Controlling und Corporate Governance · 2020. 4. 22. · Reporting i. e. S., Corporate Governance...

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1 Controlling und Corporate Governance

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Controlling und Corporate Governance

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I. Begriff und System der CG Führung und Überwachung stellen die beiden wesentlichen Komponenten der Corporate Goverance eines Unternehmens dar, die untrennbar miteinander verbunden sind. So ist eine wirkungsvolle Führung ohne Überwachung unmöglich und eine effiziente Überwachung ohne Führung zwecklos. Unabhängig von Größe und Rechtsform finden sich führungs- und überwachungsbezogene Strukturen in allen Unternehmen (z.B. die Planung, Durchführung und Überwachung übernommener Aufträge durch den Eigner in einem Handwerksbetrieb, der in der Rechtsform des Einzelunternehmens geführt wird). Vor diesem Hintergrund umfasst der Begriff Corporate Governance im Detail die Rechte, Aufgaben und Verantwort-lichkeiten der gesellschaftsrechtlichen Organe (Geschäftsführung, Vorstand, Aufsichtsrat), der Anteilseigner, der Mitarbeiter und darüber hinaus der übrigen Interessengruppen (Stakeholder) und zielt darauf ab, Lösungen zu entwickeln, wie Unternehmen effizienter geführt, verwaltet und überwacht werden können.

Die Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht an Unternehmen, insbesondere in der Rechtsform einer kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft i. S. d. § 264d HGB, zeigt die Notwendigkeit der Corporate Covernance und ihrer Berichterstattung auf. Das Handeln der Unternehmensführung soll auf eine stetige Steigerung des Unternehmenswerts ausge-richtet sein, um vor allem den Interessen der Anteilseigner (Shareholder) und auch der ande-ren Stakeholder Rechnung zu tragen. Da die Unternehmensleitung gegenüber den Stakehol-dern besondere Spezialisierungsvorteile, detaillierte Informationen und ein größere Nähe zum operativen Geschäft besitzt, besteht die Gefahr, dass das Management Verhaltensfrei-räume zu seinen Gunsten und zu Lasten der Stakeholder nutzt. Deshalb muss die Corporate Governance durch eindeutige Regelungen sicherstellen, vor allem die Interessen der Anteils-eigner, aber auch die der anderen Stakeholder zu schützen.

Damit stellt sich Corporate Governance als zielgerichtete Führung und Überwachung des Unternehmens bzw. Konzerns dar, und beinhaltet Mechanismen zur Steuerung von Kompe-tenzen, Schaffung von Anreizen, Installierung von Führungs- und Überwachungsprozessen sowie Koordination von Außenbeziehungen (z.B. Versorgung des Kapitalmarkts mit Unter-nehmensinformationen).

Die erforderlichen Unternehmensstrukturen einer Corporate Governance sind vom Gesetzgeber rechtsform-, größen- und branchenabhängig im Handels- und Gesellschafts-recht grundlegend geregelt worden. Allerdings verbleibt innerhalb dieser Normen ein breiter Gestaltungsspielraum der Corporate Governance, der von den Entscheidungsträgern unter-nehmenszielkonform ausgefüllt werden muss. Auf Basis der vorstehenden Begriffsum-schreibung spaltet Abildung 1 unter Bezugnahme auf die rechtliche Organisationsform der Aktiengesellschaft (AG) das gesamte deutsche System der Corporate Governance bei Zugrundelegung des dualistischen Konzepts der Unternehmensführung (mit einem Leitungs- und einem Aufsichtsorgans) in einen in- und externen Teil. Gegenstand der internen Corporate Governance sind zunächst die Führung und Überwachung des Unternehmens mittels des Leitungs- und Aufsichtsorgans (Verwaltungsorgane) unter Berücksichtigung der Unterstützung durch den (Konzern-)Abschlussprüfer.

Ein derartiges System ist primär durch stabile Anteilseignerstrukturen und ausgeprägte personelle Verflechtungen gekennzeichnet, wodurch externe Corporate Governance-Mechanismen, die die Unternehmenspublizität in Gestalt des Financial Accountig [z.B.

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(Konzern-) Jahresabschluss und Lagebericht], das Enforcement [Regelungen zur Durchset-zung sämtlicher Maßnahmen wie etwa die (Konzern-) Abschlussprüfung] und die Über-wachung des (Eigenkapital-) Markts vor allem durch Investoren (Outsider) in Gestalt aktueller und potenzieller Anteilseigner (Aktionäre) betreffen, in der Vergangenheit nur geringe Relevanz im Rahmen zur Corporate Governance besaßen. Infolge der Bedeutungszu-nahme des Anlegerschutzes, institutioneller Investoren, der internationalen Rechnungs-legung, neuen Instrumenten der Unternehmenspublizität, der Stärkung der Anteilseigner-rechte sowie der Abnahme von Anteilseignerkonzentrationen und -verflechtungen wächst dem Outsider-System der externen Corporate Governance in jüngerer Zeit ein höherer Stellenwert zu. Deshalb müssen die in Abbildung 1 dargestellten Komponenten einer in- und externen Corporate Governance gleichberechtigt bezüglich ihrer Inhalte in ein idealtypisches Corporate Governance System einfließen.

II. Bedeutung des Reportings für die CG Aufgrund der gestiegenen Informationsbedürfnisse unterschiedlicher Stakeholdergruppen gewinnt vor allem bei börsennotierten Unternehmen neben dem Financial Acounting, Value Reporting, Corporate Governance Reporting und Nachhaltigkeitsreporting das Integrated Reporting in jüngerer Zeit zunehmend an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund werden die genannten Berichterstattungssysteme im Folgenden dargestellt und in das Management Reportingsystem sowie die Corporate Governance börsennotierter Unternehmen eingeglie-dert.

Unter dem Begriff Management Reporting wird die zielgerichtete, systematische Informa-tionsvermittlung über Tatsachen, Ereignisse, Zusammenhänge und Vorgänge aus dem Unternehmen und seiner Umwelt an unterschiedliche Stakeholdergruppen verstanden. Je nachdem, ob sich die Informationsversorgung auf Stakeholder innerhalb oder außerhalb des Unternehmens bezieht, ist zwischen internem und externem Management Reporting zu unterscheiden. Das interne Management Reporting-System umfasst sämtliche Prozesse des Informationsaustausches zwischen den Verwaltungsorganen (Leitungs- und Aufsichtsorgan) und/oder unternehmensinternen Institutionen wie etwa dem Risikomanagementsystem mit seinen Komponenten Interne Revision, Controlling und Früherkennung oder dem Compliancebereich.

Dem externen Management Reporting-System obliegt hingegen die Aufgabe, die Informa-tionsversorgung außenstehender Stakeholder (z.B. Investoren, Fremdkapitalgeber, Mitar-beiter, Kunden, Lieferanten, Fiskus, Wettbewerber, Analysten, Öffentlichkeit) als Ziel-gruppen der Unternehmenspublizität sicherzustellen. Die Besonderheit des externen Ma-nagement Reporting besteht in seiner Nähe zur Informationspolitik des Unternehmens, da seine Instrumente häufig von den Verwaltungsorganen dazu eingesetzt werden, vor allem auf externe Stakeholdergruppen dergestalt einzuwirken, dass ihr künftiges Verhalten mit den gesetzten Unternehmenszielen korespondiert. Eine in diesem Sinne eingesetzte Unter-nehmenspublizität stellt ein zentrales Element der Investor Relations dar.

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Abb. 1: Hamburger Komponentenmodell der Corporate Governance

Corporate Governance

Unterstützung des Aufsichts-organs durch

den (Konzern-) Abschluss-

prüfer

(unternehmensverwaltungs-)interne Corporate Governance

Unternehmens-führung und

-überwachungdurch das

Leitungsorgan

interne Überwachung und Beratung

durch das Aufsichtsorgan

(unternehmensverwaltungs-)externe Corporate Governance

externeÜberwachung(Märkte; Fokusauf dem Markt

für Eigen-kapital)

Markt für Unterneh-mensüber-wachung

Anteils-eigner

aktuelleAnteils-eigner

poten-zielle

Anteils-eigner

verlässlicheUnternehmens-informationen

Unternehmens-publizität

Enforcement(normativ)

(Konzern-) Abschluss-

prüfung

Kapital-markt-

aufsicht

Organ-haftung

Financial Accounting

Value Reporting(i. w. S.)

Corporate Governance

Reporting

Integrated Reporting

Value Reporting(i. e. S.)

Nachhaltig-keits-

reporting

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Aufgrund der sich in Wissenschaft und Praxis verfestigten Auffassung, dass das im

traditionellen Sinne primär vergangenheitsbezogen und im Hinblick auf die Darstellung der

periodenorientierten Eigenkapitalveränderung eindimensional ausgerichtete Financial

Accounting als alleinige Grundlage für rationale Entscheidungsfindungen der externen

Stakeholder nicht mehr ausreicht, wurde dieses in jüngerer Zeit durch zukunftsbezogene und

nichtmonetäre bewertungsorientierte Informationen im Rahmen des Value Reporting

ergänzt.

Hierunter wird die strukturierte und regelmäßige, über das Financial Accounting hinaus-

gehende externe Berichterstattung einer Unternehmung verstanden, die geeignet ist, Infor-

mationsasymmetrien zwischen unternehmensverwaltungsinterner und stakeholderbezoge-

ner externer Sicht zu reduzieren sowie die Ermittlung des Unternehmenswerts durch außen-

stehende Adressaten, insbesondere (potenzielle) Investoren, zu ermöglichen. Im Grundsatz

ist das Value Reporting-System somit darauf ausgerichtet, vorhandene Wertlücken zwischen

dem im Rahmen des Financial Accounting bilanzierten Eigenkapital und dem Unternehmens-

wert, verstanden als Zukunftserfolgswert, durch den Einsatz ausgewählter publizitäts-

politischer Instrumente zu erklären (z. B. Informationen über das Humankapital).

Das Value Reporting ergänzt somit das Financial Accounting mit seinen Ausflusssystemen

(Konzern-)Jahresabschluss und (Konzern-) Lagebericht um eine wertorientierte Zusatzbe-

richterstattung und baut es zu einem umfassenden zukunftsorientierten Business Reporting

aus. Im internationalen Kontext wird unter Business Reporting daher die kapitalmarkt-

orientierte, strukturierte Informationsübermittlung an aktuelle und potenzielle Investoren

durch die Verwaltungsorgane kapitalsuchender Unternehmen verstanden.

Das Value Reporting, welches aus Gründen der Systematisierung als Value Reporting im

weiteren Sinne (i. w. S.) bezeichnet wird, lässt sich wiederum in Cororate Governance

Reporting, Value Reporting im engeren Sinne (i.e.S.) und Nachhaltigkeitsberichterstattung

untergliedern. Das Value Reporting i. e. S. beinhaltet Informationen über Zeitwerte der

bilan-zierten Vermögenswerte und Schulden sowie über nicht bilanzierte immaterielle Ver-

mögenswerte, welche es den (potenziellen) Investoren ermöglichen, den Reinvermögens-

wert der Unternehmung zu ermitteln. Des Weiteren sind hier neben kapitalmarktorien-

tierten Daten (z.B. Börsenkapitalisierung, Aktienrendite etc.) Prognosen und Planungen

künftiger Erfolge sowie wertrelevante nichtfinanzielle Informationen (z.B. Marktumfeld)

offenzulegen, die externen Adressaten eine Beurteilung der Wertentwicklung des Unter-

nehmens (Zukunftserfolgswert) erleichtern. Die Inhalte des Value Reporting i. e. S. leiten

sich im Wesentlichen aus dem internen und externen Rechnungswesen ab und zeichnen sich

somit durch ihren quantitativen Charakter aus.

Der Begriff Corporate Governance Reporting bezeichnet die strukturierte und regelmäßige

externe Berichterstattung eines Unternehmens, die darauf abzielt, Informationsun-

gleichheiten zwischen Unternehmensverwaltung und externen Stakeholdern bezüglich der

Führung und Überwachung des Unternehmens (Corporate Governance) abzubauen. Die

Unterordnung des Corporate Governance Reporting unter das Value Reporting i. w. S. lässt

sich somit aus der Deckungsgleichheit der Ziele im Hinblick auf die Reduzierung von Informa-

tionsdefiziten und der Berichtscharakteristik der Vermittlung wertrelevanter Informationen

an den Kapitalmarkt ableiten. Die bedeutenden qualitativen und quantitativen Berichts-

inhalte des Corporate Governance Reporting ent-stammen dabei sowohl dem Financial

Accounting (z. B. Vergütung der Verwaltung) als auch dem Value Reporting i. w. S. (z. B.

Einhaltung der Unabhängigkeit von Abschlussprüfer und Aufsichtsorgan).

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Als Reaktion auf den gesellschaftlichen Werte- und Normenwandel in Bezug auf die

ökologischen und sozialen Auswirkungen ökonomischen Handelns hat sich in den letzten

Jahren die sog. Nachhaltigkeitsberichterstattung als weitere Komponente der freiwilligen

wertorientierten Berichterstattung etabliert. Nachhaltigkeit wird als eine Entwicklung defi-

niert, welche die heutigen Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigt, ohne diejenigen der

zukünftigen Generationen zu gefährden und umfasst dabei die drei Dimensionen Ökologie,

Ökonomie und Soziales (sog. Drei-Säulen-Modell). Damit einher geht häufig ein vom Postu-

lat des Shareholder Values abweichendes Unternehmenskonzept des sog.

Stakeholder Value mit einem pluralistischem Ziel- und Wertesystem, welches das Unterneh-

men als Teil der Gesellschaft begreift und den Wert nach seinem Zielbeitrag für die

Gesellschaft ableitet. Indem die Nutzensysteme sämtlicher Anspruchsgruppen integriert

werden, wird die erbrachte Leistung eines Unternehmens folglich nicht nur nach seinem

(internen) wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch nach seinem Einfluss auf das ökologische

und soziale Umfeld (sog. Sustainability Performance) beurteilt. Aber auch unter dem enger

gefassten Konzept des Shareholder Value trägt die Berücksichtigung von Nachhaltigkeits-

aspekten zur Unternehmenswertmaximierung bei, da sie sich bezüglich der gestiegenen

öffentlichen Bedeutung zu entscheidenden Wettbewerbsfaktoren entwickelt haben, die sich

sowohl indirekt als auch direkt auf die Kosten- und Erlössituation des Unternehmens aus-

wirken können. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt dabei weitestgehend losgelöst

von den Rechnungslegungsinstrumenten des Financial Accounting.

Das Integrated Reporting führt die Informationen des Financial Accounting, Corporate

Governance Reporting, des Value Reporting i.e.S. sowie des Nachhaltigkeits-reporting in

teilweiser Anlehnung an das Konzept des Value Reporting nach dem Multiple Capital Ansatz

mit den Komponenten Finanzkapital, Produktionskapital, geistiges Kapital, Humankapital,

soziales Kapital und natürliches Kapital auf übergeordneter Ebene in mehrdimensionaler

Form zusammen, indem es über eine reine Informationsbündelung hinaus als weitere

Dimension die Vernetzung finanzieller und nicht-finanzieller Leistungsindikatoren aufzeigt

und so zusätzliche, entscheidungsrelevante Informationen liefert. Mit dieser Vorgehens-

weise können den externen Stakeholdergruppen durch eine integrierte und verknüpfte

Berichterstattung über alle wesentlichen Erfolgsfaktoren vollständigere und stärker ent-

scheidungs-elevante Informationen zum Zwecke der Darstellung einer ganzheitlichen,

gegenwärtigen und zukünftigen Wertschöpfung gezeigt und so die Kapitalmarktkommuni-

kation gezielt erweitert werden.

Das Integrated Reporting als trennscharfes Konzept zum Financial Accounting, Value

Reporting i. e. S., Corporate Governance Reporting und Nachhaltigkeitsreporting zu ent-

wickeln. Allerdings ist zu beachten, dass das interne und externe Management Reporting-

System miteinander vernetzt sind, da vor allem im Rahmen der unternehmensexternen

Berichterstattung aufgrund gesetzlicher Vorgaben (z. B. § 289 Abs. 4 HGB) oder zur Durch-

setzung freiwilliger Publizitätsziele (z. B. im Kontext des Value Reporting) auf die Inhalte des

internen Reporting-Systems zurückgegriffen werden muss. Die Zusammenführung beider

Systeme wird durch das Konzept des Management Approach sichergestellt. Abbildung 2

fasst die Inhalte eines umfassenden Management Reporting-Systems zusammen, das eine

wichtige Komponente der Corporate Governance darstellt.

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Abb. 2: Hamburger Modell zur Systematisierung des Management

Management Reporting

Internes Management Reporting

Externes Management Reporting

Informationen des Aufsichtsorgans

durch das Leitungsorgan

Informationen des

Leitungsorgans

Etwaige weitere interne Informa-tionsprozesse

Financial Accounting

Value Reporting(i. w. S.)

durch dasRisikomanage-

mentsystem

durch dasCompliance

System

Corporate GovernanceReporting

Value Reporting

(i. e. S.)

Internes Über-wachungs-

systemControlling

Früh-erkennungs-

system

Internes Kontroll-system

Interne Revison

Integrated Reporting

Zusammenführung durch das Konzept des Management Approachs

Nachhaltig-keitsbericht

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III. Unternehmensführung A. Führungs- und Strategiekonzepte

Die Steigerung des Unternehmenswerts als langfristiges Ziel des Managements wird in der BWL schon seit langem diskutiert. Ende des vorherigen Jahrhunderts hat aber die Wertorien-tierung durch das von Rappaport entworfene Shareholder Value-Konzept, das darauf abstellt, den Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens im Zeitablauf stetig zu stei-gern, eine Renaissance erfahren. Im Rahmen eines solchen Value-Based-Management zielen die Aktivitäten der Unternehmensleitung, insbesondere auf folgende Strategien ab, die sich wechselseitig ergänzen müssen:

• Schaffung von Anreizsystemen (z. B. Erfolgsbeteiligungen oder Aktienoptionspro-gramme) auf allen Führungsebenen.

• Aufdeckung von unternehmensin- und -externen Erfolgspotenzialen (z .B. durch die Entwicklung innovativer Produkte).

• Optimierung der in- und externen Überwachungs- und Steuerungssysteme (Corpo-

rate Governance). • Information aller in- und externen Stakeholder über die Strategien und Ergebnisse

des Wertsteigerungsmanagements durch ein umfassendes Management Reporting-

System (z. B. Investor Relations, Value Reporting, Corporate Governance Reporting, Integrated Reporting).

Dem Führungsorgan kommt vor diesem Hintergrund die elementare Aufgabe zu, mit Hilfe eines wertorientierten Managementsystems die zur Verfügung stehenden Mitteleinsätze dergestalt zu steuern, dass eine stetige Steigerung des Unternehmenswerts, verstanden als Zukunftserfolgswert, erreicht wird. Der Shareholder Value-Ansatz ist folglich ein Konzept der strategischen Unternehmensführung mit dem Ziel, den Unternehmenswert für die Eigen-tümer über die Ausschöpfung und Realisierung wertsteigender sowie Eliminierung wertver-nichtender Aktivitäten, Investitionen, Geschäftsfelder etc. langfristig zu maximieren. Damit besteht kein Gegensatz zum Stakeholder Value-Konzept, da eine langfristige Maximierung des Unternehmenswerts auch den Interessen anderer Stake-holdergruppen als den Eignern entspricht.

Aufgrund der Orientierung der Unternehmenspolitik an den Interessen der Anteilseigner wird der Unternehmenswert, d.h. seine Veränderung, für das Unternehmen zum Erfolgs-maßstab. Zum Zwecke der kapitalmarktorientierten Unternehmensführung benötigt das Leitungsorgan aus strategischer und operativer Sicht ein umfassendes Planungs-, Kontroll-

und Steuerungssystem. Soweit Unternehmen ihr Führungssystem nicht auf die Interessen der Anteilseigner ausrichten, besteht die Gefahr, dass durch suboptimale Entscheidungen des Managements Unterschiede zwischen dem aktuellen und potenziellen Unternehmens-wert auftreten, die als Wertlücken bezeichnet werden. Der zukünftige (höhere) Wert ergibt sich dabei aus Unternehmensbewertungen, Schätzungen von Finanzanalysten, Ratingagen-turen oder aus Übernahmeangeboten und repräsentiert denjenigen Wert, der nach Akqui-sition und Reorganisation mit einem Unternehmen erzielbar wäre. Das Leitungsorgan ist schon deshalb zur Implementierung wertsteigernder Strategien zum Zwecke der Schließung von Wertlücken gezwungen, damit drohende, ggf. feindliche Unternehmensübernahmen verhindert werden. Um die Anteilseigner in die Lage zu versetzen, an den wertsteigernden Maßnahmen teilhaben zu können und zudem sicherzustellen, dass keine Wertlücken aufgrund ungleicher Informationsverteilung zwischen Management und Eignern entstehen,

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sind entsprechende Informationen im Rahmen einer investororientierten Informations-

politik zu veröffentlichen und ggf. zielgerichtet zu gestalten.

Das Geschäftsmodell mit seinen verschiedenen Geschäftsfeldern stellt die Basis für die Unternehmensstrategie (Corporate Strategy) dar, wobei seine grundsätzliche Tragfähigkeit und die hiermit verbundenen Risiken und Chancen zentrale Bedeutung besitzen. So definiert die Geschäftsfeldstrategie (Business Strategy) die grundsätzlichen Handlungsweisen und deren Entwicklung, mit denen ein Unternehmen in bestimmten strategischen Geschäfts-feldern operieren will (z.B. Eindringen in asiatische Automobilmärkte mit Hybridfahrzeugen). Charakteristische Merkmale für ein strategisches Geschäftsfeld sind, dass sich hierfür Kunden oder Kundengruppen mit spezifischen Bedürfnissen identifizieren lassen, für die bestimmten Leistungen angeboten werden, die zudem in Konkurrenz zu den Wettbewer-bern stehen. Vor diesem Hintergrund bestimmt die Unternehmensstrategie folgende Be-reiche:

• Die Richtung, in die sich das Unternehmen als Ganzes im Hinblick auf nachhaltiges und profitables Wachstum entwickeln soll.

• Die Märkte, auf denen das Unternehmen mit seinen Geschäftsfeldern im Wettbe-werb operiert.

• Die Zuweisung der Ressourcen des Unternehmens zu den einzelnen Geschäfts-feldern.

• Optimierung des unternehmensbezogenen Soll-Portfolios durch Akquisitionen, Kooperationen, Konzentrationen, Fusionen und Desinvestionen.

• Koordination der einzelnen Geschäftsfelder in Bezug auf Cash Flows, Synergien, Risiken und Zyklizität.

Zentrale Bedeutung im Rahmen der Unternehmensstrategie besitzt das strategische Risiko-

management der Unternehmensleitung. Mit diesem Instrument ist zum einen sicherzu-stellen, dass das Unternehmen in jeder Situation, die auch mit noch so kleiner Wahrschein-lichkeit eintreten kann, in der Lage versetzt wird, zu überleben (z.B. im Falle des Weg-brechens osteuropäischer Märkte). Zum anderen muss das Risikomanagement in der Lage sein, strategische Chancen frühzeitig zu erkennen, um Wettbewerbsvorteile gegenüber Kon-kurrenten nutzen und stratgische Erfolgspotenziale langfristige aufbauen zu können (z.B. Entwicklung innovativer Produkte). Planung, Kontrolle und Steuerung der Unternehmens-strategie muss durch das strategische Controlling unterstützt werden.

B. Unternehmenspolitik und Zielsystem

Im Rahmen des entscheidungsorientierten Ansatzes einer angewandten Betriebswirt-

schaftslehre besteht die Aufgabe der Unternehmenspolitik ganz allgemein darin, unter Rückgriff auf die durch die Theorie gewonnen Erkenntnisse, den Führungsinstanzen bezüglich der Gestaltung des Unternehmensgeschehens geeignete Entscheidungsregeln vorzugeben.

Die Unternehmenspolitik setzt sich aus einem Spektrum interdependenter Teilpolitiken zusammen (z. B. Beschaffungs-, Produktions-, Absatz-, Investitions-, Finanzierungs-, Steuer- und Rechnungslegungspolitik) und bezeichnet die Gesamtheit von Handlungsempfeh-

lungen zum Erreichen bestimmter Ziele des Unternehmens. Die aus den einzelnen Bereichs-politiken resultierenden Zielgrößen sowie die Mittel (Instrumente) zu ihrer Realisation gilt es im Hinblick auf die Verwirklichung eines gemeinsamen Oberziels (z.B. Maximierung des

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Gewinns, des Shareholder Value oder Existenzsicherung) zu koordinieren. Durch diese Vor-gehensweise kann eine Zielhierarchie entwickelt werden, die den Komplex „Unter-nehmenspolitik“ auf den verschiedenen Ebenen zum Tragen kommenden Teilpolitiken gliedert.

Das Konzept der wertorientierten Unternehmenssteuerung mit dem Oberziel der langfris-tigen Steigerung des Shareholder Value und sein Beitrag zur nachhaltigen Existenzsicherung lässt sich anhand des Shareholder Value-Netzwerks von Rappaport verdeutlichen. Danach kann die abstrakte Größe Shareholder Value (ME), die dem Marktwert des Eigenkapitals entspricht, entsprechend der folgenden Gleichung

in einem ersten Schritt in die drei Bewertungskomponenten Free Cash Flow [erwirtschaf-tete Zahlungsüberschüsse, die Eigen- und Fremdkapitalgebern zustehen (CF)], Kapital-

kosten [Eigen- und Fremdkapitalzinsen (ka)] und Marktwert des Fremdkapitals (MF) aufge-spalten werden (t = Periodenindex; T = Anzahl der Planungsperioden). Der Marktwert des Unternehmens wird somit als Zukunftserfolgswert durch Abzinsung der Free Cash Flows auf den Gegenwartswert ermittelt. Die Darstellung erfolgt auf Basis des sog. Weightes Average Cost of Capital-Ansatzes (WACC-Ansatz) als der am weitesten verbreitete Discounted Cash Flow Methode und unter Annahme einer unbegrenzten Lebensdauer des Unternehmens mit einer ewigen Rente nach dem Detailplanungszeitraum der Free Cash Flows.

Beispiel:

Im Rahmen der Unternehmensplanung einer börsennotierten Kapitalgesellschaft werden für die folgenden vier Jahre (t) nachstehende Werte für die Free Cash Flows ermittelt: CFt = 120 Mill€, CF2 = 80 Mill €, CF3 = 200 Mill €, CF4 = 180 Mill. Ab dem vierten Jahr wird bis zum Lebensende des Unternehmens mit einem konstanten jährlichen Free Cash Flow (ewige Rente) von konstant 100 Mill€ gerechnet. Der Marktwert des Fremdkapitals beläuft sich zum Bewertungszeitpunkt des Unternehmens (t = 0) auf 900 Mill €. Unter Zugrundelegung konstanter Kapitalkosten für die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals von 8 % errechnet sich der Marktwert des Unternehmens (Shareholder Value) wie folgt.

(1) ME = !"#%&''€(!*#,#,) + ,#%&''€(!*#,#,)! + "##%&''€(!*#,#,)" + !,#%&''€(!*#,#,)# + !##%&''€#,#,∙(!*#,#,)# – 900 Mill €

(2) ME = 111,11 Mill € + 68,59 Mill € + 158,77 Mill € +132,31 Mill € + 918,79 Mill € – 900 Mill €

(3) ME = 489,59 Mill €

In einem zweiten Schritt lassen sich diese Faktoren in die ihnen zugrunde liegenden Wert-treiber (Value Driver) weiter aufgliedern. So wird der Free Cash Flow durch die Werttreiber der operativen Tätigkeit und des Investmentbereichs einer Unternehmung beeinflusst. Es handelt sich dabei im Einzelnen um das Umsatzwachstum, die Gewinnmarge, den Gewinn-

steuersatz, die Dauer der Wertsteigerung sowie um Investitionen in das Umlauf- und Anlagevermögen. Zu den zentralen Werttreibern der Kapitalkosten sowie des Marktwerts des Fremdkapitals zählen insbesondere die Wahl der optimalen Kapitalstruktur sowie die Investor Relations, welche auch das Corporate Governance Reporting, das Value Reporting

MFTtT

1t-

++

+=å

=Tt ka) (1 ka

CFka) (1

CFME

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und das Nachhaltigkeitsreporting umfassen. Die genannten Werttreiber (Unterziele) stehen dabei in einer unmittelbaren und direkten Mittel-Zweck-Beziehung zu den jeweiligen Bewer-tungsfaktoren (Zwischenziele) und lassen demzufolge Rückschlüsse auf die Entwicklung des Shareholder Value (Oberziel) zu. Wie Abbildung 3 zeigt, entsteht im Ergebnis ein hierarchisch strukturiertes und spezifisch auf die Steigerung des Shareholder Value und die nachhaltige

Existenzsicherung ausgerichtetes Zielsystem.

Ausgehend von dem in der Unternehmenshierarchie als Oberziel festgelegten Steigerungs-ziels des Unterne-menswerts, das mit Hilfe Cash Flow-orientierter Kennzahlen gemessen werden sollte, sind im Rahmen der Unternehmenspolitik weitere Subziele bezüglich unterge-ordneter Teilpolitiken herunter zu brechen und ihr Erreichen zu kontrollieren. So spielen hin-sichtlich der nachgelagerten Beschaffungs-, Produktions- und/oder Absatzpolitik insbeson-dere Erfolgsziele, die sich in Gestalt von Erlösen und/oder Kosten für Zwecke der operativen, aber auch der strategischen Unternehmenssteuerung messen lassen (Performance Me-

asurement) eine herausragende Rolle.

Die aus dem Zielsystem der Unternehmenspolitik abgeleiteten Ziele lassen sich grundlegend in Leistungsziele (z.B. Markt-, Publizitäts-, Ökologie-, Produkt-, Produktions-, und Qualitäts-ziele), Erfolgsziele (z.B. Aufwands-, Ertrags-, Kosten- und Erlösziele) und Finanzziele (z.B. Verzinsungs-, Ausschüttungs-, Zahlungsbereitschaftziele, Shareholder Value) unterscheiden. Wie bereits oben erwähnt wurde, müssen im Rahmen der Unternehmenshierarchie die genannten Zielarten auf eine gemeinsames Oberziel abgestimmt sein, das bei erwerbwirt-schaftlich ausgerichteten Unternehmen in aller Regel in der Erreichung bestimmter Finanzziele besteht. Bei der Ableitung von operationalen Handlungszielen aus dem unter-nehmerischen Zielsystem ist darauf zu achten, dass diese die Absichten der vorgelagerten, in der Hierarchie höher stehenden Teilpolitiken bestmöglich repräsentieren. Das Kriterium der Operationalisierbarkeit bedeutet für die in Rede stehenden Subziele, dass Messvorschriften existieren, die eine Kontrolle der Zielerreichungsgrade gestatten.

Beispiel:

So lässt sich das Oberziel „Steigerung des Shareholder Value“ anhand der Veränderung des Marktwerts des Eigenkapitals innerhalb bestimmter Zeitabstände auf der nachgelagerten Zielebene der Finanzpolitik etwa mit der Kennzahl „Economic Value Added (EVA)“ messen, die signalisiert, inwieweit die erreichte Verzinsung des eingesetzten Kapitals von der Mindestverzinsung des Eigen- und Fremdkapitals abweicht.

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Abb. 3: Zielsystem eines Unternehmens unter Zugrundelegung des Shareholder Value Konzepts

PrimäresUnternehmensziel

Oberziel

nachhaltigeExistenzsicherung

langfristige Steigerung des

Shareholder Value

Zwischenziele(Bewertungs-

faktoren)Free Cash Flow Kapitalkosten Fremdkapital

Unterziele(Werttreiber)

Operative Tätigkeit•Umsatzwachstum•Gewinnmarge•Gewinnsteuersatz•Dauer der Wertsteigerung

Investment• Investitionen ins

Umlaufvermögen• Investitionen ins

Anlagevermögen

Finanzierung•Kapitalstruktur• Investor Relations

(u.a. Corporate GovernanceReporting)

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Zur operationalen Festlegung des Zielausmaßes bieten sich die Ausprägungen Extremierung, Fixierung und Satisfizierung an (z. B. Minimierung der ertragsteuerlichen Bemessungs-grundlagen im Rahmen der Steuerpolitik oder Maximierung der Ausschüttungen im Rahmen der Rechungslegungspolitik). Bei der Fixierung sind die Aktivitäten der Verantwortlichen hingegen auf die Realisierung einer bestimmten Zielausprägung abgestellt (z. B. Erreichung eines Marktanteils in Höhe der Konkurrenz im Rahmen der Absatzpolitik). Streben die Entscheidungsträger nach einer Satisfizierung ihrer zu beeinflussenden Zielgrößen, so definieren sie lediglich ein gewisses Anspruchsniveau in Gestalt eines befriedigenden Ziel-ausmaßes (z.B. Senkung der effektiv angefallenen Kosten des Vormonats unter einem bestimmten Betrag im Rahmen der Produktionspolitik).

