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couleur zeitschrift des mittelschüler-kartell-verbandes Preis: 2,- >> politisch unabhängiges jugend- und mitgliedermagazin 04 | 13 Baustelle Österreich Wo bleibt die Reform? Baustelle Österreich Wo bleibt die Reform? P.b.b. GZ 02Z031286S Verlagspostamt 1070 Wien DVR: 0014958 > Die Intelligente Grenze: Neuer Anschlag auf die Grundrechte geplant? > 80 Jahre MKV: Ein Fest der Freude

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Wieso geht in unserem Land seit Jahrennichts weiter? Warum sehen wir die immergleichen Emporkömmlinge und Bonzen, die den Status quo – koste es was es wolle – aufrechterhalten wollen? Kein Einsatz für Bürgerrechte beim aufgedeckten Datenschutzskandal, Gesamtschule durch die Hintertüre, Strafzahlungen für Unternehmen, statt Problemlösung und Durchhalteparolen in Sachen Mietkosten: Kommt der Politik die Verantwortung abhanden?Weitere Themen:Die Intelligente Grenze: Neuer Anschlag auf die Grundrechte geplant?75. Rosenkranzfest: Das vergessene WiderstandsfestRocken in der Herberge: Die Jugendherberge erfindet sich neuEnjoy!

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couleurzeitschrift des mittelschüler-kartell-verbandes

Preis: 2,- € >> politisch unabhängiges jugend- und mitgliedermagazin 04 | 13

Baustelle Österreich Wo bleibt die Reform?

Baustelle Österreich Wo bleibt die Reform?

P.b.b. GZ 02Z031286S Verlagspostamt 1070 Wien DVR: 0014958

> Die Intelligente Grenze:

Neuer Anschlag auf die Grundrechte geplant?

> 80 Jahre MKV:

Ein Fest der Freude

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Impressum

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Auflage: 25.000 ExemplareVerkaufspreis: € 2,-, Jahresabo: € 4,80 (exkl. Porto)

Verkaufsstellen: MKV-Kanzlei, Adresse s.o.; WStV-Kanzlei, Wien 8. Laudongasse 16;Kamper Annemarie, Bruck/Mur, Herzog-Ernst-Gasse 23;Denkmayr Thomas, Hartberg, Herrengasse 22; Wacker Norbert, Hall/Tirol, Oberer Stadtplatz 9; Wacker Martin, Innsbruck, Museumstraße 38; Sezemsky Josef, Innsbruck, Bruneckstraße 162

Blattlinie: Das „couleur“ ist die österreichweite Verbandszeitung des Mittelschüler-Kartell-Verbandesund als solche politisch unabhängig. Ziel ist die Information aller Mitglieder und Interessenten im Rahmen eines kritischen, auf den Grundsätzen desMKV bauenden Jugend- und Mitgliedermagazins.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht derMeinung des Herausgebers entsprechen.

RAA GR Mag. Gottfried Forsthuberv/o Michelangelo (BDB)Chefredakteur Thema

Verband

Jahresthema

Ad Fundum

„Baustön, Baustön, überall nur Baustön.Früher woas leiwand, da hama kane kobt.Owa heit? Überall nua Baustön.“ Diesendenkwürdigen Satz im Arbeiterbezirk Favoriten von einem einfachen, aber sehrvernünftigen Menschen beim Wirten morgens um halb Zehn ausgesprochen,kam mir anlässlich der Arbeiten an der vorliegenden Ausgabe in den Sinn. Er hatte zwar an die an allen Orten statt -findenden Straßen- und Kanalsanierungengedacht, war sich aber ob der tieferen Bedeutung seiner Worte bewusst, als er anfügte: „Genauso wie in da Politik: DieHawara reißn a Kinettn auf, und wissen ned wos nocha zum tuan ham.“ Die ihn umgebenden Kollegen, pflichteten ihm unter Ausstoß harter – gegen die Regierung gerichtete – Schmähungen bei. Das Volk ist unzufrieden. Auch in Favoriten.

Wieso geht in unserem Land seit Jahrennichts weiter? Warum sehen wir dieimmergleichen Emporkömmlinge undBonzen, die den Status quo – koste es was es wolle – aufrechterhalten wollen?Kein Einsatz für Bürgerrechte beim auf -gedeckten Datenschutzskandal, Gesamt-schule durch die Hintertüre, Strafzahlun-gen für Unternehmen, statt Problemlö-sung und Durchhalteparolen in SachenMietkosten: Kommt der Politik die Ver -antwortung abhanden?

Brief ans Christkind

Gerade zum Geburtsfest Christi und zumJahreswechsel, hegt jeder Mensch Wün-sche, Gedanken, Träume. Meine – in Be-zug auf das Weihnachtsfest – sind die Folgenden: Dass wir uns alle der spiri -tuellen Kraft dieses Anlasses intensiver bewusst werden. Es geht nicht darum, kleine und große Geschenke zu verteilenoder zu bekommen. Es geht um ein Fest der (Nächsten)liebe, des Respektes und des

familiären Zusammenhaltes. Es geht umeine spirituelle Feierstunde für Christus unseren Erlöser und um eines der wich -tigsten Feste unseres Kulturkreises. Ent-sprechend sollte man sich verhalten. Ab 22 Uhr beim Wirten zu sitzen, um gegenMitternacht – wenn überhaupt – illumi-niert die nächstgelegene Kirche zu be -treten, ist nicht gerade die angemessene Art um dieses Fest zu begehen.

Ich wünsche mir, dass wir unseren Nächs-ten mit Respekt und Wertschätzung be -gegnen; auch wenn wir nicht einer Meinung sind. Ich wünsche mir Ehrlich-keit im Umgang miteinander. Und ich wünsche mir, dass wir das Einende überdas Trennende stellen. Erst dann wird Weihachten zur „Weih‘ Nacht“. Und un -sere Leben und unsere Gesellschaft einStück besser.

Zeit zu handeln!

Politiker, erledigt eure Hausaufgaben! . . . . . . . . . 4Leitartikel von Autor Bernhard Winkler

„Mit 66 Jahren fängt das Leben an?“ . . . . . . . . . . 6Pensionen betreffen irgendwann auch die Jungen

MKV-Kartellrat an Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8„Zurück an den Verhandlungstisch!“

Dorfschulen wie im 19. Jahrhundert? . . . . . . . . . 10Gedanken zur aktuellen Bildungsdiskussion

Schon mit 50 ein „Altes Eisen“? . . . . . . . . . . . . . . 12Wer zu wenige Ältere beschäftigt, soll Strafe zahlen

Der Horror mit der Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13Sind Mietzinsbindungen die Lösung?

Die Intelligente Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14Neuer Anschlag auf die Grundrechte geplant?

Kostet Agrarförderung Menschenleben? . . . . . . 16Der afrikanische Exodus wird durch die EU (mit)verursacht

80 Jahre MKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18Ein Kommers der besonderen Art

75. Rosenkranzfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20Das vergessene Widerstandsfest

„Kirche muss sich immer wieder erneuern“ . . 22Interview mit Kbr. Diözesanbischof Dr. Alois Schwarzer

Deine Meinung ist gefragt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24Kirche startet Umfrageaktion

„Langsam wird es besser“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Sudentendeutsche erzählen ihre Geschichten

Rocken in der Herberge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Die Jugendherberge erfindet sich neu

Herausgeber: Mittelschüler-Kartell-Verband der katholischen farbentragenden Studenten-korporationen Österreichs (MKV), Laudongasse 16/Stiege 3/1. Stock, 1080 WienTelefon: +43/1/5237434, Fax: +43/1/5237434-9E-Mail: [email protected], Internet: www.mkv.atZVR-Zahl: 646503058, ZVR-Zahl AHB: 750161558

Geschäftsführer: StS a.D. Mag. Helmut Kukacka (TGW)Vorstand: StS a.D. Mag. Helmut Kukacka (TGW), Michael Wilim (MDK), RA Dr. Alexander Kragora (VDW), Dr. Gregor Jansen (SOP)

Chefredaktion: RAA GR Mag. Gottfried Forsthuber (BDB)Telefon: +43/699/13300140, E-Mail: [email protected]

Redaktion Couleur-Intern: Martin Meixner (BDB)[email protected]

Fotos: MKV, Europäische Kommission (EK), flickr.com, zur Verfügung gestellt

Konzeption, Produktion und Anzeigenverwaltung: Druckservice Muttenthaler GmbH, Ybbser Straße 14, 3252 Petzenkirchen, Tel. 07416/504-0*, [email protected]

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Wer in Österreich möglichst viele Men-schen von seiner politischen Meinungüberzeugen möchte, braucht nur eines zutun: Das politische System zu kritisieren.Schnell kommen einem die Sympathienzu. Schnell wähnt man sich auf derselbenLinie – unabhängig von Alter, Herkunftoder Weltanschauung. Das passiert nichtzufällig. Vieles läuft falsch in unseremLand. In den Gerichten stapeln sich die Akten zu Korruptionsskandalen. JedesJahr steigen die Staatsschulden. Seit Jahr-zehnten weisen Fachleute auf dringendeReformen hin. Zum Beispiel im BereichBildung.Trotzdem ändert sich wenig. Auf der Suchenach Kompromissen, die alle Verhand-lungspartner zufriedenstellen, wird das eigentliche Ziel aus den Augen verloren.Im Streit um die Gesamtschule einigt mansich auf eine zusätzliche Schulform undverändert das Schulsystem damit in eineRichtung, die alle gleich wenig wollten.Frontalunterricht, strikte 50-Minuten-Ein-

heiten und Auswendiglernen, um danachalles wieder zu vergessen, prägen für dieMehrheit der Schüler weiterhin den Alltag.Bei internationalen Vergleichs-Rankingsrangiert Österreich nur noch im Mittelfeld.Laut PISA-Studie 2009 können 28 Pro-zent der 15- und 16-Jährigen nicht sinn-erfassend lesen.

Regiert die Politik noch?

Man wird den Eindruck nicht los, die Poli-tik habe ihre gesamte Macht aus der Handgegeben. Dankend griffen Banken undGroßkonzerne danach und entscheidenseither je nach Aktivität, in welchem Landsie am meisten Vorteile für ihre Kapitel -geber lukrieren können. Produkte in ganzEuropa verkaufen, Steuern aber nur imNiedrigsteuerland Luxemburg bezahlen?Kein Problem – der freie Markt geht überalles, natürlich auch über soziale Verant-wortung. Ein Bankfilialnetz in Osteuropaaufbauen und ein Scheitern dem österrei-

chischen Staat in Rechnung stellen? Aberklar doch! Risiken sind dazu da, um sie auf andere abzuwälzen.„Geld regiert die Welt, die Politik ist seinSklave“, fasst das Buch „So nicht! An -klage einer verlorenen Generation“ die Si -tuation zusammen. Bei aller berechtigtenKritik ist es zu einfach, nur den Politikerndie Schuld für alles Schlechte in unsererWelt zu geben. Das sich verselbstständi-gende Wirtschaftssystem trägt die Verant-wortung genauso wie jeder Einzelne, dervon der Politik Reformen fordert, aberselbst nicht bereit ist, auf wohl erworbeneRechte zu verzichten.

Idealismus oder Eigeninteresse?

Jene, die von diesem gegenseitigen Zu-schieben der Verantwortung am stärkstenund längsten betroffen sein werden, sindjunge Menschen. Sie haben den größerenTeil ihres Lebens noch vor sich und haftenfür die Versäumnisse der Gegenwart. Aberdie Jugend interessiert sich nicht für Politik, heißt es. Sie beschäftige sich liebermit anderen Themen. Mit dem eigenenFortkommen in der Schule und der spä -teren Karriere im Studium oder Beruf zum Beispiel. Eine Generation voller Egoisten, der andere Menschen egal sind?Nein, so einfach ist es dann doch nicht. Wer heute im Teenager-Alter ist und dieNachrichten verfolgt, bekommt beim Thema Politik kaum Positives zu hören.Die Skandale der Gegenwart und der ver-gangenen Jahre erwecken den Eindruck, in der Spitzenpolitik seien hauptsächlichMenschen tätig, die nicht aus Idealismus,sondern aus Eigeninteresse ihre Funktionausüben. Nicht nur Politiker, sondern dasgesamte politische System ist in der öf-fentlichen Meinung zu etwas Negativem,ja fast Anrüchigem, geworden. In dieserWelt der Ablehnung wächst man als jungerMensch auf und kennt die großen Errun-genschaften und Leistungen der Politik

Die Österreicher sind angefressen. Auf „die da oben“. Auf die Menschen,die für unser Land die wichtigsten Entscheidungen treffen und damit be-stimmen, wie wir in Zukunft leben werden. Besonders für junge Menschengibt’s Grund zur Beschwerde.

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bestenfalls aus dem Geschichte-Unter-richt.

