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Handbuch für eine kultursensible Altenpflegeausbildung. Modul I: Das Eigene und das Fremde

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Handbuch für eine kultursensible Altenpflegeausbildung.

Modul I: Das Eigene und das Fremde

Herausgeber:

Bundesministerium

für Familie, Senioren, Frauen

und Jugend

11018 Berlin

www.bmfsfj.de

Projektbearbeitung:

Evangelische Fachhochschule Hannover

Blumhardtstraße 2

30625 Hannover

Internet: www.efh-hannover.de

Projektleitung:

Prof. Dr. Barbara Hellige

Projektmitarbeit:

Dorothee Michaelis (Dipl.-Päd.)

Gestaltung:

Evangelische Fachhochschule Hannover

Evaluation:

Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH

an der Universität Hannover

Lister Straße 15

30163 Hannover

Internet: www.ies.uni-hannover.de

Projektbearbeitung:

Beate Seusing (Magister Artium)

Stand:

Dezember 2005

Das Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert.

Das Handbuch ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung; es wird kostenlos abgegeben und ist

nicht zum Verkauf bestimmt.

Hinweise zum Aufbau des Handbuches Zur Arbeitserleichterung ist das Handbuch in vier PDF-Dateien und zwei MP3-Dateien er-stellt worden.

PDF 1 Einführung in das Handbuch PDF 2 Modul I PDF 3 Modul II PDF 4 Modul III MP3 1 Hörspiel 1 (13,6 Mbyte) MP3 2 Hörspiel 2 (10,5 Mbyte)

Diese können einzeln herunter geladen werden. Zum Anhören der Hörspiele benötigen Sie ein entsprechendes Audioprogramm. Hörspiel 1 ist für Modul II, Lernsequenz 6 vorgesehen, Hörspiel 2 für Modul III, Lernsequenz 5. In der PDF 1 „Einführung in das Handbuch“ finden Sie

o Benutzerhinweise für das Handbuch o eine Beschreibung des Modellprojektes o Ausführungen zu den Ausbildungsrahmenbedingungen o eine Annäherung an den Begriff „Kultursensible Altenpflege“ o Hinweise zum methodisch-didaktischen Aufbau o eine Skizzierung des Projektverlaufs o und die Ergebnisse der Evaluation

Zum besseren Verständnis und zum effektiven Arbeiten empfiehlt es sich, diese Hintergrund-informationen zu lesen.

Modul I

Das Eigene und das Fremde

Kompaktübersicht Modul I

Übersicht: Modul I Das Eigene und das Fremde I

Didaktischer Kommentar und Zielsetzung 1

Legende für die Piktogramme 5

Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 7

I.LE 1.LS 1 – 5 Lernerfolgsüberprüfung 7

I.LE 1.LS 1 Gegenstand aus der Kindheit 8

I.LE 1.LS 2 Familie 12

I.LE 1.LS 3 Wohnraum 19

I.LE 1.LS 4 Hygiene und Sauberkeit 24

I.LE 1.LS 5 Essen 30

Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 35

I.LE 2.LS 6 Lernerfolgsüberprüfung 35

I.LE 2.LS 6 Klischeebilder und Vorurteile 36

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 55

I.LE 3.LS 7 Kultur und Lebenswelt 55

I.LE 3.LS 8 Migranten und Migrantinnen, Aussiedler und Aussiedlerinnen, Flüchtlinge ... Begriffsklärungen und Migrationsgeschichte 89

I.LE 3.LS 9 Switchen 129

I.LE 3.LS 10 Lebenswelten und soziale Netzwerke von Migranten und Migrantinnen sowie Spätaussiedlern und Spätaussiedlerinnen 132

Modul I. Das Eigene und das Fremde I

Übersicht: Modul I Das Eigene und das Fremde (Gesamtzeit: 31 Std. + 1 Woche Projekt) Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in BiografienZielsetzung: Erfahren, dass es Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Alltagskulturen gibt, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen und Unterschiede innerhalb einer Kultur bestehen. Erfahren, dass es Unterschiede in der familiären Sozialisation gibt und dass diese bis in das Erwachsenenleben und Alter hineinwirken. Sensibilisierung für individuelle und kulturelle Lebenswelten und damit verbundene Gewohnheiten und Einstellungen. Neugierde und Interesse wecken für die Bedeutung des biografischen Arbeitens mit alten Men-schen aus verschiedenen Kulturen Methode: Biografiearbeit Zeit: Ca. 1 Tag Zielsetzung Methode Sozialform Medium Zeit LS 1 – 5 Lernerfolgsüberprüfung

LS 1 Gegenstand aus der KindheitErkennen der Vielfalt von symbolischen Gegenständen in Kulturen Einen Gegenstand aus der Kindheit mitbringen und der

Gruppe vorstellen Gesamtgruppe Leitfaden

Material 1 Medien 1

45 Min.

LS 2 FamilieAustausch von Erfahrungen in der familiären Sozialisation „Kindheitserfahrungen im Interviewspiel“ Gesprächskreis

oder Kleingruppe

LeitfadenMaterial 1 TU 1 Medien 1

45 Min.

LS 3 WohnraumSoziokulturelle Einflüsse erkunden und erfahren, dass Gemeinsamkei-ten aber auch Unterschiede bei Wohnkulturen existieren

„Unsere Wohnung“ Imagination Bild malen oder zu zweit austauschen Auswertung mit Leitfragen

Gesamtgruppe Einzel- oder Partnerarbeit Gesamtgruppe

LeitfadenMaterial 1 Medien 1

90 Min.

LS 4 Hygiene und SauberkeitErfahrungen mit der Körperhygiene in der Herkunftsfamilie reflektie-ren, Gemeinsamkeiten und Unterschiede reflektieren, auch in Hinblick auf die Bedeutung für die Altenpflege

„Hygiene und Sauberkeit“ Austausch mit Gesprächsleitfaden Zusammentragen und Systematisierung der wichtigsten Erkenntnisse Gemeinsame Bearbeitung von Leitfragen

Kleingruppe Gesamtgruppe Gesamtgruppe

LeitfadenMaterial 1 Arbeitsblatt 1 Medien 1

90 Min.

LS 5 EssenÜber die sinnliche Erfahrung kulturspezifische Essgewohnheiten re-flektieren und im Hinblick auf die Bedeutung für die Altenpflege re-flektieren

Gemeinsames Essen von mitgebrachtem kalten Buffet + Leitfragen

Gesamtgruppe LeitfadenMaterial 1 TU 1 Medien 1

45 Min.

315 Min

Modul I. Das Eigene und das Fremde II

Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber FremdenDie Auszubildenden sollen sich ihrer eigenen Haltung sowie ihrer Vor-Urteile gegenüber Fremdem bewusst werden. Methode: Szenisches Spiel Zeit: 1 – 2 Tage Zielsetzung Methode Sozialform Medium Zeit LS 6 Lernerfolgsüberprüfung LS 6 Klischeebilder und VorurteileMit der Methode des szenischen Spiels sollen Abwehrmechanismen in ihrem Ausdruck und damit verbundene Reaktionen sinnlich erfahrbar gemacht werden. Durch das szenische Spiel soll das Körpergedächtnis aktiviert werden und reflektiert werden, welche Gefühle damit verbun-den sind. Die Auszubildenden sollen lernen, sich in die Situation des Gegenüber hinein zu versetzen und erfahren, dass dieselbe Situation sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Reaktionen auslösen kann.

1. Einstiegsrunde 2. Klischeebilder zum Thema „Migranten und Migran-

tinnen“ bauen und interpretieren 3. Denkmal zum Thema „Migranten und Migrantin-

nen“ bauen und deuten 4. Bewegungsübungen (Blind führen lassen) 5. Vorurteilsbilder gegenüber ethnischen Gruppen und

„Gegenbilder“ erbauen und deuten 6. Körper- und Bewegungsübungen „Alte Menschen“ 7. Schwierige Situationen mit Auslän-

der/Ausländerinnen anhand von Protagonisten-Standbildern bearbeiten + Vorübungen (Statuen bauen)

Gesamtgruppe LeitfadenMaterialien 1- 3 Medien 1

Sequenzen 1 – 6 = 1 Tag Sequenzen 1 – 7 = 2 Tage

Modul I. Das Eigene und das Fremde III

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale NetzwerkeZielsetzung: Nachdem die Auszubildenden durch die vorangegangenen erfahrungsorientierten Lerneinheiten für die Vielfalt von Lebensstilen sensibilisiert worden sind, sollen sie Lebenswelten und soziale Netzwerke von Migranten/Migrantinnen und Spätaussiedlern/Spätaussiedlerinnen mit Hilfe der Projektmethode selbstständig erkunden. Zur Vorbereitung werden Basisinformationen zum Thema Migration vermittelt, die als Impulsgeber genutzt werden können. Anschließend werden Migrations- und Akkulturationsprozesse anhand exemplarischer Beispiele in ihren Ursachen und Folgen analysiert. Die Auszubildenden sollen erkennen, dass diese Prozesse sehr unterschiedlich verlaufen können und nur auf der Folie des soziokulturellen Kontextes nachvollziehbar sind. Zeit: 1 Tag Zielsetzung Methode Sozialform Medium Zeit LS 7 Kultur und LebensweltAuseinandersetzung mit dem Begriff Kultur, Aufbrechen der Vorstellungen einer homogenen nationalen Kultur

ABC der Nationalkulturen Lehrgespräch Lehrgespräch Tortendiagramm + Lehrgespräch Lehrgespräch Erzählungen

Kleingruppe + Gesamtgruppe Gesamtgruppe Einzelarbeit und Gesamt-gruppe Gesamtgruppe Gesamtgruppe Gesamtgruppe

LeitfadenMaterial 1 Material 2 + Folie 1 Material 3 + Folie 2 – 5 Material 4, TU 1 Material 5 Arbeitsblatt 1 Material 6 Material 7

270 Min.

Modul I. Das Eigene und das Fremde IV

Zielsetzung Methode Sozialform Medium Zeit LS 8 Migranten und Migrantinnen, Aussiedler und Aussiedlerinnen, Flüchtlinge ... Begriffsklärungen und MigrationsgeschichteAbschnitt 1: Begriffe kennen lernen, voneinander unterscheiden können und sachlich anwenden. Bewusst machen, dass die Gründe für Migration oder Einwanderung sehr unterschiedlich sind und deshalb auch die damit verbundenen Erfahrungen differieren (anhand von ausgewählten Beispielen) Abschnitt 2: Exemplarisches Migrationserleben kennenlernen, reflektieren und unter der geschlechtsspezifischen Perspektive betrachten und diskutieren Abschnitt 3: Reflexion der Erkenntnisse auf der Folie von eigenen familiä-ren Migrationserfahrungen Abschluss: Erkennen, dass Migration ein phasenhaftes Geschehen ist, das von persönlichen Grundbedingungen, vorhandenen Kompe-tenzen sowie gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen abhängig ist

Kurzreferat Lehrkraft + Assoziationen zum Film Filmanalyse Reflexion Erzählungen: Gastarbeitergeschichten aus der eigenen Familie und z.B. Großeltern deutscher Auszubildender

Gesamtgruppe Gesamtgruppe Gesamtgruppe Gesamtgruppe

LeitfadenMaterialien 1 - 4 Folien 1- 3 Material 5 Material 6 Folie 4 Medien 1

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LS 9 SwitchenEigene Erfahrungen zum Switchen reflektieren Erzählungen:

Eigene Erfahrungen Gesamtgruppe Leitfaden

Material 1 45 Min.

360 Min.LS 10 Lebenswelten und soziale Netzwerke von Migranten und Migrantinnen sowie Spätaussiedlern und Spätaussiedlerinnen 1

Selbstständig erkunden, wie sich Lebenswelten von Migran-tengruppen in der Bundesrepublik Deutschland entwickeln

Projektmethode Recherche/Befragung von Experten/Expertinnen und Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen von Verei-nen/Verbänden, religiösen Gemeinschaften und Familien sowie Besuchen besonderer Orte, z.B. Synagoge, Aussiedlerheim etc. mit abschließen-dem Arbeitsbericht und selbst gewählter Präsenta-tion, z.B. mit Markt der Möglichkeiten

Gruppenarbeit + Gesamtgrup-pe

LernerfolgsüberprüfungLeitfadenMaterial 1 TU 1 Arbeitsblatt 1 Medien 1

Ca. 1 Woche insge-samt Zeiteinteilung nach Absprache Planung des Projek-tes siehe gesonder-tes Blatt Terminabsprachen im Vorfeld!

1 Grundlagen der Kommunikation werden vorausgesetzt

Modul I: Das Eigene und das Fremde 1

Didaktischer Kommentar und Zielsetzung In dem Modul „Das Eigene und das Fremde“ sollen die Auszubil-denden auf der Basis des erfahrungsorientierten Lernens im Sinne der hermeneutischen Spirale ihr Vorwissen, d.h. ihre biografischen Erfahrungen, ihre „eingekörperten“, oft unbewussten, sprachlich nicht zugänglichen „Vor-Urteile“, das Fremde in ihnen selbst, re-flektieren. Viele der Auszubildenden kennen Enkulturationsprozesse aus eige-ner Erfahrung. Für eine gelingende, vertrauensvolle Zusammenar-beit ist es deshalb unabdingbar, frühzeitig innerhalb der Klasse eine kultursensible Haltung zu entwickeln. Die hierfür notwendigen Schlüsselqualifikationen sind personale und sozial-kommunikative Kompetenzen wie Bewusstheit, Empathie, Toleranz, Respekt, Soli-darität und Reflexionsvermögen. Diese Fähigkeiten lassen sich am besten über das Ansprechen der Emotionen erweitern, „(...) da erst die Offenlegung der Emotionen, die der Umgang mit Fremden aus-löst, die Chance ermöglicht, durch Bildungs- und Informationsar-beit Veränderungen zu bewirken“ (Kollak & Küpper 1997, S. 6). Das Modul enthält drei zeitlich in sich geschlossene Lerneinheiten, die in das Thema „Kultursensible Altenpflege“ einführen und ins-gesamt darauf abzielen, dass die Auszubildenden den sehr unter-schiedlichen Lebenswelten von Migranten und Migrantinnen mit Respekt und Wertschätzung begegnen. Die erste Lerneinheit gibt den Auszubildenden Gelegenheit, die eigene Lebenswelt in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten mit der anderer Menschen genauer zu vergleichen. In der zweiten Lerneinheit soll die eigene Haltung gegenüber „dem Fremden“ reflektiert und die Einsicht gefördert werden, dass das Fremde oftmals ausgefilterte, uner-wünschte Anteile der eigenen Person symbolisiert. In der dritten Lerneinheit steht die vertiefende Auseinandersetzung mit der Le-benssituation von Migranten und Migrantinnen in Deutschland im Zentrum. In der ersten Lerneinheit steht das biografische Erinnern im Mit-telpunkt. Die Auszubildenden sollen verstehen lernen, dass die Biografie nicht nur individuelle Lebensgeschichte ist, sondern auch von soziokulturellen Einflüssen geprägt wird. Die biografische Me-thode ist dort sinnvoll, wo es keine selbstverständlichen oder sehr unterschiedliche Lebenszusammenhänge gibt. Sie stellt das „Eige-ne“ in den Mittelpunkt, lebt von den Erfahrungen, der Einbezie-hung des lebensgeschichtlichen Hintergrundes und der Verarbei-tung dieser Erfahrungen. Biografiearbeit fördert die Selbstwahr-nehmung, die Wertschätzung der eigenen Lebensgeschichte und hilft, Lebenserfahrungen zu ordnen und ihnen Bedeutung zuzu-schreiben. Auf diese Weise kann diese Methode dazu beitragen, eine „innere“ Heimat zu schaffen. Die Auszubildenden haben die Möglichkeit, sich ihres Selbst zu vergewissern.

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Modul I: Das Eigene und das Fremde 2

Darüber hinaus wird ein Perspektivwechsel durch den Austausch innerhalb der Gruppe stimuliert. Die Auszubildenden erfahren von der Fülle an Lebensmöglichkeiten und werden angeregt, kulturelle oder selbst gesetzte Strukturen zu reflektieren. Dies fördert die Wahrnehmung und Wertschätzung fremd erscheinender Lebens-welten, trägt zu gegenseitigem Respekt sowie der Akzeptanz unter-schiedlicher Lebensstile bei und reduziert damit pauschale kulturel-le Zuschreibungen. Die Evaluation dieser Lerneinheit hat gezeigt, dass die Auszubil-denden die biografische Methode positiv beurteilen. Trotz teilweise schmerzhafter Erinnerungen wurde das biografische Arbeiten als anregend empfunden und es bestätigte sich, dass diese Methode geeignet ist, Selbstreflexionsprozesse anzustoßen. Es ist empfeh-lenswert, bei dieser Methode die Freiwilligkeit der Teilnahme zu gewährleisten. Die angegebenen Zeitanteile sind als Richtwerte zu verstehen. Je nach Gruppendynamik sollten diese variiert werden. Die einzelnen Lernsequenzen können sowohl im Block als auch themenspezifisch in entsprechenden Unterrichtseinheiten der AltPflAPrV, Anlage 1 vermittelt werden. In der zweiten Lerneinheit sollen die Auszubildenden sich ihrer eigenen Haltung sowie ihrer Vor-Urteile gegenüber Fremdem be-wusst werden. Bei der Konstruktion und Auseinandersetzung mit dem Fremden hat man es oft mit unbewussten und halbbewussten Prozessen zu tun, die sich der sprachlichen Vermittlung entziehen. Vorurteile werden bereits im Vorschulalter erworben und gefestigt, d.h., sie bestehen auf emotionaler Ebene, bevor die kognitiven Lernprozesse beginnen. Um zu begreifen, welche eigenen Anteile die Auszubildenden bei der Konstruktion des Fremden abwehren, sollten „(...) sie die Möglichkeit haben, in der Auseinandersetzung mit dem Fremden sich neu zu sehen und abgespaltene Bedürfnisse, Wünsche und Verhaltensweisen (wieder) in das eigene Selbstbild zu integrieren.“ (Müller & Scheller 1993, S. 10). Hierfür eignet sich die Methode des szenischen Spiels, da mit die-ser Methode Abwehrmechanismen in ihrem Ausdruck und damit verbundene Reaktionen sinnlich erfahrbar gemacht werden. Im szenischen Spiel werden erlebte und vorgestellte Szenen körperlich nachgestellt und eigene Assoziationen formuliert, um die emotiona-le Dynamik wiederzubeleben und Einfühlungsprozesse zu inszenie-ren (vgl. Müller & Scheller 1993, S. 10). Durch die Szenen können die Auszubildenden ihr Körpergedächtnis aktivieren, sie können reflektieren, welche Rolle sie eingenommen haben, welche Gefühle damit verbunden waren und wie sie deshalb in dieser Situation ge-handelt haben. Die Auszubildenden lernen, sich in die Situation des Gegenübers hinein zu versetzen, und erfahren, dass dieselbe Situa-tion sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Reaktionen auslö-sen kann. Die Evaluation hat ergeben, dass das anvisierte Lernziel mit dieser Methode erreicht werden kann. Gleichzeitig wurde die Umsetzung

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Modul I: Das Eigene und das Fremde 3

als schwierig und spannungsgeladen wahrgenommen. Es ist daher zu empfehlen, dass Lehrkräfte, die keine Vorbildung zu dieser oder ähnlichen Methoden haben, sich entsprechend qualifizieren, da der Erfolg dieser Methode stark von einer sicheren Spielleitung ab-hängt. Je nach Gruppendynamik kann es sinnvoll sein, das szeni-sche Spiel erst zum Ende des ersten Halbjahres der Ausbildung bzw. nach drei Theorieblöcken einzusetzen, um die Auszubilden-den nicht zu überfordern. Sowohl bei der biografischen Methode als auch beim szenischen Spiel zeigen sich Lernerfolge oftmals verzögert, da Selbstreflexion ein prozesshaftes Geschehen ist, das zunächst erste Impulse gibt, die zu einem späteren Zeitpunkt durch die Verknüpfung mit theore-tischen Lehrinhalten wirksam werden. Nachdem die Auszubildenden durch die vorangegangenen erfah-rungsorientierten Lerneinheiten für die Vielfalt von Lebensstilen sensibilisiert worden sind, sollen sie in der dritten Lerneinheit Le-benswelten und soziale Netzwerke von Migranten und Migrantin-nen erkunden. Das soll im Rahmen eines Projektes geschehen, wel-ches den Auszubildenden die Möglichkeit bietet, die Themen-schwerpunkte und Fragen, die sie interessieren, zu formulieren und sich auf diese Weise möglichst selbstständig Hintergrundinformati-onen zu den unterschiedlichen Facetten von Migration anzueignen. Zur Vorbereitung auf das Projekt werden Basisinformationen zum Thema Migration vermittelt, die als Impulsgeber für das eigenstän-dige Arbeiten genutzt werden sollen. Zunächst erhalten die Auszu-bildenden einen Überblick über die einzelnen Begriffsbestimmun-gen, die im Zusammenhang mit Migration genutzt werden, so dass sie sicher damit umgehen können. Anschließend werden Migrati-ons- und Akkulturationsprozesse anhand exemplarischer Beispiele in ihren Ursachen und Folgen analysiert. Die Auszubildenden sol-len hierbei erkennen, dass Migrations- und Akkulturationsprozesse sehr unterschiedlich verlaufen können und nur auf der Folie des jeweiligen soziokulturellen Kontextes nachvollziehbar sind. Insgesamt geht es in der dritten Lerneinheit um das Kennenlernen alltäglicher Lebenswelten von Migranten und Migrantinnen, da die Annäherung an Alltagsnormalität die Basis für eine kultursensible lebensweltlich orientierte Pflege ist. Durch das eigenständige Ar-beiten mittels der Projektmethode werden sowohl personale, sozi-alkommunikative wie auch methodische Kompetenzen erweitert. Darüber hinaus eignen sich die Auszubildenden kultursensible Fachkompetenz an, indem sie ihr Wissen um die Lebenswelten von Migranten und Migrantinnen erweitern.