Allerdings besteht innerhalb des Zielsystems der Unternehmenspolitik jedoch die Möglich-keit des Auftretens von Konfliktsituationen, wenn die Verwirklichung eines Ziels die Reali-sierung eines oder mehrerer Ziele bzw. Zielbündel behindert (Zielkonkurrenz) oder aus-schließt (Zielantinomie). Im Falle der Verfolgung mehrerer zueinander in Konkurrenz stehender oder sich gegenseitig ausschließender Handlungsziele müssen die Entscheidungs-träger versuchen, derartige Konflikte durch Zielbewertung oder durch Aufstellung einer Rangordnung (z. B. Primär- und Sekundärziele) zu lösen. Bei Rückgriff auf die Methode der Zielgewichtung werden komplexe Bewertungen der Erfüllungsbeiträge unternehmenspoli-tischer Unterziele im Hinblick auf die Erreichung vorgelagerter Oberziele notwendig, die sowohl die Wertvorstellung des Entscheidungsträgers als auch seine Risikoeinschätzung berücksichtigen. Anstelle des Verfahrens der Zielbewertung kann aber als Lösungstechnik der praktikablere Weg des Setzens von Prioritäten bezüglich der Auswahl bestimmter Handlungsziele gewählt werden, wobei die vorstehend angesprochenen komplexen Bewer-tungsoperationen in aller Regel zu umgehen sind.

Beispiel: So könnte etwa seitens der Entscheidungsträger bezüglich der der Finanzpolitik unterge-ordneten Rechnungslegungspolitik der Dividendenminimierung Vorrang vor anderen Hand-lungszielen zum Zwecke der Sicherstellung von Finanzierungsalternativen eingeräumt werden. Damit wäre der Zielkonflikt zur Handlungsalternative „Erhöhung des Jahresüber-schusses“, um eine vom externen Kreditgeber geforderte Jahresabschlussrelation auszuwei-sen, die eine Vorlaussetzung für die Kreditvergabe darstellt, vermieden.

C. Planung und Kontrolle als Führungsinstrumente

Die aufgezeigten Unternehmensziele bedürfen innerhalb der Unternehmensbereiche und Unternehmensprozesse durch aufeinander abgestimmte generelle, strategische und opera-tive Planungen einer inhaltlichen Konkretisierung, um für alle Ebenen Voraussetzungen für zieladäquate Entscheidungsfindungen schaffen zu können. Mithin kann Planung als geordneter, informationsvorbereitender Prozess zur Erstellung eines Entwurfs verstanden werden, der für einen bestimmten Zeitraum (Planungshorizont) Vorgaben zum Zwecke der Zielerreichung auf allen Unternehmensebenen vorausschauende festlegt. Die sich an-schlie-ßende Steuerung beinhaltet die detaillierte Festlegung und Veranlassung von Führungsent-scheidungen, die der Planungsprozess hervorgebracht hat. Mit dem Begriff Regelung werden alle aus dem Prozess der Unternehmenskontrolle resultierenden Aktivitäten bezeichnet, die sich aus Ziel- bzw. Planungsanpassungen und/oder Beeinflussungen des Entscheidungsvoll-zugs im Rahmen der Steuerung ausgerichtet sind.

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Im Kontext der generellen Zielplanung werden alle allgemeingültigen ökonomischen und nicht-ökonomischen Oberziele festgelegt, die in ihrer Gesamtheit die grundlegende Unter-nehmenskonzeption widerspiegeln. In diesem Zusammenhang sind insbesondere folgende Gruppenziele zu nennen:

• Sachziele: Sie umfassen das Tätigkeitsfeld, die Branche, den Wirtschaftszweig, die angestrebten Leistungsarten und die zu bedienenden Kundengruppen des betref-fenden Unternehmens (z.B. die Herstellung von Büchern und Zeitschriften in einem Verlag oder die Bereitstellung von Beratungsleistungen in einem Consultingunter-nehmen).

• Formalziele: Hier sind die wichtigsten Ergebnis- und Finanzziele des Unternehmens zu nennen (z.B. Gewinnmaximierung, Steigerung des Unternehmenswerts, Kosten-deckung oder Verlustminimierung).

• Sozialziele: Es handelt sich um Zustände und Verhaltensweisen des Unternehmens gegenüber den Stakeholdern (z .B. Mitarbeitern, Investoren, Lieferanten, Kunden, Kapitalgebern, dem Staat, der allgemeinen Öffentlichkeit und der natürlichen Um-welt).

Die strategische Planung stellt im Grundsatz eine Zielerreichungsplanung dar, in der unter Berücksichtigung der generellen Ziele, von der Unternehmung langfristig zu erstellende Leistungs-, bzw. Produkt- und Dienstleistungsprogramm nach Art und Umfang sowie Art, Umfang und Zuordnung der für die Leistungserstellung und -verwertung erforderlichen Potenziale bzw. Potenzialänderungen festgelegt werden. Die operative Planung trägt ebenfalls den Charakter einer Zielerreichungsplanung und baut auf der generellen Ziel-planung sowie der strategischen Planung auf. Sie fixiert die von der Unternehmung kurz- und mittelfristig zu erstellenden Leistungs- bzw. Produkt- und Dienstleistungsprogramme.

Bezüglich der Ablauforganisation müssen analog zur Planung permanente generelle, strate-gische und operative Kontrollen den Entscheidungsvollzug ergänzen, um Anhaltspunkte für Steuerungsmaßnahmen und Ziel- bzw. Planungskorrekturen im Rahmen des Regelungs-prozesses zu erhalten.

Hierdurch wird deutlich, dass die betriebswirtschaftliche Kontrolle in engem Zusammenhang mit der unternehmerischen Planung bzw. dem Zielsystem der Unternehmenspolitik steht. Folglich muss die Konzeptionierung des betrieblichen Kontrollsystems in Abstimmung mit dem unternehmerischen Planungssystem vorgenommen werden. Die besonders enge Ver-knüpfung zwischen Planung und Kontrolle wird auch durch das Erfordernis zur Formulierung operationaler Planungsziele deutlich. Somit stellen Kontrollen Soll-Ist-Vergleiche bestimmter Kontrollobjekte (z.B. Produkte, Dienstleistungen, Profitcenter) dar und zielen im Grundsatz darauf ab, die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Fehler in der Planung oder Fehler in der Realisierung erkannt und entsprechende Korrekturmaßnahmen eingeleitet wer-den können. Abbildung 4 verdeutlicht die vernetzte Aufbau- und Ablauforganisation in einem Industrieunternehmen.

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Abb. 4: Aufbau- und Ablauforganisation des Planungs- und Kontrollsystems in einem Industrieunternehmen (entnommen von Hahn/Hungenberg 2001, S. 27)

Generelle Zielplanung

Produktprogramm- und Potentialplanung, Potentialstrukturplanung

Absatz-programmplanung

Anlageplanung

Forschungs- undEntwicklungsplanung

Absatz-prozessplanung- steuerung- realisation- kontrolle

Beschaf fungs-prozessplanung- steuerung- realisation- kontrolle

Lager

Erlös- und Kosten-planung

GenerelleZielplanung

StrategischePlanung

Beschaf fungs-programmplanung

Produktions-programmplanung

Material- und Dienst-leistungsbedarfsplanung

Kalkulatorische undbilanzielle

Ergebnisplanungund Finanzplanung

Lager

Aktionen des Rechnungs- und FinanzwesensAktionen der Forschung und Entwicklung, des Personal- und Anlagenwesens

Kapitalmarkt/ Staat

SachgüterDienstleistungen

OperativePlanung

Steuerung

Durchführung

Kontrolle

Absatz-markt

SachgüterDienstleistungen

Geld Geld

Beschaffungs-markt

Informationen Informationen

ProduktplanungPersonalplanung

Fertigprodukt-bestandsplanung

Material-bestandsplanung

Produktions-prozessplanung- steuerung- realisation- kontrolle

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Im einschlägigen Schrifttum finden sich vielfältige Systematisierungskriterien, nach denen Einteilungen betriebswirtschaftlicher Kontrollen vorgenommen werden können. Zunächst ist es sinnvoll, auf den Zeitbezug von Kontrollen abzustellen und eine Unterscheidung in Ex-post- und Ex-ante-Kontrollen vorzunehmen.

Ex-post-Kontrollen tragen vergangenheitsorientierten Charakter, beziehen ihre Informa-tionen aus in der Realität abgeschlossenen Prozessen und basieren stets auf erreichten Kontrollgrößen (z. B. Kosten, Umsätze, Marktanteile), in die die Wirkung von Störelementen bereits Eingang gefunden haben. Derartige Soll-Ist-Vergleiche werden deshalb auch mit dem Begriff „ergebnisorientierte Kontrollen“ belegt.

Ex-ante-Kontrollen verwenden als Kontrollgrößen hingegen zukunftsbezogene Messwerte (z.B. aufgrund von Prognose- oder Simulationsrechnungen ermittelte Cash Flows), so dass im Rahmen einer Soll-Wird-Betrachtung zukünftige Abweichungen erkannt werden, um aus diesen Frühwarninformationen möglichst rechtzeitig (strategische) Gegensteuerungs-maßnahmen einleiten zu können, bevor die Wirkung der Störgrößen eintritt.

Allerdings basieren auch bei Ex-ante-Kontrollen die Kontrollgrößen auf (bereinigten) Istwer-ten, die in der Praxis häufig dem Betrieblichen Rechnungswesen entnommen werden. So sind etwa mit Hilfe mathematisch-statistischer Verfahren (z.B. Trendberechnungen, Extra-polationen) Prognosen über die zukünftigen Auftragseingänge und damit das Erfolgs-potenzial des Unternehmens möglich, wenn die Auftragseingänge der wichtigsten Kunden über mehrere Monate aufgezeichnet werden. Insofern erscheint es gerechtfertigt, auch im Rahmen der Ex-ante-Kontrollen von einem Soll-Ist-Vergleich zu sprechen. Betriebswirt-schaftliche Kontrollen stellen mithin vergangenheits- oder zukunftsorientierte, permanente Soll-Ist-Vergleiche dar, die fest in innerbetriebliche Arbeitsabläufe integriert sind.

Betriebswirtschaftliche Kontrollen geben den Verantwortlichen wichtige Hinweise über den Grad der Zielerreichung, notwendige Beseitigungsmaßnahmen, den Planungsaufbau und die Budgetierung in den Folgeperioden. Mithin repräsentieren Kontrollen laufende Infor-mationsgewinnungsprozesse, die aus für das künftige Unternehmensgeschehen auszuwer-tenden Vergleichen von Soll- und Istgrößen bestehen.

Die Stufen eines Kontrollablaufes lassen sich wie folgt systematisieren. • Konstatierung der Abweichung durch Gegenüberstellung von Sollgröße (Vergleichs-

größe) und Istgröße (Kontrollgröße) des betreffenden Kontrollobjektes (Soll-Ist-Vergleich).

• Auswahl kontrollbedürftiger Abweichungen. • Analyse der ausgewählten Abweichungen. • Veranlassung von Beseitigungsmaßnahmen zum Zwecke der Erreichung der

Sollausprägung der Kontrollobjekte. • Durchführung von Planungs- bzw. Zieländerungen.

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17 Unter Kostenaspekten stellt sich für die Unternehmensleitung die Frage, ob sämtliche Kontrollobjekte in die Abweichungsanalyse einzubeziehen sind (geschlossener Soll-Ist-Vergleich) oder aber lediglich die durch die Verantwortlichen beeinflussbaren Objekte im Sinne des Responsibility Accounting Gegenstand der Betrachtung sein sollen. Während für die geschlossene Form spricht, dass den Kontrollinstanzen und/oder den Verantwortlichen jederzeit ein Überblick über die gesamte Abweichungsstruktur der entsprechenden Kontroll-objekte gegeben werden kann, besteht der Vorteil des partiellen Soll-Ist-Vergleichs in der schnelleren und kostengünstigeren Durchführung. Allerdings dürfte dieses Argument im Verhältnis zum geschlossenen Vergleich vor dem Hintergrund der Möglichkeit IT-gestützter Abweichungsermittlungen zwischenzeitlich an Gewicht verloren haben.

Von entscheidender Bedeutung ist im Rahmen der Abweichungsanalyse, dass eine ein-deutige Rückführung der Differenzen zwischen Vergleichs- und Kontrollgröße auf bestimmte Einflussgrößen (z.B. Planung, Mangel, Schwäche, Unwirtschaftlichkeit, Fälschung, Mani-pulation) gelingt, so dass für künftige Perioden die Einhaltung der Sollwerte und damit ein optimaler Vollzug der unternehmerischen Abläufe sichergestellt werden kann. Betriebswirt-schaftliche Kontrollen sind folglich dadurch gekennzeichnet, dass sie neben der Ermittlung und Analyse auch auf eine Beseitigung der Abweichungen abzielen. Folglich umfasst der gesamte Kontrollablauf neben dem eigentlichen Soll-Ist-Vergleich auch sämtliche prozess-integrierte Regelungen zur Erreichung der Unternehmensziele.

Ein besonderer Stellenwert kommt im System der Unternehmensüberwachung schließlich Kontrollrechnungen zu, die eine Verarbeitung quantitativer Daten unter Berücksichtigung operational formulierter Ziele vornehmen und somit im Rahmen des Soll-Ist-Vergleichs in der Lage sind, Abweichungen von den Zielerreichungsgraden der einzelnen Kontrollobjekte einflussgrößenbezogen exakt zu messen. Hierdurch werden für die Kontrollträger die not-wendigen Voraussetzungen für eine aussagefähige Abweichungsanalyse und ggf. für die Einleitung von Beseitigungsmaßnahmen der ermittelten Soll-Ist-Differenzen geschaffen. Eine lange Tradition in der BWL hat etwa der Einsatz von operativen Erlös- und/oder Kosten-kontrollrechnungen.

In jüngerer Zeit sind Kontrollrechnungen hingegen darauf ausgerichtet worden, für qualita-tive (Ober-) Ziele, wie etwa Zunahme des Marktwertes des Eigenkapitals, Qualitäts-steigerung, Kundenzuriedenheit, Senkung des Produktionsrisikos oder Steigerung der Mitar-beiterfähigkeiten, Maßgrößen (Kennzahlen) zu finden, mit deren Hilfe ein aussagefähiger, ggf. interdependenter Soll-Ist-Vergleich möglich wird. Das einschlägige anglo-amerikanische Schrifttum spricht in diesem Zusammenhang vom Value Based Performance Measurement. Ausfluss dieser Wertorientierung, ist das Shareholder Value-Konzept, nach dem die zur Verfügung stehenden Mitteleinsätze dergestalt zu planen, zu steuern und zu kontrollieren sind, dass eine Steigerung des Unternehmenswertes, verstanden als Zukunftserfolgswert, erreicht wird.

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18 D. Bedeutung des Controllings im Rahmen der Unternehmensführung

Nach h. M. wird Controlling als Instrument zur Wirkungsverbesserung der Unternehmens-leitung definiert, das Führungshilfe bei der Zielbildung, Planung, Steuerung, Kontrolle, Ko-ordinantion, Information und Kommunikation leisten soll.

Ausgehend von der nordamerikanischen Praxis hat das Controlling in den unterschied-lichsten Ausprägungen Eingang in deutsche Unternehmen gefunden. Allerdings ist die Be-zeichnung Controlling im deutschen Sprachgebrauch irreführend. Aus angloamerikanischer Sicht ist mit Control und Controlling nicht die Unternehmenskontrolle i. e. S. gemeint, die auf eine permanente Abweichungsermittlung, -analyse und -beseitigung abzielt, sondern auf die Lenkung, Steuerung und Regelung sämtlicher Unternehmensaktivitäten durch ein sog. Internal Control System.

Einig sind sich alle betriebswirtschaftlichen Konzepte darin, dass Controlling eine Nähe zur Führung aufweist (etwa im Sinne einer Unterstützung, Verbesserung oder Gestaltung der Unternehmensführung). Dies gilt gleichermaßen sowohl für die Funktion als auch die Insti-tution Controlling. Die Verbindung des Controllings zum Management äußert sich in füh-rungsunterstützenden Aufgaben bei der Zielbildung, Planung, Kontrolle, Koordination und Information. Die Existenz von Controllern als Institution des Controllings hängt zudem eng mit der Dominanz der Koordination durch Pläne im Unternehmen zusammen, bei der eine formalisierte Planung den zentralen Steuerungsmechanismus zur Durchsetzung und Kon-trolle darstellt. Im Ergebnis stellt Controlling einen Bestandteil der internen CG dar, die, wie noch zu zeigen sein wird, mit den anderen Komponenten der CG vernetzt ist (vgl. Abbildung 2).

Wie Abbildung 5 verdeutlicht, setzt sich das Controlling aus einer Vielzahl unterschiedlicher Komponenten zusammen. Hierzu zählen insbesondere die Ziele, die Aufgaben, die Konzep-tionen, das System und die Organisation des Controllings. Unter Controllingzielen versteht man ganz allgemein solche Ziele, die Grundlagen und Ursachen für die Konzeptionierung von Controllingsystemen sind. Die konkreten Handlungsanweisungen sind deshalb aus den Unternehmenszielen (z.B. Existenzsicherung und Unternehmenswertsteigerung) abzuleiten. Somit beziehen sich Controllingsziele überwiegend auf die Sicherung und Erhaltung der Koordinations- und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an die Marktentwicklungen. Wie Abbildung 6 zeigt, dienen sie im Einzelnen der Sicherung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten im Rahmen strategischer Ziel, der Realisierung des Erfolgs im Rahmen operativer Zielsetzungen und der Erhaltung der ständigen Zahlungsbereitschaft und des finanziellen Gleichgewichts im Kontext liquiditätsorientierter Ziele und stimmen folglich mit den allgemeinen Unternehmenszielen überein.

Die Controllingaufgaben umfassen alle Aktivitäten zur Erreichung der gesetzten Controlling-ziele. Die wichtigsten Aufgaben beziehen sich in diesem Zusammenhang auf den zu digitali-sierenden Kommunikations- und Informationsprozess im Rahmen des Management Reporting-Systems (vgl. Abbildung 2). Hierzu gehören insbesondere Aktivitäten wie Informa-tionsbeschaffung, -aufberei-tung, Datenanalysen sowie Beurteilung und Kontrolle von Infor-mationen. Die Controllingkonzeption (oder „Controllingphilosophie“) bezeichnet hingegen den Bezugsrahmen, die die Bedingungen für die konkrete Ausgestaltung in einem z.B. branchen bezogenem Controllingsystem festlegt. Die wichtigste, einer Controllingkon-zeption zugrunde liegende Informationsbasis stellt das Rechnungs- und Finanzwesen dar.

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Abbildung 5: Struktur des Unternehmenscontrollings (entnommen von Reichmann/Kißler/Baumöl 2017, S. 13)

Controllingziele

Controllingaufgaben

Summe der Controlling-aufgaben

= Controllingfunktion

Controlling-Konzeption

Controllingsystem

systembezogeneAufgabenstellung

Instrumente

Informationsverarbeitung

Controlling-institution

Controlling-stellen

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Abb. 6: Unternehmens- und Controllingziele (entnommen von Baum/Coenenberg/Günther: Strategisches Controlling, 5. Aufl., Stuttgart 2013, S. 2-6)

Betriebswirtschaftliche Ziele

Strategische Zielsetzung Operative Zielsetzung Finanzwirtschaftliche

Zielsetzung

Erfolgspotential Erfolg Liquidität

Strat. Erfolgseinflussgrößen Erfolgskomponenten Zahlungskomponenten

Unternehmens - bezogene

Umwelt - bezogene

Aufwendungen/ Kosten

Erträge/ Leistungen

Einnahmen/ Einzahlungen

Ausgaben/ Auszahlungen

Maßnahmen zur Sicherung nachhaltiger Wettbewerbs -

vorteile

Maßnahmen zur Sicherung von Erfolgen

Maßnahmen zur Erhaltung der ständigen Zahlungs -

bereitschaft und des finan - ziellen Gleichgewichts

Betriebswirtschaftliche Ziele

Strategische Zielsetzung Operative Zielsetzung Finanzwirtschaftliche

Zielsetzung

Erfolgspotential Erfolg Liquidität

Strat. Erfolgseinflussgrößen Erfolgskomponenten Zahlungskomponenten

Unternehmens - bezogene

Umwelt - bezogene

Aufwendungen/ Kosten

Erträge/ Leistungen

Einnahmen/ Einzahlungen

Ausgaben/ Auszahlungen

Maßnahmen zur Sicherung nachhaltiger Wettbewerbs -

vorteile

Maßnahmen zur Sicherung von Erfolgen

Maßnahmen zur Erhaltung der ständigen Zahlungs -

bereitschaft und des finan - ziellen Gleichgewichts

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21 Unter den Begriff Controllinginstrumente fallen sämtliche methodischen und sachlichen Maß-nahmen, die zur Erfüllung der Controllingaufgaben zum Einsatz kommen (z.B. die flexible Plankostenrechnung zur Durchführung operativer Unternehmenskontrollen oder Portfolio-analysen zur Bestimmung von Marktanteils- und Marktwachstumsstrategien). Im Kern ist das Controllingsystem auf die zielgerichtete, koordinierte und IT-gestützte Verarbeitung von Informationen ausgerichtet, die sowohl aus dem internen als auch dem externen Unternehmens-bereich stammen. Aufbau- und ablauforganisatorische Regelungen des Controllings betreffen Fragen nach der Controllinginstitution (z.B. Ausgestaltung als zentrale Stabsstelle, die dem Finanz-vorstand disziplinarisch und fachlich untergeordnet ist) oder einzelne Controllingstellen, die funktionsorientiert ausgerichtet oder in die Linie eingebunden sind (z.B. Beschaffungs-, Produk-tions- und Vertriebscontrolling).

Die Frage, ob Controlling als Stabsstelle ausgestaltet oder aber in die (strategische) Linie einge-bunden werden soll, wird in Wissenschaft und Praxis kontrovers diskutiert. Als Stabsstelle besäße das Controlling eine reine Beratungsfunktion, die als Führungshilfe für das Management zu verste-hen wäre. Im Rahmen einer Linienorganisation ist der Grundsatz der Einheit von Anweisung und Verantwortung. Folglich greift das Controlling in diesem Fall durch seine unmittelbare Anweisungs-kompetenz direkt in die Leistungsabläufe von der Beschaffung über die Produktion bis zum Vertrieb ein. Hierdurch wird das Controlling in die Lage versetzt, seine Planungs-, Steuerungs-, Kontroll- Koordinations- und Informationsaufgaben in enger Verbindung zu den unternehmeri-schen Funktionen und Prozessen auszuüben. Sofern im Rahmen der Organisation auf funktionelle oder prozessorientierte Linien abgestellt wird, entsteht dann sog. „Bindestrich-Controlling-Konzept“ (z.B. Beschaffungs-, Produktions-, Vertriebs- oder Logistik-Controlling).

Hohe Anforderungen sind darüber hinaus an die Organisation des Konzern-Controllings zu stellen. Unter Controllingaspekten ist ein Konzern als ein Unternehmenszusammenschluss zu verstehen, in dem die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen von der überg-ordneten Konzernlei-tung etwa in Gestalt des Vorstands der Muttergesellschaft getroffen werden. Hierdurch wird die Entscheidungsfreiheit des Managements der Tochtergesellschaften zumindest teilweise einge-schränkt. Das Konzern-Controlling übernimmt innerhalb des Konzerns insbesondere die Verant-wortung für die Lösung von Steuerungs-, Koordinations- und Informationsproblemen bei der Planung und Durchsetzung von Entscheidungen der Konzernleitung (z.B. die Sicherung der jeder-zeitigen Zahlungsfähigkeit aller Konzernunternehmen im Rahmen des Cash-Managements).

Innerhalb des Konzerns kommt der Frage nach einer zentralen oder dezentralen Organisation des Controllings eine herausragende Bedeutung zu. Das Konzept eines dezentralen Konzern-Controllings wird einerseits durch eine weitgehende Aufspaltung des Konzerns in arbeitsteilige Subsysteme und andererseits aufgrund eines durch zunehmende Internationalisierung erhöhten geographischen Steuerungsbedarfs der Konzerneinheiten geprägt. Bei einem zentralen Konzern-Controlling stehen insbesondere Informations-, Rationalisierungs- und Kostenvorteile (z. B. durch Vereinheitlichung und Abstimmung von Arbeitsprozessen) im Vordergrund der Überlegungen. Bezüglich internationaler Konzerne empfiehlt sich deshalb zur weltweiten Steuerung der Wertschöpfungsaktivitäten die Einrichtung eines zentralen Konzern-Controllings, das bei der Muttergesellschaft einzurichten wäre, und der Aufbau dezentraler Controllingstellen in den Tochtergesellschaften oder Sparten des Konzerns.

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22 IV. Unternehmensüberwachung A. Stellung der Überwachungslehre im Kontext der Betriebswirtschaftslehre

Die folgenden Betrachtungen müssen unter Berücksichtigung der Betriebswirtschaftslehre, verstanden als praktisch-normative, d.h. angewandte Wissenschaft vorgenommen werden. Durch den Zusatz „praktisch“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sie einen Beitrag zur Bewältigung von Problemen in der betriebswirtschaftlichen Realität leisten will und nicht als kontemplative Disziplin (sog. „Kunstlehre“) methodologisch einzuordnen ist. Normativen Charakter trägt diese Richtung, da der Wissenschaftler aus einer vorgegebenen Norm (Ziel) geeignete Handlungsalternativen zu ihrer Realisation ableitet. In diesem Kontext steht die Frage im Mittelpunkt, wie aus der Menge der möglichen Alternativen (Instrumente) diejenige herausgefunden werden kann, die im Hinblick auf das gesetzte Ziel am vorteilhaftesten ist.

Bezüglich der Alternativensuche unterstellt die traditionelle Richtung der praktisch-normativen Betriebswirtschaftslehre Rationalität (Vernunft) bei der Auswahl der zur bestmöglichen Zieler-füllung führenden Handlungen (z.B. Erreichung der Ziele Existenzsicherung und Unternehmens-wertsteigerung).

Allerdings werden zunehmend anstelle des Rationalitätsprinzips zunehmend auch empirisch begründete Verhaltenshypothesen, die nicht rational zu sein brauchen, in der entscheidungs-orientierten Betriebswirtschaftslehre berücksichtigt. Auf diesem Wege wird es möglich, empirisch feststellbare Phänomene mit in Entscheidungsmodelle einzubauen. Somit werden nicht mehr Ziele (Normen) vorgegeben und dann verlangt, dass die Praxis sich nach diesen Zielen verhalten müsse, sondern erst nach Beobachtung der Praxis werden allgemeine Entscheidungsmodelle entworfen (z. B. ist im Kontext der empirischen Bilanzforschung beobachtet worden, dass managerkontrollierte Unternehmen ihre Jahresgewinne periodenübergreifend glätten; es liegt deshalb nahe, diese Gewinnglättungshypothese in bilanzpolitische Entscheidungsmodelle zu integrieren).

Um das Erreichen der angestrebten Unternehmensziele auf allen Ebenen sicherzustellen, bedarf es der Installierung vernetzter Überwachungssysteme. Die Strukturen derartiger Systeme können als interne Überwachungssysteme von den Unternehmen selbst gestaltet oder aber als externe Überwachungssysteme vom Gesetzgeber oder Institutionen hoher Autorität vorgegeben werden. Die Aufgabe der betriebswirtschaftlichen Überwachungstheorie besteht in diesem Zusammenhang zunächst darin, den Führungsinstanzen geeignete Entscheidungsregeln und Entscheidungswerte zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe der Zielerreichungsgrad umfassend und permanent überwacht werden kann.

Darüber hinaus hat die Überwachungslehre zu analysieren, inwieweit die normierten externen Überwachungsvorschriften in der Lage sind, den Interessen der Stakeholder von Unternehmen (z. B. Aktionäre, Gläubiger, Investoren, Schuldner, Management), des Gesetzgebers oder Insti-tutionen hoher Autorität Rechnung zu tragen und wie u. U. die Überwachungsvorschriften geändert werden müssten, um die Ziele der genannten Gruppen zu verwirklichen.

Im Rahmen der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre kommt der Überwachungs-theorie, wie auch anderen Theorien in diesem Wissenschaftsgebäude (z. B. Investitions-, Finanzierungs-, Organisations-, Kosten-, Steuer- oder Bilanztheorie), mithin eine Erklärungs- und Gestaltungsfunktion zu. Hierdurch soll eine Verbesserung der im Rahmen von betriebswirtschaft-lichen Überwachungen zu treffenden Entscheidungen erreicht werden, um die gesetzten

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23 Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen. Folglich stellt die unternehmerische Überwachung ein Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre dar.

Bevor die Gestaltungsfunktion der Überwachungstheorie analysiert werden kann, bedarf es der Erörterung der Erklärungsfunktion, die systembezogene betriebswirtschaftliche Fragestellungen im Überwachungswesen untersucht (z. B.: Welchen Einfluss hat die Existenz eines unternehmeri-schen Überwachungssystems auf den Erreichungsgrad bestimmter Unternehmensziele?). Die Gestaltungsfunktion will hingegen Verhaltensempfehlungen nach dem Verständnis einer ange-wandten Wissenschaft geben (z. B.: Wie ist das unternehmerische Überwachungssystem auszugestalten, um bestimmte Unternehmensziele bestmöglich zu erreichen?).

Der Terminus Überwachung wird in der Betriebswirtschaftslehre als Oberbegriff für sämtliche unternehmensbezogenen Überwachungsaktivitäten verwendet. Unternehmerische Überwachung lässt sich ganz allgemein als Durchführung eines Vergleichs zwischen einem vorgefundenen Sachverhalt [(Ist-) Überwachungsobjekt] und einer vorgegebenen anderen Größe, die als Maßstab zur Beurteilung des Istzustandes herangezogen wird [(Soll-) Vergleichsobjekt], definieren. Die Funktion jeder unternehmerischen Überwachung besteht in der Ermittlung und Analyse von Abweichungen zwischen Ist- und Soll-Objekten, um Informationen für ggf. erforderliche Steue-rungsmaßnahmen zum Zwecke der Zielrealisation und/oder für ggf. vorzunehmende Adap-tionsdispositionen bezüglich der Planung zu erhalten. Abbildung 7 zeigt zusammenfassend unter Einbeziehung der Überwachung den Weg der Zielsetzung bis zur Zielerreichung.

Die aus den allgemeinen Sach-, Formal- und Sozialzielen des unternehmerischen Zielsystems abgeleiteten Vorgaben werden im Rahmen des Planungsprozesses konkretisiert. Mithin kann Planung als geordneter, informationsverarbeitender Prozess zur Erstellung eines Entwurfs verstanden werden, der für einen bestimmten Zeitraum (Planungshorizont) Vorgaben zum Zwecke der Zielerreichung auf allen Unternehmensebenen vorausschauend festlegt. Die sich anschließende Steuerung beinhaltet die detaillierte Festlegung und Veranlassung der Durch-setzung von Entscheidungsergebnissen, die der Planungsprozess hervorgebracht hat. Mit dem Begriff Regelung werden alle aus dem Prozess der Unternehmensüberwachung resultierenden Aktivitäten bezeichnet, die auf Ziel- bzw. Planungsanpassungen und/oder Beeinflussungen des Entscheidungsvollzuges im Kontext der Steuerung ausgerichtet sind. Dieser Rückkoppelungs-prozess ist in Abbildung 7 durch eine gestrichelte Linie gekennzeichnet.

