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ORIENTALISTIK//ISLAMWISSENSCHAFT//ARABISTIK SOMMER 2020

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O R I E N TA L I S T I K // I S L A M W I S S E N S C H A F T // A R A B I S T I KS O M M E R 2 0 2 0

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Das Cover wurde im April in einem Beiruter Nobelhotel nahe der berühmten Raouché-Felsen aufgenommen und zeigt, wie eine Frau vor ihrem Check-in mit einem Infrarot-Thermo- meter auf Anzeichen einer Corona-Infektion getestet wird.

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

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JusurZEITSCHRIFT FÜR ORIENTALISTIK, ISLAMWISSENSCHAFT UND

ARABISTIK

AUSGABE 2SOMMER 2020

Fachschaftsrat Orientalistik und IslamwissenschaftRuhr-Universität Bochum

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editorial

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

05

Liebe Leserinnen und Leser,

Corona hält die Welt in Atem!

Die Universitäten sind für den breiten Publikumsverkehr geschlossen und notgedrungen auf digitale Lehre umgestiegen. Ausgangs- und Reisebeschränkungen machen Auslandsaufenthalte, etwa zum Spracherwerb oder für Forschungsprojekte, unmöglich und zahlreiche Studierende müssen Einbußen erleiden. Viele verfolgen täglich aufmerksam, wie sich die Pandemie weltweit entwickelt und stellen sich die Frage: Wann kommt das Danach und wie geht es dann weiter?

Trotz physical distancing steht das gesellschaftliche Leben nicht still, daher haben wir als JUSUR uns entschieden, uns trotz der vielen Umstellungen an die Veröffentlichung der zweiten Ausgabe zu wagen. Bestärkt wurden wir durch die rege Nachfrage, die wir seit der ersten Ausgabe erfahren haben. Von dieser waren nach ihrem Erscheinen im Dezember bereits zum Ende der Vorlesungszeit im Wintersemester 2019/20 250 Exemplare vergriffen, wofür wir dankbar und worauf wir sehr stolz sind.

Das neue, eindrucksvolle Cover, welches wir dem berühmten libanesischen Fotografen Nabil Ismail verdanken, wurde passend zur aktuellen Lage ausgewählt. Anders als dieses vielleicht vermuten lässt, widmen sich die meisten Aufsätze in dieser Ausgabe jedoch historischen Themen, da die Inhalte schon länger feststanden.

Den Anfang macht Joe Breuer mit einem Beitrag zum Niedergang der Weihrauchstraße und der Frage nach dem Zusammenhang mit dem Aufkommen des Christentums im ersten halben Jahrtausend u. Zr. Leon Wystrychowski widmet sich den Auswirkungen des Vierten Kreuzzugs (1202-04) auf die damalige »islamische Welt« und stellt heraus, dass nicht von der einen muslimischen Perspektive die Rede sein kann. Vanessa Poggenburg wägt ab, inwiefern Namık Kemal (1840-88), einer der Hauptakteure der Jungosmanen-Bewegung, europäische Ideale übernahm und diese mit osmanisch-islamischen Ideologien kombinierte. Ebenfalls in diese Zeit fällt die nahḍa, die sog. »arabische Renaissance«, zu deren schillerndsten Vertretern Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97) gehörte. Dessen Befreiungs- theologie widmet sich Amando Saalbach, der herausarbeitet, weshalb al-Afġānīs in die Intelligenzija gesetzte Hoff-nung immer wieder scheiterte. Der Friedensforscher Dr. Werner Ruf schließt unsere Gastbeitragsreihe zum Westsa-hara-Konflikt ab, indem er dem in der ersten Ausgabe erschienenen Autonomieregelungsvorschlag von Rechtsan-walt Azzadine Karioh widerspricht und für die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums, wie es seit 1967 geplant ist, plädiert.

Wir danken allen Beteiligten für die tatkräftige Unterstützung und wünschen allen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen bei der Lektüre! Über Feedback und Beiträge für die nächsten Ausgaben freuen wir uns natürlich sehr.

Die Redaktion

JUSUR 2 (2020) 05-05

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inhalt

[dʒisr], pl. [dʒusūr]: Brücke(n).

AUFSÄTZE

07 Das ende der weihrauchstraße und der aufstieg des christentums // joe breuer

13 distanz und zäsur: Der vierte Kreuzzug aus muslimischen perspektiven // leon wystrychowski

21 Copy-paste oder Aneignung? europäisches denken in der jungosmanischen ideologie // Vanessa poggenburg

27 zwischen nahda und Ernüchterung: Der Antikolonialismus ĞamĀl ad-dĪn al-afĠĀnĪs // Amando Saalbach

GASTBEITRAG

35 der westsaharakonflikt: Eine Antwort auf azzadine karioh // werner Ruf

REVIEWS// Leon Wystrychowski

43 keskinkiliÇ, ozan zakariya. „die islamdebatte gehört zu deutschland: Rechtspopulismus und antimuslimischer rassismus im (post-)kolonialen kontext.“

44 banu breddermann, yalkut. „das volk des engel pfau: die eziden.“

45 von leitner, gerit. „bis die araber klein beigeben: europas vergessener krieg im maghreb.“

47 Aktuelles aus der Fachpublikation48 Veranstaltungen

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

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ABSTRACT

Bereits lange vor dem Aufkommen des Islam und des Christentums wurden Weihrauch und Myrrhe von Südarabien aus in ein weitreichendes Handelsnetz integriert. Mit ihren Kamelen bezwangen arabische Händler die Wüste und tauschten ihre kostbaren Waren gegen Reichtümer des Mittelmeerraums. Die heutzutage als Weihrauchstraße bezeichneten Karawanenrouten verbanden einst weitreichende Teile Eurasiens, gerieten jedoch noch vor der Geburt Muḥammads in Vergessenheit. Dieser Artikel beschreibt den Handel auf der Weihrauchstraße, stellt seine wichtigsten Akteure vor, skizziert, wie sich dieser vollzogen hat und arbeitet letztendlich daraufhin, die Frage zu beantworten, inwieweit der Rückgang des Handels mit dem Aufstieg des Christentums zu begründen ist.

Joe BreuerRuhr-Universität Bochum

Weihrauch ist bekannt für seine Verwendung bei kirch-lichen Messfeiern, beim inzensieren von Altar und Evan-gelienbuch und vor allem den Riten orthodoxer Kirch-en.1 Er ist heutzutage leicht erschwinglich und jederzeit z.B. über das Internet zu erwerben. So schwanken die Preise je nach Qualität und Herkunft zwischen 1,25 und 4,25 Euro pro Gramm. Wo Weihrauch herkommt und die Tatsache, dass dieser einst mit Gold aufgewogen wurde, ist heute wahrscheinlich den wenigsten bekannt. Als einstiges Luxusgut wurde er, genauso wie die verwandte Myrrhe, von Südarabien aus, entlang der Weihrauchstraße, bis in den Mittelmeerraum gehan-delt,2 von wo aus er seinen Weg bis nach Europa fand.3 Ein regulärer Weihrauch- und Myrrhehandel etablierte sich in Ägypten, Mesopotamien, Griechenland, Rom, Indien und sogar China.4 Seine Verwendung umfasste ein weites Spektrum unterschiedlicher Bereiche, wie etwa in religiösen Riten, in der Arzneikunde, der

Parfümerie und der Kosmetik verschiedener Kulturen, wodurch über viele Jahrhunderte die Nachfrage gesi-chert war.5 Nach der Erschließung neuer Handelsrouten über das Rote Meer verloren die Landwege an Bedeu-

tung.6 Ein deutlicher Rückgang des Handels ist im 4. Jh. n. u. Zr., also zu Zeiten Kaiser Konstantins und der Christianisierung des Römischen Reiches zu beobachten.

»The Perfumes of Arabia«

Noch Lady Macbeth aus William Shakespeares 1606 verfassten gleichnamigen Werk bringt Arabien mit Wohlgerüchen in Verbindung. Die Wohlgerüche, die Arabien selbst produzierte, waren hauptsächlich als Räucherwerk verwendbare Balsame, die wichtigsten davon Weihrauch und Myrrhe.7 Weihrauch (arab. lubān) ist ein Gummiharz, das aus dem Weihrauchbaum, der Boswellia, gewonnen wird, welcher ausschließlich in Südarabien, auf Sokotra, in Ostafrika sowie Vorderin- dien vorkommt.8 Doch nur die beiden Arten Boswellia carteri und Boswellia sacra, welche ausschließlich in Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

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Das Ende der Weihrauchstraße und der Aufstieg des Christentums

JUSUR 2 (2020) 07-12

1 Knauf, Ernst Axel und Michael Kunzler. „Weihrauch.“ In: Religion in Geschichte und Gegenwart Online

http://dx.doi.org/10.1163/2405-8262_rgg4_SIM_224102 (letzter Zugriff am: 25. 02. 2019).

2 Serauky, Eberhard. „Geschichte des Islam - Entstehung, Entwicklung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“ (Berlin: Dt. Verl. d. Wiss., 1991): 15.

3 Willeitner, Joachim. „Die Weihrauchstrasse.“ (Darmstadt: Philipp von Zabern, 2013): 44.

4 Hoyland, Robert G. „Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the coming of Islam.“ (London: Routledge, 2001): 103.

5 Serauky. „Geschichte des Islam.“: 16.6 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 44.7 Crone, Patricia. „Meccan Trade and the Rise of Islam.“ (Princeton: Princeton

University Press, 1987): 12.8 Scheck, Frank Rainer. „Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach Rom – Auf

den Spuren antiker Weltkulturen.“ (Köln: Komet, 2007): 40 f.

»Here’s the smell of the blood still; all the perfumes of Arabia will not sweeten this little hand. O, O, O.«

(Macbeth 5,1,52–53)

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Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

den hochwertigen »echten Weihrauch«.9 Die Myrrhe (arab. murr = »bitter«) ist ebenfalls ein Harz, welches aus der Baumart Commiphora abessynka gewonnen wird, die in Eritrea, Nordsomalia und Südwestarabien heimisch ist.10

Tatsächlich exportierte Arabien nicht nur inländische Produkte, sondern nahm auch eine Rolle als Transithändler ein. So wurden ebenfalls Waren, wie Gewürze und Elfenbein aus Indien oder Seide aus China, über den Indischen Ozean nach Südarabien verschifft.11 Auf diese Weise gelangten etwa Zimt, Safran oder Kardamom in das Handelsnetz Arabiens und wurden ebenfalls zu »Perfumes of Arabia«. Aufgrund dessen war Alexander der Große noch davon überzeugt, Zimt wüchse in Südarabien und zähle zu den Reichtümern, die es im Arabia Felix (»glückliches Arabien«), wie die Römer es später nannten, zu erobern galt.12

Weihrauch und Myrrhe in Kultur und Religion

Die Weihnachtsgeschichte aus dem Evangelium des Matthäus enthält vermutlich eine der bekanntesten biblischen Erwähnungen von Weihrauch und Myrrhe. Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten und Neuen Testaments Erwähnung. So liefert das Alte Testament beispielsweise die Rezeptur für eine heilige Räuchermischung,13 oder die Darstellung des Rauchop-fers als ein Symbol für das Gebet.14 Weihrauch und Myrrhe fanden nicht nur in der jüdischen Religion Anwendung, sondern waren Bestandteil in religiösen Ritualen in den meisten Teilen der antiken Welt von Südeuropa über den Nahen Osten und Nordafrika bis nach Ostasien.15 Weihrauch wurde zu Ehren der Götter auf Beerdigungen oder im Privathaushalt verbrannt, fand Anwendung in Medizin und zu einem geringen Maß auch als Zutat in Parfüms. Myrrhe wurde ebenfalls

als Räucherwerk verwendet, oder als Zutat darin. Jedoch bestand ihre wichtigste Rolle in der Herstellung von Balsamen, Parfüms und Medizin und bei der Einbal- samierung von Toten.16 Weiterhin waren Weihrauch und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter Gerüche und von Insekten.17 Sie waren sowohl in privat-en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

in der römischen Hauptstadt, gefragt, in der man häufig mit Kot, Blut und allerhand gefährli-chen Krankheitserregern konfrontiert war.18

Eine der gängigsten Methoden, im römischen Kultus, die Gunst der Götter zu erlangen, war ihnen

Opfergaben darzubringen.19 Neben dem Opfern von Tieren, Nahrungsmitteln oder Wein gab es ebenfalls das Rauchopfer, welches beim Gebet vor dem Lararium, dem Schrein der Schutzgötter, dargebracht werden konnte.20 Mit der steigenden Nachfrage nach Weihrauch und Myrrhe und den somit steigenden Prei-sen symbolisierte ihr Konsum Wohlstand, Großher-zigkeit und Königtum.21 So soll etwa Kaiser Nero bei der Beerdigung seiner Gemahlin Poppea eine ganze Jahreslieferung Weihrauch verbrannt haben.22 Weihrauch spielte also eine vielseitige und wichtige Rolle und wurde regelmäßig konsumiert.

Der Handel auf der Weihrauchstraße

Der Besuch der Königin von Saba (Sabā’ im heutigen Jemen) bei König Salomo, der angeblich um das 1. Jahr-tausend v. u. Zr. regierte, ist eine der ersten Quellen, die auf einen etablierten Handel zwischen Südarabien und dem Mittelmeerraum hindeuten.23 Auch wenn sowohl die Existenz beider Personen als auch die Faktizität des beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet dessen Beschreibung uns dennoch Anhaltspunkte zum historisch belegbaren Weihrauchhandel zu dieser Zeit und in dieser Region.24 Weiterhin gibt es archäologische Funde, die darauf hindeuten, dass bereits im 3. Jahrtau-send v. u. Zr.. arabisches Räucherwerk in Umlauf gebracht wurde.25

Die Weihrauchstraße ist eine der ältesten Handelswege

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

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9 Crone. „Meccan Trade.“: 12.10 Scheck. „Die Weihrauchstraße.“: 45.11 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 44.12 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 22.13 Vgl. Exodus: 30, 34 f.14 Vgl. Psalm 141,2.15 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 103.

16 Crone. „Meccan Trade.“: 13.17 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 103.18 Scheck. „Die Weihrauchstraße.“: 13-20.19 Scullard, Howard H. „Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

(London: Thames and Hudson, 1981): 22.20 Ebd.: 17–24.21 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 103.22 Crone. „Meccan Trade.“: 27.23 Ebd.: 9.24 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 30.25 Crone. „Meccan Trade.“: 8.

»Und sie gingen ins Haus hinein und sahen das Kind mit Maria, seiner Mutter; sie fielen vor ihm nieder und huldigten ihm, öffneten ihre Schatztruhen und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe.«

(Matthäus 2,11)

»Und die Königin von Saba vernahm die Kunde von Salomo, die dem HERRN zum Ruhm gereichte, und kam, um ihn mit Rätseln auf die Probe zu stellen. Und mit sehr reichen Schätzen kam sie nach Jerusalem, mit Kamelen, die Balsam trugen und sehr viel Gold und Edelsteine. Und sie kam zu Salomo und sagte ihm all das, was sie sich vorgenommen hatte.«

(1 Könige 10,1–2)

BREUER

JUSUR 2 (2020) 07-12

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der Menschheitsgeschichte und konnte einzig durch die Domestizierung des Dromedars etabliert werden, welches als Lasttier für die extrem heißen und wasserar-men Gebiete der Wüsten unabdingbar ist.26 Laut des römischen Gelehrten Plinius (gest. 79 n. u. Zr.) wurden die Handelsgüter auf einer Karawanenroute mit 65 Kamelstationen vom Jemen nach Gaza transportiert, die entlang der Westküste der arabischen Halbinsel verlief, in Gebieten von Halbwüsten mit Wasserstellen.27 Auf diesem Weg gelangten nicht nur arabische Produkte wie Weihrauch und Myrrhe in den Mittelmeerraum, sondern ebenfalls Waren, die durch den Handel mit Indien erworben wurden,28 welcher zumindest eine Zeit lang vollständig von Arabien kontrolliert wurde.29

Die Händler Arabiens

Die für den Weihrauchhandel wohl bedeutendsten Akteure Südarabiens waren unbestritten die über viele Jahrhunderte herrschenden Sabäer mit ihrer späteren Hauptstadt Maʾrib.30 Der Handel auf der Weihrauch-

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

09

trotz der vielen Umstellungen an die Veröffentlichung der zweiten Ausgabe zu wagen. Bestärkt wurden wir durch

Dezember bereits zum Ende der Vorlesungszeit im Wintersemester 2019/20 250 Exemplare vergriffen, wofür wir

Nabil Ismail

Leon Wystrychowski

der einen Vanessa PoggenburgNamık Kemal (1840-88), einer der Hauptakteure der Jungosmanen-Bewegung, europäische Ideale übernahm und

nahḍaRenaissance«, zu deren schillerndsten Vertretern Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97) gehörte. Dessen Befreiungs-

Amando Saalbach, der herausarbeitet, weshalb al-Afġānīs in die Intelligenzija gesetzte HoffDr. Werner Ruf

hara-Konflikt ab, indem er dem in der ersten Ausgabe erschienenen Autonomieregelungsvorschlag von Rechtsan

Königin von Sabā’ - Mythos oder historische Persön-lichkeit?

Die Königin von Sabā’ ist spätestens seit dem Mittelalter in Europa bekannt. Ihre Geschichte, und damit die strittige Frage, ob es sie wirklich gab oder nicht, lebt bis heute fort. Im Laufe der Zeit entstanden verschiedene Darstellungen über sie. So berichten unter anderem eine Sure des Qurʾān, persische Miniaturen aus der Safawidenzeit, diverse volkstüm-liche arabische Erzählungen und der offizielle Ahnenmythos des äthiopischen Herrscherhauses, welches sich auf sie beruft, von ihr.1 Dass sie die Menschen in einem solch starken Ausmaß fasziniert, liegt vor allem daran, dass in den Darstel-lungen viel Raum für Spekulation und Interpretation gelassen wird.

Die Geschichte über die Begegnung zwischen ihr und dem legendären israelitischen König Salomo, der im 10. Jahrhun-dert v. u. Zr. gelebt haben soll, kennen, wenn auch in unter-schiedlichen Varianten, alle drei großen monotheistischen Religionen. Sie berichten gleichermaßen von einer aus der Stadt Sabā’ im heutigen Jemen stammenden Herrscherin, die sich auf den Weg nach Jerusalem macht, um König Salomo zu treffen. Die Details der Erzählungen und die Kontexte, in denen die Geschichte eingebettet wird, variieren jedoch stark. So geht es beispielsweise im Qurʾān vorrangig um die Zustim-mung oder Ablehnung des einzigen Gottes.2 In der herbäischen Variante hingegen wird nicht der göttliche Herrschaftsanspruch thematisiert, sondern die Anerkennung Salomos als König. Den Vorbildcharakter, welchen die Köni-gin von Sabā’ in Teilen der islamischen Tradition, in welcher sie den Namen Bilqis erhielt, entwickelte, lässt sich in der jüdischen und christlichen Tradition nicht finden. Hier findet man vielmehr eine von Salomo vertretene Kritik an ihr. So wird sie als »Hexe« bezeichnet, die »mit Hochmut« zu dem weisen König gekommen sei.3 Zur endgültigen Dämoni- sierung ihrer Person in der jüdischen Tradition kam es durch den Chronisten Ben Sira, der die Geschichte des babylo-nischen Herrschers und Eroberers des israelitischen Jerusalem, Nebukadnezar dem II., erzählt und dabei die Königin von Sabā’ als dessen Mutter darstellt.4

Auch außerhalb dieser unmittelbar religiösen Erzählungen findet sich die Geschichte über die Königin von Sabā’ und Salomo, etwa in Äthiopien. Die dort als »Kebra Negast« (Ruhm der Könige) betitelte Geschichte über die Urahnen der dortigen Kaiserdynastie, erzählt die Legende über Makeda, wie die Königin von Sabā’ in der altäthiopischen Sprache Ge‘ez genannt wird, in einer jedoch abgewandelten Version.5 Historisch betrachtet ist es allerdings fraglich, ob diese Begeg-nung der Königin mit Salomo, auf der all diese Erzählungen basieren, tatsächlich stattgefunden haben kann. Nur der ältesten Forschungsmeinung, der sogenannten Langen Chronologie, zufolge, die sich auf Annalen assyrischer Könige aus dem 8. Jahrhundert v. u. Zr. und auf die biblische Erzählung über die Begegnung zwischen der Königin von Sabā’ und König Salomo beruft, setzt das Reich der Sabäer etwa ein Jahrtausend vor Christus ein, was eine Begegnung der beiden, rein zeitlich betrachtet, möglich macht.6 Dem gegenüber steht die sogenannte Kurze Chronologie, welche die

Datierung anhand von Schriftentwicklung festmacht und davon ausgeht, das Sabäische Reich habe erst im 5. Jahrhun-dert v. u. Z. seinen Anfang gehabt.7 Was die Existenz von weiblichen Herrschern im arabischen Raum betrifft, so geht die Forschung zwar aufgrund von Überlieferungen aus dem 8. vorchristlichen Jahrhundert davon aus, dass es welche gab,8 für die südarabische Region jedoch ist dies nicht gesichert.9

Vanessa Poggenburg

1 Kleinert, Ulfrid. „Das Rätsel der Königin von Sabā’ - Mythos und Geschichte.“ (Darmstadt: Zabern Verlag, 2015).

2 Karaman, Hayreddin et al. „Kur’an Yolu. Türkçe Meâl ve Tefsir 4.“ (Ankara: Diyanet Işleri Başkanlığı, 2007): 182 und Kleinert. „Das Rätsel der Königin von Sabā’.“ sowie Koran 27: 7-58.

3 Kleinert. „Das Rätsel der Königin von Sabā’.“, Koran 27: 22-44 und Leicht, Reimund. „Testament Salomos“. in: Religion in Geschichte und Gegenwart 7. (Tübingen: Mohr Siebeck Verlag, 2004): 810.

4 Klein-Franke, Aviva. „Die Königin von Sabā’ in der jüdischen Überlieferung“. In: Die Königin von Sabā’ - Kunst, Legende und Archäologie zwischen Morgenland und Abendland, hrsg. von Werner Daum (Stuttgart: Belser Verlag, 1988).

5 Kleinert. „Das Rätsel der Königin von Sabā’.“6 Pirenne, Jacqueline. „Überblick über die Lehrmeinungen zur

altsüdarabischen Chronologie.“ In: Jemen - 3000. Jahre Kunst und Kultur des glücklichen Arabien: Von der Königin von Sabā’ zu einem modernen Staatswesen, hrsg. von Werner Daum (Innsbruck: Pinguin, 1987): 122.

7 von Wissmann, Hermann. „Die Geschichte von Saba‘ 2 - Das Großreich der Sabäer bis zu seinem Ende im frühen 4. Jahrhundert vor Christus.“ (Wien: Verlag. d. öst. Akademie d. Wissenschaften, 1982): 43-46.

8 Daum, Werner. „Jemen - 3000 Jahre Kunst und Kultur des Glücklichen Arabien: Von der Königin von Sabā’ zu einem modernen Staatswesen.“ In: ders.: 9-32, 9.

9 Wissmann. „Geschichte von Sabā’ 2.“: 45.

26 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 42 f.27 Serauky. „Geschichte des Islam.“: 15.28 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 44.29 Crone. „Meccan Trade.“: 9.30 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 84.

DAS ENDE DER WEIHRAUCHSTRAßE

JUSUR 2 (2020) 07-12

Page 10: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

straße verhalf den jemenitischen Herrschen zu erhebli-chem Wohlstand, den sie durch ein fortschrittliches Bewässerungssystem und eine florierende Land-wirtschaft noch zu vermehren wussten. Nach einem politischen Wandel im 5. Jh. v. u. Zr. verloren die Sabäer ihre Vormachtstellung in Südarabien und es etablierten sich neue, unabhängige Reiche, die als ihre Konkurrent-en am Weihrauchhandel teilhaben wollten,31 so die Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des übrigen sabäischen Herrschaftsgebiets, sowie das Reich von Qataban im östlichen Jemen.32 Als letztes Reich, das sich bis zum Aufstieg des Islam in ganz Südarabien durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den Plan, mit welchem die Sabäer im Laufe der Zeit fusion-ierten.33 Lediglich ein Teil der altsüdarabischen Köni-greiche produzierte selbst Weihrauch. Die übrigen Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel-dern, Transitgebühren oder der Versorgung der Händler und ihrer Tiere, wodurch der Warenpreis mit zuneh-mender Distanz zum Herkunftsland in die Höhe getrie-ben wurde.34 Einer der wichtigsten Zwischenhändler war der Staat der Nabatäer, welcher sich ab dem 4. Jahrhundert v. u. Zr. von seiner Hauptstadt Petra, im Süden des heutigen Jordaniens, ausbreitete.35 Die Nabatäer waren berühmt für den Handel mit südara-bischem Räucherwerk, das auch ihnen zu erheblichem Reichtum verhalf.36 Sie kontrollierten den nördlichen Teil der Weihrauchstraße und unterhielten die Inlands-routen zum Mittelmeerraum und teilweise nach Ägypten.37 Die Nabatäer waren weitestgehend ein friedliebendes Volk, dem stets daran gelegen war Konf-likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute Beziehungen zu den benachbarten Reichen der Ptol-emäer und Seleukiden. Selbst als die Römer 63. v. u. Zr. Syrien eroberten, gewährten diese den Nabatäern Autonomie, bis sie schließlich 106 n. u. Zr. in die Provinz Arabia Petraea integriert wurden.38 Die Griechen und Römer

Im Verlauf seiner Eroberungszüge begann Alexander der Große sich für Arabien zu interessieren. Er veran-lasste um 323 v. u. Zr. Erkundungsmissionen zur Erfor-schung der arabischen Halbinsel und plante deren Eroberung. Durch den verfrühten Tod Alexanders kam es nie zu dieser Unternehmung und die neuen Akteure

in der Region waren die Nachfolgestaaten der Seleu-kiden in Kleinasien und dem mittleren Osten sowie die Ptolemäer in Ägypten, die mit Arabien interagierten.39 Nach der vollständigen Zerstörung Karthagos 146 v. u. Zr. begann die Ausbreitung des Römischen Imperiums auch im Raum des östlichen Mittelmeers.40 Durch die Eingliederung Syriens in das Römische Imperium wurde die seleukidische Dynastie endgültig verdrängt, womit die Kontrolle der Handelswege den Römern zufiel.41 Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts v. u. Zr. wurde das ptolemäische Ägypten mit seinem Zugang zum Roten Meer ebenfalls Rom einverleibt.42

Alternative Handelswege

In ihrem Werk Meccan Trade and the Rise of Islam räumt Patricia Crone bezüglich des Handels mit arabischen Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der römische Markt die Christianisierung nicht überlebte, die die Ausbreitung des Christentums allein jedoch nicht ausreiche, den Rückgang des Handels zu erklären.43

Um das erste Jahrhundert v. u. Zr. entdeckten die Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von Ägypten nach Indien ermöglichten. Mit dem Sieg Kaiser Augustus’ über die ptolemäische Herrscherin

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

10

Handelsrouten der Weihrauchstraße auf der Arabischen Halbinsel

SYRIEN

MesopotamienPhönizien

ägypten

abessinien

Saba

Persien

Mediterranisches

Meer

Rotes Meer

Indischer Ozean

Arabisches Meer

Persischer

Golf

AlexandrienGaza

petra

palmyra

damaskus

Bosra

Yathrib (Medina)

Mekka

Basra

Tigris

Euphrat

Nil

Aden

Akaba

Koptos

Hegra

Leuek KomeGerrha

Ma‘in

Arabia felix

Nefud

Hedschas

Aksoum

31 Serauky. „Geschichte des Islam.“: 16 f.32 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 80-87.33 Ebd.: 97 ff.34 Ebd.: 44 ff..35 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 70.36 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 124.37 Ben-Yehoshua, Shimshon, Carole Borowitz und Lumir O. Hanus.

„Frankincense, Myrrh and Balm of Gilead - Ancient Spices of Southern Arabia and Judea.“ Horticultural Reviews 39 (2012): 9.

38 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 72 f.

39 Ebd.: 22 f.40 Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die

Offenbarungsreligionen.“ Oriens 15 (1962): 21.41 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 21.42 Ebd.: 44.43 Crone. „Meccan Trade.“: 27.

BREUER

JUSUR 2 (2020) 07-12

Page 11: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute

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Cleopatra 31. v. u. Zr. kontrollierten die Römer die ägyptischen Häfen und somit den Handel im Roten Meer über Südarabien und Indien. Laut Robert G. Hoy-land war dies ein Wendepunkt in der Geschichte Süda-rabiens, da seine Zukunft nicht länger in Karawanen-städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der Arabischen Halbinsel.44 Weiterhin von Bedeutung war der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im äußersten Nordwesten der Arabischen Halbinsel, in welchem Waren umgeschlagen und auf Karawanen-routen nach Petra gebracht wurden, um von dort aus weitergehandelt zu werden. Dies änderte sich jedoch mit der Errichtung der römischen Kontrolle über die Nabatäer. Seit deren Unterwerfung gelangten die süda-rabischen Güter hauptsächlich über das Rote Meer nach Ägypten und anschließend über den Nil in die ägyp-tischen Mittelmeerhäfen.45 Neue Technologien machten die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es, dass die Nabatäer nach und nach die Kontrolle über den Tauschhandel mit Südarabien verloren.46

Christianisierung und Reichsteilung

Unter den römischen Kaisern Decius (249–51 n. u. Zr.) und Diokletian (284–305 n. u. Zr.) kam es zu reichs-weiten Pogromen gegen Christen. Zu Zeiten Decius’ stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit einer heidnischen Opferung dem Christentum zu entsagen, oder den Tod.47 Unter Kaiser Konstantin (306-37) jedoch stieg das Christentum zur wichtigsten Religion des Reichs auf.48 391 n. u. Zr. erließ Theodo-sius ein Gesetz, demzufolge Tempelbesuche, heidnische Opfer und die Anbetung von Bildern verboten wurden. Rund vier Jahre später hatten sich bereits alle Mitglieder des römischen Senats taufen lassen.49 Trotz der Einschränkungen der Rituale verloren Weihrauch und Myrrhe nicht vollständig an Bedeutung. So wurden sie weiterhin für hygienische und medizinische Zwecke gebraucht und fanden ebenfalls Anwendung als Räucherwerk in liturgischen Zeremonien, in denen sie, in Abgrenzung zu heidnischen Kulten, allerdings nicht als Opfergabe verstanden wurden. Jedoch erreichte der Konsum von Weihrauch in christlicher Zeit nie wieder die verschwenderisch hohe Menge wie in hellenistischer und.50

Bereits ab dem 2. Jh. n. Chr. wurde es problematisch, die teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren, wodurch ein wirtschaftliches Chaos ausbrach, welches sich im 3. Jahrhundert noch weiter zuspitzte.51 Im Jahr 395 n. u Zr. teilte sich das Imperium endgültig in Weströmisches Reich und oströmisches Byzanz auf.52 Mit der Eroberung Nordafrikas durch die Vandalen als Folge der Völkerwanderung war das Mittelmeer nicht länger ein »römisches Meer«.53 Dieser Machtverlust im mediterranen Raum, führte für die Römer zu einer Minderung der Möglichkeiten, die teuren Luxusgüter Weihrauch und Myrrhe einzuführen. Weiterhin dürften im Laufe der germanischen Eroberungszüge und der Umstrukturierung der politischen Karte Europas, die Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens-wichtigen Waren, mehr und mehr verdrängt worden sein. Fremdherrschaft in Südarabien und der inner-politische Zusammenbruch

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum, vermutlich im Norden des heutigen Äthiopien, erstmals Erwähnung. Jenes Reich war es, das im Verlauf des 3. Jahrhunderts n. u. Zr. in Südarabien Fuß fasste. Dies gelang vor allem, weil die Region durch die immerzu währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und der umliegenden Staaten stark geschwächt war.54 Bis etwa Mitte des 4. Jahrhunderts n. u. Zr. beanspruchte das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.55 Aufgrund byzantinischer Quellen über die Beobach-tung der sich ereignenden Besatzung, kann man davon ausgehen, dass das Vorgehen Äthiopiens in gewisser Weise in Absprache mit dem oströmischen Kaiser geschah.56 Zu dieser Zeit waren die Herrscher Äthiopi-ens bereits zum Christentum übergetreten und standen in guter Beziehung zu Byzanz.57 Sie unterhielten die südarabischen Häfen und bauten allerorts Kirchen,58 wohingegen die innenpolitischen Belange eher vernachlässigt wurden. Als symbolhafter Untergang Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib genannt werden, welcher sich gegen Ende des 5. Jahrhunderts n. u. Zr. ereignet haben soll. Noch mehr Chaos traf das Land, als 570 n. u. Zr. das sassanidische Persien die Äthiopier aus Südarabien vertrieb, und seine eigene Herrschaft installierte. Im Zuge der Ereignisse und Nahrungsknappheit zogen viele arabische Stämme nach Norden und begannen sich auf die Suche nach

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

11

44 Hoyland. „Arabia and the Arabs.“: 43 ff.45 Ebd.: 73.46 Ball, Warwick. „Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

(London: Routledge, 2000): 64.47 Heuß, Alfred. „Römische Geschichte.“ Hrsg. von Hans-Joachim Gehrke

(Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2016): 486-493.48 Ebd.: 506-511.49 Ebd.: 538 f.50 Ebd.: 107.

51 Ebd.: 469 f.52 Scheck.: „Die Weihrauchstraße.“: 306.53 Heuß. „Römische Geschichte.“: 551.54 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 9-97.55 Ebd.: 101.56 Serauky. „Geschichte des Islam.“: 3357 Willeitner. „Die Weihrauchstrasse.“: 102.58 Scheck. „Die Weihrauchstraße.“: 313 f.

DAS ENDE DER WEIHRAUCHSTRAßE

JUSUR 2 (2020) 07-12

Page 12: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

einer neuen Lebensgrundlage zu begeben.59

Conclusio

Weihrauch und Myrrhe waren Luxusgüter, die aufgr-und ihrer Verwendung in der Medizin, der Parfümerie und vor allem in religiösen Kulten in weiten Teilen der mediterranen antiken Welt unentbehrlich waren. Diese Luxusgüter, wie auch aus dem Fernhandel erworbene Waren, handelten die arabischen Staaten, als Produzent-en oder Zwischenhändler, entlang der Weihrauchstraße bis hin zum Mittelmeerraum. Den Griechen und Römern gelang es schließlich, neue Handelsrouten im Roten Meer und darüber hinaus bis nach Indien zu erschließen, womit sie den direkten Handel kontrollier-ten und die Araber als Zwischenhändler umgingen. Dies leitete das Ende der durch Kamelkarawanen orga- nisierten Weihrauchstraße ein.

