voraus.

Die körperlich schwere Arbeit ist auch heute nochwesentlicher Bestandteil der Transportarbeiten, weildie Stabilität der ständig auf- und abgebauten Dekora-tionen, die oft auch noch begehbar sein müssen, dieVerwendung von schweren Materialien wie Holz undMetall erfordern.

Technische Hilfsmittel und organisatorische Maßnah-men sind i. d. R. nur in begrenztem Umfang anwend-/durchführbar und können häufig nicht belastungsredu-zierend eingesetzt werden.

Die von den Bühnenwerkern durchzuführenden Trans-portarbeiten führen nicht nur zu einem signifikantenAnstieg des Unfallgeschehens; sie sind auch miteiner hohen Belastung der Wirbelsäule und desmuskulären Stützapparates verbunden.

Die Erkenntnis, dass die nahe liegendste Maßnahme,nämlich die Vermeidung der schweren Lasten undder belastenden Arbeitstechniken nicht in Fragekommt, ließen Geschäftsführung und Betriebsrat einBündel von Maßnahmen entwickeln. Dazu gehörtenzahlreiche Rückenschulen und die in dieser Broschüredargestellte Methode des Coaching.

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A U S G A N G S S I T U A T I O NU N D E N T W I C K L U N G D E S

P R O J E K T E S

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Die Coaching-Maßnahme wurde in Zusammenarbeitmit der Landesunfallkasse Hamburg entwickelt undunterstützt. Die Durchführung des Projektes ist aufzwei wesentliche Umstände zurückzuführen:

1. Bereitschaft zur Mitwirkung der Mitarbeiter zurVerbesserung der Beanspruchungssituation

2. Positive Erfahrungen aus anderen, theaterfrem-den Arbeitsbereichen im Coaching von Mitarbei-tern bei der Lastenhandhabung; solche Arbeits -bereiche sind z. B.:> Gepäckabfertigung von Flugzeugen> Steinsetzarbeiten bei Fluss- und Hafenufer -

befestigungen

Warum Coaching?

Durch Rückenbeschwerden werden viele Menschenaus den unterschiedlichsten Gründen und in verschie-denen Arbeitsbereichen, gepeinigt. Deshalb wurdenin jüngster Vergangenheit Rückenschulen als einemögliche Präventionsmaßnahme durchgeführt. Hierbeisteht die Kräftigung der den Halteapparat unterstüt-zenden Muskeln und die rückenschonende Körper -haltung im Vordergrund. Durch Vor- und Nachmachensowie durch Üben erreichte man eine Sensibilisierungder Teilnehmer.

Häufig war unmittelbar nach der Rückenschule einpositiver Effekt bei den Rückenbeschwerden fest-stellbar. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zurRückenschule schwand bei vielen Teilnehmern auchder positive Rückenschuleffekt. Eine dauerhafte Ver-haltensänderung hinsichtlich der Körperhaltung zumrückenschonenden Arbeiten wurde zwar erreicht,nach einiger Zeit setzten sich jedoch häufig die bis -herigen Bewegungsgewohnheiten wieder durch.

Genau an dieser Stelle setzt Coaching an: Es zielt aufeine anhaltende Verhaltensänderung.

Was ist Coaching?

Der Begriff Coaching stammt aus dem Bereich desSpitzensports und bezeichnet die mentale Arbeit mitdem Sportler. Coaching verbreitete sich im deutsch-sprachigen Raum Mitte der 80er Jahre vor allem imManagementbereich. Es wurde dort für die individuel-le Führungskräfteförderung eingesetzt.

Eine stark verkürzte, aber treffende Umschreibung fürCoaching ist auch „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Für das Lernen rückenfreundlicher Bewegungen imArbeitsalltag wird Coaching als eine neue Lernformangewandt, bei der individuelles Lernen anhand kon-kreter Arbeitssituationen im Vordergrund steht. Dabeiist der Coach primär Experte im Bereich Bewegungs-vermittlung, Kommunikation und Führung. Er / Sie gibtFeedback, fungiert dabei als Spiegel und ermöglichtdamit die Auseinandersetzung mit dem eigenen un-bewussten Verhalten bzw. den Körperbewegungenbei der Lastenhandhabung. Der Coach ermutigt, nichtzielführende Verhaltensweisen aufzugeben und unter-stützt dabei, neue Möglichkeiten zu erproben.

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Auf Grund der durch die LUK Hamburg gesammeltenpositiven Erfahrungen und der vorgenannten Vorteiledes Coaching hatte sich auch das Deutsche Schau-spielhaus in Hamburg zu dieser Methode im Rahmeneines durch die LUK Hamburg unterstützten Gesund-heitsförderungsprojektes für die Bühnenwerker ent-schlossen.