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Abb. 7: Ablauf eines Planungs-, Steuerungs- und Überwachungsprozesses

(modifiziert entnommen von Wild 1982, S. 37)

Zielbildung

Problemerkenntnis und Formulierung

mögliche Alternativen Bewertung

der gefundenenAlternative

Planungs- und Entscheidungsrechnung

Planung

Prognose

Entscheidungsfindung

Budgetierung

Durchsetzung = Steuerung

Entscheidungsvollzug(Realisation)

Vergleich(Überwachung)

Abweichungsanalyse(Abweichungen werdenauf Ursachen untersucht)

(Soll-)Vergleichsobjekte

(Ist-)Überwachungsobjekte

Regelung

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25 B. Bedeutung der Principal-Agent-Theorie

Während die historischen kybernetischen Erklärungsmodelle (vgl. hierzu die Vorlesung Controlling und Interne Revision)) darauf ausgerichtet waren, theoretische Strukturen von Überwachungs-modellen herauszuarbeiten, die in der betriebswirtschaftlichen Realität anzutreffen sind, zielt die Principal-Agent-Theorie unter Berücksichtigung des Spannungsfeldes zwischen Eigenkapitalgeber (Principal) und geschäftsführendem Manager (Agent) u. a. darauf ab, die Installation von Über-wachungssystemen zu begründen. Erkenntnisobjekt der Principal-Agent-Theorie ist eine vertrag-liche Auftraggeber-/Auftragnehmer-Beziehung, d. h. dem Agenten wird vom Principal die Aus-führung einer bestimmten Aufgabe übertragen. Kennzeichnend für das Principal-Agent-Verhältnis sind zum einen eine asymmetrische Informa-tionsverteilung zugunsten des Agenten und zum anderen ein Interessenkonflikt zwischen den Parteien. Da der Agent einen bestimmten Handlungsspielraum hat, besteht die Gefahr, dass dieser seinen Freiraum zu opportunistischem Verhalten (Moral Hazard) missbraucht. Sogenannte „Hidden-Action“-Problems, die dem Umstand entspringen, dass es dem Principal unmöglich ist, das Anstrengungsniveau des Agenten zu beurteilen, resultieren aus Informationsasymmetrien zwischen den Vertragsparteien. Dies zeigt sich u. a. im Verhältnis von Eigenkapitalgeber und Manager, der sich durch opportunistisches Verhalten für die eigene Vermehrung von „Fringe Benefits“ (z. B. in Gestalt der persönlichen Einkommensmaximierung) zu Lasten der Anteilseigner interessieren wird. Informationsasymmetrien können sich aber auch auf andere Parameter, wie z. B. die Berichterstattung des Managers, beziehen. Dieses Phänomen der „Hidden-Informations“ tritt immer dann auf, wenn das Management Informationen lediglich in seinem Sinne selektiert und manipuliert an die Eigenkapitalgeber weiterleitet, um etwa dolose Handlungen oder seinen geringen Arbeitseinsatz zu verschleiern. Der aufgezeigten Problematik kann der Principal in Gestalt des Eigenkapitalgebers auf zweierlei Arten begegnen: Zum einen, indem er in die Verträge mit den Agenten Anreizmechanismen wie z. B. erfolgsabhängige Vergütungssysteme einbaut, wodurch das Management angehalten werden soll, der Erwartungshaltung der Eigenkapitalgeber im Sinne einer Unternehmenswertsteigerung zu entsprechen (Bonding). Zum anderen kann der Principal ein System zur Überwachung des Agenten installieren, um Manager dadurch anzuhalten, im Interesse der Eigentümer zu handeln (Monitoring). Neben Hidden Actions und Hidden Informations kann sich der Informationsvorteil des Agenten gegenüber dem Principal auch auf Hidden Characteristics beziehen. Hierunter wird eine vorver-tragliche Unsicherheit der Eigenkapitalgeber über die Qualität der Ausbildung und der Erfahrung des zu bestellenden Managers verstanden. Diesem Risiko können die Eigenkapitalgeber etwa durch genaue Analysen der persönlichen Eignung und der Fähigkeiten des potenziellen Manage-ments begegnen (Screening). Allerdings sollten Manager mit einem vergleichsweise hohen Qualitätsniveau daran interessiert sein, ihre Vorzüge gegenüber den Eigenkapitalgebern glaubhaft offenzulegen (Signalling). Die einfache Principal-Agent-Theorie ist sodann um die Perspektive des Supervisors, der etwa in Gestalt des Aufsichtsrats oder des Wirtschaftsprüfers auftritt, erweitert worden (vgl. Abbildung 8). Da auch in diesen Fällen vertragliche Auftraggeber-/Auftragnehmer-Beziehungen zwischen Principal und Agent vorliegen, tritt grundsätzlich die gleiche Problematik auf, die aus dem Span-nungsverhältnis zwischen Eigenkapitalgeber und Management resultiert. Abbildung 8 verdeutlicht die Agency-Beziehungen zwischen Aktionären, Vorstand, Aufsichtsrat und (Konzern-) Abschluss-

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26 prüfer. Die Integration etwa des (Konzern-) Abschlussprüfers in dieses doppelstufige Principal-Modell erfolgt dergestalt, dass seine Prüfungsleistung als eine von den Aktionären delegierte Monitoring-Maßnahme aufgefasst wird. In diesem Ansatz spielen neben Hidden Characteristics, Information, Action auch Hidden Transfers eine bedeutende Rolle, die auf vom Abschlussprüfer. Die Integration etwa des (Konzern-) Abschlussprüfers in dieses doppelstufige Principal-Modell erfolgt dergestalt, dass seine Prüfungsleistung als eine von den Aktionären delegierte Monitoring-Maßnahme aufgefasst wird. In diesem Ansatz spielen neben Hidden Characteristics, Information, Action auch Hidden Transfers eine bedeutende Rolle, die auf vom Principal nicht beobachtbare Koalitionen und Transfers zwischen den Agenten beruhen und von diesen zu opportunistischem Verhalten genutzt werden können. Lösungsansätze sind auch hier Bonding und (Self-)Monitoring. Als Beispiel kann z. B. eine Koalitionsbildung von Abschlussprüfer und Vorstand genannt werden, um Bilanzfälschungen des Vorstands nicht aufzudecken, die auf einer Erhöhung der Bemes-sungsgrundlagen für seine Tantiemen (z. B. Jahresüberschuss) ausgerichtet sind. Als Moni-toringmaßnahme kommt hier z. B. das Enforcement in Gestalt der deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung in Betracht.

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Abb. 8: Das doppelstöckige Principal-Agent-Modell im dualistischen System der Unternehmensverfassung

P

PP

Del

egat

ion

der

Unt

erne

hmen

sfüh

rung

(Konzern-)A

bschlusses

Delegation der Prüfung

des

Del

egat

ion

der

Inte

rnen

Übe

rwac

hu

ng

Interne Überwachung

im Auftragder Aktionäre

Erteilung des

Prüfungs-auftrags

A A A

PP A

Aufsichtsrat (Konzern-)Abschlussprüfer

Vorstand

Aktionäre

A

P = PrincipalA = Agent

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28 C. Analyse des Überwachungsbegriffs

Wie bereits erwähnt wurde, stellt der Terminus Überwachung den Oberbegriff für sämtliche unternehmensbezogenen Überwachungsaktivitäten dar. Die im Folgenden vorzunehmenden Be-trachtungen machen es unerlässlich, zunächst eine präzise Fassung des Überwachungsbegriffs mit einer Abgrenzung zu den konkurrierenden Termini Prüfung, Revision, Kontrolle und Aufsicht vorzunehmen, da mit einer derartigen Analyse zugleich die Frage beantwortet wird, welche empirischen Phänomene in die folgenden theoretischen Analysen einzubeziehen sind und welche nicht.

Mit dem Terminus Prüfung oder Revision wird ein Informationsbeschaffungs- und Informations-verarbeitungsprozess bezeichnet, dem die Funktion zukommt, durch einen Soll-Ist-Vergleich die Normkonformität eines Prüfungs-(Revisions-)objektes festzustellen und ein Urteil darüber abzu-geben. Die vorstehende Definition wird durch die Abbildung 9 konkretisiert. Der Prüfungsbegriff wird mithin von fünf Elementen bestimmt:

• Prüfungsorgan bzw. Prüfungsinstanz (z. B. Wirtschaftsprüfer oder Interne Revision). • Prüfungsobjekt als Gegenstand der Prüfung (z. B. handelsrechtlicher Jahresabschluss oder

Internes Kontrollsystem). • Ein System von Soll-Größen oder Normen als Maßstab bzw. Vergleichsgrößen für die

Prüfung (z. B. gesetzliche Rechnungslegungsvorschriften oder vorgegebene Sollkosten). • Eine Menge von Messregeln zur Beschaffung von Informationen über den Ist-Zustand des

Prüfungsobjektes mithilfe eines konventionalisierten Ab-bildungsmodells (z.B. Messung des Erfolges mit Hilfe des Systems der doppelten Buchhaltung oder Mes-sung der Istkosten durch ein Istkostenrechnungssystem)

• Eine Menge von Transformationsregeln zur Umwandlung ermittelter Soll-Ist-Abweichungen in ein Gesamturteil über den Grad der Soll-Entsprechung des Prüfungsobjektes (z. B. Formulierung eines Testats über die Normentsprechung von Jahresabschluss und Lage-bericht oder eines Prüfungsergebnisses über die Zweckmäßigkeit des Internen Kontroll-systems im Einkaufsbereich).

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Abb. 9: Elemente des Prüfungsbegriffs

Prüfungsorgan Prüfungsobjekt

Soll-Größen

Ist-Größen

(1)

(4)

(2)

(5)

(3)

Prüfungsorgan Prüfungsobjekt

Soll-Größen

Ist-Größen

(1)

(4)

(2)

(5)

(3)

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30 Nachdem der Prüfer das Prüfungsobjekt festgelegt hat, muss er, wie Abbildung 10 zeigt, mindes-tens fünf Teilprozesse durchführen.

• Die Fixierung des Soll-Objekts:

Der Prüfer muss sich darüber klar werden, welche (gesetzlichen) Normen für die entsprechende Prüfung relevant sind. Dabei braucht das Soll-Objekt keinen bestimmten Wert anzunehmen, sondern kann, wie etwa bei den handels- und steuerrechtlichen sowie internationalen Bewer-tungsfragen, auch durch eine Bandbreite mit Ober- und Untergrenze festgelegt werden (z. B. die Berechnung der Herstellungskosten nach § 255 Abs. 2 HGB).

• Die Fixierung des Ist-Objekts:

Hier ist darauf zu achten, dass das Ist-Objekt dem Soll-Objekt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht entspricht [so würde etwa ein nicht adäquater Vergleich bei einer Gegenübe-rstellung von Istkosten (bei Ist-Beschäftigung) und Plankosten (bei Plan-Beschäftigung) vorliegen].

• Die Ermittlung von Abweichungen zwischen gewünschtem und tatsächlichem Zustand des Prüfungsobjektes.

• Die Bildung eines Urteils über den Grad der Abweichungen. • Die Abgabe eines Prüfungsurteils. • Ohne die Abgabe eines Prüfungsurteils läuft der gesamte Revisionsprozess leer. Hierdurch

wird die Prüfung abgeschlossen und die Möglichkeit geschaffen, Korrekturaktivitäten einzuleiten.

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Abb. 10: Prozesse des Prüfungsablaufs

Soll Ist

Vergleich

Soll = Ist Soll ¹ Ist

Urteilsbildung

Urteilsabgabe

Soll Ist

Vergleich

Soll = Ist Soll ¹ Ist

Urteilsbildung

Urteilsabgabe

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Im Rahmen der grundlegenden Definition des Prüfungsbegriffs werden weiterhin Abgrenzungen zwischen Prüfung und Kontrolle erforderlich, wobei aber beide Termini dem Oberbegriff „Überwachung“ zu subsumieren sind. Im Folgenden soll der Frage nach-gegangen werden, wie sich die Begriffe Prüfung und Kontrolle grundsätzlich unterscheiden. Zu diesem Zwecke soll auf zeitliche, organisatorische, informations-technologische und funktionale Differenzierungskriterien zurückgegriffen werden.

• Zeitliche Differenzierung:

Hierunter ist zum einen die Abgrenzung zwischen vergangenheitsorientierter Prüfung und gegenwartsbezogener Kontrolle zu verstehen. Zum anderen wird hierdurch auch die Häufigkeit des Soll-Ist-Vergleichs angesprochen (so erfolgt die Prüfung z.B. periodisch einmalig, während die Kontrolle permanent vorgenommen wird).

• Organisatorische Differenzierung:

Hier steht die Frage nach der sog. „Prozessabhängigkeit“ im Vordergrund, d. h., ob die Prüfungsorgane an der Erstellung des Prüfungsobjektes mitbeteiligt waren (so wirkt etwa der Controller sowohl an der Planung als auch an der Kontrolle bestimmter betrieblicher Abläufe mit, während der in- und externe Revisor das Prüfungsobjekt grundsätzlich nicht mitgestaltet). Ferner kann nach Unternehmenszugehörigkeit der Prüfungsorgane (z. B. interner Revisor und externer Wirtschaftsprüfer) unterschieden werden.

• Informationstechnologische Differenzierung:

In diesem Kontext ist zu klären, ob die Überwachungsprozesse unter IT-Stützung vorgenommen werden oder durch geistige Arbeitwiederholung erfolgen. Obwohl durch die Entwicklung von Prüfungssoftware, Expertensystemen und Digitali-sierungen auch im Rahmen der externen Prüfung zunehmend auf IT-gestützte Lösungen zurückgegriffen wird, findet sich das Haupteinsatzgebiet für informa-tionstechnologische, permanente Überwachungen im innerbetrieblichen Bereich (z. B. in der Organisation des Internen Kontrollsystems).

• Funktionelle Differenzierung:

Wie schon bei der grundlegenden Analyse des Prüfungsbegriffs erwähnt wurde, kommt Überwachungen die Funktion zu, Informationen über Soll-Ist-Abweichungen zur Verfügung zu stellen, die die Einleitung von Korrekturmaßnahmen in Richtung auf den Soll-Zustand des Prüfungsobjekts ermöglichen. Die angesprochene Informationsfunktion verdeutlicht den Mittelcharakter von Überwachungen. Das Überwachungsziel ist aber eindeutig auf die Beseitigung der festgestellten Soll-Ist-Abweichungen und die Herstellung (bzw. Regelung) eines normgerechten oder planmäßigen Verhaltens des jeweiligen Prüfungsobjekts ausgerichtet. Diese auf der Informationsfunktion aufbauende Beseitigungsfunktion des Überwachungsbegriffs wird aber nach traditioneller Auffassung nicht mehr als Prüfung (= Soll-Ist-Vergleich mit anschließen-der Urteilsabgabe) verstanden. So hat z. B. der Abschluss-prüfer lediglich eine Konstatierungs- und Informationsfunktion. Er kann in seinem Prüfungs-bericht und seinem Testat Soll-Ist-Abweichungen nennen. Eine Beseitigung der ermittelten Abweichungen darf der Abschlussprüfer hingegen nicht vornehmen. Somit liegt der funktionelle Schwerpunkt der Prüfung in einem Feststellen und Mitteilen von Fehlern,

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während bei der Kontrolle neben der Fehleraufdeckung die Fehlerkorrektur und die Systemregelung im Vordergrund stehen.

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Kriterien können nunmehr zwei Defini-tionen erfolgen. So stellen Prüfungen vergangenheitsorientierte, einmalige Soll-Ist-Verglei-che dar, die nicht in innerbetriebliche Arbeitsabläufe integriert sind. Sie werden von prozessunabhängigen Überwachungsorganen durchgeführt und bedeuten für diese geistige Arbeit, soweit die Überwachungsvorgänge grundsätzlich nicht IT-gestützt organisiert werden können und/oder dürfen. Kontrollen sind hingegen als gegenwartsorientierte, permanente Soll-Ist-Vergleiche zu umschreiben, die in innerbetriebliche Arbeitsabläufe fest integriert sind. Sie werden von prozessabhängigen Überwachungsorganen durchgeführt, wobei aus Wirtschaftlichkeitsgründen zunehmend auf Digitalisierungslösungen zurück gegriffen wird.

Prüfungen und Kontrollen haben schließlich beide prophylaktische Wirkungen. Durch die Existenz dieser beiden Überwachungsarten und die hiermit installierten Systeme werden die für die Prüf- bzw. Kontrollobjekte Verantwortlichen in Kenntnis bevorstehender Prüfungen bzw. Kontrollen bestrebt sein, allzu große Abweichungen vom vorgegebenen Soll zu vermeiden.

Schließlich bedarf es einer Klärung des Terminus der Aufsicht, der ebenfalls eine über-wachende Tätigkeit durch Institutionen umschreibt, die nicht in das tägliche Geschehen integriert sind, und nur im weiteren Sinne zur Organisation gehören. Ebenso wie der Prüfungsbegriff ist die (Unternehmens-)Aufsicht prozessunabhängig geprägt, wobei der letztgenannte Terminus häufig Verwendung findet bei juristischen Kennzeichnungen staatlicher oder hoheitlicher Funktionen [z. B. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-aufsicht (BaFin)].

Abbildung 11 fasst die Abgrenzungskriterien der Termini Kontrolle, Prüfung (Revision) und Aufsicht, den dem Oberbegriff der Überwachung zu subsumieren sind, zusammen.

Im Ergebnis lassen sich aus der vorstehenden Begriffsanalyse folgende Überwachungs-funktionen ableiten. Die (Unternehmens-) Überwachung

• ermöglicht eine Beurteilung der Unternehmensleitung (d. h. Reduzierung von Agency-Informationsasymmetrien),

• ermittelt Informationen über Zustände und Vorgänge im Unternehmen, • stellt Abweichungen im Unternehmensprozess fest und ermöglicht damit eine

zielgerichtete Unternehmenssteuerung, • beeinflusst präventiv das Verhalten der Überwachten und • sichert das Unternehmensvermögen.

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Kontrolle

Prüfung (Revision)

Aufsicht

Wann findet die Überwachung statt?

Parallel zum Arbeitsvorgang, teilweise dem Arbeitsvorgang vor- oder nachgelagert (permanent)

Nach Abschluss des Arbeitsvorganges und nach der Kontrolle, in Ausnahmefällen parallel dazu (nachträglich)

Gemäß gesetzlichen Bestimmungen, teilweise nach Ermessen der Aufsichtsinstanzen (nachträglich)

Wie oft wird überwacht?

Es findet eine permanente Kontrolle statt, welche durch aperiodische und einmalige Kontrollen ergänzt wird

Die Prüfungen erfolgen meist periodisch, teilweise auch aperiodisch oder einmalig

Die Aufsicht erfolgt meist periodisch, häufig im Einjahresrhythmus

Welche Stellung hat der Überwachende inne?

Der Überwachende ist am Arbeitsvorgang beteiligt (prozessabhängig)

Der Überwachende ist am Arbeitsvorgang nicht beteiligt (prozessunabhängig)

Der Überwachende ist am Arbeitsvorgang nicht beteiligt (prozessunabhängig)

Wie nimmt der Überwachende auf das Verhalten des Ausführenden Einfluss?

Durch Weisung, Motivation oder Sanktionsmaßnahmen

Durch Mitteilung der Prüfungsergebnisse an die: - Unternehmens- führung - Eigentümer- versammlung - Aufsichtsinstanzen - Kapitalmarktteilnehmer

Durch Weisungen an die Unternehmensführung, nötigenfalls durch Sanktionsmaßnahmen

An welchen Normen wird das Verhalten der zu Überwachenden gemessen?

An den Zielvorgaben und Weisungen der Unternehmensleitung oder der direkten Vorgesetzten

An den gesetzlichen Bestimmungen sowie an im Einzelfall zu konkretisierende Normen

An den gesetzlichen Bestimmungen, an den für den Einzelfall erlassenen Weisungen und an Wertvorstellungen

Beispiele Aufbau- und Ablauforganisation des Internen Kontroll-systems (IKS); Fach- und Linien-vorgesetzte aller Stufen; Controlling

Interne Revision, handelsrechtlicher Abschlussprüfer

Aufsichtsrat, Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-sicht (BaFin)

Abb. 11: Kriterien zur Abgrenzung der Begriffe Kontrolle, Prüfung (Revision) und Aufsicht (modifiziert entnommen von Jud, Die Überwachung der Unternehmen durch deren Organe unter Berücksichtigung der Verhältnisse in den USA und in Deutschland, Zürich 1996, S. 17.)

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Häufig wird häufig der Begriff der (Unternehmens-)Überwachung mit dem Terminus Corporate Governance gleichgesetzt, obwohl eine klare Definition des letztgenannten Terminus bisher nicht vorliegt. Übersetzt wird der Begriff „Corporate Governance“ häufig mit „angemessener Unternehmensorganisation“, „Beherrschung“, „Überwachung der Kapitalgesellschaft“ oder „Führung, Verwaltung und Überwachung von Unternehmen“.

Im Kern umfasst die Corporate Governance-Diskussion die Rechte, Aufgaben und Ver-antwortlichkeiten der gesellschaftsrechtlichen Organe (Geschäftsführung, Vorstand, Auf-sichtsrat), der Anteilseigner, der Mitarbeiter und darüber hinaus der übrigen Interes-sengruppen (Stakeholder), also derjenigen, die von der Leistung und vom Erfolg eines Unter-nehmens profitieren oder durch dessen Misserfolg Verluste erleiden und zielt unter Berück-sichtigung dieser Rahmenbedingungen darüber hinaus darauf ab, Lösungen zu entwickeln, wie Unternehmen effizienter geführt, verwaltet und überwacht werden können. Diese Umschreibung des Begriffsinhalts verdeutlicht, dass die vom Terminus (Unternehmens-)Überwachung abgedeckten Aufgaben lediglich einen Teil des Corporate Governance-Konzeptes darstellen.

D. Überwachungssysteme

1. Allgemeine Strukturierung

Wie dargelegt, repräsentieren Revision, Kontrolle und Aufsicht Unterbegriffe des Terminus Überwachung (vgl. Abbildung 11). Allerdings unterscheiden sich die beiden Begriffe nicht nur hinsichtlich des Kriteriums „Abhängigkeit vom Überwachungsobjekt“, sondern auch bezüglich des Zeitpunkts der Überwachungshandlungen. Während sich die Revision (Prü-fung) in regel- oder unregelmäßigen Abständen auf die nachträgliche Überwachung bereits abgeschlossener Tatbestände bezieht, werden unter Kontrollen permanente Überwa-chungsvorgänge verstanden, die oft noch nicht beendete betriebliche Prozesse (Unterneh-menssteuerung) betreffen.

Wie bereits in der Vorlesung Controlling und Interne Revision im Einzelnen dargelegt wurde, gehören interne Überwachungen, die sich auf die Wirkungsweise der unternehmerischen Kontrollen beziehen, zu den Aufgaben der Internen Revision (z.B. Untersuchung der Effizienz von Abweichungsanalysen im Rahmen von Kostenkontrollrechnungen). Somit setzt sich das interne Überwachungssystem eines Unternehmens aus der prozessunabhängigen Internen Revision und der Summe aller prozessabhängigen, permanenten Kontrollen (Internes Kontrollsystem = IKS) zusammen. Bezieht man noch die externe Revision mit in die Betrachtung ein, so lässt sich das gesamte unternehmerische Überwachungssystem wie in Abbildung 12 gezeigt strukturieren, wobei der Aufsichtsrat nach dem dualistischen System der Unternehmensüberwachung als weiteres internes Überwachungsorgan mit in die Synopse aufgenommen wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Termini Revision und Prüfung häufig synonym verwendet werden, wobei Wortschöpfungen mit dem Begriff Prüfung (z.B. Abschluss-, Kreditwürdigkeits-, Geschäftsführungs- und Unterschlagungs-prüfung) in der Praxis gebräuchlicher sind.

Neben die externe Revision, die sich primär auf die gesetzliche Pflichtprüfung von (Konzern-) Jahresabschluss und (Konzern-)Lagebericht durch den Abschlussprüfer nach § 316 bis § 324a HGB bezieht, ist seit dem Jahre 2005 das sog. zweistufige Enforcementsystem i. e. S. nach § 342 bis § 342e HGB in Kraft getreten. In der ersten Stufe prüft die Deutsche Prüfstelle für

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Abb. 12: Bestandteile des unternehmerischen Überwachungssystems

Unternehmerisches ÜberwachungssystemUnternehmerisches Überwachungssystem

Internes Kontrollsystem(IKS)

Internes Kontrollsystem(IKS)

Revision (Prüfung)Revision (Prüfung)AufsichtsratAufsichtsrat

Investitions- undFinanzierungskontrollen

Organisatorische Sicherungsmaßnahmen

Liquiditätskontrollen

Qualitätskontrollen

buchhalterische Kontrollen

z.B.

Kosten- und Leistungskontrollen

Interne Revision

EnforcementsystemEnforcementsystem

Externe Revision

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Rechnungslegung DPR e. V. (DPR) stichprobenartig und bei Verdacht, ob der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und Lagebericht bzw. der zuletzt gebilligte Konzernabschluss und Konzern-lagebericht sowie der zuletzt veröffentlichte verkürzte Abschluss und der zugehörige Zwischen-lagebericht von Unternehmen, die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG die BRD als Herkunftsland haben, den gesetzlichen Rechnungslegungsnormen ent-sprechen (§ 342b Abs. 2 HGB). Sofern ein Unternehmen die Mitwirkung an der Prüfung verweigert, mit den Prüfungsergebnissen nicht einverstanden ist oder an der Richtigkeit der Prüfungsergebnisse zweifelt, nimmt die BaFin auf der zweiten Stufe als Aufsichtsbehörde die in Rede stehenden Prüfungshandlungen alleine wahr (§ 108 Abs. 1 WpHG).

Darüber hinaus weisen spezifische Wirtschaftszweige wie z. B. Banken und Versicherungen auf-grund des besonderen Schutzinteresses bestimmter aktueller und/oder potenzieller Unterneh-mensbeteiligter weitere staatliche Institutionen in ihren Überwachungssystemen auf. So wird etwa die Aufsicht von Kreditinstituten, Finanzdienstleitungsinstituten und Versicherungs-unter-nehmen primär von der BaFin nach § 6, § 32 bis § 51 KWG bzw. § 320 bis 330 VAG durchgeführt. Ihre Aktivitäten zielen im Kern darauf ab, Stabilität, Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Finanzsystems aufrecht zu erhalten. Mithin sichert sie die Zahlungsfähigkeit von Instituten (Kreditinstitute, Bausparkassen, Finanzdienstleistungsinstitute) durch Verhaltens-standards (Marktaufsicht) sowie Versicherungsunternehmen und stellt als Verkörperung der Aufsicht neben der Kontrolle und Prüfung eine wichtige Komponente des unternehmerischen Überwachungssystems dar. Die BaFin ist eine selbständige Anstalt öffentlichen Rechts und unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) (§ 2 FinDAG). Die Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht/Asset Management bilden die Organisa-tionseinheiten der BaFin, wobei sich die Aufsicht in die Phasen „Erlaubniserteilung“ und „Laufende Aufsicht“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank (§ 7 KWG) untergliedert. Das Entgegenwirken von Missständen im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen ist die Primärauf-gabe der Bankenaufsicht (§ 6 Abs. 2 KWG). Vorrangiges Ziel der Versicherungsaufsicht stellt der Verbraucherschutz i. S. d. § 294 Abs. 1 VAG dar. Die Maßnahmen der Wertpapieraufsicht sind hingegen auf die Sicherung von Marktintegrität, Markttransparenz und Anlegerschutz ausge-richtet.

Die vorstehenden Ausführungen haben verdeutlicht, dass an die Überwachung von Kredit-instituten gegenüber Unternehmen anderer Wirtschaftszweige vor dem Hintergrund der Systemrelevanz und ihres finanzwirtschaftlichen Auftrags durch den Staat höhere Anforderungen gestellt werden. Als weitere Akteure im Principal Agent-Ansatz tritt als zentraler Principal der Staat ein, der durch die Regulierung versucht, die Stabilität des gesamten Finanzmarktes zu gewährleisten, um das Vertrauen der Anleger zu stärken und einen Bank Run zu vermeiden. Die erforderliche Bankenüberwachung delegiert er an Aufsichtsbehörden wie in Deutschland die BaFin und die Deutsche Bundesbank, die im nächsten Schritt infolge der hohen Anzahl an Kreditinstituten die aufsichtsrechtliche Prüfung an den Abschlussprüfer weitergeben (§ 28 Abs. 1 KWG). Die unternehmensinterne Überwachung durch das Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan bezieht gegenüber Unternehmen anderer Wirtschaftszweige zusätzlich die künftige Gesamtrisiko-bereitschaft und -strategie des Kreditinstitutes nach § 25d Abs. 8 KWG mit ein.

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2. Risikomanagementsystem

Dem Vorstand der Aktiengesellschaft obliegt nach im Rahmen seiner eigenverantwortlichen Leitungsfunktion (§ 76 Abs. 1 AktG) die Pflicht „[...] geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit dem Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“ (§ 91 Abs. 2 AktG). Ein derartiges Risikomana-gementsystem setzt sich nach h. M. aus den Komponenten

• Internes Überwachungssystem, • Controlling und • Frühwarnsystem

zusammen, wobei der Begriff „Internes Überwachungssystem“ sowohl das Interne Kontrollsystem als auch die Interne Revision beinhaltet.

Längere Zeit bestand in der Literatur kein einheitliches Meinungsbild bezüglich der Abgrenzung zwischen Interner Revision und Controlling. Allerdings hat sich zwischenzeitlich die Auffassung durchgesetzt, Controlling als ein Instrument zur Wirkungsverbesserung der Unternehmens-leitung zu verstehen, das Führungshilfe bei der Zielbildung, Planung, Kontrolle, Koordination und Information leisten soll. Aus dieser Definition folgt, dass die Funktion des Controlling sich keineswegs in der (internen) Überwachung erschöpft, sondern insbesondere unter Rückgriff auf die Planung in der Erarbeitung von Lenkungs- und Steuerungsmaßnahmen für die Unter-nehmensleitung besteht (z. B. der Aufbau von Frühwarnsystemen zur Erkennung von Gefähr-dungen und Risiken aus unternehmensexterner und -interner Sicht oder von Plan-Erfolgs-rechnungen mit Abweichungsermittlung und -analyse).

Die Interne Revision war im Gegensatz zum Controlling ursprünglich lediglich ein ex post-orientiertes Überwachungssystem, das vorrangig auf die Überprüfung unternehmensinterner Mindestnormen ausgerichtet ist, aber auch zur Informationsverbesserung des Managements beiträgt. Neuerdings übernimmt die Interne Revision auch Steuerungsaufgaben. Mit der Ausdehnung des Prüfungsobjekts der Internen Revision auf alle Unternehmensebenen ist auch das Controlling selbst Prüfungsobjekt der Internen Revision geworden. Unter Berücksichtigung der Unabhängigkeit der Internen Revision muss deshalb ihre organisatorische Ausgliederung aus dem Controller-Bereich gefordert werden.

Frühwarnsysteme sind eine spezielle Art von Informationssystemen, durch die es möglich wird, latente Risiken und Chancen durch Frühwarnindikatoren im zeitlichen Vorlauf sichtbar zu machen und ggf. zu analysieren. Die frühzeitige Identifizierung von Gefahren- bzw. Chancenpotenzialen eröffnet die Möglichkeit, rechtzeitig geeignete Maßnahmen einzuleiten, durch die Risiken abgewehrt oder gemildert bzw. Chancen genutzt werden können. Unter Berücksichtigung der Interessenlage der Benutzer von Frühwarnsystemen sind unternehmensexterne und unter-nehmensinterne Frühwarnsysteme zu unterscheiden.

Zu den unternehmensexternen Frühwarnsystemen gehören alle Ansätze, mit denen außen-stehende Personen (z. B. Gläubiger, Eigenkapitalgeber, potentielle Anleger, Analysten, Rating-agenturen) versuchen, Informationen über die Zukunft eines Unternehmens zu gewinnen. Aus den Daten, die über ein Unternehmen verfügbar sind, sollen Erkenntnisse über die künftige Ent-wicklung des Unternehmens abgeleitet werden. In diesem Zusammenhang ist z. B. die Insol-venzprognose aus den Daten der externen Rechnungslegung eines Unternehmens zu erwähnen. Die Prognosegenauigkeit der unternehmensexternen Frühwarnsysteme ist jedoch wegen der Vergangenheitsorientierung der Datenbasis gering.

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Unternehmensinterne Frühwarnsysteme versuchen hingegen aus Sicht des Betriebes, krisen- bzw. chancenorientierte Entwicklungen abzuleiten. Diese Frühwarnsysteme sind daher ein wichtiges Instrument der Unternehmensführung. In Abhängigkeit vom Verwendungszweck bei Entscheidungsprozessen und Planungsprozessen wird zwischen strategischen, taktischen Frühwarnsystemen und operativen Frühwarnsystemen unterschieden.

Abbildung 13 zeigt zusammenfassend die Struktur des Risiko-Managementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG. Durch die gestrichelte Linie wird explizit auf die Kontrollfunktion des Controlling hingewiesen, die neben den anderen Funktionen besteht (z. B. Planungs-, Steuerungs-, Koordi-nations- und Informationsfunktion).