Demografischer Wandel: Mehr Alte als Junge

Und dann gibt’s da ja auch noch den demografischen Wandel: Österreich altert.Die Lebenserwartung steigt und die Ge-burtenrate ist niedrig. In den vergangenenJahrzehnten hat sich das zahlenmäßigeVerhältnis zwischen Über-60-Jährigen undUnter-20-Jährigen ins Gegenteil verkehrt:Während etwa im Jahr 1985 zwei Millio-nen Unter-20-Jährigen 1,5 Millionen über60-Jährige gegenüberstanden, gab es imJahr 2012 nur noch 1,7 Millionen Unter-20-Jährige und bereits knapp zwei Millio-nen Menschen über 60 Jahren (Quelle: Statistik Austria). Deshalb neigt die Politikdazu, mit ihren Entscheidungen die Jugendzu vernachlässigen und ältere Menschen zu bevorzugen. Denn bei diesen gibt es die meisten Wählerstimmen zu holen.Jungen Menschen wird es also schwer gemacht, sich für Politik zu begeistern.Dass sie alle politikverdrossen sind, stimmttrotzdem nicht, wie sich derzeit deutlichzeigt: Seit Jahren fordern Schülerorgani -

sationen ein eigenständiges Fach für Politische Bildung ab der Pflichtschule. ImNovember stellte ein breites Bündnis vonmehr als 30 Jugend- und Schülerorganisa-tionen ihren Forderungskatalog zur Ein-

führung des neuen Schulfachs vor. Ebensowurde eine Umfrage präsentiert, wonach83 Prozent von 1.200 befragten Schülernhinter der Forderung stehen. Eine klareMehrheit der österreichischen Jugend-lichen wünscht sich also mehr Informa -tionen über Politik schon in ganz jungenJahren.

Flagge zeigen!

Die neue Regierung muss nun Flagge zeigen: Interessiert sie sich für die Anlie-gen junger Menschen oder wollte sie vorsechs Jahren mit der Senkung des Wahlal-ters auf 16 Jahre einfach nur eine neueleicht zu beeinflussende Wählergruppeschaffen? Dass in Österreich 16- und 17-Jährige an allen bundesweiten Wahlen teil-nehmen dürfen, ist europaweit einzigartig.Dass ansonsten die Interessen junger Menschen vernachlässigt werden, ist das-selbe negative Phänomen wie in anderenalternden westlichen Staaten. Erst diesesJahr belegte Österreich in einer Studie derBertelsmann-Stiftung beim Thema Gene-rationengerechtigkeit nur Platz 20 von 29Staaten. Untersucht wurde darin etwa dieStaatsverschuldung pro Kind und Jugend-lichem, aber auch die Verteilung sozial-staatlicher Ausgaben auf Jung und Alt.Österreich hat ein Problem. Das Volk trautseinen Politikern nicht zu, Lösungen für diegrößten Probleme des Landes zu findenund umzusetzen. Die Politiker haben nureine Chance, um ihren schlechten Ruf abzulegen: den Menschen das Gegenteil zu beweisen.

„Wer heute im

Teenager-Alter ist unddie Nachrichten ver-folgt, bekommt beimThema Politik kaumPositives zu hören.

der autorBernhard Winkler, geboren 1989, studiert Rechts -wissenschaften an der Universität Linz. Seit Novemberist er Mitglied des Vorstands der Stiftung für die Rechtezukünftiger Generationen aus Stuttgart.

INFOBox:BuchempfehlungBernhard WinklerSo nicht! Anklage einer verlorenen GenerationISBN: 978-3218008686EUR 17,90

Dafür dass sich junge Menschen sehr wohl für Politik interessieren,ist das Buch „So nicht! Anklage einer verlorenen Generation“ (er-schienen im Verlag Kremayr & Scheriau) der beste Beweis. Der 24-jährige Autor Bernhard Winkler kritisiert darin die herrschendePolitik in Form von 20 Anklagepunkten. Sie habe keine Ideale mehrund mache politisches Kleingeld auf dem Rücken der Jugend: bei der Jobsuche, in der Bildungspolitik, bei der Altersvorsorge. Demokratie sei zur Farce verkommen, die Politiker lebten nur mehrin der Defensive, schreibt er. Er zeichnet darin auch seinen Weg vom politisch interessierten Teenager zum frustrierten jungen Erwachsenen und lässt die Leser an seinem 13. Geburtstag teil haben,an dem er beschloss, alles über Politik in Erfahrung zu bringen, wases zu wissen gibt. Kritik übt er aber nicht nur an Politikern, sondernauch an Bürgern, die es sich bei der Schuldzuweisung an die Politikoft viel zu leicht machten. „Demokratie ist kein Kindergarten: Wir müssen hart arbeiten, um sie zu bewahren“, lautet deshalb seinAppell.

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Mit dem Bericht der Pensionskommissionhaben die Diskussionen rund um die Si-cherheit unserer Pensionen wieder einmalAuftrieb bekommen. Das Bild ähnelt sichbei jedem Aufflammen der Pensionsde -batte: Experten mahnen zu Reformen, Pensionistenvertreter beschwören die Soli-darität der Gesellschaft und in Befragun-gen setzt die junge Generation wenig Ver-trauen in das staatliche Pensionssystem.

Wie reagiert die Politik?

Gebetsmühlenartig wird versprochen, dassunser Pensionssystem sicher und für dienächsten Jahre kein Handlungsbedarf ge-geben sei. In Vorwahlzeiten treibt die „kon-zentrierte Unvernunft“ gerade im Pen-sionsbereich seltsame Blüten. Was in derAuseinandersetzung über eine zukunftsge-sicherte Altersvorsorge aber vollkommenfehlt, sind grundsätzliche Fragestellungen.Wer soll wann und in welcher Lebens -situation in den Genuss einer staatlichenPension kommen? Was bedeutet in dieserHinsicht Generationengerechtigkeit? Wel-

chen Steuerungseffekt will man mit demPensionssystem erreichen?

45 Jahre sind genug?

Dem Grundgedanken nach stellt unserPensionssystem eine Versicherung dar. DerBürger zahlt sein Leben lang Versiche-rungsbeiträge – ähnlich der Kranken- oderBrandschutzversicherung – um dann imVersicherungsfall eine Leistung zu emp-fangen. Diesen Versicherungsfall stellt derEintritt alters- oder auch krankheitsbeding-ter Arbeitsunfähigkeit dar. Die Pensions-kasse gleicht also einen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen Verdienst-ausfall bis zu einem gewissen Teil aus – soweit die Theorie.

Die Praxis sieht anders aus. Der Groß-teil der Bürger im „Vollkaskostaat“ Öster-reich sehnt den Pensionsantritt nach einem„möglichst kurzen Marsch durch die Wüste Arbeitsleben“ geradezu herbei, frei nach Udo Jürgens: „Mit 66 Jahren, dafängt das Leben an“, bei uns allerdings

meist schon etwa zehn Jahre früher. DieIdee des Versorgungsgenusses wird damitbis zur Unkenntlichkeit verdreht.

Aus dieser Grundüberlegung heraus ist die Definition eines Regelpensionsantritts-alters ebenso wenig sinnvoll wie die Floskel „45 Jahre sind genug“. Gerade inder heutigen Zeit sagt das Lebensalter nicht sehr viel über die Leistungsfähigkeitdes Einzelnen aus. Hier wird ein kom -plettes Umdenken erforderlich sein. DasErwerbsleben muss wieder als etwasgrundsätzlich Positives begriffen werden,jeder sollte den Anreiz haben, so lange wiemöglich im Arbeitsprozess zu stehen unddamit auch unsere Gesellschaft mitgestal-ten zu können. Anstatt dessen muss mansich heute aber ab einem gewissen Alterfragen lassen, wie „lange man noch hat“.

Bezahlter Unruhestand?

Wenn die Tendenz so weitergeht, werdendie meisten Menschen nicht einmal dieHälfte ihres Lebens im Erwerbsleben ste-

„Mit 66 Jahren fängt dasIn der aktuellen Pensionsdebatte wird vieles über notwendige Reform-schritte und neue Modelle gesprochen. Geht es eigentlich nicht um die Wertschätzung der menschlichen Arbeit?

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hen. Konnte man bei Einführung des heu-tigen Regelpensionsantrittsalters landläu-fig davon ausgehen, dass zu diesem Zeit-punkt der Einzelne körperlich gealtert warund nicht lange mehr zu leben hatte, siehtdie Realität heute anders aus. Die neu ge-wonnene Freizeit wird zu erhöhter sport-licher Betätigung und zur Welterkundunggenützt. Nicht umsonst hat die Werbebran-che ob ihrer Kaufkraft und der notwendi-gen Muße, das Geld auch auszuheben, die-se Bevölkerungsgruppe entdeckt, ja diesesogar als silver agers zur besonderen Ziel-gruppe entwickelt. Die Bereitstellung einerbeträchtlichen Lebenszeit zur freien Verfü-gung kann aber niemals Sinn und Zweckeiner staatlichen Pensionsversicherungsein. Der ursprüngliche Versorgungsge-danke ist in den Köpfen der Menschen lei-der schon lange verloren gegangen.

Wohl erworbene Rechte?

Die konkrete Finanzierung unseres Pen-sionssystems beruht auf einem Generatio-nenvertrag, d.h. die aktuell geleisteten Pen-sionsversicherungsbeiträge werden nachdem Umlageverfahren an die derzeit pen-sionsberechtigten Personen ausbezahlt. Eswerden also nirgendwo Beitragszahlungenfür einen späteren Zeitpunkt gebunkert,man setzt vielmehr auf gesellschaftlicheSolidarität. Dabei muss aber klar sein, dassnicht mehr an Pensionen ausgeschüttetwerden kann, als an Beiträgen herein-kommt. Der jährlich zu leistende staatlicheZuschuss beweist, dass diese Systematikschon lange in Schieflage geraten ist. Hier

ist der Einzelne von der Entwicklung desgesamten Systems abhängig, es gibt alsokeine „wohl erworbenen Rechte“ und vom„Pensionsklau“ kann keine Rede sein.

Anspruch von Gestern?

Voraussetzung für das Funktionieren un -seres Pensionssystems ist das richtige Verhältnis zwischen Beitragszahlern undPensionsempfängern. Wenn sich diesesVerhältnis immer mehr verschiebt, mussdas auch Auswirkungen auf die Höhe derPensionszahlungen haben. Hier wirkt sichnicht nur eine immer älter werdende Gesellschaft aus, sondern auch der starkeGeburtenrückgang. Früher galten zahl -reiche Kinder als die beste Versicherung.Heute ist diese Verantwortung auf die Gesellschaft übergewälzt, aber auch sie benötigt eine starke junge Generation, diedann die Älteren versorgt.

Was also tun?

Natürlich ist es wichtig, über den Teller-rand hinauszusehen. Die Förderung priva-ter Vorsorge wie im Drei-Säulen-Modell istebenso zu unterstützen, wie Elemente aus

dem schwedischen System, die Anreize füreinen längeren Verbleib im Erwerbslebensetzen. Die Entscheidung für das eine oderandere System ist aber nicht die Kernfrage.Wesentlich verändern können wir die Pro-blematik nur dann, wenn wir der Erwerbs-arbeit in unserem Leben einen anderenStellenwert geben.Ziel politischen Handelns muss sein, in derBevölkerung eine Bewusstseinsänderungherbeizuführen, die bewirkt, dass Arbeitnicht mehr als notwendiges Übel begriffenwird, sondern als sinnstiftende Tätigkeitfür unser Leben. Die Politik muss Rah-menbedingungen schaffen, die es denMenschen ermöglicht, auch in höherem Alter eine Beschäftigung zu finden. Dazugehören rechtzeitige Weiterbildungsmaß-nahmen und Gesundheitsvorsorge ebensowie eine altersfreundliche Gestaltung desArbeitsrechts sowie eine ausgewogenework-life-balance. Nicht zuletzt tragenauch monetäre Anreize dazu bei, die Motivation in fortgeschrittenem Alter zuerhöhen. All diese Elemente führen abernur dann zum Ziel, wenn wir als Gesell-schaft den älteren Mitbürgern auch im Arbeitsleben mehr Wertschätzung entge-genbringen.

Leben an?“

der autorMMag. Armin Tschurtschenthaler v/o von Tschurtschi (TTI) arbeitet in der Finanz- und Beteiligungsverwaltung beim Amt der Tiroler Landesre -gierung und ist TMV LVors-Stv.

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Der MKV verlangt die konstruktive undqualitative Weiterentwicklung des öster -reichischen Bildungssystems und fordert:„Zurück zum Verhandlungstisch und zwarunter Einbindung aller Schulpartner, alsoauch der Eltern- und Schülervertreter!“Der jetzige Entwurf zum Lehrerdienstrechtbringt nicht nur den Lehrern, sondern auchden Schülern und Eltern Nachteile und kei-ne Qualitätsverbesserung des Unterrichts.

Lehrer sollen nicht Fächer unterrichtenmüssen, für die sie nicht ausgebildet sind.Es wäre eine signifikante Qualitätsminde-rung, wenn man an einer AHS auch ohneden Master-Abschluss unterrichten dürfte.Das neue Dienstrecht und die neue Ein-heitslehrerausbildung sollen offensichtlichder Einführung der Gesamtschule und derverpflichtenden Ganztagesschule dienen,die vom MKV aber abgelehnt wird. „Wir

treten für ein differenziertes, begabungsge-rechtes und durchlässiges Schulsystem ein,bei dem das achtjährige Gymnasium er -halten bleibt.“ betont KVors Mag. HelmutKukacka v/o Orpheus (TGW), der klar-stellt: „Bildung und Wissenschaft sind fürden Wohlstand eines Landes wie Öster-reich von existenzieller Bedeutung, dennauf reichhaltige Bodenschätze können wirnicht zurückgreifen“.