Weihrauch und Myrrhe wurden allerdings weiter gehandelt, bis im 4. Jahrhundert n. u. Zr. ein plötzlicher Rückgang nachzuweisen ist. Dies ist die Zeit, in der Konstantin bald nach der Jahrhundertwende die staatli-che Institutionalisierung des Christentums einleitete. Die alten »heidnischen« Kulte galten von nun an als Ketzerei, so auch das Opfern von Weihrauch, welches sogar durch Gesetzesbeschluss verboten wurde. Die Reichsteilung Roms im Jahr 395 ist Sinnbild für dessen Untergang und die schlechte Verfassung des Reiches jener Zeit. Die teure Urbanisierungspolitik, der Germa-nensturm und der Verlust zahlreicher römischer Regionen stehen im Gegensatz zu dem sich einst in Wohlstand wiegenden expandierenden Reich, welches Unmengen an Weihrauch aufzukaufen vermochte. Etwa zur selben Zeit hatte sich die Fremdherrschaft Äthiopiens in Südarabien durchgesetzt, dessen einziges Interesse darin bestand, von den dortigen Hafenstädten zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt, wer sich in dieser Zeit um die Weihrauchernte und dessen Verwaltung gekümmert hat. Vermutlich war der Handel mit Indien von größerem Interesse und die Häfen Südarabiens lediglich noch Zwischenstationen. Ebenfalls könnte man davon ausgehen, dass das Bündnis von Byzanz und Äthiopien auf der Basis des gemeins-amen Glaubens, des Christentums, fundiert war. Die weitere Besetzung Südarabiens wurde im Zuge dieses Bündnisses gebilligt, um die uneingeschränkte, byzan-tinische Kontrolle über das Rote Meer und somit über den Indienhandel zu erlangen.

Der Rückgang des arabischen Weihrauchhandels wurde also durchaus durch den Aufstieg dem Christentum beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

von heidnischen Kulten abzuwenden, sowie andererseits durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli-chen Äthiopien, und ihrem Bündnis mit ihren römischen Glaubensbrüdern, auf den innenpolitischen Verfall Südarabiens. Für eine vollständige Begründung ist es allerdings ebenfalls wichtig, historische Ereignisse zu betrachten, die sich unabhängig vom Aufstieg des Christentums ereignet haben. So die zunehmend schlechtere, wirtschaftliche Verfassung Roms oder die Etablierung direkter Handelsrouten mit Indien, die einen günstigeren Zugang zu exotischen Waren boten, die eventuell Weihrauch und Myrrhe als zunehmend billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

Bibliographie

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Ben-Yehoshua, Shimshon, Carole Borowitz und Lumir O. Hanus. „Frankincense, Myrrh, and Balm of Gilead - Ancient Spices of Southern Arabia and Judea,“ Horticultural Reviews 39 (2012): 1–78.

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Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen-barungsreligionen.“ Oriens 15 (1962): 115–129.

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Willeitner, Joachim. „Die Weihrauchstrasse.“ (Darmstadt: Philipp von Zabern, 2013).

Zürcher Bibel von 2007, Zürich 2007.

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

Reconquista

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer

fitna

eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

einer

ḏimmīes in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher

al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ḥanbalī ǧihādIbn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

Medieval Encounters

Byzanz

„Islamische Theologie.“ „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische

Geschichte der Kreuzzüge.“

Crusades

Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittle-ren Osten

„Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“

„Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“

—. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt

Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“ archive.or

de/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).„The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from

al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

Urbs Capta - The Fourth Crusade and its Consequences

„Byzanz - Geschichte des Oströmischen Reiches.“ „Byzanz und die Kreuzzüge.“

Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100

„Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuz-züge aus der Sicht der Araber.“

Journal of Medieval

Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

59 Serauky. „Geschichte des Islam.“: 33.

12

BREUER

JUSUR 2 (2020) 07-12

Page 13: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

rseits durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

n n

ündung se

des nd ie ie n,

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

ABSTRACT

Die Errichtung der venezianisch-genuesischen Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer durch die Eroberung Byzanz’ gilt als weltgeschichtlich folgenschwerstes Ergebnis des Vierten Kreuzzuges (1202-04). Wie viel die Araber tatsächlich darüber wussten, ob und wie sie diesen bewerteten, wurde lange Zeit in der Wissenschaft kaum behandelt. Um diese Lücke partiell zu füllen, werden zwei unterschiedliche muslimische Perspektiven auf den Vierten Kreuzzug untersucht: aus der Sicht muslimischer Gelehrter, die in islamischen Staaten lebten, und aus Sicht direkt betroffener byzantinischer Muslime. Während die erstere ein eher akademisches Interesse an diesem zeithistorischen Ereignis hatten, wurde die Existenz der muslimischen Gemeinden in Konstantinopel, wenn nicht gar im gesamten byzantinischen Reich, weitgehend vernichtet. Damit wird aufgezeigt, dass damals wie heute nicht von der einen muslimischen Perspektive die Rede sein kann.

Leon WystrychowskiRuhr-Universität Bochum

Distanz und Zäsur: Muslimische Perspektiven auf den Vierten Kreuzzug

JUSUR 2 (2020) 13-19

1202 rief Papst Innozenz III. (1161-1216) zum Vierten Kreuzzug auf. Ziel war Ägypten, das Kernland der Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der arabischen Welt. Das Kreuzfahrerheer aus Franzosen, Italienern und Deutschen war jedoch bei der Überquer-ung des Mittelmeers auf die Flotte der mächtigen Han-delsrepublik Venedig angewiesen. Die Venezianer baten den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu stellen, wenn diese im Gegenzug die von Venedig abge-fallene Stadt Zara zurückeroberten. Von dort aus ging es weiter zum Bosporus, wo sich das westeuropäische Bündnis in die byzantinischen Thronstreitigkeiten einmischten und 1203 Alexios den IV. einsetzten. Als dieser gestürzt wurde, stürmten Venezier und Kreuz-fahrer im April 1204 die Hauptstadt Byzanz’ und teilten das Reich unter sich auf. Balduin IX. von Flandern wurde zum Regenten gewählt und als Balduin I. von Konstantinopel gekrönt.1

Dass der Vierte Kreuzzug in seinem Endziel, der Erobe-rung Jerusalems, scheiterte, macht ihn nicht zu etwas besonderem. Doch war er der einzige, der, abgesehen von einer kleinen Flotte vor der nordafrikanischen Küste, nicht einmal die Grenzen eines muslimischen Staates bedrohte, dafür aber mit der Zerstörung und Plünderung einer christlichen Metropole endete. Chris-

ten töteten Christen, brandschatzten in Wohn- und Handelsvierteln und raubten Kirchen und Klöster aus. Weshalb dieser Kreuzzug von seinem ursprünglichen Ziel abkam und sich schließlich gegen Byzanz richtete, ist in der Forschung nach wie vor umstritten.2 Klar ist jedoch, dass »die Ausschaltung des Byzantinischen Reiches und die Errichtung der venezianisch-genu- esischen Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer« das »weltgeschichtlich wohl folgenschwerste Ergebnis der Kreuzzüge war«, während letztlich keiner dieser religiös legitimierten Waffengänge für die islamische Welt annährend so tiefgreifende Zäsuren bedeutete, wie für Europa selbst.3 Nicht nur deshalb gilt eine mögliche Verschwörung zwischen Venezianern und den Staaten der arabischen Welt mittlerweile als widerlegt.4

Dass die muslimischen Herrscher trotzdem Grund zur Erleichterung hatten, nicht abermals mit einem christli-chen Heer konfrontiert gewesen zu sein, liegt auf der Hand. Aber wie viel die Araber tatsächlich über diesen Vierten Kreuzzug wussten, ob und wie sie diesen bewer- teten, wurde lange Zeit in der Wissenschaft kaum behandelt und soll nach einer kurzen Einführung in die arabische Rezeption der vorangegangenen Kreuzzüge

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

Reconquista

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer

fitna

eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

einer

ḏimmīes in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

1 Töpfer, Bernhard et. al. „Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“ (Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1991): 261.

2 Vgl. Lilie, Ralph-Johannes. „Byzanz und die Kreuzzüge.“ (Stuttgart: Kohlhammer, 2004): 165-70.

3 Zöllner, Walter. „Geschichte der Kreuzzüge.“ (Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften, 1990): 211.

4 Vgl. Thorau, Peter. „Die Kreuzzüge.“ (München: C. H. Beck, 2007): 100.

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher

al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ḥanbalī ǧihādIbn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

Medieval Encounters

Byzanz

„Islamische Theologie.“ „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische

Geschichte der Kreuzzüge.“

Crusades

Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittle-ren Osten

„Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“

„Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“

—. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt

Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“ archive.or

de/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).„The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from

al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

Urbs Capta - The Fourth Crusade and its Consequences

„Byzanz - Geschichte des Oströmischen Reiches.“ „Byzanz und die Kreuzzüge.“

Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100

„Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuz-züge aus der Sicht der Araber.“

Journal of Medieval

Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

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Page 14: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die zweite Frage widmet sich den Auswirkungen dieses Krieges auf die arabische bzw. muslimische Bevölkerung Konstantinopels. Da keine schriftlichen Quellen byzan-tinischer Muslime diesbezüglich existieren, stützt sich dieser Teil auf sekundäre Forschungsliteratur.

Tatsächlich sind arabische Quellen zum Vierten Kreuz-zug, gerade im Vergleich zu den anderen, insgesamt äußerst rar. Ebenso erfreute sich das Thema in der Forschung bis vor Kurzem keines sonderlichen Interess-es.5 Die diesbezügliche Fachliteratur, ausgenommen der Arbeit Amin Maaloufs,6 stammt fast vollständig aus den letzten beiden Jahrzehnten. Bei der in dieser Arbeit ausge- werteten, einzig bekannten zeitgenössischen arabischen Quelle zum Thema handelt es sich um einen Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ (»Die vollständige Geschichte«). Darin behan-delt er die Historie der arabischen Welt von der vorisla-mischen Zeit bis in die eigene Gegenwart, was auch die ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte aus einer privilegierten Gelehrtenfamilie, die der Zen-giden-Dynastie nahe stand.7 Seine Texte sind von seiner Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse und zu be- stimmten theologischen sowie politischen Fraktionen entsprechend geprägt. So schlägt sich etwa seine Nähe zum zengidischen Herrscherhaus wiederholt in seinem Werk nieder.8 Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte, sie gründlich zu überarbeiten.9 Es handelt sich bei seinen Schilderungen also bereits um Rückblicke, die auch vor dem Hintergrund jüngster Entwicklungen, wie etwa dem Fünften Kreuzzug, betrachtet werden müssen.

Die arabische Rezeption der ersten Kreuzzüge Zwar gilt das Mittelalter zurecht als kulturelle Blütephase der arabisch-islamischen Welt, doch war diese zugleich geprägt von innerer politischer Zersplit-terung. Die in Machtkämpfe verstrickten muslimischen Herrscher erkannten die neue Dimension dieser christlich-europäischen Invasion in den Jahren ab 1096

nicht. Stattdessen suchten einige von ihnen anfangs sogar Bündnisse mit den Kreuzfahrern und erwiesen sich entsprechend unfähig, diese abzuwehren.10 So waren es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der ersten diesbezüglichen Quellen in arabischer Sprache stammt, die den Einmarsch der Kreuzfahrer mit der sogenannten Reconquista in Verbindung brachten und ihn somit in einen größeren Kontext einordneten. Sie erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer gegen die gesamte arabisch-islamische Welt. Für diese Gelehrten, die in den meisten muslimischen Dynastien in einem oppositionellen Verhältnis zu den weltlichen Herrschern standen, war deren Unvermögen, insbe-sondere das Heilige Land zu verteidigen, Ausdruck einer fitna.11 Sie forderten die Vereinigung der Muslime gegen die christlichen Invasoren.12 Eine solche islamische – eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff-neten ǧihād aufrief und Jerusalem, das die folgenden fast anderthalb Jahrhunderte unter muslimischer Herrschaft bleiben sollte, befreite.13 So waren die Kreuzzüge auch aus islamisch-arabischer Sicht ein durchaus identitäts- stiftendes Ereignis. Verstärkt wurde dies noch durch die neue Qualität der Gewalt, welche die Kreuzfahrer verübten.14

Insgesamt betrachtet hatte der Vierte Kreuzzug nur wenige unmittelbare Auswirkungen auf die arabisch- islamischen Staaten im Nahen Osten und Nordafrika.

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

einer

ḏimmīes in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

5 Francesco Gabriele beispielsweise übergeht diesen Abschnitt schlicht mit der Aussage, dieser Kreuzzug habe sich schließlich gegen Konstantinopel gewandt. Gabrieli, Francesco (Hrsg.). „Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“ (Augsburg: Bechtermünz, 1999): 313.

6 Maalouf, Amin. „Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber.“ (München: dtv, 1996). Das Original erschien 1983 auf Französisch.

7 Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from Al-Kāmil fi 't-taʾrīkh, Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“ Übers. und hrsg. von Donald Sidney Richards (Cornwall: Ashgate 2008): 1.

8 Vgl. Gabriele. „Die Kreuzzüge.“: 24.9 El-Azhari, Taef. „Muslim Chroniclers and the Fourth Crusade.“ Crusades 6

(2007): 108.

10 Halm, Heinz. „Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“ (München: C. H. Beck, 2006): 63 f.

11 Arab.: »schwere Prüfung«, war ursprünglich die Bezeichnung für die innermuslimischen Bürgerkriege nach Muḥammads Tod. Diese prägten den islamischen Diskurs um die Einheit der religiösen Gemeinschaft nachhaltig. Vgl. Berger, Lutz. „Islamische Theologie.“ (Wien: UTB, 2010): 55-73, 191-97.

12 Cobb, Paul M. „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische Geschichte der Kreuzzüge.“ (Darmstadt: Philipp von Zadern, 2015): 53-55.

13 Halm. „Die Araber.“: 64 f.14 Vgl. Thorau. „Die Kreuzzüge.“: 73.

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher

al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ḥanbalī ǧihādIbn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

Medieval Encounters

Byzanz

„Islamische Theologie.“ „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische

Geschichte der Kreuzzüge.“

Crusades

Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittle-ren Osten

„Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“

„Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“

—. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt

Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“ archive.or

de/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).„The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from

al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

Urbs Capta - The Fourth Crusade and its Consequences

„Byzanz - Geschichte des Oströmischen Reiches.“ „Byzanz und die Kreuzzüge.“

Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100

„Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuz-züge aus der Sicht der Araber.“

Journal of Medieval

Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

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WYSTRYCHOWSKI

JUSUR 2 (2020) 13-19

Der Fall Konstantinopels in der Darstellung

Page 15: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

lubān

Südarabien und Ostafrika zu finden sind, produzieren

Commiphora abessynka

verschifft.

Beide Produkte finden in zahlreichen Stellen des Alten

und Myrrhe extrem effektiv zur Beseitigung schlechter

en Haushalten als auch im öffentlichen Raum, besonders

gefragt, in der man häufig mit

Sabā’

beschriebenen Zusammentreffens umstritten sind, bietet

Hauptstadt Maʾrib.

Bewässerungssystem und eine florierende Land

Minäer nordwestlich und Ḥaḍramaut im Osten des

durchsetzen konnte, trat das Reich von Ḥimyar auf den

Staaten profitierten von Zwischenhandel, Schutzgel

likte zu vermeiden, um den florierenden Handel nicht zu gefährden. So pflegten sie die meiste Zeit gute zufiel.

Meccan Trade and the Rise of Islam

Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der

Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

städten lag, sondern in Häfen. So errichtete Ḥaḍramaut Häfen in Qanaʾ und Samhar an der Südküste der

der nabatäische Hafen Leuke Kome (Wādī ʿAynūna) im

die Schifffahrt über das Rote Meer sicherer. So kam es,

stellte man die Christen öffentlich vor die Wahl, mit

teure Urbanisierungspolitik der Kaiser zu finanzieren,

Beschaffung von Luxusgütern, durch jene von lebens

Im 1. Jahrhundert n. u. Zr. findet das Reich von Axum,

währenden Machtkämpfe der Sabäer, Ḥimyariten und

das Reich von Axum den Jemen sowie Ḥaḍramaut.

Südarabiens kann der Bruch des Damms von Maʾrib

zu profitieren und Kirchen zu errichten. Unklar bleibt,

beeinflusst. Dies einerseits durch die Motivation, sich

durch den Einfluss der Besatzungsmacht, dem christli

billigere Duftstoffe abgelöst haben könnten.

„Rome in the East - The Transformation of an Empire.“

Reviews„Meccan Trade and the Rise of Islam.“

„Römische Geschichte.“

„Arabia and the Arabs – From the Bronze Age to the comming of Islam.“

Religion in Geschichte und Gegenwart

Zugriff am 25.02.2019).Rathjens, Carl. „Die alten Welthandelsstrassen und die Offen

Oriens„Die Weihrauchstraße: Von Arabien nach

Rom – Auf den Spuren antiker Weltkulturen.“

„Festivals and Ceremonies of the Roman Republic.“

„Geschichte des Islam - Entstehung, Entwick-lung und Wirkung von den Anfängen bis zur Mitte des XX. Jahrhunderts.“

„Macbeth.“

„Die Weihrauchstrasse.“

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

n anfangs n n

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

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Reconquista n und n. Sie

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer iese

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– eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād fast rrschaft

auch titäts-

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nur arabisch-

dafrika.

Ausnahmen bildeten eine Reihe weitgehend folgenloser Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit der Eroberung Konstantinopels in Zusammenhang bringt,15 sowie der fünftägige Raubzug einer – vermut-lich sizilianischen16 – Flotte im ägyptischen Nildelta.17 Allerdings bemängelt Benjamin Kedar, diese »zweite Front« des Vierten Kreuzzugs sei in der Forschung bislang stark vernachlässigt worden.18 Jedenfalls wurde diesem Kreuzzug von arabischer Seite insgesamt relativ wenig Beachtung geschenkt, was jedoch nicht bedeutet, dass man über diesen keine Kenntnisse hatte. Im Gegen-teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter-richtet gewesen zu sein. Die familiären Verhältnisse und Bündnisse zwischen byzantinischem und französischem Adel gibt er zwar recht detailliert, aber nicht ganz korrekt wieder. Das Wesentliche erfasst er allerdings. So unterscheidet er bewusst zwischen Franzosen auf der einen Seite, wenn er vom »malik i-faransīs«19 spricht, und »Franken« (Franǧ), als welche die Kreuzfahrer in der arabischen Literatur bezeichnet werden, auf der anderen. Auch ist er sich dessen bewusst, dass es sich bei dem Unternehmen ursprünglich um einen neuerlichen »christlichen« Feldzug zur Eroberung Jerusalems handelte; zudem deutet er an, dass die Inthronisierungs-bestrebungen der Kreuzfahrer in Byzanz vor allem auf Eigeninteressen fußten und erklärt unmissverständlich, dass diese nach der Krönung ihres Günstlings Alexios die eigentliche Macht in Konstantinopel gewesen seien.20

Auch die Schilderungen der Kampfhandlungen stim-

men im Großen und Ganzen mit denen der modernen Forschung überein. Zudem zeugt der Text von gewisser Detailkenntnis. So werden durchweg Jahres- und Mo- natsangaben gemacht; wie die byzantinischen Kaiser Isaak II., Alexios III. und Alexios IV., werden auch der Doge von Venedig, der Markgraf Bonifacio del Monfer-rato und Graf Balduin von Flandern mit Namen bzw. Amt genannt und in ihrer jeweiligen Rolle im Kontext der Eroberung und Aufteilung Konstantinopels bzw. Byzanz' dargestellt.21 Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht über die militärische Arbeitsteilung zwischen den Kreuzfahrern und den Venezianern bewusst: So schreibt er, Byzantiner, die mit dem jungen Alexios sympathis-ierten, hätten im Innern der Stadt Feuer gelegt und den Franken die Tore geöffnet.22 Dagegen geht die Forschung von venezianischen Händlern im Innern der Stadt aus. Dafür sind die Darstellungen der Plünderun-gen, wobei die Hagia Sophia ausdrücklich genannt wird, umso detaillierter. An dieser Stelle wird auch erstmals eine Position des Chronisten erkennbar, wenn er empört berichtet, dass die Franken nicht einmal vor der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil-dungen Jesu' und dessen Jüngern halt gemacht hätten.23 In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem Hilferuf der Byzantiner nicht habe beikommen kön-nen.24

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff sowohl auf lateinische als auch byzantinische Quellen gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über-schneidungen mit den Berichten des französischen Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213) sowie des byzantinischen Geschichtsschreibers Niketas Choniates (1155-1217) aufweisen. Beide gehören zu den wichtigsten Zeitzeugen, auf die sich auch die heutige Forschung noch stützt. Zudem betont er, dass Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon-stantinopels sowohl, im Vergleich zu seinen eigenen Schilderungen über die vorherigen Kreuzzüge, keine Verdammungen der Franken enthalten, als auch, im Gegensatz zu anderen muslimischen Chronisten, keine Schadenfreude gegenüber den Byzantinern erkennen lassen.25 Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

einer

ḏimmīes in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

15 Ibn al-Aṯīr. „The Chronicle.“: [194] f.16 Cobb. „Kampf ums Paradies.“: 257.17 Ibn al-Aṯīr. „The Chronicle.“: [198].18 Vgl. Kedar, Benjamin Zeev. „The Fourth Crusade's Second Front.“ In: Urbs

Capta - The Fourth Crusade and its Consequences. (Paris: Lethielleux, 2005): 95 ff.

19 Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“: 288. archive.org/stream/Alkamil_Fi_Tarikh/kamilt10#page/n288/mode/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).

20 Ibn al-Atīr. „The Chronicle.“: [190].

21 Ibn al-Aṯīr übernimmt die Begriffe »venzianischer dūqs«, »al-Marquīs« und »kund afland« (Ibn al-Aṯīr. „Al-Kāmil.“: 289.) wörtlich, wohl ohne immer ihre genaue Bedeutung zu erfassen. Das für seinen Bericht Wesentliche aber gibt er wieder.; Ibn al-Aṯīr. „The Chronicle.“: [191] f.

22 Ebd.: [190].23 Ebd.24 Um wen genau es sich dabei handelte, ist unklar. Ibn al-Aṯīr selbst spricht

hier nur von »ar-rūm« (Ibn al-Aṯīr. „Al-Kāmil.“: 289.) im Allgemeinen. Bei Cobb heißt es nicht viel konkreter, »das byzantinische Herrscherhaus« (Cobb. „Kampf ums Paradies.“: 256.) habe die Seldschuken um Unterstützung gebeten.

25 El-Azhari. „Muslim Chroniclers.“: 110 f.

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher

al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ḥanbalī ǧihādIbn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

Medieval Encounters

Byzanz

„Islamische Theologie.“ „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische

Geschichte der Kreuzzüge.“

Crusades

Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittle-ren Osten

„Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“

„Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“

—. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt

Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“ archive.or

de/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).„The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from

al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

Urbs Capta - The Fourth Crusade and its Consequences

„Byzanz - Geschichte des Oströmischen Reiches.“ „Byzanz und die Kreuzzüge.“

Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100

„Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuz-züge aus der Sicht der Araber.“

Journal of Medieval

Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

15

DISTANZ UND ZÄSUR

JUSUR 2 (2020) 13-19

Domenico Tintorettos aus dem Jahr 1600.

Page 16: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

Reconquista

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer

fitna

eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī, der sich laut El-Azhari für sein Muhtaṣar (»Handbuch«) über die orientalische Christenheit ausschließlich auf den Bericht in al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ gestützt zu haben scheint.26 Für den syrischen Geschichtsschreiber Ibn Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche, allerdings ergänzt dieser einen interessanten Aspekt: Er berichtet von einem Boten der Johanniter, der 1203 dem Emir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über-bracht habe, dass ein Kreuzfahrerheer soeben die Großstadt Zara eingenommen und geplündert habe.27 Bald nun werde sich dieses Heer auf den Weg ins Heil-ige Land machen, um sich mit den dortigen Kreuz-fahrerstaaten sowie den Armeniern gegen die Muslime zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand erzwungen werden sollte.28

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil (1145-1218) auch anderweitig bereits gewarnt gewesen zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine Erwähnung.29 Zudem war der Sultan im nördlichen Maschrek damit beschäftigt, sein Reich zusammen zu halten. Ob er seine Truppen also rechtzeitig nach Ägypten hätte mobilisieren können, ist höchst fraglich, auch wenn Paul Cobb überzeugt scheint, dass der Vierte Kreuzzug auch gescheitert wäre, hätte dieser Ägypten je erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen seien.30

Erste Muslime am Bosporus Die ersten muslimischen Gemeinden in Byzanz gehen wohl auf während der frühislamischen Expansion gemachte Kriegsgefangene zurück. Im 10. Jahrhundert geriet mit der Rückeroberung syrischer und mesopota-mischer Gebiete auch die dortige muslimische Bev-ölkerung unter oströmische Herrschaft. Zulauf erhielt die muslimisch-byzantinische Gemeinde in späteren Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb der muslimischen Bevölkerung von Byzanz einher.31

Fraglich ist vor diesem Hintergrund, inwiefern in diesem Zusammenhang von einer muslimischen Gemeinde gesprochen werden kann, wobei auch mehr als zwei Jahrhunderte unter oströmischer Herrschaft zu einer gewissen kulturellen Entfremdung gegenüber den Glaubensgeschwistern unter muslimischer Herrschaft geführt haben dürfte. Byzantinische Quellen bezeugen als islamische Gebetshäuser genutzte Gebäude in Kon-stantinopel ab dem 10. Jahrhundert, führen aber die Erbauung einer ersten Proto-Moschee wiederum bereits auf das frühe 8. Jahrhundert zurück, was im Übrigen durch arabische Quellen gestützt wird.32

Die Stellung von Muslimen in Byzanz weist ein teilweise relativ spiegelbildliches Verhältnis zur Lage der Christen in muslimischen Staaten auf: Trotz theologisch begründeter Spannungen waren Muslime unter byzan-tinischer Herrschaft in der Realität wohl weder Verfol-gung noch besonderer Diskriminierung ausgesetzt. Eine Art ḏimmī-System gab es jedoch nicht. Auch war es in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in gewisse staatliche Machtpositionen zu gelangen, obwohl Konversionen zur Religion der jeweiligen Machthaber durchaus von sozialem Vorteil waren.33 Diese besondere Stellung war sowohl darauf zurückzuführen, dass die byzantinischen Muslime mit den islamischen Nachbarstaaten starke Schutzmächte im

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

26 Ebd.: 112.27 Cobb spricht vom Jahr 1204. (Cobb. „Kamp ums Paradies.“: 257.) Da es in

dem Text aber heißt, die Flotte der Kreuzfahrer würde noch bis Ostern in Zara ausharren und dann wieder in See stechen, (El-Azhari. „Muslim Chroniclers.“: 113.) scheint 1203, wie auch bei El-Azhari angegeben, zutreffend zu sein.

28 Ebd.29 Ebd.: 114.; Bei El-Azhari heißt es lediglich, dass sowohl Ibn al-Furāt

(1334-1405) und al-Maqrīzī (1364-1442) berichten, in Akkon habe es im Voraus Kenntnis gegeben, dass von Sizilien aus Ägypten angegriffen werden solle. (Ebd.)

30 Vgl. Cobb. „Kampf ums Paradies.“: 256.31 Anderson, Glaire D. „Islamic Spaces and Diplomacy in Constantinople

(Tenth to Thirteen Centuries C.E.).“ Medieval Encounters 15 (2009): 90 f., 103.

32 Anderson. „Islamic Spaces.“: 88-98; sowie: Lilie, Ralph-Johannes. „Zur Stellung von ethnischen und religiösen Minderheiten in Byzanz.“ In: Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100, hrsg. von Walter Pohl et. al. (Burlington: Routledge, 2012): 309.

33 Flores, Alexander. „Die arabischen Christen - Auswanderung, Resignation oder gleichberechtigte Teilnahme?“ In: Die Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittleren Osten, hrsg. von Evangelisches Missionswerk in Deutschland (EMW), Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten (INAMO) und Alexander Flores (Hamburg et. al: EMW, 2001): 15-18; Lilie. „Ethnische und religiöse Minderheiten.“: 309-11.

Byzanz

Republik venedig

Ayyūbiden

Konstantinopel

venedig

zara

damaskus

jerusalem

alexandria

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher

al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ḥanbalī ǧihādIbn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

Medieval Encounters

Byzanz

„Islamische Theologie.“ „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische

Geschichte der Kreuzzüge.“

Crusades

Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittle-ren Osten

„Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“

„Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“

—. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt

Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“ archive.or

de/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).„The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from

al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

Urbs Capta - The Fourth Crusade and its Consequences

„Byzanz - Geschichte des Oströmischen Reiches.“ „Byzanz und die Kreuzzüge.“

Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100

„Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuz-züge aus der Sicht der Araber.“

Journal of Medieval

Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

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WYSTRYCHOWSKI

JUSUR 2 (2020) 13-19

Lediglich eine kleine Flotte gelangte während des Vierten Kreuzzugs bis nach Alexandria. Palästina bekam keiner der Kreuzfahrer zu sehen.

Page 17: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

Reconquista

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer

fitna

eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

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Rücken hatten, als auch auf die Tatsache, dass arabische Seidenhändler in Konstantinopel eine herausragende ökonomische Rolle einnahmen.34 Ähnliche Privilegien galten wiederum auch für europäische Kaufleute beispielsweise in Ägypten,35 wobei der Faktor Byzanz’ als Schutzmacht der Christen in den islamischen Län-dern deutlich schwächer ausgefallen sein dürfte.36

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz aller politischen Divergenzen gute, insbesondere wirtschaftliche Beziehungen zu Byzanz. Religions-politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen Vertrag, in dem sie u.a. der jeweiligen Minderheit im eigenen Herrschaftsbereich religiöse Freiheiten einräumten, Gotteshäuser und Mausoleen er- bzw. ausbauten und entsprechendes Personal ins Land ließen. Als Folge avancierte Konstantinopel auch für Muslime außerhalb von Byzanz zur Pilgerstadt.37 Allerdings wurden nur kurze Zeit später die beiden wichtigsten Gebäude der konstantinopolitanischen muslimischen Gemeinde zerstört. 1201 stürmte eine aufgebrachte Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff Beamte an und brannte eine Kirche sowie eines der beiden islamischen Gemeindehäuser nieder. Niketas Choniates benennt als Grund zwar ausschließlich Wut auf die als korrupt geltende Beamtenschaft – solche Gewal-tausbrüche waren durchaus nicht unüblich –38 und nicht speziell auf Muslime. Allerdings liegt es durchaus nah, dass sowohl die guten Kontakte des Herrscher-hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der privilegierte Status vornehmlich der arabischen Händler Argwohn und Frustration unter Teilen der Mehrheits-bevölkerung hervorriefen.39

Gezielte Vernichtung oder »Kollateralschaden«?

Von den Plünderungen Konstantinopels durch die Kreuzfahrer und Venezianer waren besonders die Händ-

lerviertel betroffen,40 somit auch das arabische. Choni-ates berichtet, dass sich die muslimischen Händler gegen die Invasoren zur Wehr setzten und dabei Unterstützung durch christliche byzantinische Kämpfer erhielten. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass die Angreifer schließlich auch die Moschee niederbrannt-en.41 Dabei ist umstritten, wie gezielt die Invasoren mus-limische Gebäude attackierten. Während Stephen Rein-ert davon ausgeht, dass den muslimischen Händlern letztlich ihr Ruf zum Verhängnis wurde und gezielt Jagd auf ihre berüchtigten Reichtümer gemacht wurde,42 war laut Glaire Anderson das arabische Viertel derart in das Stadtbild integriert, dass es für Außenstehende nicht als solches zu erkennen gewesen sei. Er stützt sich dabei zudem auf die Tatsache, dass es außer dem Bericht von Choniates keine weiteren Quellen gibt, die auch nur erwähnen, dass es sich teilweise um muslimisches Eigentum handelte, geschweige denn belegen, dass dies den Plünderern bewusst gewesen wäre.43 Laut Anderson habe der arabische Distrikt schlicht aufgrund seines offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt und sei wegen seiner räumlichen Lage am Hafen ein

leichtes Ziel gewesen.44

Auch wenn es keine Belege dafür gibt, dass sich die Beu-tezüge und Ausschreitungen der Kreuzfahrer und Venezian-er in Teilen gezielt gegen Mus-lime gerichtet haben, so scheint der Vierte Kreuzzug doch das Schicksal der konstantinopolitanischen mus-limischen Gemeinde für mehr

als ein halbes Jahrhundert besiegelt zu haben. Es gibt keinerlei Quellen, die muslimisches Leben unter lateinischer Herrschaft bezeugen. Laut Stephen Reinert ist es sogar möglich, dass ein Großteil der muslimischen Bevölkerung bei den Kämpfen um Konstantinopel ums Leben kam,45 zudem dürften auch welche von ihnen aus der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem Reich.46 In jedem Fall ist es unwahrscheinlich, dass die privilegierte Stellung der muslimischen Araber unter der

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher

al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ḥanbalī ǧihādIbn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

Medieval Encounters

Byzanz

„Islamische Theologie.“ „Der Kampf ums Paradies - Eine islamische

Geschichte der Kreuzzüge.“

Crusades

Zukunft der orientalischen Christen - Eine Debatte im Mittle-ren Osten

34 Anderson. „Islamic Spaces.“: 94-98; Lilie. „Ethnische und religiöse Minderheiten.“: 309 f.

35 Halm, Heinz. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt, hrsg. von Ulrich Haarmann (München: C. H. Beck, 1994): 212 f.

36 Die von Byzanz diskriminierten Kopten etwa sollen in Teilen sogar die Eroberung Ägyptens durch Muslime gegenüber der bisherigen oströmischen Herrschaft begrüßt haben. (Flores. „Die arabischen Christen.“: 17 f.)

37 Anderson. „Islamic Spaces.“: 102-04.38 Vgl. Lilie, Ralph-Johannes. „Byzanz - Geschichte des oströmischen Reiches

326-1453.“ (München: C. H. Beck, 1999): 87-89; Schreiner, Peter. „Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“ (München: C. H. Beck, 2007): 68 f.