Dem Aufsichtsrat obliegt im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgaben (§ 111 Abs. 1 AktG) die Pflicht, das Risikomanagementsystem auf Ordnungsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Sofern es sich um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt, hat der Abschlussprüferprüfer außerdem zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen (Einrichtung eines Risiko-Managementsystems) in geeigneter Form vorgenommen hat und ob das zu installierende Überwachungssystem seine Funktion erfüllen kann (§ 317 Abs. 4 HGB). Hieraus folgt, dass in die handelsrechtliche Abschluss-prüfung von börsennotierten Aktiengesellschaften das Risiko-Managementsystem mit einzu-beziehen ist. Da der Vorstand einer Konzernmuttergesellschaft nicht nur über wesentliche Risiken im eigenen Unternehmen informiert sein sollte, sondern darüber hinaus auch die Risikolage des Gesamtkonzerns im Auge haben muss, lässt sich für die Konzernleitung die Verpflichtung ableiten, in das Risikomanagementsystem ebenfalls sämtliche Tochtergesellschaften zu integrieren. Hierdurch wird es möglich, bestandsgefährdende Risiken des Gesamtkonzerns frühzeitig zu erkennen und ggf. konzerninterne Risikoausgleichsstrategien zu entwickeln. In Analogie zu § 111 Abs. 1 AktG bzw. § 317 Abs. 4 HGB ist das konzernweite Risikomanagementsystem sowohl vom Aufsichtsrat der Konzernmuttergesellschaft als auch vom Konzernabschlussprüfer (§ 316 Abs. 2 HGB) zu prüfen, sofern es sich bei der Konzernmuttergesellschaft um eine Aktiengesellschaft handelt, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben hat.

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Abb. 13: Struktur des Risiko-Managementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG

(modifiziert entnommen von Lück 1998a, S. 8-11).

Internes Kontroll-system (IKS)

Interne Revision

Risiko-Managementsystem

InternesÜberwachungssystem Controlling Frühwarnsystem

Internes Kontroll-system (IKS)

Interne Revision

Risiko-Managementsystem

InternesÜberwachungssystem Controlling Frühwarnsystem

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3. Dual- und Boardsystem

3.1 Grundlegendes

Eine weitere Möglichkeit, Systeme der Unternehmensüberwachung zu strukturieren, bietet die Unterscheidung in Dual- und Boardsystem. Das deutsche Modell der Unternehmensverfassung, auch als zweistufiges System oder Trennungsmodell bezeichnet, basiert auf der Vorstellung, dass die Aufgaben Leitung und Überwachung unabhängig voneinander durchgeführt werden sollen. Im dualen System stehen bezüglich der Aktiengesellschaft die drei Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung parallel nebeneinander, wobei keines der Organe Weisungsbefugnis gegen-über einem anderen der beiden Organe hat.

Im Aktiengesetz sind die Funktionen und das Zusammenwirken der einzelnen Organe zwingend festgelegt. Während der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet (§ 76 Abs. 1 AktG) und gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 78 Abs. 1 AktG), kommt dem Aufsichtsrat neben der Beratung des Vorstandes die Primäraufgabe zu, die Geschäftsführung (Vorstand) zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, den (Konzern-) Lagebericht sowie den Vorschlag über die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen (§ 171 Abs. 1 AktG) und über das Ergebnis schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten (§ 171 Abs. 2 Satz 1 AktG).

In der Hauptversammlung üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesell-schaft aus (§ 118 Abs. 1 AktG). Im Wesentlichen bezieht sich das Aufgabenfeld der Hauptversam-mlung auf folgende Bereiche (§ 119 Abs. 1 AktG):

• Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite; • Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinns; • Entlastung der Aufsichtsrats- und der Vorstandsmitglieder; • Bestellung des Abschlussprüfers; • Entscheidung über Satzungsänderungen; • Beschlussfassung über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und -herabsetzung; • Entscheidung über eine mögliche Auflösung der Gesellschaft. • Bestellung von Sonderprüfern.

Das dualistische System der Unternehmensverfassung ist nicht sehr verbreitet. In Österreich, den Niederlanden (für Gesellschaften, die gewisse Größenkriterien erfüllen), Dänemark, Schweden und Frankreich (Wahlmöglichkeit für große Unternehmen zwischen Dual- und Board-System), gibt es ähnliche Systeme. Überwachungsgremien, die in ihren Befugnissen dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbar sind, finden sich lediglich in Japan und Italien.

Die Verwaltung angelsächsischer Aktiengesellschaften ist monistisch aufgebaut. Es gibt nur ein Verwaltungsorgan, den sog. „Board of Directors“, das zugleich für Leitung und Überwachung der Gesellschaft zuständig ist. Die Mitglieder des Boards werden vom Äquivalent der deutschen Hauptversammlung, dem sog. „Shareholder’s Meeting“, gewählt. Dies geschieht meist auf Empfehlung des Ernennungsausschusses, einem speziellen Gremium des Boards. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Regelungen darüber, wie viele Mitglieder ein Board haben muss. Je nach Aufgabenbereich werden die Mitglieder eines Boards in sog. „Outside Directors“ und „Inside Directors“ unterschieden (vgl. auch § 107 Abs. 3 AktG).

Outside Directors sind i. d. R. für die Überwachung der Geschäftsführung verantwortlich. In ihren Aufgaben-bereich fallen weiterhin Mithilfe bei der Festlegung der Unternehmensstrategie und -politik, Rat bei einzelnen Investitions- und Akquisitionsfragen sowie die Besetzung des Top-

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Managements. Inside Directors stellen hingegen hauptamtlich tätige Manager der Gesellschaft dar, die für die Führung des Tagesgeschäfts zuständig und zugleich Mitglied im Board sind. Für die Durchführung der Aufgaben bedienen sich die Boards i. d. R. diverser Ausschüsse (sog. „Com-mittees“), die zusätzlich neben den regulären Boardsitzungen tagen. Um den entsprechenden Aufgaben besser nachkommen zu können, sitzen in diesen Ausschüssen meist Boardmitglieder, die über Spezialkenntnis dieser Bereiche verfügen. Üblich sind Prüfungsausschüsse („Audit Com-mittees“), Ernennungs- und Vergütungsausschüsse („Nominating“ and „Compensation Com-mittees“). Weiterhin gibt es bei einigen Gesellschaften Finanz-, Investitions-, Sicherheits- und Rechtsausschüsse.

Nach der am 08.10.2004 in Kraft getretenen EU-Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE = Sociatas Europaea) besteht für europäische Aktiengesellschaften die Möglich-keit, in der Satzung - und damit durch Satzungsänderung wieder änderbar - zwischen dem (klassischen deutschen) „dualistischen System“ einer Trennung von Aufsichts- und Leitungsorgan (Aufsichtsrat und Vorstand) und dem (vor allem anglo-amerikanischen) „monistischen System“ eines einheitlichen Verwaltungsorgans zu wählen [Art. 38b) VO]. Die umsetzende nationale deutsche Gesetzgebung wurde erst zum 29.12.2004 in Kraft gesetzt, und zwar durch das „Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SEEG)“ als Mantelgesetz. Wie Untersuchungen gezeigt haben, ist die Zahl der Unternehmen in der EU, die auf eine Europa-AG umfirmiert haben, äußerst gering; in Deutschland gibt es gegenwärtig nur wenige Unternehmen.

3.2 Überwachungsbereiche des Aufsichtsrats

3.2.1 Strategie

Ein Unternehmen durch den Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG strategisch zu führen, bedeutet prinzipiell, die Einrichtung ganzheitlich in seinen Beziehungen zu den strategischen Stakeholdern zu sehen und zu erkennen, wie die Teile zusammenhängen und wie sich die Entscheidungen in vielen Bereichen auf den unterschiedlichsten Verantwortungsebenen gegenseitig beeinflussen. Die Steigerung des Unternehmenswerts als langfristiges Ziel des Managements wird in der Betriebswirtschaftslehre schon seit langem diskutiert. Ende des vorherigen Jahrhunderts hat aber die Wertorientierung durch das von Rappaport entworfene Shareholder Value-Konzept, das darauf abstellt, den Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens im Zeitablauf stetig zu steigern, eine Renaissance erfahren. Im Rahmen eines solchen Value Based-Management zielen die Aktivitäten der Unternehmensleitung, insbesondere auf folgende Strategien ab, die sich wechselseitig ergänzen müssen (vgl. Abbildung 14):

• Schaffung von Anreizsystemen (z. B. Erfolgsbeteiligungen oder Aktienoptionsprogramme) auf allen Führungsebenen.

• Aufdeckung von unternehmensin- und -externen Erfolgspotenzialen (z. B. durch die Entwicklung innovativer Produkte).

• Optimierung der in- und externen Überwachungs- und Steuerungssysteme (Corporate Governance).

• Information aller in- und externen Stakeholder über die Strategien und Ergebnisse des Wertsteigerungsmanagements durch ein umfassendes Management Reporting-System (z. B. Investor Relations, Value Reporting, Integrated Reporting).

Dem Vorstand kommt vor diesem Hintergrund die elementare Aufgabe zu, mit Hilfe eines wertorientierten Managementsystems die zur Verfügung stehenden Mitteleinsätze dergestalt zu steuern, dass eine stetige Steigerung des Unternehmenswerts, verstanden als Zukunftserfolgs-wert, erreicht wird. Der Shareholder-Value-Ansatz ist folglich das Kernkonzept der strategischen

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Abb. 14: Wertorientierte Strategien im Rahmen des Shareholder Value Konzepts

Ansatzpunkte für das Wertsteigerungsmanagement

Schaf fung von Anreiz-mechanismen für die Führungsebene(n) im Hinblick auf die Ziel-setzung „Maximierung des Shareholder Value“

Suche und Bewertung von Handlungsalternativen zur Steigerung des Unternehmenswertes

Verstärkung der Investor Relations-Aktivitäten durch ein Value Reporting

Installierung von in- und externen Überwachungs- und Steuerungssystemen (Corporate Governance)

• Kopplung der Ver-gütung an die Wert-steigerung des Unter-nehmens (z.B. Gewinn-beteiligung oder Aktienprogramme)

• Suche:

Unternehmens- und Umweltanalyse zur Ermittlung von Wert-steigerungspotentialen

• Bewertung:

Cash-Flow-Orientierung (Discounted Cash-Flow-Methoden)

• Unterrichtung der Öf fentlichkeit über (erfolgreiche) Maßnahmen der Wertsteigerung (Niederschlag des inneren Unternehmenswertes im Börsenkurs) im Rahmen der Rechnungslegungspolitik

• Risikomanagementsystem (§ 91 Abs. 2 AktG)

• Wirtschaf tsprüfung

• Wirtschaf tsprüferaufsicht

• Duales Aufsichtssystem (Aufsichtsrat)

• Monistisches Aufsichtssystem (Boardsystem)

• Enforcementsystem

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Unternehmensführung mit dem Ziel, den Unternehmenswert für die Eigentümer über die Ausschöpfung und Realisierung wertsteigender sowie Eliminierung wertvernichtender Aktivitäten, Investitionen, Geschäftsfelder etc. langfristig zu maximieren. Damit besteht kein Gegensatz zum Stakeholder Value-Konzept, da eine langfristige Maximierung des Unternehmenswerts auch den Interessen anderer Stakeholdergruppen als den Eignern entspricht.

Aufgrund der Orientierung der Unternehmenspolitik an den Interessen der Anteilseigner wird der Unternehmens-wert, d.h. seine Veränderung, für das Unternehmen zum Erfolgsmaßstab. Zum Zwecke der kapitalmarktorientierten Unternehmensführung benötigt das Leitungsorgan aus strategischer und operativer Sicht ein umfassendes Planungs-, Kontroll- und Steuerungssystem. Soweit Unternehmen ihr Führungssystem nicht auf die Interessen der Anteilseigner ausrichten, besteht die Gefahr, dass durch suboptimale Entscheidungen des Managements Unterschiede zwischen dem aktuellen und potenziellen Unternehmenswert auftreten, die als Wertlücken bezeichnet werden.

Der zukünftige (höhere) Wert ergibt sich dabei aus Unternehmensbewertungen, Schätzungen von Finanzanalysten, Ratingagenturen oder aus Übernahmeangeboten und repräsentiert denjenigen Wert, der nach Akquisition und Reorganisation mit einem Unternehmen erzielbar wäre. Das Leitungsorgan ist schon deshalb zur Implementierung wertsteigernder Strategien zum Zwecke der Schließung von Wertlücken gezwungen, damit drohende, ggf. feindliche Unternehmensüber-nahmen verhindert werden. Um die Anteilseigner in die Lage zu versetzen, an den wertsteigern-den Maßnahmen teilhaben zu können und zudem sicherzustellen, dass keine Wertlücken aufgrund ungleicher Informationsverteilung zwischen Management und Eignern entstehen, sind entsprechende Informationen im Rahmen einer investororientierten Informationspolitik zu ver-öffentlichen und ggf. zielgerichtet zu gestalten.

Das Geschäftsmodell mit seinen verschiedenen Geschäftsfeldern (Profit Center) ist die Grundlage der Unternehmensstrategie. Es muss in der Aufsichtsratssitzung diskutiert und überprüft werden. Hier stehen insbesondere seine längerfristige Tragfähigkeit und seine Risiken im Vordergrund des Interesses. Die Geschäftsfeldstrategie definiert die grundsätzlichen Handlungsweisen und deren Entwicklung, mit denen ein Unternehmen in einem bestimmten strategischen Geschäftsfeld operieren will, um erfolgreich im Wettbewerb zu bestehen. Charakteristische Merkmale für ein strategisches Geschäftsfeld sind, dass sich hierfür Kunden oder Kundengruppen mit spezifischen Bedürfnissen identifizieren lassen, für die bestimmte Leistungen angeboten werden, die in Kon-kurrenz zu den Wettbewerbern steht.

Vor diesem Hintergrund bestimmt die Unternehmensstrategie: • Die Richtung, in die sich das Unternehmen als Ganzes im Hinblick auf nachhaltiges und

profitables Wachstum entwickeln soll. • Die Märkte, auf denen es mit seinen Geschäftsfeldern im Wettbewerb operiert. • Die Allokation der Unternehmensressourcen. • Akquisitionen, Zusammenschlüsse, Kooperationen und Desinvestitionen zum Zwecke der

Optimierung des Soll-Portfolios. • Die Koordination der einzelnen Geschäftsfelder in Bezug auf Cashflows, Synergien, Risiken

und Zyklizität. Zentrale Bedeutung im Rahmen der Unternehmensstrategie besitzt das strategische Risiko-management des Vorstands, um zum einen sicherzustellen, dass das Unternehmen in jeder Situation, die auch mit noch so kleiner Wahrscheinlichkeit eintreten kann, in der Lage ist, zu überleben (z. B. im Falle des Wegbrechens osteuropäischer Märkte). Zum anderen muss das

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Risikomanagement in der Lage sein, strategische Chancen frühzeitig zu erkennen, um Wettbe-werbsvorteile gegenüber Konkurrenten nutzen und strategische Erfolgspotenziale langfristig aufbauen zu können (z. B. Entwicklung innovativer Produkte). Planung, Kontrolle und Steuerung der Unternehmensstrategie wird durch das strategische Controlling unterstützt. Die Führung eines Unternehmens nimmt immer mehr einen kollegialen Charakter an. Die Grenze zwischen der Rolle des Vorstands und der Rolle des Aufsichtsrats ist fließend. Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, die Geschäftsführung durch den Vorstand nach § 111 Abs. 1 AktG zu überwachen, ohne aber in die Geschäftsführung selbst einzugreifen. Vor diesem Hintergrund stellt der Aufsichtsrat kritische Fragen zur Strategie des Unternehmens und zu den Strategien der Geschäfts- felder. Die Mitglieder des Aufsichtsrats spielen eine beratende und analysierende Rolle. „Sie können beobachten, mit welchen Argumenten, mit welcher Sachkenntnis und mit welchem methodischen Ansatz der Vorstand strategische Planungen entwickelt und mit welchem Commitment er die strategische Planung in Führungsentscheidungen umsetzt.“ (Albach 2001, S. 295).

Das Geschäftsmodell des Unternehmens als Ganzes und die einzelnen Geschäftsfelder gehören auf die Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung. Informationen über die Unternehmensstrategie bekommt der Aufsichtsrat darüber hinaus durch die Berichterstattung des Vorstands nach § 90 AktG. Durch Erlass einer Informationsordnung für den Vorstand besteht ferner die Möglichkeit, weitere Einzeleinheiten über die Unternehmensstrategie in Erfahrung zu bringen. Schließlich bietet sich es an, einen Strategieausschuss nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG zu bilden und mit Experten aus diesem Bereich zu besetzen, um die Überwachung und Beratung zur Unternehmens-strategie zu optimieren.

3.2.2 Finanzierung

Die Unternehmensfinanzierung ist Gegenstand des Betrieblichen Finanzwesens, die in engem Zusammenhang mit dem Betrieblichen Rechnungswesen steht und sich auf die Bereitstellung (Finanzierung) und Verwendung (Investition) finanzieller Mittel bezieht. Im Folgenden steht der Mittelbedarf die Mittelbereitstellung im Vordergrund der Betrachtungen. Vor diesem Hintergrund verdeutlicht Abbildung 15 die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Rechnungs- und Finanz-wesen.

Zunächst wird die Aufspaltung des Betrieblichen Rechnungswesens in einen internen und externen Bereich gezeigt. Im Hinblick auf die Mittelverwendungen (Investitionen) wird deutlich, dass diese sich auf der Aktivseite der Bilanz in Form von Anlage- und Umlaufvermögen nieder-schlagen und damit im externen Betrieblichen Rechnungs-wesen abgebildet werden. Ähnliches gilt für die Mittelherkünfte (Finanzierungen), die als Eigen- und/oder Fremdkapital Eingang auf die Passivseite der Bilanz erfahren. Darüber hinaus werden alle weiteren Geschäftsvorfälle, die im Zusammenhang mit Investitions- und Finanzierungsvorgängen stehen, in der Finanzbuchhaltung und damit im Jahresabschluss erfasst, wenn sie eine Veränderung des Vermögens, des Eigen-kapitals und/oder der Schulden bewirken (z. B. Erweiterungs- und Desinvestitionen, Kapital- und Darlehensrückzahlungen sowie Zinszahlungen). Ferner geben der Anhang und der Lagebericht Auskunft über zusätzliche Investitions- und Finanzierungsaktivitäten (z.B. § 285 Nr. 3 und 3a HGB, § 289 Abs. 2 Nr. 2 HGB), die sich (noch) nicht in der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung niedergeschlagen haben.

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Abb. 15: Zusammenhänge von Finanz- und Rechnungswesen (modifiziert übernommen von Kußmaul 2011, S. 131-132).

Rechnungswesen

Finanzrechnung

Internes Externes

Rechnungen

Abbildungder

Finanz- undLeistungs-

ströme

langfristig

Mittelverwendungen Mittelherkünfte

Plan-Bilanz

Kostenrechnung Jahresabschluss(+ Lagebericht)

kurzfristig

Investitionen Finanzierungen

Investition(srechnung) Finanzierung

Finanzwesen

A P

Liquiditäts-sicherung

langfristigeFinanz- und

Kapitalstruktur-planung

Rechnungswesen

Finanzrechnung

Internes Externes

Rechnungen

Abbildungder

Finanz- undLeistungs-

ströme

langfristig

Mittelverwendungen Mittelherkünfte

Plan-Bilanz

Kostenrechnung Jahresabschluss(+ Lagebericht)

kurzfristig

Investitionen Finanzierungen

Investition(srechnung) Finanzierung

Finanzwesen

A P

Liquiditäts-sicherung

langfristigeFinanz- und

Kapitalstruktur-planung

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Neben der Kapitalbeschaffung besteht die Aufgabe des Betrieblichen Finanzwesens in der Liquiditätssicherung, die in einen strukturellen und einen laufenden Teil unterschieden werden kann. Gegenstand der strukturellen Liquidationssicherung ist die Einhaltung einer ausgeglichenen Fristenstruktur des Investitions- und Finanzierungsbereichs, d. h. der Deckung des zukünftigen langfristigen Investitionsbedarfs durch entsprechende Finanzierungsquellen. Da die Kapitalgeber ihre Bonitätsbeurteilung primär auf Jahresabschlusskennzahlen stützen, trägt die strukturelle Liquiditätssicherung überwiegend bilanzorientierten Charakter. Folglich hat das Unternehmen auf die Einhaltung dieser Kennzahlen (z. B. Verschuldungs-, Deckungs- und Liquiditätsgrade) zu achten.

Zur strukturellen Liquiditätssicherung bedarf es demnach sowohl einer langfristigen Finanz-planung als auch einer - auf Plan-Jahresabschlüssen basierenden - langfristigen Kapitalstruktur-planung. Im Gegensatz zur strukturellen orientiert sich die laufende Liquiditätssicherung aus-schließlich am Finanzplan. Insofern sind alle Zahlungsströme, d. h. sowohl die laufenden (betrieblichen und betriebsfremden) Ein- und Auszahlungen als auch die Ein- und Auszahlungen des Finanzierungs-, Investitions- und Eigenkapitalbereichs, in einem zweckmäßig gegliederten Finanzplan abzubilden (vgl. Abbildung 16).

Dem Betrieblichen Finanzwesen kommt in diesem Zusammenhang ferner die Aufgabe zu, die vorhandenen funktionalen Teilpläne (z. B. Beschaffung, Produktion, Absatz, Logistik) sowie die langfristigen Investitionspläne zu koordinieren. Folglich geht es bei der laufenden Liquiditäts-sicherung zum einen um die Ermittlung von finanziellen Über- bzw. Unterdeckungen und zum anderen darum, wie Überdeckungen vor dem Hintergrund des Rentabilitätsziels angelegt bzw. Unterdeckungen ausgeglichen werden können. Zur laufenden Liquiditätssicherung bedarf es mit-hin einer mittel- und kurzfristigen Finanzplanung.

Über die zielorientierte Mittelverwendung wird mit Hilfe der Investitionsrechnung entschieden, die in aller Regel langfristig (mehrjährig) ausgerichtet ist und auf Ein- und Auszahlungen basiert. Im Grundsatz fallen unter den Begriff Investitionsrechnung alle betriebswirtschaftlichen Methoden zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsvorhaben. Die Kosten- und Finanzrechnung als Instrument des internen Rechnungswesens trägt grundsätzlich kurzfristigen (einjährigen) Charakter. Als kalkulatorische Planungs- und Kontrollrechnung unterstützt die Kostenrechnung die Unternehmensleitung vor allem bei der Wahrnehmung ihrer kurzfristigen Entscheidungs- und Überwachungsaufgaben. Darüber hinaus leistet sie auch dem externen Rechnungswesen Hilfe bei der Erfüllung externer Dokumentationsaufgaben. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Lieferung bereinigter kalkulatorischer Ergebnisse in der Gestalt der Herstellungskosten zum Zwecke der Bewertung unfertiger und fertiger Erzeugnisse sowie aktivierbarer innerbetrieblicher Leistungen (z. B. selbsterstellte Anlagen) im handels-, steuerrechtlichen und internationalen Jahresabschluss zu nennen.

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Zahlungskomponenten Stichtag Woche Monat Quar-tal

I. Einzahlungen 1. Einzahlungen aus laufendem Geschäfts- betrieb 2. Einzahlungen aus Deinvestitionen 3. Einzahlungen aus Finanzerträgen

II. Auszahlungen 1. Auszahlungen für laufenden Geschäfts- betrieb 2. Auszahlungen für Investitionen 2.1 Sachinvestitionen 2.2 Finanzinvestitionen 3. Auszahlungen im Finanzverkehr 3.1 Kredittilgung 3.2 Akzepteinlösung 3.3 Eigenkapitalminderungen (z.B. Privatentnahmen) 3.4 Zinsen

III. Über- bzw. Unterdeckung (Einzahlungen – Auszahlungen + Zahlungs- mittelbestand)

IV. Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen 1. bei Unterdeckung (Einzahlungen) 1.1 Kreditaufnahme 1.2 Eigenkapitalerhöhung 1.3 Rückführung gewährter Darlehen 1.4 zusätzliche Deinvestitionen 2. bei Überdeckung (Auszahlungen) 2.1 Kreditrückführung 2.2 Anlage in liquiden Mitteln

V. Zahlungsmittelbestand am Periodenende nach Ausgleichs- und Anpassungsmaß- nahmen

Abb. 16: Struktur eines Finanzplans

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Häufig wird auch die jährliche und unterjährige Finanzrechnung (Finanzplanung und Finanz-kontrolle) als kurzfristiges liquiditätsorientiertes Teilsystem des internen Rechnungswesens ange-sehen. Der zahlungsstrombezogenen Finanzrechnung kommt im Rahmen der laufenden Finanz-planung die Aufgabe zu, finanzielle Unter- und Überdeckungen rechtzeitig zu signalisieren, damit Steuerungsmaßnahmen zum Zwecke der Liquiditätssicherung eingeleitet werden können (z. B. Liquidierung geldnaher Vermögenswerte, Erhöhung der Kreditlinien und/oder Eigenkapital-zuführungen im Falle des Ausgleichs finanzieller Unterdeckungen). Als Kontrollinstrument hat die Finanzrechnung einen Soll-Ist-Vergleich der erfassten Zahlungsgrößen vorzunehmen, um die Verlässlichkeit der Teilpläne beurteilen zu können sowie Aussagen im Hinblick auf Planüber-arbeitungen und/oder Anhaltspunkte für Ursachenanalysen im Falle von Soll-Ist-Abweichungen zu erhalten.

Da die Sicherung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens nicht nur ein wichtiges finanzwirt-schaftliches Ziel darstellt, sondern die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 1 Insolvenzordnung eine allgemeiner Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren ist, kommt der Beurteilung der Liquiditätslage zentrale Bedeutung zu. Die Instrumente Finanzstatus und Finanzplan bilden die Grundlage, die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens in kritischen Situationen zu beurteilen, und tragen der gesetzlichen Befristung für die Beantragung einer Insolvenz durch die gesetzlichen Vertreter Rechnung.

Der (kurzfristige Finanz- oder Liquiditätsstatus) stellt alle gegenwärtig verfügbaren Finanzmittel des Unternehmens den fälligen Verbindlichkeiten gegenüber. Sofern sich hieraus ggf. eine Unterdeckung ergibt, sind die erwarteten Ein- und Auszahlungen für einen Zeitraum bis zu einem Jahr in einem hinreichend detaillierten Finanzplan darzustellen. Der Finanzplan (vgl. Abbildung 16) trägt den Charakter einer zahlungsbezogenen Kapitalbedarfsrechnung und hat auch Ausgleichs- und Anpassungsmaßnahmen (z. B. Kreditaufnahmen) bei Über- und Unterdeckungen der Summe der laufenden Ein- und Auszahlungen des Unternehmens zu enthalten. Neben den kurzfristigen Instrumenten Finanzstatus und Finanzplan kommt der ergänzenden mittel- und langfristigen Finanzplanung eine hohe Bedeutung zu. Diese besitzt üblicherweise einen Zeithorizont von mehreren Jahren und dient der Grobplanung des Kapitalbedarfs anhand von Plan-Bewegungsbilanzen, aus den sich Aussagen über die künftigen Mittelverwendungen (Investitionen) und Mittelherkünfte (Finanzierungen) ableiten lassen. Eng verbunden mit der Bilanzplanung ist das Instrument der Kapitalflussrechnung, das auch für die interne Finanzplanung des Unternehmens eingesetzt werden kann. Als Planungsinstrument können Zahlungsströme und Zahlungsmittelbestände dargestellt und künftige Aussagen abgeleitet werden, wie das Unterneh-men finanzielle Mittel erwirtschaftet und welche Investions- und Finanzierungsmaßnahmen zu tätigen sind. Besondere Bedeutung besitzen im Rahmen der Unternehmensfinanzierung spezifische Kenn-zahlen, mit deren Hilfe die Finanzierung beurteilt und geplant werden kann. In diesem Zusammen-hang lassen sich folgende vier Gruppen unterscheiden:

• Aktivitätskennziffern, die den Aktivitätsgrad bestimmter Positionen berechnen (z. B. Material- oder Umsatzumschlagshäufigkeit).

• Renditekennziffern, die die relative Profitabilität des zur Verfügung stehenden Kapitals berechnen (z. B. Eigenkapitalrendite).

• Kapitalstrukturkennziffern, die der Beurteilung des Risikos der Eigenmittelausstattung dienen (z. B. die Eigenkapitalquote als Quotient aus Eigen- und Gesamtkapital).

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• Liquiditätskennziffern, die Posten der Aktiv- und Passivseite der Bilanz zueinander in Beziehung setzen, um Aussagen über die Beurteilung der Illiquidität des Unternehmens zu erhalten [z. B. die „Goldene Bilanzregel“, die eine Finanzierung des langfristigen Vermö-gens mit langfristigem Kapital (Eigen- und FremdKapital) fordert].

Die genannten Kennziffern können der Unternehmensleitung aber nur einen groben Orientie-rungsrahmen für die Planung der Finanzierungsstruktur geben. Allerdings kommt ihnen deshalb ein hoher Stellenwert zu, weil finanzierende Banken ihre Kreditvergabeentscheidungen von ihnen abhängig machen. Deshalb sollte die Unternehmensleitung prüfen, ob es ggf. möglich ist, die gewünschten Kennzahlenwerte durch bilanzpolitische Gestaltungen zu erreichen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die genannten Kennziffern grundsätzlich aus dem Betrieblichen Rechnungswesen abgeleitet werden und deshalb nur begrenzte Informationen über die Unternehmensperformance vermitteln können. In jüngerer Zeit besitzen deshalb wert-orientiert Kennzahlen, wie z. B. der Weighted Average Cost of Capital (WACC) oder der Economic Value Added (EVA) im Rahmen der Unternehmensanalyse einen höheren Stellenwert, die u. a. auf die Entwicklungen des Kapitalmarktes abstellen. Die Quellen der Finanzierung sind vielfältig und unterliegen einem steten Wandel. Zur Systema-tisierung der Finanzierungsformen bietet es sich an, diese in die beiden großen Gruppen Außen- und Innenfinanzierung zu unterteilen (vgl. Abbildung 17) Während die Außenfinan-zierung sich mit der Zuführung von Mitteln von außerhalb des Unternehmens beschäftigt, setzt sich die Innen-finanzierung mit Möglichkeiten der Gewinnthesaurierung (Selbstfinanzierung), durch Gegenwerte von Aufwendun-gen oder Vermögensumschichtungen auseinander. Im Folgenden werden ausge-wählte Finanzierungsformen dargestellt.

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Abb. 17: Wesentliche Finanzierungsformen (entnommen von Paetzmann 2015, S. 54)

Finanzierungsformen (Auswahl)

Außenfinanzierung Innenfinanzierung

Eigenkapital-Finanzierung Fremdkapital-Finanzierung Mezzanin-Finanzierung

mit Börsengang

ohne Börsengang kurzfristige Fremdkapital-Finanzierung

langfristige Fremdkapital-Finanzierung

Lieferanten- und Kundenkredite

kurzfristige Bankfinanzierung

Bankdarlehen

Unternehmensanleihe

Schuldscheindarlehen

Nachrangdarlehen

stille Beteiligung

Genussrechte

Selbstfinanzierung

offene Selbstfinanzierung

stille Selbstfinanzierung

Finanzierung aus Abschreibungen

Finanzierung aus Rückstellungen

Finanzierung durch Kapitalfreisetzung

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Außenfinanzierung:

Anlässe für Eigenkapital-Finanzierungen sind üblicherweise zu tätigende (Wachstums-) Investi-tionen, durch die Kapitalbasis des Unternehmens über eine Kapitalerhöhung gestärkt wird. Die Zuführung des neuen Eigenkapitals kann dabei über den öffentlichen oder privaten Kapitalmarkt erfolgen. Ferner ist bei dieser Finanzierungsart danach zu unterscheiden, ob die kapitalsuchenden Unternehmen Zugang zur Börse haben oder nicht. Im ersten Fall sind bei Aktiengesellschaften die Regelungen zur Kapitalerhöhung durch Ausgabe zusätzlicher Aktien wie folgt zu berücksichtigen:

• Ordentliche Kapitalerhöhung (§ 182 AktG): Auf Basis eines satzungsändernden Beschlus-ses der Hauptversammlung werden junge Aktien zu einem festgelegten Emissionspreis ausgegeben.

• Bedingte Kapitalerhöhung (§ 192 AktG): Die Erhöhung des Grundkapitals soll nur insoweit durchgeführt werden, als von einem Umtausch- oder Bezugsrecht durch Aktionäre Gebrauch gemacht wird.

• Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital (§ 201 AktG): Die Hauptversammlung ermächtigt den Vorstand für maximal fünf Jahre, das Grundkapital um bis zu 50 % des bisherigen Grundkapitals zu erhöhen.