Viele Baustellen

Ex-Unterrichtsministerin Schmied hinter-lässt nach fast sieben Jahren ihrer Tätigkeitviele eröffnete Baustellen, aber nur sehrwenige vollendete Projekte. Ihr bis zuletztverfolgtes und auch offen eingestandenesideologisches Hauptziel war die verpflich-tende Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jäh-rigen. Reformen wurden von BM Schmiednicht mit den Schulpartnern gemeinsamgestaltet, sondern es wurde versucht diesemeist gegen die betroffenen Eltern, Schü-ler und Lehrer durchzudrücken.Der MKV hat sich auch brieflich an denÖVP-Verhandlungsführer im Bereich Bildung, Kbr. LH Dr. Wilfried Haslauer,gewandt, um diesen auf die zentralen Positionen des MKV hinzuweisen: „Wirlehnen die flächendeckende Einführungder Gesamtschule strikt ab und fordern,dass das differenzierte Schulsystem samtachtjährigem Gymnasium jedenfalls er -halten bleibt“, erklärt Kukacka und weistdarauf hin, dass sich auch Kbr. Vizekanz-ler Dr. Michael Spindelegger (TUM, Nc)im Wahlkampf dazu eindeutig bekannt hat.

MKV-Programm zur Schulpolitik

In seinem „30-Punkte-Programm zurSchulpolitik“ strebt der MKV eine Weiter-entwicklung der Qualität des österreichi-schen Schulwesens an und will die wich-tigsten Punkte daraus, den Koalitionsver-handlern mit auf den Weg geben, stellt dazu auch Kx Peter Stellnberger v/o DonCamillo (STB) fest:

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Schulreformen dürfen keinen Qualitätsverlustbringen. „Zurück an den Verhandlungstisch!“ forderte der Herbstkartellrat des MKV, der sichauch mit Fragen der Schul- und Bildungspolitikbefasst hat.

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6. Individualisierung durch kleinere Klassen! Nur entsprechend geringe Klassengrößen(höchstens 25 Schüler) sichern eine mög-lichst gute Förderung der individuellen Anlagen und einen qualitativ hochwertigenUnterricht.

7. Bessere Schulwahl durch bessere Beratung!Schülern und Eltern sind an den Naht -stellen und Übergängen der Bildungs-wege verstärkte Orientierungshilfen an -zubieten. Beim Übertritt von der 4. in die 5. Schulstufe sollen neben den Zeugnis -noten, deren Verwendung österreichweitvergleichbar gemacht werden muss, in -

9. Ganztägige Betreuung ausbauen! Die gesellschaftliche Entwicklung ver-langt den stärkeren Ausbau von ganz - tä gigen Schulformen. Die schulischeNachmittagsbetreuung soll mit größtmög-licher Flexibilität auf freiwilliger Basisange boten werden. Jene Kinder, die Nachmittagsbetreuung wünschen oderbrauchen, sollen diese qualitätsvoll be-kommen können. Für die Infrastruktur der Schulen (Speisesäle, Küchen, Freizeit-und Stu dierräume, Sport- und Freizeit-möglich keiten) sind große Investitionen zu tätigen.

1. Chancengerechtigkeit und Wahlfreiheit garantieren! Ein breit gefächertes differenziertes Bil-dungssystem muss jedem jungen Men-schen eine faire Chance auf bestmöglicheBildung und Ausbildung und auf Ent -faltung seiner persönlichen Interessen, Fähigkeiten und Begabungen bieten.

2. Schüler fördern – Leistung fordern! Jeder Schüler hat das Recht, in der Schuleindividuell gefördert zu werden. Daher istauf die lernunterstützende Leistungsförde-rung genauso Wert zu legen wie auf die(Hoch-)Begabtenförderung

3. Sprachbeherrschung einfordern! Da die Beherrschung der Unterrichts -sprache Voraussetzung für einen erfolg -reichen Bildungserwerb ist, müssen – be-ginnend mit dem Kindergarten – sämtli-che Bildungseinrichtungen durch gezielteund verpflichtende Fördermaßnahmen ihrHauptaugenmerk auf die Vermittlung dernötigen Sprachkompetenz legen.

4. Das 8-jährige Gymnasium ist unverzichtbar! Das traditionelle 8-jährige Gymnasium mit dem Schwerpunkt auf eine vertiefteAllgemeinbildung muss als eine der ange-botenen Schulformen bestehen bleiben.Das Gymnasium hat große Akzeptanz inder Öffentlichkeit und bietet leistungs- undbelastungsfähigen, interessierten und be-gabten Schülern eine förderliche Lernum-gebung in homogenen Klassen.

5. Qualifizierte Berufsausbildung als wichtige Zukunftsaufgabe! Hochwertige Abschlüsse sind das Fun -dament für ein erfolgreiches Berufslebensowie für den Wirtschaftsstandort Öster-reich. Deshalb muss die Weiterentwick-lung der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen ein Schwerpunkt sein.Unzureichende Unterrichtsbedingungen,vor allem in den ersten Jahrgängen, sind zuverbessern.

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tensive Beratungsge-spräche zwischen El-tern, Lehrern, Schü-lern und den auf -nehmenden Schulengeführt werden.

8. Schüler, Elternund Lehrer profes-sionell unterstützen!B i l d u n g s p o l i t i kkann und darf Elternnicht die Verantwor-tung für ihre Kinder abnehmen, muss sieaber bestmöglich dabei unterstützen.Für die Bewältigungvon Krisen (Lernpro-bleme, Mobbing,persön liche Krisen,familiäre Defizite)muss das Angebot anpsychologischer undthera peutischer Un-terstützung durchSpezia listen (Förder-lehrer, Schulpsycho-logen, Beratungsleh-rer, Mediatoren, So-zialar beiter) massivausgebaut werden.

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„Die Lehrer und ihre Gewerkschaft neh-men Österreichs Bildungssystem seit Jahr-zehnten in Geiselhaft. Eine bessere Schulescheitert an Standesdünkel und Bequem-lichkeit. Generationen von Eltern undSchülern sind die Leidtragenden. Eine Ab-rechnung.“ So leitet das Wochenma gazinProfil in seiner Ausgabe vom 2. Dezember2013 einen Artikel mit dem Titel „Ist derRuf erst mal ruiniert …“ ein.

Aber: Der Ruf von Lehrern ist wesent-lich besser als vom durch Regierungs-in serate gekauften Boulevard dargestellt. Eine market-Umfrage zum Image von Berufsgruppen für das Wirtschaftsmaga-zin „trend“ kommt im November 2013 zu folgenden Ergebnissen: Lehrer: +40, Journalisten: +21, Politiker: -65. Daher: Eine Replik!

Billig immer gut?

Stellen wir uns folgende Situation vor: Eine Familie plant eine Urlaubsreise undsucht dafür günstige Flugverbindungen.Das Ergebnis der Internetrecherche ergibtetwa ähnlich hohe Preise für die bekanntenFluglinien. Nur die bislang unbekannteAirline „Education-Air“ unterbietet denPreis um die Hälfte. Bei näherer Betrach-tung stellt sich aber heraus, dass bei dieserFluglinie:• Piloten nur halb so lange ausgebildet

werden wie sonst üblich,• Piloten schon während der Ausbildung

eigenverantwortlich fliegen müssen,

• Piloten auch für das Bordservice ver -antwortlich sind,

• durch engere Sitzabstände die Passagier-zahl um etwa 100 Personen erhöht wurde,

• Piloten unabhängig von ihrer Ausbildungvon der einmotorigen Propellermaschinebis zum Jumbo-Jet alle Flugzeugtypenfliegen müssen.

Wer würde einer solchen Fluglinie trotz desgünstigen Flugpreises seine Familie undsich selbst anvertrauen? Wohl niemand,denn der Absturz scheint vorprogrammiert.

Ähnlich verhält es sich beim Lehrerdienst-recht. Auch wenn die veröffentlichte Mei-nung ein anderes Bild zeichnen möchte: Es geht nicht um „geldgierige Lehrer“ und es geht auch nicht um mehr oder weniger Unterrichtsstunden. Es geht um einen massiven Anschlag auf die Qualitätder Bildung zukünftiger Schülergenera -tionen!

Anschlag verhindern!

Eltern und Schüler stehen mit Lehrern Sei-te an Seite, um diesen Anschlag zu verhin-dern. Die Schulpartner haben sich schonvor einiger Zeit im sogenannten Bundes-Schulgemeinschaftsausschuss (B-SGA)zusammengeschlossen. Dieser besteht ausje vier Vertretern der Eltern, der 44.000Lehrer und der 400.000 Schüler aus demAHS- und BMHS-Bereich. In einem offenen Brief wendet sich der B-SGA mitfolgenden Kritikpunkten an die Politik:

1. An den höheren Schulen sollen künftigLehrer mit deutlich kürzerer Ausbildungals bisher angestellt werden dürfen. Einsolches Downgrading ist abzulehnen. Zu-mindest dort, wo derzeit nur masterwertigausgebildete Lehrer unterrichten dürfen,muss das auch in Zukunft gewährleistetsein.

2. Lehrer sollen künftig in jedem beliebi-gen Fach in jeder beliebigen Schulart auchgegen ihren Willen unterrichten müssen.

3. Abschaffung des 8-jährigen Gymnasi-ums wird mit diesem Lehrerdienstrechtvorbereitet. Die scheidende Unterrichts -ministerin hat dies auch ganz offen in diversen Interviews zugegeben.

4. Lehrern wird noch weniger Zeit als bis-her für den einzelnen Schüler bleiben.Lehrer werden in Zukunft mehr Klassenund daher zwischen 50 und 100 Schülermehr als heute zu unterrichten haben. Esdürfte also auch für eine Unterrichtsminis-terin nicht zu schwer zu verstehen sein,dass sich da nicht mehr, sondern nur weni-ger Zeit pro Schüler ergeben kann.

5. Die Notwendigkeit von Unterstützungs-personal bleibt weiterhin unberücksichtigt.Österreichs Schulen belegen laut der TA-LIS-Studie im OECD-Vergleich den letztenPlatz bei der Ausstattung mit Unterstüt-zungspersonal. An vielen Schulstandortengibt es keine Sekretariatskraft, ein Psycho-loge ist im besten Fall alle acht Wochen ander Schule und der Kontakt zu Sozialarbei-tern erfolgt in vielen Fällen auf private In-itiative. Österreichs Schulen sind jene Mög-lichkeiten zu bieten, die in anderen Staatenlängst eine Selbstverständlichkeit sind.

„Im Zuge der empörenden Hetzjagd auf dieLehrer gehen die ebenso empörenden De-tails des neuen Lehrerdienstrechts unter.Die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ setzen ein Konzept um, das im 19. Jahr-hundert in den Dörfern üblich war: DerHerr Lehrer als universelle Autorität brach-te den Kindern alles bei, was sie so zum Leben brauchten. Das war nicht viel undstörte vor allem nicht bei der Hilfe auf demFeld“, schreibt Ronald Barazon in denSalzburger Nachrichten und trifft damitden Nagel auf dem Kopf!

Auch wenn es bestimmte Medien anders darstellen: In der aktuellen Bildungsdebatte geht es um einen massiven Anschlag auf die Qualität der Bildung zukünftiger Schülergenerationen.

der autorMag. Matthias Hofer v/o Gauß(NOH, BOW) ist Bundesfach-gruppenobmann der AHS-Lehrer und MKV-Referent fürSchul- und Bildungspolitik.

Dorfschulen wie im 19. Jahrhundert?

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Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt:Ab 45-50 hört der/die Arbeitssuchende:„Sie sind überqualifiziert“, „kein Bedarf“,„leider nein“. Warum ist das so? Vermut-lich weil Arbeitnehmer in diesem Alter fürUnternehmen zu teuer sind. Generell sinddie Lohnnebenkosten in Österreich ein einziges Fiasko, sind doch Steuern und Abgaben ein wesentlicher Teil der Ursa-che, warum sich mehr und mehr Groß-unternehmen entscheiden ins Ausland zugehen. Übrig bleibt einmal mehr der un -ternehmerische Mittelstand, der entwedernicht ins Ausland gehen kann, oder ver-rückt genug ist, trotz horrender Zahlungs-verpflichtungen sein Glück in Österreichzu versuchen.Arbeit wird in Österreich teurer und teurer.Dabei steigen nicht die Löhne unverhält-nismäßig stark (so wie bei den Griechen,die eine mehrprozentige Lohnsteigerungnach der anderen hingelegt haben, und sichjetzt wundern, warum ihr Land vor demAbgrund steht – freilich auch mit freund-licher Unterstützung von Goldman Sachs,aber das ist eine andere Geschichte), son-dern die lohngebundenen Steuern und Ab-gaben.In Sonntagsreden ist man sich einig, dassdie Kosten zu senken seien. Leider, nur leider ist es aufgrund der budgetären Si -tuation „derzeit“ nicht möglich. Dieses„derzeit“ höre ich, seitdem ich mich poli-tisch interessiere, also seit gut 15 Jahren.

Zu starrer Kündigungsschutz

Ein weiteres Problem ist der starre Kündi-gungsschutz insbesondere für ältere Ar-beitnehmer. Warum? Weil ein Arbeitsver-hältnis auch einmal in die „Binsen“ gehenkann. Der Arbeitnehmer entspricht nichtden Anforderungen, beginnt heimlich zutrinken oder arbeitet schlampig. Unterneh-mer wollen sich in solchen Situationen von

Arbeitnehmern eher heute, als morgentrennen. Allerdings ist das höchst proble-matisch, sobald der Arbeitnehmer ein ge-wisses Alter erreicht hat. Ergo denken sichUnternehmer: „Ich habe ohnehin Problemegenug, ich nehme mir lieber jüngere Ar-beitskräfte und kündige den Alten recht-zeitig, ich habe keine Lust auf eine Kün -digungsanfechtung wegen Sozialwidrig-keit.“ Das letzte Wort ist entscheidend.