39 Vgl. ebd.: 104.

40 Lilie spricht allerdings ausschließlich von »den Quartieren italienische[r] Kaufleute«. (Lilie. „Byzanz und die Kreuzzüge.“: 170.)

41 Anderson. „Islamic Spaces.“: 105 f.42 Vgl. Reinert, Stephen William. „The Muslim Presence in Constantinople,

9th-15th Centuries - Some Preliminary Observations.“ In: Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire, hrsg. von Hélène Ahrweiler und Angeliki E. Laiou (Washington D.C.: Harvard University Press, 1998): 143.

43 Vgl. Anderson. „Islamic Spaces“: 106 f.44 Vgl. ebd.: 98.45 Vgl. Reinert. „Muslim Presence.“: 143.46 El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr seine Informationen u.a. von aus

Konstantinopel geflüchteten Muslimen bezog. (Vgl. El-Azhari. „Muslim Chroniclers.“: 111.) Allerdings würde in diesem Zusammenhang verwundern, dass er die Gewalt gegen Muslime und die Brandschatzung der Moschee in seinen Berichten nicht erwähnt.

„Die Kreuzzüge aus arabischer Sicht.“

„Die Araber - Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart.“

—. „Die Ayyūbiden.“ In: Geschichte der arabischen Welt

Ibn al-Aṯīr, ʿIzz ad-Dīn. „Al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ 10.“ archive.or

de/2up (letzter Zugriff am: 30.03.2018).„The Chronicle of Ibn al-Athīr for the Crusading Period from

al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

Urbs Capta - The Fourth Crusade and its Consequences

„Byzanz - Geschichte des Oströmischen Reiches.“ „Byzanz und die Kreuzzüge.“

Visions of Community in the Post-Roman World - The West, Byzantium and the Islamic World, 300-1100

„Der Heilige Krieg der Barbaren - Die Kreuz-züge aus der Sicht der Araber.“

Journal of Medieval

Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

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DISTANZ UND ZÄSUR

JUSUR 2 (2020) 13-19

Auch die Hagia Sophia, damals noch eine orthodoxe Kirche, wurde 1204 geplündert.

Page 18: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

Reconquista

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer

fitna

eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

einer

ḏimmīes in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

Herrschaft der Kreuzfahrer Bestand hatte. So bezeich-nete etwa Balduin von Flandern unmittelbar nach seiner Krönung in der Hagia Sophia in einem Brief an Papst Innozenz den III. die guten Beziehungen Byzanz' zu den muslimischen Nachbarn, insbesondere den Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim-ischen »Ungläubigen«. Diese sei letztlich der Grund gewesen, weshalb man die Stadt habe erobern müssen.47 In jedem Fall scheinen die islamischen Gotteshäuser bis 1261, als die Byzantiner die Stadt zurückeroberten, nicht neu aufgebaut worden sein, denn die erste Quelle, die das Fort- oder neuerliche Bestehen einer muslimischen Gemeinde in Konstantinopel bezeugt, berichtet, wie der Gesandte des Mamluken-Sultans Baibars des I. (1223-77) in diesem Jahr eine eben erst errichtete Moschee in der Stadt besichtigt.48

Zusammenfassung

Für die muslimische Bevölkerung Konstantinopels war die Wende zum 12. Jahrhundert mit einschneidenden Ereignissen verbunden. Nach einer längeren Phase relativer sozialer und ökonomischer Privilegierung wurden in kurzer Zeit die beiden gleichsam religiösen wie auch sozialen Zentren dieser Gemeinde zerstört. Obwohl weder beim Vorgehen der Byzantiner noch dem der Lateiner spezielle religiöse oder xenophobe Motive bewiesen sind, so muss doch bedacht werden, dass zumindest die Kreuzfahrer ursprünglich einen religiös legitimierten Krieg gegen die arabisch-muslim-ische Welt führen wollten und auch die Eroberung Kon-stantinopels als Teil dessen zu legitimieren versuchten. Indes war es eben diese externe Aggression, welche die ungleich tieferen, wenn auch bislang nicht gänzlich erfassbaren, Einschnitte für die muslimische Existenz in Konstantinopel bedeutet zu haben scheint. Ob von einer nachhaltigen Zäsur die Rede sein kann, ist indes fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale Stellung der dortigen Muslime weitgehend wiederherg-estellt war,49 und diese Aggression eben nicht von der konstantinopolitanischen Mehrheitsbevölkerung, sondern von als »fränkische Invasoren« wahrgenomme-nen Europäern verübt wurde. Hinzu kommt, dass trotz der Tatsache, dass die Situation der byzantinischen Mus-lime in nicht zu unterschätzender Weise durch die schützende Hand der muslimischen Regionalmächte bedingt war, diese scheinbar ein Eingreifen zugunsten ihrer Schützlinge nicht für nötig hielten, und auch bei Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen Gewalt gegen Glaubensgeschwister in Konstantinopel zu lesen ist – weder durch Byzantiner vor 1203, noch

durch die westeuropäischen Invasoren.

Vielmehr fällt auf, dass der Vierte Kreuzzug durch die arabischen Chronisten außerhalb Byzanz' als externes Ereignis wahrgenommen wurde, von welchem man zwar mitunter durchaus gut unterrichtet war, es jedoch offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher und punktuell tangierend erachtete. Entsprechend entfallen Wertungen weitestgehend, wohl deshalb, weil, wie auch El-Azhari vermutet, es sich in den Augen Ibn al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe.50 Dass der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr hier insofern eine Ausnahme bildet, als er zwar im Wes-entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd-ings seine Schadenfreude über das Schicksal Konstanti-nopels äußert,51 kann sowohl mit seiner Prägung durch den ḥanbalī und für seine ǧihād-Theologie bekannten Ibn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber auch vor dem Hintergrund der zu seinen Lebzeiten wieder aufkommenden Konflikte zwischen der islamischen Welt und Byzanz verstanden werden. Jeden-falls zeigt sich, dass die Beurteilung dieses Ereignisses auch von den jeweiligen sozialen, insbesondere politischen Umständen der jeweiligen Autoren bedingt ist. Insgesamt gilt jedoch für sämtliche mittelalterliche arabische Chronisten, die dieses Thema behandelt haben, ob sie nun Christen oder Muslime waren, dass der Fall Konstantinopels für sie keine besondere Rele-vanz besaß und angesichts der übrigen Auseinander-setzungen jener Zeit und besonders gegenüber den restlichen Kreuzzügen, die die arabisch-islamische Welt unmittelbar betrafen, deutlich zurück trat.

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al-Kāmil fī ʾl-taʾrīkh. Part 3. The Years 589-629/1193-1231. The Ayyūbids after Saladin and the Mongol Menace (Crusade Texts in Translation 17).“

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Studies on the Internal Diaspora of the Byzantine Empire

„Konstantinopel - Geschichte und Archäologie.“

„Die Kreuzzüge.“

„Allgemeine Geschichte des Mittelalters.“

„Geschichte der Kreuzzüge.“

47 Neocleous, Savvas. „Byzantine-Muslim conspiracies against the crusades: history and myth.“ Journal of Medieval History 36 (2010): 253 f., 270-73.

48 Anderson. „Islamic Spaces.“: 106 f.49 Reinert. „Muslim Presence.“: 143 ff.

50 Vgl. El-Azhari. „Muslim Chroniclers.“: 111.51 Ebd.: 112.

18

WYSTRYCHOWSKI

JUSUR 2 (2020) 13-19

Page 19: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Ayyūbiden-Dynastie und die Kornkammer der

den Kreuzrittern an, ihnen Schiffe zur Verfügung zu

legitimierten Waffengänge für die islamische Welt

hier anhand der Aufzeichnungen des Chronisten ʿIzz ad-Dīn ibn al-Aṯīr (1160-1233) untersucht werden. Die

Auszug aus dem Lebenswerk Ibn al-Aṯīrs, al-Kāmil fi 't-taʾrīḫ

ersten fünf Kreuzzüge einschließt. Ibn al-Aṯīr stammte

Zudem hat Ibn al-Aṯīr seine Chronik erst ab 1222 veröffentlicht, nachdem er Gelegenheit hatte,

es islamische Gelehrte, wie der Damaszener ʿAli ibn Tāhir as-Sulamī (gest. 1106), von dem zugleich eine der

Reconquista

erkannten darin eine umfassende Offensive der Europäer

fitna

eigentlich sunnitische – Einheit stellte schließlich Ṣalāḥ ad-Dīn (1137-93) her, der 1187 schließlich zum bewaff

ǧihād

Überfälle und Kämpfe in Palästina, die Ibn al-Aṯīr mit

teil scheint insbesondere Ibn al-Aṯīr recht gut unter

malik i-faransīs(Franǧ)

Allerdings ist sich Ibn al-Aṯīr nicht

Franken die Tore geöffnet.

der Verwüstung von Kirchen, Kruzifixen und Abbil

In diesem Zusammenhang scheint Ibn al-Aṯīr indes zu bedauern, dass der Seldschuken-Sultan Sulaimān II. dem

Taef El-Azhari vermutet, dass Ibn al-Aṯīr Zugriff

gehabt habe, da seine Schilderungen auffällige Über

Chronisten Geoffroi de Villehardouin (1160-1213)

Ibn al-Aṯīrs Schilderungen über die Eroberung Kon

Spätere arabische Historiographen, wie Abū Šāma (1203-68) und Ibn Kaṯīr (1300-73), gaben im

Wesentlichen die Berichte Ibn al-Aṯīrs wieder. Das gleiche gilt für den christlich-orthodoxen Ibn al-ʿIbrī,

Muhtaṣar

al-Kāmil fi t-taʾrīḫ

Wāṣil (1208-98) gilt im Wesentlichen das Gleiche,

JohanniterEmir von Ḥamā, al-Manṣūr, u.a. die Botschaft über

zu vereinen. Al-Manṣūr verstand dies, richtigerweise, als Einschüchterungsversuch, mit dem ein Waffenstillstand

Zwar scheint der Ayyūbiden-Sultan al-ʿĀdil

zu sein, allerdings findet Ägypten, das eigentliche Ziel dieses Kreuzzugs, in Ibn Wāṣils Schilderung keine

erreicht, da die Ayyūbiden bereits gewarnt gewesen

Jahren zudem durch arabische Kaufleute und Söldner. Damit ging eine soziale Differenzierung auch innerhalb

einer

ḏimmīes in Einzelfällen offenbar möglich, als Muslim in

galten wiederum auch für europäische Kaufleute

Wie auch zu Venedig unterhielten die Ayyūbiden trotz

politisch schlossen Ṣalāḥ ad-Dīn und Isaak II. einen

Menschenmenge das dortige Staatsgefängnis, griff

hauses zu den »heidnischen« Ayyūbiden, als auch der

lerviertel betroffen,

offensichtlichen Reichtums Begehrlichkeiten geweckt

der Stadt geflohen sein, womöglich sogar aus dem

Ayyūbiden, als eine Verbrüderung mit den muslim

fraglich, da offenbar nach 1261 die bisherige soziale

Chronisten wie Ibn al-Aṯīr von keiner besonderen

ie rnes man doch

offensichtlich als die eigene Sphäre lediglich peripher nd eil,

n Ibn al-Aṯīrs und anderer arabischer Chronisten um einen internen Konflikt unter Christen gehandelt habe. Dass der im 14. Jahrhundert lebende Damaszener Ibn Kaṯīr

entlichen Ibn al-Aṯīrs Schilderungen wiedergibt, allerd

ch ḥanbalī ǧihād n

Ibn Taimīya (1263-1328) zusammenhängen, sollte aber n

wieder aufkommenden Konflikte zwischen der

eignisses e

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DISTANZ UND ZÄSUR

JUSUR 2 (2020) 13-19

Page 20: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend,

Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.

Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78),

Hürriyet

Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

ʿUlamāʾ)

zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige

šarīʿa

šarīʿa

šarīʿa

verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

šarīʿa

im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

šarīʿa

alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

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Page 21: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

ABSTRACT

Die Geschichte des Osmanischen Reiches während des 19. Jahrhunderts offenbart eine weite Spanne polarisierender Debatten um das Verhältnis von Islam und europäischen Idealen, die das Reich überdauert haben und bis in die Gegenwart fortgesetzt werden. Vor allem die führenden Persönlichkeiten der Jungosmanen, Namık Kemal, Ziya Paşa, Ali Suavi und İbrahim Şinasi, zählten zu den ersten, die sich mit der „Orientalischen Frage“ auseinandersetzten und in Zeitungen diskutierten. Dieser Artikel untersucht, inwiefern die staatstheoretischen Konzepte Namık Kemals von aufklärerischen Idealen beeinflusst wurden und welche europäischen Strömungen dabei besondere Relevanz besaßen. Es wird argumentiert, dass die Ideale nicht schrankenlos übernommen wurden, sondern mit den persönlichen vom Islam beeinflussten Vorstellungen in Einklang gebracht werden sollten.

Vanessa PoggenburgRuhr-Universität Bochum

Copy-Paste oder Aneignung? Europäisches Denken in der jungosmanischen Ideologie

JUSUR 2 (2020) 21-25

Mustafa Kemal, genannt »Atatürk«, war eine der berühmtesten Persönlichkeiten, die sich auf die sogenan-nten Jungosmanen bezog. Viele seiner zahlreichen Reformen in der Türkei waren stark durch das jungos-manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der Jungosmanen ergibt sich aus dem Umstand, dass sie im Osmanischen Reich zu den Ersten zählten, die sich auf theoretischer Basis mit den drängenden Heraus-forderungen der Modernisierung islamischer Gesellschaften auseinandersetzten.1 Im Folgenden wird untersucht, inwiefern die staatstheoretischen Konzepte des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche europäischen Strömungen besonders relevant für seine Ideenentwicklung waren und wie er versuchte, diese für die osmanische Gesellschaft brauchbar zu machen.

Eine Phase der Reformen

Die Strömungen im Osmanischen Reich, die im 19. Jahrhundert den Erlass einer Verfassung anstrebten, sind keinesfalls ein rein osmanisches Phänomen. Vielmehr

sind sie im Kontext einer langanhaltenden Welle konsti-tutioneller Bewegungen zu sehen, die mit der amerikan-ischen und französischen Revolution ihren Anfang fand und mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland abrupt endete. Zur Verbreitung des Konstitutionalismus im Osmanischen Reich trug maßgeblich ein von Mustafa Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung anzuführen. Zwar ist es fraglich, ob der Brief jemals den Sultan erreichte, Bekanntheit erlangte er trotzdem durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse und durch zahlreiche osmanische und arabische Über-setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri-otismus, der, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch in den Schriften Kemals zu finden ist.2

Erste weitreichende Reformbestrebungen im Osman-ischen Reich gab es bereits unter Sultan Mahmud dem II. (1785-1839), der sowohl das Militär als auch die Administration und das Bildungswesen zu reformieren versuchte.3 Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend,

Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.

Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78),

Hürriyet

Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

ʿUlamāʾ)

zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige

šarīʿa

šarīʿa

šarīʿa

verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

šarīʿa

im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

1 Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The Young Ottomans - Turkish Critics of the Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“ (London und New York: Library of Ottoman Studies, 2010). Bulletin of the School of Oriental and African Studies 74/3 (2011): 484 f. und Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ (Princeton: Princeton University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of Sociology 68/5 (1963): 602.

2 Czygan, Christiane. „Zur Ordnung des Staates – Jungosmanische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“ (Berlin: Klaus Schwartz, 2012): 50 und Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ (Princeton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000): 276 ff., 282.

3 Devereux, Robert. „The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“ (Baltimore: The John Hopkins Press, 1963): 22.

šarīʿa

alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

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Page 22: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

Erstarken des Militärs und eine Zentralisierung der Bürokratie erreichen zu können. Im Zuge dieser Reformbestrebungen wurden auch viele Jugendliche ins europäische Ausland geschickt, um dort Militärwissen-schaften zu studieren, sodass bereits 1870 deutlich europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu beobachten waren.4 Hintergrund des angestrebten Modernisierungsprozesses waren die zunehmenden militärischen Niederlagen und territorialen Verluste, welche die Osmanen dazu anregten, die Faktoren, die der militärischen Überlegenheit der europäischen Staat-en zu Grunde lagen, genauer zu untersuchen und sich anzueignen.5 Auch innenpolitische Auseinandersetz- ungen, wie beispielsweise das Erstarken des ägyptischen Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten sowohl Mahmud II., als auch dessen Nachfolger Abdül-mecid I. zu schaffen.6 Höhepunkt der Reformen stellte die sogenannte Tanzimat-Periode (1839-76) dar.

Als Beginn dieser Ära gilt ein am 3. November 1839 von dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa (1800-58) vor den Würdenträgern der Hohen Pforte, sowie einer Reihe ausländischer Diplomaten im Gül-hane Park verkündetes Dekret. Damit vollzog er einen wichtigen Schritt in Richtung Modernisierung des Reichs.7 Das Dekret versprach unter anderem die »Sich-erheit des Lebens«, den Schutz der »Ehre« und des Vermögens, sowie eine Fixierung der Steuern und bildete die Grundlage für die 1876 verabschiedete Verfassung.8 Das Dekret weist eine Vielzahl von Idealen auf, die in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 ebenfalls enthalten waren, ist damit aber keinesfalls das einzige Beispiel westlich orientierter sozialer und politischer Einflüsse während der Tanzimat-Periode.9 Diese osmanische Nachfrage nach administrativen und technologischen Kenntnissen und Errungenschaften der europäischen Gesellschaften, führte dazu, dass die Beherrschung europäischer Sprachen, vor allem des Französischen, immer mehr an Bedeutung gewann. Diese Bedeutsamkeit erkennend, richtete die Hohe Pforte ein Übersetzungsbüro (Tercüme Odası) ein, in dem auch viele der Jungosmanen arbeit-

eten.10 Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend, wie oft angenommen, durch äußeren Druck zustande, vielmehr waren es meistens die osmanischen Staatsmän-ner, die in Hinblick auf die Dringlichkeit der sogenan-nten »Orientalischen Frage«, d.h. der zunehmenden Krise des Reichs in Bezug auf seine Herrschaft über sein weites Territorium und zahlreiche Völker, sich eine Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.11

Die Jungosmanen: Persönlichkeiten und soziale Träger

Die Jungosmanen waren eine heterogene Gruppe junger osmanischer Intellektueller mit teils ab- weichenden Idealen, die Mitte der 1860er Jahre Promi-nenz erlangten.12 Diese unterschiedlichen Vorstellungen wurden bereits nach kurzer Zeit deutlich, weswegen sich Teile der Jungosmanen schon bald vom Kern des Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78), welche versuchten, die Anliegen der Jungosmanen unter anderem in den Zeitungen Muhbir (»Informant«) und Hürriyet (»Freiheit«) zu verbreiten.13

Was die Gruppe ursprünglich zusammenbrachte, war das Missfallen über die Politik der beiden osmanischen Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran, dass das das Osmanische Reich durch eine konstitutio-nelle und repräsentativere Regierung wieder vorange-bracht werden könne. Dementsprechend machten sich die Jungosmanen die Etablierung eines nationalen repräsentativen Körpers zum Ziel. Sie forderten aber auch die Beendigung ausländischer, vor allem franzö-sischer, Interventionen in innerosmanische Angelegen-heiten sowie die Lösung der Reformproblematik entlang osmanischer und islamischer Grundsätze.14

Sympathisanten fanden die Jungosmanen vor allem in den Reihen des Militärs, des Beamtentums und der Gelehrten (ʿUlamāʾ), denn dieselben Entwicklungen, welche die bürokratische Elite der Tanzimat-Reformen nach oben brachte, drückte die Bürokraten niedrigerer Ränge weiter nach unten in der Hierarchie, wodurch sie zunehmend an Bedeutung und Macht verloren.15 Nicht zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige

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verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

šarīʿa

im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

4 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 109, 211 ff.5 Ebd.: 134 f.6 Çiçek, Nazan. „The Young Ottomans - Turkish Critics of the Eastern Question

in the Late Nineteenth Century.“ (London und New York: Library of Ottoman Studies, 2010): 13 ff..

7 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 155.8 Devereux. „The First Ottoman Constitutional Period.“: 22 und Abu-Manneh,

Butrus. „Gülhane, Edict of.“ In: Encyclopedia of Islam 3 Online, hrsg. von Kate Fleet, Gudrun Krämer et. al. http://dx.doi.org/10.1163/1573-3912_ei3_COM_27541 (letzter Zugriff am: 02.05.2020).

9 Çiçek. „The Young Ottomans.“: 16., Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 3 und Shaw, Stanford J. und Ezel Kural Shaw. „History of the Ottoman Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975 (Cambridge: Cambridge University Press, 1977): 61.

šarīʿa

alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

10 Quataert, Donald. „The Ottoman Empire 1700-1922.“ (Cambridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000): 62.

11 Çiçek. „The Young Ottomans.“: 17.12 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 3.13 Hürriyet erschien von 1868-70 und darf nicht mit der heute überaus

bekannten und 1948 von Sedat Simavi (1896-1953) gegründeten Zeitung verweechselt werden.; Çiçek. „The Young Ottomans.“: 39 und Czygan. „Zur Ordnung des Staates.“: 25.;

14 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 47, 80. 15 Ebd.: 121 f., 124 f.

22

POGGENBURG

JUSUR 2 (2020) 21-25

Page 23: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend, ,

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Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

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zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus-weisung aus Konstantinopel zu sich nach Frankreich holte.

Europäische Einflüsse

Nicht nur ihre Aufenthalte in Europa, sondern auch ihre westliche Bildung und ihre Tätigkeit im Übersetzungs-büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa mit den politischen Systemen Europas sowie der osman-ischen Außenpolitik vertraut wurden, ermöglichten es ihnen, sich einen anderen kulturellen Habitus anzu- eignen.16 So waren sie mit einer Reihe von Werten und intellektuellen Gütern ausgestattet, die sie vom Rest der osmanischen Gesellschaft unterschieden.17

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf die Jungosmanen aus. Für sein Studium ging er nach Paris, wo er mit mehreren liberalen Zirkeln in Kontakt trat. Er galt als erster Vertreter einer Europäisierung des Osmanischen Reichs. Nach seiner Rückkehr ins Osmanische Reich verlegte er 1862 die Zeitung Tasvir-i Efkar (»Bild der Ideen«), die zum Forum für neue liter-arische und politische Ideen wurde und Wissen über europäische Entwicklungen und Debatten verbreitete. In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des westlichen politischen Rationalismus und der Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das Osmanische Reich zu verlassen, überließ er Kemal Tasvir-i Efkar.18 Diese war nur eines der Medien, die die Jungosmanen nutzten, um die osmanische Leserschaft mit den Ideen der Aufklärung vertraut zu machen. Besonders an den Jungosmanen war, dass sie die europäischen Ideen der Aufklärung jedoch nicht vollständig übernahmen, sondern versuchten, diese mit ihren islamischen Vorstellungen zu verknüpfen.19 Die Jungosmanen erkannten zwar, dass das Bild vom Osmanischen Reich als der »kranke Mann vom Bospo-rus« nicht grundlos entstanden war und vor allem in Hinblick auf Militär, Technologie und Staatsapparat die Notwendigkeit einer Eingliederung europäischer Elemente in den osmanischen Staat bestand, sie waren aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen Mächte auch in moralischen und spirituellen Gesicht-spunkten dem Osmanischen Reich überlegen waren.20

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

Kemal erlangte bereits vor seinen Aktivitäten bei den Jungosmanen durch seine Tätigkeit als Dichter Be-

kanntheit im Osmanischen Reich. Er entstammte einer tradierten Familie, die sich durch ihren Staatsdienst ausgezeichnet hatte, jedoch durch das Entstehen der neuen Elite osmanischer Funktionäre zunehmend an Bedeutung verlor.21 Bis zur Gründung der Jungosma-nen-Bewegung 1867 stand Kemal den Großteil seiner Lebenszeit im Dienst der Regierung, aufgrund seiner Französischkenntnisse unter anderem auch im Über-setzungsbüro der Hohen Pforte. Als er dort Ende der 1850er Jahre seine Tätigkeit aufnahm, war der zuneh-mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich bereits zu spüren und Kemal erlebte den Paradigmen-wechsel eines immer mehr von Bedeutung werdenden Europas unmittelbar mit.22

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar überließ, wurde diese Aufgrund eines Artikels, der die Missgunst der Regierung erweckte, von Ali Paşa geschlossen. Die erste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus Konstantinopel folgte kurz darauf. Kemal sollte in die Provinz Erzurum, in der heutigen Osttürkei, versetzt werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris. Dort entschieden sie sich zur Gründung einer neuen Organisation, der »Jungosmanischen Gesellschaft«, auf Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in seinem oben erwähnten Brief an den Sultan beschrieben hatte. Zudem schloss Kemal in Paris Freundschaft mit Hasan Tahsin Efendi (1811-81), einem Gelehrten und Modernisten, der sich die Etablierung europäischer technischer Fortschritte zur Aufgabe gemacht hatte.23 Neben Paris hielt sich Kemal unter anderem auch in London, Brüssel und Baden-Baden auf.24 Im Juni 1868 gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-riyet und blieb bis zum 6. September des folgenden Jahres ihr Hauptverantwortlicher.25 Auf Grund seines Aufenthalts in Europa hatte er den Selbstanspruch, der osmanischen Leserschaft die reale Problematik der »Ori-entalischen Frage« sowie europäische Denkansätze näher zu bringen.26 Ende 1870 kehrte Kemal wieder ins Osmanische Reich zurück und übernahm die Führungsrolle der Jungosmanen. Doch seine zweite Ausweisung aus der Hauptstadt des Reiches ließ nicht lange auf sich warten. Bereits 1872 wurde Kemal aufgr-und seiner Regierungskritik aufgefordert, die Stadt ein weiteres Mal zu verlassen.27

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige

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verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

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im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

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alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

16 Ebd.: 11 und Çiçek. „The Young Ottomans.“: 30.17 Ebd.: 38.18 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 252-256, 262, 266, 281.19 Ebd.: 4, 7.20 Çiçek. „The Young Ottomans.“: 36.

21 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 284 f.22 Ebd.: 121, 285 und Czygan. „Zur Ordnung des Staates.“: 32 ff.23 Mardin. „The Genesis of Young Ottoman Thought.“: 38, 44 f., 204.24 Czygan. „Zur Ordnung des Staates.“: 64.25 Mardin. „Young Ottoman Thought.“: 47 und Czygan. „Zur Ordnung des

Staates.“: 82.26 Ebd.: 162 f., Ein Beispiel für die Thematisierung der »Orientalischen Frage«

findet sich in: Hürriyet Nr. 8: „Zum Prinzip der Beratung“: 6, Transkription und Übersetzung bei: Czygan. „Zur Ordnung des Staates.“: 162.

27 Mardin. „The Young Ottoman Thought.“: 56 ff.

23

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JUSUR 2 (2020) 21-25

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manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend,

Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.

Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78),

Hürriyet

Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

ʿUlamāʾ)

zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

Neben seinem Aufenthalt in Europa und der Beein-flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi wurden Kemals Ideen auch maßgeblich von der Ausein-andersetzung mit den Werken europäischer Philosophen und Staatstheoretiker wie beispielsweise Rousseau, Locke, Volney und Montesquieu geprägt. Vor allem der Liberalismus, als ein aus dem Geist der Aufklärung stammendes Staats- und Gesellschaftsmodell, welches das Ziel einer Herauslösung eines jeden Individuums aus staatlichen und religiösen Bindungen verfolgt, lässt sich in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor allem von Locke ausgebildeten liberalen Ideen heran-führte.28

Eines der Elemente des Liberalismus, die sich in den Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei-lung. Kemals Ideen zur Gewaltenteilung orientierten sich an den Vorstellungen Montesquieus, welcher das ursprüngliche Konzept von Locke präzisiert hatte.29

Kemal präsentierte Montesquieus Prinzip der Gewalten-teilung als eine Alternative zum damaligen System des Osmanischen Reiches, bei welchem die Macht fast aus- schließlich beim Sultan und der Hohen Pforte lag, und beabsichtigte, durch die Einführung einer Gewaltentei-lung unter anderem die Verhinderung von strukturellem Machtmissbrauch:

»Es gibt ein Gesetz. Weil aber die Legislative von der Exe- kutive vereinnahmt wurde und es keine Volkskammer gibt, trägt es sowohl vom Ansatz als auch seiner Umsetzung her zu so viel Missbrauch bei.«30

Neben dem Konzept der Gewaltenteilung wurde Kemal zudem in Bezug auf die Idee der Volkssouveränität stark von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien-tierte sich Kemal dabei an Rousseau, der in seinem Werk Du contrat social von 1762 diese Idee erstmals system-atisch entwickelte.31 Kemal war davon überzeugt, dass im Osmanischen Reich ein Meşveret-System32 etabliert werden müsse, und argumentierte dementsprechend in den meisten seiner Artikel: Ausgangspunkt war die Annahme, dass Freiheit von Gott gewährt sei. Diese Freiheit könne einer Gemeinschaft aber nur zukommen, wenn ihre persönlichen und politischen Rechte sicher- gestellt wären, wobei die Voraussetzung für die Sicher-

stellung der politischen Rechte die Gewaltenteilung sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung seien.33

Besonders deutlich erkannte man die europäischen Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung von Fortschritt. Sein erklärtes Ziel war es, die Europäer im Rennen, um diesen einzuholen. Für Kemal war Fortschritt ein unumkehrbarer Teil der dynamischen Bewegung einer Gesellschaft und ein Beweis für die natürliche Fähigkeit des Menschen, sich weiterzu- entwickeln. Der Fortschritt in den europäischen Län-dern entstand, so Kemal, als Folge der Ereignisse im 17., 18. und beginnenden 19. Jahrhundert und brachte eine anhaltende Ordnung in diese Länder. Möglich geworden sei dies durch die Trennung bestehender Gesetze von »abstractions and superstitions and has thus established science on experiment and deduction.«34 Aus diesem Vorgang resultiere unter anderem die franzö-sische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, ein Fortschritt, der im Osmanischen Reich nicht zu beobachten sei, weil die Bevölkerung nicht an den während der Tanzimatzeit entwickelten Reformen - mit Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert habe.35

Liberalismus osmanischer Prägung?

Doch da Kemal auch die islamischen Werte hochhielt, lässt sich in seinen Artikeln vermehrt die Vermischung von europäischen Ideen mit islamischen Konzepten beobachten, beispielsweise in seiner Abhandlung über den Ursprung der Regierung.36 In seinen Schriften wird jedoch nicht immer deutlich, ob er die Regierung und das Prinzip der politischen Autorität an den islamischen Juristen orientiert als göttlich bestimmte Kategorien oder, wie die islamischen und europäischen Philosophen, als weltliche Entwicklung ansah. In einem seiner bedeu-tendsten Artikel orientiert er sich an letzterer Alternative und versucht eindeutig säkulare Elemente mit seinen grundlegenden islamischen Prinzipien zu verknüpfen. Sein Ausgangspunkt ist dabei die Annahme, dass Men-schen von Natur aus dazu neigen, sich gegenseitig Schaden zuzufügen. Schutz könne der Mensch dabei nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige grundlegende Prinzipien (die absolute normative Kraft) geeinigt hat. Das Anwachsen der Gesellschaft erfordere irgendwann eine Arbeitsteilung, die dazu führe, dass eine Person oder eine Personengruppe mit Regierung-saufgaben vertraut gemacht und manche Mitglieder mit der Durchsetzung der absoluten normativen Kraft

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verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

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im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

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alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

28 Ebd.: 21 f., 223, 259 f. und Kirchner, Friedrich (Begr.), Arnim Regenbogen und Uwe Meyer (Hrsg.). „Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“ (Hamburg: Felix Meiner, 1998): 377 f.

29 Nitschke, Peter. „Gewaltenteilung.“ In: Metzler Lexikon Philosophie, hrsg. von Peter Prechtl und Franz-Peter Burkard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008): 218 und Mardin. „The Young Ottoman Thought.“: 333.

30 Hürriyet Nr. 36. „Das Resort des Großwesirs“: 2, Transkription und Übersetzung bei: Czygan. „Zur Ordnung des Staates.“: 161 f.

31 Kirchner. „Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“: 711.32 Meşveret war ein von Namık Kemal geprägter Term zur Beschreibung einer

repräsentativen Regierung.

33 Mardin. „The Young Ottoman Thought.“: 308 f.34 Ebd.: 321.35 Ebd.: 320 ff.36 Ebd.: 285, 289.

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

24

POGGENBURG

JUSUR 2 (2020) 21-25

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 25: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend,

Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.

Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78),

Hürriyet

Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

ʿUlamāʾ)

zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

teilung sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

n Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

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Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

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nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige Kraft)

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beauftragt würden. Problematisch bei Kemals Ausarbei-tung ist jedoch, dass er die Kraft, welche die Gemein-schaftsbildung reguliert, mit jener gleichsetzt, die exist-iert, wenn die Regierung bereits gebildet ist. Nach dem Zustandekommen einer Regierung ist diese Kraft in jedem Falle die šarīʿa. Würde Kemal die Kräfte nicht gleichsetzen, so würde er eingestehen, dass das säkulare Naturgesetz der šarīʿa vorausgehen würde. Ein Ansatz, der den islamischen Vorstellungen widerspräche. Auch bei anderen Versuchen einer Verknüpfung von säkularen und religiösen Elementen wird Kemal der islamischen Theorie oft nicht ganz gerecht. Andere Jungosmanen hatten ebenfalls ihre Probleme damit, jene europäischen Aspekte und Institutionen, die als besonders gut erachteten, auf eine islamische Grundlage zu stellen.37

Ein weiteres Beispiel, bei dem sich Kemal ein europäisches Konzept als Grundlage nahm, um seine islamischen Vorstellungen zu untermauern, war die Theorie des Reichsverfall, dass er von dem französischen Historiker Volney übernommen hatte. Volney war der Meinung, dass Reiche zu Grunde gehen, weil sie den Prinzipien des Naturgesetzes keine Beachtung schenk-ten. Einzige Hilfe gegen einen Verfall sei folglich die Rückkehr zum Naturgesetz. Wie bereits oben gezeigt, setzte Kemal Naturgesetz und šarīʿa gleich, weswegen Volneys Schrift ihm die theoretische Grundlage verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des Osmanischen Reiches mit dem Nichteinhalten der Gesetze der šarīʿa zusammenhänge.38

Abschließende Betrachtung

Die Jungosmanen waren nicht die einzige Gruppierung im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen Kultur feststellte und daraufhin einen Willen zum Import von Elementen anderer Kulturen, insbesondere der (west)europäischen, entwickelte. Auch die osman-ische Regierung war sich aufgrund von zunehmenden militärischen Niederlagen, territorialen Verlusten und den gleichzeitigen Fortschritten der europäischen Mächte sowie des von diesen ausgeübten militärischen und politischen Drucks, bewusst, dass Handlungsbedarf bestand. Mit an Europa orientierten Reformen, wie beispielsweise dem Dekret von Gülhane, versuchte die Hohe Pforte, Europa im Rennen um die Moderni- sierung einzuholen. Die Jungosmanen handelten aus dem gleichem Anlass, unterschieden sich von der Regierung aber in ihrer Vorstellung von den tieferlieg-enden Ursachen für den Machtverfall des Reichs und folglich auch in den Selektionskriterien, die sie für die Auswahl von Elementen der europäischen Kultur anwendeten. Ein grundlegender Unterschied war das

Bestreben der Jungosmanen, die aus der europäischen Kultur zu transferierenden Elementen mit dem Islam zu vereinbaren. Denn die Abwendung von der šarīʿa stellte unter anderem für Kemal einen wichtigen Grund für den Verfall des Osmanischen Reichs dar. Innerhalb der aufklärerischen Konzepte waren es vor allem die liber-alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für den Fortschritt in Europa und somit als ein notwendi-gerweise zu transferierendem Element ansah. Die Jungosmanen waren unter anderem aufgrund ihrer Sprachkenntnisse, ihrer Beschäftigung im Übersetzu-ngsbüro und ihrer Aufenthalte in Europa in besonderem Maße für die Übersetzungsleistung zwischen Europa und dem Osmanischen Reich geeignet.

Bibliographie

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37 Ebd.: 289-293, 396.38 Ebd.: 315 f.

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

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COPY-PASTE ODER ANEIGNUNG?

JUSUR 2 (2020) 21-25

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 26: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend,

Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.

Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78),

Hürriyet

Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

ʿUlamāʾ)

zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige

šarīʿa

šarīʿa

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verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

šarīʿa

im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

šarīʿa

alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

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nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

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Salafīyaiǧtihāds

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gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

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erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

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sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

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sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Bild

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leim

an

Page 27: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

manische Erbe beeinflusst. Die historische Relevanz der

des Jungosmanen Namık Kemal (1840-88) von europäischen Ideen beeinflusst wurden und welche

Fazıl Paşa (1829-75) verfasster Brief bei, in welchem er den Sultan aufforderte, die konstitutionelle Bewegung

durch eine Veröffentlichung in der französischen Presse

setzungen, die im Osmanischen Reich kursierten. Fazıl Paşa vertrat in diesem Brief den gleichen liberalen Patri

auch in den Schriften Kemals zu finden ist.

Der Sultan erhoffte sich dadurch ein

europäische Einflüsse in der osmanischen Armee zu

Gouverneurs Mehmed Ali Paşas (1770-1849), machten

mecid I. zu schaffen.

dem osmanischen Staatsmann Mustafa Reşid Paşa

orientierter sozialer und politischer Einflüsse während

(Tercüme Odası)

Äußere Einflüsse kamen also nicht zwingend,

Verbesserung der Situation durch Reformen erhofften.

Kreises distanzierten. Es blieben unter anderem Namık Kemal, Ziya Paşa (1829-80) und Ali Suavi (1839-78),

Hürriyet

Staatsmänner Mehmed Emin Ali Paşas (1815-71) und Mehmed Fuad Paşas (1815-69) sowie der Glaube daran,

ʿUlamāʾ)

zwingend ideelle, aber finanzielle Unterstützung erhielten die Jungosmanen anfangs vor allem von Fazıl

Paşa, welcher Kemal und Ziya Paşa nach deren Aus

büro der Hohen Pforte, durch die Kemal und Ziya Paşa

Besonderen Einfluss übte İbrahim Şinasi (1826-71) auf

Tasvir-i Efkar

In seinen Schriften lassen sich deutliche Einflüsse des

Aufklärung erkennen. Als Şinasi gezwungen war, das

Tasvir-i Efkar

aber keinesfalls der Auffassung, dass die europäischen

Europäische Ideen im Denken Namık Kemals

mende europäische Einfluss auf das Osmanische Reich

Kurz nachdem Şinasi Kemal Tasvir-i Efkar

Ali Paşaerste Ausweisung Kemals, Ziya Paşas und Suavis aus

werden, floh aber stattdessen im Sommer 1867 mit Ziya Paşa und Suavi auf Einladung Fazıl Paşas nach Paris.

Grundlage der Reformprinzipien, die Fazıl Paşa in

gründete Kemal auf Bitten Fazıl Paşas die Zeitung Hür-

flussung durch Personen wie Şināsī und Tahsin Efendi

in vielen von Kemals Artikeln wiederfinden. Vermutlich war es Refik Bey (1853-1909), der Kemal an die vor

Artikeln Kemals finden lassen, ist das der Gewaltentei

von europäischen Denkern beeinflusst. Vorrangig orien

Du contrat social

Meşveret

sowie die Schaffung einer repräsentativen Regierung

Einflüsse in Kemals Denken auch bei seiner Vorstellung

Ausnahme der Sprachreform von Şinasi - partizipiert

nur in einer Gemeinschaft finden, die sich auf einige

šarīʿa

šarīʿa

šarīʿa

verschaffte, behaupten zu können, dass der Verfall des

šarīʿa

im Osmanischen Reich, die ein Defizit in der eigenen

šarīʿa

alen Einflüsse, die Namık Kemal als verantwortlich für

Encyclopedia of Islam

(letzter Zugriff am: 02.05.2020).„The Young Ottomans - Turkish Critics of the

Eastern Question in the Late Nineteenth Century.“

„Zur Ordnung des Staates – Jungosman-ische Intellektuelle und ihre Konzepte in der Zeitung ‚Hürriyet‘ (1868-1870).“

„The First Ottoman Constitutional Period - A Story of the Midhat Constitution and Parliament.“

Hanioğlu, M. Şükrü. Rezension zu: Çiçek, Nazan. „The

Bulletin of the School of Oriental and African Studies

Hodgson, Marshall. Rezension zu: Mardin, Şerif. „The Gene

University Press, 2000 [sic!, 1962]). American Journal of

„Wörterbuch der philosophischen Begriffe.“

Mardin, Şerif. „The Genesis of Young Ottoman Thought - A Study in the Modernization of Turkish Political Ideas.“ eton: Syracuse University Press, 2. Aufl., 2000).

Metzler Lexikon Philosophieard (Stuttgart: J. B. Metzler, 3. Aufl., 2008).

„The Ottoman Empire 1700-1922.“ bridge: Cambridge University Press, 2. Aufl., 2000).

„History of the Otto-man Empire and Modern Turkey II - Reform, Revolution, and Republic. The Rise of Modern Turkey 1808-1975

ABSTRACT

Dieser Artikel setzt sich mit Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs Konzepten des Antikolonialismus auseinander, indem er zunächst dessen Theorien darlegt und historisch einordnet, um sie dann ins Verhältnis zu setzen mit seiner realen Praxis. Dabei wird deutlich, dass al-Afġānī seine Strategie, insbesondere was die Frage, auf welche gesellschaftlichen Triebkräfte eine antiimperialistische und sozialreformerische Bewegung orientieren sollte, mehrfach modifizieren musste, weil sie an den realen Verhältnissen scheiterten. Dafür werden in erster Linie das idealistische Weltbild al-Afġānīs verantwortlich gemacht, aufgrund dessen er die realen Interessen und Möglichkeiten der privilegierten Klassen der kolonisierten Länder verkannt habe.

Amando Saalbach, B.A.Universität Leipzig

Zwischen Nahḍa und Ernüchterung: Der Antikolonialismus Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs

JUSUR 2 (2020) 27-34

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als bedeutendster islamischer Reformer und Vertreter der arabischen Renaissance (an-nahḍa). Seine gesellschafts-kritischen Schriften, philosophischen Abhandlungen und politischen Ideen werden in der muslimischen Welt bis heute rezipiert und geben noch immer Anregungen für Diskussionen über das Verhältnis von Islam und Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Auslegung des Qurʾān. Es handelt sich - zumindest der Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin-nung auf den islamischen Ursprung, um die islamische Lehre und Gesellschaft zu modernisieren. Darüber hinaus ist seine politische Leistung, eine islamische Ant-wort auf den europäischen Imperialismus gegeben zu haben, bis heute lehrreich und hat angesichts der aktuel-len Weltlage wohl kaum an Bedeutung verloren. Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch als Aktivist tätig. Im Folgenden sollen seine Ideen mit seinen politischen Erfahrungen verglichen werden. Zen-tral dabei ist, welche gesellschaftlichen Akteure er als politisches Subjekt betrachtete, welche realen Erfahrun-gen er mit seinem politischen Aktivismus sammelte und welche Grenzen seinem Handeln durch seine Ideen möglicherweise aufgezwungen wurden.

Der Fruchtbare Boden: Kolonialismus

Mit der militärischen Besetzung Ägyptens unter Napo-

leon von 1798 bis 1801 ergab sich eine direkte Konfron-tation zwischen dem aufstrebenden kapitalistischen Westeuropa und der islamischen Welt. Dies wird von vielen Wissenschaftlern als Ausgangspunkt der Mod-ernisierungsentwicklungen in der arabischen Welt konstatiert. So war das Verhältnis von Anbeginn gespal-ten. Man konnte dem Weg der »europäischen Moderne« versuchen zu folgen, oder aber sie grundlegend ableh-nen: »Die Schwierigkeit einer Auseinandersetzung mit Europa liegt gerade in dieser Dichotomie zwischen einem fortschrittlichen Vorbild und einem brutalen ausbeutenden Rivalen.«1 Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805 bis 1848 Gouverneur der osmanischen Provinz Ägypten, war bedeutender Befürworter der Idee, das Land nach europäischem Vorbild zu prägen. Ziel war es, die ägyptische Entwicklung voranzutreiben und Europa gegenüber ebenbürtig zu werden. So wurde unter seiner Herrschaft eine Modernisierung der Armee, der Verwal-tung, der Bildung, des Steuersystems und der Land-wirtschaft, sowie eine Industrialisierung in den Sektoren der Nahrungsmittel- und Textilverarbeitung wie auch der kriegswichtigen Güter eingeleitet.2 Zudem kam es durch den Import von Maschinen und Produkten aus Europa zu neuen technischen Entwicklungen. Diese

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

1 Botros, Atef. „Ein Teil Europas? Einleitung.“ In: Der Nahe Osten – Ein Teil Europas? Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten, hrsg. von dems. (Würzburg: Ergon, 2006): 10.

2 Krämer, Gudrun. „Geschichte des Islam.“ (München: C. H. Beck, 2005): 270 f.

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

27

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 28: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

Maßnahmen führten zu einem tiefgreifenden sozioökonomischen Strukturwandel. Die bisherige, eher feudal geprägte, Produktionsweise veränderte sich und es bildeten sich neue Klassen heraus, die neue Ansichten und Interessen vertraten.3 »Der Einbruch der Lohnarbeit mit der Proletarisierung weiter Teile der Bauernschaft führte zur Landflucht in Großstädte.« Jedoch kam auch »eine neue Generation gebildeter islamischer Intellektu-eller«, welche »kritisch gegenüber den externen Einflüs-sen und der internen Wehrlosigkeit standen, (...) empor.«4

Für die Entwicklung dieser neuen Generation Intellek-tueller spielten die in Beirut, Damaskus und Kairo etablierten französischen und britischen Missionsschulen – später kostspielige Bildungsreisen nach Europa – und der massive Ausbau von Bildungseinrichtungen5 eine entscheidende Rolle. Buch- und Zeitungsdruck wie auch die Übersetzung zahlreicher wissenschaftlicher und literarischer europäischer Werke gaben zusätzlich wich-tige Impulse. Der Zugang blieb jedoch anfangs den wohlhabenden oder gebildeten Schichten vorbehalten. Dies vertiefte die Kluft zwischen den gebildeten Klassen und der großen Mehrheit der Bevölkerung, die einen traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti- siert war, noch weiter.6 Doch auch trotz des Versuchs, sich der europäischen Werte und Technologien anzu-nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī, ebbte die Kolonialisierung muslimisch geprägter Regionen nicht ab. Ein wichtiges Ereignis war die blutige Niederschlagung des sog. Sepoy-Aufstandes gegen die englische Herrschaft in Indien durch die britische Kolonialmacht im Jahr 1857. Damit wurden die Illusionen von einer angeblichen moralischen Über-legenheit der europäischen Großmächte für die meisten muslimischen Intellektuellen zerstört und die Ideale der propagierten europäischen Aufklärung durch die repres-sive Eroberungspolitik der Kolonialstaaten diskreditiert.7

Darauf folgten weitere koloniale Feldzüge durch europäische imperialistische Mächte. Die Niederlage 1878 im Osmanisch-Russischen Krieg, sowie die kolo-nialen Unterwerfungen Tunesiens durch Frankreich 1881 und Ägyptens durch Großbritannien im Jahr darauf waren ein heftiger Schlag gegen das einst

unangefochtene Reich im Nahen Osten. Laut Albert Hourani stürzte dies die muslimische Mehrheit in eine »Identitätskrise«.8 Andererseits bestärkte es auch das Gefühl einer »islamischen Einheit«. So beschreibt Hou-rani:

»But it also aimed at reinforcing the loyalty of the Muslim peoples of the empire, a loyalty which might be shaken by the secularization of low, the spread of liberal ideas, or the conta-gion of nationalism.«9

Weitere Niederlagen vertieften diese Wahrnehmung. Zu Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft- liche und später militärische Kontrolle Ägyptens und die wirtschaftliche Abhängigkeit des Irans vom britischen Empire.

Die Wurzel: islamischer Reformismus

Doch nicht nur militärische, politische oder ökono-mische Gründe sind für den Niedergang der islamischen Welt im 19. Jahrhundert zu betrachten. Ab dem 16. Jahrhundert trat ein Stillstand im Denken der islamischen Rechtswissenschaft ein, welcher sich auf die anderen Wissenschaftsbereiche ausdehnte. Die Dynamik in der islamischen Kultur, Wissenschaft und Technik geriet dadurch ins Stocken und es wurden weitgehend lediglich ältere Debattenstände reproduziert, während man neuere Forschung und Philosophie mit Skepsis betrachtet. Diese Furcht mancher Gelehrter, die Umma vom rechten Pfad abzubringen, führte somit zu einer »Wissensabstinenz«.10 Laut Muhammed Sameer Murtaza war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der letzte größere islamische Denker bis zur Moderne.11 Dies entspricht auch den Ansichten vieler Denker der reformistischen Salafīya, die hart mit den kulturellen Praktiken der breiten Masse ihrer zeitgenössischen Glaubensgeschwister ins Gericht gingen. Sowohl die ältere Generation der ʿUlamāʾ, als auch die Mehrheit der Bevölkerung, die einen »Volksislam« ausübte, wurden kritisiert und die gesamte jüngere islamische Geschichte als »dekadent« bezeichnet.12 Hauptgrund für die stock-ende Entwicklung wurde in der islamischen Rechts- praxis des taqlīd, der Nachahmung, gesehen. Der unhin-terfragten Übernahme alter Rituale und Traditionen stellten die reformistischen Salafīya die Ratio und das selbstständige Denken durch die Methode des iǧtihāds entgegen. Man besann sich auf die ursprünglichen Wur-zeln des Islams, verkörpert in Qurʾān und sunna.13 Diese

3 Seidensticker, Tilman. „Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“ (München: C.H. Beck, 2014): 1 f.

4 Mustafa, Imad. „Der Politische Islam - Zwischen Muslimbrüdern, Hamas und Hizbollah.“ (Wien: Promedia, 2014): 19.

5 1839 stieg die Schüleranzahl in Ägypten auf 16.131 an und die Ausgaben für Bildung machten 50% der Staatsausgaben aus. Im Jahr 1878 besuchten sodann bereits 125.735 Schüler Bildungseinrichtungen und 1881 waren über eine halbe Million Ägypter literarisch gebildet. Vgl. Hafez, Sabry. „The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“ (London: Saqi Books, 1993): 65.

6 Mustafa. „Der Politische Islam.“: 20. 7 Vgl. Murtaza, Muhammad Sameer. „Islamische Philosophie und die

Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal Al-Din Al-Afghani.“ (Berlin: Schiler, 2012): 218.

8 Hourani, Albert. „Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“ (London: Oxford University, 1962): 102.

9 Ebd.: 103.10 Hofmann, Murad Wilfried. „Der Islam als Alternative.“ (München:

Diederichs, 1999): 56.11 Vgl. Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 17 ff.12 Ebd.: 36.13 Mustafa. „Der Politische Islam.“: 18.

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

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SAALBACH

JUSUR 2 (2020) 27-34

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 29: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

rt in eine

das

. Zu Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

ie n

n 16.

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Dynamik echnik

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war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

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ältere Generation der ʿUlamāʾ r n

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n Rechts- taqlīd

n Salafīya tio und das

iǧtihāds

Qurʾān sunna Diese

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

heiligen Schriften hätten hauptsächlich eine metaphy-sische, spirituelle und moralische Botschaft, die es in der jeweiligen Zeit zu kontextualisieren gelte. Es war somit ein Versuch, mittels eines authentischen islamischen Wegs in eine neue Gesellschaftsordnung überzugehen.14 Auf diese Weise kehrte die reformistische Salafīya die wahrgenommene Unterlegenheit der Muslime gegenüber Europa und ihre dementsprechende Abwer-tung um, indem sie die scheinbare Modernisierungs-feindlichkeit des Islams gerade in der Abkehr und Entfernung vom „wahren“ und „ursprünglichen“ Islam interpretierte.15 Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den fehlgeleiteten islamischen Wissenschaften und ihren negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd, dem gesellschaftlichen und geistigen Stillstand, entschieden zu begegnen, sah er mit der Aufgabe verbunden, das rationale Wissen und die Interpretatio-nen von Qurʾān und sunna auf die aktuelle Zeit anzu-wenden. Für ihn stand dabei im Zentrum, ḥikma (ratio-nales Wissen,) zu verbreiten. Dies sei der Schlüssel zur blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān« war in dieser Epoche nichts Neues oder Einzigartiges. Vielmehr war er ein Kind seiner Zeit und seine Stimmen zunächst eine von vielen.

Wissen als Macht Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine epistemologisch-idealistisch geprägte Vorstellung von Gesellschaft und Reformierung vertrat. So war eine Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…) Es gab nie einen anderen Herrscher, gibt keinen und wird es niemals geben als die Wissenschaft.«16 Vor dieser Grundhaltung ist auch seine Betrachtungsweise des Kolonialisierungsprozesses im nordafrikanischen und asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin primär eine Dominanz der Wissenschaft und erst im weiteren Sinne eine wirtschaftspolitische Besatzung.17 Somit ist die Auseinandersetzung mit Europa und der Kolonialisierung ein Kampf der Wissenschaften und des Wissens, wodurch sich die Frage aufdrängt, wie der Zustand einer blühenden Zivilisation durch ihre eigene Wissensproduktion zu erreichen ist. Denn das 70 Jahre andauernde blinde Kopieren des Wissens des Westens in europäischen Bildungseinrichtungen des Osmanischen Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis-senschaftler hervor. Er kritisierte, dass nicht zum selbst-ständigen Denken angeregt wurde, sondern lediglich entweder Neues und Fremdes abgeschrieben oder altes

14 Ebd.: 35.15 Ebd.: 20.16 Zitiert nach Keddie, Nikki R. „An Islamic Response to Imperialism - Political

and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Afghani‘.“ (Berkeley: University of California Press, 1983): 102.

17 Siehe Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 102.

Vertrautes rezitiert wurde.18 So beschrieb al-Afġānī den Werdegang der islamischen Bildung und Forschung folgendermaßen:

»Wisset, dass die islamische Gemeinschaft (milla) einst die hochrangigste und bedeutendste war. Sie war die intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber wandte sie sich zu Einfachheit und Faulheit. Es [das Wissen, A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa) und der Derwischorden. So weit, dass die Lichter tugendhafter Kraft beinahe ausgingen und die Banner der Bildung und Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen Nationen kamen unter die Herrschaft anderer Nationen. Die Gewänder der Demütigung wurden angenommen. Die glorreiche milla war gedemütigt.«19

Sprich, sowohl taqlīd der eigenen Geschichte als auch taqlīd der fremden Herrschaft verhinderten laut ihm das neuerliche Erblühen der islamischen Kultur: Man sei lediglich »Nachahmer der europäischen Nationen« und dazu geneigt, »die Ausländer zu bewundern, ihnen zu gehorchen und ihre Herrschaft über uns zu akzeptie-ren«.20 Als Ausgangspunkt für den Aufbau einer eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den Islam selbst. So müsse, um dem europäischen Imperialis-mus begegnen zu können, der Islam reformiert werden. Für ihn war jedoch von zentraler Bedeutung, dass eine reformatorische Rückkehr zum Qur’ān auf der Ebene des oben beschriebenen erkenntnistheoretischen Rasters ansetzen und aus den schriftlichen Quellen des Islam der Gegenwart entsprechende Wissenskategorien und Inter-pretationsmuster herausarbeiten müsse. In diesem Aus-wertungsprozess der wegweisenden Aussagen des Qur’āns wird der Vernunft eine bedeutende Rolle zuges-chrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

»versuchen, die ursprüngliche Bedeutung [des Qur’āns] wiederzugeben, indem sie seinen Inhalt kontextualisieren und ihn in das symbolische Universum der Menschen des 7. Jh. einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind-en.«21

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt, prädestiniert für Entwicklung und Moderne. Es sei nur eine Frage der Umsetzung des Glaubens:

»Die islamische Religion ist von allen Religionen der Wissen-schaft und dem Wissen am nächsten. Zwischen Wissen, Wissenschaft und den Fundamenten des islamischen Glaubens gibt es keine Unvereinbarkeit«,22

18 Ebd.: 54.19 Zitiert nach Keddie. „An Islamic Response to Imperialism.“: 63.20 Zitiert nach Srour, Hani. „Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid

Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“ (Freiburg i. Br.: Klaus Schwarz, 1978): 103.

21 Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 38.22 Zitiert nach Keddie, Nikki R. „Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political

Biography.“ (Berkeley: University of California Press, 1972.): 162 f.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

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ZWISCHEN NAHḌA UND ERNÜCHTERUNG

JUSUR 2 (2020) 27-34

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 30: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

zeigte er sich überzeugt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis des Islam als Konzept der Befreiung. So wird die oben beschriebene Gemeinschaft (milla) über Nation, Reli-gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli-darität fußt. Dies schließt nicht die Kooperation verschiedener Nationen der gleichen Religion oder verschiedener Religionen innerhalb einer Nation aus, um sich gegen die fremde Herrschaft gemeinsam zu vereinen.23 Dabei erhält die Religion die Funktion, dass Menschen für ihre Gemeinschaft kämpfen und sorgen. Die Religion ist somit Triebfeder für ein besseres Dies-seits, indem das Streben nach dem Jenseits eine Moral erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die Wurzeln einer wahrhaft gerechten Gesellschaftsform skizziert und in seinen Regeln sozialgemeinschaftliche Verantwortung begründet. Dies umfasst die verschie-denen Klassen innerhalb der milla, in welcher auch der »gerechte« Herrscher eingebettet ist. Islam ist für ihn keine auf das Jenseits vertröstende Religion, sondern auch im Diesseits wirksam. So konstatiert Murtaza über al-Afġānīs Denken:

»Die befreiende Botschaft des Qur’ān konnte also nicht bloß eine spirituelle sein, sondern musste zugleich eine sozialpo-litische und ökonomische sein.«24

Und weiter:

»Befreiung bedeutete für Afghani auch Befreiung vom europäischen Kolonialismus und somit Befreiung von Ausbeutung und Fremdbestimmung.«25

Dabei unterschied er nicht zwischen Sunniten und Schi-iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge-gen hervor, dass alle Muslime gleichermaßen durch den europäischen Kolonialismus bedroht seien. Die Refor-men und das Überwinden konfessioneller Gräben ist in al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens. Deshalb könne durch die Vereinbarkeit von Islam und Wissenschaft sowie der Fähigkeit zu Einheit und Gerechtigkeit auch

»ein gelehrter Muslim, der mit den liberalen Prinzipien Euro-pas vertraut ist, diese mit Leichtigkeit seinem Volk mit der Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie- rigkeiten zu begegnen, die ein Luther hatte.«26

23 So berief sich al-Afġānī in Indien primär auf den Nationalismus, unabhängig von den verschiedenen Konfessionen. Damit inkludierte er bspw. die hinduistische Mehrheitsbevölkerung. Vgl. Hourani. „Arabic Thought in the Liberal Age.“: 118.

24 Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 221.25 Ebd.: 224.26 Zitiert nach Keddie. „Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘.“: 362.

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ (Reform) umzusetzen vermöge, in einem geeigneten muslimischen Herrscher bzw. Führer.

Konzept des Führers

Sein Konzept des »aufgeklärten« Anführers leitet al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum einen darauf, dass weder im Qur’ān noch in den Hadīṯen in irgendeiner Form ein politisches System angeführt wird, und interpretiert daher

»das Schweigen Gottes in dieser Angelegenheit als Imperativ, die menschliche Vernunft einzusetzen, um eine Staatsform zu wählen, die zum Wohle aller ist.«27

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu-teten und unmündigen Volksmassen ihr Recht auf Partizipation einfordern würden. So seien die Unterklas-sen nicht für rationale philosophische Argumente emp-fänglich und somit auch nicht zu einem aktiven Entwicklungsprozess fähig.28 Der Großteil der Bev-ölkerung, der aus der Bauernschaft bestand, verstünden nicht mal ihre eigene Lage, geschweige denn dass sie zu einer gesellschaftlichen Emanzipation beizutragen vermochten.29 Es bedürfe deswegen eines »aufgeklärten« Herrschers, der die Gesellschaft lenke. Dieser Führer müsse aber möglichst kompetent und gebildet sein, um ein guter Herrscher sein zu können, was wiederum eine möglichst gebildete Gesellschaft voraussetze. So schrieb al-Afġānī:

»Schlechte Bildung ist die Quelle aller Mängel und allen Übels. Wenn das verstanden wird, so ist einzusehen, dass alle Klassen und Schichten einer Gesellschaft gleichzeitig aufblühen und fortschreiten werden, so sie eine gute Bildung

27 Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 131.28 Badawi, Zaki Muhammad. „The Reformers of Egypt – A Critique of

al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“ (Slough: Open Press, 1976): 5.29 Siehe Srour. „Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al

Afghāni‘.“: 127.

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

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SAALBACH

JUSUR 2 (2020) 27-34

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Herrschaft auf sechs Kontinenten und über zahlreiche Völker - das British Empire 1886.

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 31: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ n

leitet al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum

Qur’ān noch in den Hadīṯen t

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeun ihr Recht auf

n

n sie zu

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al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen Menschen aufgrund ihrer guten Bildung entstehen werden.«30

Folglich gedeihe eine Gesellschaft mit dem Bildungs-grad ihrer Angehörigen, aus dem ein entsprechend gelehrter Anführer hervorgehe. Er führt diese These so weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor-tionalität zwischen der Bildung und dem Wohl aller Klassen bestünde: Wären alle Mitglieder der milla gebil-det, so ginge es automatisch auch allen Klassen gut.

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer nicht vom Himmel entsandt wird, sondern dass er auf der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen« werden muss, was der klassischen islamischen Heilser-wartung des mahdī widerspricht.31 Auch hier wird die menschliche Vernunft als leitender Akteur in dem Auf-bauprozess eines politischen Systems dargestellt. Farid Hafez hebt diesbezüglich die Wechselbeziehung, in der sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet, hervor: »Der Leiter widerspiegele einerseits die Gesellschaft, andererseits führe er sie.«32 Seine Fähigkeit-en und Befugnisse dürfe er jedoch nicht missbrauchen. Politische Führer dürften nicht ihren eigenen dynas-tischen Interessen nachgehen, sondern müssten mit der muslimischen Gemeinschaft kooperieren. Der Herrscher dürfe kein Despot sein, sondern müsse sich mit den Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen Dialogprozess mit dem Konzept der šūrā (Ratsversam-mlung), wie es in der sūra »die Ameise« im Qur’ān beschrieben werde.33 Er warnt jedoch vor der Wandlung der Menschen, wenn sie die Rolle des Anführers über-nehmen und spricht dabei von »Selbstverliebtheit«.34 Eine solche schlechte Leitung durch den Herrscher führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich-heiten, was wiederum Neid in den arbeitenden Schicht-en hervorrufe und damit auch Gewalt. So legitimierte al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch gewaltsamen Umsturz, um Reformen im Land einleiten zu können, wenn ein »Despot die ganze Nation unter-drückt und vergiftet.«35

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in der Wissenschaft diskutiert werden. Dabei geht es im

30 Zitiert nach Keddie. „An Islamic Response to Imperialism.“: 128 f.31 Zwar spricht al-Afġānī durchaus von einem mahdī, der die Muslime gegen

die Kolonialherren führen wird, Keddie zufolge handelt es sich dabei aber in erster Linie um Propaganda. Vgl. ebd.: 208.

32 Hafez, Farid. „Islamisch-politische Denker - Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“ (Frankfurt am Main: Peter Lang, 2014.): 100.

33 Ebd.34 Zitiert nach Keddie. „Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘.“: 106.35 Zitiert nach ebd.: 226 f.

Kern darum, ob sein Geburtsort in Afghanistan oder im Iran liegt.36 Anhand dessen leitet sich seine religiöse und gesellschaftliche Erziehung und Bildung ab, die eine jeweils unterschiedliche Interpretationsweise zulässt. Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran aufgewachsen sei und somit vermutlich schiitisch erzo-gen wurde. Sie rekonstruiert diese Annahme sehr ausführlich in ihrem Werk Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biography und ordnet daher seine phil-osophischen Ansichten in die »offenere« schiitische Lehre ein, welche mehr philosophische Ideen zuließ und förderte.37 Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs religiöse Praxis von seinen Weggefährten als »sun-nitisch« beschrieben wurde. So berichtete sein engster Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte und er ihm nie eine schiitische Gesinnung angemerkt habe. Dabei vertritt Srour die Erklärung, dass in Afghanistan sowohl schiitische als auch sunnitische Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr-und seiner Lebenserfahrung zur geeinten islamischen Umma, der Islamīya Wahīd, über die fitna hinweg alle Muslime dazuzählte.38

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner Jugend hingegen weniger kontrovers beurteilt, auch wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als Zäsur in seinem Leben wird ein vierjähriger Aufenthalt in Indien ab 1856 angesehen. Dabei wurde er Zeuge, wie die britische Besatzung den Sepay-Aufstand blutig niederschlug. Damit hatte sich für ihn »die europäische Zivilisierungsmission als Tyrannei und kapitalistische Ausbeutung entzaubert.«39 Mit dieser Phase begannen al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine ersten Schriften. Eine weitere wichtige Station in seinem Leben war sein langer Aufenthalt in Kairo von 1871 bis 1879, wo er an der Azhar-Universität lehrte. Dort vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte, besonders seine Studenten, unter denen sich spätere Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch Beamte, Lehrer, Händler und weitere Teile des Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī kritisierte das Curriculum der Universität für dessen seiner Meinung nach veraltete und falsch ausgelegte

36 Al-Afġānī selbst äußerte sich in Briefen oder aufgezeichneten Aussagen widersprüchlich. Die intensiveren Forschungsliteraturen zu seiner Person, stimmen überein, dass er mit seiner widersprüchlichen Biographie eben genau vermeiden wollte, nach seinem Herkunftsland oder seiner Glaubensrichtung gelesen und identifiziert zu werden. Er schafft damit nicht nur etwas Unnahbares, sondern versucht, sein Leben nach dem universellen Prinzip der weltweit geeinten Umma zu konstruieren.

37 Vgl. Keddie. „Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘.“: 15 ff.38 Srour. „Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al

Afghāni‘.“: 9 ff.39 Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 219.

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

31

ZWISCHEN NAHḌA UND ERNÜCHTERUNG

JUSUR 2 (2020) 27-34

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 32: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

genoss er mit seinen Gedan-ken und seinem Auftreten zunehmende Popularität. Mit den vermehrten Zug-eständnissen der iranischen Regierung an europäische Staaten und Unternehmen und dem Ausbleiben von Systemreformen spitzte sich die politische Lage zu. Dies trieb besonders viele Iraner der Mittelschicht dazu, sich gegen die Regierung aufzu-

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen Quiet-ismus der schiitischen ʿUlamāʾ, als auch an der wachsen-den Autokratie und Eigennützigkeit der herrschenden Klasse im Königreich sowie deren Anbiederungspolitik an Europa, die zu massiver politischer und ökono-mischer Abhängigkeit führte, traf somit auf fruchtbaren Boden. Aufgrund der wachsenden Proteste fürchteten der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich in der Bevölkerung ausdehnen könnte. 1891 wurde al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho-ben.45

Ende desselben Jahres kam es im Iran zu den sogenannt-en Tabakaufständen, die sich gegen die Monopolstel-lung eines britischen Unternehmens wandten. Obwohl al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in die Proteste ein. Seine Anhängerschaft war aktiv an den teilweise gewaltsamen Aufständen beteiligt. Zudem forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi-erte eine fatwā des Geistlichen, deren Echtheit inzwischen angezweifelt wird, in der jeglicher Gebrauch von Tabak als ein Vergehen gegen den verborgenen Zwölften Imam bezeichnet wurde. Die Aktivitäten al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am osmanischen Hof begrüßt, doch als 1896 ein Schüler al-Afġānīs den Schah erschoss,46 änderte sich dies. Nach der Ermordung des Schahs ließ der osmanische Sultan Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897, ein Jahr nach dem Attentat, starb dieser weitgehend isoliert in Istanbul.

Auf der Suche nach dem reformerischen Subjekt

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen Ereignisse als Aktivist waren die in Ägypten 1879 und im Iran von 1890-91. Es war bezeichnend, dass sich al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

45 Keddie. „An Islamic Response to Imperialism.“: 28.46 Dabei ist unklar, ob der Anhänger beauftragt wurde oder auf eigene Faust

handelte. Vgl. Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 139.