Das Coaching bot eine Ebene des Austausches zwi-schen Beschäftigten und Coach; so konnte das Wis-sen der Mitarbeiter als Experten ihres Arbeitsplatzesund das des Coach über rückengerechtes Heben undTragen zusammengeführt werden. Auf diese Weiseließen sich individuelle Lösungen für Bewegungs -abläufe in unterschiedlichen Arbeitssituationen ent-wickeln. Die Einbindung der Mitarbeiter-Kompetenznahm eine zentrale und motivierende Stellung imLernprozess ein.

Das Coaching wurde über einen Zeitraum von sechsMonaten (Januar bis Juni 2001) durchgeführt. Ort desGeschehens waren Hauptbühne, Malersaal (kleineBühne) und das CINEMA (extern gelegene Bühne).Insgesamt 34 Beschäftigte aus dem Bereich Bühnen-technik und Transportwesen nahmen das Angebot inAnspruch.

Projektziel

Ziel war es, das gesundheitsbezogene Wissen undBewusstsein der Mitarbeiter zu stärken, um rücken-gesundes Verhalten im Arbeitsalltag einfach unddabei effektiv praktizieren zu können.

Projekteinführung

Alle am Projekt Beteiligten wurden zu Beginn überdas Ziel des Projektes informiert. Bedingt durch be-triebliche Erfordernisse und Schichtbetrieb fandenmehrere Informationsveranstaltungen statt.

Um möglichst viele Beschäftigte zu erreichen, wur-den an drei Terminen Besprechungen zum Coachingdurchgeführt. An den Besprechungen nahmen Techni-sche Direktion, Berater der LUK Hamburg, Fachkraftfür Arbeitssicherheit, Bühneninspektor, leitende Büh-nenfachkräfte, Mitarbeiter und Coach teil. Inhalte,Ziele und Vorgehen des Projektes wie auch eine ersteAnalyse der physischen Belastung unterschiedlicherArbeitsbereiche / -abläufe wurden erläutert und disku-tiert. Weitere Themen wie z. B. Nutzen und Einsatztheaterüblicher Transport-Hilfsmittel, Arbeiten unterZeitdruck oder die Personalsituation kamen zur Spra-che, wurden an dieser Stelle jedoch nicht weitervertieft, um den Rahmen des Projektes nicht zusprengen.

Darüber hinaus begleitete der Coach jeweils ein Ar-beitsteam aus drei verschiedenen Schichten währendder Früh- bzw. Spätschicht, mit dem Ziel, über eineKurzanalyse die Belastungen unterschiedlicher Ar-beitsabläufe (Kulissen schieben/ziehen, Bühnendeko-ration heben und tragen, Montage oberhalb des Büh-nenbodens etc.) zu konkretisieren. Zusätzlich konntenmit den Mitarbeitern noch offene Projekt-Fragengeklärt werden.

C O A C H I N GA M D E U T S C H E N S C H A U S P I E L H A U S

H A M B U R G

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Projektdurchführung

Ende Januar 2001 begann das Coaching. Es fandregelmäßig an zwei Tagen in der Woche statt. JeMitarbeiter war ein Zeitrahmen von 4 bis 5 Stundenveranschlagt. Um einen ungestörten Arbeitsbetriebauf der Bühne zu gewährleisten, stimmten Bühnen -inspektion und Coach diesen Termin jeweils zweiWochen vorher ab. Dabei wurde Wert darauf gelegt,dass neben den regulären Arbeiten ausreichend Zeitfür das Coaching zur Verfügung stand.

Im Mittelpunkt stand die Sensibilisierung der Körper-wahrnehmung: Dadurch wurden dem Mitarbeiter dieBewegungsabläufe beim Heben und Tragen bewusst,die es ihm ermöglichten, für ihn körpergünstige undgleichzeitig praktikable Techniken beim Bühnenauf- /-abbau zu entwickeln.

Einsatz von Videoaufzeichnungen

Um Bewegungsabläufe zu verändern, müssen diesezunächst bewusst gemacht werden – und diese Be-wusstmachung wird erleichtert, indem die Bewegun-gen durch Videoaufnahmen sichtbar gemacht wer-den.