„Sozialwidrig“ – was ist das?

Das Arbeitsverfassungsgesetz sieht vor,dass in Betrieben, in denen mehr als vierstimmberechtigte Arbeitnehmer beschäf-

tigt werden, der Arbeitnehmer oder der Betriebsrat eine Kündigung wegen So -zialwidrigkeit anfechten kann. Sozial -widrigkeit liegt vor, wenn die Kündigungsozial ungerechtfertigt ist, d.h. wesentlicheInteressen des Arbeitnehmers beeinträch-tigt und das Arbeitsverhältnis bereits sechsMonate gedauert hat.Die Kündigungsanfechtung wegen Sozial-widrigkeit erfolgt meistens von älteren Arbeitnehmern, da sie im Regelfall mit ei-ner längeren Arbeitslosigkeit und höherenEinkommensverlusten zu rechnen haben.Eine gesetzliche Altersgrenze für Kündi-gungsanfechtungen gibt es jedoch nicht.Bei älteren Arbeitnehmern ist bei der Prü-fung, ob eine Kündigung sozial ungerecht-fertigt ist, der Umstand einer vieljährigen

ununterbrochenen Beschäftigungszeit imUnternehmen genauso zu berücksichtigen,wie die wegen des höheren Lebensalters zu erwartenden Schwierigkeiten bei derWiedereingliederung in den Arbeitspro-zess. Ein Umstand der faktisch IMMERvorliegt. Das ist einer der Gründe, warumungern ältere Arbeitnehmer aufgenommenwerden.Ein Blick ins Ausland (Schweiz, Däne-mark,…) reicht, um zu erkennen, dass miteinem liberaleren Arbeitsrecht mehr (!) ältere Arbeitnehmer in Beschäftigung stehen, als bei uns. Bildlich gesprochen:Wer zu stark zementiert, verliert mehr, als er zu bewahren versucht.

Die „glorreiche“ Lösung

Aber wie lautet die Antwort der – derzeitnoch verhandelnden – Regierung auf dieangesprochenen Probleme? „Für Unter-nehmen, die ältere Arbeitnehmer anstellenund über mehrere Jahre halten, plant die Koalition Bonuszahlungen. Wer zu wenigeÄltere beschäftigt, soll Strafe zahlen. Branchenspezifische Quoten sind geplant.“Ja, richtig gelesen! Die Unternehmer sollenregelrecht gezwungen werden ältere Ar-beitnehmer aufzunehmen. So etwas kannnur weltfremden – Verzeihung, ich weiß es gibt auch viele erstklassige – Beamteneinfallen. Statt die Wurzel des Übels (denzu starren Kündigungsschutz) zu besei -tigen, wird auf Zuckerbrot und Peitsche gesetzt. Damit erreicht man, dass der Wirtschaftsstandort Österreich noch un -attraktiver wird, die großen gehen und diekleinen Unternehmen die sprichwörtliche„Krot“ fressen müssen. Wo ist der Wirt-schaftsbund, wenn man ihn braucht? Schon beim Buffet? Oder doch noch amVerhandlungstisch?

MAG. GOTTFRIED FORSTHUBER V/O MICHELANGELO (BDB)

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Die Regierung plant Bonuszahlungen für Unternehmen, die ältere Arbeit-nehmer anstellen und über mehrere Jahre halten. Wer zu wenige Ältere beschäftigt, soll Strafe zahlen. Wirklich eine gute Idee?

„Wo ist der Wirt-

schaftsbund, wennman ihn braucht?

Schon mit 50 ein „Altes Eisen“?

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Es war als eines der wenigen Themen imWahlkampf auszumachen: Die hohen Mie-ten und die Reform des Mietrechts. Dabeihörte man von den Linken altbekanntes: Esmüsse eine Mietzinsbindung (d.h. eine be-tragliche Beschränkung) von z.B. 5 Europro Quadratmeter geben. Darüber hinausmögen doch unbefristete Mietverträge derStandard werden. Ziel der Übung: Dass derneokapitalistische (was bedeutet das über-haupt?) Klassenfeind, vulgo Vermieter inseine Schranken gewiesen (faktisch ent-eignet) wird und der unter dem Joch mafi-öser Großindustrieller stehende, ehrlicheArbeiter am Ende des Monats noch genugGeld für den Besuch beim Wirten übrig hat.Oder kurz gesagt: Eingängige Parolen fürdie Wählerzielgruppe, ohne auch nur eineSekunde an das große Ganze zu denken.Tatsache ist, dass die Kosten für Wohnen inden letzten Jahren sehr stark gestiegen sind.Gerade Familien sind dadurch belastet.Mehrere Gründe gibt es dafür: GestiegeneBaukosten durch neue Baustandards bzw.Erfüllung von althergebrachten Auflagen,die das Bauen und damit den Wohnraumverteuern (z.B. unnötiges Vorschreibenvon Notkaminen, nur in diesem Punkt gehtes um mehrere 1.000 Euro pro Quadratme-ter), aber auch die aufgehobene Zweckbin-dung der Wohnbaugelder haben das ihredazu beigetragen. Wenn weniger gebautwird, steigt auch der Preis. Auch Verände-rungen in der Gesellschaft (viele Single-haushalte und Zweitwohnungen) haben zuvermehrtem Bedarf an Wohnraum geführt.

Zubau ohne Plan

Bildlich gesprochen, gleicht das Österrei-chische Mietrecht einem Haus mit mehre-ren Zubauten, die unabhängig voneinanderund planlos über die Jahrzehnte entstandensind. Beim Zubau hat man lediglich daraufgeachtet, dass das System im Großen undGanzen erhalten bleibt; sprich dort wie daStrom aus der Steckdose und Wasser ausdem Wasserhahn kommt. Mehr aber auchschon nicht.

Es kommt beispielsweise darauf an, ob einGebäude vor 1945 oder danach, vor 1953oder danach errichtet wurde oder wie viele Wohneinheiten es hat, um zu wissenwelche Regelung auf einen Mietvertrag anzuwenden ist. Für einen durchschnitt-lichen Mieter unmöglich zu durchschauenund selbst nur für spezialisierte Juristen beantwortbar.

Kleine Kostprobe

Bei älteren Gebäuden errechnet sich derMietzins nach der Kategorie der Wohnungmit entsprechenden Mietzinsen. Hinzukommen Zuschläge für eine gute Ausstat-tung und Abschläge, sollte sich etwa dasWC am Gang befinden. Welcher Zuschlagoder Abschlag wieviel wert ist, weiß derMieter nicht, weil diese nicht genau ausge-wiesen werden müssen.Bei Wohnungen nach dem Richtwert -mietzins, muss die zwingende Angabe des Richtwertes und betragsmäßige Auf -schlüsselung aller Zu- und Abschläge imMietanbot oder Mietvertrag erfolgen. Diebestehenden länderweisen Richtwerte ent-sprechen nicht mehr den Marktrealitä-ten. Eine pe riodische Neufestsetzung derRichtwerte war ursprünglich im Richt-wertgesetz vorgesehen, wurde aber 2007abgeschafft.

Warum keine Beschränkung?

Mietzinsbeschränkungen schaffen keineeinzige neue Wohnung und führen zu einem Erlahmen des Wohnungsmarktes.Außerdem werden Hauseigentümer nurmehr das Minimum an Reparaturen in ihrem Haus durchführen, weil sich sonstnichts mehr rechnet. Ein anderes Den-ken muss her: Durch mehr Angebot eineMobilisierung des Wohnungsmarktesschaffen. Der Neubau muss intensiviertund die Baukosten geringer werden, un -genützte Kapazitäten müssen verwertetwerden.

Der Horror mit der Miete

Darüber hinaus läuft die Einführung einergesetzlich geregelten Mietzinsobergrenzeunserer Sozialen Marktwirtschaft zuwider.Ein System das die Preistransparenz stärkt,ist vorzuziehen. Mieter müssen wissen,wie ihr Mietzins zustande kommt.

Markt ankurbeln durch Bautätigkeit

Durch die jüngsten Umbrüche auf den Finanzmärkten ist es für gemeinnützigeWohnbauträger schwieriger geworden, andas notwendige Kapital zu kommen. Pensions- und Vorsorgekassen muss es inZukunft gestattet sein, einen Teil ihres Kapitals künftig hier anzulegen. Pensions-und Mitarbeitervorsorgekassen verfügenderzeit über ein Kapitalvolumen von ca. 21 Milliarden Euro. Wenn nur 10 % desGeldes im gemeinnützigen Wohnbau angelegt würde, wären das bereits über 2 Milliarden Euro mehr für leistbare Wohnungen. Damit wäre auf einen Schlagdie Finanzierung von Zigtausenden Woh-nungen gesichert.

Wohnbauförderung langfristig sichern

Die Wohnbauförderung wird ausgedünnt.Wurden bis vor wenigen Jahren noch 80 bis 90 % aller neu errichteten Wohnungendurch die Wohnbauförderung kofinanziert,hat sich dieser Anteil zuletzt auf unter 60 %, bei Eigenheimen sogar auf deutlichunter 50 % reduziert. In absoluten Zahlen:Von rund 35.000 Wohnungen auf ca.25.000, ein Minus von 10.000 geförder-ten Wohnungen. Die Wohnbauförderungmuss daher angepasst, aber auch an ökolo-gische Standards gebunden werden. DieWiedereinführung der Zweckbindung derWohnbaufördergelder, wird die Ländernicht freuen, sind aber angesichts der Zahlen unumgänglich.

MAG. GOTTFRIED FORSTHUBER V/O MICHELANGELO (BDB) IST RECHTSANWALTSANWÄRTER IN BADEN BEI WIEN. INFOS: FORSTHUBER.AT

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Mieter ächzen unter hohen Kosten, Vermieter jammern über ungerechte Regelungen: Das Österreichische Mietrecht ist stark reformbedürftig. SindMietzinsbindungen die Lösung?

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Aufdecker Edward Snowden hat uns einesbewiesen: Jeder, wirklich jeder, der digitalkommuniziert, ist gläsern. Es gibt keinePrivatsphäre mehr. Weder für Hans Huber,noch für Angela Merkel. Fast – aber nurfast – habe ich geglaubt, die Entschei-dungsträger würden sich von diesem An-schlag auf die Grundrechte besinnen undnicht alles willfähig abnicken, was aus denUSA als „Sicherheitsmaßnahme im globalwar on terror“ daherkommt. Dann. Aberdann lese ich Zeitung und bin erschüttert.

Fingerabdrücke für den Weltfrieden

Dort lese ich: „EU will „fingerprints“ vonEinreisenden“. Um genau zu sein: Nicht„die EU“, sondern die EU-Kommissionwill alle 10 Fingerabdrücke von nicht EU-Bürgern vor der Einreise speichern.Das Vorhaben versteckt sich hinter demzuckersüßen Titel „Smart Borders Initia -tive“ und erinnert stark an das US-ameri-kanische Einreisesystem.Das System soll die erlaubte Dauer desAufenthalts automatisch berechnen und eine Warnung an die nationalen Behördenschicken, wenn der Reisende länger als erlaubt bleibt. Durch die Erfassung bio -metrischer Daten soll es auch möglich sein, die innerstaatliche Identifizierungvon Personen vorzunehmen.

Was kann diese „Intelligente Grenze“?

Aber nicht nur EU-Ausländer sollen in denGenuss dieser heilsbringenden Vorhabenkommen. Dem EU-Bürger soll schon jetztdie Gelegenheit gegeben werden, seineFreiheit aufzugeben: Mit dem RegisteredTravellers Program (RTP). Damit ist manmit nur 20 Euro auch als EU-Bürger dabei,kann etwa als Vielflieger ganz schnell dieGrenze und seine Privatsphäre hinter sichlassen, sofern er vorher – richtig – seineFingerabdrücke hergegeben hat.

Warum ist das ein Problem? Weil die Salamitaktik einmal mehr offensichtlichist. Zuerst die Ausländer, dann die Frei -willigen, dann alle EU-Bürger. Mit diesemSystem wird der Staat von jedem von unsbiometrische Daten haben. Damit werdenwir noch ein Stück mehr durchsichtiger,noch ein Stück mehr kontrollierbarer.

„Gute Idee“ – ernsthaft?

Und was sagt Innenministerin JohannaMikl-Leitner zur scheibchenweise statt -findenden Demontage der Grund- undFreiheitsrechte? Sinngemäß: Gute Idee.Dieses System würde sich ausgesprochengünstig auf die Verhinderung irregulärerEinwanderung und den Kampf gegen denTerrorismus und schwere Straftaten aus-wirken. Nachsatz: „Die Kosten sind aller-dings recht hoch.“Da ist es wieder. Das Terrorismus-Ge-spenst. Die Beruhigungspille, die wir seit2001 fressen, um die Aushöhlung der persönlichen Freiheit zu akzeptieren. Werdie Freiheit für die Sicherheit opfert, wirdbeides verlieren. Es wird Zeit zu sagen:Schluss! Bis hier her und nicht weiter.