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

32

SAALBACH

JUSUR 2 (2020) 27-34

Lehre scharf, wofür er letztlich suspendiert wurde.40 Dennoch behielt er über seine Studenten-zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche Meinung in Ägypten, da viele von ihnen zentrale Positionen in der neuen freien Presse innehatten. Später baute er diesen über meist französische Freimaurerlogen, in denen sich die in Kairo lebende Mittel- und Oberschicht aus verschiedenen Ländern traf und politisch austaus-chte, aus. In diesen Logen versuchte er, den Parlamenta-rismus in Ägypten zu stärken und die Gründung einer nationalen und konstitutionalistischen Partei zu inspirie-ren.41 In der Loge »Stern des Ostens« (Kaukab aš-Šarq) formierte er eine Gruppe aus Männern in hohen Posi-tionen und plante in diesen Kreisen einen Regierung-sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.42 Über diese Gesellschaften und sein inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša (1867-79), an sich zu binden und von seinen Ideen zu überzeugen. Als 1879 größere landesweite Proteste in Ägypten gegen die schlechten Lebensbedingungen und die hohe Verschuldung gegenüber Großbritannien ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen Politikwechsel durchzusetzen und war in den Ausein-andersetzungen aktiv. Als jedoch der Khedive von den Briten und Franzosen abgesetzt wurde und sein Sohn an die Macht kam, unterwarf sich dieser ebenfalls dem kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der britischen Besatzung, was zu einem Bruch mit al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue Marionettenherrscher kurz darauf des Landes.43

Es folgten längere Aufenthalte in Indien, Frankreich, England, Russland und Iran. In dieser Zeit gab er unter anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete Zeitung al-ʿUrwa al-Wuṯqā (»das stärkste Band«) heraus. Im Iran misslangen seine Versuche, den persischen Schah für seine anti-britischen Positionen zu gewinnen. Daraufhin wandelte er seine Aktivitäten, indem er ähnlich wie in Ägypten Diskussionszirkel aufbaute. Durch diese gewann er schnell einen Kreis an Zuhörern und Anhängern, besonders aus den Bürokratenschicht-en.44 Aber auch in der einfachen Bevölkerung des Irans

40 Hafez. „Islamisch-politische Denker.“: 93.41 Ebd.: 101.42 Keddie. „An Islamic Response to Imperialism.“: 111-14.43 Ebd.: 20.44 Hafez. „Islamisch-politische Denker.“: 92.

Demonstration kolonialer Macht: britische Truppen marschieren durch die Straßen Kairos.

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 33: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

n t.

n che

n n

n spitzte sich che Lage zu. Dies

r sich

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

n rungspolitik

n n

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich de

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

hl al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

n Zudem

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā n Echtheit brauch

n n

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am r

al-Afġānīs den Schah erschoss, . Nach che Sultan

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897, nd

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen n 1879 und

nd, dass sich al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem Moment als Illusion entpuppten, als dieser an die Herrschaft gelangte. Der junge Monarch passte sich unmittelbar den bestehenden machtpolitischen Verhält-nissen an und bekämpfte eben jene politischen Ideen, deren Anhänger er selbst noch kurz zuvor gewesen war. Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien nachhaltige Wirkung auf den jungen ägyptischen Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche Kreise bestand auch nach seiner Exilierung fort.47

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen am Königshof im Iran. Nach zwei erfolglosen Versuchen, auf die Regierungspolitik des Schahs einzu-wirken, wandte er sich zunehmend an die gebildeten Schichten und religiöse Einrichtungen. 1891 mündete diese politische Arbeit in einer Massenbewegung und nachwirkend 1906 in der konstitutionellen Revolution im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten und damit gegen die Politik des Schahs zu mobilisieren, ging letztlich auf und einte die Interessen von religiösen

47 Murtaza, Muhammad Sameer. „Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muhammad Raschid Rida.“ (Norderstedt: Books on Demand, 2015): 12.

Gelehrten, Nationalisten und Reformern.48 Auch wird er als prägend für die Bewegung der Jungtürken im Osmanischen Reich angesehen.49 Darüber hinaus wird al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung des Schah zumindest mitverantwortlich gemacht.50 Dennoch brachte die Ermordung des Schahs für al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass der tyrannische Herrscher letztlich auch nur ein Indi-viduum in einem despotischen System sei, der ersetzt werden könne. Er sah erst an seinem Lebensende in dieser Form der politischen Auseinandersetzung keine vielversprechende Strategie: »Bemüht euch, so gut ihr könnt, die Fundamente des Despotismus zu zerstören.« Das Abarbeiten an individuellen Vertreter sei Zeitver-schwendung.51 Die vergebliche Suche nach einem geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs Spätwerk um und er fokussiert nun mehr auf das gesa-mtgesellschaftliche Umdenken. So könne wirkliche Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen eines despotischen Systems zerstört werden, indem sich das Denken der Menschen ändert«, wie Murtaza resümiert.52

Im Kontext des 19. Jahrhunderts betrachtet, unterschie-den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan-zimat-Reformern seinerzeit in Tunesien, Ägypten und im Osmanischen Reich: Seine Forderungen waren viel weitreichender und gingen über die bloße Umstellung in politischen Institutionen und über technische Entwicklung hinaus. Sie umfassten religiöse und gesellschaftliche Umbauprozesse als notwenige Voraussetzung. Damit bewegten sich seine Ansichten nicht im gewohnten Rahmen der üblichen Debatten und bestehenden Herrschaftsverhältnisse und standen der herrschenden Politik oft konträr gegenüber. Eugene Rogan merkt dazu an, seine Ideen stellten

»insofern eine Gefahr für die herrschende Schicht dar, als Afghani beabsichtigte, die muslimischen Herrscher durch Verfassungen einzuschränken, die er auf islamischen Prinzipi-en fußend sehen wollte.«53

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

48 Vgl. Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 138.49 Vgl. Adams, Charles. „Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern

Reform Movement Inaugurated by Muhammad Abduh.“ (New York: Russell & Russell, 1933.): 12.

50 Vgl. Hourani. „Arabic Thought in the Liberal Age.“: 112 f. sowie Keddie. „Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘.“: 412.

51 Zitiert nach Khan, Ziaullah. „Sayyid Jamal al-Din al-Afghani - Al-Afghani’s Encounter with Muslim Potentates.“ In: Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence, hrsg. von M. Ikram Chaghatai (Lahore: Sang-e-Meel Publications, 2005.): 161.

52 Murtaza. „Islamische Philosophie.“: 140.53 Rogan, Eugene. „Die Araber - Eine Geschichte von Unterdrückung und

Aufbruch.“ (Berlin: Propyläen, 2012): 197.

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

33

ZWISCHEN NAHḌA UND ERNÜCHTERUNG

JUSUR 2 (2020) 27-34

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Aufnahmegesuch al-Afġānīs an die Freimaurerloge in Kairo:»Ǧamāl ad-Dīn al-Kābulī, Lehrer der Philosophie im (von Gott) beschützten Ägypten, von dessen Leben siebenunddreißig Jahre vergangen sind, bekennt, dass ich die Brüder der Reinheit (Iḫwān as-Safāʾ) ersuche und die Freunde der Treue (Ḫullān al-Wafāʾ) anrufe, ich meine die Herren der Heiligen Vereinigung der Freimaurer (Arbāb al-Maǧmaʿ al-Muqadd-as al-Māsūn), die vor Schaden und Irrtum geschützt sind (min al-ḫalal wa-'z-zalal maṣūn), dass sie mir die Gnade erweisen und die Güte haben, mich in diese reine Vereinigung (al-Maǧmaʿ al-Muṭahhar) aufzunehmen und in diesen vorzüglichen Klub (al-Muntada al-Muftaḫir) einzuführen. Euch (gebührt) die Gnade. Donnerstag, 22. Rabīʿ II. 1292. (Unterschrift).«

(Übersetzung: Yousief Sleiman)

Page 34: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

Konsequenzen für ihn hatte.«54

In der Realität scheitert er jedoch daran, Herrscher durch seine Argumente und Appelle an edle Motive und Vernunft zu überzeugen. Diese fürchteten letztlich stärker um ihre Macht, die zwar durch die Abhän-gigkeiten von Europa beschränkt, zugleich aber auch gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo-gisch-idealistischen Konzepte der Vernunft schlussend-lich an der gesellschaftlichen Stellung der muslimischen Herrscher jener Zeit. Zwar luden ihn einige an ihren Hof ein und er umgab sich sein Leben lang hauptsäch-lich mit Regierungschefs, Philosophen und Gelehrten, doch war ein sich wiederholendes Muster, dass jene Machthaber ihn nach einiger Zeit verstießen oder ihn isolierten. Dies spiegelte sich auch in seiner Anhänger-schaft wieder. Seine politischen Aktivitäten formierten sich nie in einer festen Struktur oder Organisation, sondern blieben meist lose in Diskussionskreisen. Den-noch gewann er viele Mitstreiter in den Schichten der Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen, mittelständischen Bauern usw. Über Moscheen und islamische Bildungseinrichtungen konnte er seine Vorstellung des Panislamismus auch in die breitere Bev-ölkerung tragen.55 Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so traf er mit vielen anderen Ansätzen den Nerv der Zeit.

Bibliographie

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Keddie, Nikki R. „An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“ (Berkeley: University of California Press, 1983).

—. „Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“ (Berkeley: University of California Press, 1972).

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

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SAALBACH

JUSUR 2 (2020) 27-34

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Khan, Ziaullah. „Sayyid Jamal al-Din al-Afghani - Al-Af-ghani’s Encounter with Muslim Potentates.“ In: Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence, hrsg. von M. Ikram Chaghatai (Lahore: Sang-e-Meel Publica-tions, 2005.): 139-171.

Krämer, Gudrun. „Geschichte des Islam.“ (München: C. H. Beck, 2005).

Murtaza, Muhammad Sameer. „Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“ (Norderstedt: Books on Demand, 2015).

—. „Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“ (Berlin: Schiler, 2012).

Mustafa, Imad. „Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“ (Wien: Promedia, 2014).

Rogan, Eugene. „Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“ (Berlin: Propyläen, 2012).

Seidensticker, Tilman. „Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“ (München: C. H. Beck, 2014).

Srour, Hani. „Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“ (Freiburg i. Br.: Klaus Schwarz, 1978).

54 Mustafa. „Der Politische Islam.“: 23.55 Hafez. „Islamisch-politische Denker.“: 94.

Page 35: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Saiyid Muḥammad b. Ṣafdar al-Ḥusainī, bekannt als Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānī (1838-97), gilt vielen als

an-nahḍa

Moderne. Al-Afġānīs Fokus lag auf der zeitgemäßen Qurʾān

Überzeugung al-Afġānīs nach - um eine Rückbesin

Al-Afġānī war aber nicht nur Theoretiker, sondern auch

Muḥammad ʿ Alī Paša, von 1805

führte zur Landflucht in Großstädte.

kritisch gegenüber den externen Einflüs

traditionellen Lebensstil pflegten und kaum alphabeti-

nehmen, wie beispielsweise unter Muḥammad ʿAlī,

Afġānīs Lebzeiten waren dies vor allem die wirtschaft-

war bereits Ibn Ḫaldūn al-Ḥaḍramī (1332-1406) der

Salafīya

ältere Generation der ʿUlamāʾ

taqlīd

Salafīyaiǧtihāds

Qurʾān sunna

gesichert war. So scheiterten al-Afġānīs epistemolo

Kaufmänner, Gelehrten, Offiziere, Intellektuellen,

Auch wenn al-Afġānī nicht vermochte, einen »auserwählten« Führer zu finden, so

„Islam and Modernism in Egypt – A Study of the Modern Reform Movement Inaugurated by Muhammad ‘Abduh.“

„The Reformers of Egypt – A Critique of Al-Afghani. ʿAbduh, and Ridha.“

Osten – ein Teil Europas? – Reflexionen zu Raum- und Kulturkonzeption im modernen Nahen Osten

„Islamisch-politische Denker – Eine Einführung in die islamisch-politische Ideengeschichte.“

„The Genesis of Arabic Narrative Discourse.“

„Der Islam als Alternative.“

„Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939.“

„An Islamic Response to Imperialism - Politi-cal and Religious Writings of Sayyid Jamāl ad-Dın ‚al-Af-ghani‘.“„Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Afghānī‘ - A Political Biography.“

Salafīya

Auch al-Afġānī teilte die Kritik an den

negativen Einfluss auf die gesamte Gesellschaft. Dem ǧumūd

Qurʾān sunnaḥikma

blühenden Gesellschaft. Al-Afġānīs Aufruf »zurück zum Qur’ān

Grundlegend gilt es festzuhalten, dass al-Afġānī eine

Sentenz al-Afġānīs: »Wissenschaft regiert die Welt. (…)

asiatischen Raum zu verstehen. Al-Afġānī las darin

Reichs brachte laut al-Afġānī keine muslimischen Wis

So beschrieb al-Afġānī den

intelligenteste, die verständigste und klügste. […] Später aber

A. S.] verblieb in den Ecken der Schulen (madrasa

Erziehung beinahe vergingen. […] Einige der islamischen

taqlīdtaqlīd

eigenen, islamischen Wissenschaft sah al-Afġānī den

Qur’ān

Qur’ānschrieben. Murtaza zufolge geht es al-Afġānī darum, zu

Qur’āns]

einbetten, um die eigentliche Glaubenssubstanz herauszufind

Der Islam sei, davon war al-Afġānī fest überzeugt,

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist al-Afġānīs Verständnis

gion und Sprache definiert, die auf gegenseitiger Soli

erzeugt, die eine intakte soziale Ordnung schaffe. Auf der theoretischen Ebene sieht al-Afġānī im Islam die

al-Afġānīs Denken:

Qur’ān

iten, was ein Novum darstellte. Al-Afġānī hebt hinge

al-Afġānīs Augen vielmehr eine Frage des Überlebens.

Autorität des Qur’ān vermitteln, ohne dabei den Schwie-

Denn al-Afġānī sah die potente Kraft, die jene iṣlāḥ

al-Afġānī über mehrere Wege her. Er verweist zum Qur’ān noch in den Hadīṯen

Zum anderen bezweifelt al-Afġānī, dass die ausgebeu

al-Afġānī:

erhalten. […] Das bedeutet, dass große Herrscher aus diesen

weit, dass seiner Auffassung nach einer direkten Propor

Somit ist al-Afġānī der Überzeugung, dass dieser Führer

der Erde und innerhalb der Gesellschaft »geschaffen«

mahdī

sich der Führer gegenüber der Gesellschaft befindet,

Beherrschten beraten. Al-Afġānī beschreibt diesen šūrā

sūra Qur’ān

führe zwangsläufig erneut zu starken sozialen Ungleich

al-Afġānī in späteren Schriften Veränderungen durch

Al-Afġānī in Aktion

Zu Ǧamāl ad-Dīn al-Afġānīs biographischen Daten gibt es bis heute unterschiedliche Auffassungen, die in

Nikki Keddie vertritt die Ansicht, dass al-Afġānī im Iran

Sayyid Jamāl ad-Dīn ‚al-Af-ghānī‘- A Political Biographyosophischen Ansichten in die »offenere« schiitische

Hani Srour hält dagegen, dass al-Afġānīs

Freund und Schüler, Muḥammad ʿAbduh (1840-1905), dass al-Afġānī sich an der hanafitischen Lehre orientierte

Bevölkerungsgruppen existierten und al-Afġānī aufgr

Islamīya Wahīd fitna

Al-Afġānīs biographische Daten werden ab seiner

wenn nicht alle Lebensabschnitte verifiziert sind. Als

al-Afġānīs politische Aktivitäten und er verfasste seine

vermochte al-Afġānī zum ersten Mal, viele Interessierte,

Köpfe des islamischen Reformismus wie Muḥammad ʿAbduh, Rašīd Riḍā und Saʿd Zaġlūl befanden, aber auch

Bildungsbürgertums, um sich zu scharen. Al-Afġānī

lehnen. Al-Afġānīs Kritik sowohl am politischen QuietʿUlamāʾ

der Schah und die Briten, dass al-Afġānīs Zuspruch sich

al-Afġānī schließlich gewaltsam in den Irak abgescho

al-Afġānī nach Istanbul reiste, mischte er sich indirekt in

forderte er Ayatollāh Mīrzā Muḥammad Ḥasan Šīrāzī auf, den Schah öffentlich anzuklagen. Kurz darauf kursi

fatwā

al-Afġānīs in der iranischen Politik wurden anfangs am

al-Afġānīs den Schah erschoss,

Abdülhamid II. al-Afġānī unter Hausarrest stellen. 1897,

Die für al-Afġānī wohl bedeutsamsten politischen

al-Afġānīs Hoffnungen in den ägyptischen Thronfolger

Taufīq als eines »aufgeklärten« Herrschers just in dem

Trotz dieses Scheiterns hatten al-Afġānīs Theorien

Nationalismus. Sein Einfluss auf höhere gesellschaftliche

Eine andere Erfahrung sammelte al-Afġānī hingegen

im Iran. Al-Afġānīs Ziel, gegen die europäische Einflussnahme durch wirtschaftliche Abhängigkeiten

al-Afġānī, ob direkt oder indirekt, für die Ermordung

al-Afġānī nicht den erhofften Regimewechsel im Iran. In einem Brief kurz vor seinem Tod reflektiert er, dass

geeigneten muslimischen Führer schwingt in al-Afġānīs

Veränderung »nur stattfinden, wenn die Grundlagen

den sich al-Afġānīs politische Aktivitäten von den Tan

Dabei kämpfte al-Afġānī »für die Verbreitung seiner Ideale und Überzeugungen […], auch wenn es negative

ABSTRACT

Dieser Beitrag setzt sich mit dem von Azzadine Karioh in der ersten Ausgabe behaupteten historischen Anspruch Marokkos auf die Westsahara und einer Autonomielösung kritisch auseinander. Es wird die Regionalgeschichte vom spanischen Kolonialismus über den Einmarsch Marokkos und Mauretaniens bis zur Gegenwart dargelegt. Der Autor plädiert für die Durchrführung eines Unabhängigkeitsreferendums, wobei er argumentiert, dass die Annektierung großer Teile der Westsahara durch Marokko dem Völkerrecht zuwiderlaufen und die Umsetzung des Dekolonisationsprozesses, dessen Umsetzung die Frente-POLISARIO, als politische Vertreter der Sahrawis, seit einem halben Jahrhundert einfordert, aufgrund politischer und ökonomischer Interessen torpediert wird. Einer rechtskonformen Lösung steht in erster Linie das Bündnis aus Palast und internationalen Konzernen entgegen.

Werner Ruf*

Gastbeitrag: Der Westsaharakonflikt - Eine Antwort auf Azzadine Karioh

JUSUR 2 (2020) 35-42

Die »historischen« Ansprüche Marokkos

In seinem Beitrag zu diesem fast ein halbes Jahrhundert währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza-dine Karioh für die Autonomie der ehemaligen span-ischen Kolonie. Schon in dem seinem Text vorangestell-ten Abstract wird angekündigt, dass der Autor sich »auf der Basis juristischer Argumentation bei gleichzeitiger Schilderung der historischen Aspekte des Themas ange-nommen« hat. Genau diese rechtliche Bewertung des Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig. Dies soll im Folgenden nachgeholt werden, da der Leser einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Ja, Marokko ist im Wesentlichen bis heute eine Stammesgesellschaft. Dies zeigt das jährlich mit großem Pomp am 30. Juli gefeierte Thronfest, an dem die Stammesführer und hohen Militärs dem König die Hand küssen dürfen bzw. müssen, um ihre Loyalität zum »Herrscher der Gläubigen« (Amīr al-Muʾminīn) öffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi-gung« nach Meinung von Herrn Karioh Teil des marokkanischen Staatsrechts sein soll – es wäre ein

staatsrechtliches Unikat – lasse ich hier dahingestellt. Diese Loyalität zum Herrscher hatte historisch schon immer die Reichweite der Macht des Sultans (heute König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land bestand in vorkolonialer Zeit aus zwei Teilen, dem Bilād al-Maḫzan (»Land der Herrschaft des Sultans«) und dem Bilād as-Sība (»Land des Aufruhrs«), das allein von den jeweiligen Stämmen kontrolliert wurde.1 Die Ausdeh-nung des Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem militärischen - Macht oder aber Schwäche des jeweili-gen Sultans. Seine heutigen geographischen Grenzen verdankt Marokko letztlich der französischen Kolonial-macht.

Geradezu grotesk wird die Argumentation des Autors, wenn er die Zugehörigkeit der Westsahara zum Staats-gebiet Marokkos mit den aus der Gegend der Westsahara stammenden Dynastien der Almoraviden und der Almohaden begründet, die im Hochmittelalter Marok-ko und Andalusien eroberten. Nicht nur, dass mit solchen Begründungen die Bundesrepublik Deutsch-land die Wiederherstellung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Italien im Gegenzug die Rückkehr zum Imperium Romanum fordern könnten.

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

* Dr. phil. Werner Ruf war Professor für Internationale und intergesellschaftliche Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Kassel. Er studierte in Freiburg, Paris, Saarbrücken und Tunis, promovierte zum Burgibismus und der Außenpolitik des unabhängigen Tunesien und war als Professor u.a. an den Universitäten New York, Aix-Marseille III und Duisburg-Essen tätig.

1 Berque, Jacques. „Le Maghreb entre deux guerres.“ (Paris: Éd. du. Seuil, 1962): 20-84.; Waterbury, John. „The Commander of the Faithful: The Maroccan Political Elite – A Study in Segmented Politics.“ (New York: Columbia University Press, 1970): 21-32.

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

35

zirkel indirekten Einfluss auf die öffentliche

Kaukab aš-Šarq

sumsturz, der sogar die Ermordung des Khediven Ismāʿīl Paša miteinschloss.inzwischen beachtliches Netzwerk schaffte es al-Afġānī sogar, den Sohn des Khediven, Muḥammad Taufīq Paša

ausbrachen, sah al-Afġānī darin eine Möglichkeit, einen

kolonialen Einfluss und arrangierte sich mit der

al-Afġānī führte. Entsprechend verwies ihn der neue

anderem die einflussreiche antikolonial ausgerichtete al-ʿUrwa al-Wuṯqā

Jamāl al-Din al-Afghāni - An Apostle of Islamic Resurgence

„Geschichte des Islam.“

Die Reformer im Islam - Jamal al-Din al-Afġānī, Muhammad Abduh, Qasim Amin, Muham-mad Raschid Rida.“

„Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime - Reflexionen zu dem Philosophen Jamal al-Din al-Afġānī.“

„Der Politische Islam – Zwischen Muslim-brüdern, Hamas und Hizbollah.“

„Die Araber – Eine Geschichte von Unterdrück-ung und Aufbruch.“

„Islamismus - Geschichte, Vordenker, Organisationen.“

„Die Staats- und Gesellschaftstheorie bei Sayyid Ǧamāladdīn ‚Al Afghāni‘ - Als Beitrag zur Reform der islamischen Gesellschaften in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“

Page 36: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

Folgt man dieser Logik konsequent, so heißt diese Forderung doch, dass nicht die Westsahara Teil Marok-kos, sondern Marokko Teil der Westsahara sein müsste, weil es einst von den saharischen Stämmen erobert wurde.

Mit all diesen »historischen« Argumenten hat Marokko schon bald nach seiner Unabhängigkeit immer wieder große Gebietsansprüche erhoben. Dies zeigt eine offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den 1960er Jahren in allen Amtsstuben des Königreichs zu sehen war (Abb. 1). Als »marokkanisch« werden beansprucht: Der Westen Algeriens, ein Teil Malis und das gesamte Territorium Mauretaniens - die Westsahara liegt genau in der Mitte dieses Gebiets! Mit diesen Ge- bietsansprüchen widerspricht Marokko klar den Prinzipen der Charta der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und ihrer Nachfolgeorganisation, der Afrikanischen Union (AU), die in Art. II Abs. 1 lit. c als Ziel der afrikanischen Staaten die Verteidigung der Sou-veränität, der territorialen Integrität (wie sie aus der Dekolonisation resultierte, W.R.) und der Unabhän-gigkeit festlegt.2

Marokko unternahm auch schon lange vor dem hier behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri-torialen Ansprüche zu verwirklichen. So bedrohte es alle Staaten mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehun-gen, sollten diese das 1960 unabhängig gewordene Mauretanien anerkennen.3 Erst zu Beginn der 1970er Jahre erfolgte eine Annäherung beider Staaten, die sich auf die gemeinsame Besetzung und Aufteilung der zu dekolonisierenden Westsahara richtete. Gegen Algerien führte Marokko, immer gestützt auf »historische« Ansprüche, bereits anderthalb Jahre nach dessen 1962 mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff-skrieg mit dem Ziel der Einverleibung der Grenzregion Tindouf (Tindūf) und damit den Versuch, die marok-kanische Grenze auf Kosten Algeriens nach Osten zu verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung der OAU beendet werden.

Die unvollendete Dekolonisation

Erstaunlich an der »historischen« Darstellung von Karioh ist auch, dass er auf die Kolonisation der Westsa-hara durch Spanien kaum eingeht. So erwähnt er nicht, dass diese auf den Vereinbarungen der Berliner »Kon-go-Konferenz« basiert, die von November 1884 bis Februar 1885 unter Vorsitz des deutschen Reichskanzlers

Bismarck tagte und auf der die koloniale Aufteilung Afrikas beschlossen wurde. Spanien erhielt das Territorium der heutigen West- sahara, wo es bereits Handelsstützpunkte besaß. Im Zuge der allgemeinen Dekolonisationspolitik zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts forderte die UN-Generalversammlung 1965 erstmalig Spanien auf, das Gebiet in die Unabhängigkeit zu entlassen. Die UNO handelte dabei auf der Grundlage der Resolution 1514 von 1960, in der die UN-Generalversammlung das Recht aller Völker auf freie Selbstbestimmung festlegte. Nachdem Spanien auf diese und die jährlich folgenden Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht reagierte, bildete sich die Frente-POLISARIO4 als nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische Kolonialmacht. Damit ist auch die Behauptung Kariohs widerlegt, die Frente-POLISARIO sei eine von Libyen und Algerien gesteuerte, sezessionistische, auf den Sturz der marokkanischen Monarchie hinarbeitende Organi-sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung Marokkos eskalierte, kämpfte die Frente-POLISARIO für die Unabhängigkeit der Westsahara und gegen die damalige Kolonialmacht Spanien.

Lange könnte noch debattiert werden über die Aus-lassungen von Herrn Karioh zur Natur der Frente-POLISARIO (»Separatisten«, »undemokratisch«, »diktatorisch«, »Einparteienstaat« usw.). Allein der Name »Front« hätte ihn zu ein wenig mehr Vorsicht und Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

2 Organization of African Unity. „OAU Charter, v. 25.05.1963.“ https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

3 Ruf, Werner. „Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“ (Bielefeld: Bertelsmann Universitätsverlag, 1969): 132-134.

4 Das Akronym POLISARIO setzt sich aus dem spanischen Namen der Ǧabha aš-Šaʿbīya li-taḥrīr as-Sāqīya al-Ḥamrāʾ wa-Wādiy aḏ-Ḏahab zusammen. Er lautet Frente Popular para la Liberación de la Saguia el Hamra y del Rio de Oro, (Volksfront für die Befreiung von Sagia el Hamra und Rio de Oro). Saguia el Hamra und Rio de Oro sind die spanischen Namen der beiden Landesteile der Westsahara.

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

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25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

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Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

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8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

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RUF

JUSUR 2 (2020) 35-42

Abb. 1: »Großmarokko«, wie es sich das Königshaus lange vorstellte.

Page 37: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

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Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht als

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

ie Behauptung Kariohs n z

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung te-POLISARIO

ie

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Name rsicht und

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Front sind - wie bei fast allen afrikanischen Befreiungs-bewegungen der damaligen Zeit - unterschiedliche politische Gruppierungen zusammengeschlossen, deren gemeinsames Hauptziel die Unabhängigkeit des Landes ist.

Marokko und Mauretanien meldeten ihre oben erwähnten Ansprüche an. Wie Karioh richtig schreibt, erbat die UNO vom Internationalen Gerichtshof (IGH) eine Rechtauskunft zum Status des Gebiets und zur Rechtmäßigkeit der marokkanischen und maure-tanischen Ansprüche. Herr Karioh nennt das Gutachten eine »fatale Fehleinschätzung«, statt es zu zitieren, berichtet er ausführlich über die Position dreier in der Minderheit befindlicher Richter, die die Position Marokkos und Mauretaniens stützten, und verweist darauf, dass »die fehlende fachliche Analyse des Instituts der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar (machte).« Dass von dieser Huldigung als Rechtsinstitut im Gutachten gar nicht der Rede ist, verschweigt der Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür-digte am Tage nach dem Gutachten in einer Rede lobend die Entscheidung der Richter, allerdings indem er behauptete, dass der IGH die marokkanische Position voll und ganz anerkannt habe. Um diesen Streitpunkt endgültig klarzustellen, sei hier der Kernsatz des von der Mehrheit der Richter des IGH formulierten Gutachtens im Wortlaut wiedergegeben: »[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen Akte, auf die Marokko sich beruft, die Existenz oder die inter-nationale Anerkennung von juristischen Souveränitätsbind-ungen zwischen der Westsahara dem marokkanischen Staat anzeigen. Selbst wenn man die besondere Struktur dieses (marokkanischen W.R.) Staats in Rechnung stellt, so zeigen sie nicht, dass Marokko eine wirkliche und ausschließliche staatliche Aktivität in der Westsahara ausgeübt hätte.«5

Als der IGH diese Feststellung traf, waren viele Zeug- nisse von Forschern und Seeleuten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch gar nicht bekannt. Sie alle bestätigen die fehlende Autorität des Sultans in der Westsahara.6 König Ḥasan II. aber antwortete in seiner oben erwähnten Rede auf dieses klare Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs mit dem »Grünen Marsch« (al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ), in dessen Rahmen zwischen 350.000 und 500.000 Marokkaner hoch organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie vermeintlich legitimierte, wenige Kilometer in das Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich-

tung der algerischen Grenze. Die marokkanische Luft-waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter-bomben und Napalm, der algerische Staatschef Boume-dienne (Bū-Madyan) sprach in seiner Botschaft an die Blockfreien Staaten von einem »wahren Völkermordun-ternehmen«.7 Der UN-Sicherheitsrat trat zusammen und forderte die Unterlassung jeder einseitigen Maßnahme (Res. 379 vom 2. Nov. 1975) und den Rückzug der Teilnehmer am »Grünen Marsch« (Res. 380 vom 6. Nov. 1975).

Ungeachtet der Resolutionen der Generalversammlung und des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen schlossen Spanien, Marokko und Mauretanien am 14. November 1975 das sog. Dreierabkommen von Madrid, das bei Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien kündigte darin seinen endgültigen Rückzug aus der Kolonie für den 28. Februar 1976 an, übertrug seine Hoheit über das Territorium an Marokko und Maureta-nien, war damit formal seine Kolonie los und versuchte, den Besatzern als »Rechtsnachfolgern« eine gewisse Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in einem geheimen Zusatzabkommen 35% der Anteile des Office Chérifien des Phosphates (OCP, s. u.) und umfang- reiche Fischereirechte in den Küstengewässern des Ge- biets.8 Spanien übergab also die Kolonie Westsahara, eine Sache, die ihm nicht gehörte, an Dritte. Die Gültigkeit dieses Vertragswerks ist daher mehr als zweifelhaft. Die Frente-POLISARIO rief am 27. Februar 1976 den Staat Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) aus, um kein völkerrechtliches Vakuum nach dem Abzug Spaniens entstehen zu lassen. Dieser Staat ist derzeit von ca. 60 vor allem afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten anerkannt. Die marokkanische Annexion wird von keinem Staat der Welt für rechtmäßig erachtet. Die Vereinten Nationen erkennen zwar die DARS nicht an, aber die Frente-POLSARIO wird als »der legitime Repräsentant des sahrawischen Volkes« anerkannt und ist neben Marokko gleichberechtigter Partner in den von den UN geführten Verhandlungen über die Lösung des Konflikts.

Die MINURSO Ihren Befreiungskrieg hatte die Frente-POLISARIO bis weit nach Süd-Marokko und in Mauretanien sogar bis in die Hauptstadt Nouakchott getragen. 1978 schloss

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

5 Annuaire de l’Afrique du Nord 14/1975, hsrg. von Centre de recheres et d’études sur les sociétés méditerrannéenes (Paris: Éditions du CNRS, 1976): 971–974, hier S. 973 (Übersetzung W.R.).

6 Ruf, Werner. „Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheitsrates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“ (Münster: Agenda, 1994): Anm. 20, 21 f.

7 „Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de médiation Alger miserait sur la Syrie et l’Irak.“ In: Le Monde Online, 30.01.1976 https://www.lemonde.fr/archives/article/1976/01/30/sahara-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-mediation-alger-miserait-sur-la-syrie-et-l-irak_3123488_1819218.html (zuletzt abgerufen am: 09.04.2020).