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Modul I: Das Eigene und das Fremde 4

Literatur Kollak, I.; Küpper, H. (1997): Gelebte Mulitkulturalität. In: Pfle-ge und Gesellschaft , 2.Jg. Hft. 1, S. 2-6. Müller, A.; Scheller, I. (1993): Das Eigene und das Fremde. Ol-denburg

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 5

Legende für die Piktogramme

Lehrvortrag

Folie

Lehrgespräch und Plenum

Film und Video

Flipchart

Pinwand

TN-Unterlagen, Arbeitsblätter, Malblätter

Einzelarbeit

Gruppenarbeit und Gruppenkreis

Partnerarbeit Quelle: HVBG und BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 6

Hörspiel

Geschichten, Erzählungen Zeitumfang: ¼ Stunde Zeitumfang: ½ Stunde Zeitumfang: ¾ Stunde

Leitfaden Orientierung für die Lehrkraft (gesamte Lernsequenz)

Lernerfolgsüberprüfung Vorschläge für eine Lernerfolgsüberprüfung

Materialien Orientierung für die Lehrkraft (einzelne Lernsequenzen) sowie Hintergrundinformationen

Folien Hilfsmaterial für Kurzvorträge der Lehrkraft

Teilnehmerunterlagen Hintergrundinformationen für Arbeitsaufträge (Auszubildende)

Arbeitsblatt Arbeitsaufträge für die Auszubildenden

Medien Zitierte und weiterführende Literatur

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 7

Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien I.LE 1.LS 1 – 5 Lernerfolgsüberprüfung

Diese Lernerfolgsüberprüfung ist nur dann sinnvoll, wenn die Lernse-quenzen 1 - 5 im Block durchgeführt werden. Überprüfungsbogen „Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biogra-fien“

1. Haben Sie durch die Bearbeitung dieser Themen einen Eindruck von den Gemeinsamkeiten und Unterschieden des Alltags in verschiedenen Kulturen bekommen?

Ja

ein wenig

weiss nicht

2. Die Biografiearbeit soll die Selbstwahrnehmung fördern, Lebenserfahrungen ordnen und zu einer Wertschätzung der eigenen Lebensgeschichte führen. Was sagen Sie auf Grund Ihrer eigenen Erfahrung dazu?

das ist vollständig gelungen

das ist teilweise gelungen

das ist in Ansätzen gelungen

das ist gar nicht

gelungen

______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ Bitte erläutern Sie Ihre Antwort.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 8

I.LE 1.LS 1 Gegenstand aus der Kindheit

Leitfaden

Material 1

Medien 1

1

Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 9

I.LE 1.LS 1 Leitfaden

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

1.1 Theoretische Grundlagen in das al-tenpflegerische Handeln einbeziehen (Bio-grafiearbeit)

2.1 Lebenswelten und soziale Netzwerke beim altenpflegerischen Handeln berück-sichtigen (interkulturelle Aspekte)

Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien Biografiearbeit: Einstieg Sozialform Medien Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen die symbolische Vielfalt von Kulturen erkennen, und es soll Neu-gierde für die Bedeutung von Symbolen geweckt werden. Methodisches Vorgehen: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden im Vorfeld gebeten, einen Gegenstand aus ihrer Kindheit mitzubringen, der eine besondere Bedeutung für sie hatte. Im Gesprächskreis stellen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die mitgebrachten Gegens-tände einander vor und legen sie in die Mitte (I.LE 1.LS 1 Material 1). Nach Abschluss der Übung können die mitgebrachten Gegenstände im Klassenraum verteilt werden (auf Tischen und Fensterbänken), so dass sie den ganzen Tag über noch sichtbar sind.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 10

I.LE 1.LS 1 Material 1

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen die sym-bolische Vielfalt von Kulturen erken-nen, und es soll Neugierde für die Bedeutung von Symbolen geweckt werden.

Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien Biografiearbeit: Einstieg Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden im Vorfeld gebeten, einen Gegenstand aus ihrer Kindheit mitzubringen, der eine besondere Bedeutung für sie hatte. Falls solche Gegenstände nicht mehr vorhanden sind, können auch Dinge mitgebracht werden, die den ursprünglichen Gegenstand symbolisieren. Schritt 2: Im Gesprächskreis stellen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die mitgebrachten Gegens-tände einander vor und legen sie in die Mitte. Nach Abschluss der Übung können die mitgebrachten Gegenstände im Klassenraum verteilt werden (auf Tischen und Fensterbänken), so dass sie den ganzen Tag über noch sichtbar sind.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 11

I.LE 1.LS 1 Medien 1 Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien

Biografiearbeit: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg Blimlinger, E.; Ertl, A.; Koch-Straube, U.; Wappelshammer, E. (1996): Lebensgeschich-ten. Biographiearbeit mit alten Menschen. Hannover Müller, D.; Schesny-Hartkorn,H.(1998): Biographiearbeit mit verwirrten alten Menschen - ein Fortbildungsprogramm. Kuratorium Deutsche Altershilfe 137 Ruhe, H.G. (1998): Methoden der Biographiearbeit. Lebensgeschichte und Lebensbilanz in Therapie, Altenhilfe und Erwachsenenbildung. Weinheim Deutscher Verein für Pflegewissenschaft: Zsr. „Pflege und Gesellschaft“, Heft 1/04

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 12

I.LE 1.LS 2 Familie

Leitfaden

Material 1

Teilnehmerunterlage 1

Medien 1

1

Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 13

I.LE 1.LS 2 Leitfaden Thema: Familie

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1: 1.1 Theoretische Grundlagen in das altenpfle-

gerische Handeln einbeziehen (Biografiearbeit) 2.1 Lebenswelten und soziale Netzwerke beim

altenpflegerischen Handeln berücksichtigen (inter-kulturelle Aspekte)

Biografiearbeit: „Kindheitserfahrungen im Interviewspiel“ Sozialform Medien Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen sich über ihre Erfahrungen in der familiären Sozialisation austau-schen. Methodisches Vorgehen: In einem Interviewspiel (I.LE 1.LS 2 Material 1) mit vorbereiteten Fragen (I.LE 1.LS 2.TU 1) werden Erfahrungen in der familiären Sozialisation ausgetauscht und anschließend unter be-stimmten Fragestellungen (I.LE 1.LS 2 Material 1) ausgewertet.

Je nach Gruppenzusammensetzung sollte die Lehrkraft entscheiden, ob dieses Interviewspiel in der großen Runde oder in Kleingruppen durchgeführt werden soll. Bei der Erprobung die-ser Methode hat die Evaluation ergeben, dass einige Auszubildende (13 %) die Fragen als zu persönlich empfanden. Dennoch wurden die Erinnerungen – teilweise auch im Spiegel der sie stark bewegenden Geschichten von anderen – als wichtig für die persönliche Auseinander-setzung eingestuft.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 14

Diese Methode kann das biografische Interesse der Auszubildenden wecken und somit im Zusammenhang mit Biografiearbeit genutzt werden. Bei einer multikulturellen Zusammen-setzung der Klasse bietet sich die Methode an, um sowohl kulturell gemeinsame als auch un-terschiedliche Aspekte zu entdecken.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 15

I.LE 1.LS 2 Material 1 Thema: Familie Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen sich

über ihre Erfahrungen in der fami-liären Sozialisation austauschen.

Biografiearbeit: „Kindheitserfahrungen im Interviewspiel“ Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1 Alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen bekommen eine Liste mit Fragen (I.LE 1.LS 2.TU 1). Eine Person beginnt die Gesprächsrunde, indem sie eine der Fragen an eine andere Person richtet. Auch andere Personen können dazu etwas sagen. Ziel ist, ein Gespräch entstehen zu lassen. Wenn das Gespräch stockt, stellt die ursprünglich befragte Person die nächste Frage an eine weitere Person usw. Es können auch selbst ausgedachte Fragen gestellt werden.

Je nach Gruppenzusammensetzung kann es sein, dass die Auszubildenden die Fragen in der großen Runde als zu persönlich empfinden. In diesem Fall sollte das Interviewspiel in Klein-gruppen durchgeführt werden.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 16

Schritt 2:

Auswertung: In einem nachfolgenden Gruppengespräch können folgende Fragen gestellt werden:

• Wo gab es Gemeinsamkeiten? • Wo gab es Unterschiede? • Über welches Thema haben wir besonders intensiv gesprochen? • Was hat mich nachdenklich gemacht?

In Anlehnung an: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 17

I.LE 1.LS 2 Teilnehmerunterlage 1 Thema: Familie

„Kindheitserfahrungen im Interviewspiel“

• Was hast Du früher als Kleidung getragen (tragen müssen) und was trägst Du heute gerne?

• Welche Bedeutung spielte Musik in Deiner Familie?

• Was wolltest Du als Kind einmal werden?

• Welche Bedeutung hatte Lesen für Dich und was hast Du gern gelesen?

• Welche Bedeutung hatte Religion im Familienalltag?

• Welche Bedeutung hatte Weinen/Lachen in Deiner Kindheit und wie ist man in Deiner

Familie damit umgegangen?

• Welche Bedeutung hatte Wut/Ärger in Deiner Kindheit und wie ist man in Deiner Familie damit umgegangen?

• Wie viele Geschwister hattest Du und wie war Dein Verhältnis zu Deinen Geschwis-

tern?

• Erzähle uns etwas über Deinen Kontakt zu Deinen Großeltern während Deiner Kind-heit.

• Erzähle uns etwas über Deine Freunde und Freundinnen in Deiner Kindheit.

• Hatte Deine Familie enge Kontakte zur Verwandtschaft?

• Hatte Deine Familie enge Kontakte zur Nachbarschaft?

• Welche Feste wurden in Deiner Familie/Verwandtschaft gefeiert?

• Wie ist Deine Familie mit Krankheiten umgegangen? Wie war es, wenn Du krank

warst?

• Welche Einstellungen existierten in Deiner Familie zu alten Menschen?

• Kannst Du Dich erinnern, ob in Deiner Familie bestimmte Personengruppen als fremd/anders erlebt wurden?

(Weitere Fragen ausdenken)

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 18

I.LE 1.LS 2 Medien 1 Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien

Biografiearbeit: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg Blimlinger, E.; Ertl, A.; Koch-Straube, U.; Wappelshammer, E. (1996): Lebensgeschich-ten. Biographiearbeit mit alten Menschen. Hannover Müller, D.; Schesny-Hartkorn H. (1998): Biographiearbeit mit verwirrten alten Menschen – ein Fortbildungsprogramm. Kuratorium Deutsche Altershilfe 137. Köln Ruhe, H.G. (1998): Methoden der Biographiearbeit. Lebensgeschichte und Lebensbilanz in Therapie, Altenhilfe und Erwachsenenbildung. Weinheim Deutscher Verein für Pflegewissenschaft: Zsr. „Pflege und Gesellschaft“, Heft 1/04

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 19

I.LE 1.LS 3 Wohnraum

Leitfaden

Material 1

Medien 1

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 20

I.LE 1.LS 3 Leitfaden Thema: Wohnraum

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

1.1 Theoretische Grundlagen in das altenpfle-gerische Handeln einbeziehen (Biografiearbeit)

2.1 Lebenswelten und soziale Netzwerke beim altenpflegerischen Handeln berücksichtigen (in-terkulturelle Aspekte)

2.2 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstützen

Biografiearbeit: „Unsere Wohnung“ Sozialform Medien Zeit:

Zielsetzung: Mit Hilfe der Erinnerung an die erste Wohnung soziokulturelle Einflüsse erkunden und erfah-ren, dass es Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen und innerhalb einer Kultur gibt. Methodisches Vorgehen: Nach einer kurzen Entspannungsübung wird mit der Methode der Imagination ein Spazier-gang durch die ganze Wohnung gemacht (I.LE 1.LS 3 Material 1). Anschließend wird den Teilnehmern und Teilnehmerinnen freigestellt, ob sie sich paarweise austauschen möchten oder lieber ein Bild von ihrer Wohnung malen wollen. Mit Hilfe von Leitfragen (I.LE 1.LS 3 Material 1) findet anschließend eine Auswertung in der Großgruppe statt.

Diese Methode kann das biografische Interesse der Auszubildenden wecken und somit im Zusammenhang mit Biografiearbeit genutzt werden. Sie kann aber auch beim Thema „Woh-nen im Alter eingesetzt werden.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 21

I.LE 1.LS 3 Material 1 Thema: Wohnraum

Zielsetzung: Mit Hilfe der Erinnerung an die erste Wohnung soziokulturelle Einflüsse erkun-den und erfahren, dass Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen und innerhalb einer Kultur existieren.

Biografiearbeit: Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Kurze Entspannungsübung (ca. 4 Minuten). Die Lehrkraft kann die Entspannungsübung durch folgenden Text einleiten: „Setzen Sie sich so hin, dass Sie gut entspannen können und schließen Sie Ihre Augen. Legen Sie die Hände auf den Bauch und atmen Sie ein und tiiiief wieder aus, möglichst mit dem Bauch, in Ihrem eigenen Rhythmus.“ (Einige Male wiederholen.) „Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem, lassen Sie ihn durch den Körper fließen. Wenn Ihnen irgendwelche Gedanken durch den Kopf gehen, lassen Sie sie einfach vorüberziehen, halten Sie sie nicht fest. Versuchen Sie jetzt, länger auszuatmen als einzuatmen. Ganz tiiief ausatmen, wieder in Ihrem eigenen Rhythmus.“ (Mehrmals wiederholen.) Schritt 2: Text für Imagination – ein Spaziergang durch die ganze Wohnung (ca. 10 Minuten). „Stellen Sie sich vor, Sie sind in der ersten Wohnung, an die Sie sich erinnern können. Was sehen Sie? Lassen Sie die Bilder in sich auftauchen und schauen Sie sich in der Wohnung um. Wie groß ist die Wohnung, wie viel Zimmer gibt es? Welche Möbel stehen darin, wie sehen die Wände aus, die Türen und Fenster? Gibt es Tapeten an den Wänden? An welche Bilder können Sie sich erinnern? Wie ist der Fußboden? Gibt es Teppiche, Holzfußboden, Fliesen? Wie fühlt sich das an, wenn Sie darauf gehen? Ist es warm oder kalt in der Wohnung? Gibt es einen Ofen oder eine Heizung? Wo befindet sich die Wohnung, was sehen Sie, wenn Sie aus dem Fenster schauen? Schauen Sie alles genau an. Können Sie sich an bestimmte Gerüche

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 22

erinnern? Gibt es Gegenstände in der Wohnung, die eine Rolle für Sie spielen? Wo haben Sie sich am liebsten aufgehalten? (6-7 Min.) Welche Menschen sind in der Wohnung? Betrachten Sie ihre Gesichter, ihre Kleidung. Was tun sie? Was sagen sie? Wo halten sie sich auf? (3 Min.) Verabschieden Sie sich nun aus der Wohnung und kommen Sie wieder in die Gegenwart zu-rück. Öffnen Sie die Augen und lassen Sie die Bilder noch eine Weile in sich wirken.“ Schritt 3: Anschließend wird den Teilnehmern und Teilnehmerinnen freigestellt, ob sie sich paarweise austauschen möchten oder lieber ein Bild von ihrer Wohnung malen wollen. Schritt 4: Leitfragen für die Auswertung in der Großgruppe:

• Was sagt die Wohnung über soziale Schicht, Kultur, Sitten, Bräuche, Lebensumstände meiner Herkunftsfamilie aus?

• Hatte der Glauben einen Platz? Gab es Sinnsprüche, religiöse Sprüche, Gegenstände, Symbole, Rituale (z.B. beim Essen)?

• Welche Gegenstände haben Sie aus Ihrer Ursprungskultur mitgenommen? Wieso ha-ben Sie sie mitgenommen? Hat sich die Bedeutung dieser Gegenstände für Sie verän-dert?

• Was fällt Ihnen zu dem Stichwort „Zuhause“ ein? In Anlehnung an: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 23

I.LE 1.LS 3 Medien 1 Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien

Biografiearbeit: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg Blimlinger, E.; Ertl, A.; Koch-Straube, U.; Wappelshammer, E. (1996): Lebensgeschich-ten. Biographiearbeit mit alten Menschen. Hannover Müller, D.; Schesny-Hartkorn, H. (1998): Biographiearbeit mit verwirrten alten Menschen – ein Fortbildungsprogramm. Kuratorium Deutsche Altershilfe 137. Köln Ruhe, H.G. (1998): Methoden der Biographiearbeit. Lebensgeschichte und Lebensbilanz in Therapie, Altenhilfe und Erwachsenenbildung. Weinheim Deutscher Verein für Pflegewissenschaft: Zsr. „Pflege und Gesellschaft“, Heft 1/04

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 24

I.LE 1.LS 4 Hygiene und Sauberkeit

Leitfaden

Material 1

Arbeitsblatt 1

Medien 1

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 25

I.LE 1.LS 4 Leitfaden Thema:

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

1.1 Theoretische Grundlagen in das altenpfle-gerische Handeln einbeziehen (Biografiearbeit)

1.3 Alte Menschen personen- und situations-bezogen pflegen

Hygiene und Sauberkeit: Biografiearbeit: „Hygiene und Sauberkeit“ Sozialform Medien

Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen ihre Erfahrungen mit der Körperhygiene in der Herkunftsfamilie reflektieren. Methodisches Vorgehen: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhalten je einen Bogen mit Leitfragen (I.LE 1.LS 4 Arbeitsblatt 1) und tauschen sich in Kleingruppen hierzu aus. Da es hier schwierig sein könn-te, dass bestimmte Themen in gemischt geschlechtlichen Gruppen angesprochen werden, soll-ten die Gruppen diese Einheit geschlechtlich getrennt durchführen. Anschließend systematisiert die Lehrkraft gemeinsam mit den Teilnehmern und Teilnehme-rinnen die Ergebnisse (I.LE 1.LS4 Material 1). Abschließend werden gemeinsam Leitfragen zu diesem Thema bearbeitet (I.LE 1.LS4 Mate-rial 1).

Diese Methode kann das biografische Interesse der Auszubildenden wecken und somit im Zusammenhang mit Biografiearbeit genutzt werden. Sie kann aber auch beim Thema „Unter-stützung alter Menschen bei der Selbstpflege“ eingesetzt werden.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 26

I.LE 1.LS 4 Material 1 Thema: Hygiene und Sauberkeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen ihre Erfahrungen mit der Körperhy-giene in der Herkunftsfamilie reflektieren.

Biografiearbeit: „Hygiene und Sauberkeit“ Sozialform Medien

Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erhalten je einen Bogen mit Leitfragen und tauschen sich in Kleingruppen hierzu aus. Da es hier schwierig sein könnte, dass bestimmte Themen in gemischt geschlechtlichen Gruppen angesprochen werden, sollten die Gruppen diese Einheit geschlechtlich getrennt durchführen. Schritt 2: Anschließend systematisiert die Lehrkraft gemeinsam mit den Teilnehmern und Teilnehme-rinnen die Ergebnisse, z.B.: • Waschrituale, die gefunden wurden • Form von Badetagen • Bestimmte Kleidungsvorschriften etc.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 27

Schritt 3: Abschließend werden gemeinsam folgende Leitfragen bearbeitet:

- Gab es völlig neue Erkenntnisse hinsichtlich von Sauberkeitsvorstellungen bzw. dem Umgang damit?

- Wo gab es Gemeinsamkeiten, Vertrautes? - Welche Bedeutung haben diese Erkenntnisse für die kultursensible Altenpfle-

ge? - Weitere Erkenntnisse ---

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 28

I.LE 1.LS 4 Arbeitsblatt 1 Thema: Hygiene und Sauberkeit Zeit:

Arbeitsauftrag Tauschen Sie sich zu folgenden Fragen untereinander aus:

• Gab es bestimmte Sauberkeitsvorstellungen, Waschrituale, bestimmte Gegenstände für Waschrituale, Badetage, Umgang mit Lebensmitteln, Kleidung, Wohnung etc. in Ihrer Familie?