Schockierende Big Brother-Awards

Bei der Vergabe der Big Brother-Awards,die im Oktober in Wien erfolgte, wurdeauch die Österreichische Politik gebrand-markt: Laut der zutreffenden Feststellungder Jury – der übrigens auch Kbr. Mag. Georg Markus Kainz v/o Zweistein (F-B)angehört – reagiere diese nur mangelhaftauf das Bekanntwerden der Aktivitäten derUS-Lauscher: „Außer kunstvollen Wort-spenden (Stichwort: No-Spy-Abkommenmit den USA ist notwendig) ist genaunichts passiert." Im Wahlkampf hätte dieSache auch keine Rolle gespielt. Vertei -digungsminister Gerald Klug (SPÖ) hättedas Thema gar als nur „beschränkt öffent-

lichkeitstauglich“ angesehen. Es gebe keine Anstrengung der österreichischen Regierung „die eigenen Bürger vor diesersystematischen Rechtsverletzung zu schüt-zen. Stattdessen gab es zahlreiche Bemü-hungen, das Ausmaß der Bespitzelung zuverschleiern.“

Vor diesem Hintergrund bleibt nur mehr zu fragen: Was ist? Wann werdet ihr eurerVerantwortung gerecht? Ihr wollt dochwiedergewählt werden. Also tut auch etwasfür unsere Bürgerrechte!

Preis auch für Microsofts XBox One

Doch man muss nicht so weit schauen, umdem Datenklau zu begegnen. Selbst imtrauten Heim finden sich (vermeidbare)Gefahrenquellen: Die Microsoft-XBoxOne ist laut den Organisatoren ein „Me -diacenter als Spion im trauten Heim“. Das Gerät solle mit seiner Sprach- und Gestensteuerung die zentrale Anlaufstellefür Unterhaltung aller Art, also von Spie-len, Filmen, Fernsehen und Internet imWohnzimmer werden.

Die Kritiker: „Mit scharfen Blicken undspitzen Ohren wird von der XBox alles und jeder in der Nähe beobachtet, um ja keinen Befehl zu verpassen.“ Stän-dige Online-Verbindung ist Pflicht, diePflicht den Echtnamen zu nutzen, er-gänzt um Gesichtserkennung und Stim-merkennung wären die Bausteine, umSpiele, Filme, Musik und Content ein -zelnen Personen verkaufen zu können. Peter Schaar, Deutschlands oberster Da-tenschützer, hat die XBox sehr treffend als „Überwachungsgerät“ bezeichnet.Muss so etwas wirklich unter dem Weih -nachtsbaum stehen?

MAG. GOTTFRIED FORSTHUBER V/O MICHELANGELO (BDB)

Meinte man bis vor kurzem „Big Brother“ sei nur in den USA Realität, wirddurch die aktuellen Pläne der EU-Kommission eines anderen belehrt.

Die „Intelligente Grenze“ – neuer Anschlag auf dieGrundrechte geplant?

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Kostet Agrarförderung Menschenleben?

Eigentlich pervers. Die noch immer rechtgroßzügige Agrarförderung stellt für euro-päische Landwirte einen wichtigen Ein-kommensfaktor dar. Ohne Förderung hätten wir weniger Bauern, damit wenigerregionale Produkte und weniger Sicherheitwas die Herkunft der Lebensmittel anlangt.In den letzten Jahren hat sich das Förder-wesen stark verändert, die Butterberge undMilchseen der 90er Jahre sind zwar kleinergeworden, aber noch nicht verschwunden.Alles was übrigbleibt, wird exportiert.

Der Export der subventionierten Pro-dukte führt zu der perversen Situation, dass die landwirtschaftlichen Märkte inEntwicklungsländern mit billigen EU-Produkten geflutet werden, daher die ört -liche Wirtschaft trotz billigster Produk-tionskosten nicht wettbewerbsfähig ist und die Leute am Hungertuch nagen. Wenwundert es, wenn diese Menschen dann als lillegale Asylwerber in einer Verzweif-lungstat in Fischerbooten Richtung Lam-pedusa segeln – und manches Mal dabeikentern. Was ist unsere Antwort auf diesesProblem? Grenzschutz ausbauen. Ende.Dabei wird es kaum jemanden in Europageben, den die Bilder von halbersoffenenMenschen egal ist. Es sind Bilder von Menschen, die in überfüllten Lagern oderauf den Straßen von Großstädten enden.Meist zu illegalen Aktivitäten gezwungen.Bilder von Särgen, darunter auch viele kleine mit deplatziert wirkenden Teddy -bären darauf, in denen jene liegen, die dieReise nicht geschafft haben.

Was ist zu tun?

Wie soll man diesem stetig wachsendenProblem Herr werden? Einfache Gemüter(zumeist Grüne- oder Neos-Funktionäre)fordern, dass man diese Verdammten docheinfach ins Land lassen soll. Unsere Ge-sellschaft sei doch ohnehin so reich und einbisschen Multikulti habe doch nieman-dem geschadet, oder? Sie verkennen einenwesentlichen Umstand: Niemand, wirklich

niemand verlässt gerne seine Heimat, seine Familie, seine Kultur, auf einem klapprigen Schoner; dubiosen Schleppernausgeliefert, die das Letzte aus einem her-auspressen.

Zudem haben die meisten Ankömmlinge

zwar einen Willen, dafür kaum Ausbil-dung, um am europäischen Arbeitsmarktbestehen zu können. Diesen Menschendurch eine erlaubte Einreise Hoffnungenzu machen, die schlussendlich nicht erfülltwerden können, führt zwangsläufig zurmenschlichen Existenzvernichtung.

Den Menschen eine Perspektive geben

Europa sollte den Menschen in ihren afrikanischen Heimatländern wieder einePerspektive für ein besseres Leben ge-ben. Korruption, Misswirtschaft, ethischeSpannungen und anderes mehr, können die Menschen nur vor Ort klären. Helfenkönnte die EU aber mit der Öffnung derMärkte für afrikanische Produkte und demAbbau wettbewerbsverzerrender Subven-tionen.Alle Experten sind sich einig, dass AfrikasWirtschaft nur über die effiziente Nutzungder natürlichen Ressourcen in Schwung

kommen kann. Diese sind vor allem: Mineralien, Erdöl und die Landwirtschaft.Diese schöpft ihr Potenzial bei Weitemnicht aus. Afrika hat 24 Prozent der ge-samten globalen Agrarnutzfläche, trägtaber nur neun Prozent zur globalen Pro-duktion bei. Im Gegenteil: Viele frucht -bare Länder müssen sogar Nahrung im -portieren.

Zarte Verbesserung

Die EU war in den vergangenen Jahrenzwar nicht vollkommen untätig (Abschaf-fung der existenzvernichtenden Export-subventionen, mit denen lokale Agrar -systeme in Afrika zerstört wurden, Sen-kung von Zöllen für afrikanische Pro -dukte, …), dennoch gibt es noch immerkeinen fairen Wettbewerb auf dem Agrar-sektor. Die massive (Falsch-)Förderungder Landwirtschaft, führt zu Überschuss-produktion in der EU, was zur Folge hat,dass beispielsweise europäisches Milch-pulver in vielen Ländern unseres Nachbar-kontinents den Milchbauern das Lebenschwer macht.

Dumpf zu fordern: „Grenzen dicht!“ Wirddas Problem nicht lösen. Diese Aussageverdeckt nur das, was die EU – damit auchwir – mitverursacht haben: Eine aus dem Ruder gelaufene Agrarförderung, die französische Großbauern unverhältnis -mäßig stark unterstützt, die in weiterer Folge zu Überproduktion neigen. Das zuändern (bzw. als Politiker sich dafür ein -zusetzen) wäre wahre Nächstenliebe; undnicht unbedingt zur Gewissensberuhigungeinmal im Jahr ein paar Euro bedauerns-werten Biafrakinder zu spenden. So langedie afrikanische Wirtschaft schwach bleibt,so lange werden wir menschliches Leidund Flüchtlingsströme haben – und keinenfunktionierenden Markt für europäischeProdukte.

MAG. GOTTFRIED FORSTHUBER V/O MICHELANGELO (BDB)

„So lange die

afrikanische Wirtschaftschwach bleibt,

so lange werden wirmenschliches Leid

und Flüchtlingsströmehaben.

Der afrikanische Exodus wird durch die Politik der EU (mit)verursacht. Wer keinePerspektive hat, riskiert gerne sein Leben auf einer Nussschale im Mittelmeer.

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Die Gestaltung einer aus der Norm tre -tenden Festveranstaltung zum Anlass des80. MKV-Geburtstages war dem Kartell-vor sitzenden seit langem ein Anliegen. Bereits zwei Jahre vor dem Termin führteer Gespräche und versuchte, dafür Mit -arbeiter zu gewinnen und zu motivieren.Verschiedene Ideen wurden geboren, ab-gewogen und wieder verworfen, bis sichlangsam der Gedanke eines kulturell unter-fütterten Kommerses durchsetzte.Dafür gab es bereits ein Beispiel: DieKöstV Gothia Seckau hat vor zwei Jahrenihr 40. Stiftungsfest auf diese Weise ge-feiert und damit bei der Corona großen Zuspruch gefunden. Also konnte dieserGothenkommers vom Mai 2011 durchausals Vorbild für die kartelloffizielle Fest -veranstaltung dienen.

Der Gedanke

Der Grundgedanke scheint vorerst konven-tionell: ein Kommers, aufgebaut auf dievier Prinzipien. Doch von Konventionkann keine Rede sein, denn in den achtJahrzehnten der Verbandsgeschichte istkein Beispiel eines derart determiniertenKommerses bekannt. Es ging also darum,die klassische Erscheinungsform des Kommerses, die in der fließenden Verbin-

dung von gemeinsamem Gesang, Feiernund Gespräch besteht, mit dem Typus desFestaktes zu verbinden, also mit instru-mentalen, vokalen und literarischen Solo-beiträgen in lebendigem Wechsel zu be -reichern. Diese Synthese von Sinnlichemund Geistigem entspricht übrigens durch-aus dem antiken Symposion, das als Urform akademischer Geselligkeit geltenkann.Die Absicht war also, für diesen speziellenZweck dem Kommers ein wenig von derBierseligkeit und Hurramentalität zu ent-ziehen und dafür die intellektuelle Auf-merksamkeit anzuregen, wie ich dies imKommersprolog zum Ausdruck zu brin-gen versuchte:„ ... mitsammen reden, singen, trinken,schauen, hören, und zwischendurch auch – mit Verlaub – ein bißchen denken ...“

Greifbare Prinzipien

Die vier Prinzipien sind Grundlage unsererVerbandsideologie, es liegt also nahe, sieeinmal – gewissermaßen zeremoniell – aufeinem Kommers fassbar zu machen. Unddas nicht durch eine trockene Festrede,sondern durch vier Programmpunkte, flankiert vom Gesang der Corona mit Liedern, die Assoziationen zu diesen

Prinzipien zulassen. Dabei sollte darauf geachtet werden, nicht auf bereits „abge-sungene“ Texte zurückzugreifen, sonderndie Aufmerksamkeit der Sänger durch weniger bekannte Texte zu binden, die frei-lich bekannten, also singbaren Weisen un-terlegt werden mussten. Eine Schwierig-keit? Kaum – beinhaltet unser Kommers-buch doch immerhin 520 Lieder! Ein kaumgenutztes Repertoire – wer kann da von einem Mangel an Angeboten sprechen!Die flankierenden Lieder bilden also denaktiven, von der Corona zu gestaltendenTeil, sie sollen anregend wirken. Dazwi-schen findet dann der passive Teil statt, alsodie Darbietung von Wort- und Musikbei-trägen. Dafür standen vier Sprecher zurVerfügung, dazu ein Sänger, ein Chor, einPianist und eine Bläsergruppe. Letzterehatte überdies die Aufgabe, die einzel-nen Programmpunkte durch musikalischeSignale einzuleiten und somit auf char-mante Weise die Kommersanten nach dennicht länger als zwölf Minuten dauern-den Colloquien wieder an ihre Tafeln zu-rückzubitten.

Bedeutende Textbeiträge

Bei den Wortbeiträgen ging es natürlichauch darum, nicht durch Länge zu ermü-

80 Jahre MKV – ein der besonderen ArtDas Wiener Rathaus war am 26. Oktober 2013 Ort einer ganz besonderenFestveranstaltung. Unser Verband wurde 80 und das wurde künstlerisch-musikalisch gefeiert.

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wir Wert auf die Anwendung der kom-merstypischen Sprache und Gestik wieSchmollistrinken oder das Einschlagen mit den Schlägern.Den Übergang von außen nach innen, alsovom Alltag in das Festgeschehen, bildeteein vorangestellter fünfminütiger Kurz-film mit Stimmungsbildern und knappenInterviews, der dann nahtlos in die Kom-mersmusik überging.

Kommersbuch als Andenken

Die letzte Aufmerksamkeit galt dem Pro-grammheft. Nicht lieblos aus dem Kom-mersbuch kopierte oder dem Internet ge-zogene Textblöcke sollten es sein, sonderneine Fülle zum Anlass passender Infor -mationen in ansprechender Form, dennauch die schriftliche Artikulation ist einMaßstab kultureller Qualität.Der so gestaltete Kommers, knapp über180 Minuten dauernd, erwies sich letztlichals dichtes und abwechslungsreiches kul-turelles Erlebnis in geselligem Umfeld,womit die Intention der Veranstalter auf -gegangen war. Gewiss ist so ein Konzeptnicht immer anwendbar, aber der Anlassverlangte ja auch Besonderheit.Aber noch eines hat die Veranstaltung bewiesen: Das Couleurstudententum alsLebensform ist kulturell tief verwurzeltund der Kommers ist dessen bildhafterAusdruck. Er lässt vielerlei variable Ge-staltungselemente zu. Diese Erfahrungkünftig kreativ anzuwenden, ist auch eineHerausforderung für die Zukunft.