8 Hodges, Tony. „Historical Dictionary of Western Sahara.“ (New Jersey und London: Scarecrow Press, 1982): 210-228.

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

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DER WESTSAHARAKONFLIKT

JUSUR 2 (2020) 35-42

Page 38: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Mauretanien Frieden, zog sich aus der Westsahara zurück und erkannte die 1976 von der Frente-POLISA-RIO ausgerufene DARS an. Daraufhin besetzte Marok-ko auch diesen, von Mauretanien geräumten Teil des Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan dem II. und der Führung der POLSARIO. Am 29. April 1991 verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO die Resolution 690, mit der er die Einrichtung der MIN-URSO beschloss. Das Kürzel steht für »Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsa-hara«: In einer unter Aufsicht der UN und der OAU durchzuführenden Volksabstimmung sollte die Be- völkerung die Wahl haben zwischen Unabhängigkeit und Anschluss an Marokko. Zusätzlich zur Vorbereitung der Volksabstimmung sollten Blauhelme der Mission den unter Vermittlung von UN und OAU geschlossenen Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwa-chen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute. Doch die Mission stand von Anfang an vor großen Schwierigkeiten.9 Marokko weigerte sich, seine im Territorium stationierte Armee von 160.000 Mann auf die vorgesehenen 65.000 zu reduzieren, es verbrachte auch schon in den 1990er Jahren etwa 200.000 Siedler aus Marokko in die besetzten Gebiete, ein klarer Völker-rechtsverstoß. Die größte Schwierigkeit war aber die Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits der 73.497 in einem spanischen Zensus gezählten Sahrawis und ihrer Nachfahren bestand Marokko darauf, dass auch die inzwischen angesiedelten Marokkaner

abstimmungsberechtigt sein sollten. Darüber hinaus schob Marokko eine Vielzahl von Wählern nach, die über Stammesälteste, die zum Teil in Marokko lebten, identifiziert wurden - ein schwieriges und problema-tisches Vorgehen in einer nomadischen Gesellschaft, die sich nie um die Grenzziehung der Kolonialmächte geschert hatte. Trotz mehrerer Vorschläge der Vertreter des UN-Generalsekretärs konnte bisher keine endgül-tige Einigung der Parteien erzielt werden.10

Marokko nutzte die Zeit des nun schon über dreißig Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie-delung und zum Ausbau des marokkanischen Bevölker-ungsanteils, sondern auch zur militärischen Sicherung des Gebiets und zum Ausbau einer »Mauer«, die den größten Teil der Westsahara nach Westen absichert: Diese Befestigungsanlage beginnt nördlich der Westsa-hara entlang der marokkanisch-algerischen Grenze und zieht sich über 2.800 km nach Süden zur maure-tanischen Grenze, biegt dann nach Westen bis zum Atlantik ab. (Abb. 2) Sie besteht aus einem hohen Wall aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte Stacheldraht- und Elektrozäune und ist mit zehntausen-den Landminen gesichert. Diese Minen werden von den alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen-fällen weit ins Gelände geschwemmt, wo sie eine permanente Gefahr für die Hirten und ihre Herden darstellen, die auf den von der Frente-POLISARIO kontrollierten Gebieten westlich der »Mauer« nomadis-ieren. Entlang dieser »Grenze« überwacht die MINUR-SO den Waffenstillstand.

Ökonomische Interessen und Rolle der EU

Die Westsahara verfügt über ungeheure Vorräte an qual-itativ hochwertigem Phosphat, das im Tagebau abge-baut werden kann. Zusammen mit den marokkanischen Phosphaten, die meist qualitativ schlechter und kostspieliger abbaubar sind, ist das OCP mit Sitz in Casablanca der größte Anbieter von Phosphat auf dem Weltmarkt. Phosphat ist u.a. Grundlage für die Herstel-lung von Düngemitteln. Das OCP ist auf das Engste mit dem marokkanischen Staat verwoben: In seinem Auf-sichtsrat sitzen neben dem Generaldirektor und der Banque Centrale Populaire sechs Ministerien, darunter Inneres, Auswärtiges, Wirtschaft und Finanzen, Energie und Minen sowie ein Staatssekretär.11 Die wichtigste

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

9 Ausführlich: Ruf. „Die neue Welt-UN-Ordnung.“; Ruf, Werner. „Die Polisario am Ende?“ Inamo 36 (2003): 42-43.

10 Der wohl elaborierteste Plan war der des ehemaligen US-Außenministers und Vertreters des UN-Generalsekretärs, James Baker, von 2003, der fast alle marokkanischen Forderungen enthielt (so die Aufnahme der bis 1999 angesiedelten Marokkaner ins Wählerverzeichnis) und als Drittes neben »Integration ins marokkanische Königreich« und »Unabhängigkeit« auch die Möglichkeit einer »Autonomie«. Während die POLISARIO diesen Plan akzeptierte, lehnte Marokko ab.

11 Office Chérifien des Phosphates Online. „Notre gouvernance.“ https://www.ocpgroup.ma/fr/qui-sommes-nous/notre-gouvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

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uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

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Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

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Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

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RUF

JUSUR 2 (2020) 35-42

Abb. 2: Die Westsahara in ihren politischen Grenzen.

Page 39: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

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Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

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Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

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Phosphatmine des OCP ist Bou Craa (Abū Krāʿ) in der Westsahara, nahe der Hauptstadt El Aaiún (al-ʿUyūn). Seit 2002 hält das OCP 100% der Anteile, nachdem Spanien seine Aktien an das OCP übertragen hat. Die Mine von Bou Craa ist durch ein knapp hundert Kilo-meter langes Förderband (erbaut von Krupp) mit den Verladeanlagen am Atlantik verbunden (Abb. 2). Das OCP wird auch durch die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert, die mit einem Darlehen von über 200 Millionen Euro eine Meerwasserentsalzungs- anlage mitfinanziert,12 da die Phosphataufbereitung äußerst wasserintensiv ist. Phosboucraa produziert rund drei Millionen Tonnen Phosphat im Jahr, außerdem Phosphorsäure und phosphatierte Düngemittel.13 Allein im Jahre 2018 exportierte Marokko Phosphat im Wert von 164 Millionen US-Dollar.14

Das zweite wichtige Produkt der Westsahara ist Fisch. Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten der Welt und sind der Tummelplatz der internationalen Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori-algewässer genannt) eines Staates umfassen grundsät-zlich das Gebiet zwölf Seemeilen vor der Küste. Dort übt der jeweilige Küstenstaat seine souveränen Hoheits-rechte aus.15 Doch aufgrund des Drucks einiger Staaten haben die Vereinten Nationen im Seerechtsabkommen vom 10. Dezember 1982 das Meeresgebiet auf bis zu 200 Seemeilen (ca. 380 km) ausgedehnt. Kontrolliert Marok-ko die Küstengewässer vor der Westsahara, verfügt es über einen ungeheuren Fischreichtum und kann mit internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa- ten äußerst lukrative Geschäfte abschließen.

Darüber hinaus werden in der Westsahara und deren Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel-metalle vermutet. Bohrrechte hat die marokkanische Regierung an die US-amerikanische Kosmos-Energy und an den französischen Erdölkonzern Total vergeben.16 Immer größere Bedeutung, auch für die Versorgung Europas, gewinnen die erneuerbaren Energien. Wie die Bundesagentur German Trade & Invest (GTAI)17 berichtet, einigten sich Marokko und Spanien auf den

Bau einer dritten Stromverbindung (Kosten 150 Millionen Euro), die durch Wind und Sonne erzeugte Energie nach Europa führen soll.18 Die Erzeugung dieser Energie erfolgt zum überwiegenden Teil in der Westsahara. Marokko, das mit der EU durch ein Frei-handelsabkommen verbunden ist, ist außerdem ein wichtiger Standort für die Fertigung von Flugzeug- und Kfz-Teilen. Eine herausragende Rolle spielt die Lieferung von landwirtschaftlichen Produkten, wobei gerade die Produktion von Gemüse wie Tomaten, Gurken und Melonen in der Region von Dakhla (ad-Daḫla) in der Westsahara erfolgt.19

Während der Handel mit der EU blüht, gerät Marokko in anderen Staaten der Welt unter Druck: So wurden Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in Südafrika und Panama (beide Staaten erkennen die DARS an) beschlagnahmt.20 Diese Akte beförderten eine neue internationale Diskussion über den Rechtsstatus der Westsahara. Am 10. Dezember 2013 hatte sich das EU-Parlament mehrheitlich für die Erneuerung des »Partnerschaftlichen und Fischereiabkommens« mit Marokko ausgesprochen - ohne die Westsahara zu erwähnen. Dieser diplomatische Schachzug ermöglichte es der EU, das juristisch heiße Eisen nicht zu problema-tisieren und Marokko, die bisherige Praxis, die Plünderung der westsaharischen Fischgründe, ungestört fortzusetzen.

Die Beschlagnahmung des westsaharisches Phosphat transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer Reihe juristischer Auseinandersetzungen, die schließlich in einer Klage der Frente-POLISARIO vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mündete. Dieser hat in seinem Urteil betont, dass es sich bei der Westsahara um ein »Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung« nach Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen handelt. Daraus folgt, dass die Verfügung über die Ressourcen des Ge- biets ohne Zustimmung des sahrawischen Volkes unrechtmäßig ist und dass das zwischen der EU und Marokko abgeschlossene Handelsabkommen auf Produkte des Westsahara nicht anzuwenden sei.21 In der Folge müssen landwirtschaftliche und Fischereiproduk-

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

12 Kreditanstakt für Wiederaufbau Online. „Wasser OCP.“ https://www.kfw-entwicklungsbank.de/ipfz/Projektdatenbank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am: 26.03.2020).

13 Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“ https://www.ocpgroup.ma/fr/qui-sommes-nous/nos-implantations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).

14 Western Sahara Resource Watch Online. „New report on Western Sahara phosphate industry out now.“ (Stand: 08.04.2019). https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am: 26.03.2020).

15 Derzeit sind massive Versuche im Gange, um diese Zone auszuweiten.16 Wandler, Reiner. „Ressourcenstreit in der Westsahara - Keine Kontrolle über

Öl und Tomaten.“ In: taz Online, 23.04.2014. https://taz.de/Ressourcenstreit-in-der-Westsahara/!5043778/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

17 Die GTAI ist eine Bundesagentur, die deutsche Arbeitgeberorganisationen über das Wirtschafts- und Investitionsklima in den Ländern der Welt informiert.

18 Schmitz, Peter. „Branchencheck – Marokko (März 2019): Industrielle Entwicklung steigert deutsche Lieferchancen.“ In: Germany Trade & Invest Online (Stand: 27.03.2019) https://www.gtai.de/gtai-de/trade/branchen/branchencheck/marokko/branchencheck-marokko-maerz-2019--22790 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

19 Quarante, Olivier. „Die Schätze der Westsahara – Phosphor, Fisch und Erdöl kommen nicht den Sahrauis zugute, sondern dem marokkanischen Staat.“ In: Le Monde Diplomatique, dt. Ausgabe Online, 14.03.2014. https://monde-diplomatique.de/artikel/!380095 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

20 Western Sahara Resource Watch Online. „New report on Western Sahara phosphate industry out now.“

21 Eine ausführliche Debatte der juristischen Auseinandersetzung findet sich bei Hinz, Manfred O. „Die Westsahara: Ein Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung und was daraus für die Handelsabkommen mit Marokko.“ (im Druck).

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

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Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

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DER WESTSAHARAKONFLIKT

JUSUR 2 (2020) 35-42

Page 40: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

te eigens gekennzeichnet werden und dürfen nicht als marokkanische Produkte vermarktet werden.

So klar die Rechtslage auch sein mag, es wird abzu-warten sein, wie sich die EU aus dieser Situation herauswinden wird. Denn Marokko ist nicht nur ein starker Partner der EU (siehe auch die deutschen Kredite), es genießt schier uneingeschränkt die Unter-stützung der ehemaligen Kolonialmächte Spanien und Frankreich. Letzteres beherrscht noch immer die Afri-kapolitik der EU entscheidend. So hat Paris als Ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bisher mit Erfolg verhindert, dass die jährlichen Resolu-tionen zur Verlängerung des Mandats der MINURSO, wie bei anderen UN-Missionen üblich, eine Klausel zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte im Konfliktgebiet erhielten.

Und Marokko hat noch ein ganz anderes Druckmittel gegen die EU: Neben Libyen und der Türkei ist das Land eines der wichtigsten Bollwerke gegen Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral-tar in Richtung Europa von den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla aus zu überwinden versuchen. Die EU unterstützt Marokko bei der Flüchtlingsabwehr bereits jetzt mit jährlich 140 Millionen Euro.22 Je nach Laune und Stand der politischen Beziehungen mit der EU scheint Marokko auch punktuell Gruppen von Flüchtlingen durchzulassen, um seinen Druck zu erhöhen.23

Autonomie?

Das Bemühen um die »historischen Ansprüche« Marok-kos auf die ehemalige spanische Kolonie wird in seiner politischen Zielsetzung erkennbar, wenn als Lösung des Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem Verfasser des hier kritisierten Artikels, »Autonomie« als Lösung vorgeschlagen wird. Autonomie gilt in der Staatenwelt in der Regel für (sprachliche, kulturelle, religiöse) Minderheiten, die sich durch diese Merkmale von der Mehrheitsbevölkerung eines Staates unter-scheiden, wie beispielsweise die Kurden im Irak, zahlrei- che Republiken der Russischen Föderation oder Grön-land innerhalb Dänemarks. In sehr unterschiedlichem Maße können autonome Gebiete eigene Gesetzge-bungsorgane besitzen, aber sie haben keine Sou-veränität: Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik

sind immer Angelegenheit des Zentralstaats. Daher ist Autonomie immer das Resultat eines Aushandlungs- prozesses zwischen politischen Akteuren. Solche Auto- nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs-gruppe akzeptiert sein.

Die von Marokko ins Spiel gebrachte Autonomierege-lung wird damit leicht erkennbar: Ja, die Sahrawis haben ihre Eigenheiten. Was aber »Autonomie« unter marok-kanischer Herrschaft wohl hieße, ist unbekannt. So kann angenommen werden, das die Sahrawis, wenn sie wollen, weiterhin ihre Sprache, das dem Hochara-bischen verwandte Ḥassānīya, sprechen dürften; ihre Frauen dürften wohl weiterhin ihren farbigen Umhang tragen; sie dürften weiterhin ihr traditionelles Wüsten-zelt, die Ḫaima, besitzen und vielleicht für Touristen Volkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber bleiben in der Kompetenz des Zentralstaats – im Falle Marokkos letztlich des Königs.

Vor allem aber wird die wie auch immer gewährte Autonomie als eine Konzession Marokkos an die Sahrawis, also ein vom König zugestandener Gnaden- akt, verstanden. Damit soll die vorausgegangene Ges-chichte gelöscht, die nicht vollzogene Entkolonisierung, die militärische Eroberung des Gebiets und seine völker-rechtswidrige Annexion vertuscht werden. Vermieden würde durch diesen Akt auch die selbst für eine »Auto- nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be- völkerung. So dürfte der Grund für die Ablehnung des Baker-Plans von 2003 (s. Fn. 10) durch Marokko wohl die Tatsache gewesen sein, dass im Abstim-mungsvorschlag überhaupt die Unabhängigkeit des Gebietes als eine Alternative neben der »Autonomie« und dem Anschluss an Marokko genannt wurde. In zahlreichen Äußerungen Marokkos wurde immer wieder unterstrichen, dass nur ein »Zustimmungsrefer-

160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die

Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

22 Dugge, Marc. „Fluchtroute nach Spanien – Marokkos zweifelhafte Methoden.“ In: Tagesschau Online, 10.07.2019 https://www.tagesschau.de/ausland/spanien-marokko-seenotrettung-101.html (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

23 Klingst, Martin. „Flüchtlinge – Ist das die Grenze, die wir wollen?“ In: Zeit Online, 21.01.2016 https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„OAU Charter, v.

25.05.1963.“https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Le Monde

Zugriff am: 27.03.2020).„Sahara: les gouvernements arabes multiplient les efforts de

Le Monde

-les-gouvernements-arabes-multiplient-les-efforts-de-med

Germany Trade & Invest

(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz

8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

keit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren

Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche

Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen,

nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das

häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden,

war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi

Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz

Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele

könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa

tiven als auch auf die historische Verflechtung dieser

grund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein

Zeit modifiziert hat, indem sie die Interviewten zuneh

auf den bekannten muslimischen Gelehrten Ḥasan al-Baṣrī (642-728) und auch zum Sufismus sind Paralle

viele Eziden ihren christlichen Nachbarn Zuflucht. Auf Engel Pfau

Iblīs

vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen,

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter

yazīdīy

dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie

profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum

ḏimmī

entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche

scher Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische

nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte

Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das

Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer

Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offe

40

RUF

JUSUR 2 (2020) 35-42

Ein halbes Jahrhundert nach der Unabhängigkeit von Spanien hoffen noch immer viele Sahrawis auf nationale Selbstbestimmung.

Page 41: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land Bilād

al-MaḫzanBilād as-Sība

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

waffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitter

Bū-Madyan

Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien

Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in

Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte

alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

SO den Waffenstillstand.

Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

anlage mitfinanziert,Phosboucraa

Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten

Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa-

Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

ist Aushandlungs-

Auto- nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

n

kann nn sie

Ḥassānīya e n Umhang

Ḫaima n Volkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

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des nomie«

In r

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So hat sich eine fast paradoxe Situation ergeben: In den Flüchtlingslagern in der Nähe der algerischen Oase Tindouf leben seit fast einem halben Jahrhundert etwa 160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin-dern, regiert von der Frente-POLISARIO, die in der UNO, der AU und auch vor Gerichten wie dem EuGH als Repräsentantin des sahrawischen Volkes anerkannt wird. Immer wieder fordert sie unter Berufung auf das Völkerrecht die marokkanische Besetzung und Annex-ion rückgängig zu machen und den seit einem halben Jahrhundert fälligen Dekolonisationsprozess endlich in Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die Besatzung, vor allem aber wachsende Unterstützung für die Frente-POLISARIO ist in den letzten Jahren in den besetzten Gebieten selbst entstanden, wo immer wieder Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren Umfang durch massive Repression klein gehalten werden soll. Einreisebeschränkungen für Touristen, Politiker, Menschenrechtler und Journalisten sorgen dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den besetzten Gebieten kaum berichtet werden kann.

Eine gewisse Beachtung fanden in jüngster Zeit die Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār, Trägerin des alternativen Nobelpreises, die selbst Jahre in marokkanischen Gefängnissen verbrachte und schwer gefoltert wurde, sowie die brutale Vernichtung des Protestcamps »Gdeim Izik« (Akdīm az-Zīk) rund 20 km vor der Hauptstadt El Aaiún: Tausende Sahrawis hatten im Oktober 2010 die Stadt verlassen, ihre Ḫaimāt aufge-baut und eine Selbstverwaltung organisiert. Marok-kanische Sicherheitskräfte stürmten schließlich das Lager, zerstörten es und töteten wahrscheinlich ein rundes Dutzend Menschen. Willkürlich als »Rädels-führer« des friedlichen Protests Verhaftete wurden gefoltert und von Militärgerichten zum Teil zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Dies alles zeigt, dass der Wunsch nach Souveränität durch eine wie auch immer geartete, von außen aufoktroyierte Autonomie nicht gebrochen werden kann. Die Einhaltung des Völkerrechts erscheint noch immer als die einzige sinn-volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen Bevölkerung auf der Grundlage des Völkerrechts könnte Marokko auch von seinem Militärhaushalt in Höhe von vier Milliarden US-Dollar im Jahr25 befreien, der zum

24 Ruf. „Die Polisario am Ende?“: 42.25 Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe war ein Fehler‘.“

In: Deutschland Funkkultur Online, 26.06.2019 https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

größten Teil für die Instandhaltung und Bewachung der 2.800 km langen »Mauer« benötigt wird. Der wirkliche Gegner einer rechtskonformen Lösung ist wohl das Bündnis aus Palast und internationalen Konzernen. Vom Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu erwarten gewesen, dass er die zwei letzten Jahre der Rechtsentwicklung in Europa nicht einfach ausblendet, sondern die Urteile europäischer Gerichte und des EuGH zumindest benennt, auch wenn sie seiner Argu-mentation den Boden entziehen.

Bibliographie

Print

Annuaire de l’Afrique du Nord 14/1975, hsrg. von Centre de recheres et d’études sur les sociétés méditerrannéenes (Paris: Éditions du CNRS, 1976): 971–974.

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Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe war ein Fehler‘.“ In: Deutschland Funkkultur Online, 26.06.2019https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

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(letzter Zugriff am: 27.03.2020).

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8/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].„New Report on

Western Sahara Phosphate Industry out now.“

https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am:

keit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren

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Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen,

nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das

häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden,

war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi

Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz

Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele

könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa

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grund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein

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vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen,

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter

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dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie

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entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche

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Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte

Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das

Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer

Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offe

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DER WESTSAHARAKONFLIKT

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Page 42: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azza

Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig.

einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldi

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Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem

offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den

behandelten Konflikt massive Versuche, um seine terri

mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriff

Tindūf

verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung

Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische

sation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung

Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Minderheit befindlicher Richter, die die Position

der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar

Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. wür

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen

König Ḥasan II. aber antwortete in seiner

al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ

organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie

Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

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Bū-Madyan

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Office Chérifien des Phosphates

Konflikts.

Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan

Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits

identifiziert wurden - ein schwieriges und problema

Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besie

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alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regen

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Banque Centrale Populaire

Abū Krāʿal-ʿUyūn

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Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territori

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Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edel

Kosmos-Energy Total

German Trade & Invest

ad-Daḫla

Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in

transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer

Konfliktgebiet erhielten.

Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibral

Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem

nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungs

Ḥassānīya

ḪaimaVolkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber

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160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskin

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Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren

dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den

Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār,

Gdeim Izik Akdīm az-Zīk

Ḫaimāt

volle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen

Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu

Annuaire de l’Afrique du Nord

„Le Maghreb entre deux guerres.“

„Historical Dictionary of Western Sahara.“

„Der Burgibismus und die Außenpolitik des unabhängigen Tunesien.“

„Die neue Welt-UN-Ordnung: Vom Umgang des Sicherheits-rates mit der Souveränität der ‚Dritten Welt‘.“

Inamo„The Commander of the Faithful: The Maroc-

can Political Elite – A Study in Segmented Politics.“

Tagesschau

Hildebrandt, Paul. „Westsahara-Konflikt – ‚Die Waffenruhe Deutschland Funkkultur

https://www.deutschlandfunkkultur.de/westsahara-konflikt-die-waffenruhe-war-ein-fehler.979.de.html?dram:article_id=452170 (letzter Zugriff am: 28.03.2020).

„Wasser OCP.“

ank/Wasser-OCP-31533.htm (letzter Zugriff am:

https://www.zeit.de/2016/04/fluechtlinge-melilla-zaun-marokko/seite-2 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

Office Chérifien des Phosphates Online. „Nos implantations et partenariats.“

ntations-et-partenariats (letzter Zugriff am: 26.03.2020).„Notre gouvernance.“

uvernance (letzter Zugriff am: 26.03.2020).Organization of African Unity. „OAU Charter, v.

25.05.1963.“-https://au.int/sites/default/files/treaties/7759-file-oau_charter_1963.pdf (letzter Zugriff am: 24.03.2020).

Quarante, Olivier. „Die Schätze der Westsahara – Phosphor, Fisch und Erdöl kommen nicht den Sahrauis zugute, sondern dem marokkanischen Staat.“ In: Le Monde Diplomatique, dt. Ausgabe Online, 14.03.2014.https://monde-diplomatique.de/artikel/!380095 (letzter Zugriff am: 27.03.2020).

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keit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren

Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche

Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen,

nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das

häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden,

war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi

Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz

Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele

könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa

tiven als auch auf die historische Verflechtung dieser

grund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein

Zeit modifiziert hat, indem sie die Interviewten zuneh

auf den bekannten muslimischen Gelehrten Ḥasan al-Baṣrī (642-728) und auch zum Sufismus sind Paralle

viele Eziden ihren christlichen Nachbarn Zuflucht. Auf Engel Pfau

Iblīs

vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen,

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter

yazīdīy

dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie

profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum

ḏimmī

entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche

scher Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische

nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte

Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das

Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer

Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offe

42

RUF

JUSUR 2 (2020) 35-42

Page 43: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

währenden Konflikt plädiert Herr Rechtsanwalt Azzadine Karioh für die Autonomie der ehemaligen spanischen Kolonie. Schon in dem seinem Text vorangestellten Abstract wird angekündigt, dass der Autor sich »auf der Basis juristischer Argumentation bei gleichzeitiger Schilderung der historischen Aspekte des Themas angenommen« hat. Genau diese rechtliche Bewertung des Konflikts aber fehlt in seinem Beitrag so gut wie völlig. Dies soll im Folgenden nachgeholt werden, da der Leser einen Anspruch darauf hat, diesen Konflikt zu verstehen.

Ja, Marokko ist im Wesentlichen bis heute eine Stammesgesellschaft. Dies zeigt das jährlich mit großem Pomp am 30. Juli gefeierte Thronfest, an dem die Stammesführer und hohen Militärs dem König die Hand küssen dürfen bzw. müssen, um ihre Loyalität zum »Herrscher der Gläubigen« (Amīr al-Muʾminīnöffentlich zu demonstrieren. Inwieweit diese »Huldigung« nach Meinung von Herrn Karioh Teil des marokkanischen Staatsrechts sein soll – es wäre ein

staatsrechtliches Unikat – lasse ich hier dahingestellt. Diese Loyalität zum Herrscher hatte historisch schon immer die Reichweite der Macht des Sultans (heute König) bestimmt, deren Grenzen fluktuierten. Das Land bestand in vorkolonialer Zeit aus zwei Teilen, dem Bilād al-Maḫzan (»Land der Herrschaft des Sultans«) und dem Bilād as-Sība (»Land des Aufruhrs«), das allein von den jeweiligen Stämmen kontrolliert wurde. Die Ausdeh

Maḫzan fluktuierte also je nach der - vor allem militärischen - Macht oder aber Schwäche des jeweiligen Sultans. Seine heutigen geographischen Grenzen verdankt Marokko letztlich der französischen Kolonialmacht.

Geradezu grotesk wird die Argumentation des Autors, wenn er die Zugehörigkeit der Westsahara zum Staatsgebiet Marokkos mit den aus der Gegend der Westsahara stammenden Dynastien der Almoraviden und der Almohaden begründet, die im Hochmittelalter Marokko und Andalusien eroberten. Nicht nur, dass mit solchen Begründungen die Bundesrepublik Deutschland die Wiederherstellung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Italien im Gegenzug die Rückkehr zum Imperium Romanum fordern könnten.

Folgt man dieser Logik konsequent, so heißt diese Forderung doch, dass nicht die Westsahara Teil Marokkos, sondern Marokko Teil der Westsahara sein müsste, weil es einst von den saharischen Stämmen erobert wurde.

Mit all diesen »historischen« Argumenten hat Marokko schon bald nach seiner Unabhängigkeit immer wieder große Gebietsansprüche erhoben. Dies zeigt eine offizielle Karte von »Großmarokko«, wie sie in den 1960er Jahren in allen Amtsstuben des Königreichs zu sehen war (Abb. 1). Als »marokkanisch« werden beansprucht: Der Westen Algeriens, ein Teil Malis und das gesamte Territorium Mauretaniens - die Westsahara liegt genau in der Mitte dieses Gebiets! Mit diesen Ge- bietsansprüchen widerspricht Marokko klar den Prinzipen der Charta der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) und ihrer Nachfolgeorganisation, der Afrikanischen Union (AU), die in Art. II Abs. 1 lit. c als Ziel der afrikanischen Staaten die Verteidigung der Souveränität, der territorialen Integrität (wie sie aus der Dekolonisation resultierte, W.R.) und der Unabhängigkeit festlegt.

Marokko unternahm auch schon lange vor dem hier behandelten Konflikt massive Versuche, um seine territorialen Ansprüche zu verwirklichen. So bedrohte es alle Staaten mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, sollten diese das 1960 unabhängig gewordene Mauretanien anerkennen.3 Erst zu Beginn der 1970er Jahre erfolgte eine Annäherung beider Staaten, die sich auf die gemeinsame Besetzung und Aufteilung der zu dekolonisierenden Westsahara richtete. Gegen Algerien führte Marokko, immer gestützt auf »historische« Ansprüche, bereits anderthalb Jahre nach dessen 1962 mühsam errungener Unabhängigkeit einen Angriffskrieg mit dem Ziel der Einverleibung der Grenzregion Tindouf (Tindūf) und damit den Versuch, die marokkanische Grenze auf Kosten Algeriens nach Osten zu verschieben. Dieser Konflikt konnte unter Vermittlung der OAU beendet werden.

Erstaunlich an der »historischen« Darstellung von Karioh ist auch, dass er auf die Kolonisation der Westsahara durch Spanien kaum eingeht. So erwähnt er nicht, dass diese auf den Vereinbarungen der Berliner »Kongo-Konferenz« basiert, die von November 1884 bis Februar 1885 unter Vorsitz des deutschen Reichskanzlers

Bismarck tagte und auf der die koloniale Aufteilung Afrikas beschlossen wurde.

Spanien erhielt das Territorium der heutigen West- sahara, wo es bereits Handelsstützpunkte besaß. Im Zuge der allgemeinen Dekolonisationspolitik zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts forderte die UN-Generalversammlung 1965 erstmalig Spanien auf, das Gebiet in die Unabhängigkeit zu entlassen. Die UNO handelte dabei auf der Grundlage der Resolution 1514 von 1960, in der die UN-Generalversammlung das Recht aller Völker auf freie Selbstbestimmung festlegte. Nachdem Spanien auf diese und die jährlich folgenden Aufforderungen zur Dekolonisation des Gebiets nicht reagierte, bildete sich die Frente-POLISARIO4

nationale Befreiungsbewegung. Sie griff 1973 zu den Waffen und begann den Kampf gegen die spanische Kolonialmacht. Damit ist auch die Behauptung Kariohs widerlegt, die Frente-POLISARIO sei eine von Libyen und Algerien gesteuerte, sezessionistische, auf den Sturz der marokkanischen Monarchie hinarbeitende Organisation: Schon bevor der Konflikt durch die Einmischung Marokkos eskalierte, kämpfte die Frente-POLISARIO für die Unabhängigkeit der Westsahara und gegen die damalige Kolonialmacht Spanien.

Lange könnte noch debattiert werden über die Auslassungen von Herrn Karioh zur Natur der Frente-POLISARIO (»Separatisten«, »undemokratisch«, »diktatorisch«, »Einparteienstaat« usw.). Allein der Name »Front« hätte ihn zu ein wenig mehr Vorsicht und Differenzierung veranlassen müssen, denn in dieser

Front sind - wie bei fast allen afrikanischen Befreiungsbewegungen der damaligen Zeit - unterschiedliche politische Gruppierungen zusammengeschlossen, deren gemeinsames Hauptziel die Unabhängigkeit des Landes ist.

Marokko und Mauretanien meldeten ihre oben erwähnten Ansprüche an. Wie Karioh richtig schreibt, erbat die UNO vom Internationalen Gerichtshof (IGH) eine Rechtauskunft zum Status des Gebiets und zur Rechtmäßigkeit der marokkanischen und mauretanischen Ansprüche. Herr Karioh nennt das Gutachten eine »fatale Fehleinschätzung«, statt es zu zitieren, berichtet er ausführlich über die Position dreier in der Minderheit befindlicher Richter, die die Position Marokkos und Mauretaniens stützten, und verweist darauf, dass »die fehlende fachliche Analyse des Instituts der Huldigung (…) das Gutachten (…) unverwertbar (machte).« Dass von dieser Huldigung als Rechtsinstitut im Gutachten gar nicht der Rede ist, verschweigt der Autor. Selbst der marokkanische König Ḥasan II. würdigte am Tage nach dem Gutachten in einer Rede lobend die Entscheidung der Richter, allerdings indem er behauptete, dass der IGH die marokkanische Position voll und ganz anerkannt habe. Um diesen Streitpunkt endgültig klarzustellen, sei hier der Kernsatz des von der Mehrheit der Richter des IGH formulierten Gutachtens im Wortlaut wiedergegeben:

»[…] dass weder die internen Akte noch die internationalen Akte, auf die Marokko sich beruft, die Existenz oder die internationale Anerkennung von juristischen Souveränitätsbindungen zwischen der Westsahara dem marokkanischen Staat anzeigen. Selbst wenn man die besondere Struktur dieses (marokkanischen W.R.) Staats in Rechnung stellt, so zeigen sie nicht, dass Marokko eine wirkliche und ausschließliche staatliche Aktivität in der Westsahara ausgeübt hätte.«5

Als der IGH diese Feststellung traf, waren viele Zeug- nisse von Forschern und Seeleuten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch gar nicht bekannt. Sie alle bestätigen die fehlende Autorität des Sultans in der Westsahara. König Ḥasan II. aber antwortete in seiner oben erwähnten Rede auf dieses klare Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs mit dem »Grünen Marsch« (al-Masīra al-Ḫuḍrāʾ), in dessen Rahmen zwischen 350.000 und 500.000 Marokkaner hoch organisiert und bewaffnet mit dem Koran, der sie vermeintlich legitimierte, wenige Kilometer in das Gebiet eindrangen. Zugleich griff die marokkanische Armee an. Hunderttausende Sahrawis flohen in Rich

tung der algerischen Grenze. Die marokkanische Luftwaffe bombardierte die Flüchtlingstrecks mit Splitterbomben und Napalm, der algerische Staatschef Boumedienne (Bū-Madyan) sprach in seiner Botschaft an die Blockfreien Staaten von einem »wahren Völkermordunternehmen«. Der UN-Sicherheitsrat trat zusammen und forderte die Unterlassung jeder einseitigen Maßnahme (Res. 379 vom 2. Nov. 1975) und den Rückzug der Teilnehmer am »Grünen Marsch« (Res. 380 vom 6. Nov. 1975).

Ungeachtet der Resolutionen der Generalversammlung und des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen schlossen Spanien, Marokko und Mauretanien am 14. November 1975 das sog. Dreierabkommen von Madrid, das bei Karioh noch nicht einmal Erwähnung findet. Spanien kündigte darin seinen endgültigen Rückzug aus der Kolonie für den 28. Februar 1976 an, übertrug seine Hoheit über das Territorium an Marokko und Mauretanien, war damit formal seine Kolonie los und versuchte, den Besatzern als »Rechtsnachfolgern« eine gewisse Legalität zu verschaffen. Im Gegenzug erhielt Spanien in einem geheimen Zusatzabkommen 35% der Anteile des Office Chérifien des Phosphates (OCP, s. u.) und umfang- reiche Fischereirechte in den Küstengewässern des Ge- biets.8

Spanien übergab also die Kolonie Westsahara, eine Sache, die ihm nicht gehörte, an Dritte. Die Gültigkeit dieses Vertragswerks ist daher mehr als zweifelhaft. Die Frente-POLISARIO rief am 27. Februar 1976 den Staat Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) aus, um kein völkerrechtliches Vakuum nach dem Abzug Spaniens entstehen zu lassen. Dieser Staat ist derzeit von ca. 60 vor allem afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten anerkannt. Die marokkanische Annexion wird von keinem Staat der Welt für rechtmäßig erachtet. Die Vereinten Nationen erkennen zwar die DARS nicht an, aber die Frente-POLSARIO wird als »der legitime Repräsentant des sahrawischen Volkes« anerkannt und ist neben Marokko gleichberechtigter Partner in den von den UN geführten Verhandlungen über die Lösung des Konflikts.