Daher wurde ergänzend zum Coaching eine Videoka-mera eingesetzt. Aus Gründen des Datenschutzeslegten Technische Direktion, LUK Hamburg, Betriebs-rat und Coach fest, dass die Videokamera bzw. dasFilmmaterial ausschließlich im Rahmen des Coachingverwendet werden und für die Auswertung der Auf-nahmen ein separater Raum verfügbar sein muss,wenn dies gewünscht wird. Anfangs war gegenüberdem Filmen noch eine deutliche Zurückhaltung undSkepsis spürbar; diese legten sich rasch, als erkenn-bar wurde, dass Entwickeln von rückenschonendenHebetechniken durch eine Betrachtung der eigenenArbeitstechniken wesentlich einfacher ist. Durchdiesen „Spiegel“ konnte ein besseres Gefühl für dieneuen und veränderten Bewegungen entstehen. ImLaufe der Zeit fanden sich neben dem gefilmtenMitarbeiter immer mehrere Kollegen ein, um dasVideo gemeinsam zu besprechen und zu analysieren.

Während des gemeinsamen Auf- und Abbaus bespra-chen Bühnenwerker und Coach die betreffendenBewegungsabläufe, anschließend wurden diese auf-gezeichnet. Darauf aufbauend, wurden alternativeHebetechniken gemeinsam erarbeitet.

Einsatz von Rückenstützgürteln

Im Verlauf des Projektes hatten die Mitarbeiter dieMöglichkeit, einen Rücken-Stützgurt zu nutzen. DerRücken-Stützgurt wird in Bauchhöhe – und je nach zutragender Last – unterschiedlich fest am Körper getra-gen (siehe auch Foto auf Seite 8). Dieser Gurt stärktdie Rückenwahrnehmung und erinnert beim Bewegenhoher Lasten an die rückenfreundliche Körperhaltung.Bei unsachgemäßer Benutzung kann die Atmung unddie Magen-Darm-Tätigkeit beeinträchtigt werden –daher sollte der Gurt nur nach einer entsprechendenEinweisung benutzt werden.

Dieses Angebot wurde anfangs zurückhaltend, imweiteren Verlauf etwas stärker genutzt; und ist seit-her für überzeugte Mitarbeiter ein fester Bestandteilder Arbeitskleidung.

Tagesablauf auf der Bühne

Um 7.00 Uhr beginnt die Frühschicht mit dem Rest -abbau der Vorstellung des Vorabends. Anschließendwird das Bühnenbild der laufenden Neuinszenierungfür die Bühnenprobe aufgebaut. Es ist mehr und mehrüblich, im kompletten Bühnenbild zu proben und nichtwie früher, die Szene nur zu markieren. Daher werdendie erforderlichen Szenenbild-Umbauten nun auchwährend der Proben durchgeführt.

Anschließend wird das Bühnenbild von der zweitenSchicht für die Abendvorstellung aufgebaut.

Umbauten während der Vorstellung erfordern schnel-les Arbeiten, häufig auch unter Zeitdruck. Nach derVorstellung erfolgt meist noch ein teilweise odervollständiger Abbau. Im Laufe des Tages wechselnständig die Phasen starker körperlicher Anstrengung,aktiver Bereitschaft oder leichterer Tätigkeiten.

Typische Hebe- und Tragtätigkeiten sind:

> das senkrechte Tragen von Bühnenwänden,

> das Aufbauen von Podesten, die Bereiche derBühnenfläche erhöhen.

Diese und andere Tätigkeiten fallen bei fast jederInszenierung in unterschiedlichen Anteilen an. Gegen23.00 Uhr ist (je nach Vorstellungsschluss) die Schichtbeendet.

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Das Kulissenteil wird nicht auf herkömmliche Weise(körpernah, Beugung / Streckung der Arme / Beine),son dern in Form eines Spannungsbogens angehoben:An jeder Kante / Seite des Kulissenteils stehen sichzwei Kollegen gegenüber, mit einer Hand (untererGriff) wird gezogen, mit der anderen (oberer Griff)gedrückt. Auf diese Weise lässt sich das Kulissen -stück einige Zentimeter „anlupfen“. Die obere Handführt gleichzeitig das Kulissenteil, um es im Lot zuhalten. Beide Arme sind fast gestreckt, die Last istentsprechend vom Körper entfernt.

Mit dieser Hebetechnik haben die Bühnenwerkereinen Weg gefunden, hohe Kulissenteile zu bewegen.Die Belastung für die Mitarbeiter ist dabei nicht zuunterschätzen. Weil sich der zu tragende Gegenstandnicht im Körperlot des Trägers befindet, wirken erheb-liche Zug- und Druckkräfte in vertikaler und in horizon-taler Richtung. Zu deren Beherrschung ist hohe Ge-schicklichkeit erforderlich.