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den. Als Norm setzten wir eine Manus-kriptseite, eineinhalbzeilig beschrieben –das entspricht je nach Redetempo drei -einhalb bis höchstens vier Minuten. DieTexte selbst sollten aus verschiedenen Epochen stammen. So entschieden wir unsbei religio für einige Passagen aus der jüngsten päpstlichen Enzyklika, bei scientia für einen jüngeren Text des öster-reichischen Philosophen Konrad PaulLiessmann, bei patria für einen Text, derungefähr aus der Gründungszeit des MKVstammt, nämlich aus Anton Wildgans’ „Rede über Österreich“, und bei amicitiafür den wirkungsstärksten Text über dieFreundschaft, nämlich Schillers Ballade„Die Bürgschaft“.

Musikalisch wurde das durch Stücke ausdem klassischen und romantischen Re -pertoire ergänzt, die ästhetisch der Kom-mersform am ehesten entsprechen und vonder Corona nicht als Stilbruch empfundenwerden. Wir vertrauten also Beethoven,Schubert, Weber, Suppé und Wolf. Was auf dem Kommers nicht deutlich wurde,soll hier noch nachgeliefert werden: Die

Chor- und Bläsersätze entstanden eigensfür diesen Anlass und wurden von den Verfassern dem MKV gewidmet.

Musikalischer Bogen ins Heute

Diesen vier, jeweils ziemlich genau aufzwanzig bis zweiundzwanzig Minuten berechneten Programmpunkten wurdender tradierte, von Marschmusik begleitete Ein- und Auszug der Chargierten vor- undnachgestellt, wobei um der Flüssigkeit desProgrammverlaufs willen die Begrüßungder Ehrengäste bereits in das erste All -gemeine integriert werden sollte. Mit diesem Rahmen war der couleurstuden -tische Anspruch klar definiert. Auch da-bei sollte ein Detail den symbolischen Bogen über die Verbandsgeschichte schla-gen: Wir wählten für den Einzug jenenMarsch, zu welchem vor 80 Jahren auchdie Chargierten des Gründungskommerseseingezogen waren, den Seyffertitzmarschvon Rudolf Achleitner, für den Auszug aberMusik, die aus dem Geschichtsverlauf entstanden ist, nämlich Franz ZelweckersMKV-Festmarsch. Und natürlich legten

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Am 15. September 1938 saßen etwa 20 jun-ge Burschen beim damaligen DomkaplanMartin Stur im Churhaus auf dem Ste-phansplatz: Sollte man es trotz der NS-Re-pressalien wagen, auch heuer wieder zurtraditionellen Abendandacht der WienerJugend anlässlich des Rosenkranzfestes (7.Oktober) aufzurufen? Wolfgang Müller-Hartburg – damals noch nicht einmal 15Jahre alt – war dabei. In seinen Erinnerun-gen, die Thomas Chorherr in das Buch„1938 – Anatomie eines Jahres“ (Ueber -reuter) aufgenommen hat, schildert er denBeschluss der Jugendlichen: „Das machenwir auf jeden Fall! Und wenn auch nur hundert oder zweihundert kommen, aberwir machen's!“Aber wie? Um die Gestapo auszutricksen,gab es nur Mundpropaganda. Jeder Bur-sche übernahm zehn bis zwölf Pfarren, undin den Jugendseelsorgestunden wurde dasGeheimnis weitergegeben. Auch ErwinRingel war dabei: „Wir haben mit 2.000,3.000 Leuten gerechnet, da haben wirschon alle Pfarren zusammengekratzt.“Das Codewort lautete: „Freitag, 7. Okt-ober, 19.30 im Dom.“

Auflösen aller Jugendorganisationen

Hitler war nun gerade sechs Monate imLand. Die Auflösung aller Vereine die inDeutschland Jahre gedauert hatte, war inder „Ostmark“ eine Sache von Tagen, be-stenfalls von Wochen. Die (deutschnatio-nalen) Turnvereine mussten ebenso dranglauben wie MKV und ÖCV, Verbände undPrivatschulen, wie etwa das Schotteng -ymnasium. Katholische Jugendarbeit warnur noch in Form „rein religiöser Be -tätigung“ und örtlich beschränkt auf denkirchlichen Raum gestattet.

Erste Kampfansage des Kardinals

Noch konnte niemand wissen, was dieser7. Oktober 1938 für die Kirche in Öster-

reich bedeuten würde. Längst hatte derWiener Oberhirte, der von seiner sudeten-deutschen Abkunft geprägt war, den größ-ten Fehler seines Lebens bitter bereut: ImMärz '38 hatte er namens der österreichi-schen Bischöfe den Usurpator Adolf Hitlermit „Heil Hitler“ willkommen geheißen.Die Nazis honorierten dies überhauptnicht. Jetzt musste Innitzer handeln.

Ein brechend voller Dom

Der Abend des 7. Oktober bricht an – undes geschieht Erstaunliches: Mindestens8.000 Jugendliche drängen in den Dom,wenn nicht gar 10.000. Und das, obwohlfür viele am Freitagabend Pflichtdienst beider Hitlerjugend und beim Bund DeutscherMädchen angesetzt war. Man hätte bis 23. September um eine Genehmigung an-suchen müssen. Ringel: „Der Dom warwirklich so voll, dass keiner hätte umfallenkönnen.“ Der Kardinal, absolut kein guterRedner, überlegt lange. Dann strebt erplötzlich mit großer Assistenz, in vollemOrnat, durch den Mittelgang zur Pilgram-Kanzel. „In diesem Augenblick“, so ErwinRingel, „hat ihn der Heilige Geist geküsst.“

Nie da gewesene Kriegserklärung

Von der Predigt gibt es keinerlei Tonauf-zeichnungen, die Rede wurde im Nachhin-ein von den Anwesenden rekonstruiert:„Dies ist eine Stunde des Gebets, aber auch

des Bekenntnisses [...] Ihr habt es nichtleicht gehabt in letzter Zeit. Man hat euchvieles genommen, eure Vereinigungen undUniformen, eure Fahnen und Abzeichen.Eines aber ist euch geblieben!“ Man hätteeine Stecknadel fallen hören können, be-richtet Müller-Hartburg.Und dann das: „Einer ist euer Führer, euerFührer ist Christus, wenn ihr ihm die Treuehaltet, werdet ihr niemals verloren gehen.“Damit hat er, alle wissen es, die Grenzeüberschritten, die das Nazi-Regime nochtoleriert hat. Es ist eine Kriegserklärung,wie es sie im Großdeutschen Reich nie zuvor gegeben hat – und auch nie mehr geben sollte.Die Rache der Hitlerjugend folgt prompt:schon am Abend des 8. Oktober. Die Meute sammelt sich vor dem Erzbischöf-lichen Palais, dringt in das Haus ein undverwüstet es in blinder Wut. Innitzers Sekretär Kbr., Jakob Weinbacher, verstecktdie geistlichen Schwestern auf dem Dach-boden und den Kardinal im Matrikelarchiv,isst hastig die geweihten Hostien in der Ka-pelle und versucht, sich den Wütenden ent-gegenzustellen. „Den Hund schmeißen wirbeim Fenster außi!“, ruft einer, doch derPriester kann sich mit letzter Kraft wehren.

Demonstration auf dem Heldenplatz

Doch das grausame Spiel geht weiter. Einederartige Provokation durch die Kirchekann sich der Gauleiter Josef Bürckel nichtgefallen lassen. Der aus der Pfalz her -beigerufene „Reichskommissar für dieWiedervereinigung Österreichs mit demReich“ ruft zur Gegendemonstration aufdem Heldenplatz für den 13. Oktober 1938auf. Tosender Beifall, gellende Pfuirufe, alsBürckel Innitzer einen Verräter am „Füh-rer“ und am deutschen Volk nennt. „Niedermit dem Klerus!“, ruft der Pöbel, „ZumTeufel mit den Jesuiten“, „Ohne Juden, oh-ne Rom, wird erbauet Deutschlands Dom“(ein Sinnspruch, den schon einst Ritter von

Es sagt viel über die einseitige Geschichtsdarstellung in Österreich aus, dass der „nicht-Linke“ Widerstand kaum Erwähnung findet. Besonders plakativ bemerkt man das beim „Rosenkranzfest“, das sich heuer zum 75. Mal jährte.

„Einer ist euer Führer,

euer Führer ist Christus!

Das vergessene Widerst

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verband

Schönerer erfand). Dann ziehen sie grölendweiter durch die Rotenturmstraße, in ihrerMitte eine am Galgen baumelnde Puppedes Kardinals. Erst die Pogromnacht 1938sollte dieses Schauspiel übertreffen. Der 9. November sollte bald kommen.Für den oft gescholtenen Kardinal warendie dramatischen Ereignisse des Oktober1938 eine Ehrenrettung, so bitter sie auchwaren. Der unpolitische Kardinal sollte inden folgenden Jahren zum engagierten Judenretter werden.

Couleurstudenten im Widerstand

„Für die nationalsozialistischen Macht -haber war dieses Ereignis ein Signal, dasssie in vielen österreichischen Katholikeneinen zähen Gegner haben würden und somanchem katholischen Mitläufer öffnetees die Augen über das wahre Gesicht desRegimes“, so KVors Mag. Helmut Ku -kacka v/o Orpheus (TGW) bei der Ge-denkfeier im Oktober 2013.Jene, die an diesem Tag 1938 in den Dom zu St. Stephan kamen, waren zumgroßen Teil Mitglieder von Verbänden undVer einen, die heute der Arbeitsgemein-schaft Katholischer Verbände angehören.MKVer, ÖCVer, KÖLer: Sie alle warendort. Trotzdem wird Ende November 2013in Innsbruck der Senior der Austria Inns-bruck beim Verlassen der Bude vom linkenMob ein Veilchen verpasst. Wenn man imemotionalen Überschwang anlässlich derDemo gegen die Deutsche Burschenschaftendlich einen „echten Nazi“ gefunden hat,kann so etwas schon einmal passieren. Gezielte Faustschläge sind ja legitim, wennes um die Durchsetzung von Interessengeht. Woher kennen wir das wohl?

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Bücher zum Thema: Herzlichen Dank!Bei der Gedenkveranstaltung wurde im Anschluss an die Messe hochkarätig informiertund diskutiert. Namens des MKV wollen wir folgenden Persönlichkeiten danken, diehistorisch fundiert die Ereignisse jener Tage aufgearbeitet haben:Priv.-Doz. Dr. Helmut Wohnout (Nc),Geschäftsführer des Karl von Vogelsang-Insti-tuts, Hanna Paradeiser, Zeitzeugin des 7. Oktober 1938, em. Univ. Prof. Dr. Maximi-lian Liebmann (Cl), Professor für Kirchenrecht, Dr. Elmar Kuhn, Generalsekretär von Christian Solidarity International (CSI), MMag. Dr. Gudrun Kugler, Europ. Dokumen-tationsarchiv „Intoleranz gegen Christen“, Erzabt Dr. Korbinian Birnbacher, OSB,(AGS) Erzabtei St. Peter Salzburg und KVors StS a.D. Mag. Helmut Kukacka (TGW),Präsident der AKV

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Chorherr, Christa: Im Schatten des Halbmonds Christenverfolgung in islamischen Ländern. Styria Premium 2013, € 24,99

Kauder, Volker (Hg): Verfolgte ChristenEinsatz für Religionsfreiheit.SCM Hänssler, 2. Auflage 2013, € 14,95

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Durch Papst Franziskus scheint sich in Rom einiges zu wandeln. Die Kuriedürfte einer schon längst überfälligenReform unterzogen werden. Welche Auf-gaben hat die Kurie und was erwartest Du Dir von den Reformen in diesem Bereich?

Die Kurie ist die Gesamtheit der päpst-lichen Behörden und für die Leitung undVerwaltung der Gesamtkirche zuständig.Papst Franziskus hat nun eine achtköpfigeKardinalskommission eingesetzt, die ihnbei der Führung der Kirche und bei der Reform der Kurie unterstützen soll. PapstFranziskus wendet sich immer wieder gegen die Überbewertung strukturellerVeränderung in der Katholischen Kirche.Vielmehr will er mit seinem Vorbild an Demut und Nahbarkeit die Menschen zu

Jesus Christus führen. Die Einfachheit alsGrundhaltung dieses Papstes wird großeAuswirkungen auf die Kurie und die Kirchenhierarchie haben.

Der Hl. Vater möchte auch den Zölibatverändern. In welche Richtung soll das gehen und wie ist Deine Einstellung dazu?

Im Interview-Buch „El Jesuita“ hat derheutige Papst, damals noch Erzbischof vonBuenos Aires, gesagt, dass er sich unter bestimmten Umständen eine Lockerungdes Zölibats aus kulturellen Gründen in bestimmten Regionen – wohl der NaheOsten, weil Ostkirchen das auch so ma-chen – vorstellen könne, dass er sich je-doch nicht vorstellen könne, dass Pries-termangel ein Motiv für einen solchenSchritt sein kann.