Die Fremdkapitalfinanzierung, die kurz- und langfristige ausgerichtet werden können, ergänzen das Eigenkapital. Sie sind durch eine zeitliche Befristung (Laufzeit), vertragliche Vereinbarungen von Zinszahlungen und Tilgungen, das Fehlen von Mitentscheidungsrechten, der Übernahme von Haftungen und eine vorrangige Bedienung der Forderungen in der Insolvenz gekennzeichnet. Zur Risikoreduzierung verlangen Kreditgeber üblicherweise die Stellung von Sicherheiten (z. B. Grundpfandrechte, Sicherungsübereignungen) sowie die Einhaltung bestimmter Bilanz- oder Cashflow-Relationen) im Rahmen der Vereinbarung von Debt Convenants. Am Markt besteht eine Vielzahl von Fremdkapitalprodukten wie etwa Lieferanten- und Kundenkredite, kurz- und langfris-tige Bankkredite, Schuldscheindarlehen und Unternehmensanleihen. Innenfinanzierung:

Bei der Selbstfinanzierung werden Gewinne durch das Unternehmen einbehalten und nicht an die Eigentümer ausgeschüttet. Sofern die Mittelbereitstellung aus dem versteuerten Jahresüber-schuss erfolgt, wird von offener Selbstfinanzierung gesprochen. In diesem Fall sind bei Aktienge-sellschaften die gesetzlichen und satzungsgemäßen Grenzen von Gewinnthesaurierungen zu beachten (z. B. nach § 58 und § 150 AktG). Im Falle einer stillen Selbstfinanzierung werden durch zulässige Unterbewertung von Aktivposten (z. B. nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB) und Über-bewertung von Passivposten im handelsrechtlichen Jahresabschluss unversteuerte Gewinne einbehalten. Eine Innenfinanzierung durch die Gegenwerte von Aufwendungen betrifft z. B. Abschreibungs- oder Rückstellungsgegenwerte, die dem Unternehmen aus dem Umsatzprozess in Form von Ein-zahlungen als liquide Mittel zugeflossen sind. Schließlich können durch Vermögensumschich-tungen Finanzierungseffekte erzielt werden. Zu nennen sind die Liquidation (Verkauf) nicht betriebsnotwendigen Vermögens wie auch die Optimierung der betrieblichen Prozesse (z. B. Reduzierung von Lagerbeständen oder der Zahlungsziele für Kunden). Die Unternehmensfinanzierung ist für den Aufsichtsrat ein wichtiges Thema im Rahmen seiner Aufgabe, den Vorstand zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Aufgrund der Bedeutung möglicher

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Finanzierungsrisiken, insbesondere des Risikos der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung, sollte die Unternehmensfinanzierung regelmäßig Gegenstand der Aufsichtsarbeit sein. Darüber hinaus sieht das Gesetz teilweise die konkrete Mitwirkung des Aufsichtsrats bei Maß-nahmen der Unternehmensfinanzierung vor. So setzt z. B. die Durchführung der Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital bei der Aktiengesellschaft nach § 202 Abs. 3 Satz 2 AktG einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss voraus. Auch können besondere Maßnahmen der Unternehmenfinanzierung im Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) in der Satzung enthalten sein oder vom Aufsichtsrat im Rahmen einer Geschäftsordnung für den Vorstand festgelegt werden (§ 77 Abs. 2 i. V. m. § 82 Abs. 2 AktG).

Für den Aufsichtsrat ist die Kenntnis von Finanzierungsbedarf und Finanzierungsformen eine wesentliche Grundlage seiner Überwachungstätigkeit. Dabei sind auch die Wirkungen der Finanzierung auf die Corporate Governance des Unternehmens zu beachten. Schließlich haben die Kosten der Unternehmensfinanzierung erheblichen Einfluss auf den Unternehmenswert und die Umsetzung wertsteigender Strategien zum Zecke seiner Steigerung. 3.2.3 Rechnungswesen

Das Betriebliche Rechnungswesen (ReWe) mit seinen Teilgebieten Finanzbuchhaltung und Bilanz, Kostenrechnung, Statistik sowie Vergleichs- und Planungsrechnung stellt sowohl die Grundlage der extern orientierten Rechnungslegung als auch der internen Steuerung des Unternehmens dar. Mit Hilfe des ReWe sollen zunächst alle in Unternehmen auftretenden Finanz- und Leistungs-ströme durch bestimmte Instrumente (z. B. Buchhaltung, Jahresabschluss und Kostenrechnung) mengen- und wertmäßig erfasst und überwacht werden (Dokumentations- und Überwachungs-funktion). Darüber hinaus zielt das ReWe darauf ab, die unternehmerische Planung durch in- und externe Vergleiche von Bestands- und Erfolgsgrößen sowie durch Kontrolle von Wirtschaftlichkeit und Rentabilität zu unterstützen (Dispositionsfunktion). Schließlich kommt dem ReWe die Aufgabe zu, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage für bestimmte Stakeholdergruppen (z. B. Gesellschafter, Anteilseigner, Kunden, Lieferanten, Kreditgeber, Finanzbehörden, Arbeitnehmer-schaft, Wirtschaftspresse, interessierte Öffentlichkeit) darzustellen (Rechenschaftslegungs- und Informationsfunktion).

Das ReWe zerfällt traditionell in vier grundlegende Teilgebiete: • Finanzbuchhaltung und Bilanz, • Kostenrechnung, • Statistik und Vergleichsrechnung sowie • Planung (Vorschaurechnung).

Der Finanzbuchhaltung hat im System des ReWe prinzipiell die Aufgabe, die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und der Umwelt zahlenmäßig zu erfassen und systematisch abzu-bilden. In der Terminologie des ReWe heißen diese vollständig darzustellenden Beziehungen „Geschäftsvorfälle“. Sie sind nur dann in der Buchhaltung zu berücksichtigen, wenn sie unmit-telbar eine Veränderung des Vermögens, des Eigenkapitals und/oder der Schulden des Unter-nehmens in Höhe und/oder Struktur bewirken.

Die Kostenrechnung als kalkulatorischer Teil des ReWe befasst sich hingegen ausschließlich mit innerbetrieblichen Vorgängen und greift deshalb auf die Rechengrößen Kosten und Leistungen zurück. Ferner beschränkt sich das Interesse der Kostenrechnung, die nicht an gesetzliche Normen gebunden ist, auf den Teil des (kalkulatorischen) Erfolges, der im Zusammenhang mit der

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Realisation des unternehmerischen Sachziels steht. Wichtige Instrumente der Kostenrechnung sind die Betriebsbuchhaltung (Betriebsabrechnung) und die Kalkulation.

Um zukünftigen Entwicklungen nicht unvorbereitet gegenüberzustehen, wurde schon früh ge-fordert, eine „Vorausschaurechnung“ in das ReWe zu integrieren, deren Daten zunächst der betrieblichen Statistik entnommen wurden. Die Planungsrechnung hat vor allem mit den Ex-ante-Rechnungssystemen Plan-Jahresabschluss sowie Plan-Kostenrechnung im Kontext des Betrieb-lichen Rechnungswesens eine Weiterentwicklung erfahren. Die Planungsfunktion ist im Bereich der Kostenrechnung in engem Zusammenhang mit der Wirtschaftlichkeitskontrolle der an der Leistungserstellung beteiligten Individuen, Betriebsmittel und Werkstoffe zu sehen. Hier findet ein Vergleich der effektiv angefallenen Kosten (Ist-Kosten) mit den Dispositionsgrößen Normal- oder Plan-Kosten statt. Indem Abweichungen festgestellt und analysiert werden, ist es möglich, Schwachstellen im Unternehmen aufzudecken.

Zwischen Rechnungs- und Finanzwesen bestehen wesentliche wechselseitige Abhängigkeiten (vgl. Abbildung 16), da sich die Mittelverwendungen (Investitionen) auf der Aktivseite und Mittelher-künfte (Finanzierungen) auf der Passivseite der Bilanz niederschlagen. Diese wechselseitigen Abhängigkeiten stellen zentrale Schnittstellen dar, aus denen für die Führung und Überwachung des Unternehmens durch die Geschäftsleitung sowie das Aufsichtsorgan bedeutende Infor-mationen zur Steuerung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens resultieren.

Die Buchführungspflicht, d. h. die gesetzliche Auflage, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu erstellen, ergibt sich zum einen aus dem Handels- und zum anderen aus dem Steuerrecht. Die angesprochene Verpflichtung erstreckt sich also nicht nur auf das Führen der Bücher (Buchführung i. e. S.), sondern umfasst auch die jährliche Bestandsauf-nahme (Inventur) und die Erstellung des aus den Büchern und dem Bestandsverzeichnis (Inventar) abgeleiteten Abschlusses.

Wie Abbildung 18 zeigt, sind Rechtsgrundlage für die handelsrechtliche Buchführungspflicht § 238, § 240 und § 242 HGB. Zunächst bestimmt § 238 Abs. 1 HGB ganz allgemein: „Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen.“ Darüber hinaus hat jeder Kaufmann gemäß § 240 Abs. 1 und Abs. 2 HGB zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres ein Bestandsverzeichnis zu erstellen. Aus dem Gründungsinventar (Bestandsverzeichnis zu Beginn des Handelsgewerbes) ist die nach § 242 Abs. 1 HGB zu fertigende (Geschäfts-)Eröffnungsbilanz und aus dem periodischen Inventar (Bestands-verzeichnis für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres) der nach § 242 Abs. 1 bis Abs. 3 HGB aufzustellende Jahresabschluss, bestehend aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlust-rechnung, abzuleiten.

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Abb. 18: Handelsrechtliche Buchführungspflicht

Gewerbetreibende

Kaufleute Nichtkaufleute

Gewerbetreibende ,deren Unternehmen

nach Art und Umfangeiner in kaufmännischer

Weise eingerichtetenGeschäftsbetrieb er-fordert (§ 1 HGB)

freiwillig in dasHR eingetragene

Kleingewerbetrei -bende (§ 2 HGB)

freiwillig in dasHR eingetragene

Land- und Forst-wirte (§ 3 HGB)

Handelsgesell -schaften, (z.B.

OHG, KG, GmbH,AG) (§ 6 HGB)

Die handelsrechtliche Buchführungspflichtnach § 239 ff. HGB

umfasst

Führen der Bücher(Buchführung i.e.S.,§ 238 Abs. 1 HGB)

Aufstellung des Gründungs-inventars sowie der periodi-schen Bestandsverzeichnisse

(§ 240 HGB)

Erstellen der (Geschäfts-)Eröffnungsbilanz sowie derJahresabschlüsse (Bilanzsowie Gewinn- und Verlust-rechnung, § 242 HGB)

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Verantwortlich für die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist bei einem Einzelunternehmen der Inhaber. Im Falle einer OHG, KG und KGaA haben alle geschäftsführenden, voll haftenden Gesellschafter dafür zu sorgen, dass die Bücher ordnungsgemäß geführt werden (§ 116 Abs. 1 HGB, § 161 Abs. 2 HGB, § 283 i. V. m. § 91 AktG). Bei der GmbH müssen sämtliche Geschäftsführer (§ 41 GmbHG), bei der AG und der eG sämtliche Mitglieder des Vorstandes (§ 91 AktG, § 33 Abs. 1 GenG) für die Richtigkeit und Korrektheit der Finanzbuchhaltung einstehen. Anzumerken ist, dass die für die Buchführung verantwortlichen Personen die Bücher i. d. R. nicht persönlich führen, sondern sich hierzu der Hilfe von Angestellten oder Dritten (z. B. Steuerberater) bedienen.

Umfang und Qualität der Rechnungslegungsnormen hängen unmittelbar von der Rechtsform des Unternehmens ab. Für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften hat von den Vorschrif-ten über die Handelsbücher im dritten Buch des HGB nur der erste Abschnitt (§ 238 bis § 263 HGB) Bedeutung. Kapitalgesellschaften haben darüber hinaus die ergänzenden Vorschriften des zweiten Abschnitts (§ 264 bis § 335 HGB) zu beachten. Für eingetragene Genossenschaften gelten zusätzlich zum ersten Abschnitt die ergänzenden Vorschriften des dritten Abschnitts (§ 336 bis § 339 HGB).

Steuerrechtlich kommt der Buchführung insofern maßgebliche Bedeutung zu, als aus ihr die Bemessungsgrundlagen für die Ertragsbesteuerung (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) abgeleitet werden. Die Verpflichtung zur Buchführung ist im Steuerrecht zweimal verankert, zum einen in § 140 Abgabenordnung (AO) (derivative Buchführungspflicht) und zum anderen in § 141 AO (originäre Buchführungspflicht). Gemäß § 140 AO hat jeder, der nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen führen muss, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen.

In der Finanzbuchhaltung werden im Wesentlichen drei verschiedene Arten von Büchern unterschieden.

• Grundbuch, • Hauptbuch, • Nebenbücher.

Auch wenn im Rahmen der Buchführung stets von „Büchern“ gesprochen wird, so ist dieser Begriff nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Aufzeichnungen in Buchform, d.h. in gebundener Form, geführt werden müssen. Zu den „Büchern“ zählen z.B. die gebundenen Bücher, die Belegordner der Lose-Blatt-Buchführung und die Datenträger (CD-ROM, USB-Massenspeicher) bei der IT-gestützten-Buchführung.

Im Grundbuch sind anhand von Belegen sämtliche Geschäftsvorfälle in zeitlicher Reihenfolge aufzuzeichnen. Im Hauptbuch erfolgt die systematische Ordnung der Geschäftsvorfälle nach sachlichen Gesichtspunkten, d.h. hier werden die gleichen Geschäftsvorfälle – nur anders geordnet – wie im Grundbuch erfasst. Das Hauptbuch besteht aus den im Kontenplan verzeichneten Sachkonten (= Bestands- und Erfolgskonten). Die Sachkonten werden am Ende eines jeden Geschäftsjahres abgeschlossen und finden Eingang in das Schlussbilanzkonto (Bestandskonten) und in das Gewinn- und Verlust (GuV)-Konto (Erfolgskonten). Bezogen auf die Technik der doppel-ten Buchführung wird das Hauptbuch durch die Konten dargestellt.

Nebenbücher sind Hilfsbücher, die der weiteren Aufgliederung und Ergänzung der Sachkonten dienen, um spezifische Einzelsachverhalte erfassen zu können. Die Nebenbücher stehen außerhalb des Kontensystems und werden i.d.R. in eigenständigen Nebenbuchhaltungen geführt, wodurch diesen Büchern Buchungssätze (Buchung und Gegenbuchung) fremd sind. Zu den Nebenbüchern, deren Anzahl ebenfalls von den technischen und organisatorischen Gegebenheiten des Unter-

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nehmens abhängt, zählen vor allem das Kontokorrent- oder Geschäftsfreundebuch, die Waren- und Lagerbücher, die Lohn- und Gehaltsbücher, das Anlagenbuch sowie die Wechsel- und Wertpapierbücher.

• Das System der doppelten Buchführung lässt sich zusammenfassend wie folgt charakte-risieren: Registrierung aller Geschäftsvorfälle in zeitlicher (Grundbuch) und sachlicher (Hauptbuch) Ordnung. Ferner ist der unbare Geschäftsverkehr mit Kunden und Lieferan-ten zusätzlich in einem Kontokorrentbuch zu dokumentieren;

• Verbuchung ein und desselben Vorgangs auf zwei Konten (Konto und Gegenkonto) und zwar einmal im Soll und einmal im Haben;

• Getrennte Erfassung der erfolgsneutralen und erfolgswirksamen Vorfälle auf Bestands- und Erfolgskonten;

• Möglichkeit der zweifachen Erfolgsermittlung durch - Eigenkapitalvergleich und - Gegenüberstellung aller Aufwendungen und Erträge im GuV-Konto.

Nach § 240 Abs. 1 und Abs. 2 HGB hat jeder Kaufmann bei der Gründung seines Unternehmens und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres seine Vermögensgegenstände und Schulden festzustellen und in einem Bestandsverzeichnis aufzulisten. Diese Zusammenstellung des Ver-mögens und der Schulden bezeichnet man als Inventar, den Vorgang der Bestandsaufnahme als Inventur.

Gemäß § 140 bzw. § 141 AO gilt die vorstehende Verpflichtung auch in steuerrechtlicher Hinsicht. Das im Zuge der Inventur anzufertigende Bestandsverzeichnis ist zwingende Voraussetzung einer jeden ordnungsmäßigen Buchführung, denn das Zahlenmaterial des Inventars bildet die Grundlage für die Erstellung der Bilanz. Allerdings kann allein auf der Basis des Bestandsverzeich-nisses ein Abschluss regelmäßig nicht gefertigt werden, da im Rahmen der Inventur keine Erfassung von Bilanzierungshilfen, Rechnungsabgrenzungsposten, Rückstellungen usw. erfolgt.

Im Inventar sind sämtliche, dem Geschäftsbetrieb des Kaufmanns anzurechnende Vermögens-gegenstände und Schulden einzeln nach Art, Menge und Wert zu verzeichnen (§ 241 Abs. 1 i. V. m. § 240 Abs. 1 HGB). Mithin dürfen Vermögensgegenstände und Schulden, die die private Sphäre des Kaufmanns betreffen, grundsätzlich keinen Eingang in das Bestandsverzeichnis finden. Zu den Vermögensgegenständen zählen nicht nur die körperlichen wie Grundstücke, Gebäude, Maschi-nen, Waren etc., sondern ebenso die immateriellen Güter (z. B. Patente, Beteiligungen, Forde-rungen, Bankguthaben). Die Pflicht zur lückenlosen Erfassung sämtlicher Vermögenswerte erfor-dert ferner, dass auch wertlose (z. B. Ladenhüter) oder bereits vollständig abgeschriebene Gegen-stände in das Inventar aufgenommen werden. Als Schulden, die in der Finanzbuchhaltung häufig als Verbindlichkeiten bezeichnet werden, sind im Bestandsverzeichnis nur rechtlich begründete Verpflichtungen gegenüber Dritten anzusetzen (z. B. Bankschulden, Steuerschulden, Verbind-lichkeiten aus Warenlieferungen). Das Inventar wird ausschließlich in Staffelform erstellt und enthält am Ende die Ermittlung des Reinvermögens (= Eigenkapital). Dies ist der Betrag, um den das Gesamtvermögen die Schulden übersteigt:

I. Vermögen

- II. Schulden

= III. Reinvermögen (Eigenkapital).

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Die Inventur ist grundsätzlich in Form der körperlichen Bestandsaufnahme durchzuführen. Dieses Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass das tatsächliche Vorhandensein der Vermögensge-genstände im Unternehmen durch persönliche Inaugenscheinnahme festgestellt wird und die mengenmäßige Erfassung durch Zählen, Messen, Wiegen und u. U. Schätzen erfolgt. Bei Vermögenswerten, die zu den immateriellen Gütern zählen und insofern eine körperliche Bestandsaufnahme zwangsläufig entfällt, sowie bei Verbindlichkeiten wird die Inventur durch eine buchmäßige Bestandsaufnahme (sog. Buchinventur) vorgenommen.

Die Durchführung der körperlichen Inventur an einem einzigen Tag stellt aufgrund des damit verbundenen Personalbedarfs (Einsatz von Mitarbeitern aus anderen Abteilungen bei der Bestandsaufnahme) eine nicht unerhebliche Belastung des Betriebsablaufs dar und ist bei größeren Warenbeständen organisatorisch kaum zu bewerkstelligen. Aus diesem Grunde lässt der Gesetzgeber verschiedene Inventursysteme und -verfahren zu, durch die eine Bestandsaufnahme erleichtert wird (z.B. vor- und nachverlagerte Stichtagsinventur nach § 241 Abs. 3 HGB).

Zu den Inventurverfahren, die die Art der Bestandsaufnahme zum Gegenstand haben, zählen: • körperliche Bestandsaufnahme (als Grundfall), • Buchinventur (als spezieller Grundfall) und • Stichprobeninventur (§ 241 Abs. 2 HGB).

Neben dem Abschlussprüfer (§ 316, § 317 HGB) obliegt dem Aufsichtsrat zunächst im Kontext der allgemeinen Überwachung der Organisationsaufgaben der Geschäftsführung nach § 111 Abs. 1 AktG die Pflicht, das Rechnungswesen des Unternehmens auf seine Ordnungs-, Recht-, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist auch zu untersuchen, ob der Vorstand gemäß § 91 Abs. 1 AktG die erforderlichen Handelsbücher (Grund- Hauptbuch und Nebenbücher) führt. Ferner kann der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 Satz AktG „ […] die Bücher und Schriften sowie die Vermögensgegenstände, namentlich die Gesell-schaftskasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, einsehen und prüfen“.

Die in Rede stehenden zu prüfenden Informationen werden ihm vom Rechnungswesen, insbe-sondere der Finanzbuchhaltung und dem Jahresabschluss, zur Verfügung gestellt. Mit diesen Prüfungsaufgaben können laut § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG aber auch einzelne Mitglieder, z. B. in Gestalt des Prüfungsausschusses nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG, oder besondere Sachverständige (z. B. Wirtschaftsprüfer) beauftragt werden. Die genannten Regelungen gelten sinngemäß für die Überwachung des Rechnungswesens von Konzernunternehmen durch den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft.

Weiterhin hat der Aufsichtsrat in Analogie zu § 317 Abs. 1 Satz 1 HGB in seine Verpflichtung zur Jahresabschlussprüfung nach § 177 Abs. 1 Satz 1 1. HS AktG auch die Finanzbuchhaltung mit einzubeziehen, da Letztere die Grundlage für eine ordnungsmäßige Rechnungslegung in Gestalt des Jahresabschlusses (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang), des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns darstellt. Im Hinblick auf die Prüfung des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts bei Mutterunternehmen gemäß § 171 Abs. 1 Satz 1 2. HS AktG wird eine Prüfung der Konzernbuchführung ebenfalls erforderlich, obwohl im HGB keine entsprechende Vorgabe existiert. Aufgrund der Verpflichtung zur konzerneinheitlichen Bilanzierung und Bewertung (§ 300 und § 308 HGB) sowie der entsprechenden Konsolidierungs-buchungen ist jedoch eine Konzernbuchführung notwendig, die sowohl durch den Konzernab-schlussprüfer als auch durch den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft geprüft werden muss.

Schließlich hat der Aufsichtsrat in seinem Bericht an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 Satz 1 AktG u. a. darüber zu berichten, in welcher Art und Weise in die Geschäftsführungsprüfung das Rechnungswesen einbezogen wurde. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat im Rahmen seiner

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Stellungnahme zur Prüfung des Jahresabschlusses durch den Abschlussprüfer auch darüber zu berichten, inwieweit in die Beurteilungen seine Prüfung des Rechnungswesens eingeflossen ist.

Bei gravierenden Mängeln insbesondere der Finanzbuchhaltung muss der Aufsichtsrat die Billigung des (Konzern-)Jahresabschlusses nach § 171 Abs. 2 Satz 4 und 5 AktG versagen. Bezüglich des Jahresabschlusses führt dies zur Nichtfeststellung durch den Aufsichtsrat nach § 172 Satz 1 1. HS AktG, wodurch er erklärt, dass der vorgelegte Abschluss nicht als der vom Gesetz verlangte und für die gesetzlichen Rechtsfolgen (z. B. Gewinnausschüttungen) maßgebende Jahresabschluss sein soll. Allerdings besteht dann die Möglichkeit, dass Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 172 Satz 1 2. HS AktG seine Feststellung der Hauptversammlung überlassen.

Der Aufsichtsrat kann zur Überwachung des Rechnungswesens neben der Möglichkeit von § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG bei Bedarf Sachverständige und Auskunftspersonen auch in der Auf-sichtsratsitzung heranziehen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG), wobei auf Angestellte der Gesellschaft bzw. des Konzerns nur auf Vermittlung des Vorstands zurückgegriffen werden darf.

3.2.4 Rechnungslegung Unter dem Begriff Rechnungslegung (Financial Accounting) wird die gesetzliche oder freiwillige Übermittlung unternehmensbezogener finanzieller Informationen an aktuelle (z.B. Aktionäre, Öffentlichkeit, Fiskus) oder potenzieller Stakeholder (z. B. private Investoren) verstanden.

Da neben der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung, dem Anhang, der Kapitalflussrechnung, dem Eigenkapitalspiegel, wahlweise dem Segmentbericht und dem Lagebericht (§ 242, § 264 Abs. 1 HGB) auch andere nicht normierte Medien (z.B. Nachhaltigkeitsberichte, Aktionärsbriefe) sowie Zwischen-, Sonder- und Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte Objekte der Informations-übermittlung sein können, wurde der traditionelle Begriff der Bilanzierung durch den umfassen-den Terminus Rechnungslegung ersetzt.

Die an die Stakeholder zu übermittelnden Informationen werden in erster Linie dem Betrieblichen Rechnungswesen entnommen, wobei die Finanzbuchhaltung und dem periodisch (jährlich) zu erstellendem Jahres-(Konzern-)abschluss und (Konzern-)Lagebericht herausragende Bedeutung im Rahmen der Erfüllung externer Dokumentation-, Rechenschaftslegungs- und Informations-aufgaben zukommt. Aufgrund des nahe liegenden Interesses der genannten Stakeholdergruppen an entscheidungsnützlichen und verlässlichen Informationen ist die Rechnungslegung an Vor-schriften des Handels-, Gesellschafts- und Steuerrechts geknüpft. Darüber hinaus sind von multinational agierenden Unternehmen auch internationale Rechnungslegungsstandards, wie etwa die für den Rechtsraum der Europäischen Union maßgebenden International Financial Reporting Standards (IFRS), zu beachten (§ 315a HGB).

Trifft die für die Rechnungslegung eines verantwortliche Unternehmensleitung im Rahmen der ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Spielräume bewusst Entscheidungen im Hinblick auf die Gestal-tung der Rechnungslegungsobjekte, so betreibt sie Rechnungslegungspolitik. Diese Aktivitäten zielen darf ab, bestimmte Verhaltensweisen der Stakeholder unternehmenszielkonform zu beeinflussen (z. B. die Gestaltung des Jahresergebnisses, um geringere Ausschüttungen an die Aktionäre durchsetzen zu können). Sofern die zielgerichteten Gestaltungen der Rechnungsle-gungsobjekte von externen Analysten oder Ratingagenturen durch Methoden der Rechnungs-legungsanalyse aufgedeckt werden können, besteht die Gefahr, dass die Rechnungslegungspolitik der Unternehmensleitung leer läuft (Spannungsverhältnis zwischen Rechnung-legungspolitik und -analyse). Abbildung 19 verdeutlicht die drei Bereiche der Rechnungslegung.

Es bestehen wesentliche Unterschiede zwischen der handelsrechtlichen und der internationalen Rechnungslegung. Trotz der Verbreitung der IFRS hat das Handelsgesetzbuch (HGB) weiterhin eine

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wesentliche Bedeutung in Deutschland. In diesem Zusammenhang wird ein handelsrechtlicher Jahresabschluss zum Zwecke der Ausschüttungs- und Steuerbemessung gefordert. Für die Auf-stellung der Steuerbilanz zum Zwecke der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer gilt das Maßgeblichkeitprinzip von § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, nach dem die Steuerbilanz grundsätzlich aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluss abzuleiten ist.

Auf Konzernebene haben nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen ein Wahlrecht zur Erstellung eines IFRS- oder HGB-Konzernabschlusses (§ 315a Abs. 3 HGB). Für kapitalmarkt-orientierte Mutterunternehmen besteht hingegen eine grundsätzliche Verpflichtung zur Anwen-dung der IFRS im Konzernabschluss. Schließlich besteht die Möglichkeit, für Offenlegungszwecke auch den Einzelabschluss nach Maßgabe der IFRS aufzustellen (§ 325 Abs. 2a HGB).

Aus nationaler Sicht bilden die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) das Gerüst der Rechnungslegung. Es handelt sich um allgemeine Prinzipien, die größtenteils in Form gesetzlichen Vorschriften kodifiziert wurden. Abbildung 20 gibt einen Überblick.

Der Grundsatz der Bilanzwahrheit wird durch das Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 HGB) konkretisiert. Demnach muss der Jahresabschluss alle dem Unternehmen zuzurechnen Ver-mögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie sämtliche Aufwendungen und Erträge enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Hierbei sind wertauf-hellende Tatsachen am Abschlussstichtag zu berücksichtigen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Zudem ist der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei einem Auseinanderfallen von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB) zu folgen. Die nicht kodifizierten Grundsätze der Richtigkeit und Willkürfreiheit zielen auf die korrekte Ableitung des Jahresabschlusses aus der Buchführung und dem Inventar ab. Das Prinzip der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2 HGB) bringt zum Ausdruck, dass die einzelnen Posten des Jahresabschlusses eindeutig bezeichnet und geordnet (gegliedert) sein müssen.

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Abb. 19: Bereiche der Rechnungslegung

Rechnungslegung i. w. S.

Rechnungslegung i. e. S. Rechnungslegungsanalyse Rechnungslegungspolitik

Vorgeschriebene oder freiwillige

Übermittlung unternehmens-

bezogener Informationen an aktuelle Koalitionspartner (z. B. Aktionäre, Öffentlichkeit, Fiskus) und potentielle Koali-

tionsteilnehmer (z.B. private Investoren) mit Hilfe des Jahres-

abschlusses , des Lageberichts

und sonstiger Medien (z.B. Zwischenberichte, Aktionärs-

briefe und Umweltberichte).

Instrument der Unternehmens-

leitung zur Verhaltensbeeinflus-

sung der am Unternehmensge-

schehen beteiligten Gruppen

(Koalitionsteilnehmer) mittels Jahresabschluss, Lagebericht und/oder sonstiger Informationen.

Untersuchung der einzelnen Objekte der Rechnungslegung mit dem Ziel, Informationen zu gewinnen , die aus dem Jahresabschluss, Lagebericht und/oder sonstigen Medien nicht oder nur mit Einschrän-

kungen ersichtlich sind.

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Es bestehen wesentliche Unterschiede zwischen der handelsrechtlichen und der internationalen

Rechnungslegung. Trotz der Verbreitung der IFRS hat das Handelsgesetzbuch (HGB) weiterhin eine

wesentliche Bedeutung in Deutschland. In diesem Zusammenhang wird ein handelsrechtlicher

Jahresabschluss zum Zwecke der Ausschüttungs- und Steuerbemessung gefordert. Für die

Aufstellung der Steuerbilanz zum Zwecke der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Ein-

kommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer gilt das Maßgeblichkeitsprinzip von § 5 Abs. 1 EStG,

nach dem die Steuerbilanz grundsätzlich aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluss abzuleiten

ist.

Auf Konzernebene haben nicht kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen ein Wahlrecht zur

Erstellung eines IFRS- oder HGB-Konzernabschlusses (§ 315a Abs. 3 HGB). Für kapitalmarkt-

orientierte Mutterunternehmen besteht hingegen eine grundsätzliche Verpflichtung zur Anwen-

dung der IFRS im Konzernabschluss. Schließlich besteht die Möglichkeit, für Offenlegungszwecke

auch den Einzelabschluss nach Maßgabe der IFRS aufzustellen (§ 325 Abs. 2a HGB).

Aus nationaler Sicht bilden die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) das Gerüst der

Rechnungslegung. Es handelt sich um allgemeine Prinzipien, die größtenteils in Form gesetzlichen

Vorschriften kodifiziert wurden. Abbildung 21 gibt einen Überblick.

Der Grundsatz der Bilanzwahrheit wird durch das Vollständigkeitsprinzip (§ 246 Abs. 1 HGB) kon-

kretisiert. Demnach muss der Jahresabschluss alle dem Unternehmen zuzurechnen Vermögens-

gegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie sämtliche Aufwendungen und Erträ-

ge enthalten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Hierbei sind wertaufhellende Tatsachen aus Abschlussstichtag zu berücksichtigen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Zudem ist der

wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei einem Auseinanderfallen von wirtschaftlichem und juristischem Eigentum (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB) zu folgen. Die nicht kodifizierten Grundsätze der

Richtigkeit und Willkürfreiheit zielen auf die korrekte Ableitung des Jahresabschlusses aus der

Buchführung und dem Inventar ab. Das Prinzip der Klarheit und Übersichtlichkeit (§ 243 Abs. 2

HGB) bringt zum Ausdruck, dass die einzelnen Posten des Jahresabschlusses eindeutig bezeichnet

und geordnet (gegliedert) sein müssen.