Links:

Insbesondere die Schulter des Über-Kopf-Arms iststark belastet, wie auch die Wirbelsäule, denn siegleicht die schräge Haltung der Schulter aus.

Hier wendet der Mitarbeiter eine körperfreundlicheArbeitstechnik an: Schultern auf einer Linie gehalten,leichte Kniebeuge, fixiertes Becken. Zur Körperunter-stützung benutzt er den Rückenstützgurt.

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Beispiele für bühnentechnische Arbeiten

Das Gesamtarbeitssystem der Bühnentechnik istkomplex und vielfältig. Zur besseren Übersicht wirdes deshalb hier nur in Ausschnitten dargestellt.

Heben und Tragen von Kulissen-Teilen

Ein konkretes Beispiel für die Beschaffenheit einesBühnenbildes:

Eine Kulisse besteht aus mehreren miteinander ver-bundenen Teilwänden (jeweils ein Rahmengestell ausMassivholz, mit Sperrholzplatten belegt) von 2 mBreite und oft mehr als 6 m Höhe. Die Kulisse wiegtetwa 1 Tonne. Eine einzelne Kulissenwand wiegtetwa 120 kg.

Die Wände sind durch Scharniere und Steckstiftemiteinander verbunden. Sie werden zusätzlich durchso genannte Spreizen gegen Umfallen gesichert.Spreizen sind Metallstangen, die am Boden und inetwa 2,50 m Höhe an der Wand mit Setzbohrernbefestigt werden.

Zu den für die Bühne charakteristischen Arbeitsabläu-fen gehört das manuelle Bewegen hoher Kulissen -teile. Direkt auf der Bühne können sie mittels Büh-nenfahrtechnik rangiert werden, der Transport zwi-schen Bühne und Lager / Magazin muss jedoch trotztechnischer Hilfsmittel immer noch per Hand bewäl-tigt werden.

Um die unhandlichen Kulissenteile heben und tragenzu können, haben die Bühnenwerker eine besondereTechnik entwickelt, den so genannten „Theater-Tra -

gegriff“, wie auf der Abbildung unten zu sehen ist:

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Unhandliche, schwere und besonders hohe Kulissen-teile werden immer zu viert getragen (2 Personensind auf dem Bild rechts verdeckt), um die Last aufmehrere Schultern zu verteilen: „Vier Mann – vierEcken“ ist eine für Bühnenwerker gebräuchlicheRede- und Arbeitsformel. >

Hier wurde das Kulissenstück abgesetzt, um es wie-der ins Lot zu bringen. Zusätzlich zu der körperlichenBelastung ist auch zu beachten, dass andere Perso-nen nicht durch kippende Teile gefährdet werden.

Der Tragevorgang geschieht mit aufrechtem Rücken(Bild rechts). Ein runder Rücken hätte zur Folge, dassdie Handhabung unsicher würde und durch die verän-derte Hebelwirkung das Tragen schwierig wäre. >

Drehbewegungen beim Anheben / Absetzen derLas ten können besonders heikel sein und denRücken stark belasten. In den rechts folgendenBildern zeigen die Mitarbeiter das fachgerechteDrehen und Absetzen eines Plafonds. >

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Das Tragen kleiner, gut handhabbarer oder leichterKulissenteile wurde genutzt, um unter Anleitunggeschicktes Bewegen auf der Bühne zu trainieren.Die Bühnenwerker versuchten, verschiedene Last-stücke – auch abweichend von der traditionellen Art –in einer für den Körper tolerierbaren Technik zu bewe-gen. Hier einige Beispiele:

Stühle körpernah getragen >

Wenn kein Hilfsmittel zur Verfügung steht, ist es auchmöglich, den Gegenstand über Kopf im Körperlot zutragen. >

Das Gewicht über die Beinkraft abgegeben unddadurch gleichzeitig der Rumpf stabilisiert – einepraktikable Alternative. >

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Arbeiten auf dem Bühnenboden

Neben dem Lastentransport werden oft auch Tätig-keiten in Bodennähe bzw. auf dem Boden verrichtet.Nachfolgend sind exemplarisch drei Arbeitsvorgängedargestellt.