• Gab es geschlechts- und generationsspezifische Unterschiede in den Sauberkeitsvor-stellungen?

• Wer hat Ihnen diese Sauberkeitsvorstellungen übermittelt? • Welche Auswirkungen hatten die Sauberkeitsvorstellungen Ihrer Familie auf Sie? Ha-

ben Sie sie übernommen, verändert? • Gab es ein Badezimmer? Wo wurde gebadet, welche Gegenstände wurden zur Kör-

perpflege benutzt?

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 29

I.LE 1.LS 4 Medien 1 Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien

Biografiearbeit: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg Blimlinger, E.; Ertl, A.; Koch-Straube, U.; Wappelshammer, E. (1996): Lebensgeschich-ten. Biographiearbeit mit alten Menschen. Hannover Müller, D.; Schesny-Hartkorn, H. (1998): Biographiearbeit mit verwirrten alten Menschen – ein Fortbildungsprogramm. Kuratorium Deutsche Altershilfe 137. Köln Ruhe, H.G. (1998): Methoden der Biographiearbeit. Lebensgeschichte und Lebensbilanz in Therapie, Altenhilfe und Erwachsenenbildung. Weinheim Deutscher Verein für Pflegewissenschaft: Zsr. „Pflege und Gesellschaft“, Heft 1/04

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 30

I.LE 1.LS 5 Essen

Leitfaden

Material 1

Teilnehmerunterlage 1

Medien 1

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 31

I.LE 1.LS 5 Leitfaden Thema: Essen

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

1.1 Theoretische Grundlagen in das altenpfle-gerische Handeln einbeziehen (Biografiearbeit)

2.2 Alte Menschen bei der Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung unterstützen (Haushalt und Ernährung)

Biografiearbeit Essen Sozialform Medien Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen kulturspezifische Gerichte und Essgewohnheiten kennen lernen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen und innerhalb einer Kultur unter Einbeziehung sinnlicher Erfahrung thematisieren. Methodisches Vorgehen: Die Auszubildenden werden frühzeitig gebeten, zu dieser Lernsequenz eine für ihre Kultur spezifische Spezialität bzw. eine ihrer Lieblingsspeisen mitzubringen. Nach dem Essen können Essgewohnheiten anhand von Leitfragen thematisiert werden (I.LE 1.LS 5 Material 1, I.LE 1.LS 5 TU 1).

Diese Methode kann sehr gut beim Thema „Haushalt und Ernährung“ eingesetzt werden. Wenn die biografischen Methoden (LS 1–5) im Block unterrichtet werden, ist diese Lernse-quenz ein schöner Abschluss. In diesem Fall sollte der zweite Teil (Leitfragen zu den Essge-wohnheiten) wegfallen.

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 32

I.LE 1.LS 5 Material 1 Thema: Essen

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen kulturspezifische Ge-richte und Essgewohnheiten kennen lernen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen und innerhalb einer Kultur unter Einbe-ziehung sinnlicher Erfahrung thematisieren.

Biografiearbeit Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Die Auszubildenden werden frühzeitig gebeten, zu dieser Lernsituation eine für ihre Kultur spezifische Spezialität bzw. eine ihrer Lieblingsspeisen mitzubringen. Falls keine Küche vor-handen ist, empfiehlt es sich, auf das Mitbringen von Speisen, die warm gegessen werden sollten, zu verzichten. Schritt 2: Essgewohnheiten werden thematisiert anhand von Leitfragen (I.LE 1.LS 5 Teilnehmerunter-lage 1)

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 33

I.LE 1.LS 5 Teilnehmerunterlage 1

Thema: Essen Mögliche Fragen, die beim gemeinsamen Essen thematisiert werden können:

• Gab es bestimmte Essgewohnheiten in Ihrer Familie (z.B. bestimmte Zeiten, bestimm-te Gerichte an bestimmten Tagen, eine bestimmte Menüabfolge)? Welche Hintergrün-de gab es für diese Essgewohnheiten?

• Gab es bestimmte Normen am Esstisch wie z.B.: Wer teilt das Essen aus? Wer darf

sich zuerst bedienen? Wer bekommt das größte Stück Fleisch?

• Können Sie sich noch an das Essgeschirr und Essbesteck erinnern? Gab es hierzu be-stimmte Normen (z.B. Alltags- und Sonntagsgeschirr etc.)?

• Was waren typische Familiengerichte? Welches waren die Hauptnahrungsmittel?

• War es üblich, zum Essen etwas zu trinken?

• Können Sie sich an bestimmte Sprüche im Zusammenhang mit dem Essen erinnern?

• Gab es ein Tischgebet in Ihrer Familie?

• Was durften Sie als Kind bei Tisch und was nicht?

• Hat Ihre Familie oft Gäste beim Essen gehabt?

• Welche Bedeutung könnten Essgewohnheiten für eine kultursensible Altenpflege ha-

ben?

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Modul I.LE 1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien 34

I.LE 1.LS 5 Medien 1 Thema: Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Biografien

Biografiearbeit: Gudjons, H. ; Pieper, M.; Wagener, B. (1992): Auf meinen Spuren. Hamburg Blimlinger, E.; Ertl, A.; Koch-Straube, U.; Wappelshammer, E. (1996): Lebensgeschich-ten. Biographiearbeit mit alten Menschen. Hannover Müller, D.; Schesny-Hartkorn, H. (1998): Biographiearbeit mit verwirrten alten Menschen – ein Fortbildungsprogramm. Kuratorium Deutsche Altershilfe 137. Köln Ruhe, H.G. (1998): Methoden der Biographiearbeit. Lebensgeschichte und Lebensbilanz in Therapie, Altenhilfe und Erwachsenenbildung. Weinheim Deutscher Verein für Pflegewissenschaft: Zsr. „Pflege und Gesellschaft“, Heft 1/04

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 35

Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden I.LE 2.LS 6 Lernerfolgsüberprüfung Überprüfungsbogen „Haltungen gegenüber Fremden“ Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen im Unterricht die folgenden Aussagen?

Durch das szenische Spiel lernt man,... stimme voll

zu stimme

teilweise zu kann sein sehe ich

nicht so

...sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen. ---------

...dass die selbe Situation von verschiedenen Men-schen sehr unterschiedlich wahrgenommen wer-den kann. ------------------------------------------------

...mehr über seine eigenen Gefühle und Verhal-tensweisen. ------------------------------------------------

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 36

I.LE 2.LS 6 Klischeebilder und Vorurteile

Leitfaden

Material 1

Material 2

Material 3

Medien 1

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 37

I.LE 2.LS 6 Leitfaden

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

2.1 Lebenswelten und soziale Netzwerke beim altenpflegerischen Handeln berück-sichtigen (interkulturelle Aspekte)

4.3 Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen

Thema: Haltungen gegenüber Fremden Szenisches Spiel: Sozialform Medien Zeit: 1–2 Tage

Zielsetzung: Abwehrmechanismen und damit verbundene Reaktionen sollen sinnlich erfahrbar gemacht werden. Die Auszubildenden sollen lernen, sich in die Situation des Gegenüber hinein zu ver-setzen und erfahren, dass dieselbe Situation sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Reak-tionen auslösen kann. Methodisches Vorgehen: Mit der Methode des Szenischen Spiels sollen die Auszubildenden in 6–7 Schritten verschie-dene Szenen spielen. Im Szenischen Spiel werden erlebte und vorgestellte Szenen körperlich nachgestellt und eigene Assoziationen formuliert, um die emotionale Dynamik wiederzubele-ben und Einfühlungsprozesse zu inszenieren (I.LE 2.LS 6 Materialien 1, 2 und 3).

Die Evaluation in der Erprobungsphase hat gezeigt, dass das Szenische Spiel erst eingesetzt werden sollte, wenn sich die Schüler und Schülerinnen bereits etwas kennen (nach ca. drei Theorieblöcken bzw. in der zweiten Hälfte des 1. Ausbildungsjahres). Je nach Einschätzung der Gruppendynamik innerhalb der Klasse kann diese Lernsequenz der Lernsequenz 7 (Kul-tur) vorangestellt werden. Es ist ebenso möglich, mit den Lernsequenzen 7–9 zu beginnen und die Lernsequenz 6 anschließend durchzuführen.

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 38

Für die Feedbackrunden sollten die Auszubildenden gut vorbereitet werden (I.LE 2.LS 6 Ma-terial 2). Wir empfehlen Lehrkräften ohne Vorerfahrung mit der Methode des Szenischen Spiels bzw. Rollenspiel eine entsprechende Fortbildung, bevor sie diese Methode im Unterricht einsetzen. Der Erfolg dieser Methode hängt zu einem großen Teil von einer guten und sicheren Spiellei-tung ab.

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 39

I.LE 2.LS 6 Material 1 Thema: Haltungen gegenüber Fremden

Zielsetzung: Abwehrmechanismen und damit verbundene Reaktionen sollen sinnlich erfahrbar gemacht werden. Die Auszubildenden sollen lernen, sich in die Situation des Gegenüber hinein zu verset-zen und erfahren, dass dieselbe Situation sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und Reaktio-nen auslösen kann.

Szenisches Spiel Sozialform Medien Zeit: 1–2 Tage

Methodisches Vorgehen:

Anmerkung:

Lehrkräften, die im szenischen Spiel ungeübt/unsicher sind, wird empfohlen, nur die ersten 6 Schritte durchzuführen (Zeitlicher Um-fang: ca. 1 Tag). Die Evaluation hat zudem gezeigt, dass es sich bewährt hat, das szenische Spiel im Wechsel mit Bewegungsübun-gen durchzuführen. Ergänzende Bewegungsspiele finden Sie unter I.LE 2.LS 6 Material 3. Lehrkräfte, die im szenischen Spiel geübt/sicher sind, können Schritt 7 mit Vorübungen hinzunehmen (Zeitlicher Umfang 1–1 1/2 Tage). Schritt 7 kann aber auch als eigenständiger Teil zu einem späteren Zeitpunkt vermittelt werden, z.B. bei der Bearbeitung des Thema 4.3. der AltPflAPrV, Anlage 1 „Mit Krisen und schwierigen sozialen Situationen umgehen“.

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 40

Die Schüler und Schülerinnen müssen für die Feedback-Runden durch die Vermittlung von Feedback-Regeln entsprechend vorbe-reitet werden, damit sie sensibel miteinander umgehen. Vermittlung von Feedback-Regeln (I.LE 2.LS 6.Material 2). Schritt 1: Einstiegsrunde 1.1 „Lieblingstätigkeit“ Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sitzen im Stuhlkreis. Der Spielleiter, die Spielleiterin gibt folgende Aufforderung: „Bitte demonstriert eine Lieblingstätigkeit von euch, die ihr gerne getan habt. Eine/r beginnt, zeigt ihre/seine Haltung und sagt ih-ren/seinen Vornamen. Die/der Nächste wiederholt Namen und Hal-tung der Vorgängerin, fügt die eigene Haltung/Namen an usw. – bis alle dran gewesen sind. Ich als Spielleiter/in bin der/die letzte.“ Anschließend kann, muss jedoch nicht, eine kurze Gesprächsrunde über die dargestellten Haltungen erfolgen. 2. Bewegungsübung Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gehen in unterschiedlichem Tempo durch den Raum und erstarren, wenn der Spielleiter/die Spielleiterin „stopp“ ruft. Bei „weiter“ setzen sie ihren Gang fort. Dabei wird nach und nach der Raum, in dem sie sich bewegen, verkleinert. Danach wird die Übung variiert: Die Teilnehmer und Teilnehme-rinnen entscheiden selbst, wann sie in ihrer Haltung erstarren: Bleibt eine Person stehen, stoppen auch alle anderen. Setzt sich eine Person in Bewegung, tun das auch die anderen. Schritt 2: Klischeebilder zum Thema „Migranten und Migran-tinnen“ bauen und interpretieren (Scheller 1998, S.101f.) Bei einer Kursstärke von 15 Teilnehmern und Teilnehmerinnen werden diese in 3 Gruppen à 5 Personen eingeteilt. Hinweis: Die Anzahl der Kleingruppen, die sich aus nicht weniger als 3 und nicht mehr als 7 Personen zusammensetzen sollten, ist in Abhängigkeit von der Klassenstärke zu modifizieren.

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 41

Die Gruppen erhalten den Auftrag, sich in eine Ecke des Raumes zurück zu ziehen. Dort sollen sie in 5 Minuten 3 Standbilder zum Thema „Migranten und Migrantinnen“ entwerfen und einmal in ihrer Gruppe aufbauen. In den Bildern können, müssen aber nicht alle Gruppenmitglieder verbaut sein. Zum Schluss sollen sie ihren Bildern einen Titel geben, der später bei der Präsentation im Ple-num von den anderen erraten wird.

Anmerkung: Die Evaluation hat gezeigt, dass die Gesamtzahl der im Plenum zu präsentierenden Bilder die Zahl 10 nicht übersteigen sollte, weil die Auswertung sonst zu langwierig ist (also z. B. 3 Gruppen à 3 Bil-der; 4 oder 5 Gruppen à 2 Bilder). Die Spielleitung und die Teilnehmer und Teilnehmerinnen setzen sich in einen Halbkreis, so dass eine „Bühne“ entsteht. Die Spiellei-tung sitzt in der Mitte des Halbkreises, damit er/sie – als verant-wortliche Leitung des Spielgeschehens – den besten Blick auf die „Bühne“ hat. Die erste Gruppe zeigt ihr erstes Standbild. Die Be-obachter und Beobachterinnen erraten den Titel. Es folgt das zweite und dritte Standbild. Dann wechselt die Gruppe und das gleiche Verfahren beginnt von vorn, bis alle Bilder präsentiert und deren Titel erraten sind. Die Bilder werden nun jeweils einzeln genauer interpretiert. Die Deutung kann – je nach Intention – anhand einer der folgenden Verfahren erfolgen: Projektionen der Beobachter und Beobachterinnen sichtbar machen: Die Beobachter und Beobachterinnen treten hinter die Spieler und Spielerinnen, legen ihnen die Hand auf die Schulter und sagen in der Ichform, was diesen durch den Kopf geht. Die Beobachter und Beobachterinnen können sich mehrmals beteiligen. Zum Schluss geht die Spielleitung zu den Spielern und Spielerinnen, tippt sie an und lässt sie aus der Rolle heraus sagen, was in ihnen vorgeht. Sich in Einzelhaltungen einfühlen: Die Beobachter und Beobachterinnen bauen sich in gleicher Weise wie die Spieler und Spielerinnen auf. Die Spielleitung geht zu ih-nen, tippt sie an und lässt sie aus ihrer Haltung heraus sagen, was ihnen in durch den Kopf geht. Zum Schluss lässt sie die Spieler und Spielerinnen ihre Gedanken aussprechen. Sich in das Gruppengeschehen einfühlen: Die Spielleitung fordert die Beobachter und Beobachterinnen auf, sich in Gruppen zusammen zu finden und das dargestellte Bild nach zu bauen. Anschließend geht sie von Gruppe zu Gruppe, tippt

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 42

die jeweiligen Personen an und lässt sie aus der Rolle heraus sagen, was ihnen durch den Kopf geht. Widersprüchliche Haltungen verdeutlichen: Die Beobachter und Beobachterinnen treten nacheinander hinter eine/einen von ihnen gewählte/n Spieler/Spielerin, legen ihr die Hand auf die Schulter und sagen in der Ichform, was diese gerade denkt. Sie bleiben dort stehen. Haben sich alle Beobachter und Be-obachterinnen zugeordnet, lässt sie die Spielleitung ihren Satz wie-derholen. Die jeweilige Spielerin oder der jeweilige Spieler ent-scheidet, welche Stimmen für ihre Rolle passen und welche nicht. Letztere müssen an ihren Platz zurückgehen. Zum Schluss dirigiert die Spielleitung mit den übrig gebliebenen Stimmen einen „Stim-menchor“. Schritt 3 Denkmal zum Thema „Migranten und Migrantinnen“ bauen und deuten (vgl. Müller/Scheller 1993, S. 13 ff.) Eine Teilnehmerin bzw. ein Teilnehmer beginnt und baut eine Sta-tue, die das Gemeinsame an den gezeigten Klischeebildern zum Ausdruck bringen soll. Dabei berücksichtigt sie/er die unter Schritt 2 beschriebenen Grundsätze (bzgl. Auswahl und Modellie-ren der Figuren). Allerdings stellt sie die Haltungen, Gestik und Mimik der Personen und die Beziehungskonstellationen gröber dar als bei einem Standbild. Lediglich Oben und Unten, Nähe und Dis-tanz, Zuwendung und Abwendung sind bedeutsam. Ist die Teil-nehmerin mit ihrer Statue zufrieden oder weiß sie nicht mehr wei-ter, tritt sie zurück. Die Beobachter und Beobachterinnen betrachten die Statue von allen Seiten und lassen sie sich von dem/der Erbauer/in erklären. Die Spielleitung fragt dann, ob alle mit der Darstellung einverstan-den sind, was fehlt, was möglicherweise unpassend ist. Jede Kritik muss mit einem Veränderungsvorschlag verbunden werden, der sofort umgesetzt werden soll. Die Statue wird verändert oder neu gebaut, wobei jede Variante begründet wird. Die szenische Diskus-sion ist beendet, wenn eine Statue entwickelt wurde, die den Vor-stellungen aller Teilnehmer und Teilnehmerinnen nahe kommt. Gemeinsam erarbeitete Statuen können zum Ausgangspunkt weite-rer Untersuchungen gemacht werden: Die Haltungen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu dem in der Statue gedeuteten Thema aufdecken: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen setzen sich zur Statue in Be-ziehung. Jede sucht den Ort und die Haltung, die ihre Position zur

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 43

Statue (= zum Thema) zum Ausdruck bringen. Anschließend wer-den sie von der Spielleitung nach den Beweggründen ihrer Orts- und Haltungswahl befragt. Dann werden die Personen aus der Sta-tue ausgewechselt, damit auch sie ihren Standpunkt bestimmen können. Veränderungsperspektiven für die Haltungen der Personen erarbeiten: Die Spielleitung fragt die Spieler und Spielerinnen der Statue, ob sie die angenommene Haltung kennen. Falls nicht, werden sie von Teilnehmern und Teilnehmerinnen ausgewechselt, denen die Hal-tung vertraut ist. Die Spieler und Spielerinnen konzentrieren sich kurz auf die Haltung und erzählen in einem Monolog, was sie in dieser Haltung beschäftigt. Danach beginnen sie Gespräche mit anderen Personen im Bild, ohne ihre Haltungen aufzulösen. Schließlich zeigen sie nacheinander in Zeitlupe, in welche Rich-tung sie ihre Haltungen verändern wollen. Veränderungsperspektiven für die im Bild dargestellte Bezie-hungsstruktur erarbeiten: Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bauen die ursprüngliche Sta-tue in eine Wunschstatue um, in der alle Personen eine neue Hal-tung bekommen. Die Spieler und Spielerinnen merken sich beides und wechseln – auf Zeichen der Spielleitung hin – mehrmals zwi-schen der Real- und der Wunschstatue. Im Anschluss daran werden mehrere Statuen entwickelt, die den Übergang vom Real- zum Wunschbild zeigen. Auch hier merken sich die Spieler und Spiele-rinnen die einzelnen Positionen und wechseln – nach Aufforderung durch die Spielleitung – in Zeitlupe von einem Bild zum andern. Dabei wird der Wechsel von den Beobachtern und Beobachterin-nen erläutert, wobei subjektive und objektive Bedingungen genannt werden, die Übergänge möglich machen. Schritt 4: Bewegungsübung Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen tun sich zu zweit zusammen: Eine fasst die andere an Hand und Taille und führt sie, die ihre Au-gen geschlossen hat, durch den Raum,. Dabei wird nicht gespro-chen. Anschließend werden die Rollen getauscht. Eine Teilnehmerin führt eine andere, die die Augen geschlossen hat, durch den Raum und lässt sie Gegenstände und Materialien ertasten: Was fühlt sich angenehm an, was unangenehm. Danach Rollenwechsel (Scheller 1998, S.76). Eine Teilnehmerin führt die Partnerin/den Partner, die/der die Au-gen geschlossen hält, mit einem Ton, den sie regelmäßig wieder-holt, durch den Raum (Scheller 1998,S. 81).