Das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB) bringt prinzipiell das Postulat einer „Unter-

bewertung“ der Vermögensgegenstände und eine „Überbewertung“ der Schulden zum Ausdruck

(der Kaufmann soll sich nicht reichen rechnen als er ist). Aus dem Vorsichtsprinzip werden ver-

schiedene Grundsätze, wie z. B. das Realisations-, Imparitätsprinzip und Einzelbewertungsprinzip,

abgeleitet.

Das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 2. HS und § 252 Abs. 1 HGB) bringt zum Ausdruck, dass

Erträge erst vereinnahmt werden, wenn ein Gefahrenübergang stattgefunden hat und die

Hauptleistung erbracht wurde. Mit dem Realisationsprinzip eng verbunden ist das Anschaffungs-

kostenprinzip, das bis zum Realisationsakt gilt und eine höhere Zeitbewertung ausschließt. Das

Imparitäts-(Ungleichheits-)prinzip ergänzt das Realisationsprinzip hinsichtlich des Vorsichts-

gebots. Eingetretene, aber noch nicht realisierte Vermögensminderungen sind gegenüber den

Vermögensmehrungen (Erträgen) „imparitätisch“ zu behandeln (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB) und

frühzeitig als Aufwand zu erfassen. Das Imparitätsprinzip kommt insbesondere im Niederst-wertprinzip bei den Aktiva bzw. im Höchstwertprinzip bei den Passiva zum Ausdruck.

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Abb. 20: Rechnungslegungsprinzipien

Allgemeine Grundsätze

Grundsatz der Bilanzwahrheit Grundsatz der Vollständigkeit (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) Grundsatz der Richtigkeit Grundsatz der Willkürfreiheit

Grundsatz der Bilanzklarheit (§ 243 Abs. 2 HGB)

Klare Bilanzgliederung und Bezeichnungen (§ 247, § 265, § 266, § 275 HGB) Bruttoprinzip (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB)

Grundsatz der Vorsicht (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB)

Grundsatz der Bilanzkontinuität Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) formelle Bilanzkontinuität (Gliederung) (§ 265 Abs. 1 HGB) materielle Bilanzkontinuität (§ 246 Abs. 3, § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB)

GoB i.e.S. zur formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung(stechnik ) (§ 238 f. HGB)

GoB zu Inventur und Inventar (§§ 240 f. HGB)

GoB zur Aktivierung und Passivierung (§§ 246 - 251 HGB, §§ 270 - 274 HGB)

GoB zur Bewertung

Planmäßigkeit, Einzelbewertung, Wertansätze (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, §§ 253 - 256a HGB

Materielle Bilanzkontinuität

(vgl. Allgemeine Grundsätze)

Aktivierung von Vermögen Passivierung von Schulden und Rückstellungen Wirtschaftliche Betrachtungsweise (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB; § 39 Abs. 2 AO)

Realisations - und Imparitätsprizi

p (§ 252 Abs. 1 Nr. 4,

§§ 253 - 256a HGB) Niederstwertprinzip bei Aktiva Höchstwertprinzip bei Passiva

Grundsätze ordnungsmäßiger

Buchführung ( GoB )

Spezielle Anwendungen der GoB

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Zur Sicherstellung der zeitlichen und sachlichen Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses existiert der Grundsatz der Bilanzkontinuität. Zunächst ist auf die in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB kodifizierte Übereinstimmung der Wertansätze und Postenbezeichnungen in der Eröffnungsbilanz des laufen-den Geschäftsjahres und der Schlussbilanz des Vorjahres hinzuweisen (sog. Bilanzidentität). Überdies ist der Grundsatz der materiellen und formellen Stetigkeit zu beachten (§ 246 Abs. 3, § 252 Abs. 1 Nr. 6; § 265 Abs. 1 HGB). Während die materille Stetigkeit eine grundsätzliche Beibehaltung der auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Ansatz- und Bewer-tungsmethoden beinhaltet, stellt die formelle Stetigkeit auf die Beibehaltung der Gliederungs- und Ausweismethoden in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ab.

Das Rahmenkonzept der IFRS folgt im Grundsatz den Rechnungslegungsprinzipien des Handels-gesetzbuches, setzt allerdings andere Schwerpunkte. So steht die Vermittlung entscheidungs-nützlicher Informationen an die Adressaten der Rechnungslegung im Vordergrund, während das Vorsichtsprinzip nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Basisgrundsätze der IFRS sind die Unter-nehmensfortführung und die periodengerechte Erfolgsermittlung, die durch Primär- und Sekun-därprinzipien wie Entscheidungsrelevanz, glaubwürdige Darstellung, Vollständigkeit und Genauig-keit der Informationen ergänzt werden. Schließlich finden sind bekannte Sekundärgrundsätze wir Vergleichbarkeit, Nachprüfbarkeit, Zeitnähe Verständlichkeit und Wesentlichkeit sowie das Kosten- und Nutzenprinzip als Nebenbedingungen.

Zu den Basisobjekten der Rechnungslegung gehören die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, der Anhang (sie bilden den Jahresabschluss) und der Lagebericht. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften und Mutterunternehmen kommen noch die Kapitalflussrechnung, der Eigenkapitalspiegel und die Segmentberichterstattung als Bestandteile des Anhangs hinzu. Abbildung 21 stellt die Objekte der Rechnungslegung nach HGB und IFRS gegenüber.

Bilanz: Die Bilanz informiert als Bestandrechnung über das Vermögen und die Bestände des Eigen- und Fremdkapitals des Unternehmens in Kontoform (§ 266 Abs. 1 Satz 1 HGB). Für nicht publizitäts-pflichte Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften sind im Rahmen der Bilanz-gliederung lediglich die in § 247 HGB genannten Posten verpflichtend darzustellen. Für Kapitalgesellschaften und ihnen gesetzlich gleichgestellte Unternehmen sind in § 266 HGB hingegen detailliierte Gliederungsvorschriften vorgesehen. Für kleine Kapitalgesellschaften und Kleinstkapitalgesellschaften bestehen Erleichterungen zur verkürzten Bilanzerstellung (§ 266 Abs. 1 Satz 3, Satz 4 HGB). Abweichend vom HGB ist nach den IFRS keine rechtsformabhängiges Bilanzgliederungsschema vorgesehen; es sind mindestens die in IAS 1.54 genannten Bilanzposten maßgebend. Gewinn- und Verlustrechnung (GuV): Die GuV fasst als Erfolgsquellenrechnung sämtliche Aufwendungen und Erträge im Laufe eines Geschäftsjahres in Staffelform zusammen (§ 275 HGB), wobei ein Wahlrecht zur Aufstellung nach dem Gesamt- oder Umsatzkostenverfahren besteht. Für kleine und mittelgroße Kapitalge-sellschaften sowie für Kleinstkapitalgesellschaften bestehen Erleichterungen zur verkürzten GuV nach § 276 und § 275 Abs. 5 HGB. Für sonstige Unternehmen existiert kein gesetzlich vor-geschriebenes Mindestgliederungschema (§ 242 Abs. 2 HGB). Auch die Erfolgsrechnung nach IFRS kann nach dem Gesamt- oder Umsatzkostenverfahren vorgenommen werden (IAS 1.101-105), wobei die Mindestinhalte in IAS 1.82 aufgeführt sind. Als Aufstellungsform sind Konto- oder Staffelform möglich. Im Gegensatz zur handelsrechtlichen GuV

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enthält die Gesamterfolgsrechnung nach den IFRS neben den ergebniswirksamen Aufwendungen und Erträge auch ergebnisneutrale Bestandteile, die in einem besonderen Ergebnis, dem Other Comprehensive Income, ausgewiesen werden. Anhang: Der Anhang ist bei Kapitalgesellschaften (Ausnahme: Kleinstkapitalgesellschaften) und ihnen gleichgestellte Unternehmen Pflichtbestandteil des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Er dient primär der Erläuterung und Entlastung von Bilanz und GuV (§§ 284-288 HGB). Für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften bestehen Erleichterungen (§ 288 Abs. 1,2 HGB). Kleinst-kapitalgesellschaften brauchen grundsätzlich keinen Anhang zu erstellen. Nach IFRS ist der Anhang unabhängig von der Rechtsform Pflichtbestandteil des Abschlusses, wobei die Angabepflichten im Vergleich zum HGB viel detaillierter sind. Lagebericht/Management Commentary: Ergänzend zum Jahresabschluss müssen mittelgroße und große Kapitalgesellschaften einen Lagebericht erstellen (§ 264 Abs. 1. Satz 1 HGB), der sowohl Informationen über das abgelaufene Geschäftsjahr als auch künftige Informationen beinhaltet. Ferner kann der Lagebericht um freiwillige Informationen ergänzt werden (z B. Nachhaltigkeits- und Umweltberichterstattung). Die Vorschriften zum Lagebericht befinden sich in § 289, § 289a HGB und § 289f HGB (Erklärung zur Unternehmensführung).

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kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft i. S. d. § 264d HGB

Sonstige Kapitalgesellschaft

IFRS Handelsrecht IFRS Handelsrecht Bilanz Gesamterfolgsrechnung Anhang Kapitalflussrechnung Eigenkapitalspiegel Segmentbericht Management Commentary (Wahlrecht)

Bilanz Gewinn- und Verlustrechnung Anhang Kapitalflussrechnung Eigenkapitalspiegel Segmentbericht (Wahlrecht) Lagebericht

Bilanz Gesamterfolgsrechnung Anhang Kapitalflussrechnung Eigenkapitalspiegel Segmentbericht (Wahlrecht) Management Commentary (Wahlrecht)

Bilanz Gewinn- und Verlustrechnung Anhang Kapitalflussrechnung (Wahlrecht) Eigenkapitalspiegel (Wahlrecht) Segmentbericht (Wahlrecht) Lagebericht (Wahlrecht für kleine Kapitalgesellschaften)

Abb. 21: Rechnungslegungsobjekte nach HGB und IFRS im Vergleich

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Die IFRS enthalten kein dem Lagebericht vergleichbares Publizitätsinstrument; empfohlen wird die Erstellung eine sog. Management Commentary zur Ergänzung und Erläuterung des IFRS-Abschlus-ses. Der Lagebricht stellt aufgrund seiner Zukunftsorientierung das wichtigste Objekt der Rechnungslegungsanalyse durch unternehmensexterne Ratingagenturen dar. Kapitalflussrechnung: Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. d. § 264d HGB, die keinen IFRS-Abschluss er-stellen, und Muttergesellschaften eines Konzerns müssen zusätzlich eine Kapitalflussrechnung erstellen (§ 264 Abs. 1 Satz 2; § 297 Abs. 1 Satz 1 HGB), die dann Bestandteil des Anhangs ist. Da keine Vorgaben zu Inhalt und Struktur der Kapitalflussrechnung im Handelsrecht existieren, erfolgt ein Rückgriff auf den Deutschen Rechnungslegungsstandard 21 (DRS 21). Nach den IFRS ist die Kapitalflussrechung (IAS 7) rechtsformunabhängiger Pflichtbestandteil des Abschlusses (IAS 1.10) und soll den Unternehmensadressaten finanzielle Informationen ver-mitteln, die der Bilanz und GuV nicht oder nur mittelbar entnommen werden können. Insbe-sondere sollen die Stakeholder beurteilen können, wie Zahlungsüberschüsse (Cash Flows) erwirtschaftet, Investitionen vorgenommen, Schulden getilgt und Ausschüttungen erzielt werden konnten. Zu diesem Zwecke muss die Kapitalflussrechnung im Rahmen einer Stromgrößen-rechnung zeigen, wie sich der Cash Flow aus laufender Geschäfts-, Investitions- und Finanzierungs-tätigkeit entwickelt hat. Zudem hat eine Bestandsrechnung die Veränderungen eines Finanz-mittelfonds zu verdeutlichen, die durch die genannten Stromgrößen während des Geschäfts-jahres bewirkt wurden. Eigenkapitalspiegel: Kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i. S. d. § 264d HGB, die keinen IFRS-Abschluss erstellen, und Muttergesellschaften eines Konzerns müssen zusätzlich einen Eigenkapitalspiegel erstellen (§ 264 Abs. 1 Satz 2; § 297 Abs. 1 Satz 1 HGB), der dann ebenfalls Bestandteil des Anhangs ist. Da keine Vorgaben zu Inhalt und Struktur der Kapitalflussrechnung im Handelsrecht existieren, erfolgt ein Rückgriff auf den Deutschen Rechnungslegungsstandard 7 (DRS 7; künftig E-DRS 29). Nach den IFRS ist ein Eigenkapitalspielgel (IAS 1) rechtsformunabhängiger Pflichtbestand-teil des Abschlusses (IAS 1.10) und soll den Unternehmensadressaten Informationen über die erfolgswirksamen und -neutralen Veränderungen des Eigenkapitals vermitteln, die der Bilanz und GuV nicht oder nur mittelbar entnommen werden können. Segmentbericht: In Abgrenzung zu den anderen Komponenten des HGB-Abschlusses und mit Ausnahme der Umsatzsegmentierung im Anhang (§ 285 Nr. 4 HGB) ist der Segmentbericht für alle Unternehmen freiwillig (§ 264 Abs. 1 Satz 2; § 297 Abs. 1 Satz 2 HGB). Da keine Vorgaben zu Inhalt und Struktur der Segmentberichterstattung im Handelsrecht existieren, erfolgt ein Rückgriff auf den Deutschen Rechnungslegungsstandard 3 (DRS 3). Nach den IFRS ist die Segmentberichterstattung (IAS 8) rechtsformunabhängiger Pflichtbestandteil des Abschlusses (IAS 1.10) und soll den Unternehmensadressaten Informationen über die Art und finanziellen Auswirkungen der einzelnen Geschäftstätigkeiten sowie des wirtschaftlichen Umfelds vermitteln, die der Bilanz und GuV nicht oder nur mittelbar entnommen werden können. Ein Geschäftssegment ist ein Unternehmensbestandteil, in dem Geschäftstätigkeiten betrieben werden, die Erfolge generieren, in der Verantwortung des Managements liegen und durch separate Finanzinformationen gesteuert werden. Für die einzelnen gebildeten Segmente (z. B. Business oder Geopraphic Segment) sind dann bestimmte Informationen im Hinblick auf das

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Segmentvermögen, die Segmentschulden, den Segmentumsatz, die Segmentabschreibungen, die Segmentinvestitionen und das Segmentergebnis im Segmentbericht zu geben. Der Aufsichtsrat hat den (Konzern-) Jahresabschluss, den (Konzern-) Lagebericht sowie den Vorschlag über die Verwendung des Bilanzgewinns zu prüfen (§ 171 Abs. 1 AktG) und über das Ergebnis schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten (§ 171 Abs. 2 Satz 1 AktG).

Sofern ein Konzernverbund vorliegt, hat der Aufsichtsrat des Mutterunternehmens auch den Konzernabschluss und -lagebericht zu prüfen. Unmittelbar verknüpft mit der Prüfung der Rechnungslegung ist die gebotene Prüfung des Risikomanagementsystems nach § 107 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 91 Abs. 2 AktG sowie die Überwachung der externen Abschlussprüfung und ihre Berichterstattung (171 Abs. 1 Satz 3, 4 und 5 AktG). Die externe Abschlussprüfung durch den Abschlussprüfer nach § 316 und § 317 HGB entbindet den Aufsichtsrat nicht von einer eigen-ständigen und eigenverantwortlichen Würdigung der Rechnungslegung des Vorstands. Sofern die Abschlussprüfung von einem Prüfungsausschuss nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG vorgenommen wird, unterliegt diese einem Plenumsvorbehalt, d. h. ein eingesetzter Prüfungsausschuss kann hierbei lediglich vorbereitend tätig werden. Als Prüfungsmaßstab des Aufsichtsrats gilt die Beurteilung der Recht-, Ordnungs- und Zweckmäßigkeit, wobei auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA) zurückzu-greifen ist. Insofern muss neben der Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestim-mungen auch die wirtschaftliche Angemessenheit der Rechnungslegungspolitik geprüft werden. Letztere geht über die Prüfungspflicht des Abschlussprüfers hinaus. Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften i. S. d. § 264d HGB muss zumindest ein unab-hängiger Finanzexperte im Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss vertreten sein, der nach § 100 Abs. 5 i. V. m. § 107 Abs. 4 AktG „[…] über Sachverstand auf den Gebieten der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen […]“ muss.

3.2.5 Risikomanagement

Unter Auslegung von § 91 Abs. 2 AktG hat sich in Wissenschaft und Praxis die Auffassung durchgesetzt, dass das Risikomanagementsystem (RMS) aus den Aufbaukomponenten Internes Überwachungs-, Controlling- und Früherkennungssystem besteht (vgl. Abbildung 13). Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 AktG zum RMS ist im Zusammenhang mit der Regelung von § 76 Abs. 1 AktG zu sehen, nach der der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung leitet. Hieraus ergeben sich für die Vorstandsmitglieder bestimmte Organisationspflichten, die zum Zwecke der Sicherung des Unternehmensfortbestands erfüllt werden müssen. Zum Internen Überwachungssystem gehören sowohl das Interne Kontrollsystem (IKS) als auch die Interne Revision (IR). Während das IKS sie Summe aller prozessabhängigen, permanenten Kontrollen umfasst, die üblicherweise innerhalb einer Gesellschaft zu installieren sind (z. B. organisatorische Sicherungs-, Kosten-, Leistungs-, Investitions-, Finanzierungs-, Liquiditäts- und Qualitätskontrollen sowie buchhalterische Kontrollen), bezieht sich die Aufgabe der IR als i. d. R. unternehmenseigene (Stabs-)Abteilung auf Prüfungen und Beratungen auf sämtlichen Unter-nehmensebenen. Mit der Einrichtung einer IR delegiert der Vorstand seine Überwachungsaufgabe auf eine prozessunabhängige Institution, die aufgrund ihrer spezifischen Ausrichtung und Fachkompetenz besonders geeignet ist, die Geschäftsführung wirkungsvoll zu unterstützen.

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Unter dem Controlling als zweite wichtige Aufbaukomponente des RMS ist ein Instrument zur Wirkungsverbesserung des Vorstands zu verstehen, das Führungshilfe bei der Zielbildung, Planung, Kontrolle, Koordination und Information (dazu gehört auch der IT-Aufbau mit der Installation von digitalisierten Managementinformationssystemen) leisten soll. Hieraus folgt, dass sich die Aufgabe des Controllings keineswegs in der Kontrolle (z. B. in der Pflege des IKS) erschöpft, sondern insbesondere unter Rückgriff auf die Planung in der Erarbeitung von IT-gestützten Lenkungs- und Steuerungsmaßnahmen (z. B. Bestimmung von Preisgrenzen im Beschaffungs- und Absatzbereich) für die Unternehmensleitung besteht. Das Früherkennungssystem stellt ein spezielles Informationssystem des Vorstands dar, mit dessen Hilfe latente Risiken und Chancen durch Früherkennungsindikatoren im zeitlichen Vorlauf sichtbar gemacht und ggf. analysiert werden können (z. B. das Wegbrechen bestimmter osteuropäischer Absatzmärkte mit den hieraus resultierenden erfolgs- und liquiditätsbezogenen Konsequenzen). Die frühzeitig Identifizierung von Gefahren- und Chancenpotentialen eröffnet dem Vorstand die Möglichkeit, rechtzeitig geeignete Maßnahmen einzuleiten, durch die Risiken abgewehrt oder gemildert bzw. Chancen genutzt werden können [z. B. Entwicklung innovativer Neuprodukte, um auf anderen (westeuropäischen) Absatzmärkten die drohenden Verluste zu kompensieren]. Es ist bei der Einrichtung des RMS darauf zu achten, dass seine Aufbaukomponenten miteinander vernetzt sind, da nur dann das RMS seine volle Wirkung entfalten kann. So muss etwa mit der Ausdehnung des Prüfungsobjekts der IR auf alle Unternehmensebenen auch das Controlling (einschließlich des IKS) und das Früherkennungssystem Prüfungsobjekt der IR sein. Ferner ergibt sich aus der Begriffsbestimmung des Controllings, dass die Aufbau- und Ablauforganisation des RMS mit den Stufen Ziel- und Strategieformulierung, Identifikation und Analyse, Bewertung, Steuerung und schließlich Berichterstattung von Risiken und Chancen aus strategischer und operativer Sicht unzweifelhaft in den Aufgabenbereich des Controllings fällt (vgl. Abbildung 22).

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Abb. 22: Prozess des Risikomanagements (vgl. Lück 1998 b, S. 1925-1930)

Risikoanalyseund -bewertung

Risiko-identifikation

Risiko-steuerung

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Aus dieser Strukturierung ergeben sich wiederum wichtige Hinweise nicht nur für die Einrichtung des RMS, sondern auch für seine Prüfung durch die IR, den Aufsichtsrat und den Abschlussprüfer sowie seiner Aufbau- und Ablauforganisation bzw. für die Berichterstattung der Chancen- und Risikopolitik im (Konzern-)Lagebericht gem. § 289 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 HGB bzw. § 315 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4HGB. Der Begriff des Risikos wird in der Betriebswirtschaftslehre allgemein als Unkenntnis der in Zukunft zu realisierenden Umweltzustände definiert. Risiken beschreiben mithin durch Ungewiss-heit bedingte mögliche negative oder positive Abweichungen zwischen Handlungsergebnissen und gesetzten Zielen. Hieraus folgt, dass das Risiko nicht nur als Verlustgefahr zu sehen ist, sondern auch mögliche Gewinnchancen zu berücksichtigen hat. Vor diesem Hintergrund zielt das vom Vorstand betriebene Risikomanagement (Risikopolitik) eines Unternehmens grundsätzlich darauf ab, in allen Funktionsbereichen und sämtlichen Prozessen Verlustpotentiale zu begrenzen und Gewinnpotentiale auszuschöpfen. Während sich das Unter-nehmen gegen die Konsequenzen bestimmter (Verlust-)Risiken versichern kann (z. B. Brand-, Diebstahl-, Haftungs- und Betriebsunterbrechungsrisiken), muss das Markt- und Kapitalrisiko in jedem Fall selbst getragen werden. Allerdings erfolgt eine Entschädigung für die zuletzt genannten Risikoarten im unternehmerischen Gewinn. Der Prozess des Risikomanagements mit den Stufen Ziel- und Strategieformulierung, Identifikation und Analyse, Bewertung und Steuerung von Risiken und Chancen soll beispielhaft verdeutlicht werden. Der gesamte Prozess des Risikomanagements, der auch das Reporting mit einschließt, ist aus strategischer und operativer Sicht in die Hand des Controllings zu legen, wobei der Vorstand, der letztendlich die Verantwortung für seine Einrichtung trägt, grundlegende Leitlinien im Hinblick auf die Systembildung, -pflege und -überwachung formulieren sollte. Risikoidentifikation: Im Rahmen der Risikoidentifikation ist in einer Art Inventur zu untersuchen, welche Einzelrisiken das Unternehmen in seiner Existenz bedrohen und welche Einzelchancen genutzt werden können. Dies führt zu einem komplexen System von Einzelrisiken (z. B. Standort-, Lieferanten-, Kunden-, Kredit- und Steuerrisiken), deren Zusammenfassung die Gesamtrisikolage (Value at Risk) zum Ausdruck bringt. Hierdurch wird es möglich, Aussagen über die Risikosituation abgrenzbarer unternehmerischer Bezugsobjekte (z. B. das Unternehmen, Tochtergesellschaften, Teilbetriebe, Profitcenter, Segmente) vornehmen zu können. Da sich die Lage bezüglich der einzelnen und verdichteten Risiken laufend ändert, hat der Vorstand durch entsprechende Arbeitsanweisungen sicherzustellen, dass ihre Identifikation als rollierender Prozess auf sämtlichen Unternehmens-ebenen organisiert wird. Risikoanalyse: Die Risikoanalyse greift auf die zuvor für Einzelrisiken und Gesamtrisiken festgestellten Gefähr-dungs- und Erfolgspotentiale zurück und untersucht sowohl deren Ursachen als auch deren Wir-kungen. So schließt sich etwa an die Ursachenermittlung bestimmter Kostenrisiken (z. B. durch erwartete Tarifverhandlungen oder Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten für Rohstoffe) stets die Frage nach ihren Auswirkungen an (z. B. auf die Preiskalkulation absatzbestimmter Erzeugnisse). In diesem Zusammenhang sollte sich der Vorstand vor allem durch Befragung der Manager und leitenden Mitarbeiter in den einzelnen Unternehmensbereichen zunächst ein Bild über die Risiken- und Chancenquellen verschaffen, da bei diesem Personenkreis infolge der

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permanenten Beschäftigung mit der Thematik im Rahmen des Tagesgeschäftes eine hohe Fach-kompetenz vorliegt. Risikobewertung: Die zielführende Steuerung identifizierter und analysierter Risiken setzt ihre Bewertung voraus, damit die verantwortlichen Mitarbeiter im Rahmen des RMS erkennen können, wann Hand-lungsbedarf besteht. Aufgrund des mangelnden Wissens über zukünftige Entwicklungen ist häufig eine Quantifizierung von Risiken und Chancen auf der Basis von Erwartungswerten in der Praxis nicht möglich. In diesen Fällen bietet es sich an, eine Einschätzung der Risikolage durch Rückgriff auf die sog. Portfoliotechnik vorzunehmen, indem die Eintrittswahrscheinlichkeit qualitativ (subjektiv) anhand von Klassifizierungen wie „sehr wahrscheinlich“ bis „unmöglich“ vorgenommen wird. Im Hinblick auf die Fokussierung von Verlustrisiken kann etwa die Schadenshöhe bei unzureichender Bewertbarkeit von den Kategorien „existenzbedrohend“ bis „unbedeutend“ reichen. Es bietet sich an, die Resultate aus der Identifikation, Analyse und Bewertung von Risiken und Chancen für abgrenzbare organisatorische Einheiten (z. B. Rechnungswesen) übersichtlich und systematisch in einer Risk Map bzw. einem Risk Trading Sheet darzustellen. In diese ggf. IT-gestützten Dokumentationen sollten aber auch Vorschläge für sinnvolle Risikoabwehr- bzw. Chancennutzungsmaßnahmen (z. B. Versetzung überforderter Mitarbeiter im Rechnungswesen, wenn gravierende Mängel bei der Erstellung des Jahresabschlusses festgestellt werden), die ggf. bereits eingeleitete Aktivitäten (z. B. Schulungsmaßnahmen für den Leiter des Rechnungswesens) sowie die organisatorischen Zuständigkeiten (z. B. Finanzvorstand) enthalten, aufgenommen werden. Hierdurch wird die Verbindung der Bewertung und Steuerung von Risiken und Chancen verdeutlicht. Risikosteuerung: Im Rahmen der Risikosteuerung ist von den Verantwortlichen des RMS zu entscheiden, welche Risiken und Chancen wesentlichen Charakter tragen und damit unmittelbaren Handlungsbedarf auslösen. Zu diesem Zwecke sind die bewerteten Risiken und Chancen mit den formulierten Sicherheitszielen unter Beachtung der festgelegten Toleranzgrenzen zu vergleichen (z. B. ist die Produktion aus erfolgswirtschaftlicher Sicht zur Vermeidung eines Verlustrisikos erst dann einzustellen, wenn der aufgrund aggressiver Konkurrenzkonstellationen sinkende Absatzpreis für ein Erzeugnis die kurzfristige Preisuntergrenze in Gestalt seiner variablen Selbstkosten unter-schreitet). Ältere Auffassungen zum RMS beschäftigten sich lediglich mit der Akzeptanz (z. B. wenn die betreffenden Eintrittswahrscheinlichkeiten und ihre Auswirkungen auf die Finanz-, Vermögens- und Ertragslage gering sind) und Überwälzung von Verlustrisiken [z.B. durch den Einkauf von Sach-, Personen-, Unterbrechungs- und Haftpflichtversicherungen (Risk Management) oder die Verlagerung von Lager-, Transport-, Entwicklungs- und Abnahmerisiken auf Vertragspartner]. Das neuere, ursachenbezogene (aktive) Risikomanagement bezieht sich darüber hinaus auf die Vermeidung und Reduzierung von Verlustrisiken (z. B. Installation von Sprinkleranlagen zum Zwecke der Brandverhütung, Einrichtung von Materialeingangs- und Erzeugnisausgangskontrollen zur Vermeidung des Gewährleistungsrisikos gegenüber den Abnehmern im Rahmen einer Erwei-terung des IKS oder Eingehen von Gegenpositionen im Rahmen währungsbezogener Spekulations-geschäfte) bzw. auf das Erkennen und den Aufbau von strategischen Erfolgspotentialen (z. B. das Eingehen von Kooperationen, Konzentrationen oder Fusionen, um die Existenz der eigenen Gesellschaft mit dem Ziel einer nachhaltigen Unternehmenswertsteigerung langfristig zu sichern).

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Neben dem Abschlussprüfer obliegt dem Aufsichtsrat im Kontext seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG die Pflicht, das RMS auf seine Ordnungs-, Recht-, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen. Hierbei darf er sich grundsätzlich aber nicht der IR bedienen, die im deutschen (dualistischen) System der Unternehmensverfassung in aller Regel als Stabsstelle den Weisungen des Vorstandes unterliegt und ausschließlich an diesen berichtet. Allerdings kann der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Pflicht zur Überwachung des RMS bei Bedarf Sachverständige und Auskunftspersonen zur Beratung in der Aufsichtsratssitzung heranziehen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG), wobei auf Angestellte der Gesellschaft bzw. des Konzerns nur auf Vermittlung des Vorstandes zurückgegriffen werden darf. Der deutsche Gesetzgeber ist mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) vom 25. 05. 2009, nach dem sich u. a. gemäß § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG ein ggf. installierter Prüfungsausschuss auch mit der Wirksamkeit des internen RMS zu befassen hat, den europäischen Vergaben entsprechend gefolgt. Zudem ist auch der Informationsaustausch zwischen Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss und Abschlussprüfer über die Prüfungsergebnisse des RMS durch die Novellierung von § 171 Abs. 1 Satz 2 AktG konkretisiert worden. Sofern der Leiter des (Konzern-) Controllings für das Risikomanagement als zuständig gelten kann, ist mithin ein unmittelbarer Kontakt zwischen Controlling und Aufsichtsrat bzw. Audit Committee gegeben, der zudem nicht sporadisch, sondern quartalsweise erfolgt. Hierdurch leistet das Controlling einen institutionali-sierten Beitrag zur Verbesserung der Corporate Governance auf einer Ebene oberhalb des Vorstands; es wird gar zu einem Bindeglied zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Allerdings kann der Aufsichtsrat seine Überwachungsaufgabe nur dann hinreichend erfüllen, wenn er mit entsprechenden Informationen durch den Vorstand versorgt wird. § 90 AktG regelt im Einzelnen die ordentlichen und außerordentlichen Berichtspflichten des Vorstandes, die er gegenüber dem Aufsichtsrat zu erfüllen hat. Insbesondere sieht § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG vor, dass grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere der Finanz-, Investitions- und Personalplanung) sowie Abweichungen der tatsächlichen Entwicklung von früher berichteten Zielen unter Angabe von Gründen der Berichtspflicht des Vorstandes unterliegen. Ferner muss der Aufsichtsrat laut § 90 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG über die Rentabilität, den Umsatz und die Lage der Gesellschaft unterrichtet werden. Eine derartige Informationsbereitstellung setzt die Existenz eines umfassenden Controllingsystems voraus, aus dem die geforderten Planungs-, Kontroll- und Steuerungsgrößen zu entnehmen sind. Da der Vorstand einer Konzernmuttergesellschaft nicht nur über wesentliche Risiken im eigenen Unternehmen informiert sein sollte, sondern darüber hinaus auch die Risikolage des Gesamt-konzerns im Auge haben muss, lässt sich für die Konzernleitung die Verpflichtung ableiten, in das RMS ebenfalls sämtliche Tochtergesellschaften mit einzubeziehen. Hierdurch wird es möglich, bestandsgefährdende Risiken des Gesamtkonzerns frühzeitig zu erkennen und ggf. konzerninterne Risikoausgleichsstrategien zu entwickeln. In Analogie zu § 111 Abs. 1 AktG bzw. § 317 Abs. 4 HGB ist das konzernweite RMS und damit auch das konzernweite Controllingsystem sowohl vom Aufsichtsrat der Konzernmuttergesellschaft als auch vom Konzernabschlussprüfer (§ 316 Abs. 2 HGB) zu prüfen, sofern es sich bei der Konzernmuttergesellschaft um eine börsennotierte Aktiengesellschaft handelt.