Zum Einrollen des Bühnenbodenbelages >

… wird zunächst die Innenrolle aufgelegt und dannder Belag gemeinsam eingerollt. Die Bühnenwerkerarbeiten dabei in gehockter Haltung. Im Vergleich zurgebückten Haltung wird das bodennahe Arbeitensubjektiv als „entspannender“ bewertet. Bemerkens-wert ist auch, dass die „Telemarkhocke“ (Fuß/Knie-Hocke) favorisiert wird. Auch wenn sie nicht immereingesetzt werden kann – indem sie die Hockpositionstabilisiert und den unteren Rücken entlastet, ist sieeine nützliche Weiterentwicklung der „tiefen Hocke“(Füße nebeneinander, tiefes Gesäß, gekipptesBecken). >

Sobald der Belag an der Rolle fest anliegt, wird dasEinrollen körperfreundlich im Gehen ausgeführt. DieAbbildung rechts zeigt, wie sich der Mitarbeiter beimAufstehen mit Beinkraft aus der Telemarkhocke hoch-drückt und dabei seine Armkraft unterstützend ein-setzt.

Insbesondere die Montage von Kulissenteilen aufdem Bühnenboden fordert viel „Einfallsreichtum“ umsich so körpergünstig wie möglich zu bewegen. Da-bei werden der Kreativität keine Grenzen gesetzt, umherkömmliche Arbeitstechniken mit Unkonventionel-len zu ergänzen oder sie zu ersetzen:

Wenn das Arbeitsfeld gut erreichbar ist, lohnt sich dieTelemarkhocke DD oder ein „Dreifüßlerstand“. D

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>

… und die Belastung der Kniegelenke reduziert.

Bei Beschwerden im Kniegelenk ist die Hockeun geeignet. Knieschoner können bei Druck be -schwer den dämpfend wirken.

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Das gilt natürlich auch, wenn man keine Rücken -beschwerden hat und keine Lasten im her kömm -lichen Sinne angehoben werden, so wirkt dochdas Gewicht des Oberkörpers als Hebel, der ander Lendenwirbelsäule ansetzt. Wenn über dieBlende hinweg gearbeitet werden muss und derPlafond nicht betreten werden darf, wird rücken-freundliches Arbeiten schwierig. >

>

Die „Telemarkhocke“ im Vergleich: Der Rücken wird vorteilhaft in die Gesamt bewe -gung einbezogen …

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Wenn das Niveau des Bühnenbodens verändert oderdie Vorderbühne in das Bühnenbild einbezogen wird,müssen Bodenplatten verlegt werden.

Die Platten lassen sich auf Grund des großzügigenBewegungsspielraums gut in einer Grätschpositionabsetzen bzw. an die Plattenkante anpassen. DieseTechnik erinnert an die Gewichtheberhaltung, mit derman Lasten vorteilhaft bewegen kann. Sie setzt sichauch auf der Bühne immer mehr durch.

Sich unter Last zu drehen (Abb. rechts außen) – dieAufgabe wird von dem Bühnenwerker gelöst, indemer sie auf dem Oberschenkel ablegt, um seinen Rumpfim Moment der Drehung zu entlasten – sonst würdedas Gewicht über die Arme auf die leicht gedrehteWirbelsäule übergehen. >

Das Einpassen der Bodenplatte wird erleichtert, in-dem sie durch Treten in die passende Position ge-bracht und somit nicht erneut angehoben werdenmuss. Die dabei auftretenden Stoßkräfte können miteiner entsprechenden Körperspannung abgefangenwerden, zusätzlich stützen sich beide Bühnenwerkerab (Abb. rechts). >

Eine Schrittstellung, kombiniert mit dem Abstützendes Oberkörpers über den Arm ist eine Alternative:Der „Ausfallschritt“ wird oft auch unbewusst ange-wendet (Abbildungen unten links und mitte); eineweitere Möglichkeit ist das Anheben des einen Bei-nes als „Kontergewicht“ zum Oberkörper, ähnlich wieder Gewichtblock unter dem Ausleger eines Krans(Abb. unten rechts).

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Einrichten Vorderbühne / Orchestergraben

Bühnenarbeiten rückenfreundlich zu bewältigen, istsowohl vom Verhalten der Mitarbeiter wie auch vonden Rahmenbedingungen wie z. B. den räumlichenVerhältnissen des Arbeitsplatzes abhängig:

Beim Einpassen eines Bodeneinsatzes in eine Logezur Vergrößerung der Bühnenfläche kann die Bühnen-fahrtechnik nicht entlastend eingesetzt werden, dahermuss der Einsatz per Hand vorgenommen werden –dies sind oft Belastungssituationen für den Rücken.