Ich bin davon überzeugt, dass der Zölibateine Lebensform ist, die den Priester in dietiefe Freundschaft zu Gott hineinführt. Ichhabe nicht geheiratet, um deutlich zu machen, dass mein Lebensland Gott ist.Wir brauchen in unserer Gesellschaft, inder es viel Sehnsucht nach erfülltem Lebengibt, Menschen, die ganz für Gott und somit auch ganz für die Menschen lebenkönnen.

Wie stehst Du zum Thema Kommunionan wiederverheiratete Geschiedene?Auch hier soll es ja dem Vernehmen nach Veränderungen geben.

Tatsache ist, dass Papst Franziskus für Oktober 2014 eine Sonderbischofssynodezum Thema „Die pastoralen Herausforde-rungen der Familie im Rahmen der Evan-gelisierung“ einberufen hat, die sich auchmit wiederverheiratet Geschiedenen be -

fassen soll. Papst Franziskus weiß jeden-falls um die Aktualität dieses Themas undmöchte es in einem Jahr bei der Sonder -bischofssynode auf breiter Basis disku -tieren. Er sieht das Thema der wiederver-heiratet Geschiedenen im größeren Zu-sammenhang der Ehepastoral überhaupt.Auch für mich ist dieses Thema eine dergroßen Herausforderungen in der Seel -sorge.

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„Kirche muss sich immDiözesanbischof Dr. Alois Schwarz v/o Johannes (BBK) freut sich im Interview mit dem Couleur auf den Pennälertag 2014 in Villach, spricht überden Zölibat, ist gegen Pfarrzusammenlegungen und befasst sich mit derPfarrerinitiative.

INTERVIEW: DR. JOSEF STROBL V/O CHARON (BBK)

„Bei uns in der

Diözese Gurk sind keine Pfarrzusammen-

legungen geplant.

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Kannst Du Dir vorstellen, dass einmal eine Frau ein Bischofsamt übernimmt?

Papst Franziskus hat die Rolle der Frau in der Kirche als „unabdingbar“ bezeich-net. „Maria, eine Frau, ist wichtiger als die Bischöfe“, sagte der Papst wörtlich im großen Interview für die Redaktionsmit-glieder der „Civiltà Cattolica“. Man dürfe,so der Papst Franziskus, Funktion undWürde nicht verwechseln und müsse da-her die Vorstellung der Frau in der Kirchevertiefen und noch mehr über eine gründ-liche Theologie der Frau arbeiten.

Ich selbst bin froh und dankbar, dass Frauen das Netz der Seelsorge in Kärntenauf so vielfältige Weise und mit großemEngagement mittragen und in den Zen -tralstellen immer mehr Frauen auch Lei-tungsfunktionen innehaben.

Zur Kirche in Österreich: Wie soll siedem Mangel an Seelsorgern entgegen-wirken?

Zunächst bin ich dankbar, dass viele Priester aus dem Ausland bereit sind, inKärnten zu wirken. Mir ist es daher ein besonderes Anliegen, dass diese Priestergut begleitet werden und die Hilfe erhalten,die sie für ihren pastoralen Dienst be -nötigen. So haben wir zum Beispiel ein verpflichtendes Ausbildungsprogramm fürdie Priester aus dem Ausland eingeführt,um jene Priester auf allen Ebenen zu inte-grieren, den Spracherwerb zu fördern undfür eine entsprechende Vermittlung pasto-raler Standards und kirchlicher Gepflogen-heiten in der Diözese Gurk zu sorgen.

Natürlich wäre es schön, wenn sich auch inunserem Land junge Männer verstärkt wieder für den Priesterberuf entscheidenwürden. Ich plädiere daher für ein neuesKlima der Wertschätzung in Bezug aufgeistliche Berufe und Berufungen inner-halb der Gesellschaft. Es ist wichtig, dassin der Öffentlichkeit wieder eine positiveStimmung und Atmosphäre geschaffenwird, in der Jugendliche ihre Berufungenerkennen und leben können, ohne belächeltzu werden. Ich bin mir sicher, dass Gottauch heute und auch bei uns in Österreichruft. Die Rufe werden oft nur vom ober-

flächlichen Lärm unserer Erlebnisgesell-schaft übertönt. Das ist die eigentliche Herausforderung.

Sind Pfarrzusammenlegungen sinnvoll?Werden wir Gemeinden mit 20.000 odermehr Gläubigen haben wie z.B. in Bra-silien? Gerade in Brasilien sind durchdiese Kirchenpolitik die Pfingstkirchenstark geworden, weil die katholischenAnsprechpartner vor Ort gefehlt haben.

Bei uns in der Diözese Gurk sind keinePfarrzusammenlegungen geplant. Wirmöchten auch die kleinen Pfarrgemeindenaufrechterhalten, was klarerweise großer

Anstrengungen bedarf. Aber auch einekleine Pfarre wie Kirchberg mit 35 Ka -tholiken bleibt als Pfarre erhalten. Es ist ja auch schön zu erleben, dass die Men-schen vor Ort für ihre Pfarren und um ihren Pfarrer kämpfen, weil die Pfarre auchein Stück Beheimatung bedeutet. BeimGottesdienst am Sonntag kommen dieMenschen zusammen. Die 336 Pfarren in der Diözese Gurk sind Brennpunktekirchlicher Gemeinschaft und nach derSchließung von Schule, Gendarmerie undPost die letzten verbliebenen spirituellen„Nahversorger“. Sie sind ein Netzwerk für Seelsorge, Spiritualität und Lebens -qualität und wichtige Knotenpunkte im Zusammenleben der Menschen. Deshalbsetze ich mich mit ganzer Kraft für den Erhalt auch der kleineren Pfarren ein.

Die „Pfarrerinitiative“ wird auch vonden Kartellbrüdern heiß diskutiert. Wie

gehst Du mit dem „Aufruf zum Un -gehorsam“ und mit ihren inhaltlichenAnliegen um?

Kirche muss sich immer wieder erneuern,um zukunftsfähig bleiben zu können. Ichhabe mit den Mitgliedern der Pfarrerini -tiative in der Diözese Gurk daher schonsehr früh offene Gespräche geführt, und siehaben mir ihre Loyalität versichert. DieForderungen der Pfarrerinitiative sind inihren Zielrichtungen sehr unterschiedlich.Einige betreffen die pastorale Praxis undden Umgang der Seelsorger mit schwieri-gen Lebenssituationen der Menschen. An-dere Forderungen betreffen die Kirchen-verfassung und -struktur sowie die Leb-barkeit der christlichen Botschaft in heu -tigen postsäkularen Milieus. Ich plädierefür den Dialog und das pastorale Augen-maß in der Umsetzung von pastoralen Neuerungen mit Blick auf gesamtkirch -liche Vorgaben.

Es gibt Forderungen, bei denen wir uns annähern können, bei anderen können wirim Interesse der gesamten Kirche nichtmitgehen. In essentiellen Fragen von Lehre und Praxis darf es jedenfalls keinen diözesanen Einzel- oder Sonderweg geben.

Freust Du Dich schon auf den Pennä -lertag zu Pfingsten in Villach?

Wenn junge Menschen mit einem klarenchristlichen Profil einander mit Freude begegnen, ist dies ein großes Fest. Außer-dem wird dabei sichtbar, dass wir auch heute darauf vertrauen, dass Pfingsten, dasFest des Heiligen Geistes neue innere Kräfte des Verstehens, der Kommunika-tion über Sprachgrenzen und Kulturen hinweg in Gang setzt. Der Pennälertag isteine große Chance für unser Land zu einem neuen Impuls mit Zukunftsperspek-tiven. Ich freue mich, dass wir in Kärntendieses Treffen abhalten dürfen und ich hoffe, dass viele kommen.

„Ich bin davon

überzeugt, dass derZölibat eine Lebens-

form ist, die den Priester in die tiefe

Freundschaft zu Gotthineinführt.

zur personKbr. Dr. Alois Schwarz v/o Johannes (BBK)ist seit 2001 Bischof der Diözese Gurk.

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mer wieder erneuern.“

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Im Herbst nächsten Jahres treffen sich dieBischöfe der katholischen Weltkirche inRom zur Synode, einem Sondertreffen zum Thema Familie. Ein wichtiger Punktwird dabei der Umgang der Kirche mitwiederverheirateten Geschiedenen sein.Papst Franziskus hat zuletzt Barmherzig-keit für diese gefordert.

Umfrage startet

Österreichs Bischöfe haben nun mit denVorbereitungen für die Bischofssynode gestartet. Sie begrüßen, dass Papst Fran -ziskus dieses „für das Leben der Menschenund der Kirche zentrale Thema“ ins Zen-trum rückt, heißt es in einem am Freitagveröffentlichten Abschlussstatement ihrerHerbstvollversammlung.

Nun wolle man „möglichst breit“ erhe-ben, wie die Gläubigen über die darin an-gesprochenen Themen denken, weshalbbereits am Dienstag als erster Schritt dazu der dafür erstellte Fragebogen auf der Homepage der Bischofskonferenz online gestellt worden sei. Erstmals in der

Kirchengeschichte hat der Vatikan einen solchen Fragebogen herausgegeben.

Jetzt mitmachen!

Das Zeitlimit bis Ende Jänner 2014 für die Rückmeldungen in den Vatikan istknapp bemessen, weshalb man österreich-weit bereits bis Jahresende 2013 Stellung-nahmen auf verschiedensten Ebenen ein-holen möchte. Pfarren, Dekanate und an-dere kirchliche Einrichtungen sind dazu

ebenso eingeladen wie Einzelpersonen, um so zu einem „möglichst klaren und umfassenden Bild“ zu gelangen.

Als MKVer ist man natürlich ganz be-sonders aufgefordert hier mitzumachen.Wir sind Kirche, endlich wird die Basis einmal gefragt. Endlich liegt Aufbruchs-stimmung in der Luft. Nutzen wir sie!

Den Fragebogen gibt es auf bischofskonferenz.at

Deine Meinung ist gefragtIm kommenden Herbst beraten die Bischöfe der katholischen Weltkirche beider Familiensynode über den Umgang mit Geschiedenen. Nun werden Pfarren und Gläubige um ihre Meinung gefragt.

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Valida-Experten sind dieser Frage nach-gegangen und haben folgendes Beispielkonstruiert: Ein Jung-Akademiker be-ginnt heute seine berufliche Laufbahnnach dem Studienabschlussim Durchschnitt mit 26 Jah-ren. Er macht Karriere undverdient ab 43 Jahren überder Höchstbeitragsgrund -lage. Sein Letztgehalt vordem Ruhestand liegt beiEUR 4.310 netto pro Mo-nat, ehe er im Alter von 65Jahren eine ASVG-Pensionvon rund EUR 1.950 nettobeziehen wird. Seine Pen-sionslücke – die Differenzzwischen Letztgehalt undPension – wird 55 Prozentbetragen. Um im Ruhestand bis zu 80 Prozent des Letztgehal-tes zu beziehen, benötigtder Akademiker ab dem Be-rufseintritt Pensionskassen-beiträge von rund EUR 500pro Monat. Diese Beiträgewerden später, je nach Ge-haltsentwicklung, steigen.

Die Debatten über unser Pensions -system bestimmen derzeit den politi-schen Alltag. Sie haben sich in den ver-gangenen Jahren stark mit dem ThemaPensionen beschäftigt. Ihr Ansatz?Österreich gibt mehr für die Vergangen-heit aus, als für die Zukunft. 2017 wird derBund bereits 37,3 Prozent seiner Aus -gaben für Zinsen und Pensionen verwen-den. Demografische Trends und knappeöffentliche Mittel werden künftig denSpielraum des staatlichen Umlagesys-tems weiter einengen. Eine umfassendeund konsistente Strategie für die Alters-vorsorge unter Berücksichtigung allerdrei Säulen fehlt, ist aber unumgänglich. Eine aktuelle Studie des Institutes ECOAustria zeigt auf, was vielen von unslängst bewusst ist: die Bedeutung der kapitalgedeckten, betrieblichen und indi-viduellen Altersvorsorge als Ergänzungzur staatlichen Säule muss steigen. Abdem nächsten Jahr wird mit der Einfüh-rung des Pensionskontos die Nachfragenach ergänzenden Vorsorgesystemen wiezum Beispiel Pensionskassen weiter zu-nehmen.

Wie können solche Vorsorgelösungenkonkret aussehen?Zum Beispiel Pensionskassenlösungenbieten den begünstigten Arbeitnehmernein hohes Ausmaß an Flexibilität und Vorteilen. Sie sind frei von Lohnneben -kosten, Sozialversicherungs- und Lohn-steuerpflicht. In einem sogenannten Lebensphasenmodell kann man je nach Alter und Risikoneigung zwischen un -terschiedlichen Veranlagungsstrategienwählen. In jungen Jahren ist die Risiko-bereitschaft zumeist höher, verbunden mit höheren Ertragserwartungen und -chancen.

Womit muss man als Jung-Akademikerbei einer solchen Lösung rechnen?

Was können Jugendliche tun, um in ihrem Ruhestand nicht von einer zugroßen Pensionslücke getroffen zu werden? Vorneweg: Es ist schwierig, im Ruhe-stand einen Großteil seines Letztgehalteszu beziehen. Aber wer rechtzeitig vor-sorgt, hat bessere Chancen: Durch dielangjährige Einbindung in eine betrieb -liche Vorsorgelösung können Arbeitneh-mer diesem Ziel nahe kommen. Deshalbempfehle ich allen jungen Menschen, sich schon frühzeitig Gedanken über die künftige Altersvorsorge zu machenund in eine ausgeglichene Vorsorgelö-sung zu investieren. Wer zum Beispieldurch seinen Arbeitgeber in einer Pen-sionskassenlösung begünstigt ist, beziehtspäter eine Zusatzpension. Diese hilft, die Pensionslücke zu verkleinern.