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 44

Schritt 5: Vorurteilsbilder gegenüber ethnischen Gruppen und „Gegenbilder“ erbauen und deuten (vgl. Müller/Scheller, S. 19 ff., Scheller 1998, S.102) Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen überlegen sich, gegenüber welchen ethnischen Gruppen sie Vorurteile untersuchen wollen: Schwarzafrikaner und Schwarzafrikanerinnen, Türken und Türkin-nen, russlanddeutsche Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen etc.. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen entscheiden sich für die eth-nische Gruppe, mit der sie am meisten Erfahrungen gemacht haben bzw. die sie am meisten interessiert. Sie bilden entsprechend Kleingruppen. In den Kleingruppen zeigen einzelne Teilnehmer und Teilnehme-rinnen mit Hilfe von Standbildern Vorurteile, die der ethnischen Gruppe zugeschrieben werden. Ist ein Vorurteil dargestellt, wird ein Gegenbild aufgebaut, das zeigt, wie sich diejenigen sehen (wol-len), die dieses Vorurteil äußern, also z. B.: wer abwertend sagt, Schwarzafrikaner seien faul (Vorurteilsbild), stellt sich indirekt als fleißig und arbeitsam dar (Gegenbild). Die Gruppen präsentieren nacheinander Vorurteilsbilder mit den entsprechenden Gegenbildern (der Deutschen). Dabei gehen sie nach folgendem Muster vor: Das erste Vorurteilsbild wird gezeigt und erklärt, z. B.: „Schwarzafrikaner sind faul, Sie denken dabei (die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die im Standbild stehen, sagen einen entsprechenden Satz): ‚Was soll ich arbeiten, ich krieg ja die Sozialhilfe!’“ Das Gegenbild wird aufgebaut und erklärt: „Deutsche dagegen arbeiten fleißig für ihren Lebensunterhalt und denken dabei (die Teilnehmer und Teilnehmerinnen im Gegenbild sagen Gedanken): ‚Ich verdiene mein Geld auf ehrliche Weise.’“ Schritt 6: Körper- und Bewegungsübungen „Alte Menschen“ (Oelke/Ruwe/Scheller 2000, S.132) Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen bewegen sich mit verschie-denen Körpereinschränkungen durch den Raum. Sie können ihren Kopf nicht drehen. Die Schulter ist steif. Die Hüfte ist steif. Die Knie sind steif.

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 45

Die Füße sind steif. Anschließend wird ausgewertet, wie die Teilnehmer und Teilneh-merinnen diese körperlichen Einschränkungen erlebt haben. Schritt 7: Vorübungen Zwei Teilnehmer und Teilnehmerinnen tun sich zusammen. Eine Person schließt die Augen, die andere Person nimmt irgendeine Haltung ein, die die „blinde“ Person ertastet und dann nachstellt. (abwechseln) Die gleichen Teilnehmer und Teilnehmerinnen üben sich im For-men von Statuen, ohne sich anzufassen. Eine Person bedeutet der anderen mit den Händen, welche Haltung sie einnehmen soll, mit der Mimik, welchen Gesichtsausdruck sie einnehmen soll. (ab-wechseln) Schwierige Situationen mit Ausländern und Auslän-derinnen anhand von Protagonisten-Standbildern be-arbeiten (Scheller 1998, S.61–68) Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erinnern sich an Situationen, in denen sie Schwierigkeiten hatten, sich gegenüber einem oder mehreren Ausländern und Ausländerinnen zu verhalten. Nachein-ander bauen und interpretieren die Teilnehmer und Teilnehmerin-nen ihre Situation mit Hilfe eines Standbildes. Dabei gehen sie in folgenden Schritten vor: Die gestaltende Spielerin, Hauptspielerin (Protagonistin) genannt, sucht aus der Gruppe diejenigen aus, die schon äußerlich – also in Gestalt, Gesicht, Frisur usw. – den darzustellenden Personen ähn-lich sehen, und holt sie nach vorne. Dann bringt sie sie in die ge-wünschte Position und formt Körperhaltung und Gestik mit den Händen so lange, bis sie dem vorgestellten Bild entsprechen. Ist sie selbst an der Situation beteiligt (gewesen), baut sie eine Teilnehme-rin/einen Teilnehmer in der entsprechenden Haltung in das Bild ein. Beim Bauen wird nicht gesprochen. Haltungen werden nicht de-monstriert, sondern modelliert – lediglich die Mimik wird vorge-macht und auf ein Zeichen hin „eingefroren“. Außer bei der Nach-ahmung der Mimik bleiben die Spieler und Spielerinnen, die ge-formt werden, passiv: Sie nehmen wie bewegliche Puppen die Hal-tungen an, die ihnen gegeben werden.

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 46

Ist das Standbild fertig, legt die Hauptspielerin/der Hauptspieler die Perspektive fest, aus der sie/er es sieht, und überprüft und korrigiert das Bild noch einmal aus dieser Perspektive. Danach fordert die Spielleitung die Beobachter und Beobachterinnen auf, sich das Standbild aus dieser Perspektive anzuschauen. Bei der Deutung situationsbezogener Standbilder steht die Interpre-tation durch die Hauptspielerin/den Hauptspieler im Mittelpunkt des Interesses. Hierbei kann in folgenden Schritten vorgegangen werden: Angeregt durch Fragen der Spielleitung beschreibt die Hauptspiele-rin/der Hauptspieler die dargestellte Situation: Um welche Situati-on geht es? Was geschieht? Wo und wann genau findet die Szene statt? Wer sind die Personen und was machen sie gerade? Nach Aufforderung durch die Spielleitung nimmt die Hauptspiele-rin/der Hauptspieler die eigene Position in der Situation ein, d.h. sie/er begibt sich seitlich hinter die/den sie darstellende/n Spiele-rin/Spieler, legt ihr/ihm die Hand auf die Schulter und fühlt sich, in der Ichform sprechend, (wieder) in die Situation ein. Dabei wird sie/er von der Spielleitung durch Fragen unterstützt: Was ist gerade los? Wie geht es dir? Was denkst du? Welche Gefühle bewegen dich? Wo spürst du sie in deinem Körper? Bezogen auf die ande-re(n) an der Szene beteiligte(n) Person(en) regt die Spielleitung insbesondere das visuelle Gedächtnis an: Schau dir die Person(en) an. Wie nimmst du sie wahr? Wie deutest du ihre Haltung? Welche Gefühle löst das in dir aus? Bezogen auf die dargestellte eigene Haltung regt die Spielleitung vor allem das Körpergedächtnis an: Was willst du mit deiner Haltung ausdrücken? Warum hältst du die Hand so? Wie erlebst du deinen Gesichtsausdruck? Warum schaust du die Person(en) nicht an? Dabei kann sie auch die Körperhaltung nachahmen lassen, um einen besseren Zugang zum Körpergefühl zu ermöglichen. Von der Spielleitung aufgefordert tritt die/der Spielerin/Spieler dann hinter die andere(n) Person(en) des Standbildes, legt ihnen die Hand auf die Schulter und spricht in Ichform deren Gedanken aus. Zeigt die Situation ein Gespräch, kann die Hauptspielerin/der Hauptspieler dieses demonstrieren, indem sie/er im Wechsel je-weils hinter eine Person tritt und deren Äußerung wiedergibt, wo-bei sie – durch Fragen der Spielleitung angeregt – nach der genau-en Intonation sucht und auch die „inneren Gedanken“ der Per-son(en) wiedergibt. Nachdem sich die Hauptspielerin/der Haupt-spieler in alle Personen eingefühlt hat, geht sie/er wieder in die Ausgangsposition zurück und fasst ihre/seine Sicht und Deutung der Situation zusammen. Anschließend geben die Beobachter und Beobachterinnen der Hauptspielerin/dem Hauptspieler ein Feedback. Sie tragen zusam-

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Modul I.LE 2 Haltungen gegenüber Fremden 47

men, was sie über sie herausbekommen haben: Wie sie die Situati-on und die Haltungen der Personen gedeutet hat und welche Schwierigkeiten, Probleme, Wünsche und/oder Ängste sie in der Situation hatte. Diese Interpretation kann auch mit szenischen Ver-fahren vorgenommen werden, wie sie unter Schritt 2 beschrieben sind.

Medien Müller, A. I.; Scheller, I. (1993): Das Eigene und das Fremde. Flüchtlinge, Asylbewerber, Menschen aus anderen Kulturen und wir. Szenisches Spiel als Lernform. Bibliotheks- und Informations-system der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Oelke, U.; Scheller, I.; Ruwe, G (2000): Tabuthemen als Gegens-tand szenischen Lernens in der Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle Scheller, I. (1998): Szenisches Spiel. Handbuch für die pädagogi-sche Praxis. Berlin

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 48

I.LE 2.LS 6 Material 2 Thema: Haltungen gegenüber Fremden Zielsetzung:

Die Auszubildenden sollen lernen, sichgegenseitig ein konstruktives Feedbackzu geben.

Szenisches Spiel Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Nach Einführung des Szenischen Spiels werden den Auszubildenden die wichtigsten Feed-back-Regeln vermittelt, damit sie in der Lage sind, sich nach den gespielten Szenen in den Feedbackrunden ein konstruktives Feedback zu geben. Feedback Beim Feedback erfahre ich von anderen, wie meine Verhaltensweisen wahrgenommen, verstanden und erlebt werden. Die Wirksamkeit von Rückmeldungen ist bestimmt vom Maße des Vertrauens zwischen den beteiligten Personen. Bedingung ist, dass die Beteiligten damit einverstanden sind, Rückmel-dung zu geben bzw. sie zu bekommen. Regeln für das Geben von Rückmeldungen

Verhalten beschreiben, nicht interpretieren möglichst konkrete Beschreibung keine generellen Aussagen über die Persönlichkeit oder deren allgemeine Kompetenz eigene Reaktionen und Gefühle auf das konkrete Verhalten mitteilen zugewandte Körperhaltung persönliche Ziele benennen (wozu gebe ich Rückmeldung?) Rückmeldung heißt nicht, dass der andere sich entsprechend ändern muss erst das Positive, dann das Negative

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 49

Regeln für das Empfangen von Rückmeldungen

genau hinhören zugewandte Körperhaltung ausreden lassen, nicht unterbrechen keine Widerrede, Einwände usw. Nachfrage nur bei Nichtverstehen und wenn, dann nur am Schluss

Wichtig: Das was ich gesagt bekomme, ist die persönliche Sichtweise des Rückmeldegebers, nicht die Wahrheit. Ich überprüfe und verdaue, was ich gehört habe und entscheide dann, was ich mit der Rückmeldung für mich mache.

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 50

I.LE 2.LS 6 Material 3 Thema: Haltungen gegenüber Fremden

Zielsetzung: Die Bewegungsspiele können zur Auflockerung zwischen den einzelnen Spielsequenzen des Szenischen Spiels eingesetzt werden, um mögli-che Spannungen innerhalb der Gruppe abzubau-en.

Bewegungsspiele Sozialform Medien Zeit: nach Bedarf

Regenklatschen im Stuhlkreis Alle sitzen im Kreis. Die Spielleitung beginnt mit einer „Regenart“, z.B. Prasselregen. Er/sie imitiert Prasselregen durch Schlagen der Hände auf die Oberschenkel. Die nächste Person (im Uhrzeigersinn) nimmt das Geräusch auf usw., so dass am Ende alle im Stuhlkreis das Regen-geräusch imitieren. Sobald dieses Geräusch einmal die Runde gemacht hat, beginnt die links von der Spielleitung sitzende Person mit einer neuen „Regenart“ usw. Beispiele für „Regenarten“ sind

Nieselregen tröpfelnder Regen Landregen dicke Regentropfen Hagel Platzregen

Variante: Eine Person beginnt mit einem Geräusch, z.B. Piep, Quak, Pfeifen usw. Die nächste Person macht es nach usw. Bei dieser Variante wird das Geräusch einzeln von jeder Person imitiert. Sobald alle im Stuhlkreis das Geräusch einmal imitiert haben, beginnt die links von der Spiel-leitung sitzende Person mit einem neuen Geräusch usw. Zeit: 5–10 Minuten

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 51

Wüstendusche: Die Auszubildenden finden sich paarweise zusammen. Eine Person beugt im Stehen ihren Oberkörper nach vorn, so dass die Hände locker herunterhängen. Die zweite Person stellt sich daneben und imitiert Wetter auf dem Rücken der Person. Die Spielleitung demonstriert den Ablauf einmal exemplarisch. Anschließend gibt sie nur noch die Wetterart vor: Die Sonne scheint: in kreisenden Bewegungen den Rücken streicheln Es schneit in der Wüste: die Fingerspitzen bewegen sich ganz zart über den Rücken Der Schnee geht in Nieselregen über: die Fingerspitzen bewegen sich etwas schneller und mit etwas mehr Druck über den Rücken Es regnet etwas stärker: Druck verstärken

Achtung: in der Nierengegend nur ganz zarten Druck bei allen weiteren Ansagen. Die Lehrkraft sollte dies nach Bedarf wiederholt betonen. Es regnet dicke Regentropfen: Druck verstärken Es hagelt: Druck verstärken Platzregen: mit der flachen Hand den Rücken abklopfen Die Sonne scheint wieder: wie oben Abschluss: hinter die Person stellen und ein paar Mal mit beiden Händen den Rücken aus-streichen. Anschließend werden die Positionen gewechselt. Zeit: ca. 10 Minuten Hände erfühlen Alle Auszubildenden stellen sich eng zusammen und schließen die Augen. Die Spielleitung positioniert die Personen ggf. um. Alle strecken die linke Hand nach oben. Die Spielleitung führt jeweils zwei linke Hände zusammen. Die Auszubildenden ertasten die Hand ihres Part-ners bzw. ihrer Partnerin (1–2 Minuten). Anschließend trennen sich die Personen. Die Spiel-leitung schiebt die Personen ggf. auseinander. Danach öffnen alle die Augen, gehen im Raum umher und versuchen, die von ihnen ertastete Hand wieder zu erfühlen. Das Spiel ist beendet, wenn alle „ihre“ Hand wieder gefunden haben. Zeit: ca. 10 Minuten

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 52

Alle gehen umher wie ...

eine japanische Geisha John Wayne eine Frau mit hochhackigen Schuhen ein Macho eine Afrikanerin mit einem Korb auf dem Kopf ein männliches bzw. weiblichen Mannequin (im Wechsel) eine alte Frau/ein alter Mann ein einjähriges Kind eigene Ideen der Auszubildenden, die sie sich einzeln zurufen

Dieses Bewegungsspiel wird kurz von der Spielleitung eingeführt. Die Leitung beginnt mit den Vorgaben und lässt den Rollenspielern und Rollenspielerinnen genügend Zeit, um sich in die Rolle einzufühlen. Später können auch die Auszubildenden eigene Ideen einwerfen. Die Spielleitung bestimmt die jeweilige Person, indem sie diese antippt.

Dieses Spiel eignet sich sehr gut, um Stereotype zu hinterfragen, z.B. ge-schlechtsspezifischer und kultureller Art. Macht und Ohnmacht Die Handlung spielt in der frühen Urzeit. Die Akteure sind der Säbelzahntiger, sein Opfer und ein Baum. Der Säbelzahntiger jagt sein Opfer. Dieses flüchtet auf einen Baum, auf dem be-reits ein weiteres Opfer sitzt. Dieses Opfer muss den Platz frei machen (fällt symbolisch vom Baum). In dem Moment, wo dieses Opfer vom Baum fällt, wird es zum Säbelzahntiger und der Säbelzahntiger, der vorher das Opfer verfolgt hat, wird im gleichen Moment zum Opfer. Säbelzahntiger: Macht sich groß, streckt die Arme nach oben und vorn, läuft wie ein Tiger durch den Raum brüllt wie ein Tiger, hat ständig Hunger und jagt sein Opfer. Opfer: Macht sich klein, geht etwas in die Knie, zieht den Kopf zwischen die Schultern und legt den rechten Zeigefinger zwischen die Zähne und jammert und flieht vor dem Säbelzahntiger. 1. Phase: Zum Einüben der Rollen bilden sich Paare. Diese werden aufgefordert, im Wechsel die Rolle des Säbelzahntigers und des Opfers zu spielen. Die Spielleitung zeigt den Wechsel der Rollen durch Händeklatschen an.

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 53

2. Phase: Die Paare verteilen sich im Raum. Die Spielleitung wählt ein Paar aus, das die Rollen von Säbelzahntiger und Opfer übernimmt. Die anderen Paare übernehmen jeweils die Rolle des Baumes und eines Opfers, das auf dem Baum sitzt. Das Sitzen auf dem Baum wird symbo-lisch dargestellt, d.h. das Opfer steht rechts neben dem Baum und hält sich daran fest. Sobald das fliehende Opfer sich links neben einen Baum stellt, „fällt“ das andere Opfer vom Baum und verwandelt sich in einen Säbelzahntiger, und der verfolgende Säbelzahntiger in das Op-fer. D.h. in dieser Phase gibt es immer nur einen Säbelzahntiger und ein fliehendes Opfer. Alle anderen Personen bilden symbolischen einen Wald mit Bäumen, auf denen jeweilig ein Opfer „sitzt“. Die Spielleitung achtet auf einen schnellen Wechsel. Durch den schnellen Wechsel entstehen Rollenverwirrungen, d.h. die Personen wissen oft im ersten Moment nicht, ob sie Opfer oder Säbelzahntiger sind und werden meist von der Gruppe auf ihre Rolle hingewiesen.

Die Erfahrung zeigt, dass dies ein wildes Spiel ist. Am besten spielt man es im Freien oder in einem Raum ohne Möbel.

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Modul I.LE 2: Haltungen gegenüber Fremden 54

I.LE 2.LS 6 Medien 1: Thema: Haltungen gegenüber Fremden

Szenisches Spiel: Müller, A.I.; Conrady S.; Kowollik, J.; Scheller I. (1997): Interkulturelle Bildung in der beruflichen Qualifizierung am Beispiel der Altenpflege. Oldenburg Am Beispiel der Altenpflege wird aufgezeigt, mit welchen Themen, Materialien und Verfahren interkulturelle Bildungsprozesse durchgeführt werden können. Im Mittelpunkt steht als eine Lernform das Szenische Spiel. Das Buch enthält eine Fülle von Arbeitsmaterialien wie Rol-lentexte, Szenenfolgen und Hintergrundmaterialien für Szenenfolgen. Oelke; Ruwe; Scheller, I. [2000): Tabuthemen als Gegenstand szenischen Lernens in der Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle Das szenische Spiel wird pflegedidaktisch und theoretisch verortet. Es werden szenische Ü-bungen zu den Themen Krankheit, Schmerzen, Ausscheidung, Nacktheit und Tod vorgestellt sowie evaluierte Lerneinheiten zu verschiedenen Themen, u.a. Alte Menschen. Müller A. I.;Scheller, I. (1993): Das Eigene und das Fremde. Oldenburg Es handelt sich um die Dokumentation eines Projektes mit Flüchtlings-SozialarbeiterInnen. Mit Hilfe des Szenischen Spiels wird der Frage nachgegangen, welche Bilder von Fremden bestehen und wie diese sich auf Verhalten Fremden gegenüber auswirken. Es wird verdeut-licht, dass diese Bilder zu kritischen Situationen im Umgang mit AsylbewerberInnen, Kolle-gInnen und BehördernvertreterInnen beitragen können. Die Übungen zum Szenischen Spiel werden ausführlich beschrieben und sind übertragbar auf verschiedene Zielgruppen

Rollenspiele: Schaller, R. (2001): Das große Rollenspielbuch. Grundtechniken, Anwendungsformen, Pra-xisbeispiele. Weinheim Eine gute Einführung in die Techniken und Anwendungsformen des Rollenspiels mit verschie-denen Praxisbeispielen. Diebel, P. (2004): Alles andere als Theater. Rollenspiele im Training. In: Manager-Seminare Heft 74, März 2004, S. 68 – 74 Kurzbeschreibung von Sinn und Zweck des Rollenspiels, Einsatzmöglichkeiten, Übungen und Spiele zum Warming up sowie Literaturtipps.

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 55

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke I.LE 3.LS 7 Kultur und Lebenswelt

Leitfaden

Material 1

Material 2

Folie 1

Material 3

Folie 2

Folie 3

Folie 4

Folie 5

Material 4

Teilnehmerunterlage 1

Material 5

Arbeitsblatt 1

Material 6

Material 7

Medien 1

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 56

I.LE 3.LS 7 Leitfaden Thema: Kultur und Lebenswelt Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

2.1 Lebenswelten und soziale Netzwer-

ke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln berücksichtigen

Gruppenarbeit, Lehr- gespräch, Einzelarbeit Sozialform Medien Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen sich mit dem Begriff „Kultur“ auseinander setzen. Die Vorstellun-gen einer homogenen nationalen Kultur sollen aufgebrochen werden. Die Auszubildenden sollen erkennen, dass sie alle Angehörige verschiedener Kulturen sind und nicht nur diejeni-gen mit Migrationshintergrund. Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Die Auszubildenden sollen in Gruppen zur ihrer Vorstellung einer Kultur jeweils eines Lan-des (z.B. Deutschland, Türkei, USA, Russland, Indien) ein ABC erstellen. Anschließend fin-det eine gemeinsame Auswertung statt. (I.LE 3.LS 7 Material 1).