Durch überlegtes, ruhiges Handeln konnte der Mitar-beiter den verkanteten Bodeneinsatz (ohne Griff) inden Untergrund einfügen. „Wenn weniger Zeit gewe-sen wäre, ginge das nicht so ruhig und dann verdrehtman sich stärker.“ (O-Ton)

Beidhändiges Arbeiten unterhalb der Fußlinie bzw.über ein Hindernis hinweg, lässt sich oft nur bedingtrückenfreundlich machen. Die im Bild rechts gezeigtegeöffnete Fußstellung ist eine der wenigen Möglich-keiten, Belastung zu verringern. Körperliche Belas tungzu verringern, wirft also auch Fragen zur Optimierungder äußeren Rahmenbedingungen auf:

> Lässt sich der Zeitplan für Auf- und Abbau nochverbessern?

> Sind alle Beteiligten über die einzelnen Schrittedes Auf- und Abbaus hinreichend informiert bzw.ist das Team optimal koordiniert?

> Kann die Bauweise der Kulissen in Hinblick aufkörperliche Belastungen der Bühnenwerker beimtechnischen und künstlerischen Personal stärkerthematisiert werden?

> Ist eine Reduzierung der Zugluft / Kaltluft beimBe- / Entladen des Frachtfahrstuhls möglich?

Die Mitarbeiter als Experten ihres Arbeitsplatzes ent -wickelten wertvolle Verbesserungsvorschläge (z. B.Lastenseilzug im Lager / Obergeschoss), womit diegesundheitsförderliche Arbeitskultur weiterentwickeltwerden kann. Bereits kleine Veränderungen habenpositive Auswirkungen! Denn eines ist gewiss – auchdas günstigste Bewegungsverhalten hat seine Gren-zen: Es ist nur dann möglich, wenn die Rahmenbedin-gungen es zulassen.

Die Beispiele rechts zeigen, wie sich die Bühnenwer-ker mit engen Arbeitsverhältnissen arrangiert haben:Links die Montage des Unterbaus an einem geräumi-geren Ort; nur die absolut notwendigen Arbeitenmüssen noch in räumlicher Enge verrichtet werden.Das rechte Bild zeigt eine findige Lösung für dasschwer zugängliche Arbeitsfeld. >

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Auch Andere haben profitiert

Das Coaching für die Bühnenwerker schien auchandere Mitarbeiter auf der Bühne „angesteckt“ zuhaben. Im Verlauf des Projektes wurde auch in denAbteilungen Requisite, Bühnenfahrtechnik, Ton undBeleuchtung versucht, körperbewusst zu arbeiten,was die Abbildungen von Beleuchtern eindrucksvollbelegen. >

Fazit

Es gibt keinen Königsweg und nicht nur eine einzigerückenfreundliche Lösung, die in allen Arbeitssituatio-nen und für jeden Mitarbeiter gleichermaßen ange-wendet werden kann. Es ist nicht erstrebenswert,immer „mit geradem Rücken zu arbeiten“ – schließ-lich sind die Bühnenwerker keine Roboter, derenBewegungen bekanntermaßen eckig, ruckartig, hartund damit für den (Arbeits-) Alltag unbrauchbar sind.Der Mensch will und soll in Bewegung bleiben, kör-perlich, seelisch und geistig. In den jeweiligen Ar-beitssituationen muss der Einzelne neu entscheiden,wie er sich unter den Einflüssen von Raum, Zeit undLast möglichst körperbewusst bewegt.

Dazu ist ein breit angelegter und variabel einsetzbarerBewegungsfundus notwendig, der im praktischenTraining entwickelt und ausgebaut werden muss. Dasbedeutet, dass in der Vermittlungsmethodik die indivi-duelle Ausbildung einer strikten Handlungsanweisungvorzuziehen ist.

Ein weiterer Aspekt ist bedeutsam. „Warum sollteman sein Verhalten ändern, wenn man keine Schmer-zen hat?“ Die Anmerkung eines Mitarbeiters unter-streicht, dass gesundheitsbewusstes Handeln i. d. R.nicht mit rationalen Argumenten begründet werdenkann. Der vorsorgliche Ansatz, heute etwas für dieGesundheit zu tun, um damit zukünftigen Beschwer-den vorzubeugen, muss mit etwas Angenehmenverbunden werden, um die Motivation zum Weiter-machen zu sichern. Damit das Gesundheitsbewusst-sein auf der Bühne interessant bleibt, müssen dieMitarbeiter in ihrem Engagement unterstützt werden– z. B. in Form von regelmäßigem Training und derUmsetzung bzw. Diskussion von Verbesserungsvor-schlägen.