„Hoher Vorsorgebedarf für junge Akademiker“Pensionskassenlösung hilft, Pensionslücke zu verkleinern

Mag. Andreas Zakostelsky (MEG, NMG, BdB),Vorsitzender des Vorstandes der Valida Vorsorge Management.

Valida VideocenterDie Valida Vorsorge Management bietet umfangreiche Infor-mationsvideos zu zahlreichen Pensions- und Vorsorgethemen.Details und Videos unter: www.valida.at/videocenter

Wie können Jugendliche durch Zusatzvorsorge schon heute ihre künftigePension verbessern? Mag. Andreas Zakostelsky, Vorsitzender des Vor-standes der Valida Vorsorge Management, im Gespräch über künftige Pensionslücken und die Wichtigkeit kapitalgedeckter Vorsorge.

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Maximal 30 Kilo Gepäck durften die drei Millionen Sudetendeut-schen mitnehmen, als sie 1945 gewaltsam aus ihrer Heimat ver triebenwurden. „Als ich nach Österreich kam, war ich 12 und mein Bruder8 Jahre alt“, erzählt Zeitzeugin Helga Gritsch aus St. Pölten, „es sindsehr viele aufregende Erinnerungen, auch sehr viele Tränen, etwawegen des Vater-Mutter-Verlustes. Aber es ist natürlich auch –und das überwiegt bei mir sehr – dieses Gerührtsein, dass mir sehrviel Menschlichkeit begegnet ist und sehr viel Zuwendung.“

„Es war nicht klar, wer in Österreich bleiben darf“

Die Ausstellung „Langsam ist es besser geworden“ in der Nieder-österreichischen Landesbibliothek in St. Pölten ist in mehrere Sta -tionen gegliedert, beginnend mit dem Akt der Vertreibung im Mai1945. „Damals war nicht klar, wer in Österreich bleiben darf und wer weiter nach Deutschland muss“, erklärt Kurator Niklas Perzi.„Die, die in Österreich geblieben sind, deren Lebenswege und Schicksale verfolgen wir in der Ausstellung bis zur Gegenwart.“ Bilder, Urkunden und persönliche Gegenstände veranschaulichen die Schick-sale der Vertriebenen.Mit der Eröffnung der Ausstellung wurde auch das Zentrum für Migrationsforschung offiziell vorgestellt. „Wir sind das einzigeBundesland, dass dieses Thema bislang aufgegriffen hat und auch die einzige Institution, die sich diesem Thema stellt“, sagt Landes-hauptmannstellvertreter Kbr. Mag. Wolfgang Sobotka (NKW). Geöffnet ist die Ausstellung „Langsam ist es besser geworden“ in der NÖ. Landesbibliothek in St. Pölten noch bis 31. Jänner 2014. Der Eintritt ist frei.

Infos: migrationsforschung.at; noelb.at

1945 waren sie Kinder,als sie als Sudeten-deutsche aus derTschechos lowakei ver-trieben wurden. Jetzt,fast 70 Jahre später, erinnern sich 30 Zeit-zeugen in der Ausstel-lung „Langsam ist esbesser geworden“ andas Wegmüssen undAnkommen.

„Langsam wird es besser“ –Vertriebene erzählen ihre Geschichten

Fotos: Bezirksarchiv Reichenberg/Liberec

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Die Interessenslage könnte unterschied-licher nicht sein: Am Sonntag um 05:30Uhr früh geht es ausschließlich um die ele-mentaren Dinge des Lebens. Wir befindenuns im Foyer des Generator-Hostels in Bar-celona. Zwischen Rezeption und Loungestehen und liegen gut 15 Herbergssuchen-de.Drei junge Frauen haben es sich auf einemLattenrost gemütlich gemacht und planendie Tour durch Barcelona, die bereits umsechs Uhr losgehen soll. Abwechselnd deuten sie auf Punkte des iPad-Displaysvor ihnen. Es wird ein langer Tag. Zweiweitere Frauen betreten das Hostel, wobeidie eine Schwierigkeiten hat, die offeneTür entlang der Glasfassade zu finden. Sie muss nach Betreten der Lokalität Stütze bei der nächsten Wand suchen.

Zwei Burschen um die 20 folgen den beiden. Alle verschwinden im Aufzug.Es war eine lange Nacht. Draußen be-ginnt es bereits zu dämmern. Ein weitererheißer, sonnendurchfluteter Sommertagsteht der Metropole am Mittelmeer bevor.

Ein Mann mit Gitarrenkoffer läuft aus demAufzug und gibt seine Zimmerkarte ab,während ein anderer – sichtlich von derNacht geschwächt – versucht den Zeit-

punkt zum Auschecken an diesem Tag nachhinten zu verschieben. Einchecken, ab-checken, auschecken – das selbsternannteParty-Hostel Generator will mehr sein alseine Herberge: Klub, Treffpunkt, Lounge.

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Funktioniert das überhaupt?

Ein Übernachtungshaus, in dem die Gästemit Sprüchen wie „Sleeping is cheating“dazu aufgefordert werden, möglichst wenigzu schlafen? Das gesamte Gebäude gleichteinem Computerspiel-Level. An jeder Eckegibt es etwas anderes zu tun, mit Pikto-grammen wird der Gast auf die verschie -denen Angebote hingewiesen: Bar und Party im Erdgeschoß, chillen und spielenim ersten Stock, die Hostelräume mit derspartanischen Einrichtung in den unterenStockwerken, die Hotelzimmer ganz oben,mit Terrassen und Blick über die Stadt. Von außen wirkt das Generator mit seinen waagerechten Metallstreben tatsächlichwie ein gigantischer Motor. Es brummt, täglich gehen hier 500 Gäste ein und aus.

Bum Bum aus der Bar?

Zwei der Gäste sind Manuel und Marco.Manuel, 24, dunkler Teint, Physikstudentmit zusammengebundenen langen Haaren,aus Dortmund, ist mit seinem schlaksigen

Rocken in der HerbergeDie Jugendherberge ist tot – es lebe die Jugendherberge. Sie erfindet sichgerade neu: In Hamburg, Dublin oder Barcelona. Zielgruppe: Alle bis 38.Aber funktioniert was wirklich?

„Im siebten Stock

sind die Hotelzimmergelegen. Mit allem,was man für eine

Partynacht und nichts,was man zum

Wohnen braucht.

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Kumpel Moritz als Backpacker unterwegs.Die zwei stehen am Freitagabend an derRezeption und verhandeln über den Preis.„Am Telefon vorhin waren es 20 Euro, undjetzt 26?“ Man einigt sich auf 20. Die Preise sind hier nicht ganz übersichtlich, esgibt viele verschiedene. Von 13 bis 400 Euro die Nacht reicht die Spanne. 13 Eurodie Nacht im Achterzimmer, 400 für einein der riesigen Suite. Inbegriffen ist in beiden Fällen ein ruhiger Schlaf, denn zwischen der Partygesellschaft unten in derBar und den Schlafstockwerken liegt nochdie Ruhezone in Stock eins, die alle Feier-Geräusche ausblendet. Auf den Zimmernsind die Bässe aus der Bar nicht einmalmehr zu erahnen.Während Manuel über den Preis verhan-delt, steht der Römer Marco vor dem Hostel und verhandelt mit einer jungen Dame aus England. Marco, 24, Jus student,kurze schwarze Haare, dünnes T-Shirt,steht vor dem Hostel und raucht. Er möchte die Dame samt ihrer fünf Be -gleiterinnen überreden, zusammen in dieDiskothek „angesagte“ Opium zu gehen.Die Damen wissen nicht so recht. Marco ist mit fünf Freunden in einem Achter -zimmer unter gebracht. Gemeinsam mitzwei Pakistani, die nicht einmal zumSchlafen ihre Turnschuhe aus ziehen undmit einem Messer unter dem Kopfpolsterschlafen, wie sie jedem Mitbewohnernachdrücklich erklärt haben. Schließlicherliegen die Engländerinnen dem Charmedes Italieners und lassen sich dazu über re-den, ein Getränk an der Hostel-Bar zu neh-men. Mit einem motivierten „Andiamo!“zieht die Truppe Richtung Labestation.

Ideale Ausstattung

Inzwischen schleppt einer der Deutschen,Manuel, seinen Rucksack aufs Zimmer.Die beiden haben Glück, oder Pech. Jenachdem, wie man es sieht: Bis dato sindsie alleine. Acht Betten, je eine Lampe, eine Steckdose und kostenloses WLAN,dazu ein WC und eine Dusche. So sieht esim ersten Stock aus. Im siebten sind die Hotelzimmer, mit allem, was man für einePartynacht und nichts, was man zum Woh-nen braucht. Kein Schrank, dafür einmannshoher Spiegel, kein Schreibtisch,dafür aber ein Ankleidelicht.

„The girls are hot“

Marco hat Italien und England zusammen-gebracht, zu zwölft stehen sie in der Bar,

der DJ nimmt um 23 Uhr seine Arbeit auf.Gin-Tonic-Pokale und Biergläser werdengestemmt. Weitere Frauen kommen herein,nehmen den Gratis-Cocktail entgegen, denes bei der Hawaiian-Nacht gibt. Richtigziehen dürfte das Lockangebot nicht. Nurwenige sind bis jetzt dem Ruf des Gratis-alkohols gefolgt.Aber Marco ist zufrieden. „The girls arehot.“ Und er muss nicht weggehen, um jemanden kennenzulernen. So sieht dasauch Christopher, 24, aus Schweden. Erdeutet auf den „Sleeping is cheating“-Spruch an einer der blanken Betonwändeund schwärmt vom Hamburger Generator-Hostel. Mit 50 Euro im Doppelzimmer sei man optimal untergebracht.

Ein paar Gäste kommen noch dazu. Umzwei Uhr sind es 80, Marco spricht mitt-lerweile akzentfrei und ununterbrochenEnglisch, während sein Freund Mühe hat,den Kopf aufrecht zu halten.

Alternative Couchsurfen

Gegenüber des Hostels hat Guillermo Sanzvor kurzem einen Verleih für Mopeds eröffnet. Die Hostelgäste sind seine bes-ten Kunden. „Aber wir haben auch vieleCouchsurfer.“ Also Touristen, die über dasgleichnamige Internetportal eine Über-nachtungsmöglichkeit bei privaten Gast -gebern suchen. „Oder bei Airbnb und Hometrip“, sagt der schlanke große Mann.„Das ist eine große Konkurrenz für die Hostels.“ Couchsurfer übernachten gratis.„Die Hostel-Ketten müssen sich deshalbmittlerweile etwas ausdenken, um ihre Gäste weiter anzulocken“, sagt Sanz.

Zum Beispiel Motto-Herbergen wie dasParty-Hostel. Ein paar Straßen weiter istdas Hostel „Casa Gracia“. Es liegt, wieauch das Generator, im Barviertel Gracia.Hier gibt man sich als Riesen-WG. Mit Gemeinschaftsküche, in der am Samstag-

Infos zur AnreiseFlug mit Vueling oder Niki von Wienoder Salzburg; Transfer vom Flughafenins Zentrum mit dem Bus, sechs Eurokostet eine einfache Fahrt, ca. 30 Minu-ten zum Platz Catalunya. Von dort mitder U-Bahn bis zur Haltestelle Diago-nal. Der Zug vom Flug hafen Barcelona(Aeropuerto de Barcelona) kostet vierEuro. Züge fahren alle 30 Minuten vomTerminal 2 nach Barcelona Sants/SantsEstacio. Von dort mit der Metro bis Diagonal oder Ver daguer. Beide Sta -tionen liegen in der Nähe des Hostels.

Übernachtung: Generator, Carrer de Corsega 377, 08037 BarcelonaTel. 0034/932 20 03 77www.generatorhostels.com Übernachtung im Achtbett-Zimmerim Schnitt für 30 Euro.

„Schließlich erliegen die

(noch) weißhäutigenEngländerinnen dem

Charme des Italieners.

Terminaviso

Redaktionsschluss Couleur 01/143. Februar 2014, 12:00 Uhr

Farbenball des TMV22. Februar 2014

Redaktionsschluss Couleur 02/1428. April 2014, 12:00 Uhr

30. Stiftungsfest K.Ö.St.V. Tratzberg Jenbach24. Mai 2014

72. Pennäertag des MKV6.-9. Juni 2014 in VillachInfos: pt2014.at

Redaktionsschluss Couleur 03/1425. August 2014, 12:00

Redaktionsschluss Couleur 04/143. November 2014, 12:00

nachmittag Cookies gebacken werden, natürlich mit Ruhezonen („Chillräume“),Wohnzimmer und gemeinsamen Aktionen.An diesem Nachmittag spielt ein Pärchen Jenga, drei Frauen tratschen auf der Terrasse neben einem jungen Mann, derSiesta hält.„Fiesta or Siesta?“, fragt ein Schild im Party-Hostel. Manuel und Moritz aus Dortmund diskutieren am Samstagabend.„Wir hätten auch lieber Couchsurfing gemacht, da trifft man auf Einheimische,was alles noch einfacher macht. Nur warenwir zu spät dran.“ Neben den beiden wirdwieder der In-Club Opium angepriesen, eine Touristenfalle am Hafen. Das passierteinem Couchsurfer nicht.

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