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 57

Schritt 2: Der Begriff Kultur wird gemeinsam mit den Schülern und Schülerinnen näher beleuchtet (I.LE 3.LS 7 Material 2, I.LE 3.LS 7 Folie 1, I.LE 3.LS 7 Material 3 und I.LE 3. LS 7 Folien 2, 3, 4 und 5) Schritt 3: Mit Hilfe von kurzen Selbstdarstellungen von fünf Jugendlichen aus Deutschland, Sambia und Indien soll erörtert werden, inwiefern das Leben der Jugendlichen als ein Leben zwischen den Kulturen bezeichnet werden kann und wo sich mögliche Konflikte andeuten (I.LE 3.LS 7 Material 4, I.LE 3.LS 7.Teilnehmerunterlage 1). Schritt 4: In einer Einzelarbeit tragen die Auszubildenden in ein Tortendiagramm ein, welche Kulturen zu einer ausgesuchten Beispielperson gehören und in ein zweites Tortendiagramm, welche Kulturen zu ihnen selbst gehören (I.LE 3.LS 7 Arbeitsblatt 1). Anschließende Auswertung (I.LE 3.LS 7 Material 5). Schritt 5: Die Lehrkraft weist darauf hin, dass Kultur einer dynamischen Veränderung unterliegt. Ge-meinsam mit den Auszubildenden sammelt sie Beispiele hierfür am Flipchart (I.LE 3. LS 7 Material 6). Schritt : 6 Die Lehrkraft liest ein Beispiel aus der Literatur vor, aus dem deutlich wird, dass andere Kul-turen nur durch Bezug auf das eigene kulturelle Selbstverständnis als fremd wahrgenommen werden (I.LE 3.LS7 Material 7).

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 58

I.LE 3.LS 7 Material 1

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen sich mit dem Beg-riff „Kultur“ auseinander setzen. Die Vor-stellungen einer homogenen nationalen Kultur sollen aufgebrochen werden. Die Auszubil-denden sollen erkennen, dass sie alle Ange-hörige verschiedener Kulturen sind und nicht nur diejenigen mit Migrationshintergrund.

Thema: Kultur und Lebenswelt ABC der Nationalkulturen Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: 1. Schritt: Die Lerngruppe wird in Gruppen zu je 5 Personen aufgeteilt. Die Gruppen sollen zu ihrer Vorstellung der Kultur jeweils eines Landes (z.B. Deutschland, Türkei, USA, Russland, In-dien, Uganda, Tadschikistan) ein ABC erstellen, wobei nach Möglichkeit zu jedem Buchsta-ben des Alphabetes ein Begriff aufgeschrieben werden soll, den die Teilnehmer und Teilneh-merinnen für die jeweilige Kultur für typisch halten. Die Schüler und Schülerinnen haben hierfür 10 Minuten Zeit.

Ein ABC der deutschen Kultur: A–uto B–eethoven C D-emokratie E–iche f-leißig G H i J K L M N-azi o

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 59

Bei der anschließenden Vorstellung ihres ABCs sollen die Gruppen zunächst schildern, wie sie zu ihrem Ergebnis gekommen sind. Folgende Fragen geben dabei Anhaltspunkte:

Wie viele Begriffe haben Sie gefunden? Fiel es Ihnen leicht, Begriffe zu finden? Gab es Streit bei der Auswahl von Begriffen? Bei welchen Begriffen gab es Streit? Warum?

Scheinbar geht es in dieser Aufgabe darum, Wissen über verschiedene Nationalkulturen „ab-zufragen“. Tatsächlich soll die Aufgabe aber dazu dienen, gerade die Schwierigkeiten, eine solche zu beschreiben, aufzuzeigen. Damit dies gelingt, sollten solche Nationen ausgewählt werden, über deren Kulturen unterschiedliches Wissen, Einstellungen und Stereotypen in der Lerngruppe existieren. Geeignet sind z.B. neben Deutschland Länder, zu denen Schüler und Schülerinnen der Gruppe biografische Bezüge haben und ein Land, das den Schülern und Schülerinnen vermutlich nicht bekannt ist. In der Auswertung sollen die Gruppen neben ih-rem ABC die Schwierigkeiten und Streitpunkte bei der Erstellung des ABCs darstellen. Die Aufgabe eignet sich als Einstieg in das Thema „Kultur – viele Kulturen“, da sie Bilder und Stereotype über die eigene und die anderen Kulturen hervorholt, sie aber gleichzeitig durch die Diskussionen mit den Mitschülern und Mitschülerinnen in Frage stellt. Das führt zu Fragen, die die weitere Unterrichtsreihe bestimmen können, z.B.:

Warum existieren oft unterschiedliche Meinungen über eine Kultur?

Kann man unterschiedliche Kulturen voneinander abgrenzen oder geschieht dies auf Grund von Vorurteilen?

Woher beziehen wir unser Wissen über andere Kulturen? Was ist Kultur überhaupt?

Diese Methode haben wir mit freundlicher Genehmigung der Kindernothilfe folgender Publi-kation entnommen: Kindernothilfe (Hrsg.) (2003): Unterrichtsmaterialien zum interkulturel-len und globalen Lernen ab Klasse 8, Unterrichtseinheit „Eine Kultur – viele Kulturen?“, Baustein 1, S. 4–5), siehe auch: www.kindernothilfe.de

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 60

I.LE 3.LS 7 Material 2

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen erkennen, dass die Identität des Einzelnen nicht allein von der nationalen Zugehörigkeit sondern von ganz verschiedenen kulturellen Einflüssen geprägt ist.

Thema: Kultur und Lebenswelt Lehrgespräch Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Ein Bild wird den Auszubildenden mit Overheadfolie präsentiert (I.LE 3.LS 7 Folie 1). Das Bild zeigt ein Mädchen in einer Umgebung, die sie als Angehörige verschiedener Kulturen kennzeichnet. So weist ihre Kleidung auf interkulturelle Mode hin, ihre geflochtenen Zöpfe auf eine traditionelle deutsche Frisur, die wieder in Mode gekommen ist. Die Zeitung weist auf spanische Herkunft hin, Grimms Märchen und Faust I auf volkstümliche und klassische Literatur etc.. Das Bild eignet sich dazu, mit den Schülern und Schülerinnen über ihr Ver-ständnis von Kultur ins Gespräch zu kommen und gleichzeitig auf die Vielgestaltigkeit von Kulturen und kultureller Zugehörigkeit zu verweisen. Die Schüler und Schülerinnen beschreiben zunächst das Bild und äußern sich dann frei zu der Frage: „Ist das Kultur?“ Aus ihren unterschiedlichen Antworten ergeben sich einerseits ver-schiedene Interpretationen des Begriffs „Kultur“, andererseits, dass das Mädchen auf dem Bild nicht eindeutig einer Kultur zuzuordnen ist. Schritt 2: Mit Hilfe der Hintergrundtexte (I.LE 3.LS 7 Material 3) und Overhead-Folien (I.LE 3.LS 7 Folien 2, 3, 4 und 5) werden die Begriffe Kultur, Kulturelle Identität, Lebenswelt und Ethnizi-tät herausgearbeitet.

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 61

Diese Methode haben wir mit freundlicher Genehmigung der Kindernothilfe folgender Publi-kation entnommen: Kindernothilfe (Hrsg.) (2003): Unterrichtsmaterialien zum interkulturel-len und globalen Lernen ab Klasse 8, Unterrichtseinheit „Eine Kultur – viele Kulturen?“, Baustein 1, S. 5), siehe auch: www.kindernothilfe.de/

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 62

I.LE 3.LS 7 Folie 1

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 63

I.LE 3.LS 7 Material 3

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen sich mit dem Be-griff Kultur auseinander setzen. Die Vorstel-lungen einer homogenen nationalen Kultur sollen aufgebrochen werden. Die Auszubil-denden sollen erkennen, dass sie alle Ange-hörige verschiedener Kulturen sind, und nicht nur diejenigen mit Migrationshintergrund.

Thema: Kultur und Lebenswelt Lehrgespräch Sozialform Medien Zeit:

Weiterführender Hintergrundtext zu den Begriffen Kultur, kulturelle Identität, Lebenswelt und Ethnizi-tät

Kultur Auernheimer1 versteht unter „Kultur“ ein Orientierungssystem, das aus einem gemeinsamen Repertorire an Symboldeutungen, Kom-munikations- und Repräsentationsmitteln2 besteht, an dem sowohl die Individuen als auch die Gesellschaft ihr Handeln ausrichten. Die gemeinsamen symbolischen Mittel wie Sprache, Rituale und Wohnstile sind dabei nicht unveränderlich, sondern werden den gesellschaftlichen Bedingungen laufend angepasst. Die Angehöri-gen einer Kultur verbindet dabei, dass sie die Bedeutung dieser symbolischen Mittel kennen, sich somit miteinander verständigen und ihr Handeln aufeinander abstimmen können. Aufgrund der Bedeutungsinhalte, Ideen und Wertvorstellungen unterscheiden sie sich bzw. grenzen sich gleichzeitig von anderen Kulturen ab. 1 vgl. Auernheimer, Georg: Der sogenannte Kulturkonflikt. Orientierungsprob-leme ausländischer Jugendlicher Frankfurt/Main, New York 1988; es gibt viele verschiedene Definitionen von Kultur, hier wird beispielhaft auf die von Auern-heimer zurückgegriffen 2 Symbolbedeutung: z.B. Kopfschütteln als Verneinung; Kommunikationsmittel: wie spricht man mit wem? Repräsentationsmittel: welche Kleidung trägt man zu welchem Anlass?

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 64

Migration bedeutet Wechsel der Kultur Während der Migration, die einen Wechsel von einer Kultur in eine andere beinhaltet, kommen Menschen häufig mit den bisherigen Deutungsmustern nicht mehr zurecht. Neben kulturellen Unterschieden werden als Ursachen auch „Mo-dernitätsdifferenzen“ (d.h. der Wechsel von agrarisch geprägten Strukturen in moderne Industriegesellschaften) festgehalten. Bei-spielsweise kannte eine gebürtige Deutsche, die schon seit ihrer Hochzeit 1955 in Italien lebt, keinen deutschen Begriff für Ge-schirrspülmaschine, weil es die zur ihrer Zeit in Deutschland noch nicht gab. Sie benutzte selbstverständlich den Begriff „Teller-waschmaschine“, der eine wörtliche Übersetzung aus dem Italieni-schen ist. Kultur ist somit das historische Produkt einer Gemeinschaft von Individuen, die sich ein größtenteils ungeschriebenes Regelwerk ihrer sozialen Beziehungen geben. Im Mittelpunkt stehen die Ideen der Beziehungen zwischen den Mitgliedern der jeweiligen Gemein-schaft. Kultur kann definiert werden als eine individuelle „Land-karte“, die eine größtmögliche Übereinstimmung mit der vorhan-denen gesellschaftlichen „Landkarte“ finden muss. Die individuel-len „Landkarten“ sind geprägt durch die Erfahrungen der Sozialisa-tion und der lebenslangen Auseinandersetzung mit den individuel-len Vorstellungen, Werten und Bedürfnissen anderer Menschen. Findet sich nun zwischen der „Landkarte“ des Einzelnen und der-jenigen der Gesellschaft keine oder eine zu gering Übereinstim-mung, so werden diese Individuen zu gesellschaftlichen Außensei-tern, die unter Umständen Subkulturen (z.B. Hippies) bilden. Während Neugeborene dieses Regelwerk über ihre Sozialisation erlernen, müssen sich zuwandernde Erwachsene diesem anpassen. Die hierzu erforderlichen Leistungen (Assimilation oder Integrati-on3) sind abhängig von den persönlichen Einstellungen und Fähig-keiten der Zuwandernden und den Möglichkeiten, die die Aufnah-megesellschaft ihnen hierzu gibt. Das vorhandene Regelwerk ist nicht statisch. Es eröffnet vielfältige Möglichkeiten der dynami-schen Veränderung. Ein Nebeneffekt der Zuwanderung ist die Ver-änderung des bestehenden Regelwerks der Aufnahmegesellschaft. Es handelt sich immer um einen wechselseitigen Prozess der Aus-einandersetzung und Veränderung. Wechselseitiger Prozess der Auseinandersetzung und Verände-rung

3Integration (vermehrter Respekt gegenüber den kulturellen Eigenheiten der Minderheitengruppen) gewinnt stark an Bedeutung. Hier wird eine völlige Lö-sung der Bindungen an das Herkunftsland und eine gänzliche Übernahme von Sprache, Kultur und Werthaltungen der Aufnahmegesellschaft nicht mehr gefor-dert. In aktuellen Migrationstheorien hat das Konzept der Assimilation, welches i.d.R. das völlige Aufgehen der Minderheit in die Mehrheitsgesellschaft be-schreibt, an Relevanz verloren.

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 65

Beispielhaft ist die Veränderung der deutschen Esskultur: Pizzerien und Döner-Kebap-Imbisse sind heute aus den deutschen Städten nicht mehr wegzudenken. Vor Beginn der Zuwanderung waren diese Speisen hier vollkommen unbekannt und der Tourismus nach Italien und in die Türkei steckte in den Anfängen. Textauszug aus: AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht?, S. 10–11. Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63–69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected]

Kulturelle Identität Identität, Auseinandersetzung des Einzelnen mit gesellschaftli-chen Erwartungen Um die Fragen „Wer bin ich?“ und „Wohin gehöre ich?“ zu beant-worten, ist der Mensch auf seine Mitmenschen angewiesen. Identi-tät entsteht durch die Auseinandersetzung des Einzelnen mit den gesellschaftlichen Erwartungen. Um nicht unbegrenzt manipulier-bar zu sein, muss der Einzelne sich gegen diese Erwartungen be-haupten. Gleichzeitig darf er sich nicht darüber hinwegsetzen, um handlungsfähig zu bleiben. Im Sozialisationsprozess erlernt der Mensch hierfür notwendige Fähigkeiten, die in dem Begriff „Ich-Identität“ zusammen gefasst werden: „Rollendistanz“, „Empathie“ und „Ambiguitätstolerenz“4. In der Familie muss sich das Kind mit verschiedene, sich z.T. widersprechenden Erwartungen auseinander setzen. Meist spiegeln die Erwartungen der Erwachsenen die Nor-men und Wertvorstellungen der Gesellschaft und Kultur wider. Es werden kulturelle Muster erlernt und verinnerlicht. In der Ausei-nandersetzung des Individuums mit der eigenen Lebensgeschichte und der Herkunftskultur werden diese hinterfragt und unter Um-

4 Ambiguitätstoleranz:“...eine persönlichkeitsabhängige Einstellung gekenn-zeichnet durch das Ertragenkönnen von Mehrdeutigkeiten in der Wahrnehmung, auf emotionaler und auf kognitiver Ebene. (...) Das Maß der A. findet in der Selbstwahrnehmung, der eigenen Lebensgestaltung, aber auch in der Toleranz gegenüber fremden Meinungen und Gebräuchen seinen Ausdruck. A. wird u.a. als notwendiges Sozialisierungsergebnis einer Gesellschaft mit versch. Wertgel-tungen gedeutet und als Eigenschaft einer kreativen Persönlichkeit aufgefasst.“ Aus: Brockhaus-Enzyklopädie in 24 Bänden, 19. Auflage, Mannheim 1986, Band 1

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 66

ständen modifiziert. Die Identitätsmerkmale „Geschlecht“ und „Al-ter“ sind somit nur scheinbar feste Merkmale, denn was Mann oder Frau zu tun haben, was in einem bestimmten Alter „schicklich“ ist, unterliegt keinen starren Regeln. Es gibt nicht den Türken, den Italiener, den Deutschen Die Annahme eines einheitlichen ethnischen Sozialcharakters ist gefährlich, da hierdurch eine kulturelle Differenzierung konstruiert wird. Selbst- und Fremdbilder sind immer verbunden mit Kultur-differenzvorstellungen über die eigene und fremde Gesellschaft. „Das Problem liegt m.E. nicht darin, kulturelle Gemeinsamkeiten auf europäischer Ebene oder intrakulturelle Differenzen innerhalb Hamburgs oder unter verschiedenen Berufsgruppen festzustellen. Probleme ergeben sich vor allem aus einer unreflektierten mono-kulturellen Perspektive, die sich unter multikulturellen, mit Macht und Herrschaft einhergehenden gesellschaftlichen Bedingungen in einem unreflektierten Ethnozentrismus ausdrückt, d.h. in der An-nahme von der Höherwertigkeit der eigenen Kultur.“5

Textauszug aus: AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht?, S. 10–11. Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63–69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected]

Eine Kultur – viele Kulturen? Die Vorstellung homogener Nationalkulturen ist immer noch weit verbreitet, wie uns Debatten, wie die um die doppelte Staatsbürger-schaft oder „die deutsche Leitkultur“ zeigen. Völker werden hierbei als mehr oder weniger geschlossene homogene kulturelle Einheiten gesehen, wobei ein möglichst hohes Maß an kultureller Homogeni-tät ein friedliches Zusammenleben garantieren soll. Nationale Ge-sellschaften sind aber nicht geschlossen und unterliegen zudem einem ständigen zeitlichen Wandel. Auch innerhalb einer Gesell-schaft ist Kultur nie homogen. Je nach Region, sozialer Schicht, Altersklasse, Geschlecht usw. gibt es kulturelle Unterschiede in-nerhalb einer Gesellschaft, so dass die einzelnen Mitglieder einer

5 Nestvogel, Renate (Hrsg.): „Fremdes“ oder „Eigenes“? Rassismus – Antisemi-tismus – Kolonialismus – Rechtsextremismus aus Frauensicht. Frankfurt/Main 1994

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 67

Gesellschaft immer Angehörige mehrerer Kulturen sind, die ihre Identität mitbestimmen.

Quelle: Kindernothilfe e.V. (Hrsg.) (2003): Eine Kultur – viele Kulturen. Paderborn

„Lebenswelten“ Mit Lebenswelt sind die alltäglichen Selbstverständlichkeiten ge-meint, mit denen Menschen leben, die Gegebenheiten der bloßen Wahrnehmung, das, was man schlicht alltäglich vorfindet und was fraglos hingenommen wird. Die Lebenswelt ist ein Wirklichkeits-ausschnitt, den Menschen mitgestalten können, der Teil der Welt, der sich in der aktuellen Reichweite befindet. Eingeschlossen ist in Lebenswelten nicht nur die Natur, sondern auch Kultur und die soziale Welt, d.h. die Familie, die Berufswelt, der Freundeskreis, die wirksam werdenden gesellschaftlichen Normen und Werte. Es existieren drei Verfahren, die Menschen nutzen, um sich ihre Lebenswelt auszulegen bzw. zu erklären: Wissen, Erfahrungen und Typisierungen.

Bei den Wissensvorräten greifen Menschen auf verschiedene Wissensformen zurück. Diese lassen sich unterscheiden in

Gewohnheitswissen: In unserer Kultur isst man mit Messer und Gabel, verfügt über bestimmte Techniken im Alltag, z.B. Verständnis darüber, wie man geht, sich hinsetzt, sich begrüßt, welchen Abstand man von anderen Menschen hält (z.B. im Fahrstuhl), wann Mahlzeiten eingenommen wer-den, wann gearbeitet wird, wie man sich seine Wohnung einrichtet.

Gebrauchswissen ist mit Tätigkeiten verbunden wie Kopf-rechnen, Schreiben und Lesen. Diese Fähigkeiten gehören zu unseren Kulturtechniken, und es wird erwartet, dass alle Mitglieder dieser Gesellschaft sie beherrschen.

Rezeptwissen ist das am wenigsten standardisierte Ge-wohnheitswissen, wie z.B. Kochen nach Rezept, Erziehung der Kinder nach pädagogischen Ratgebern, Arbeiten nach Standards, Richtlinien, Empfehlungen, wie man eine Be-werbung schreibt oder was in einen Lebenslauf gehört.

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 68

Bei den Erfahrungen greifen Menschen entweder auf eigene oder durch andere Menschen vermittelte Erfahrungen zurück. Sie ver-trauen zum einen darauf, dass die Ihnen bekannte Welt so erhalten bleibt wie sie sie wahrnehmen. Zum anderen vertrauen sie darauf, dass sie Handlungen, die sich bewährt haben, wiederholen können (z.B. Begrüßungsrituale im Altenheim am Morgen, Konfliktbear-beitung findet ohne Gewalttätigkeit statt). Typisierungen werden vorgenommen in bezug auf Natur (was wird als schön erlebt und wie wird diese Schönheit beschrieben) und Sozialwelt (z.B. Vorstellungen über das Verhalten von Kin-dern, Jugendlichen, Assoziationen über Jugendliche mit einem be-stimmten Kleidungsstil, Assoziationen über Migranten und Migrantinnen und ihr Verhalten und umgekehrt Vorstellungen von Migranten und Migrantinnen über „typisch“ deutsche Verhaltens-weisen, Zuschreibungen, mit denen alte Menschen konfrontiert werden und die negativ besetzt sind). Diese Typisierungen können durch direkten Kontakt, durch Erfahrung modifiziert werden, z.B. wenn man einen türkischen Migranten kennen lernt, der Buddhist ist oder einen Punker im Zivildienst im Altenpflegheim trifft, der klassische Musik liebt. Wirklichkeit der Lebenswelt entsteht erst durch Kontakte und In-teraktion mit anderen Menschen, erst hier wird Wirklichkeit real, nämlich indem sie ähnlich oder anders interpretiert wird.