Das Foto rechts veranschaulicht, dass Bewegunglernen auch durch „bei anderen sehen und selberausprobieren“ geschieht. >

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ven Verfeinerung der Bewegungskoordination zeigte.Der Einsatz der Videokamera fand im Laufe des Pro-jektes wachsendes Interesse. Das lag u. a. daran,dass das Visualisieren der eigenen Bewegungen zueiner verbesserten Einschätzung der Hebetechnikenund dies wiederum zu einer bewussten Bewegungs-steuerung in der Praxis führte. Diese positive Ent-wicklung konnte sichtbar nachvollzogen werden.

Projektbewertung

Die Methode und die Durchführung des Coachingwurde von den Bühnenwerkern überwiegend positivbewertet.

Zur Akzeptanz und damit zum Erfolg trug ganz offen-sichtlich die Mitarbeit des Coach während des Auf-und Abbaus bei. Der Coach konnte zeigen, dassrückenfreundliche Hebetechniken machbar sind, ohnelangsamer arbeiten zu müssen – sie waren erkennbarpraktikabel und für den Einzelnen leicht nachvollzieh-bar.

Zusätzlich motivierend wirkte nach Angaben der Be-teiligten, dass die bisher angewandten Hebetechnikennicht mit „falsch“ bewertet oder als „Fehler entlarvt“wurden, sondern als „nicht anders gelernt“ akzeptiertwurden. Dies führte zu einer erhöhten Bereitschaftder Bühnenwerker, sich mit ihren Arbeitstechnikenauseinander zu setzen bzw. diese zu modifizieren.

Das Training der veränderten Hebetechniken währenddes Arbeitsprozesses wurde als wichtige Hilfestel-lung bewertet, um das Erlernte automatisieren zukönnen. Die Umsetzung in der Alltagspraxis war –insbesondere in räumlich günstigen Arbeitssituatio-nen und mit einfach handhabbaren Lasten – realisier-bar, was auch Rückmeldungen der Mitarbeiter be-stätigten. Allerdings zeigte sich auch, dass unterZeitdruck bzw. hoher Arbeitsbelastung sich teilweisedie vorher gebräuchlichen Verhaltensgewohnheitendurchsetzten, was darauf hinweist, dass zum Auto-matisieren der veränderten Bewegungen weitere Zeitund kontinuierliches Training benötigt wird. Darüberhinaus bestand Einigkeit, dass es keine Pauschal -lösungen für körpergerechtes Bewegen gibt: In be-stimmten Arbeitssituationen wie z. B. räumlicherEnge, konnte nicht immer rückengerecht gearbeitetwerden.

Die Auswertung der Videoaufnahmen, von den Mitar-beitern kommentiert und durch den Coach moderiert,bewirkte eine verbesserte Einschätzung der Hebe-techniken, was sich praktisch in Form einer qualitati-

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Mit Humor geht alles leichter ...

Für die typische Hebetechnik zum Anheben vonLasten prägten die Bühnenwerker den Begriff„Kiste ‘raus“, womit das Herausschieben des Ge-säßes (Beckenkippung) gemeint ist. Ein Mitarbeiterder Requisitenabteilung brachte dieses professionellzu Papier und so entstand das T-Shirt zum Projekt:„Kiste ‘raus“ – die Kurzformel für den achtsamenUmgang mit dem Körper. >

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Erste Bewertung nach 3 Monaten

Eine erste Bilanz fand nach drei Monaten, die Bewer-tung der Gesamtergebnisse zum Projektabschlussnach sechs Monaten, statt.

An der Auswertung nahmen die Technische Direktion,Berater der LUK Hamburg, Fachkraft für Arbeits -sicherheit, Bühneninspektor, Mitarbeiter, Betriebsratund Coach teil.

Der Projektverlauf wurde anhand

> der Akzeptanz der Bühnenwerker gegenüber demProjekt,

> dem aktiven Mitwirken der Bühnenwerker beimCoaching und

> der Veränderung des Bewegungsverhaltens derBühnenwerker im Verlauf des Projektes

beurteilt.

Bewertet wurde sowohl auf Grund der Wahrneh-mung, Beobachtung und Beurteilung durch Mitarbei-ter, Vorgesetzte, Berater der LUK Hamburg, Betriebs-ratsvertretung und Coach, als auch anhand der Videogestützten Erfassung des Bewegungsverhaltens.

Insgesamt gab es von allen Beteiligten eine hoheAkzeptanz gegenüber dem Projekt. Die Zwischen -bilanz bestätigte die positiven Erfahrungen frühererProjekte. Die Beteiligten unterstützten das Projektdurch ihr engagiertes Mitwirken, was sich in kompe-tenten Beiträgen und lebhaften Diskussionen wäh rendder Videoauswertung als auch in der Umsetzungdeutlich körpergünstigerer Hebetechniken zeigte.