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3.2.6. Compliance

Über den Begriff „Compliance“ existiert kein einheitliches Verständnis. Unter Compliance kann verkürzt etwa die Einhaltung von Regeln verstanden werden. Dieses Verständnis bedürfte nicht zwangsläufig eines eigenen Begriffs, trotzdem hat die Bezeichnung Compliance Eingang in Normierungen gefunden. Über Compliance wird sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch juristischer Perspektive auf verschiedenen Ebenen diskutiert, wenngleich die Auffassungen hier-über nicht immer einheitlich bzw. eindeutig sind. Der Auffassung des Arbeitskreises „Externe und Interne Überwachung der Unternehmen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. folgend beinhaltet der Begriff Compliance „die Einhaltung aller für ein Unternehmen relevanten rechtlichen und ethischen, branchen-spezifischen und organisationsinternen Handlungs- und Verhaltensregeln.“ Im Rahmen der Verantwortung des Aufsichtsrats für die Compliance haben drei Aspekte eine besondere Bedeutung. Dies betrifft

• den Inhalt und die Reichweite der präventiv verstandenen Compliance-Verantwortung des Aufsichtsrats,

• die Aufgaben des Aufsichtsrats bei Aufkommen eines Verdachts auf einen Compliance-Verstoß sowie

• mögliche Instrumente zur Wahrnehmung seiner Compliance-Verantwortung. Die Compliance kann, wie in Abbildung 2 gezeigt, in das Managementinformationssystem inte-griert werden. Explizite gesetzliche Vorgaben zur Compliance, die für alle Unternehmen gelten, existieren in Deutschland nicht. Vielmehr gilt der grundsätzlich freiwillig anwendbare Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) als leitende Norm. Der DCGK enthält in erster Linie Empfehlungen und Anregungen für börsennotierte und kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die jedoch prinzipiell nicht obligatorisch anzuwenden sind. Nicht kapitalmarkorientierten Gesellschaften wird die Anwendung des Kodex empfohlen. Darüber hinaus ist von einer Ausstrahlwirkung des DCGK auf andere Rechtsformen auszugehen. Obwohl die Anwendung des Kodex grundsätzlich freiwillig ist, kann von einer impliziten Verpflichtung zur Beachtung des DCGK ausgegangen werden, da börsennotierte Aktiengesellschaften gem. § 161 AktG eine sog. Entsprechenserklärung abzugeben haben, inwiefern sie den Empfehlungen des DCGK gefolgt sind. Im Falle der Nichtbeachtung ist eine Begründung anzugeben. Die Entsprechenserklärung ist gem. § 289f Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 315d HGB in die Erklärung zur Unternehmensführung als Bestandteil des handelsrechtlichen (Konzern-) Lageberichts aufzunehmen. Gem. Grundsatz 5 des DCGK hat der Vorstand „[…] für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der internen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung im Unternehmen hin (Compliance).“ Hiermit wird die Verantwortung des Vorstands für die Compliance bzw. die Einrichtung eines Compliance-Managementsystems (CMS) klargestellt. Der Aufsichtsrat hat insofern keine eigene Verantwortung für die Einrichtung eines CMS. Vielmehr muss der Aufsichtsrat gem. § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung bzw. den Vorstand überwachen, so dass konsequenterweise auch die Einrichtung und Funktionsfähigkeit des CMS von der Überwachung des Aufsichtsrats betroffen ist. Zu diesem Zweck informiert der Vorstand gem. Grundsatz 15 des DCGK „[…] den Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen relevanten Fragen insbesondere der Strategie, der Planung, der Geschäftsent-

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wicklung, der Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance.“ Der Aufsichtsrat kann gem. § 107 Abs. 3 AktG Ausschüsse bestellen. Explizit genannt wird der Prüfungsausschuss. D.3 des DCGK konkretisiert die Aufgaben des Prüfungsausschusses, der unter anderem auch für die Überwachung der Compliance zuständig ist. Falls kein Prüfungsausschuss gebildet wurde, ist der Gesamtaufsichtsrat selbst für die Überwachung der Compliance verantwortlich. Obwohl keine expliziten gesetzlichen Normierungen zur Compliance vorliegen, sind insbesondere börsennotierte und kapitalmarktorientiere Gesellschaften, aber auch nicht kapitalmarkorientierte Gesellschaften und andere Unternehmensrechtsformen zumindest implizit verpflichtet, ein CMS einzurichten. Darüber hinaus ist es auch ohne explizite gesetzliche Normierung empfehlenswert, ein CMS aufzubauen, da dessen Existenz nach dem Recht zahlreicher Staaten und der behördlichen Verwaltungspraxis im Falle von etwaigen Regelverstößen durch Mitarbeiter sank-tionsmindernd wirken und auch bei der Bemessung von Bußgeldern berücksichtigt werden kann. Zudem kann die Gefahr einer Organhaftung gegenüber der Gesellschaft reduziert bzw. ausgeschlossen und eine Außenhaftung der Gesellschaft begrenzt werden. Die Nichteinrichtung eines CMS kann ein Grund für die außerordentliche Kündigung des Vorstands durch den Aufsichtsrat sein. Ergänzende Regelungen existieren in spezifischen Branchen. So fordert etwa § 25a KWG Abs. 1 Nr. 3c für Banken die Einrichtung einer Compliance-Funktion, welche in AT 4.4.2 der Mindestan-forderungen an das Risikomanagement (MaRisk BA) näher konkretisiert wird. Für Versicherungs-unternehmen ist § 29 Abs. 1 VAG maßgebend. Hiernach „[…] muss das interne Kontrollsystem über eine Funktion zur Überwachung der Einhaltung der Anforderungen (Complian-Funktion) verfügen.“ Auf diese branchenspezifischen Anforderungen wird nachfolgend nicht näher einge-gangen. Obwohl keine einheitliche Auffassung über die Compliance existiert, können mit der Vermeidung, der Aufdeckung und der Reaktion von bzw. auf Fehlverhalten drei Grundfunktionen unter-schieden werden. Bezüglich eines dahingehend einzurichtenden CMS sind Ziele und Instrumente zu subsumieren, „[…] die auf die Sicherstellung eines regelkonformen Verhaltens der gesetzlichen Vertreter und der Mitarbeiter des Unternehmens sowie ggf. von Dritten abzielen, d.h. auf die Einhaltung bestimmter Regeln und damit auf die Verhinderung von wesentlichen Verstößen (Regelverstöße)“ (IDW PS 980, Tz. 6). In der Literatur existieren ebenfalls verschiedene Auffassungen, wie die Compliance in die unter-nehmerische Organisation integriert sein sollte. So ist es z. B. denkbar, die Compliance als Stabsstelle, als Teil der Rechtsabteilung oder als Teil der Internen Revision zu organisieren. Demgegenüber identifiziert die h. M. das Risikomanagementsystem (RMS) als Bezugspunkt und leitet drei mögliche Auffassungen bezüglich der organisatorischen Ausgestaltung eines CMS ab. Alternativ könnte hiernach (1) das CMS Bestandteil des RMS nach § 91 Abs. 2 AktG sein, (2) das CMS ein eigenständiges Organisationselement ohne Verbindungen zum RMS darstellen oder (3) das CMS und RMS Schnittmengen aufweisen, jedoch auch jeweils eigenständige Ziele verfolgen und unterschiedliche Instrumente einsetzen. Eine weitere Möglichkeit, sich dem Thema Compliance zu nähern, besteht darin, eine eher juristische Perspektive einzunehmen und organisatorische Überlegungen im Hinblick auf häufig in Unternehmen vorkommende Straftaten vorzunehmen. So können etwa Compliance-relevante Themen nach den Tatbeständen Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Insolvenzdelikte des StGB, Insolvenzverschleppung (§15a InsO), Korruptionsdelikte (§§ 299 ff. StGB) oder

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Steuerhinterziehung (§ 370 AO) gegliedert werden. Aus diesen Überlegungen heraus werden in der Praxis häufig Compliance-Beauftragte für spezifische Themengebiete eingesetzt. Dies kann z. B. die steuerliche Compliance, Datenschutz- und IT Compliance, Human-Resources-Compliance, Vertriebs-Compliance, Kartellrechts-Compliance oder kapitalmarktrechtliche Compliance betref-fen.

Die vorstehenden Überlegungen machen deutlich, dass in der Praxis kein einheitliches Organisationsmodell vorzufinden sein dürfte. Dennoch ist der Vorstand verpflichtet, geeignete Compliance-Maßnahmen zu ergreifen, und der Aufsichtsrat muss die Aktivitäten des Vorstands in angemessener Form überwachen. Der Aufsichtsrat ist zwar nicht verantwortlich für die Einrichtung eines Compliance-Managementsystems, jedoch ist er verpflichtet, eine angemessene Überwa-chung des Vorstands in diesem Kontext vorzunehmen. Im Rahmen seiner Überwachungspflicht muss der Aufsichtsrat konsequenterweise prüfen, ob ein CMS eingerichtet und inwieweit es funktionsfähig ist. Insofern stellt sich die Frage nach dem Inhalt und der Reichweite der präventiven Compliance Verantwortung des Aufsichtsrats. Der Vorstand ist für die Einrichtung geeigneter Compliance-Maßnahmen zuständig und muss im Rahmen seiner Informationspflichten den Aufsichtsrat hierüber informieren. Dennoch ist im Kontext der gesetzlichen Informationspflichten des Vorstands darüber hinaus auch von einer Holschuld des Aufsichtsrats auszugehen, so dass dieser im Rahmen seiner Selbstverantwortung ggf. Sonderberichte über die Compliance-bezogenen Tätigkeiten des Vorstands anfordern sollte, wenn Anzeichen vorliegen, dass eine Überwachung durch die Regelberichte nicht in aus-reichendem Maß möglich ist oder wenn Zweifelsfragen oder Unklarheiten im Rahmen der Regel-berichte aufkommen. Ferner sollte der Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen auch anlassunab-hängig überprüfen, ob der Vorstand seiner Compliance-Verantwortung angemessen nachkommt. Bei Aufkommen eines Verdachts auf einen Compliance-Verstoß ist zunächst grundsätzlich der Vorstand gefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen. Ggf. ist in diesem Fall auch das CMS anzupassen, um entsprechendes Fehlverhalten für die Zukunft zu vermeiden, je nachdem, ob es sich um einmaliges oder regelmäßiges Fehlverhalten handelt. Die Aufgabe des Aufsichtsrats besteht in diesem Fall darin, zu überprüfen, ob der Vorstand angemessen auf das Fehlverhalten reagiert und ggf. einen Optimierungsprozess eingeleitet hat. Im äußersten Fall kann der Auf-sichtsrat Personalmaßnahmen ergreifen und den Vorstand entlassen, wobei diese Maßnahme sicherlich nur in Ausnahmefällen greifen sollte, etwa wenn der Vorstand selbst ein Fehlverhalten begangen hat. Insbesondere im Falle des Verdachts auf ein Fehlverhalten durch den Vorstand sollte der Aufsichtsrat zur Wahrnehmung seiner Compliance-Verantwortung in Erwägung ziehen, ohne Vermittlung des Vorstands, direkten Kontakt zu Angestellten der Gesellschaft (z. B. Chief Compliance Officer) aufzunehmen, um die entsprechenden Sachverhalte aufzuklären, auch wenn hierdurch einerseits das Vertrauensverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat gefährdet und andererseits der betroffene Mitarbeiter Loyalitätskonflikten ausgesetzt wird. Unter Umständen sollte der Aufsichtsrat eine externe Compliance-Prüfung beauftragen. Die Überprüfung der Wirksamkeit des CMS dient in diesem Fall dazu, einen objektivierten Nachweis der angemessenen Ausübung der Leitungspflicht des Vorstands und der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats zu erlangen. Hiermit besteht für Vorstand und Aufsichtsrat die Möglichkeit, das Haftungsrisiko in Bezug auf Pflichtverletzungen zu reduzieren bzw. zu vermeiden.

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3.2.7 Unternehmenssteuern

Dem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen (Bund, Land, Gemeinde, Kirche) steht das hoheitliche Recht zu, zur Deckung seines Finanzbedarfs Abgaben zu erheben. In Abhängigkeit von der Art der dafür gewährten Gegenleistung werden grundsätzlich drei Abgabeformen unterschieden:

• Steuern, • Gebühren und • Beiträge.

In § 3 Abs. 1 AO hat der Gesetzgeber den Steuerbegriff explizit definiert. Danach sind Steuern Geldleistungen, „... die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemein-wesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft”. Steuern werden also erhoben, ohne dass der zur Zahlung Verpflichtete eine konkrete Leistung von Bund, Land, Gemeinde oder Kirche erhält. Zu den wichtigsten Steuern zählen die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer, die Kirchensteuer, die Umsatzsteuer, die Grundsteuer, die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer sowie die Kraftfahrzeugsteuer. Hinsichtlich ihrer buchmäßigen Behandlung lassen sich die Steuern in Privat- und Betriebssteuern sowie in durchlaufende Steuern einteilen. In analoger Weise können auch die Gebühren und Beiträge untergliedert werden. Privatsteuern sind Steuern, die nicht durch das Unternehmen veranlasst werden, sondern an die persönliche Leistungsfähigkeit des Eigners anknüpfen. Mithin sind sie uneingeschränkt der privaten Sphäre des Unternehmers zuzuordnen. Werden derartige Steuern aus betrieblichen Mitteln bezahlt, so liegt eine über das Privatkonto zu verbuchende Entnahme vor. Umgekehrt ist eine Einlage gegeben, wenn private Steuererstattungsansprüche mit betrieblichen Steuerschulden verrechnet werden. Zu den Privatsteuern zählen u.a.

• die Einkommen- und Kirchensteuer des Unternehmers, • die Grund- und Kraftfahrzeugsteuer für privat genutzte Grundstücke und Fahrzeuge sowie

die Erbschaft- und Schenkungssteuer für geerbtes oder geschenktes Privatvermögen.

Als Betriebssteuern werden diejenigen Steuern bezeichnet, die durch das Unternehmen veranlasst sind. Hierbei wird unterschieden: (1) unmittelbar als Aufwand zu verbuchende Steuern, wie z.B.

¨ Körperschaftssteuer, ¨ Gewerbesteuer,

¨ Grundsteuer für betrieblich genutzte Grundstücke, ¨ Kraftfahrzeugsteuer für betrieblich genutzte PKW, LKW etc., ¨ Einfuhrzölle auf Verbrauchsgüter, ¨ in den Kaufpreisen von Verbrauchsgütern latent enthaltene Verbrauchssteuern

(z.B. Mineralölsteuer); (2) als Anschaffungsnebenkosten zu aktivierende Steuern, wie etwa

¨ die Grunderwerbsteuer beim Kauf von Betriebsgrundstücken, ¨ die nach § 15 Abs. 2 und Abs. 3 UStG nicht als Vorsteuer abzugsfähige

Umsatzsteuer, ¨ Einfuhrzölle auf Gebrauchsgüter (z. B. Maschinen).

Während die unter (1) aufgeführten Steuerarten erfolgsmindernd über die entsprechenden Aufwandskonten verbucht werden, sind die unter (2) aufgelisteten Steuern zusätzlich zu den

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jeweiligen Kaufpreisen auf den aktiven Bestandskonten zu erfassen und werden erst in den Folgeperioden z. B. durch die Vornahme von Abschreibungen in einen den Gewinn mindernden Aufwand transformiert.

Rechtskräftig veranlagte, vom Unternehmen aber noch nicht bezahlte Steuern sind in der Handelsbilanz unter dem Posten „Sonstige Verbindlichkeiten” (§ 266 Abs. 3 Posten C. 8. HGB) auszuweisen. In der Finanzbuchhaltung wird für die Steuerschulden häufig ein eigenes Bestands-konto geführt, auf dem dann sämtliche Verbindlichkeiten gegenüber der Finanzbehörde (u. a. auch die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer) erfasst werden. Für noch nicht rechtskräftig veranlagte Betriebssteuern (ein Steuerbescheid ist noch nicht ergangen) ist i. H. d. voraus-sichtlichen Steuerzahlungen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 HGB zu bilden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass lediglich die um die bereits geleisteten Vorauszahlungen verringerte Steuerschuld in der Bilanz als Rückstellung deklariert wird (§ 266 Abs. 3 Posten B. 2. HGB).

Ansprüche aus Steuererstattungen gegenüber den Behörden der Finanzverwaltung (z. B. aus Vorsteuer-, Gewerbesteuer- oder Körperschaftsteuerforderungen) sind unter dem Posten „Sonstige Vermögensgegenstände“ (§ 266 Abs. 2 Posten B. II. 4. HGB) auszuweisen.

In der GuV-Rechnung, die ein Bestandteil des außerhalb der Buchführung stehenden Jahresab-schlusses ist, werden die im GuV-Konto aufgeführten Steuerarten in die beiden Aufwandsposten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag” und „Sonstige Steuern” aufgespalten (§ 275 Abs. 2 Posten 14. und 16. und § 275 Abs. 3 Posten 13. und 15. HGB). Unter dem erstgenannten Posten („Steuern vom Einkommen und vom Ertrag”) ist bei Einzelunternehmen und Personenge-sellschaften grundsätzlich nur die Gewerbesteuer auszuweisen, da die auf das Jahresergebnis entfallende Einkommensteuer nicht vom Betrieb, sondern vom Geschäftsinhaber bzw. den Gesell-schaftern geschuldet wird (Privatsteuer). Bei Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH und AG) gehört auch die Körperschaftsteuer zu den „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“, da sie von der Gesellschaft geschuldet wird.

Alle anderen unmittelbar als Aufwand zu verbuchenden Betriebssteuern (Grundsteuer, Kraft-fahrzeugsteuer etc.) sind in der GuV-Rechnung unter dem Posten „Sonstige Steuern” anzugeben. Der aus Steuererstattungsansprüchen resultierende Ertrag (z. B. bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer) sollte durch Untergliederung oder Änderung der Bezeichnung des Postens „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ zum Ausdruck gebracht werden. Durch den separaten Steuerausweis wird eine Erfolgsspaltung des Jahresergebnisses, in Betriebs-, Finanz- und Steuerergebnis möglich.

Während bei den durchlaufenden Steuern das Unternehmen lediglich eine Steuerverwaltung- und Steuerabführungsfunktion übernimmt, stellen latente Steuern fiktive künftige steuerliche Be- und Entlastungen dar. Das Kennzeichen durchlaufender Steuern besteht in ihrer Erfolgs-neutralität, d. h. sie bewirken weder eine Veränderung des Betriebs- noch des Privatvermögens. Als durchlaufende Steuern zu qualifizieren sind grundsätzlich:

• die Umsatzsteuer, • die vom Arbeitgeber einbehaltene Lohn-, Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag, • die von inländischen Geldinstituten und auszahlenden Stellen auf alle laufenden

privaten Kapitalerträge (z. B Zinsen, Erträge aus Investmentfonds, Dividenden) und Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften von Wertpapieren, Anteilen an Invest-mentfonds, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften einbehaltene Abgeltungssteuer,

• die Kapitalertragsteuer, die von Kapitalgesellschaften (oder Kreditinstituten) für ausgeschüttete Gewinnanteile einbehalten wird.

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In diesen Fällen trägt nicht das Unternehmen, sondern ein Dritter (Konsument; Arbeitnehmer; Anleger bzw. Anteilseigner) die wirtschaftliche Last der Steuer. Latente Steuern stellen Ertragsteuern (z. B. Körperschaft- und Gewerbesteuer) dar, die fiktive steuerrechtliche Be- und Entlastungen des Unternehmens bei Abweichungen zwischen den Ergebnissen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses und der steuerrechtlichen Gewinner-mittlung (Steuerbilanz oder angepasste Handelsbilanz) erfassen. Sie geben somit dem Analysten des Jahresabschlusses ein Bild über Steuerrisiken und Steuerchancen des Unternehmens.

Der Aufsichtsrat ist im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe gemäß § 111 Abs. 1 AktG verpflichtet, steuerrechtliche Wirkungen und Gestaltungen der Geschäftsführung auf ihre Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Allerdings wird eine detaillierte Einzelfallprüfung steuerlicher Sachverhalte nicht dazu zählen. Vielmehr wird hierunter eine unter Berücksichtigung des Wesentlichkeitsgrundsatzes durchzu-führende kritische Analyse der Handlungen des Vorstands zu verstehen sein. Es bietet sich an, diese Aufgaben einem speziellen Prüfungsausschuss nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG zu übertragen. Die Steuerperspektive eines Unternehmens hat zentrale Bedeutung für seine wirtschaftliche Entwicklung, da aus grundsätzlichen allen unternehmerischen Entscheidungen steuerliche Wir-kungen resultieren. Steuern und Steuerrisiken nehmen eine unmittelbaren bzw. mittelbaren Einfluss auf die Höhe des Unternehmenswerts und beeinflussen damit die Interessen der Aktionäre. So führt eine erhöhte bzw. unvorhersehbare Steuerzahlung unmittelbar zu einer verminderten Dividendenausschüttung und zur Senkung des Unternehmenswerts. Darüber hinaus beeinflussen Steuerzahlungen die Liquidität des Unternehmens und die Rentabilität geplanter Investitionen. Die steuerliche Sphäre des Unternehmens bedarf daher der besonderen Aufmerksamkeit im Rahmen der Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat. Prüfungsfelder sind dabei die Steuerplanung, die Steuerkontrolle und die Steuerverwaltung, die die steuerliche Informationsbereitstellung mit einschließt. Darüber hinaus haben sämtliche Steuerarten Einfluss auf die nationale und internationale Rechnungslegung und müssen in die Prüfung des Jahresabschlusses, des Konzernabschlusses, des (Konzern-)Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns nach § 171 Abs. 1 AktG einbezogen werden. Der Aufsichtsrat sollte bei komplexen und strittigen steuerlichen Einzelsachverhalten, wie etwa der Verrechnungspreisbestimmung bei grenzüberschreitenden Aktivitäten, dem Unternehmens-kauf oder Vorgängen nach dem Umwandlungs- bzw. Umwandlungssteuergesetz, zwingend die Expertise eines Steuerberaters einzuholen, um die steuerlichen Wirkungen und Risiken ein-schätzen zu können und ggf. Haftungsrisiken nach § 116 AktG zu vermeiden.

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3.2.8 Controlling

Das Controlling stellt ein Instrument zur Wirkungsverbesserung der Unternehmensleitung dar, das Führungshilfe bei der Zielbildung, Planung, Steuerung, Kontrolle, Koordination, Information und Kommunikation leisten soll. Das Controlling bildet nach h. M. eine Komponente des Risiko-managementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG (vgl. Abbildung 13).

Die grundlegende Voraussetzung für ein wirkungsvolles Controlling stellt die Abbildung des Unternehmensgeschehens dar. Für eine zielgerichtete Planung, Steuerung und Kontrolle ist es von zentraler Bedeutung, dass entsprechend der vorliegenden Geschäftsfelder das Unternehmen nach unterschiedlichen Kriterien bzw. Dimensionen betrachtet und die vom Management benötigten Informationen bereitgestellt werden können.

Eine Möglichkeit, dass Unternehmensgeschehen nach verschiedenen Bezugsgrößen für ein aussagefähiges Reporting abzubilden, stellt der Berichtsbaum dar, dem folgende grundlegende Aufgaben zugeordnet werden können:

• Darstellung des Unternehmensgeschehens nach Informationsfeldern; • Dokumentation, wie die Unternehmensstruktur auf IT-gestützter Basis umgesetzt werden

kann; • Signalisierung, wie die benötigten Informationen zielorientiert aufzubereiten sind.

Ein Berichtsbaum spaltet das Unternehmen nach bestimmten Bezugsobjekten und deren Strukturen z. B. nach Geschäftseinheiten, Produkten, Regionen und Verantwortlichkeitsbereichen auf und liefert damit Ansatzpunkte für den Aufbau von Führungsinformationssystemen liefert.

Die primäre Aufgabe des Berichtsbaus besteht in der Darstellung der Ergebnisstruktur nach ein-zelnen Segmenten. Dies sollte mit Hilfe einer sog. Top-Down-Analyse erfolgen, die vom Gesamtergebnis ausgeht und dies nach bestimmten Bereichen (z. B. In- und Ausland, Stammhaus, Tochtergesellschaften, Produkt- und Kundengruppen) und Teilergebnissen (z. B. Betriebs-, Finanz- und Steuerergebnis, Net Operating Profit After Tax) aufspaltet. In Abhängigkeit von den jeweiligen Informationsbedürfnissen des Managements kann der Berichtsbaum um weitere Kriterien ergänzt werden. Im Gesamtbild stellt der Entwurf des Berichtsbaums eine unabdingbare Voraussetzung für das Controlling dar, ein aussagefähiges Reportingsystem zu entwickeln. Ohne derartige Vorüberlegungen besteht die Gefahr einer Ziel- und Uferlosigkeit der mit den internen Berichten transportierten Informationen.

In der unternehmerischen Praxis wir ein Großteil des internen Berichtswesens mit Hilfe der Informationstechnologie abgewickelt. Hierdurch besteht die Möglichkeit, die relevanten Infor-mationen schnell und übersichtlich und in verdichteter Form den Führungsinstanzen zuzuleiten. Allerdings kann im Falle der virtuellen Vernetzung des innerbetrieblichen Informationssystems die Gefahr bestehen, dass auch Unberechtigte sich Zugang zu den Daten des Berichtswesens verschaffen können. Von entscheidender Bedeutung ist mithin sowohl eine Kanalisierung als auch ein Schutz der entsprechenden Informationen, die im Rahmen des IT-gestützten Berichtswesens weitergeleitet werden (z. B. durch die Installierung sog. Firewalls).

Unternehmensinterne Kontrollen sind im Prinzip drauf ausgerichtet, Störgrößen rechtzeitig sichtbar zu machen, um unerwünschte Zielauswirkungen auf die realen betrieblichen Abläufe durch Korrekturmaßnahmen zu verringern oder gänzlich zu vermeiden.

Hieraus folgt, dass Planungen ohne Kontrollen weitgehend zwecklos und Kontrollen ohne Planungen unmöglich sind. Kontrollrechnungen sollen den Entscheidungsträgern mithin exakte

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Informationen über den Erreichungsgrad bestimmter, operational formulierter Unternehmens-ziele geben. Durch das genaue Messen der Unterschiede zwischen Kontroll- und Vergleichs-größen wird die Voraussetzung für das Management geschaffen, einflussgrößenbezogene Abweichungsanalysen durchzuführen und wirkungsvolle Beseitigungsmaßnahmen einzuleiten (vgl. Abbildung 7).

Beim Aufbau von Kontrollrechnungen müssen insbesondere folgende Kriterien Berücksichtigung finden: • Operationalisierbarkeit: Die verarbeiteten und analysierten Kontroll- und Vergleichsgrößen

müssen in Abstimmung mit dem unternehmerischen Planungssystem in der Lage sein, ein Abbild über den Grad der allgemeinen, strategischen und operativen Zielerreichung zu liefern.

• Analysierbarkeit: Die im Rahmen des Soll-Ist-Vergleichs gemessenen Abweichungen müssen ursachenbezogene Analysen zulassen, die umgehende Abweichungsbeseitigungen sicherstellen.

• Integrierbarkeit: Kontrollrechnungen müssen auf IT-gestützter Basis in Management-informationssysteme integrierbar sein, wobei die Ergebnisse zum Zwecke der Entschei-dungsvorbereitung hierarchiebezogen nach Maßgabe der jeweiligen Informations-bedürfnisse in verdichteter Form durch das Controlling aufzubereiten sind.

Im Hinblick auf das Kriterium der Operationalisierbarkeit bietet es sich an, die in Kontroll-rechnungen einzubeziehenden Maßgrößen aus den ergebnis- und finanzwirtschaftlichen Zielset-zungen abzuleiten, die im Zielsystem unmittelbar auf die Realisierung nachhaltiger ex- und interner Wettbewerbsvorteile (Erfolgspotenziale) ausgerichtet sind und damit eine Messung des Erreichungsgrades unternehmerischer Oberziele gestatten. Während sich die Aktivitätsaus-wirkungen zur Sicherung ergebniswirtschaftlicher Ziele mit Hilfe der Erfolgskomponenten Aufwendungen/Erträge bzw. Kosten/-Leistungen quantifizieren lassen, besitzen im Rahmen der Messung von Maßnahmen zur Erhaltung der ständigen Zahlungsbereitschaft und des finanziellen Gleichgewichts im Hinblick auf finanzwirtschaftliche Ziele die Zahlungskomponenten Einnahmen/ Ausgaben und Einzahlungen/Auszahlungen einen herausragenden Stellenwert.

Vor dem skizzierten Hintergrund kann in ergebnis- und finanzwirtschaftliche Kontrollrechnungen unterschieden werden. Neben diesen aus der Terminologie des Betrieblichen Rechnungswesens abgeleiteten monetären Maßgrößen besteht aber auch die Möglichkeit, das Erreichen allgemeiner und strategischer Ziele mit Hilfe nichtmonetärer Kennzahlen wie z.B. Neuakquisitionen, Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, Innovations-, Service- sowie Umschlagzeiten zu messen und zu kontrollieren. Traditionelle Kennzahlensysteme und in jüngerer Zeit die Balanced Scorecard kombinieren die interdependenten Beziehungen zwischen monetären und nichtmonetären Maß-größen, um für alle Entscheidungsprozesse adäquates Datenmaterial liefern zu können.

Zum Aufbau ursachenspezifischer Abweichungsanalysen bedarf es einer Aufspaltung der Gesamt-differenz zwischen Soll- und Istgröße der jeweiligen Kontrollobjekte in einzelne Teilabweichungen, die dann Aufschluss über erforderliche Gegensteuerungsmaßnahmen geben. Wie Abbildung 23 zeigt, können als grundlegende Abweichungsursachen zunächst die drei Kategorien Planungs-, Realisations- und Auswertungsfehler genannt werden. Allerdings darf beim Aufbau und Einsatz von Kontrollrechnungen nicht unberücksichtigt bleiben, welchen Wert derartige Systeme für das Unternehmen schaffen und wie dieser Wert gemessen werden kann. Während die Implementierungs-, Auswertungs- und Informationskosten von Kontrollrechnungen mit denen von der Betriebswirtschaftslehre entwickelten Methoden noch hin-

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Abb. 23: Systematisierung der Abweichungsursachen (entnommen von Ossadnik, Controlling, 4. Aufl., München/Wien 2009, S. 148-149).

Abweichungsursachen

Planungsfehler

Realisationsfehler

Auswertungsfehler

fehlerhafte Situationsbeschreibung

Fehlprognosen

gewollte Fehler

ungewollte Fehler

unrichtige Berechnungen

falsche Interpretationen

fehlerhafte Ermittlungender Istgrößen

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reichend zuverlässig zu messen sind, bestehen doch große Schwierigkeiten, ihren erwarteten Nutzen zu quantifizieren, der von den zusätzlichen Informationen für die Entscheidungsträger abhängt.

Im Ergebnis besteht die Aufgabe unternehmerischer Kontrollrechungen in der Ermittlung und Analyse von Abweichungen zwischen Ist- und Sollobjekten, um Informationen für ggf. erforderliche Steuerungsmaßnahmen zum Zwecke der Zielrealisation und/oder für ggf. vorzu-nehmende Anpassungsmaßnahmen bezüglich der Planung zu erhalten (vgl. Abbildung 7).

Der Aufsichtsrat hat sich bei der Erfüllung seiner Überwachungs- und Beratungsaufgaben mit Aspekten des Controllings auseinanderzusetzen, da das Controlling für die Steuerung und auch die Rechnungslegung vor allem kapitalmarktorientierter Unternehmen eine immer stärkere Bedeu-tung besitzt. Hieraus folgt, dass Aufsichtsräte ein bestimmtes Basiswissen zum Controlling mitbringen sollten, da ansonsten die Gefahr von Pflichtverletzungen nach § 116 AktG besteht.

Informationsbereitstellung durch das Controlling: Die Bedeutung des Controllings im Rahmen der Überwachung von Unternehmen ist unbestritten. Das Controlling übernimmt teilweise die Aufgabe der prozessimmanenten Prüfungen und stellt den Führungskräften die notwendigen Daten zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben zur Verfügung. Daher ist das Controlling für die Ausübung der Überwachungs- und Beratungsfunktion des Aufsichtsrats grundsätzlich eine bedeutende Instanz, da die in der externen Rechnungslegung gebotenen Informationen, die der Aufsichtsrat prüfen muss, nicht für seine Aufgabenerfüllung ausreichen.

Traditionell sind die Controllingberichte mit detaillierten und selektiven Informationen an das Management ausgerichtet und unterstützen dort die Entscheidungsfindung. Zusätzlich nimmt das Controlling zunehmend die Aufgabe der unmittelbaren Berichterstattung an den Aufsichtsrat wahr. Allerdings ist dem Aufsichtsrat ein direkter Kontakt mit der Institution Controlling nur in Abstimmung mit der Unternehmensleitung möglich. Deshalb wird der Aufsichtsrat in erster Linie Informationen des Controllings über den Bericht des Vorstands nach § 90 AktG erhalten. Allerdings soll nach Grundsatz 15 des DCGK der Aufsichtsrat die Informations- und Berichts-pflichten des Vorstands (z. B. durch Erlass einer Informationsordnung) näher festlegen.