Literatur: Schütze, A.; Luckmann, T. (1984): Strukturen der Lebenswelt. Frankfurt/Main

Ethnizität“ In den Medien findet man oft die Begriffe

ethnische Konflikte ethnische Gruppen ethnische Identität (vgl. Stender 2001).

Enthnizität kann verstanden werden als ein soziales Konstrukt, das prozesshaft und sozial gemacht ist und damit auch veränderbar ist, es ist also nichts „Natürliches“, Unveränderbares“. Mitglieder einer ethnische Gruppe beziehen sich auf spezifische Merkmale, die sich je nach ethnischer Gruppe unterscheiden kön-nen z.B. auf

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 69

gemeinsame Ursprünge und Abstammungen historische Überlieferungen ein historisches Gebiet eine gemeinsame Kultur (Sprache, Gebräuche, Religi-

on) Gruppensolidarität Gruppenidentität

Nach Stender (2001) erleben sich Mitglieder sog. ethnischer Grup-pen als imaginierte Verwandte. Mit diesem Gefühl der Verwandt-schaft wird dann eine Abgrenzung zu anderen Gruppen vorge-nommen. Die individuelle Willensfreiheit wird i.d.R. der Gruppe untergeordnet. Die ethnische Form der Selbstwahrnehmung führt dazu, alle anderen Menschen ebenfalls als Ethnien wahrzunehmen. Gruppen, die sich selbst mit ethniespezifischen Merkmalen be-schreiben, tendieren dazu andere „Nichtmitglieder“ abzuwerten. Die sogenannten modernen Gesellschaften werden oft definiert durch das zunehmende Streben nach Autonomie, das Auflösen von Traditionen (z.B. religiöse Aufnahmeriten in die Gesellschaft wie Taufe, Konfirmation, Kommunion), das Infrage stellen von Werten (z.B. Altersbilder, Bindungsverhalten, Familienstrukturen), Nor-men (z.B. tradierte Männer und Frauenrollen). Dieser Prozess ist mit neuen Freiheiten verbunden, aber auch mit der Gefahr der Ori-entierungslosigkeit. Ethnizität kann somit als Kompensation und gleichzeitig als Resultat von Traditionsverlust verstanden werden, um Orientierung zu finden, indem eine gemeinsame Identität kon-struiert wird. Ethnizität kann harmlos sein, sie kann aber auch gefährlich werden, wenn sie zum Aberglauben wird, in dem man an eine gemeinsame natürliche Substanz glaubt, an das „Gesetz des Blutes“. Dann kommt es zu einem „Grausamkeitsüberschuss“ (vgl. Schneider zit.n. Stender 2001), wenn Individuen bereit sind zu töten, zu ster-ben, um ihre ethnischen Interessen durchzusetzen. Der Begriff der Ethnizität hebt sich klar von dem Begriff der „Ras-se“ ab. Der Begriff „Rasse“ wird in Definitionen verknüpft mit Eigenschaften, die auf angeblich innere (arteigene) Merkmale ver-weisen. In antisemitischen Ideologien wurde mit dem Begriff „Ras-se“ auf spezifische Körpermerkmale (Nasenform, Haarfarbe) ver-wiesen.

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 70

Literatur: Leiprecht, Rudolph (2001): Alltagsrassismus. Eine Untersuchung bei Jugendlichen in Deutschland und den Niederlanden. München Stender, Wolfram (2001): Was heißt Ethnisierung? Zehn Thesen zum Thema „Ethnische Konflikte in modernen Gesellschaften“. In: Loccumer Initiative kritischer Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler (Hrsg.): Gewalt und Zivilisation in der bürgerlichen Ge-sellschaft. Hannover

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 71

I.LE 3.LS 7 Folie 2

Kultur = Orientierungssystem

mit gemeinsamem Repertoire an

Symboldeutungen (z.B. Kopfschütteln als Verneinung)

Kommunikationsmitteln (z.B. wie spricht man mit wem?)

Repräsentationsmitteln (z.B. welche Kleidung zu welchem Anlass) gleiche Kultur = Kenntnis des jeweiligen Repertoirs

in Deutschland: viele Kulturen im dynamischen gegenseitigen Beeinflussungsprozess

viele türkische Haushalte feiern Weihnachten

und Ramadan Deutsche essen Sauerkraut und Döner

Migrationskultur

transkulturell verformtes Regelwerk in spezifischen Subkulturen abhängig von Lebenserfahrung

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 72

I.LE 3.LS 7 Folie 3

Identität

Auseinandersetzung des Einzelnen mit gesell-schaftlichen Erwartungen Ich-Identität Fähigkeit zur Rollendistanz, Empathie, Ambigui-tätstoleranz Kulturell geprägte Identitäten wie „Geschlecht“, „Alter“ sind Erwartungsmuster, die verändert werden können Ethnozentrismus Konstruktion eines ethnischen Sozialcharakters – die Türken, die Italiener, die Deutschen

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 73

I.LE 3.LS 7 Folie 4

Lebenswelt = alltägliche Selbstverständlichkeiten Wir erklären uns die Lebenswelt durch Wissen:

Gewohnheitswissen Gebrauchswissen Rezeptwissen

Erfahrungen:

eigene Erfahrungen oder durch andere vermit-telt

bewährte Handlungen Typisierungen:

was wird als schön erlebt, was nicht Vorstellungen über Verhaltensweisen

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 74

I.LE 3.LS 7 Folie 5

Ethnizität (nach Stender) Soziales Konstrukt, veränderbar Begründungszusammenhänge:

Gemeinsame Ursprünge und Abstammungen Historische Überlieferungen ein historisches Gebiet eine gemeinsame Kultur Gruppensolidarität Gruppenidentität

Funktion des sozialen Konstrukts:

Abgrenzung zu anderen Gruppen Gemeinsame Identität – Orientierung Stärkung des Individuums durch „Wir-Gefühl“ Abwertung von „Nichtmitgliedern“

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 75

I.LE 3.LS 7 Material 4

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen sich mit dem Beg-riff Kultur auseinander setzen. Die Vor-stellungen einer homogenen nationalen Kultur sollen aufgebrochen werden. Die Auszubil-denden sollen erkennen, dass sie alle Ange-hörige verschiedener Kulturen sind, und nicht nur diejenigen mit Migrationshintergrund.

Thema: Kultur und Lebenswelt Lehrgespräch Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen:

Aus den kurzen Selbstdarstellungen von fünf Jugendlichen aus Deutschland, Sambia und In-dien erfährt man etwas über ihre Interessen, Meinungen und ihre kulturellen Hintergründe. Die Texte von Josephine, Frank und Lamech beruhen auf der Shell Jugendstudie 2000, Le-bensläufen ehemaliger Patenkinder der Kindernothilfe und dem Bericht eines sambischen Journalisten, die wir mit freundlicher Genehmigung der Kindernothilfe folgender Publikation entnommen haben: Kindernothilfe (Hrsg.) (2003): Unterrichtsmaterialien zum interkulturel-len und globalen Lernen ab Klasse 8, Unterrichtseinheit „Eine Kultur – viele Kulturen?“, Baustein 1, S. 7), siehe auch: www.kindernothilfe.de Schritt 1: Die Auszubildenden lesen sich die fünf kurzen Selbstdarstellungen durch. Schritt 2: Erste Reaktionen der Auszubildenden werden zusammen getragen. Diese können dann über-geleitet werden zu der Frage, inwiefern das Leben der Jugendlichen als ein Leben zwischen den Kulturen bezeichnet werden kann. Wo deuten sich mögliche Konflikte an?

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 76

I.LE 3.LS 7 Teilnehmerunterlage 1

Ich heiße Nasreen und komme aus Mansehra in Pakistan, nahe der Grenze zu Afghanistan. Ich lebe seit 7 Jahren in Berlin. Ich gehe gern zur Schule und möchte mein Abitur machen, da ich später gern Literaturwissenschaften studieren möchte. Ich lese sehr gern. Im Deutschunterricht besprechen wir viel Literatur, das macht mir großen Spaß. Meine Freizeit verbringe ich meist mit meiner Familie oder mit meinen Freundinnen. Die Familie bedeu-tet mir sehr viel. Meine Großeltern leben in Pakistan, so dass ich sie leider nicht so einfach besuchen kann. Das finde ich sehr schade. Unsere Familie

lebt nach den muslimischen Regeln. Meine Eltern handhaben dies aber nicht allzu streng. Trotzdem fällt es mir manchmal schwer, die Regeln einzuhalten, weil das Leben in Deutsch-land doch sehr anders ist. Ich habe mich bewusst dazu entschlossen, ein Kopftuch zu tragen, da ich stolz darauf bin, Muslimin zu sein und dies auch nach außen zeigen möchte.

Ich heiße Lamec. Ich wohne heute in einem Schülerwohnheim in der Groß-stadt Madras, in Indien. Ursprünglich komme ich aus einem Dorf. Mein Vater ist früh gestorben. Meine Mutter war zu arm, um für uns Kinder zu sorgen. Bevor ich hierher kam, habe ich in Waisenhäusern und auf der Straße gelebt. Mein Glaube ist mir sehr wichtig. Gott hat mir geholfen, wieder zur Schule zu gehen und im Schülerwohnheim Hilfe zu bekommen. Gerade bin ich als bester Schüler für das American College vorgeschlagen

worden. Mathematik und Informatik sind meine Lieblingsfächer. Vielleicht komme ich durch das College meinem Traum näher, später in der Softwareentwicklung zu arbeiten. Allerdings mache ich mir auch ein bisschen Sorgen: schon heute ist es komisch, ehemalige Freunde wie-der zu treffen, die noch auf der Straße leben. Und wenn ich zu meiner Mutter ins Dorf fahre, fühle ich mich manchmal richtig fremd.

Mein Name ist Josephine. Ich wohne in Lusaka, der Hauptstadt von Sambia. Mein Vater ist Journalist und kommt aus Ghana, meine Mutter ist Sambierin. Da mir Schule sehr leicht fällt, habe ich ein Stipendium für eine gute Privat-schule bekommen. Meine Lieblingsfächer sind Englisch und Literatur. Ich schreibe auch selbst Texte, in der Regel Kurzgeschichten. Eine über Aids ist sogar schon veröffentlicht worden. Ich möchte mit meinen Texten die Men-schen aufrütteln. Später will ich in den USA oder Europa studieren und dann Journalistin werden, wie mein Vater, oder sogar Schriftstellerin. In Ghana,

der Heimat meines Vaters, will ich später auf keinen Fall leben. Letztes Jahr waren wir dort auf der Beerdigung von einem Onkel meines Vaters. Die Verwandten waren ganz komisch zu uns. Sie haben meinem Vater vorgeworfen, dass er aus Ghana weggegangen ist und jetzt viel reicher ist als sie.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 77

Ich heiße Joachim. Ich bin in Köln geboren. Als ich 5 Jahre alt war, sind wir nach Frankfurt gezogen. Seitdem lebe ich hier. Ich bin Mitglied einer Orga-nisation, die sich für Kinderprojekte in Asien einsetzt, und in diesem Zu-sammenhang haben wir auch viel Kontakt mit der evangelischen Gemeinde. Wir haben schon oft gemeinsame Aktivitäten geplant und umgesetzt. Es ist mir sehr wichtig, mich für Menschen einzusetzen, die in Armut leben. Ich bin sehr sportlich und spiele American Football in einem American Football

Club. Ich fühle mich in unserem Team sehr wohl. Wir trainieren 2 x die Woche, und an den Wochenenden sind wir oft im Einsatz zu den Football-Spielen. Manchmal kommt bei all mei-nen Aktivitäten die Schule etwas zu kurz.

Ich heiße Frank. Ich komme aus Wald. Da das aber sowieso niemand kennt, sage ich immer, ich komme aus einem kleinen Kaff in der Nähe vom Bodensee. Seit zwei Jahren wohne ich jetzt mit meiner Mutter in Stuttgart. Ich finde es ziemlich okay hier. Zuerst war ich in der Techno-szene. Aber irgendwie hat es mir da nicht gefallen, zu viel Gruppenzwang. Jetzt bin ich Skate-Punker. Wir organisieren Aktionen gegen rechts. Ich zeichne meist die Flyer. Ich finde es wichtig, was zu tun. Allerdings gibt´s auch bei uns so einen Gruppenzwang, z.B. welche Musik man hören darf.

Ich höre ganz viele Musikrichtungen, je nachdem wie ich mich fühle. Später möchte ich in einer großen Stadt, Hamburg, Berlin, vielleicht sogar London leben. Trotzdem vermisse ich auch manchmal Wald. Vor allem natürlich meinen Vater und meine Schwester, die noch dort leben. Ich finde es traurig, wenn Familien nicht zusammenhalten. Das will ich später besser machen als meine Eltern.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 78

I.LE 3.LS 7 Material 5

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen erkennen, dass die Identität des einzelnen nicht allein von der nationalen Zugehörigkeit sondern von ganz verschiedenen kulturellen Einflüssen geprägt ist.

Thema: Kultur und Lebenswelt Lehrgespräch Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Die Auszubildenden tragen in ein Tortendiagramm ein (I.LE 3.LS 7 Arbeitsblatt 1), welche Kulturen zu einer ausgesuchten Beispielperson gehören und in ein weiteres Tortendiagramm, welche Kulturen zu ihnen selbst gehören. Schritt 2: In der anschließenden Auswertung wird herausgearbeitet, wo es gemeinsame Haltungen und Interessen von Jugendlichen gibt. Hierzu gehören z.B. Religiosität, künstlerischer Aus-druckswille, politisch-gesellschaftliches Engagement etc.

Diese Methode haben wir mit freundlicher Genehmigung der Kindernothilfe folgender Publi-kation entnommen: Kindernothilfe (Hrsg.) (2003): Unterrichtsmaterialien zum interkulturel-len und globalen Lernen ab Klasse 8, Unterrichtseinheit „Eine Kultur – viele Kulturen?“, Baustein 1, S. 8), siehe auch: www.kindernothilfe.de

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 79

I.LE 3.LS 7 Arbeitsblatt 1 Thema: Kultur und Lebenswelt Zeit:

Arbeitsauftrag – Welche Kulturen gehören zu Ihnen? Suchen Sie sich einen Jugendlichen oder eine Jugendliche aus, den/die Sie interessant finden. Zeichnen Sie ein Tortendiagramm (siehe Beispiel) auf ein Blatt Papier. Schreiben Sie in die Tortenstücke Begriffe, die Sie für die Persönlichkeit dieses Menschen für wichtig halten. Zeichnen Sie anschließend Ihr eigenes Tortendiagramm auf ein Blatt Papier und schreiben Sie hinein, was zu Ihrer Persönlichkeit gehört.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 80

I.LE 3.LS 7 Material 6

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen er-kennen, dass Kultur sich verän-dert.

Thema: Kultur und Lebenswelt Lehrgespräch Sozialform Medien Zeit

Methodisches Vorgehen: Die Lehrkraft weist darauf hin, dass Kultur einer dynamischen Veränderung unterliegt, d.h. kulturell „Fremdes“ wird in die vorhandene Kultur integriert, aber auch: kulturell Traditionel-les wird „exotisch“. Beispiele hierfür sind:

Essenskulturen, die z.B. die deutsche Küche bereichert haben Kleidung, z.B. Indie-Kleidung schrille Haarfarben der Punks, die heute allgemein modern sind Worte der Jugendkultur, die zum allgemeinen Wortschatz werden Hut-Tragen beim Mann: früher ein Muss, dann als spießig abgelehnt, jetzt gemäßigt

exzentrisch Alte traditionelle Trachten, z.B. Bückeburger Tracht, sind heute exotisch

Gemeinsam mit den Auszubildenden werden weitere Beispiele am Flipchart gesammelt.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 81

I.LE 3.LS 7 Material 7

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen erkennen, dass Kulturen nur durch Bezug auf das eigene kulturelle Selbstverständnis als fremd wahrgenommen werden.

Thema: Kulturbegriff und Lebenswelt Vortrag Sozialform Medien Zeit:

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Die Lehrkraft liest den Auszubildenden eine Geschichte vor, die mit einer ethnologischen Innenperspektive das Erleben eines a-bendländischen Heilungsrituals – den Besuch eines Mannes beim Hausarzt und ein Morgen in einem Krankenhaus – beschreibt. Die Geschichte wird, ganz nach ethnografischer Tradition aus der Per-spektive eines Menschen beschrieben, der die „Kultur“ einer Arzt-praxis bzw. Klinik bisher nicht kennen gelernt hat, der die Sprache der Professionellen nicht versteht. Durch diese Perspektive wird das uns Vertraute auf einmal fremd bzw. kann bewusst gemacht werden, dass Lebenswelten vor dem Spiegel des eigenen kulturel-len Selbstverständnisses wahrgenommen werden. Zudem kann den Auszubildenden verdeutlicht werden, dass auch sogenannte „ein-heimische“ Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens als fremd erleben und dies nicht nur auf Migranten und Migrantinnen zutrifft, bei denen das Fremdsein sichtbarer werden kann, z.B. auf-grund von Sprachbarrieren. Den Auszubildenden soll nicht mitgeteilt werden, dass es sich um Szenen aus dem Erleben von Fremdheiten in Institutionen des Ge-sundheitswesens handelt, zunächst wird eine Arztpraxis beschrie-ben, dann das Erleben von Fremdheit in einem Krankenhaus, um den Verfremdungseffekt zu erreichen. Die Geschichte stammt aus dem Buch „Rituale im Krankenhaus“ von Weidmann (1990) und wurde etwas gekürzt.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 82

Herr Kowalski 1. Szene: Herr Kowalski ist ca. 45 Jahre alt, Schlosser, verheiratet und hat 2 Kinder. Eines Tages hat er Bauchschmerzen. In seinem Betrieb gibt es viel Ärger aufgrund von Rationalisierungen. Sein neuer Chef ist 10 Jahre jünger und (Zitat:) „ein eingebildetes Großmaul“. Herr Kowalski fühlt sich ohnmächtig und schluckt seine Wut runter. Zuhause gibt es auch Probleme mit den Kindern. Herr Kowalski geht dann in den Keller aufräumen oder in die Kneipe. Als er hört, dass einem Nachbarn die Frau an Krebs ge-storben ist, denkt er, dass er was tun muss. 2. Szene: Herr Kowalski steht mit leerem Magen auf einem langen Flur. Über den Flur eilen Frauen mit weißen Kitteln, rufen sich unverständliche Dinge zu, verschwinden hinter Türen. Vor Herrn Kowalski steht ein Möbel mit Schreibwerkzeug. Dahinter steht eine Frau, die Herrn Kowalski flüchtig mustert und nach einem be-stimmten Stück Papier fragt, als sei es etwas ganz Bedeutsames, das er ihr gibt. Die weiße Frau schickt ihn nach nebenan. Dort sit-zen noch andere in einem Stuhlkreis, die sich alle verstohlen mus-tern. Herr Kowalksi liest in ein paar Zeitungen, die aufgestapelt herumliegen. Der Lautsprecher krächzt ab und zu, sagt einen Na-men, dann steht einer aus dem Stuhlkreis hektisch auf. Als er ein Knarren aus der Box hört, das sein Name sein könnte, macht er es den anderen nach. In dem anderen Raum steckt ihm ein ganz in weiß gekleideter Mann die Hand entgegen. Als er sie ergreifen will, zieht ihn die Hand zu einem Stuhl, der für Besucher bereit steht. Der „Weiße“ setzt sich in einen großen Sessel hinter einem gewaltigen Tisch. „Was kann ich für Sie tun?“ „Ja, Herr Doktor ich habe manchmal Schmerzen, hier so. Ich weiß ja nicht, ob, ich dachte...“ „In der Magengegend oder tiefer?“ „Tja...“ „Schon länger?“ „Seit ...Ja wis-sen Sie, es fing vor ein paar Wochen an, als ich...“ „Ach ja, da fing es an? Und sonst so, Essensprobleme? Stuhlgang usw.?“ Der „Weiße“ wartet die Antwort nicht ab und schiebt ihn in einen klei-nen Raum und sagt „ Machen Sie sich mal frei“. Der Raum ist völ-lig steril, eine Pritsche, ein paar Schränke, Metall glänzende Wan-nen, gläserne Röhrchen, Geräte, Schläuche, was alles so auf medi-zinischen Sachverstand schließen lässt. Herr Kowalski ist unsicher, irritiert, hat aber auch das Gefühl, in guten Händen zu sein. Er be-schließt sich auszuziehen, aber Unterhose und Socken anzubehal-ten. Der „Weiße“ erscheint: „setzen, drehen, atmen, tiefer, noch tiefer“ Er drückt, klopft, horcht. „Wir machen eine...“ Kowalski hat nichts verstanden, traut sich aber nicht zu fragen. Eine schmierige Paste