Die Videoauswertung und auch das (Einzel-) Coachingwaren oft Anlass für Gespräche in Kleingruppen aufder Bühne. Auch Beschäftigte aus anderen Bereichenwie z. B. Bühnenfahrtechnik, Beleuchtung, Ton, Re-quisite, Ankleider zeigten reges Interesse und kamenmit dem Thema Hebetechnik in Kontakt, was auchdort zum Erörtern und Ausprobieren führte.

Abschließend kann festgestellt werden, dass das Zieldes Gesundheitsförderungsprojektes weitgehenderreicht wurde: Die Bühnenwerker haben ihr gesund-heitsbezogenes Wissen und Bewusstsein gestärkt,rückengesundes Verhalten in ihren Arbeitsprozessintegriert und wenden veränderte Hebetechniken an.

Die Kombination aus Coaching als Hilfe zur Selbsthilfeund dem kontinuierlichen Training der Hebetechnikenwährend des Arbeitsprozesses hat entscheidend zumErfolg beigetragen.

Inhalte und Vorgehensweise des Projektes haben sichbewährt, um

> das Fachwissen der Mitarbeiter für eine Optimie-rung der manuellen Lastenhandhabung nutzbar zumachen und einzusetzen,

> die Fertigkeiten der Beschäftigten zu erweiternund

> die Motivation zum engagierten Mitwirken derBeschäftigten zu sichern („innere Bindung“ zumProjekt).

Zweite Bewertung nach 6 Monaten

Nachdem das erklärte Ziel im Rahmen des Projekteserreicht wurde, sollte ein Follow-Up-Coaching – inForm von Gesprächen und Team-Coaching an sechsTerminen – sechs Monate nach Abschluss zeigen,inwieweit die Maßnahmen über eine kurz- und mittel-fristige Wirkung hinaus erfolgreich waren.

Es stellte sich heraus, dass die Bühnenwerker dieentwickelten Hebetechniken weitgehend anwende-ten. Sie gaben jedoch auch an, dass fehlendes Trai-ning und die Alltagsroutine zur Folge hatten, dass sichdie alten Bewegungsgewohnheiten unter Zeitdruckleichter durchsetzen konnten.

Anhand der nicht gestellten Fotos, die 2 Jahre nachBeginn des Projektes entstanden, ist gut erkennbar,dass das Coaching insgesamt Früchte getragen hat.

R E S Ü M E E

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Das Gesundheitsförderungsprojekt für die Bühnen-werker hat gezeigt, dass das Thema „Gesundheit amArbeitsplatz“, sowohl bei den Betroffenen als auchbei den Führungskräften, von großem Interesse ist.Alle Beteiligten haben das Projekt mit ihrem Mitwir-ken aktiv unterstützt und vorangetrieben.

Im Hinblick darauf, dass gesundheitliche Belangeinnerhalb der Erwerbstätigkeit eine immer stärkereBedeutung sowohl für das Unternehmen als auch fürdie Beschäftigten hat, ist es wünschenswert, wennder vom Projekt ausgehende positive Impuls – aufge-nommen und innerbetrieblich weitergeführt wird.

Die Übertragung der positiven Erfahrungen auf ent-sprechende Projekte für die anderen Abteilungen, dieebenfalls mit schweren Lasten umgehen müssen,wie z. B. Ankleider, Requisiteure, Beleuchter, Tonmei-ster und die Mitarbeiter der Werkstätten ist bereitsgeschehen. Das Coaching ist bereits schon heute zurInstitution beim Deutschen Schauspielhaus und somitzum Bestandteil des innerbetrieblichen Sicherheits-und Gesundheitsschutz-Konzeptes geworden.

Das erfolgreich durchgeführte Projekt bestätigt dieLandesunfallkasse Hamburg in ihrer seit mehrerenJahren verfolgten Präventions-Strategie: Coachingeignet sich gut als eine praxisnahe und motivierendeMaßnahme zur Ver meidung arbeitsbedingter Gesund-heitsgefahren im Unternehmen.

In diesem Sinne wird sie die positiven Erfahrungenund Erkenntnisse auch an weitere Unternehmenberatend vermitteln; damit auch dort die Beschäftig-ten eine zufriedene Arbeitssituation erleben und dieGesundheitspotentiale gesteigert werden. Hiervonprofitieren Unternehmensleitung und Beschäftigte.

A U S B L I C K

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