Ihren Befreiungskrieg hatte die Frente-POLISARIO bis weit nach Süd-Marokko und in Mauretanien sogar bis in die Hauptstadt Nouakchott getragen. 1978 schloss

Mauretanien Frieden, zog sich aus der Westsahara zurück und erkannte die 1976 von der Frente-POLISARIO ausgerufene DARS an. Daraufhin besetzte Marokko auch diesen, von Mauretanien geräumten Teil des Gebiets. 1989 kam es zu einem - einmaligen - Treffen zwischen dem damaligen marokkanischen König Ḥasan dem II. und der Führung der POLSARIO. Am 29. April 1991 verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO die Resolution 690, mit der er die Einrichtung der MINURSO beschloss. Das Kürzel steht für »Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in der Westsahara«: In einer unter Aufsicht der UN und der OAU durchzuführenden Volksabstimmung sollte die Be- völkerung die Wahl haben zwischen Unabhängigkeit und Anschluss an Marokko. Zusätzlich zur Vorbereitung der Volksabstimmung sollten Blauhelme der Mission den unter Vermittlung von UN und OAU geschlossenen Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien überwachen. Dieser Waffenstillstand hält bis heute.

Doch die Mission stand von Anfang an vor großen Schwierigkeiten. Marokko weigerte sich, seine im Territorium stationierte Armee von 160.000 Mann auf die vorgesehenen 65.000 zu reduzieren, es verbrachte auch schon in den 1990er Jahren etwa 200.000 Siedler aus Marokko in die besetzten Gebiete, ein klarer Völkerrechtsverstoß. Die größte Schwierigkeit war aber die Identifizierung der Abstimmungsberechtigten: Jenseits der 73.497 in einem spanischen Zensus gezählten Sahrawis und ihrer Nachfahren bestand Marokko darauf, dass auch die inzwischen angesiedelten Marokkaner

abstimmungsberechtigt sein sollten. Darüber hinaus schob Marokko eine Vielzahl von Wählern nach, die über Stammesälteste, die zum Teil in Marokko lebten, identifiziert wurden - ein schwieriges und problematisches Vorgehen in einer nomadischen Gesellschaft, die sich nie um die Grenzziehung der Kolonialmächte geschert hatte. Trotz mehrerer Vorschläge der Vertreter des UN-Generalsekretärs konnte bisher keine endgültige Einigung der Parteien erzielt werden.10

Marokko nutzte die Zeit des nun schon über dreißig Jahre dauernden Waffenstillstands nicht nur zur Besiedelung und zum Ausbau des marokkanischen Bevölkerungsanteils, sondern auch zur militärischen Sicherung des Gebiets und zum Ausbau einer »Mauer«, die den größten Teil der Westsahara nach Westen absichert: Diese Befestigungsanlage beginnt nördlich der Westsahara entlang der marokkanisch-algerischen Grenze und zieht sich über 2.800 km nach Süden zur mauretanischen Grenze, biegt dann nach Westen bis zum Atlantik ab. (Abb. 2) Sie besteht aus einem hohen Wall aus Geröll und Stein, wird gesichert durch gestaffelte Stacheldraht- und Elektrozäune und ist mit zehntausenden Landminen gesichert. Diese Minen werden von den alle paar Jahre wiederkehrenden sintflutartigen Regenfällen weit ins Gelände geschwemmt, wo sie eine permanente Gefahr für die Hirten und ihre Herden darstellen, die auf den von der Frente-POLISARIO kontrollierten Gebieten westlich der »Mauer« nomadisieren. Entlang dieser »Grenze« überwacht die MINURSO den Waffenstillstand.

Die Westsahara verfügt über ungeheure Vorräte an qualitativ hochwertigem Phosphat, das im Tagebau abgebaut werden kann. Zusammen mit den marokkanischen Phosphaten, die meist qualitativ schlechter und kostspieliger abbaubar sind, ist das OCP mit Sitz in Casablanca der größte Anbieter von Phosphat auf dem Weltmarkt. Phosphat ist u.a. Grundlage für die Herstellung von Düngemitteln. Das OCP ist auf das Engste mit dem marokkanischen Staat verwoben: In seinem Aufsichtsrat sitzen neben dem Generaldirektor und der Banque Centrale Populaire sechs Ministerien, darunter Inneres, Auswärtiges, Wirtschaft und Finanzen, Energie und Minen sowie ein Staatssekretär. Die wichtigste

Phosphatmine des OCP ist Bou Craa (Abū KrāʿWestsahara, nahe der Hauptstadt El Aaiún (al-ʿUyūn). Seit 2002 hält das OCP 100% der Anteile, nachdem Spanien seine Aktien an das OCP übertragen hat. Die Mine von Bou Craa ist durch ein knapp hundert Kilometer langes Förderband (erbaut von Krupp) mit den Verladeanlagen am Atlantik verbunden (Abb. 2). Das OCP wird auch durch die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau gefördert, die mit einem Darlehen von über 200 Millionen Euro eine Meerwasserentsalzungs- anlage mitfinanziert, da die Phosphataufbereitung äußerst wasserintensiv ist. Phosboucraa produziert rund drei Millionen Tonnen Phosphat im Jahr, außerdem Phosphorsäure und phosphatierte Düngemittel.13 Allein im Jahre 2018 exportierte Marokko Phosphat im Wert von 164 Millionen US-Dollar.14

Das zweite wichtige Produkt der Westsahara ist Fisch. Die Gewässer des Gebiets zählen zu den fischreichsten der Welt und sind der Tummelplatz der internationalen Fischfangflotten. Die Hoheitsgewässer (auch Territorialgewässer genannt) eines Staates umfassen grundsätzlich das Gebiet zwölf Seemeilen vor der Küste. Dort übt der jeweilige Küstenstaat seine souveränen Hoheitsrechte aus.15 Doch aufgrund des Drucks einiger Staaten haben die Vereinten Nationen im Seerechtsabkommen vom 10. Dezember 1982 das Meeresgebiet auf bis zu 200 Seemeilen (ca. 380 km) ausgedehnt. Kontrolliert Marokko die Küstengewässer vor der Westsahara, verfügt es über einen ungeheuren Fischreichtum und kann mit internationalen Fischfangflotten bzw. deren Heimatstaa- ten äußerst lukrative Geschäfte abschließen.

Darüber hinaus werden in der Westsahara und deren Offshore-Gebiet Öl, Gas, Uran und verschiedene Edelmetalle vermutet. Bohrrechte hat die marokkanische Regierung an die US-amerikanische Kosmos-Energy und an den französischen Erdölkonzern Total vergeben.Immer größere Bedeutung, auch für die Versorgung Europas, gewinnen die erneuerbaren Energien. Wie die

German Trade & Invest (GTAI)berichtet, einigten sich Marokko und Spanien auf den

Bau einer dritten Stromverbindung (Kosten 150 Millionen Euro), die durch Wind und Sonne erzeugte Energie nach Europa führen soll.18

dieser Energie erfolgt zum überwiegenden Teil in der Westsahara. Marokko, das mit der EU durch ein Freihandelsabkommen verbunden ist, ist außerdem ein wichtiger Standort für die Fertigung von Flugzeug- und Kfz-Teilen. Eine herausragende Rolle spielt die Lieferung von landwirtschaftlichen Produkten, wobei gerade die Produktion von Gemüse wie Tomaten, Gurken und Melonen in der Region von Dakhla (ad-Daḫla) in der Westsahara erfolgt.

Während der Handel mit der EU blüht, gerät Marokko in anderen Staaten der Welt unter Druck: So wurden Schiffe, die westsaharisches Phosphat transportierten, in Südafrika und Panama (beide Staaten erkennen die DARS an) beschlagnahmt.20 Diese Akte beförderten eine neue internationale Diskussion über den Rechtsstatus der Westsahara. Am 10. Dezember 2013 hatte sich das EU-Parlament mehrheitlich für die Erneuerung des »Partnerschaftlichen und Fischereiabkommens« mit Marokko ausgesprochen - ohne die Westsahara zu erwähnen. Dieser diplomatische Schachzug ermöglichte es der EU, das juristisch heiße Eisen nicht zu problematisieren und Marokko, die bisherige Praxis, die Plünderung der westsaharischen Fischgründe, ungestört fortzusetzen.

Die Beschlagnahmung des westsaharisches Phosphat transportierenden Schiffes in Südafrika führte zu einer Reihe juristischer Auseinandersetzungen, die schließlich in einer Klage der Frente-POLISARIO vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mündete. Dieser hat in seinem Urteil betont, dass es sich bei der Westsahara um ein »Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung« nach Art. 73 der Charta der Vereinten Nationen handelt. Daraus folgt, dass die Verfügung über die Ressourcen des Ge- biets ohne Zustimmung des sahrawischen Volkes unrechtmäßig ist und dass das zwischen der EU und Marokko abgeschlossene Handelsabkommen auf Produkte des Westsahara nicht anzuwenden sei.Folge müssen landwirtschaftliche und Fischereiproduk

te eigens gekennzeichnet werden und dürfen nicht als marokkanische Produkte vermarktet werden.

So klar die Rechtslage auch sein mag, es wird abzuwarten sein, wie sich die EU aus dieser Situation herauswinden wird. Denn Marokko ist nicht nur ein starker Partner der EU (siehe auch die deutschen Kredite), es genießt schier uneingeschränkt die Unterstützung der ehemaligen Kolonialmächte Spanien und Frankreich. Letzteres beherrscht noch immer die Afrikapolitik der EU entscheidend. So hat Paris als Ständiges Mitglied des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bisher mit Erfolg verhindert, dass die jährlichen Resolutionen zur Verlängerung des Mandats der MINURSO, wie bei anderen UN-Missionen üblich, eine Klausel zur Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte im Konfliktgebiet erhielten.

Und Marokko hat noch ein ganz anderes Druckmittel gegen die EU: Neben Libyen und der Türkei ist das Land eines der wichtigsten Bollwerke gegen Geflüchtete, die die nur 14 km enge Straße von Gibraltar in Richtung Europa von den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla aus zu überwinden versuchen. Die EU unterstützt Marokko bei der Flüchtlingsabwehr bereits jetzt mit jährlich 140 Millionen Euro. Je nach Laune und Stand der politischen Beziehungen mit der EU scheint Marokko auch punktuell Gruppen von Flüchtlingen durchzulassen, um seinen Druck zu erhöhen.23

Das Bemühen um die »historischen Ansprüche« Marokkos auf die ehemalige spanische Kolonie wird in seiner politischen Zielsetzung erkennbar, wenn als Lösung des Konflikts, wie vom marokkanischen König oder dem Verfasser des hier kritisierten Artikels, »Autonomie« als Lösung vorgeschlagen wird. Autonomie gilt in der Staatenwelt in der Regel für (sprachliche, kulturelle, religiöse) Minderheiten, die sich durch diese Merkmale von der Mehrheitsbevölkerung eines Staates unterscheiden, wie beispielsweise die Kurden im Irak, zahlrei- che Republiken der Russischen Föderation oder Grönland innerhalb Dänemarks. In sehr unterschiedlichem Maße können autonome Gebiete eigene Gesetzgebungsorgane besitzen, aber sie haben keine Souveränität: Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik

sind immer Angelegenheit des Zentralstaats. Daher ist Autonomie immer das Resultat eines Aushandlungs- prozesses zwischen politischen Akteuren. Solche Auto- nomie muss also von der betroffenen Bevölkerungsgruppe akzeptiert sein.

Die von Marokko ins Spiel gebrachte Autonomieregelung wird damit leicht erkennbar: Ja, die Sahrawis haben ihre Eigenheiten. Was aber »Autonomie« unter marokkanischer Herrschaft wohl hieße, ist unbekannt. So kann angenommen werden, das die Sahrawis, wenn sie wollen, weiterhin ihre Sprache, das dem Hocharabischen verwandte Ḥassānīya, sprechen dürften; ihre Frauen dürften wohl weiterhin ihren farbigen Umhang tragen; sie dürften weiterhin ihr traditionelles Wüstenzelt, die Ḫaima, besitzen und vielleicht für Touristen Volkstänze aufführen. Die entscheidenden Fragen aber bleiben in der Kompetenz des Zentralstaats – im Falle Marokkos letztlich des Königs.

Vor allem aber wird die wie auch immer gewährte Autonomie als eine Konzession Marokkos an die Sahrawis, also ein vom König zugestandener Gnaden- akt, verstanden. Damit soll die vorausgegangene Geschichte gelöscht, die nicht vollzogene Entkolonisierung, die militärische Eroberung des Gebiets und seine völkerrechtswidrige Annexion vertuscht werden. Vermieden würde durch diesen Akt auch die selbst für eine »Auto- nomie« notwendige Zustimmung der betroffenen Be- völkerung. So dürfte der Grund für die Ablehnung des Baker-Plans von 2003 (s. Fn. 10) durch Marokko wohl die Tatsache gewesen sein, dass im Abstimmungsvorschlag überhaupt die Unabhängigkeit des Gebietes als eine Alternative neben der »Autonomie« und dem Anschluss an Marokko genannt wurde. In zahlreichen Äußerungen Marokkos wurde immer wieder unterstrichen, dass nur ein »Zustimmungsrefer

endum« infrage komme.24 Damit ist jede demokratische Legitimation auch der »Autonomie« ausgeschlossen.

So hat sich eine fast paradoxe Situation ergeben: In den Flüchtlingslagern in der Nähe der algerischen Oase Tindouf leben seit fast einem halben Jahrhundert etwa 160.000 Geflüchtete mit ihren Kindern und Kindeskindern, regiert von der Frente-POLISARIO, die in der UNO, der AU und auch vor Gerichten wie dem EuGH als Repräsentantin des sahrawischen Volkes anerkannt wird. Immer wieder fordert sie unter Berufung auf das Völkerrecht die marokkanische Besetzung und Annexion rückgängig zu machen und den seit einem halben Jahrhundert fälligen Dekolonisationsprozess endlich in Gang zu setzen. Effektiver Widerstand gegen die Besatzung, vor allem aber wachsende Unterstützung für die Frente-POLISARIO ist in den letzten Jahren in den besetzten Gebieten selbst entstanden, wo immer wieder Demonstrationen und Proteste stattfinden, deren Umfang durch massive Repression klein gehalten werden soll. Einreisebeschränkungen für Touristen, Politiker, Menschenrechtler und Journalisten sorgen dafür, dass über den Konflikt und die Zustände in den besetzten Gebieten kaum berichtet werden kann.

Eine gewisse Beachtung fanden in jüngster Zeit die Proteste und der Hungerstreik von Aminatū Ḥaidār, Trägerin des alternativen Nobelpreises, die selbst Jahre in marokkanischen Gefängnissen verbrachte und schwer gefoltert wurde, sowie die brutale Vernichtung des Protestcamps »Gdeim Izik« (Akdīm az-Zīk) rund 20 km vor der Hauptstadt El Aaiún: Tausende Sahrawis hatten im Oktober 2010 die Stadt verlassen, ihre Ḫaimātbaut und eine Selbstverwaltung organisiert. Marokkanische Sicherheitskräfte stürmten schließlich das Lager, zerstörten es und töteten wahrscheinlich ein rundes Dutzend Menschen. Willkürlich als »Rädelsführer« des friedlichen Protests Verhaftete wurden gefoltert und von Militärgerichten zum Teil zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Dies alles zeigt, dass der Wunsch nach Souveränität durch eine wie auch immer geartete, von außen aufoktroyierte Autonomie nicht gebrochen werden kann. Die Einhaltung des Völkerrechts erscheint noch immer als die einzige sinnvolle und gerechte Lösung des Konflikts.

Die Ausübung der Selbstbestimmung der betroffenen Bevölkerung auf der Grundlage des Völkerrechts könnte Marokko auch von seinem Militärhaushalt in Höhe von vier Milliarden US-Dollar im Jahr25 befreien, der zum

größten Teil für die Instandhaltung und Bewachung der 2.800 km langen »Mauer« benötigt wird. Der wirkliche Gegner einer rechtskonformen Lösung ist wohl das Bündnis aus Palast und internationalen Konzernen. Vom Beitrag eines Juristen zu diesem Konflikt wäre zu erwarten gewesen, dass er die zwei letzten Jahre der Rechtsentwicklung in Europa nicht einfach ausblendet, sondern die Urteile europäischer Gerichte und des EuGH zumindest benennt, auch wenn sie seiner Argumentation den Boden entziehen.

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Wandler, Reiner. „Ressourcenstreit in der Westsahara - Keine Kontrolle über Öl und Tomaten.“ In: taz Online, 23.04.2014.https://taz.de/Ressourcenstreit-in-der-Westsahara/!5043778/ (letzter Zugriff am: 28.03.2020].

Western Sahara Resource Watch Online. „New Report on Western Sahara Phosphate Industry out now.“ (Stand: 8.04.2019). https://www.wsrw.org/a105x4497 (letzter Zugriff am: 26.03.2020).

Von Carl Heinrich Becker zu Alice Weidel

Der Politikwissenschaftler Ozan Zakariya Keskinkiliç geht in seiner Untersuchung der Frage nach den Paral-lelen zwischen den aktuellen antimuslimischen Diskur-sen, insbesondere der AfD, und denen im Deutschen Kaiserreich nach. Er vergleicht dafür schriftliche Quel-len und Reden von AfD-Politikern mit den Debatten, die auf den beiden Deutschen Kolonialkongressen 1905 und 1910 geführt wurden. Dabei geht er davon aus, dass antimuslimische Narrative und Stereotype »weit mehr über die Produzenten des Diskurses als über sein Objekt« (S. 8) aussagen. Worum es seiner Meinung nach bei diesen »Islamdebatten« in Wahrheit geht, macht er bereits im Vorwort deutlich: »Das Problem lautet anti-muslimischer Rassismus.« (Ebd.) Was manch einen veranlassen könnte, dem Autor Voreingenommenheit bei seiner Untersuchung vorzuwerfen, ist in Wirklich-

keit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren Raum statt. Es gibt genug Meinungsmacher, die ihre Sichtweise mit vermeintlicher Objektivität zu kaschie-

ren versuchen. Es steht Keskinkiliç gut zu Gesicht, gleich zu Beginn Farbe zu bekennen.

Die Kolonialkongresse fanden im Kaiserreich ab 1902 regelmäßig statt. Neben Vertretern und Lobbyisten der imperialistischen Wirtschaftsbranchen und christlichen Missionsgesellschaften nahmen auch Wissenschaftler, vor allem Ethnologen und Orientalisten, Teil. Der zweite Kongress 1905 verzeichnete mehr als 2000 Teil-nehmer. Wie auch der von 1910 widmet er sich u.a. ausführlich der »Gefahr einer Islamisierung deutscher

Leon WystrychowskiRuhr-Universität Bochum

Reviews

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Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche der von der AfD postulierten islamfeindlichen Motive bereits Teil der Debatten der deutschen Kolonialherren waren. Schon damals wähnte sich das Kaiserreich als dem »rückständigen« Islam überlegen. Wenige Jahre bevor die deutschen Militärs und Wirtschaftseliten zum ersten Mal einen Weltkrieg gegen die anderen europäi-schen Mächte vom Zaun brachen, war man in Berlin überzeugt, »der« Islam bedeute Gewalt und Sklaverei, Feindschaft gegen Europa und Expansionismus. (S. 37 f.) Die Parallelen zur Bekenntnis der Neuen Rechten zum »christlich-abendländischen Europa« auf der einen und ihrem realen Nationalchauvinismus auf der anderen Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen, die der Autor ausmacht, sind etwa das Motiv der »Leit-kultur«, dem Moscheebau-Verbot und der Forderung nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das Christentum sei per se humanistisch und vernünftig, während der Islam als archaisch, gewalttätig und irratio-

nal gilt. Auch Frauenfeindlichkeit unterstellte man den muslimischen Männern, während in Deutschland selbst Frauen weder wählen noch sich in Vereinen organisieren durften. Wie heute muslimische Frauen mit Kopftuch häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden, sahen auch die männlichen Kolonialbeamten sie damals als unterdrückt, passiv, »ungebildet und naiv«. (S. 51)

Keskinkiliç zeigt auch, dass der moderne Kulturrassis-mus schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorhanden war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi-

zierung der Kultur spricht, etwa wenn die AfD Muslime als homogene, durch ihre Religion und Kultur determi-nierte Gruppe darstellt, bekannte der Orientalist Carl Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz zwischen Islam und Christentum sei »der ganz naturge-

mässe Ausdruck der natürlichen Verschiedenheit der Rassen«. (S. 40) Dabei ähneln sich nicht nur die Inhalte, sondern auch die sprachliche Form. Rechtspopulisten und Kolonialpolitiker teilen einen Fable für kriegerische und fatalistische Ausdrücke: Während der Missionar und Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

»grossen Kampfe zwischen Islam und Christentum« sprach, verkündet die AfD den unausweichlichen »Kulturkrieg« mit dem Islam und den Drohenden Untergang des Abendlandes. (S. 37) Aber auch Metaphern, die den Islam als Krankheit darstellen, sind beliebt. Dabei handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele zum Antisemitismus mit seiner Darstellung des Juden als Krebsgeschwür oder Parasit.

In einem Exkurs erteilt Keskinkiliç der Behauptung, Antisemitismus und andere Formen von Rassismus seien nicht vergleichbar, eine Absage.* Vielmehr benennt er Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Er weist darauf hin, dass dieser zwar im Genozid gipfeln könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa Theodor Adorno und Max Horkheimer, aber auch Wissenschaftler und Publizisten aus neokonservativen Kreisen behaupten. Darin liege kein Unterschied, sondern gerade eine Gemeinsamkeit mit anderen Formen von Rassismus. Es sei daran erinnert, dass die Nazis selbst neben Juden auch Sinti und Roma systematisch verfolgten und einen Vernichtungskrieg gegen die »slavische Untermenschenrasse« führten. Von den Völkermorden in den Kolonien Europas soll hier gar nicht die Rede sein. Der Autor weist zudem sowohl auf die Parallelen zwischen antisemitischen und antimuslimischen Narrativen als auch auf die historische Verflechtung dieser Feindbilder hin: Der Jude galt stets auch als »Orientale«. Als gemeinsame Zäsur kann zudem die Verfolgung und Vertreibung europäischer Muslime und Juden aus Spanien nach 1492 gelten. Heute, wo vor dem Hintergrund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein jüdisch-muslimischer Gegensatz konstruiert wird, wird der Islam oftmals mit dem Faschismus gleichgesetzt. Hierbei sieht Keskinkiliç nicht nur antimuslimische, sondern auch antisemitische Motive am Werk: Juden würden zum Alibi für islamfeindlichen Rassismus und die deutsche Schuld so gleich mit entsorgt.

Nicht zuletzt dieser gelungene Exkurs macht Keskinkiliçs Buch lesenswert. Ansonsten liefert sein Buch zwar keine neuen theoretischen Erkenntnisse, denn er stützt sich weitgehend auf bereits etablierte Theorien und auch die historische Verankerung des Feindbild Islam ist bekannt. Aber der Autor trägt in jedem Fall zu einem umfangreicheren Bild der rassistischen Islamfeindlichkeit in der deutschen Geschichte und Gegenwart bei, das er mit bislang nicht untersuchten Fallbeispielen ergänzt. Dabei entblößt er einmal mehr sowohl die kolonialistische Tradition der deutschen akademischen Eliten als auch der neurechten Parteien.

Die Eziden erlangten in den letzten Jahren vor allem deshalb traurige Berühmtheit, weil 2014 der sog. Islamische Staat (IS) im Irak in ihren Gebieten wütete. Die UN sprach in diesem Zusammenhang von einem Völkermord. Dieses traurige Kapitel reiht sich ein in eine Geschichte der Diskriminierung, die in den letzten 150 Jahren mehrere ähnliche Ereignisse hervorgebracht hat. Aber die Eziden sind mehr als nur die Opfer, die von westlichen Politikern und Medien plötzlich entdeckt und für eine kurze Zeit als lebendiges, aber meist stummes Beispiel für die Grausamkeiten in der »islamischen Welt« stilisierten wurden. Ihre Geschichte, Kultur und Religion sind relativ unbekannt, sowohl für die Mehrheitsgesellschaften in denen sie leben, als auch für jene im Westen. Banu Yalkut-Breddermann, die in Ankara und Berlin Ethnologie und Religionswissenschaften studierte, führt den Leser in die Thematik ein, indem sie zunächst von ihren eigenen ersten Berührungspunkten mit dem Ezidentum berichtet, kleine Anekdoten schildert und erklärt, wie sie ihre Rechercheverfahren mit der Zeit modifiziert hat, indem sie die Interviewten zunehmend die Leitung der Gespräche übernehmen ließ.

Der Leser erfährt Grundlegendes über das Ezidentum: über die nach wie vor umstrittenen Ursprünge der Religion, ihre schriftlichen und mündlichen normativen

Gliederung. Auch das spannungsreiche und vielschichtige Verhältnis zu den großen Religionen der Region wird deutlich gemacht. So beziehen sich die Eziden u.a. auf den bekannten muslimischen Gelehrten Ḥasan al-Baṣrī (642-728) und auch zum Sufismus sind Parallelen unübersehbar. Mit den Christen teilte man die Erfahrung, oft Staatsbürger zweiter Klasse zu sein, und während des Völkermords an den Armeniern gewährten viele Eziden ihren christlichen Nachbarn Zuflucht. Auf der anderen Seite wird der von ihnen verehrte Engel Pfauvon Christen wie auch Muslimen oftmals mit dem gefallenen Engel Lucifer bzw. mit Iblīs gleichgesetzt, weshalb die Eziden als »Teufelsanbeter« diskriminiert und verfolgt wurden. Als solche stellte sie auch der IS nicht vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen, sondern begann gleich mit einem erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug gegen ihre Dörfer. Außerdem erfährt man, wieso die gängige Bezeichnung »Jezide«

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter Imam verehrt wird, und als zweiter Khalif der Ummayaden, die bei den Sunniten einen schlechten Ruf haben, wurde die mit seinem Namen verknüpfte Bezeichnung »yazīdīy« zum Stigma.

Das Siedlungsgebiet der Eziden erstreckte sich bis zu den politischen Verwerfungen im nahöstlichen Raum im 19. und 20. Jahrhundert über die nördlichen Regionen Syriens, Iraks und Irans, den Osten der Türkei und Teile Armeniens und Georgiens, wohin viele von ihnen in dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie so viele Minderheiten, von den guten Bildungschancen profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum Teil massiver Diskriminierung. Als Anhänger einer nicht als Buchreligion anerkannten Glaubensgemeinschaft wurde ihnen im Osmanischen Reich kein ḏimmī-Status zuerkannt. In der säkularen Türkei erging es ihnen nicht besser: Da das Ezidentum mit der kurdischen Nationalität eng verknüpft ist, passten die Eziden gleich doppelt nicht zum ethnisch-religiösen Nationalismus der Kemalisten. Als Kurden wurden sie verleugnet (»Bergtürken«) und ihre Religion nicht anerkannt, weshalb man ihre Pässe mit einem »X« kennzeichnete. Der Staat vernachlässigte ihre Siedlungsgebiete in der Osttürkei lange und die meisten lebten noch immer als Bauern, als das Militär nach dem Putsch 1980 gegen Linke und kurdische Nationalisten vorging und der Krieg mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche Eziden nach Westeuropa, wo sie Asyl beantragten. Laut Yalkut-Breddermann leben heute 99% der türkeistämmigen Eziden in Europa. (S. 31)

In der Diaspora macht die ezidische Community aktuell tiefgreifende Wandlungsprozesse durch. Wie die Autorin erklärt, vollziehen sich diese im Rahmen zweier Spannungsverhätlnisse, nämlich zwischen eigener Tradition und Identität auf der einen und den kulturellen und moralischen Ansprüchen westlich-kapitalistischer Gesellschaften auf der anderen Seite, sowie der Auseinandersetzung um die Einheit von Ezidentum und kurdischer Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische Gemeinschaft in einem Interregnum: »Bisherige Strukturen sind nicht mehr erkennbar, neue haben sich noch nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale und theologische Reformen und Pluralität, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die hier geborenen Generationen bereits entsprechend geprägte Bedürfnisse ausgebildet hätten. Auf der Suche nach einer den neuen Realitäten entsprechenden Form, ihre religiöse Identität auszuleben, würden heute verschiedene Wege gegangen, wobei alte Strukturen, wie etwa das Kastenwesen, die Endogamie und die Exklusivität, zunehmend

aufbrächen. Dabei scheint der Autorin zufolge die Akzeptanz innerhalb der Community, auch vonseiten der traditionellen Eliten, relativ hoch zu sein.

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte innerhalb der Gemeinschaft. So etwa zwischen den Strömungen, die die Wurzeln des Ezidentums im Zoroastrismus sehen und die mit der kurdischen Nationalbewegung eng verbunden sind, und jenen, die diesen Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das Ezidentum mit dem kurdischen Volk und sieht in den Lehren Zarathustras die gemeinsamen Wurzeln auch mit den kurdischen Aleviten. Diese Sichtweise dient der Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer kurdisch-nationalistischen Identität und Ideologie; sie bilde »das Bindeglied der unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften« der Kurden im Interesse einer »Homogenisierung Kurdistans zu einer Nation«. (S. 119 f.) Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offeneren Diskussionsprozess, in dem zum Teil einander völlig widersprechende Positionen nebeneinander bestünden und in dem auch Stimmen von Außerhalb, etwa aus der wissenschaftlichen Forschung, Gehör geschenkt werde. Indem sie derartige Querverbindungen zwischen der Religion selbst und ihren vielseitigen Verstrickungen mit den historischen wie aktuellen sozialen und politischen Realitäten zieht, dies mit ihren eigenen Erfarhungen, mit O-Tönen von Ezidinnen und Eziden und mit ihrer eigenen ebenso kritischen wie respektvollen Meinung vermischt, ist es der Autorin gelungen, eine interessante Einführung in dieses auch wenigen Islamwissenschaftlern bekannte Thema zu geben. Dabei beschränkt sie sich nicht nur auf historische Fakten und die Nennung religiöser Schlagwörter, sondern gibt Einblick in die aktuellen, sehr lebendigen und dynamischen Prozesse innerhalb dieser Gemeinschaft.

Keskinkiliç, Ozan Zakariya. „Die Islamdebatte gehört zuDeutschland. Rechtspopulismus und antimuslimischer Rassismus im (post-)kolonialen Kontext.“ Berlin: AphorismA, 2019. 142 Seiten. ISBN 978-3-86575-078-5.

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Page 44: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

Der Politikwissenschaftler Ozan Zakariya Keskinkiliç geht in seiner Untersuchung der Frage nach den Parallelen zwischen den aktuellen antimuslimischen Diskursen, insbesondere der AfD, und denen im Deutschen Kaiserreich nach. Er vergleicht dafür schriftliche Quellen und Reden von AfD-Politikern mit den Debatten, die auf den beiden Deutschen Kolonialkongressen 1905 und 1910 geführt wurden. Dabei geht er davon aus, dass antimuslimische Narrative und Stereotype »weit mehr über die Produzenten des Diskurses als über sein Objekt« (S. 8) aussagen. Worum es seiner Meinung nach bei diesen »Islamdebatten« in Wahrheit geht, macht er bereits im Vorwort deutlich: »Das Problem lautet antimuslimischer Rassismus.« (Ebd.) Was manch einen veranlassen könnte, dem Autor Voreingenommenheit bei seiner Untersuchung vorzuwerfen, ist in Wirklichkeit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren Raum statt. Es gibt genug Meinungsmacher, die ihre Sichtweise mit vermeintlicher Objektivität zu kaschieren versuchen. Es steht Keskinkiliç gut zu Gesicht, gleich zu Beginn Farbe zu bekennen.

Die Kolonialkongresse fanden im Kaiserreich ab 1902 regelmäßig statt. Neben Vertretern und Lobbyisten der imperialistischen Wirtschaftsbranchen und christlichen Missionsgesellschaften nahmen auch Wissenschaftler, vor allem Ethnologen und Orientalisten, Teil. Der zweite Kongress 1905 verzeichnete mehr als 2000 Teilnehmer. Wie auch der von 1910 widmet er sich u.a. ausführlich der »Gefahr einer Islamisierung deutscher

Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche der von der AfD postulierten islamfeindlichen Motive bereits Teil der Debatten der deutschen Kolonialherren waren. Schon damals wähnte sich das Kaiserreich als dem »rückständigen« Islam überlegen. Wenige Jahre bevor die deutschen Militärs und Wirtschaftseliten zum ersten Mal einen Weltkrieg gegen die anderen europäischen Mächte vom Zaun brachen, war man in Berlin überzeugt, »der« Islam bedeute Gewalt und Sklaverei, Feindschaft gegen Europa und Expansionismus. (S. 37 f.) Die Parallelen zur Bekenntnis der Neuen Rechten zum »christlich-abendländischen Europa« auf der einen und ihrem realen Nationalchauvinismus auf der anderen Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen, die der Autor ausmacht, sind etwa das Motiv der »Leitkultur«, dem Moscheebau-Verbot und der Forderung nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das Christentum sei per se humanistisch und vernünftig, während der Islam als archaisch, gewalttätig und irrational gilt. Auch Frauenfeindlichkeit unterstellte man den muslimischen Männern, während in Deutschland selbst Frauen weder wählen noch sich in Vereinen organisieren durften. Wie heute muslimische Frauen mit Kopftuch häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden, sahen auch die männlichen Kolonialbeamten sie damals als unterdrückt, passiv, »ungebildet und naiv«. (S. 51)

Keskinkiliç zeigt auch, dass der moderne Kulturrassismus schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorhanden war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifizierung der Kultur spricht, etwa wenn die AfD Muslime als homogene, durch ihre Religion und Kultur determinierte Gruppe darstellt, bekannte der Orientalist Carl Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz zwischen Islam und Christentum sei »der ganz naturgemässe Ausdruck der natürlichen Verschiedenheit der Rassen«. (S. 40) Dabei ähneln sich nicht nur die Inhalte, sondern auch die sprachliche Form. Rechtspopulisten und Kolonialpolitiker teilen einen Fable für kriegerische und fatalistische Ausdrücke: Während der Missionar und Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

»grossen Kampfe zwischen Islam und Christentum« sprach, verkündet die AfD den unausweichlichen »Kul-turkrieg« mit dem Islam und den Drohenden Untergang des Abendlandes. (S. 37) Aber auch Metaphern, die den Islam als Krankheit darstellen, sind beliebt. Dabei handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele zum Antisemitismus mit seiner Darstellung des Juden als Krebsgeschwür oder Parasit.