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 83

wird auf seinen Bauch gestrichen, die sehr kalt ist, so dass er zu-cken muss. Es wird dunkel. Der „Weiße“ murmelt vor sich hin und fährt dabei mit einem Gerät über seinen Bauch. Als das Licht an-geht, bespricht er sich mit einer Frau, die von draußen reinkommt. Es geht offensichtlich um ihn. Die Lage scheint – sieht man auf den Gesichtsausdruck – ernst zu sein. Herr Kowalski be-greift nichts. „Sie müssen ins Krankenhaus, und zwar möglichst bald. Auf Wiedersehen. Alles Gute.“ Der „Weiße“ entschwindet. Durch einen Nebel hört er die Frau sagen: „Ich mache Ihre Unter-lagen fertig.“ 3. Szene: Krankenhaus „Guten Morgen“ schallt es durch das Zimmer. Kowalski schaut auf die Uhr: 6 Uhr. Gestern Abend hatte er Wut auf die ganze Welt: der Betrieb, seine Kinder, seine Frau, Bauchschmerzen und „Was soll werden?“ Er hat Wut, dass er hier liegen soll, auf den Mann, der gegenüber liegt und immer stöhnt. Er hat Wut auf die „Weißen“, die so viel wissen und nichts sagen. Nachts haben sie ihm Pulver gegeben „Unter die Zunge, bitte“. Dann war es still. „Zeigen Sie mal her“ Wieder ein neuer fremder Mann in weißem Gewand. Er zieht ihm ein Röhrchen aus dem Mund, kritzelt was auf Papier „Stuhlgang?“ Kowalski versteht nicht. „Ob Sie gestern auf dem Klo waren?“ Kowalski schüttelt den Kopf. Das muss wohl so sein, denkt er, das gehört wohl dazu. Sie sollen ihm ja helfen. Nach kurzer Zeit kommt der junge Mann voller Elan erneut herein „Bitte stehen Sie doch mal auf“. Jetzt werden Laken, Kopfkissen geordnet und der kleine Rollschrank wird mit einer übel riechenden Flüssigkeit abgewischt. Kowalski denkt: „Sag mal nichts, Hauptsa-che die kümmern sich richtig um meinen Bauch.“ Seinen Bettnachbarn bearbeiten zwei „Weiße“ mit Lappen und Wasser, er stöhnt dabei. Zerschlagen und gereizt starrt Kowalski an die Decke, da wird die Tür aufgerissen und eine Stimme ruft “Frühstück“. Eine „Weiße“ stellt ihm ein Tablett hin mit Zwieback und Tee. Die Wut kommt hoch, seit 25 Jahren musste er so was nicht mehr essen, seit er von seinen Eltern ausgezogen ist. Der nächste Gedanke: „Die müssen ja was Ernstes gefunden haben.“ Sein Hals ist wir zugeschnürt. Ko-walksi wird unter seiner Decke immer kleiner und bekommt immer mehr Angst. Seine Wut ist verschwunden. (vgl. Weidmann, 1990, S. 62 ff)

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 84

Schritt 2: Nachdem die Geschichte vorgelesen wurde, können folgende Fra-gen gestellt werden:

1. Was ist für Herrn Kowalski fremd? 2. Wodurch entstehen die Fremdheitsgefühle? 3. Wie könnte das Gefühl des Fremdseins, der Ohnmacht

durch die „Weißen“ gemindert werden?

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 85

I.LE 3.LS 7 Medien 1 Thema: Kulturbegriff und Lebenswelt

Lehrmaterialien und vertiefende Literatur zum Thema Kultur: AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht? Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien, zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63–69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected] Materialien zu demografischen Daten, Werten, Normen, rechtlichen Fragen, Migration und Gesundheit, Migration und Alter, Bedürfnisse älterer Migranten und Migran-tinnen, mit Praxisbeispielen für den Einsatz im Unterricht, insbesondere Punkt 11. Bracht, E. (1994): Multikulturell leben lernen. Psychologische Bedingungen universalen Denkens und HandelnsKröning Dieses Buch behandelt psychologische Hintergrundbedingungen zum Leben in einer multikul-turellen Gesellschaft (Lebenswelt, Psychologie des Fremden, Identität in der multikulturellen Gesellschaft). Bundeszentrale für politische Bildung (2001): Deutschland, deine Inländer? – Themenblät-ter im Unterricht (Nr. 6), Bonn Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2003): ein Handbuch für Deutschland, Berlin, zu bestellen unter: Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Rochusstraße 8 – 10 53123 Bonn www.handbuch-deutschland.deDas Handbuch ist zweisprachig in Deutsch und 5 weiteren Sprachen erhältlich. Es ist der Versuch, Migranten und Migrantinnen einen Überblick über das private und öffentliche Le-ben in Deutschland zu geben (Geschichte, Kultur, rechtliche Rahmenbedingungen, Religion, Bräuche und Sitten sowie alltagsrelevante Aspekte wie Einkaufen, Haushalt, Freizeit etc.) Domenig, D. (Hrsg.) (2001): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle Das Buch führt in theoretische Grundlagen und Grundbegriffe der transkulturellen Pflege ein und enthält Instrumente wie z.B. einen Pflegeanamnesebogen und zahlreiche Fallbeispiele und kleine Übungen zur Selbstreflexion sowie für die Pflegepraxis.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 86

Dornheim, J. (1997): Unterschiedliche Kulturbegriffe und ihre Bedeutung für Theorien der transkulturellen Pflege – ein Beitrag zu den Grundlagen der Pflegewissenschaft In: Uzarewicz, Ch./Piechotta, G. (Hrsg.): Transkulturelle Pflege, Curare-Sonderband. Berlin, S. 11–32 Der Artikel gibt eine Überblick über den ethnologischen und soziologischen Kulturdiskurs. Dornheim, J. (2001): Kultur als Begriff und als Ideologie – historisch und aktuell In: Dome-nig, D. (Hrsg.): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 27–45 Die Autorin analysiert verschiedene Kulturbegriffe und kommt zu dem Schluss, das das Kon-zept der Transkulturalität geeignet ist, ethnizistische und nationalistische Ideologien zu ver-meiden. Sie plädiert für das Erzähl- und Zuhörparadigma. Lanfranchi, A. (2001): Migrationskinder In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle transkultu-relle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 101–122 In dem Aufsatz werden die Lebenslagen von Kindern aus zugewanderten Familien in der Schweiz beschrieben. Frau Lanfranchi zeigt Entwicklungsszenarien von Migrations-jugendlichen auf. Loncarevic, M. (2001): Migration und Gesundheit In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen: Toronto; Seattle, S. 65 - 85 Dieser Aufsatz setzt sich vertiefend auseinander mit Enkulturations- und Akkulturationsspro-zessen vor, während und nach der Migration. Insbesondere geschlechtsspezifische familiäre Wandlungsprozesse werden beleuchtet. Ludwig, Iris/Stucki, Elisabeth/Domenig, Dagmar (2001): Vermittlung der transkulturellen Pflege anhand einer didaktischen Fallstudie In: Domenig, D.: Professionelle Transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 253–266 Der Aufsatz gibt Einblick in eine Unterrichtssequenz Transkulturelle Pflege. Es wird die Be-arbeitung der Fallstudie durch die Studierenden beschrieben und es werden die daraus resul-tierenden Lernprozesse aufgezeigt. Müller, H.P./Tobler-Müller, V.: Integrationsleitbild Zürich, Beilage I: Grundbegriffe, Rahmenbedingungen, ethische Reflexion. Dieses Papier erklärt wichtige Grundbegriffe und nötige Prozesse zu einer gelingenden In-tegration. Stanjeka, K. (2001): Die Vermittlung der transkulturellen Pflege in der Aus- und Weiterbil-dung In: Domenig, D.: Professionelle Transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seat-tle, S. 237–252 Ausgehend von einem lebensweltlichen Ansatz und hermeneutischer Methodik werden Umset-zungsmöglichkeiten für die transkulturelle Pflege vorgeschlagen (Unterrichtseinheiten, Mo-dule, als Querschnittsthema während der gesamten Ausbildung, fächerübergreifend). Ab-schließend werden methodische Überlegungen skizziert. Schulz S. (2003): Wohlbefinden bei Immigranten? In: Zielke-Nadkarni, A./Schnepp, W.: Pflege im kulturellen Kontext. Bern; Göttingen Toronto; Seattle, S. 37–60 In diesem Artikel geht die Autorin u.a. auf die Situation spezifischer Migrantengruppen ein.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 87

Wicker, H.-R. (2001): Von der Assimilation zur Integration: Konzepte, Diskurse und gesell-schaftlicher Wandel In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göt-tingen; Toronto; Seattle, S. 47 – 63 Es geht um die vielfältigen Facetten der Migration, Migrationsmuster und das neue Ver-ständnis von Integration Zielke-Nadkarni, A. (2003): Kulturelle Aspekte bei der Pflege und Betreuung von Senioren am Beispiel ausgewählter Migrantengruppen. Köln Das Fortbildungskonzept besteht aus einem theoretischen und methodischen Rahmen sowie dem eigentlichen Konzept für eine Fortbildung. Das Konzept ist sehr detailliert beschrieben und bezieht sich auf den erfahrungsbezogenen Unterricht nach Scheller. Zielke-Nadkarni, A. (2003): Konzepte der interkulturellen Pädagogik für eine kultursensible Pflege. In: Zielke-Nadkarni, A./Schnepp, W. (Hrsg.): Pflege im kulturellen Kontext. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 233–255 Einleitend werden Kulturbegriff und Zielvorstellungen interkultureller Erziehung skizziert. Ansätze interkultureller Erziehung werden vorgestellt und daraus pädagogische Konsequen-zen für die Ausbildung in der Pflege gezogen. Nach Zielke-Nadkarni sind Lernsituationen zu bevorzugen, die die Wahrnehmung schulen und somit einen Perspektivwechsel für das gesam-te Curriculum fördern. Links: Link für Literatur- und Mediendatenbank „Ältere MigrantInnen“ www.aktioncourage.de/ikom/litundmeddb.htm Link-Liste für interkulturelles Lernen: http://lernen.bildung.hessen.de/bilingual/interkulturell/iklverweise/ Link für transkulturelle Pflegeliteratur von Andrea Kuckert: www.die-bonn.de/esprid/ doku-mente/doc-2003/kuckert03_01.pdf Link für Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung www.bpb.de/publikationen.htm www.pflegenet.com Empfehlenswerte Filme: (als Video oder DVD erhältlich) Levy, Dani (2004): Alles auf Zucker!. Deutschland Laufzeit: 90 Minuten Der schlitzohrige Zocker Jaeckie Zucker hat Probleme. Seine Frau will sich scheiden lassen, der Gerichtsvollzieher droht mit Gefängnis. Seine letzte Hoffnung - das Erbe seiner Mutter. Diese hat jedoch in ihre Testament verfügt, dass er sich mit seinem Bruder Samuel, einem orthodoxen Juden versöhnt. Welten prallen aufeinander, als Samuel mit seinem ganzen Fami-lienclan in Jackies chaotischem Haushalt auftaucht. Eine wunderbare Komödie. Bühler, Ph. (2004): Alles auf Zucker. Filmheft zum Film. Bonn zu bestellen bei: Bundeszentrale für politische B ildung, Bestell-Nr. 8181

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 88

Minghella, A.(1996): Der englische Patient. USA Laufzeit: 154 Minuten Die Bilder dieses Films zeigen eine extremen Gegensätzlichkeit und Einheitlichkeit zugleich auf. „Der englische Patient“ ist ein Liebesdrama, in dem vier Menschen ihren Gefühlen fol-gen, ohne Rücksicht auf sich und andere, ohne Rücksicht auf die Folgen.

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 89

I.LE 3.LS 8 Migranten und Migrantinnen, Aussiedler und Aussiedlerinnen, Flüchtlinge ... Begriffsklärungen und Migrati-onsgeschichte

Leitfaden

Material 1

Folie 1

Folie 2

Folie 3

Material 2

Material 3

Material 4

Material 5

Material 6

Folie 4

Medien 1

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 90

I.LE 3.LS 8 Leitfaden Thema:

Verortung in der AltPflAPrV, Anla-ge 1:

2.1 Lebenswelten und soziale Netz-werke alter Menschen beim altenpfle-gerischen Handeln berücksichtigen

Migranten, Aussiedler, Flüchtlinge Begriffsklärungen und Migrations- geschichte Kurzreferat, Film- analyse, Erzählungen Sozialform Medien

Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen zentrale Begriffe, die im Zusammenhang mit Migration eine Rolle spielen, kennen lernen, voneinander unterscheiden und sicher anwenden können. Darüber hinaus soll ihnen bewusst werden, dass die Gründe für Migration bzw. Einwanderung sehr unterschiedlich sind, dass die entsprechend damit verbundene Erfahrungen voneinander diffe-rieren und dass Migration von unterschiedlichen Phasen geprägt sein kann. Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Mit Hilfe von Folien klärt die Lehrkraft mit den Auszubildenden die unterschiedlichen Beg-riffe im Zusammenhang mit Migration und Einwanderung (I.LE 3.LS 8 Folien 1, 2 und 3 und I.LE 3.LS 8 Material 1). Schritt 2: In einem Kurzreferat mit eingebundenem Filmclip (I.LE 3.LS 8 Material 2) als Impuls be-leuchtet die Lehrkraft die Migrationsgeschichte. Als Hintergrundinformation gibt es hierzu einen Text für die Lehrkräfte (I.LE 3.LS 8 Material 3), der die Migrationsgeschichte ausführ-lich beschreibt. Dieser Text ist ein Auszug aus der CD „Pflege ist Pflege – oder vielleicht

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Modul I.LE 3: Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 91

doch nicht?“ mit Lern- und Lehrmaterialien von der AWO Bezirk Westliches Westfalen e.V., den wir mit freundlicher Genehmigung der AWO in diesem Handbuch übernommen haben. In diesem Text finden sich Verweise auf Folien und weitere Arbeitsmaterialien, die Sie sich bei Bedarf von der CD ausdrucken können. Die unterschiedlichen Gründe für Migration bzw. Einwanderung und damit verbundene Er-fahrungen werden anhand von ausgewählten Beispielen verdeutlicht (I.LE 3.LS 8 Material 4). Schritt 3: Filmanalyse eines Filmclips, der die positive Akkulturation einer türkischen Frau zeigt (I.LE 3.LS 8 Material 5). Schritt 4: Eigene familiäre Migrationserfahrungen sollen innerhalb der Klasse reflektiert werden. Deut-sche Auszubildende können an dieser Stelle mögliche Flucht- bzw. Einwanderungs-geschichten ihrer Großeltern einbinden. Schritt 5: In einem Schlusswort soll die Lehrkraft verdeutlichen, dass es sich bei Migration um ein pha-senhaftes Geschehen handelt, das von persönlichen Grundbedingungen, vorhandenen Kompe-tenzen sowie gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen abhängig ist (I.LE 3.LS 8 Material 6 und I.LE 3.LS 8 Folie 4). Zum Abschluss dieser Lerneinheit könnten sich Fragen der Lernteilnehmer und -teilnehmerinnen entwickeln, z.B.

Was passiert bei Migrationsprozessen? Findet so etwas wie Assimilation statt? Gibt es Leben mit verschiedenen Kulturen? Bestehen Unterschiede in der 1., 2., 3. Generation der Migration?

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 92

I.LE 3.LS 8 Material 1 Thema:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen die Begriffe im Zusammenhang mit Migration kennen lernen, von-einander unterscheiden und sachlich anwenden können.

Migranten, Aussiedler, Flüchtlinge ... Begriffsklärungen und Migrations- geschichte Kurzreferat Sozialform Medien Zeit:

Weiterführender Hintergrundtext zu den Begriffen Aus-länder/Ausländerinnen und Migranten/Migrantinnen

Ausländer und Ausländerinnen: Ein Ausländer ist jemand, der nicht über die Staatsangehörigkeit des Landes verfügt, in dem er sich aufhält. Alle Menschen sind Ausländer, wenn sie sich nicht in dem Land aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Ausländer verfügen über Rechte, die das Ausländerrecht regelt. Ausländer, die nicht durch die Verträge der Europäischen Union, zwischenstaatliche Abkommen oder Regeln des Völkerrechts (bei Diplomaten) begünstigt sind, bedürfen für Einreise und Aufenthalt grundsätzlich einer Aufenthaltsgenehmigung, die je nach Zweck des Aufenthaltes unterschieden wird. (Quelle: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG; 2004)

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Migranten und Migrantinnen: Die Zuordnung von Migranten und Migrantinnen ist problematisch, da es sich hier um eine sehr heterogene Gruppe handelt. Migration bedeutet Wanderschaft. Von daher stellen sich dann folgende Fra-gen: „ ... wie lange dauert die Wanderschaft? Wann beginnt das Nieder-lassen? Wann ist jemand in einem Einwanderungsland zu Hause? Wer definiert die Dauer des Wanderungsprozesses? Kann das in Deutschland geborene Kind oder das Enkelkind von Migrant/innen der 60er Jahre wirklich ohne Bedenken als Migrant/Migrantin be-zeichnet werden? Wie paßt der Begriff Migrant zu ehemaligen Aus-ländern, die die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben?“ (David, M.; Borde, T. 1998, S. 7) Für die unterschiedlichen Migrantengruppen

(Spät-) Aussiedler ausländische Arbeitnehmer Flüchtlinge

gibt es hinsichtlich Einreise, Aufenthalt, Beendigung des Aufent-haltes sowie Teilhabe an sozialen Leistungen der DEUTSCH-LAND unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen, wobei die (Spät-)Aussiedler und Aussiedlerinnen von allen Migrantengrup-pen den sichersten rechtlichen Status haben. Für Migranten und Migrantinnen ist die Frage des Aufenthaltstatus von großer Bedeutung, da hier Abschiebeängste und die Bedrohung des Aufenthaltstatus eine große Rolle spielen und ihr Sicherheitsge-fühl beeinträchtigen (Schulz, S. 2003, S. 43–45)

Aussiedler und Aussiedlerinnen: Nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz vom 19.5.1953 in der Fas-sung vom 3.9.1971) gelten als Aussiedler alle Personen deutscher Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit, die aus nachfolgende aufgeführten Ländern nach dem zweiten Weltkrieg in die Bundes-republik gekommen sind oder kommen:

aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten aus Ländern Ost- und Südeuropas aus China

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Sie besitzen von vornherein die deutsche Staatsangehörigkeit. Das gilt auch für Übersiedler (Personen, die legal aus der DDR ge-kommen sind) und für DDR-Flüchtlinge. Das zunehmende Gefälle des Lebensstandards sowie die Liberali-sierung der Auswanderung in den einstigen Heimatstaaten führte zu einer verstärkten Rückkehr der Aussiedler nach Deutschland. Da-durch entstanden Konflikte über die einseitige Bevorzugung von „Deutschstämmigen“ (die oft seit vielen Generationen z.B. in Russ-land oder Rumänien gelebt haben) vor Bewerbern um Asyl, denen bei Abschiebung Elend und Tod durch Not und/oder Verfolgung droht. (Quelle: http://www.infobitte.de/free/lex/LgD_LexO/a/aussiedler.htm 19.05.2004)

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I.LE 3.LS 8 Folie 1

Migration ? Wanderung

Binnenwanderung innerhalb eines Gebietes Außenwanderung über die Grenzen eines Gebietes Außenwanderung?

aus Sicht des Herkunftslandes

Auswanderung (Emigration)

aus Sicht des Ziellandes

Einwanderung (Immigration)

Remigration? Wiedereinwanderung (Aussiedler, z.B. Russlanddeutsche) Menschen, die zu einem früheren Zeitpunkt aus ih-rem Heimatland ausgesiedelt/vertrieben wurden und nun wieder in ihre Ursprungsheimat zurück-kehren

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I.LE 3.LS 8 Folie 2

Migranten und Migrantinnen ?

(Spät-)Aussiedler

ausländische Arbeitnehmer verlassen für einen befristeten Zeitraum ihre Heimat, um möglichst wohlhabend zurückzukehren

Flüchtlinge Bevölkerungsgruppen, die aufgrund der Situation in ihren Heimatländern Asyl in einem anderen Land suchen Gesetzliche Bestimmungen ? Einreise, Aufenthalt, Beendigung des Aufenthaltes, Teilhabe an sozialen Leistungen in Deutschland für diese drei Gruppen sehr unterschiedlich

! Migrant/innen sind eine sehr heterogene Bevölkerungsgruppe viele Migrant/innen sind heute Einheimische viele „Einheimische“ sind in früheren Jahren auch eingewandert

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I.LE 3.LS 8 Folie 3

Ausländer/innen ? Personen, die eine andere als die Staatsangehörigkeit ihres Aufenthalts- landes besitzen. Die Rechte der Ausländer werden über das Ausländergesetz geregelt.

Übersiedler/innen? Personen, die legal aus der ehemaligen DDR gekommen sind DDR-Flüchtlinge

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I.LE 3.LS 8 Material 2 Thema:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen einen Eindruck davon bekommen, unter welchen Umständen die Gastar-beiter nach Deutschland geholt wurden.