Qualitätsüberwachung des Controllings: Der Vorstand hat gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Pflicht, das Controlling mit entsprechenden Steue-rungs-, Kontroll- und Informationssystemen auszustatten, um seine Geschäftsführungsaufgaben sorgfältig erfüllen zu können. Der Aufsichtsrat hat im Rahmen seiner allgemeinen Über-wachungsaufgaben nach § 111 Abs. 1 AktG die Pflicht, dass Controlling auf seine Ordnungs-, Recht- und Zweckmäßigkeit sowie Wirtschaftlichkeit zu prüfen und zu untersuchen, ob der Vorstand die notwendigen Planungs-, Steuerungs-, Kontroll- und Informationssysteme imple-mentiert hat.

Informationslieferung des Controllings für die externe Rechnungslegung und ihre Prüfung: Informationen des Controllings werden für den Aufsichtsrat auch im Rahmen seiner Pflicht zur Prüfung von Jahresabschluss und Lagebericht nach § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG immer bedeutender. Dies folgt aus der Tatsache, dass Controlling häufig die notwendigen Informationen für die Abbildung spezifischer Sachverhalte in der Rechnungslegung liefern muss (z. B. Prognosewerte, finanzielle und nichtfinanzielle Leistungsindikatoren im Rahmen der Lageberichterstattung).

Diese Entwicklung wird durch den sog. Management Approach (vgl. Abbildung 2) weiter gestärkt, nach dem vor allem die Inhalte der internationalen Rechungslegung eine Ausrichtung der

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Berichterstattung an internen Sachverhalten erfordern (z. B. bei der Erstellung einer Segment-berichterstattung nach IFRS 8 oder der Bilanzierung langfristiger Fertigungsaufträge nach IAS 11).

4. Überwachungssystem einer Aktiengesellschaft

Im Ergebnis können als wesentliche Elemente des Überwachungssystems deutscher Aktienge-sellschaften das Risikomanagementsystem (mit den Komponenten Internes Kontrollsystem, Interne Revision, Controlling und Frühwarnsystem), der Aufsichtsrat sowie die externe Revision (Abschlussprüfung) mit dem Instrument der gesetzlich verankerten Jahresabschluss- und Lagebe-richtsprüfung genannt werden.

Während es sich bei den erstgenannten zwei Elementen um interne Prüfungsinstanzen handelt, repräsentiert der Abschlussprüfer eine externe Instanz, d.h. er ist nicht in die Unternehmens-hierarchie integriert. Diese Prüfungsinstanz ist vom Gesetzgeber bewusst aus der Entscheidungs-ebene der Aktiengesellschaft ausgegliedert worden. Im Hinblick auf die Interne Revision liegt eine derartige Ausgliederung nicht unbedingt vor, denn dieses Überwachungselement unterliegt i. d. R. der Weisungsbefugnis des Vorstands. Allerdings werden die Aufgaben der Internen Revision in jüngerer Zeit häufig ausgegliedert und auf externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als freiwillige Revisionen übertragen (sog. Outsourcing oder Lean-Auditing).

Abbildung 24 zeigt unter Zugrundelegung des dualistischen Systems der Unternehmensverfassung zusammenfassend das System der wirtschaftlichen Überwachung am Beispiel aktienrechtlicher organisierter Unternehmen auf, wobei auch das Enforcementsystem i. e. S. einbezogen wurde. Durch die Synopse wird verdeutlicht, dass die Jahresabschluss- und Lageberichtsprüfung nicht isoliert zu betrachten ist, sondern im Zusammenhang mit den oben genannten Elementen des unternehmerischen Überwachungssystems steht.

Eine besondere Bedeutung besitzt, wie Abbildung 23 zeigt, das Rechnungswesen, mit dessen Hilfe unter Berücksichtigung gesetzlicher Normen das betriebliche Geschehen zum Ausweis kommt. Mit seinen traditionellen Komponenten Finanz-, Betriebsbuchhaltung, Kalkulation, Statistik sowie Planungs- und Kontrollrechnung trägt das Rechnungswesen selbst den Charakter eines wirtschaft-lichen Sub-Überwachungssystems. Dem Vorstand obliegt die Aufgabe, aus dem extern orien-tierten Rechnungswesen (Finanzbuchhaltung) unter Berücksichtigung der Inventurergebnisse (§ 240 f. HGB) Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang abzuleiten und den Jahresab-schluss mit ergänzendem Lagebericht aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 1 HGB). Sofern es sich um eine kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft i. S. v. § 264d HGB handelt, die nicht zur Auf-stellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, muss der Jahresabschluss um eine Kapitalfluss-rechnung und einen Eigenkapitalspiegel erweitert werden; zusätzlich kann eine Segment-berichterstattung erstellt werden (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB). Hieraus folgt, dass ohne das Rech-nungswesen die überwiegende Anzahl der in Abbildung 24 aufgeführten Überwachungshand-lungen nicht einsetzen könnte.

Der externen Überwachungsinstanz I in Gestalt des Abschlussprüfers stehen zwei gesetzliche Möglichkeiten der Urteilsabgabe zur Verfügung. Die erste Form der Urteilsabgabe besteht darin, dass der Wirtschaftsprüfer einen Prüfungsbericht (§ 321 HGB) u. a. über die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses, des Lageberichts, und bei börsennotierten Gesellschaften über das Risikomanagementsystem, erstellt und diesen an den Aufsichtsrat oder einen eingerichteten Prüfungsausschuss weiterleitet (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB i. V. m. § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dem Vorstand seinerseits obliegt die Aufgabe, unverzüglich den Jahresabschluss und den Lagebericht nach ihrer Aufstellung dem Aufsichtsrat vorzulegen (§ 170 Abs. 1 AktG). Gemäß § 171 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat Jahresabschluss und Lagebericht zu prüfen.

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85

Abb. 24: Elemente des Überwachungssystems von Aktiengesellschaften

EIGENE

ZIELE

EIGENE

ZIELE

Bericht über die Jahresabschlussprüfung

EIGENE

ZIELE

Haupt-

versammlung

EIGENE

ZIELE

Aufsichtsrat

Externe

Über-

wachungs-

instanz I

Vorstand

Betriebliche

Realität

wählt

ernennt und überwacht

Interne

Revision

überprüft

informiert

Vorgabe derPrüfungsnormen

informiert

überprüftInstallation und Ausgestaltung

Vorgabe der

Abbildungs-

normen

EIGENE ZIELE

Prüfungsbericht

überprüft

überprüft und kontrolliert

überprüft

Abbild im

Rechnungswesen

Jahresabschluss,

Lagebericht,

Gewinnverwendungs-

vorschlag

Störgrößen

Risiko-

manage-

ment-

system

überprüft

Beeinflussung

durch Ent-

scheidungen

Prüfungs-normen

prüft

wählt

Externe

Über-

wachungs-

instanz II

EIGENE

ZIELE

überprüft

prüft

Externe

Überwa-

chungs-

instanz

IIIüber-prüft

Prüfungs-normen

EIGENE

ZIELE

EIGENE

ZIELE

EIGENE

ZIELE

Bericht über die Jahresabschlussprüfung

EIGENE

ZIELE

Haupt-

versammlung

EIGENE

ZIELE

Aufsichtsrat

Externe

Über-

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instanz I

Vorstand

Betriebliche

Realität

wählt

ernennt und überwacht

Interne

Revision

überprüft

informiert

Vorgabe derPrüfungsnormen

informiert

überprüftInstallation und Ausgestaltung

Vorgabe der

Abbildungs-

normen

EIGENE ZIELE

Prüfungsbericht

überprüft

überprüft und kontrolliert

überprüft

Abbild im

Rechnungswesen

Jahresabschluss,

Lagebericht,

Gewinnverwendungs-

vorschlag

Störgrößen

Risiko-

manage-

ment-

system

überprüft

Beeinflussung

durch Ent-

scheidungen

Prüfungs-normen

prüft

wählt

Externe

Über-

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instanz II

EIGENE

ZIELE

überprüft

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Externe

Überwa-

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IIIüber-prüft

Prüfungs-normen

EIGENE

ZIELE

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Die zweite Form der Urteilsabgabe, die eine größere Publizitätswirkung nach sich zieht, besteht in der Testierung des Jahresabschlusses und des Lageberichts. Folgende drei Formen des Bestätigungsvermerks im Hinblick auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, des Jahresab-schlusses und des Lageberichts stehen dem Abschlussprüfer gemäß § 322 HGB zur Verfügung.

• Bestätigung der Ordnungsmäßigkeit (§ 322 Abs. 3 HGB); • Einschränkung der Bestätigung (§ 322 Abs. 4 HGB); • Versagung der Bestätigung (§ 322 Abs. 5 HGB).

Neben diesen Informationsmöglichkeiten, die das Gesetz vorsieht, bestehen für den Abschluss-prüfer aber auch Sanktionsmöglichkeiten, die indirekt einsetzen. So hat der Aufsichtsrat als das umfassende Überwachungsorgan im Rahmen der Unternehmung eine viel weitgehendere Überwachung auszuüben als der Jahresabschlussprüfer, der im Grundsatz nur prüft, ob die Realität nach den vom Gesetz vorgegebenen Regeln richtig abgebildet ist. Im Rahmen dieser umfassenderen Überwachungspflicht und der daran anknüpfenden Möglichkeiten von Sanktionen, z. B. den Vorstand abzuberufen oder nicht mehr zu bestellen (§ 84 AktG), hat der Abschlussprüfer über diesen verlängerten Arm des Aufsichtsrats einen relativ starken Einfluss.

Einerseits ist daher bei entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten des Abschlussprüfers via Aufsichtsrat auf den Vorstand zu erwarten, dass dann auch der Vorstand als das für die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts entscheidende Organ in der Aktiengesellschaft bei seinen gestalterischen (rechnungslegungspolitischen) Maßnahmen auf die Konstatierungen des Abschlussprüfers entsprechend Rücksicht nehmen wird.

Andererseits treten viele Feststellungen, die der Abschlussprüfer trifft, überhaupt nicht in Form des Prüfungsberichts oder des Bestätigungsvermerks auf, sondern werden schon im Vorfeld bereinigt. Diese Einlassungen erfolgen in Zwischenbesprechungen vor und während der Prüfung mit dem Vorstand oder den maßgebenden Leitern des Rechnungswesens, so dass auch von dieser Seite ein nach außen nicht erkennbarer Einfluss des Abschlussprüfers auf das Unternehmen stattfindet.

Der zweite offizielle Weg der Einflussnahme des Abschlussprüfers auf das Unternehmen führt über die Stakeholder (z. B. Aktionäre, potentielle Investoren, Gläubiger, Arbeitnehmer, Lieferanten und Kunden). Unter diesen Gruppen sind einige, die die veröffentlichten Jahresabschlüsse und Lage-berichte für die Beurteilung des Unternehmens heranziehen. Falls der Abschlussprüfer sein Testat einschränkt oder versagt, werden dadurch die Außenstehenden, die sonst mit relativ wenig Informationsmöglichkeiten ausgestattet sind, auf Umstände hingewiesen, die bei ihnen Bedenken auslösen und ggf. Konsequenzen bezüglich des Verhältnisses zur Unternehmung nach sich ziehen können.

So besteht im Hinblick auf die Aktionäre die Möglichkeit, dass sie über die Haupt-versammlung Einfluss auf den Vorstand ausüben. Ebenso können die Gläubiger Reaktion zeigen, indem sie der Unternehmung Kredite verweigern oder bei positiven Ergebnissen Kredite gewähren. Wie empirische Erhebungen gezeigt haben, spielen im Rahmen von Bonitätsanalysen die Einschätzungen des Abschlussprüfers für Kreditvergabeentscheidun-gen bei Banken eine herausragende Rolle.

Dem Abschlussprüfer stehen mithin verschiedene indirekte Sanktionsmöglichkeiten im Hinblick auf die beiden im Gesetz vorgesehenen Formen der Publikation seines Urteils zur

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Verfügung. Zum einen über den Prüfungsbericht bezüglich der internen Adressaten im Unternehmen, dem Aufsichtsrat via Vorstand und zum anderen extern über seine Urteilsabgabe in Form des Testats, das den sonstigen Unternehmensbeteiligten bekannt wird, die dann durch entsprechendes Verhalten Sanktionen bewirken können.

Die in Abbildung 24 integrierte externe Überwachungsinstanz II stellt als Beispiel eines Instruments der Abschlussprüferaufsicht den Prozess der Prüfung der Prüfer durch die Prüfer in Gestalt des Peer Review dar, der in den USA schon seit langem institutionalisiert ist. So haben sich Angehörige der deutschen wirtschaftsprüfenden Berufe u. a. einer exter-nen Qualitätskontrolle unterwerfen, wenn sie gesetzlich vorgeschriebene Abschlussprüfun-gen durchführen (§ 57a Abs. 1 Satz 1 WPO). Prüfungsgegenstand ist das interne Qualitäts-sicherungssystem (im Einzelnen die Praxisorganisation und die Durchführung von Prüfungs-aufträgen), wobei insbesondere die in risikoträchtigen Prüfungsfeldern vorgenommenen Prüfungshandlungen überwacht werden (§ 57a Abs. 2 Satz WPO).

Die in Abbildung 24 ebenfalls aufgenommene externe Prüfungsinstanz III stellt das oben beschriebene zweistufige Enforcementsystem nach 342b ff. HGB dar.

Abbildung 24 bringt neben der Vernetzung in- und externer Kontroll-, Prüfungs- und Auf-sichtsprozesse einerseits zum Ausdruck, dass es einer Koordination sämtlicher Über-wachungsvorgänge bedarf, damit die angestrebten Unternehmensziele unter Berücksichti-gung der anfallenden Überwachungskosten bestmöglich erreicht werden. So liegt es einer-seits etwa im Ermessen des Abschlussprüfers, sich auf bestimmte Arbeitsergebnisse der Internen Revision (z. B. Prüfungsresultate über die Qualität des Risikomanagementsystems) zu stützen, um hierdurch seine Prüfungshandlungen abzukürzen. Andererseits zeigt die in Rede stehende Abbildung die Verfolgung unterschiedlicher Zielausprägungen der einzelnen Überwachungsinstanzen. Hierdurch können Konfliktsituationen auftreten, wenn die Ver-wirklichung eigener Ziele nicht mit einem oder mehreren Überwachungszielen anderer Instanzen korrespondiert. So ist die Existenz der in jüngerer Zeit immer wieder ange-sprochenen Erwartungslücken (Expectation Gap) zwischen dem Informationsbedürfnis der Adressaten des Prüfungsergebnisses (z. B. Investoren, Gläubiger, Kunden, Arbeitnehmer, Öffentlichkeit) und den Aufgaben der Überwachungsträger (Vorstand, Aufsichtsrat, Ab-schlussprüfer) ein Beispiel für das Vorliegen nicht deckungsgleicher Zielstrukturen. Abhilfe wird dann durch die Installation von Konfliktvermeidungsmechanismen geschaffen, die von dem am Überwachungssystem Beteiligten selbst, von Personen bzw. Institutionen hoher Autorität oder vom Gesetzgeber selbst betrieben werden.

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E. Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensüberwachung

1. Strukturierung und Ermittlung

Die vorstehend skizzierten zentralen Inhalte der betriebswirtschaftlichen Überwachungs-lehre stellen Ausflüsse der Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensüberwachung (GoÜ) dar, wobei nach der vorgenommenen Systematisierung auch weiter in Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmenskontrolle (GoK), Grundsätze ordnungsmäßiger Abschluss-prüfung (GoA) und Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensaufsicht (GoUA) unter-schieden werden kann.

Die Bemühungen, ein betriebswirtschaftliches GoÜ-System zu entwickeln, werden von der Überzeugung getragen, dass ein entsprechend in der Praxis tragfähiges und bewährtes Grundsatzsystem einen theoretisch fundierten Unterbau benötigt. Ähnlich wie die Grund-sätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) repräsentieren die GoÜ einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen inhaltliche Ausgestaltung ebenfalls nach der induktiven, deduktiven oder hermeneutischen Methode erfolgen kann. Während das induktive Verfahren zur Gewinnung von anerkannten Leitsätzen auf das Ordnungsempfinden der Unternehmensbe-teiligten abstellt und folglich von den Gepflogenheiten der Praxis ausgeht, werden bei der deduktiven Methode die Überwachungsprinzipen aus gesicherten betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kontroll-, Prüfungs- und/ oder Aufsichtszielen durch „Nachdenken“ abge-leitet.

Da die induktive Vorgehensweise die Ansichten der Unternehmensbeteiligten in GoÜ trans-formiert, birgt sie die Gefahr, dass von den zu überwachenden Unternehmen und ihren Beteiligten einseitig (subjektiv) festgelegte und ggf. nicht im Einklang mit nationalen und internationalen Auffassungen und Normen stehende Überwachungsziele die Bildung von GoÜ beeinflussen. Aus diesen Gründen muss die induktive Methode als angewandte Gewinnungsmethode von GoÜ abgelehnt werden.

Allerdings haben in jüngerer Zeit viele bislang „ungeschriebene“ GoÜ mehr oder weniger konkret eine Kodifizierung im Handelsrecht oder in internationalen Verlautbarungen, wie etwa die vom International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) heraus-gegebenen International Standards on Auditing (ISAs), gefunden. Hierdurch tritt neben das - nunmehr sekundäre - Erfordernis der Ermittlung (neuer) Leitsätze vorrangig die Notwen-digkeit der Auslegung niedergeschriebener Prinzipien. Analog zur Interpretation der GoB kann auch die Auslegung der GoÜ nach anerkannten juristischen Regeln (hermeneutische Methode) erfolgen. Bei der Hermeneutik werden folgende Kriterien zur Interpretation kodifizierter GoÜ herangezogen (vgl. Baetge et al. 2017, S. 107-114):

(1) der Wortlaut und Wortsinn der auszulegenden Vorschrift, (2) der Bedeutungszusammenhang der Vorschrift innerhalb des Gesetzes oder der

Verlautbarung, (3) die Entstehungsgeschichte des Gesetzes oder der Verlautbarung, (4) die vom Gesetz- oder Verlautbarungsgeber mit diesem GoÜ angestrebten Ziele, (5) die vom Gesetz- oder Verlautbarungsgeber allgemein verfolgten Überwachungsziele, (6) die objektiv-teleologisch ermittelten Überwachungs-ziele sowie (7) die Verfassungskonformität des entsprechenden GoÜ. Sofern jedoch ein nicht kodifizierter GoÜ zu konkretisieren bzw. ein neuer GoÜ zu ermitteln ist, entfallen die Merkmale (1), (3) und (4).

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Gleichzeitig treten aber andere Bestimmungsgrößen, wie etwa die Ansichten ordentlicher und ehrenwerter Kaufleute sowie Ergebnisse der nationalen und internationalen höchst-richterlichen Rechtsprechung, hinzu. Die Ausführungen verdeutlichen, dass im Rahmen des hermeneutischen Verfahrens sämtliche Determinanten, soweit möglich, kumulativ zur Auslegung bzw. Gewinnung von GoÜ heranzuziehen sind. Somit absorbiert die Hermeneutik auch Gedankengut des induktiven und deduktiven Verfahrens. Im Rahmen der hermeneu-tischen Auslegung kodifizierter bzw. nicht kodifizierter GoÜ sowie bei der Ermittlung neuer GoÜ ist folglich darauf zu achten, dass sich die einzelnen Grundsätze sowohl in das Gesamt-system der GoÜ als auch in das System der übrigen kodifizierten Vorschriften einfügen sowie den unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Überwachungszielen Rechnung tragen.

(1) Ordnungsmäßigkeit: Die geordnete und systematische Überwachung stellt eine wichtige organisatorische Voraus-setzung dar, um Kontroll-, Prüfungs- und/oder Aufsichtsaktivitäten als Ergebnisse rationalen Handelns nachvollziehbar und selbst überwachbar gestalten zu können [so stellt etwa die ordnungsmäßige Installation des Risikomanagementsystems gemäß § 91 Abs. 2 AktG eine wichtige Voraussetzung für den Vorstand dar, überhaupt seiner (internen) Überwachungs-aufgabe nachzukommen].

(2) Gesetz- bzw. Verlautbarungsmäßigkeit: Kontroll-, Prüfungs- und/oder Aufsichtsvorgänge müssen sich unter dem Postulat einer umfassenden Unternehmensüberwachung an den Grundlagen des geltenden Rechts bzw. nationaler und internationaler Verlautbarungen von Institutionen hoher Autorität (z. B. IDW, IFAC oder SEC) orientieren.

(3) Richtigkeit: Die mit den Kontroll-, Prüfungs- und/oder Aufsichtsprozessen betrauten Individuen oder Institutionen müssen aus formeller und materieller Sicht in der Lage sowie verpflichtet sein, die Unternehmensüberwachung vorzunehmen (so ist etwa der Jahresabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG nichtig, wenn er von Personen geprüft wurde, die nicht Abschlussprüfer i. S. v. § 319 Abs. 1 HGB sind).

(4) Zielorientierung: Jede Kontroll-, Prüfungs- und/oder Aufsichtshandlung muss an dem verfolgten Ziel bzw. Ziel-bündel der jeweiligen Überwachungsaktivität ausgerichtet sein (z. B. Orientierung von Kostenkontrollrechnungen an dem formalen Oberzielen der Unternehmensfortführung und der Erzielung angemessener Renditen).

(5) Transparenz: Die einzelnen Kontroll-, Prüfungs- und/oder Aufsichtsobjekte müssen in allen Ausprägungen für die Überwachungsträger transparent sein, d. h. nachvollziehbaren und erklärbaren Charakter tragen (z. B. Beachtung der GoB, die dem Abschlussprüfer eine transparente Prüfung des Jahresabschlusses nach § 316 Abs. 1 HGB ermöglichen).

(6) Nachprüfbarkeit: Die jeweiligen Kontroll-, Prüfungs- und/oder Aufsichtshandlungen müssen in allen ihren wesen-lichen Teilelementen so belegt werden, dass sachverständige Dritte Überwachungs-ergebnisse in vertretbarer Zeit nachvollziehen können (z. B. Erstellung eines Prüfungsbe-richts nach § 321 HGB über das Ergebnis der Jahresabschlussprüfung oder das Ergebnis von Prüfungsaufträgen der Internen Revision).

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(7) Flexibilität: Die Rahmenbedingungen eines geschlossenen GoÜ-Systems müssen so flexibel gestaltet werden, dass sie in der Lage sind, jederzeit neuere betriebswirtschaftliche Erkenntnisse aufzunehmen, ohne eine Neugestaltung des Überwachungsansatzes vorzunehmen zu müs-sen (so sollten etwa alle nationalen und internationalen Reformbestrebungen bezüglich einer Qualitätssteigerung der Abschlussprüfung jederzeit in das GoÜ-System integrierbar sein).

Die GoÜ wurden zu großen Teilen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGC) zusammengefasst, der für die Unternehmenspraxis ein aktuelles Abbild über die in- und externen Prinzipien „guter“ Corporate Governance gibt.

2. Deutscher Corporate Governance Kodex

Die vom Bundesministerium für Justiz im September 2001 eingesetzte Regierungskommis-sion hat am 26. 02. 2002 den DCGK verabschiedet, der laufend an sich neu herausbildende und verändernden Standards angepasst wird.

Die Beachtung dieser Empfehlungen durch die betroffenen Unternehmen zielt darauf ab, die in Deutschland geltenden Regeln einer ordnungsmäßigen Führung und Überwachung transparent zu machen, um hierdurch das Vertrauen vor allem nationaler und interna-tionaler Investoren in den deutschen Kapitalmarkt zu stärken. Prinzipiell umfasst der DCGK weltweit anerkannte Verhaltensstandards und Offenlegungspflichten, die die gesetzlichen Regelungen ergänzen sollen. Laut § 161 Abs. 1 AktG sind Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierter Gesellschaft und Gesellschaft „[…] die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 11 des Wertpapier-handelsgesetzes ausgegeben hat“ und „[…] deren ausgegebene Aktien auf eigene Veran-lassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinne des § 2 Abs. 8 Satz 3 Nr. 8 des Wertpapierhandelsgesetzes gehandelt werden“ (§ 161 Abs. 1 Satz 2 AktG) verpflichtet, einmal jährlich öffentlich zu erklären, ob den Kodexempfehlungen entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. (sog. Comply or Explain-Regelung).

Die Erklärung gehört zu den offenlegungspflichtigen Unterlagen gemäß § 325 Abs. 1 Nr. 2 HGB und ist daher im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Tatsache, dass die Erklärung abgegeben und den Aktionären dauerhaft zugänglich gemacht wurde, ist verpflichtend nach § 285 Nr. 16 HGB im Anhang des Jahresabschlusses bzw. nach § 314 Nr. 8 HGB im Anhang des Konzernabschlusses für jedes in den Konzernabschluss eingezogene börsennotierte Unternehmen anzugeben. Darüber hinaus ist die Erklärung nach § 161 AktG auch Gegenstand der Abschlussprüfung, wobei sich die Prüfung jedoch nicht auf den Inhalt der Erklärung und deren Richtigkeit erstreckt, sondern nur auf die Tatsache der Abgabe der Erklärung und ihrer dauerhaften Zugänglichmachung für die Aktionäre (§ 317 Abs. 2 Satz 6 HGB). Weiterhin sieht § 289f Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 315d HGB die wahlweise Aufnahme der Entsprechenserklärung in die Erklärung zur Unternehmensführung als Sammelbecken wesentlicher externer Corporate Governance Informationen in den (Konzern-)Lagebericht vor (§ 289 Abs. 1 Satz 1 2. HS HGB). Sofern die Erklärung nicht in den Lagebericht integriert wird, muss sie auf der Internetseite der Gesellschaft öffentlich zugänglich gemacht werden (§ 289f Abs. 1 Satz 2 HGB).

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Die Bestimmungen des DCGK lassen sich in drei Kategorien einteilen: • eine bloße Darstellung des geltenden Rechts („Muss“-Vorschriften); • „Empfehlungen“ an die Gesellschaftsorgane („Soll“-Vorschriften); • „Anregungen“ („Sollte“ bzw. „Kann“-Empfehlungen).

Die „Muss“-Vorschriften, die schon kraft Gesetz einzuhalten sind, werden aus Kommuni-kationsgründen angeführt. „Empfehlungen“ des Kodex unterscheiden sich von „Anregun-gen“ dadurch, dass nur Abweichungen von „Empfehlungen“ mittels der Entsprechens-erklärung nach § 161 AktG offen zu legen sind. Folglich sind „Empfehlungen“ solche Bestim-mungen, für die das Prinzip „Comply or Explain“ gilt. Die Unternehmen sind deshalb im Prinzip nicht verpflichtet, die Empfehlungen des Kodex einzuhalten.

Der DCGK umfasst insgesamt acht Abschnitte. Der erste Abschnitt, Präambel, enthält einführende Angaben zum Kodex. Es werden Ziele und Anwendungsbereich des Kodex sowie die Kategorien der Regelungen und deren Verbindlichkeit dargelegt. Der zweite Abschnitt behandelt die Leitung und Überwachung des Unternehmens durch Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung. Die nächsten vier Abschnitte sind dem Leitungs- und Aufsichtsorgan (Vorstand und Aufsichtsrat) aus unterschiedlichen Blickrichtungen (Besetzung des Vorstands, Zusammensetzung und Arbeitsweise des Aufsichtsrats, Inte-ressenkonflikte der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat) gewidmet. Im siebten Ab-schnitt finden sich Regelungen, die einen zentralen Bereich der Unternehmenspublizität bezüglich Transparenz und externer Berichterstattung betreffen. Der achte Abschnitt bezieht sich abschließen auf die Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat.

E. Zusammenfassung

Überwachung beinhaltet traditionell den Vorgang des Vergleichens von Ist- und Norm-zuständen bestimmter Überwachungsobjekte. Ziel der Überwachungsmaßnahmen ist die Gewinnung von Informationen über Abweichungen oder Übereinstimmungen von Ist- und Normzuständen, um festzustellen, ob betriebliche Handlungen im Sinne der gesetzten Unternehmensziele, gesetzlicher Vorschriften oder sonstiger Verlautbarungen normadä-quat durchgeführt werden. Die ältere betriebswirtschaftliche Überwachungslehre hat auf der Grundlage der Beschreibungen und Abgrenzung von Prüfungen und Kontrollen Ansätze für Erläuterungen sowie zur Gestaltung und Prognose von Überwachungssystemen ent-wickelt. Dieser überwachungstheoretische Ansatz ist insbesondere durch die Wirtschafts-prüfung aufgegriffen und präzisiert worden, die sich u. a. mit der Beurteilung und Prüfung des Internen Kontrollsystems (IKS) im Rahmen der Abschlussprüfung auseinandersetzt.

Der neuere Internal-Control-Ansatz ist hingegen definiert als ein von der Unternehmens-leitung und anderen Mitarbeitern bewirkter Prozess, der nicht nur auf die Verlässlichkeit der Rechnungslegung und die Einhaltung von Gesetzen abzielt, sondern u. a. auch auf die effiziente Gestaltung betrieblicher Abläufe und die Profitabilität des Unternehmens ausge-richtet ist. In der expliziten Integration dieser Zielkategorie liegt ein wesentlicher Unter-schied zur traditionellen, überwachungstheoretisch geprägten Prüfungspraxis, wie frühere Aussagen zur Prüfung des Internen Kontrollsystems zeigen: „Ob das Vermögen wirtschaftlich oder den Unternehmenszielen entsprechend eingesetzt wurde, ist für die Abgabe eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks irrelevant.“ (Maul, Grundlagen des Internen Kontrollsystems, in: Die Wirtschaftsprüfung, 30. Jg., 1977, S. 2319).

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Internal Control beinhaltet damit nicht nur die reine Vergangenheitsbetrachtung, sondern über die Sicherstellung der Wirksamkeit und der effizienten Gestaltung betrieblicher Abläufe hinaus auch eine zukunftsgerichtete Unternehmenssteuerung. Hierzu gehört ebenfalls die strategische Überwachung, die im Rahmen des Konzepts der strategischen Kontrolle als ergänzendes Kontrollinstrument seit langem gefordert wird. Diese zukunftsgerichtete Steuerung entspricht wiederum dem inzwischen etablierten – und auch aus dem angel-sächsischen Control abgeleiteten – Controlling-Begriff. Hieraus folgt, dass Controlling im Internal-Control-Ansatz einen Teil der Überwachung darstellt. Zudem wurde das Internal-Control-Konzept um weitere Zielkategorien, die sich vor allem auf Strategie-, Chancen-, Risiko- und Reportingaspekte beziehen, erweitert.

Im Rahmen eines Überwachungsansatzes kann das interne Überwachungssystem in die Komponenten Controlling und interne Prüfung (Revision) aufgespalten werden. Kontrolle als - in Abgrenzung zur Prüfung und Aufsicht - prozessabhängige Überwachungshandlung inte-griert neben organisatorischen Sicherungsmaßnahmen (z.B. das Vier-Augen-Prinzip) auch das Controlling. Wie Abbildung 25 zeigt, beinhaltet ein umfassendes unternehmerisches Überwachungssystem neben diesen Überwachungsmaßnahmen auch die externe Prüfung sowie die Aufsicht, die durch prozessunabhängige Überwachungshandlungen geprägt sind. Die Integration des Risikomanagementsystems in das Überwachungskonzept ergibt sich im Wesentlichen aus der Einordnung des Controllings in das interne Überwachungssystem. Vor-teil dieses Ansatzes ist es, dass er die Felder Überwachung und führungsunterstützendes Controlling in ein geschlossenes System aufnehmen kann. Schließlich vermag ein derartiges Überwachungssystem die Anforderungen der Unternehmensführung und der externen Prüfung zu integrieren.

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Abb. 25: Konkretisierung eines umfassenden unternehmerischen Überwachungssystems (modifiziert entnommen von Freidank/Paetzmann 2004, S. 18)

Unternehmerisches Überwachungssystem

prozessabhängige, permanente Überwachungshandlung

Organisatorische Sicherungs-maßnahmen

Internes Überwachungssystem

Controlling Prüfung (Interne Revision)

Risikomanagementssystem

ggf. externe Revision

(Abschluss-prüfung)

ggf. Aufsichtsrat ggf. Aufsichts-behörden

prozessunabhängige Überwachungshandlung

Kontrolle Prüfung Aufsicht