In einem Exkurs erteilt Keskinkiliç der Behauptung, Antisemitismus und andere Formen von Rassismus seien nicht vergleichbar, eine Absage.* Vielmehr benennt er Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Er weist darauf hin, dass dieser zwar im Genozid gipfeln könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa Theodor Adorno und Max Horkheimer, aber auch Wissenschaft-ler und Publizisten aus neokonservativen Kreisen behaupten. Darin liege kein Unterschied, sondern gerade eine Gemeinsamkeit mit anderen Formen von Rassismus. Es sei daran erinnert, dass die Nazis selbst neben Juden auch Sinti und Roma systematisch verfolg-ten und einen Vernichtungskrieg gegen die »slavische Untermenschenrasse« führten. Von den Völkermorden in den Kolonien Europas soll hier gar nicht die Rede sein. Der Autor weist zudem sowohl auf die Parallelen zwischen antisemitischen und antimuslimischen Narra-tiven als auch auf die historische Verflechtung dieser Feindbilder hin: Der Jude galt stets auch als »Orientale«. Als gemeinsame Zäsur kann zudem die Verfolgung und Vertreibung europäischer Muslime und Juden aus Spanien nach 1492 gelten. Heute, wo vor dem Hinter-grund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein jüdisch-muslimischer Gegensatz konstruiert wird, wird der Islam oftmals mit dem Faschismus gleichgesetzt. Hierbei sieht Keskinkiliç nicht nur antimuslimische, sondern auch antisemitische Motive am Werk: Juden würden zum Alibi für islamfeindlichen Rassismus und die deutsche Schuld so gleich mit entsorgt.

Nicht zuletzt dieser gelungene Exkurs macht Keskinki-liçs Buch lesenswert. Ansonsten liefert sein Buch zwar keine neuen theoretischen Erkenntnisse, denn er stützt sich weitgehend auf bereits etablierte Theorien und auch die historische Verankerung des Feindbild Islam ist bekannt. Aber der Autor trägt in jedem Fall zu einem umfangreicheren Bild der rassistischen Islamfeindlich-keit in der deutschen Geschichte und Gegenwart bei, das er mit bislang nicht untersuchten Fallbeispielen ergänzt. Dabei entblößt er einmal mehr sowohl die kolo-nialistische Tradition der deutschen akademischen Eliten als auch der neurechten Parteien.

Mehr als nur Opfer

Die Eziden erlangten in den letzten Jahren vor allem deshalb traurige Berühmtheit, weil 2014 der sog. Islami-sche Staat (IS) im Irak in ihren Gebieten wütete. Die UN sprach in diesem Zusammenhang von einem Völkermord. Dieses traurige Kapitel reiht sich ein in eine Geschichte der Diskriminierung, die in den letzten 150 Jahren mehrere ähnliche Ereignisse hervorgebracht hat. Aber die Eziden sind mehr als nur die Opfer, die von westlichen Politikern und Medien plötzlich entdeckt und für eine kurze Zeit als lebendiges, aber meist stummes Beispiel für die Grausamkeiten in der »islamischen Welt« stilisierten wurden. Ihre Geschichte, Kultur und Religi-on sind relativ unbekannt, sowohl für die Mehrheitsge-sellschaften in denen sie leben, als auch für jene im Westen. Banu Yalkut-Breddermann, die in Ankara und Berlin Ethnologie und Religionswissenschaften studier-te, führt den Leser in die Thematik ein, indem sie zunächst von ihren eigenen ersten Berührungspunkten mit dem Ezidentum berichtet, kleine Anekdoten schil-dert und erklärt, wie sie ihre Rechercheverfahren mit der Zeit modifiziert hat, indem sie die Interviewten zuneh-mend die Leitung der Gespräche übernehmen ließ. Der Leser erfährt Grundlegendes über das Ezidentum: über die nach wie vor umstrittenen Ursprünge der Reli-gion, ihre schriftlichen und mündlichen normativen Überlieferungen und ihre soziale und institutionelle Gliederung. Auch das spannungsreiche und vielschich-tige Verhältnis zu den großen Religionen der Region wird deutlich gemacht. So beziehen sich die Eziden u.a. auf den bekannten muslimischen Gelehrten Ḥasan al-Baṣrī (642-728) und auch zum Sufismus sind Paralle-len unübersehbar. Mit den Christen teilte man die Erfahrung, oft Staatsbürger zweiter Klasse zu sein, und während des Völkermords an den Armeniern gewährten viele Eziden ihren christlichen Nachbarn Zuflucht. Auf der anderen Seite wird der von ihnen verehrte Engel Pfau von Christen wie auch Muslimen oftmals mit dem gefal-lenen Engel Lucifer bzw. mit Iblīs gleichgesetzt, weshalb die Eziden als »Teufelsanbeter« diskriminiert und verfolgt wurden. Als solche stellte sie auch der IS nicht vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen, sondern begann gleich mit einem erbarmungslosen Vernichtungsfeldzug gegen ihre Dörfer. Außerdem erfährt man, wieso die gängige Bezeichnung »Jezide«

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter Imam verehrt wird, und als zweiter Khalif der Ummayaden, die bei den Sunniten einen schlechten Ruf haben, wurde die mit seinem Namen verknüpfte Bezeichnung »yazīdīy« zum Stigma.

Das Siedlungsgebiet der Eziden erstreckte sich bis zu den politischen Verwerfungen im nahöstlichen Raum im 19. und 20. Jahrhundert über die nördlichen Regionen Syriens, Iraks und Irans, den Osten der Türkei und Teile Armeniens und Georgiens, wohin viele von ihnen in dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie so viele Minderheiten, von den guten Bildungschancen profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum Teil massiver Diskriminierung. Als Anhänger einer nicht als Buchreligion anerkannten Glaubensgemeinschaft wurde ihnen im Osmanischen Reich kein ḏimmī-Status zuerkannt. In der säkularen Türkei erging es ihnen nicht besser: Da das Ezidentum mit der kurdischen Nationalität eng verknüpft ist, passten die Eziden gleich doppelt nicht zum ethnisch-religiösen Nationalismus der Kemalisten. Als Kurden wurden sie verleugnet (»Bergtürken«) und ihre Religion nicht anerkannt, weshalb man ihre Pässe mit einem »X« kennzeichnete. Der Staat vernachlässigte ihre Siedlungsgebiete in der Osttürkei lange und die meisten lebten noch immer als Bauern, als das Militär nach dem Putsch 1980 gegen Linke und kurdische Nationalisten vorging und der Krieg mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche Eziden nach Westeuropa, wo sie Asyl beantragten. Laut Yalkut-Breddermann leben heute 99% der türkeistämmigen Eziden in Europa. (S. 31)

In der Diaspora macht die ezidische Community aktuell tiefgreifende Wandlungsprozesse durch. Wie die Autorin erklärt, vollziehen sich diese im Rahmen zweier Spannungsverhätlnisse, nämlich zwischen eigener Tradition und Identität auf der einen und den kulturellen und moralischen Ansprüchen westlich-kapitalistischer Gesellschaften auf der anderen Seite, sowie der Auseinandersetzung um die Einheit von Ezidentum und kurdischer Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische Gemeinschaft in einem Interregnum: »Bisherige Strukturen sind nicht mehr erkennbar, neue haben sich noch nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale und theologische Reformen und Pluralität, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die hier geborenen Generationen bereits entsprechend geprägte Bedürfnisse ausgebildet hätten. Auf der Suche nach einer den neuen Realitäten entsprechenden Form, ihre religiöse Identität auszuleben, würden heute verschiedene Wege gegangen, wobei alte Strukturen, wie etwa das Kastenwesen, die Endogamie und die Exklusivität, zunehmend

aufbrächen. Dabei scheint der Autorin zufolge die Akzeptanz innerhalb der Community, auch vonseiten der traditionellen Eliten, relativ hoch zu sein.

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte innerhalb der Gemeinschaft. So etwa zwischen den Strömungen, die die Wurzeln des Ezidentums im Zoroastrismus sehen und die mit der kurdischen Nationalbewegung eng verbunden sind, und jenen, die diesen Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das Ezidentum mit dem kurdischen Volk und sieht in den Lehren Zarathustras die gemeinsamen Wurzeln auch mit den kurdischen Aleviten. Diese Sichtweise dient der Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer kurdisch-nationalistischen Identität und Ideologie; sie bilde »das Bindeglied der unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften« der Kurden im Interesse einer »Homogenisierung Kurdistans zu einer Nation«. (S. 119 f.) Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offeneren Diskussionsprozess, in dem zum Teil einander völlig widersprechende Positionen nebeneinander bestünden und in dem auch Stimmen von Außerhalb, etwa aus der wissenschaftlichen Forschung, Gehör geschenkt werde. Indem sie derartige Querverbindungen zwischen der Religion selbst und ihren vielseitigen Verstrickungen mit den historischen wie aktuellen sozialen und politischen Realitäten zieht, dies mit ihren eigenen Erfarhungen, mit O-Tönen von Ezidinnen und Eziden und mit ihrer eigenen ebenso kritischen wie respektvollen Meinung vermischt, ist es der Autorin gelungen, eine interessante Einführung in dieses auch wenigen Islamwissenschaftlern bekannte Thema zu geben. Dabei beschränkt sie sich nicht nur auf historische Fakten und die Nennung religiöser Schlagwörter, sondern gibt Einblick in die aktuellen, sehr lebendigen und dynamischen Prozesse innerhalb dieser Gemeinschaft.

Yalkut Breddermann, Banu. „Das Volk des Engel Pfau: Die Eziden.“ Berlin: Hans Schiler, 2019. 152 Seiten. ISBN 978-3-89-930125-0.

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REVIEWS

JUSUR 2 (2020) 43-46

+ In einer ersten Version hieß es, Keskinkiliç erteile der Behauptung, Antisemitismus sei keine Form des Rassismus, eine Absage. Der Autor hat uns dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass dies so nicht im Buch steht.

Page 45: Cover 2020 HQ · 2020. 6. 28. · Meccan Trade and the Rise of Islam Duftstoffen ein, dass allgemein anerkannt sei, dass der Griechen die Monsunwinde, welche die Schifffahrt von

keit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren

Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche

Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen,

nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das

häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden,

war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi

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Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

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könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa

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eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter Imam verehrt wird, und als zweiter Khalif der Ummaya-den, die bei den Sunniten einen schlechten Ruf haben, wurde die mit seinem Namen verknüpfte Bezeichnung »yazīdīy« zum Stigma.

Das Siedlungsgebiet der Eziden erstreckte sich bis zu den politischen Verwerfungen im nahöstlichen Raum im 19. und 20. Jahrhundert über die nördlichen Regionen Syriens, Iraks und Irans, den Osten der Türkei und Teile Armeniens und Georgiens, wohin viele von ihnen in dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie so viele Minderheiten, von den guten Bildungschancen profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum Teil massiver Diskriminierung. Als Anhänger einer nicht als Buchreligion anerkannten Glaubensgemein-schaft wurde ihnen im Osmanischen Reich kein ḏimmī-Status zuerkannt. In der säkularen Türkei erging es ihnen nicht besser: Da das Ezidentum mit der kurdi-schen Nationalität eng verknüpft ist, passten die Eziden gleich doppelt nicht zum ethnisch-religiösen Nationa-lismus der Kemalisten. Als Kurden wurden sie verleug-net (»Bergtürken«) und ihre Religion nicht anerkannt, weshalb man ihre Pässe mit einem »X« kennzeichnete. Der Staat vernachlässigte ihre Siedlungsgebiete in der Osttürkei lange und die meisten lebten noch immer als Bauern, als das Militär nach dem Putsch 1980 gegen Linke und kurdische Nationalisten vorging und der Krieg mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche Eziden nach Westeuropa, wo sie Asyl beantragten. Laut Yalkut-Breddermann leben heute 99% der türkeistäm-migen Eziden in Europa. (S. 31)

In der Diaspora macht die ezidische Community aktuell tiefgreifende Wandlungsprozesse durch. Wie die Auto-rin erklärt, vollziehen sich diese im Rahmen zweier Spannungsverhätlnisse, nämlich zwischen eigener Tradition und Identität auf der einen und den kulturellen und moralischen Ansprüchen westlich-kapitalistischer Gesellschaften auf der anderen Seite, sowie der Ausein-andersetzung um die Einheit von Ezidentum und kurdi-scher Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische Gemeinschaft in einem Interregnum: »Bisherige Struk-turen sind nicht mehr erkennbar, neue haben sich noch nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale und theologische Reformen und Pluralität, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass die hier geborenen Genera-tionen bereits entsprechend geprägte Bedürfnisse ausge-bildet hätten. Auf der Suche nach einer den neuen Rea-litäten entsprechenden Form, ihre religiöse Identität auszuleben, würden heute verschiedene Wege gegan-gen, wobei alte Strukturen, wie etwa das Kastenwesen, die Endogamie und die Exklusivität, zunehmend

aufbrächen. Dabei scheint der Autorin zufolge die Akzeptanz innerhalb der Community, auch vonseiten der traditionellen Eliten, relativ hoch zu sein.

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte innerhalb der Gemeinschaft. So etwa zwischen den Strömungen, die die Wurzeln des Ezidentums im Zoro-astrismus sehen und die mit der kurdischen Nationalbe-wegung eng verbunden sind, und jenen, die diesen Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das Ezidentum mit dem kurdischen Volk und sieht in den Lehren Zarathustras die gemeinsamen Wurzeln auch mit den kurdischen Aleviten. Diese Sichtweise dient der Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer kurdisch-nationalistischen Identität und Ideologie; sie bilde »das Bindeglied der unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften« der Kurden im Interesse einer »Ho-mogenisierung Kurdistans zu einer Nation«. (S. 119 f.) Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offe-neren Diskussionsprozess, in dem zum Teil einander völlig widersprechende Positionen nebeneinander bestünden und in dem auch Stimmen von Außerhalb, etwa aus der wissenschaftlichen Forschung, Gehör geschenkt werde. Indem sie derartige Querverbindun-gen zwischen der Religion selbst und ihren vielseitigen Verstrickungen mit den historischen wie aktuellen sozi-alen und politischen Realitäten zieht, dies mit ihren eigenen Erfarhungen, mit O-Tönen von Ezidinnen und Eziden und mit ihrer eigenen ebenso kritischen wie respektvollen Meinung vermischt, ist es der Autorin gelungen, eine interessante Einführung in dieses auch wenigen Islamwissenschaftlern bekannte Thema zu geben. Dabei beschränkt sie sich nicht nur auf histori-sche Fakten und die Nennung religiöser Schlagwörter, sondern gibt Einblick in die aktuellen, sehr lebendigen und dynamischen Prozesse innerhalb dieser Gemein-schaft.

von Leitner, Gerit. „Bis die Araber klein beigeben: Europas vergessener Krieg im Maghreb.“ Berlin: Klak, 2019. 150 Seiten. ISBN 978-3-94-815608-4.

Auf den Spuren Abdel Krims

Gerit von Leitner ist ausgebildete Historikerin und Pädagogin und arbeitet seit Jahren im Medienbereich. So erschien auch das vorliegende Buch, allerdings gekürzt, zunächst als Hörspiel-Feature beim Deutsch-landfunk. Die Autorin nimmt ihre Leser mit auf eine Erkundungstour und berichtet, wie sie in der nordma-

rokkanischen Großstadt Tāza über die vielleicht größte

ʿAbdu-l-Karīm al-Ḫaṭṭābī, in der deutschen Literatur

Rīf-Region gegen eine spanisch-französische Kolonial

Rīf-Bewohner zu Wort, die zu dem Thema geforscht

Unter Arabern populär, erlangte ʿAbdu-l-Karīm im

Unbekanntheit ʿAbdu-l-Karīms dürfte auch daran

miewaffen ironisch als »die neuesten Gaben der Zivilisa

War der Rīf-Aufstand für nationale Befreiungsbewe

Spanien, die sich ansonsten um den Einfluss in Marokko

det hatte, half bei der Niederschlagung der Rīf-Bewe

Rīf versündigte sich Deutschland also gleich mehrfach -

und zu töten« (S. 31) - stieg ein spanischer Offizier zum

Franco. Die Kontakte, die er während des Rīf-Kriegs zu

Noch heute wirken Kolonialismus und Rīf-Krieg nach:

Rīf-Bevölkerung als Folge der Chemiewaffeneinsätze,

sation«. (S. 100) ʿAbdu-l-Karīm und seine Rīf-Republik

in al-Ḥusayma im November 2016 soziale Unruhen

ʿAbdu-l-Karīm hoch.

Ausführungen wett. Zahlreiche Fotos aus Tāza, Tiṭwān oder al-Ḥusayma, historische Ablichtungen von ʿAbdu l-Karīm, General Franco und Che Guevara, von Solda

und Zeitungsartikeln, Aufnahmen von Rīf-Bewohnern

deutschsprachige Literatur zu ʿAbdu-l-Karīm nach wie

oder klassischen biografischen Arbeit nicht schließen.

herstellt, wobei sie stets Betroffene zu Wort kommen

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keit erfrischend. Wissenschaft findet nicht im luftleeren

Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche

Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen,

nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das

häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden,

war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi

Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz

Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele

könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa

tiven als auch auf die historische Verflechtung dieser

grund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein

Zeit modifiziert hat, indem sie die Interviewten zuneh

auf den bekannten muslimischen Gelehrten Ḥasan al-Baṣrī (642-728) und auch zum Sufismus sind Paralle

viele Eziden ihren christlichen Nachbarn Zuflucht. Auf Engel Pfau

Iblīs

vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen,

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter

yazīdīy

dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie

profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum

ḏimmī

entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche

scher Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische

nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte

Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das

Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer

Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offe

rokkanischen Großstadt Tāza über die vielleicht größte Persönlichkeit in der Geschichte Marokkos stolpert: ʿAbdu-l-Karīm al-Ḫaṭṭābī, in der deutschen Literatur meist Abdel Krim genannt, führte von 1921-1926 einen erbitterten Befreiungskrieg in der nordmarokkanischen Rīf-Region gegen eine spanisch-französische Kolonial-koalition. In von Leitners Buch kommen vor allem Rīf-Bewohner zu Wort, die zu dem Thema geforscht haben oder als Zeitzeugen berichten. Damit gibt das Buch zumindest einen Einblick in die indigene kultu-relle und wissenschaftliche Aneignung dieses histori-schen Themas, eine Perspektive, die im europäischen Diskurs bis heute oft genug zu kurz kommt, wenn sie nicht sogar ganz fehlt.

Unter Arabern populär, erlangte ʿAbdu-l-Karīm im Westen nie die Bekanntheit wie etwa der vietnamesi-sche Freiheitskämpfer Ho Chi Minh, der chinesische Staatsgründer Mao Zedong oder der lateinamerikani-sche Revolutionär Ernesto Che Guervara, für die er ein Vorbild war. Das gilt nach eigenem Bekunden auch für die Autorin selbst: »Ich habe von Abdelkrim noch nie gehört«, (S. 16) schreibt sie zu Beginn - vielleicht handelt es sich aber auch nur um einen stilistischen Trick, um die Hörer bzw. Leser abzuholen. Die relative Unbekanntheit ʿAbdu-l-Karīms dürfte auch daran liegen, dass er zwar seinerzeit die europäischen Kolonial-herren das Fürchten lehrte, sein Befreiungskrieg aber letztlich scheiterte. Die von ihm angewandte Guerilla-taktik jedoch wurde von der chinesischen Volksbefrei-ungsarmee und den Vietminh höchst erfolgreich kopiert und Che Guevara besuchte sein Idol kurz nach der kubanischen Revolution 1959 in Kairo. Schon während des Krieges »leisteten Linke, Sozialisten und Frauen Widerstand in Frankreich.« (S. 34) Von sowjetischer Seite wurden die gegen die Rebellen eingesetzten Che-miewaffen ironisch als »die neuesten Gaben der Zivilisa-tion« (Ebd.) bezeichnet.

War der Rīf-Aufstand für nationale Befreiungsbewe-gungen und die politische Linke ein positiver Bezugs-punkt, so wirkte der spanische Kolonialkrieg ähnlich verbindend auf Europas Reaktionäre: Frankreich und Spanien, die sich ansonsten um den Einfluss in Marokko stritten, arbeiteten eng zusammen, wenn es darum ging, jeden Befreiungsversuch der Kolonisierten im Keim zu ersticken. Und auch Deutschland, das Anfang des 20. Jahrhunderts seine Interessen in Marokko gegenüber den beiden Konkurrenten mehrfach und aggressiv angemel-det hatte, half bei der Niederschlagung der Rīf-Bewe-gung. Das Giftgas, das, wie man im Buch erfährt, in Marokko erstmalig in großem Stil aus der Luft einge-setzt wurde, stammte aus der Weimarer Republik. Tatsächlich fanden in Marokko 1913 auch schon die ersten Flugzeugbombardements der Geschichte statt. Die Sprengkörper stammten aus dem Kaiserreich. Im

Rīf versündigte sich Deutschland also gleich mehrfach - zuerst mit »kaiserlichen« Bomben, später mit »demokra-tischem« Giftgas. Daneben kann dieser Krieg als einer der vielen Väter des Faschismus gelten: Durch seine »Heldentaten« bei der Aufstandsbekämpfung - »er erlaubte seinen Legionären, die Opfer zu verstümmeln und zu töten« (S. 31) - stieg ein spanischer Offizier zum jüngsten General Europas auf. Sein Name war Francisco Franco. Die Kontakte, die er während des Rīf-Kriegs zu deutschen Handelsvertretern schloss, vermittelten ihm bei seinem Putsch 1936 den für den Sieg entscheidenden Kontakt zu Hitler.

Noch heute wirken Kolonialismus und Rīf-Krieg nach: Im Buch benannt werden Marokkos Rolle in der EU-Flüchtlingsabwehr, die hohe Krebsrate unter der Rīf-Bevölkerung als Folge der Chemiewaffeneinsätze, das fehlende Interesse des Herrscherhauses an histori-scher Aufklärung und die »Barbarei des islamistischen Terrors« als »ein zeitverschobenes Echo auf die Zurich-tung des arabischen Raums im Namen westlicher Zivili-sation«. (S. 100) ʿAbdu-l-Karīm und seine Rīf-Republik stehen symbolhaft sowohl für den Widerstand gegen den Kolonialismus, wie auch als Alternative zur marok-kanischen Monarchie und zum Islamismus. Noch immer tragen junge Leute stolz T-Shirts mit seinem Konterfei; als nach dem Tod eines jungen Fischhändlers in al-Ḥusayma im November 2016 soziale Unruhen ausbrachen, hielten Demonstranten Fotos von ʿAbdu-l-Karīm hoch.

Was ein Radio-Feature einem Text in Sachen auditiver Inszenierung und Stimmungsgestaltung voraushat, macht das Buch durch visuelle Gestaltung und vertiefte Ausführungen wett. Zahlreiche Fotos aus Tāza, Tiṭwān oder al-Ḥusayma, historische Ablichtungen von ʿAbdu l-Karīm, General Franco und Che Guevara, von Solda-ten und Kriegseinsätzen, von Friedensdemonstrationen und Zeitungsartikeln, Aufnahmen von Rīf-Bewohnern in ihrem Alltag und bei den jüngsten Protesten sowie Portraits von den Interviewten ergänzen die Reportage und vermitteln vielseitige Eindrücke. Im Gegensatz zur englischen, französischen oder spanischen ist die deutschsprachige Literatur zu ʿAbdu-l-Karīm nach wie vor dünn gestreut. Die Bücher bekommt man - wenn überhaupt - nur antiquarisch und für teures Geld. Von Leitners Buch kann die Lücke einer wissenschaftlichen oder klassischen biografischen Arbeit nicht schließen. Aber die Autorin hat eine interessante und leicht zugängliche Reportage vorgelegt, die auf spannende Weise Grundwissen zu einem wichtigen Thema vermit-telt und vielfältige Bezüge zur aktuellen Realität herstellt, wobei sie stets Betroffene zu Wort kommen lässt und sich an deren Berichten und Ansichten entlang den Weg bahnt.

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Kolonien«. Keskinkiliç legt dabei offen, dass zahlreiche

Seite sind offensichtlich. Weitere Übereinstimmungen,

nach einer Deutschpflicht sowie der Behauptung, das

häufig als vermeintliche Opfer entmündigt werden,

war. Während die Rassismus-Forschung von der Rassifi

Heinrich Becker 1910 offen, der angebliche Gegensatz

Vordenker der Ökumene, Julius Richter, 1905 vom

handelt es sich zudem offensichtlich um eine Parallele

könne, es aber nicht zwangsläufig müsse, wie dies etwa

tiven als auch auf die historische Verflechtung dieser

grund des Palästinakonflikts von vielen Seiten ein

Zeit modifiziert hat, indem sie die Interviewten zuneh

auf den bekannten muslimischen Gelehrten Ḥasan al-Baṣrī (642-728) und auch zum Sufismus sind Paralle

viele Eziden ihren christlichen Nachbarn Zuflucht. Auf Engel Pfau

Iblīs

vor die Wahl, Kopfsteuer zu zahlen oder zu fliehen,

eigentlich ein abwertender Begriff ist: Er suggeriert, die Religion gehe auf Yazīd ibn Muʿāwiya zurück. Als Mörder Ḥusain ibn ʿAlīs, der von den Schiiten als dritter

yazīdīy

dieser Zeit flohen. Während sie in der Sowjetunion, wie

profitierten, litten sie in den anderen Staaten unter zum

ḏimmī

entbrandte. In dieser Zeit flohen erstmals zahlreiche

scher Nationalität. Derzeit befinde sich die ezdische

nicht gebildet.« (S. 39) Das öffne Perspektiven für soziale

Allerdings bestehen auch im Exil Gräben und Konflikte

Bezug ablehnen. Die erste Gruppe identifiziert das

Autorin zufolge in erster Linie der Schaffung einer

Die zweite Gruppe befinde sich dagegen in einem offe

Aktuelles aus der Fachpublikation

JUSUR 2 (2020) 47-47

Orient - Deutsche Zeitschrift für Politik, Wirt-schaft und Kultur des Orients, 02/2020

Die aktuelle Ausgabe von Orient legt den Fokus auf »Reformen und Wahlen im Nahen Ost und Nordafrika. Die Artikel widmen sich u.a. den »Ḥirāk«-Protesten und den letzten Wahlen in Algerien, sicherheitspolitischen Fragen im Kontext von Wahlen in der Türkei und dem Wahlsystem in Israel. Auch werden die jüngsten Verhandlungen der US-Regierung mit den afghani-schen Taliban behandelt.

Die Welt des Islams, Band 60

Die internationale Zeitschrift beschäftigt sich im Allge-meinen mit der neuzeitlichen Geschichte und Kultur der islamischen Welt, also vom 18. Jahrhundert an bis zur Gegenwart. Die Artikel sind in der Regel auf Eng-lisch, Französisch oder Deutsch verfasst. Die aktuelle Ausgabe widmet sich neben den »Literaturen des Orients« und der öffentlichen Kultur Ägyptens auch mehreren gesellschaftlichen und politischen Konflikten in der MENA-Region, etwa dem Verhältnis zwischen Islam, Politik und Menschenrechten, der sog. sunni-tisch-schiitischen Spaltung oder der Geschichte und aktuellen Situation irakischer Juden in Israel. Studieren-de der RUB haben per VPN-Verbindung online Zugriff die gesamte Zeitschrift.

Zenith, 01/2020

Trotz der aktuellen Lage, aufgrund derer es derzeit so gut wie unmöglich ist, Länder wie Irak, Afghanistan, Syrien oder den Jemen zu bereisen, gibt das Fachmaga-zin mit seiner »Reportagen Ausgabe« die Möglichkeit, eine literarische Reise vom Mittelmeer bis zum Hindu-kusch anzutreten. Dabei begegnet man u.a. Forensikern im Irak, die sich der Aufgabe widmen, das Schicksal der vielen in knapp zwei Jahrzehnten Krieg, Besatzung und Bürgerkrieg Vermissten ans Tageslicht zu bringen, Geschichtenerzählern in Palästina und Fischern im von den Saudis und ihren Verbündeten zerrütteten Jemen.

Inamo - Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten, Nr. 99/100 Herbst/Winter 2019

Unter dem Titel »The End« erschien im Winter die letzte Doppelausgabe des Informationsprojekts Naher

und Mittlerer Osten (Inamo). Das Projekt wurde nach 25 Jahren eingestellt, die erste Ausgabe erschien 1995 und widmete sich den Folgen des Golfkriegs 1991 und der verheerenden UN-Blockade gegen den Irak. Das Projekt wurde vom gleichnamigen Verein ins Leben gerufen, verstand sich als Bindeglied zwischen Fachleu-ten und interessierten Laien und stützte sich auf ehren-amtliche Arbeiten. Es ging, laut eigenem Bekunden, damals konkret darum, das »Nachrichtenmonopol des amerikanischen Militärs« zu brechen und dem »oft bis zur Karikatur verzerrten Bild über den Nahen und Mitt-leren Osten« in den Massenmedien etwas entgegen zu setzen. Schon länger hatte die Zeitschrift finanzielle Probleme, konnte sich aber immer wieder dank der Unterstützung durch Leserschaft und Autoren über Wasser halten.

Für die letzte Ausgabe hat die Redaktion noch einmal alles gegeben: 110 Seiten mit zahlreichen Beiträgen verschiedener Inamo-Autorinnen und -Autoren, in denen sie die letzten 25 Jahre politischer und gesell-schaftlicher Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten reflektieren. Darunter Namen wie Gilbert Achcar, Helga Baumgarten, Alexander Flores, Ilan Pappé, Werner Ruf, Udo Steinbach und Moshe Zuckermann.

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Veranstaltungen*

JUSUR 2 (2020) 48-48

»Die Verdammten dieser Erde« von Frantz FanonSeit 23.04. - Do., 18:00 Uhr - Web-Lesekreis

Lesekreis zum Klassiker der antikolonialen Revolution von dem am algerischen Befreiungskrieg beteiligten Psychologen und Arzt Frantz Fanon, ausgerichtet von der Linken Liste Bochum.

Alsharq Reise - Virtuelle Besuche Infos auf: www.alsharq-reise.de und www.facebook.-com/alsharqreise

Alsharq Reise bietet zahlreiche kostenlose „virtuelle Reisen“ per Livestream an, in denen über politische, gesellschaftliche und kultu-relle Themen referiert werden: 11.06. Afghanistan, 17.06. Uzbekis-tan, 25.06. Iran und 01.07. Myanmar.

Der Orient ohne Orientierung. Staat, Gesellschaft und Natur im Nahen Osten in der Krise13./14.06., ganztägig - Workshop - Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung, Sebastianstr. 21, 10179 Berlin - Anmeldepflichtig

Workshop mit Dr. Gökhan Tuncer, Politikwissenschaftler, Lecturer am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, und Dr. Alphan Tuncer, Politikwissenschaftler und Nahost-Experte, ausgerichtet von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Klavierkonzert mit Liedern aus Syrien - Aeham Ahmad21.06., So., 11:00 Uhr - Residenzschloss Münster, Schlos-splatz 2 Aula, 48149 Münster - Eintritt frei

2014 ging ein Foto um die Welt, das festhielt, wie Aeham Ahmad inmitten der Ruinen des Palästinenserlagers Yarmouk in Syrien aus Protest gegen die Hungersnot auf seinem Klavier spielte, das der IS später vor seinen Augen verbrennen sollte. 2015 floh er über die Balkanroute nach Deutschland. Angst, Schmerz und Trauer: Ahmad schafft es auf einzigartiger Weise, den Hörer all diese Erfahrungen spüren zu lassen. Seine Musik verbindet orientalische Volkslieder, westliche Klänge und Eigenkompositionen. 2015 erhielt Aeham Ahmad den Beethovenpreis und 2017 den Weltmusikpreis „Creole“. 2017 erschien seine Autobiografie Und die Vögel werden singen.

Der Koran: Zwischen Buch und Performance16.10., Fr. 18:00 Uhr - Bluesquare Bochum, Kortumstr. 90, 44787 Bochum - Eintritt frei

Vortrag von Prof. Johann Büssow (RUB) in der Veranstaltungsreihe »Werke der Literatur«, in dem grundlegende Einsichten der wissen-schaftlichen Koranforschung und das vielfältige ästhetische Erleben des Korans im Mittelpunkt stehen.

* Aufgrund der Corona-Krise wird gebeten Präsenztermine zum gegebenen Zeitpunkt nochmals zu prüfen.

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Impressum

RedaktionYousief SleimanLeon Wystrychowski

AutorenJoe BreuerVanessa PoggenburgAmando SaalbachLeon Wystrychowski

MitarbeiterFurkan MenekseMelek Zengin

Gastautor Werner Ruf

LayoutYousief Sleiman

Kontakt Ruhr-Universität BochumSeminar für Orientalistik und IslamwissenschaftFachschaftUniversitätsstr. 150GC 6/15444801 Bochum

Folgt uns facebook.com/jusurrub facebook.com/fsrorient instagram.com/fachschaft_orientalistik_rub

Beiträge [email protected] [email protected]

ISSN 2701-1232E-ISSN 2701-1240

BildnachweiseCover/Back: Nabil Ismail www.nabilismail.com facebook.com/nabilismail99 instagram.com/nabilismail.photojournalist twitter.com/nabilismail99

07: Alexander Peters. 10: Like tears in rain. NabateensRoutes. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:NabateensRoutes.png. Deutsche Übersetzung, veränderte Schriftart u. skaliert von Yousief Sleiman. CC BY-SA 3.0. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode 13, 17: Milos Radevic. Hagia Sofia, Constantinople. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Crk_bm_3.jpg). Skaliert von Yousief Sleiman. CC BY-SA 3.0. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode .16: Leon Wystrychowski.20, 26: Yousief Sleiman.32: Leon Wystrychowski. 35: Daniel Bobadilla. Sahara Occidental.www.flickr.com/photos/dnlb2/4632718856/. CC BY-NC-SA 2.0.https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/. 36: Karl Rössel. „Wind, Sand und (Mercedes-) Sterne - Westsahara: Der vergessene Kampf für die Freiheit.“ (Bad Honnef: Horlemann, 1991).“: 159.38: A. Hermann. Geographisches Institut der Universität Bern (2019). 40: Western Sahara. Joy-Alegria-Poza. www.flickr.com/photos/sahara/89508377/. CC BY-SA 2.0. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/.

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ISSN 2701-1232

E-ISSN 2701-1240