Migrationsgeschichte Gastarbeiter Filmclip Sozialform Medien Zeit:

Schritt 1: Der Filmclip „Man nennt sie Gastarbeiter“ wird gezeigt (I.LE 3.LS 8 Medien 1) Schritt 2: Unter folgenden Fragestellungen wird der Film reflektiert:

Hat der Film auf Sie den Eindruck gemacht, dass es sich hier um Gäste handelt?

Welche Assoziationen hat dieser Film in Ihnen ausge-

löst? (Unsere Assoziationen z.B.: Sklavenmarkt, Pferdemarkt,

Deportation, wir suchten Arbeiter, es kamen Menschen. Der Funktionalitätsaspekt stand im Vordergrund.)

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I.LE 3.LS 8 Material 3 Thema:

Zielsetzung: Den Auszubildenden soll bewusst werden, dass die Gründe für Migration bzw. Einwan-derung sehr unterschiedlich sind und die entsprechend damit verbundenen Erfahrun-gen voneinander differieren.

Migrationsgeschichte Kurzreferat Sozialform Medien Zeit:

Migrationsgeschichte Zusammenfassung: In das Gebiet der heutigen Bundesrepublik sind immer Menschen aus unterschiedlichen Gründen für befristete Zeiträume oder auf Dauer zugewandert. Einen Einschnitt in die kontinuierliche Migration nach Deutschland bildete der National-sozialismus. Die Geschichte der Migration nach dem zweiten Welt-krieg beinhaltet folgende wesentliche Aspekte: 1955 wurde auf-grund des Arbeitskräftemangels durch das „Wirtschaftswunder“ und den Aufbau der Bundeswehr der erste Vertrag zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zwischen Deutschland und Italien ge-schlossen, gefolgt von Anwerbeverträgen mit der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien. Das Anwerbeverfahren der „Gastarbeiter“ in den Heimatländern und die Remigration der Aussiedler/innen aus den osteuropäischen Ländern, die Ankunft im „Schlaraffenland“ Deutschland und die Bedeutung ethnischer En-klaven für Migrant/innen werden dargestellt. Die einsetzende Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts förderte die Zuwanderung nach Deutschland Das Gebiet der heutigen Bundesrepublik war auch aufgrund seiner geographischen Lage immer ein Gebiet, in das Menschen aus un-terschiedlichen Gründen für befristete Zeiträume oder auf Dauer

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zuwanderten12. Die einsetzende Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts förderte die Zuwanderung von Arbeitsmigrant/innen in bestimmte Regionen Deutschlands, wie das Ruhrgebiet. So wies bereits 1911 der heutige Duisburger Stadtteil Hamborn (zu diesem Zeitpunkt noch eigenständig), einen Ausländeranteil von 21,84 % auf. Neben 80.084 Deutschen, darunter 19.000 ehemals polnische Zuwanderer/innen, lebten hier als drittgrößte Zuwanderungsgruppe 2.160 italienische Arbeitsmigrant/innen 13. Deutlich wird diese historische Entwicklung der Zuwanderung aus den sogenannten klassischen Anwerbeländern durch die Biographie Achmed Talibs: Der spätere Schuhmachermeister kam als Sech-zehnjähriger im April 1917 im Rahmen der türkischen Lehrlings-verschickung von Istanbul nach Fürstenwalde bei Berlin. Er kehrte nicht in die Türkei zurück, so dass in seiner Biographie über das deutsche Kaiserreich, die Weimarer Republik, den Nationalsozia-lismus und die DDR berichtet wird. 1983 starb er in seinem Hei-matort Fürstenwalde14. Nationalsozialismus: Einschnitt in die kontinuierliche Zuwan-derung Einen wesentlichen Einschnitt dieser kontinuierlichen Zuwande-rung stellten der Nationalsozialismus und der zweite Weltkrieg dar. Der Nationalsozialismus strebte innenpolitisch u.a. die Zerstörung der Demokratie und der Arbeiterbewegung, die „Lösung der Juden-frage“ und die „Bekämpfung der Zigeunerplage“ an15. Zunächst war das Ziel, die 500.000 deutschen und nach 1938 auch die österreichischen und tschechischen Juden zu vertreiben. Bis zum Emigrationsverbot 1941 konnten sich 270.000–300.000 Juden durch Auswanderung in Sicherheit bringen. Ab 1941 wurde die Formulierung „Endlösung“ als Deckbegriff für Ermordung auch in offiziellen Schreiben verwendet.16

12 vgl. Engelmann, Bernt: Du deutsch? Geschichte der Ausländer in Deutschland. 9. Aufl. Göttingen 1994 13 vgl. Fischer-Eckert, Liane: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Frauen im modernen Industrieort Hamborn im Rheinland; Hagen 1913 14 vgl. hierzu: Zentrum für Türkeistudien (Hrsg.): Ahmed Talib 15 Kwiet, Konrad: Rassenpolitik und Völkermord, in: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß, Hermann; Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997, S. 50 ff. 16 Benz, Wolfgang; Graml, Hermann; Weiß, Hermann; Enzyklopädie des Natio-nalsozialismus, München, 1997, S. 446

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Der Begriff „Rassenhygiene“ entstand 1937 beim Reichsgesund-heitsamt in Berlin unter der Leitung des Psychiaters und Psycholo-gen Robert Ritter. Rassenhygiene spielte bei den Untersuchungen von „Asozialen“, straffälligen Jugendlichen und auch Sinti und Roma eine Rolle. Ziel war diese Bevölkerungsgruppe (Sinti und Roma – 30.000 Menschen) „ ... in Arbeitslagern zu isolieren und durch Sterilisation zum Aussterben zu bringen“17. Entsprechende Gutachten schrieben ihnen besonders gefährliche vererbbare Eigen-schaften zu. Ab 1938 war für die „Lösung der Zigeunerfrage“ Heinrich Himmler, Reichsführer der SS und Chef der deutschen Polizei, zuständig. Im zweiten Weltkrieg wurde die Verfolgung von Sinti und Roma, Juden u.a. verschärft. 1939 bis 1941 war die Phase des Übergangs zum Völkermord. Parallel begann der organisierte Krankenmord. 375.000 Behinderte waren bereits sterilisiert, ab 1939 wurden In-sassen aus Heil- und Pflegeanstalten ermordet, zunächst Kinder, dann Erwachsene, Geisteskranke und Behinderte (insgesamt 190.000). Ab Herbst 1941 mussten Juden den Judenstern tragen. Mit der öf-fentlichen Stigmatisierung begannen die planmäßigen Deportatio-nen. 1942 wurde im Rahmen der Berliner Wannsee-Konferenz die „Entjudung“ Europas und die dafür notwendigen Maßnahmen be-sprochen. Etwa 6.000.000 Juden waren Opfer der „Endlösung“. Außerdem töteten die Nationalsozialisten mehr als 250.000 Sinti und Roma18.

Arbeitsmigration Einsetzendes Wirtschaftswunder Nur wenige Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges boomte die deutsche Wirtschaft im Nachkriegsdeutschland in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Noch waren die Auswirkungen des Krie-ges äußerlich nicht ganz beseitigt, als Mitte der 50er Jahre das „Wirtschaftswunder“ einsetzte. Es war u.a. gekennzeichnet durch Exportsteigerung der deutschen Industrie und Expansion in arbeitsintensive Sektoren, wie z.B. Bergbau und Metallindustrie, Straßenbau und Maschinenbau. Noch 17 ebd., S. 658 Begriff: Rassenhygienische und beölkerungspolitische For-schungsstelle 18 ebd., Rassenpolitik und Völkermord, S. 53–56

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konnten Maschinen Menschen nicht ersetzen. Diesem wirtschaftli-chen Aufschwung standen zunächst viele freie Arbeitskräfte zur Verfügung, die aber bald nicht mehr ausreichten. 1955: erster Vertrag zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte mit Italien Durch den Aufbau der Bundeswehr (1955) wurden dem Arbeits-markt zusätzlich rund eine halbe Million Wehrpflichtige und Zivil-bedienstete entzogen. Zehn Jahre nach der Befreiung der Fremd- und Zwangsarbeiterlager durch die Alliierten wurde der erste Ver-trag zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte zwischen Deutsch-land und Italien geschlossen. Der deutschen Regierung unter Lud-wig Erhardt fiel es nicht leicht, einen Namen für diese angeworbe-nen Arbeitskräfte zu finden. Da „Fremdarbeiter“ ein historisch ne-gativ belasteter Begriff war, wurden die neuen Arbeitskräfte „Gast-arbeiter“ genannt. Diese Bezeichnung schien recht passend zu sein, da die Arbeitsverträge nur für eine befristete Zeit ausgestellt wurden. Weitere Verträge mit der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien Zwischen 1957 und 1961 verringerte sich die tarifliche Arbeitszeit in der Bundesrepublik Deutschland von durchschnittlich 46,1 auf 41,6 Wochenstunden, wodurch zusätzliche Arbeitskräfte benötigt wurden. 1960 wurden die nächsten Anwerbeverträge mit Spanien und Griechenlandgeschlossen. Durch den Bau der Berliner Mauer 1961 entfiel der Flüchtlingsstrom aus der DDR und den ehemals deutschen Ostgebieten, aus denen bis dahin rund 14 Millionen, teils qualifizierte Facharbeiter/innen gekommen waren. Außerdem konnten die in der Bundesrepublik Deutschland arbeitenden und in der DDR lebenden Arbeitskräfte jetzt ihre Arbeitsplätze nicht mehr erreichen. Zusätzliche Arbeitskräfte wurden benötigt, weitere Anwerbeverträ-ge wurden geschlossen : 1961 mit der Türkei, 1963 mit Marokko, 1964 mit Portugal, 1965 mit Tunesien und 1968 mit dem damali-gen Jugoslawien. Folie: Anwerbung von Arbeitsmigrant/innen (siehe CD) Dem wirtschaftlichen Aufschwung und hiermit verbundenem Ar-beitskräftemangel in der Bundesrepublik stand in den Anwerbelän-dern eine relative Notsituation gegenüber. In den 50er und 60er Jahren befanden sich diese Länder zumeist auf dem Niveau von „Entwicklungsländern“. Insbesondere in der Türkei und Süditalien war die Situation gekennzeichnet durch ständig steigende Arbeits-losigkeit, schwere wirtschaftliche Krisen und innenpolitische Unsi-cherheiten. Anders war es in Griechenland und Portugal, die als

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sogenannte „Schwellenländer“ 19schon deutlich weiterentwickelt waren. Während die wieder zu Wohlstand kommenden Deutschen neue Urlaubsländer eroberten und an italienischen Küsten der „Teuto-nengrill“ zu einem Inbegriff des deutschen Tourismus wurde, machten sich viele Menschen aus diesen Ländern auf den Weg an deutsche Arbeitsstätten. Ziel war, die Lebenssituation der eigenen Familie möglichst schnell zu verbessern. Sie verließen ihre Familien, verkauften „Hab und Gut“ und mach-ten sich auf den beschwerlichen Weg zu den Anwerbestellen in der Hauptstadt, in der Hoffnung, einen Arbeitsvertrag zu erhalten und somit der Notsituation zu entkommen. Die Unsicherheit, eventuell gesundheitlich für nicht tauglich befunden zu werden, die Durch-führung der ärztlichen Untersuchung in den Anwerbestellen sowie die Trennungserfahrungen von den Familienangehörigen, prägt bis heute die Erinnerung dieser Menschen, und hat Einfluss auf ihre Gesundheit bzw. Befindlichkeit im Alter und den Umgang und die Inanspruchnahme des deutschen Gesundheitswesens. In zentralen Stellen wurden von deutschen Ärzt/innen Untersuchungen durchgeführt Zur Durchführung der Anwerbung waren zentrale Stellen errichtet worden, in denen Amtsärzt/innen der Bundesanstalt für Arbeit die sich bewerbenden Arbeitskräfte auf ihre gesundheitliche Eignung untersuchten. Nur diejenigen wurden als tauglich für einen Ar-beitsvertrag ausgewählt, die vollkommen gesund waren. Ein Loch im Zahn konnte für eine Ablehnung schon ausreichen. Diese rigide Auswahlverfahren führten zu unglaublichen Szenen vor den An-werbestellen: schon als tauglich befundene Personen verkauften ihren geprüften und „gesunden“ Urin an diejenigen, die noch unter-sucht werden mussten. Folie: Gesundheitsuntersuchung (siehe CD)

19 Schwellenländer: „Bez. für eine Gruppe relativ fortgeschrittener Entwicklungsländer, die aufgrund ihrer hohen wirtschaftl. Eigen-dynamik beachtl. Industrialisierungsfortschritte erzielen konnten und in ihrem Entwicklungsstand gegenüber den Industriestaaten deutlich aufgeholt haben.“ Aus: Brockhaus-Enzyklopädie in 24 Bänden, 19. Auflage, Mannheim, Bd. 19 1992

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Diese „positive Selektion“ verlief in der Regel als Reihenunter-suchung, bei der auch Amtsärztinnen die bis auf die Unterhose ent-kleideten Männer untersuchten, was z.T. deren kulturellen Vorstel-lungen widersprach. Die Amtsärzt/innen hatten i.d.R. keine Kennt-nisse über die kulturellen und religiösen Hintergründe der Länder, in denen sie nun die Auswahl der Arbeitskräfte trafen. Durch dieses Auswahlverfahren waren die angeworbenen Arbeitskräfte gesund-heitlich oft besser gestellt als die deutschen, die noch an den Kriegsfolgen und damit verbundenen Mangelerscheinungen litten. Arbeitsverträge mit „Gastarbeitern“ wurden für 2–3 Jahre befristet Arbeitskräfte, die als „gesundheitlich tauglich“ befunden wurden, bekamen einen i.d.R. auf zwei bis drei Jahre befristeten Arbeitsver-trag mit einer deutschen Firma. In welchem Ort ihre Arbeitsstellen sein würden, wussten sie nicht. Eine Vorbereitung auf die neue Situation in der deutschen Gesellschaft fehlte ebenso wie Sprach-kurse. Nach Ausstellung des Arbeitsvertrages wurde ihnen auf ei-ner Landkarte Deutschlands der Firmenort gezeigt. Viele wussten jedoch nicht einmal, wie lange sie dorthin unterwegs sein würden. „Ich wusste damals nicht, dass die Reise mit dem Zug von Istanbul nach Deutschland mehrere Tage dauert. Wir fuhren mit 35 Män-nern und hatten zu wenig zu essen und zu trinken dabei und teilten untereinander alles auf. Der erste Bahnhof in Deutschland war München. Es war spät abends und kalt, als wir dort ankamen. Am Bahnhof kamen Nonnen in unseren Zug und verteilten Decken, Tee und etwas zu essen. Ich hatte noch nie Nonnen gesehen. Ich fragte den Dolmetscher, der bei uns war – ein Grieche, der etwas türkisch und etwas deutsch konnte – was das fürFrauen sind. Er sagte uns, das wären deutsche Frauen, die auf der Suche nach jun-gen starken Männern sind. Es hat lange gedauert, bis ich wusste, dass dies nicht stimmt, und was Nonnen in Deutschland wirklich machen.“20

So unvorbereitet in das fremde Land zu kommen, brachte erhebli-che Probleme mit sich. Allein die Ankunft, insbesondere in den Wintermonaten konfrontierte die aus südlichen Ländern stammen-den Menschen mit ihnen unbekannten Schwierigkeiten.

20 Herr Co. in einem Gespräch mit M. Hielen

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„Ich kam am 25.10.1965 nach Deutschland. Am Frankfurter Hauptbahnhof wurden wir von einem Dolmetscher empfangen. Er hat uns mit einem Kleinbus abgeholt. Es war sehr kalt. Ich war nicht gewöhnt, warme Kleidung anzuziehen, weil es bei uns ständig warm ist. Es hatte geschneit. Die Temperatur war unter null Grad. Mir war so kalt. Und das Wetter war so bedrückend. Ich habe im Bus geweint. Ich wollte so schnell wie möglich zurück in die Tür-kei. Als wir zum Heim gebracht wurden, hat der Dolmetscher mich überredet ... ich kann es heute noch nicht vergessen.“21 Deutschland „Schlaraffenland“ Manche der „Gastarbeiter“ wurden durch die Berichte derjenigen nach Deutschland angelockt, die schon hier arbeiteten. Dabei wur-de viel beschönigt: meist wurde die Arbeit und das Leben hier als „Schlaraffenland“ dargestellt. Aber wie sollten die Menschen ihre Traurigkeit, ihre Verzweiflung und ihr Unglück denen mitteilen, die in der Heimat geblieben waren? Die Enttäuschung derjenigen, die aufgrund dieser Berichte in die Migration folgten, war entspre-chend groß: „Auf Nachfrage bei Leuten, die in Deutschland arbeiteten und ih-ren Urlaub in der Türkei verbrachten, erzählte man mir, dass die Arbeit sehr leicht wäre und man praktisch für nichts Geld bekom-men würde. Das hat mich angezogen. In dem Betrieb habe ich dann darauf gewartet, so wie man mir erzählt hatte, auch eine Schreib-maschine zu bekommen um zu arbeiten. Doch ich bekam statt des-sen Tonnen von Glasscherben, die ich mit bloßen Händen aufsam-meln und sortieren musste. Ich war sehr enttäuscht.“22 Unterbringung in Barackensiedlungen So wenig die zuwandernden Arbeitskräfte auf die neue Situation vorbereitet waren, so wenig war auch die deutsche Gesellschaft auf diese ihnen fremden Menschen vorbereitet. Schon die Unter-bringung auf Zeit stellte mancherorts die Kommunen vor erheb-liche Probleme. Häufig entstanden Barackensiedlungen in der Nähe der Arbeitsplätze, die den meist in Gruppen eintreffenden Men-schen ein Leben mit Landsleuten und somit eine „heimische“ At-mosphäre ermöglichen sollten.

21 Ünal, Mehmet: "Ungültig" Die verlorene Generation: 30 Jahre türkische Gastarbeiter in Deutschland. München (Kyrill & Method-Verlag) 1991, o.S. 22 Herr Ce. in einem Gespräch mit M. Hielen

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„Wir waren 189 Mann im Heim. Alle waren Türken. Wir waren zwei Mann in einem Zimmer. (...) Wir hatten etwa fünf Duschen im ganzen Heim. Wir gingen zu sechs, sieben unter die Dusche. Wir hatten einen türkischen Koch. Keiner hat Schweinefleisch geges-sen. Die Chefköchin war Deutsche.“23 An anderen Orten wurde auf noch vorhandene Gebäude zurückge-griffen, in denen bis vor kurzem Zwangsarbeiter, „Heimatvertrie-bene“ und Displaced persons24 gelebt hatten. Obwohl es hinsichtlich der Unterbringung häufig zu Skandalen kam, wurde zunächst hieran festgehalten. Trotzdem war es sowohl für die deutsche Gesellschaft, als auch für die zuwandernden Ar-beitskräfte eine für einen befristeten Zeitraum mögliche Wohn-form. Da jedoch der Arbeitskräftemangel nicht nachließ und somit immer mehr „Gastarbeiter“ von den Firmen benötigt wurden, mussten andere Wohn-Lösungen gefunden werden. Gleichzeitig war es für die Arbeitgeber wesentlich billiger, die einmal ange-lernten Arbeitskräfte weiter zu beschäftigen, anstatt immer wieder neue Kräfte anzulernen. Die Arbeitsverträge wurden deshalb immer weiter verlängert, Familienangehörige zogen – wie in den Anwer-beverträgen vorgesehen – nach Deutschland nach. Der millionste „Gastarbeiter“ In der Hochphase der Anwerbung kam am 1.September 1964 der Portugiese Armando Sanchez Rodriguez als 1.000.000ster „Gast-arbeiter“ nach Deutschland. Ein „großer Bahnhof“ erwartete und überraschte ihn, als er aus dem Zug stieg. Eine Musikkapelle spiel-te auf (Marschmusik: „Auf in den Kampf Torero“), der Oberbür-germeister hielt eine Willkommensrede und überreichte Herrn Rod-riguez neben einem Blumenstrauß als Geschenk auch ein Moped. Moped-Fahren hatte er noch nicht gelernt.

23 Ünal, Mehmet, a.a.O., o.S. 24 Displaces persons: „Personen nichtdeutscher Staatsangehörig-keit, die im Zweiten Weltkrieg von den dt. Besatzungsbehörden in das Gebiet des Dt. Reiches verschleppt worden oder dorthin ge-flüchtet waren. Am Ende des Krieges hielten sich etwa 8,5 Mio. D.p. im ehemaligen deutschen Reichsgebiet auf; sie wurden von Hilfsorganisationen der UNO betreut und entweder in ihr Heimat-land oder in andere Staaten umgesiedelt. Die verbliebenen D.p. genießen in der Bundesrep. Dtl. soweit sie nicht die dt. Staatsbürgerschaft erworben haben, die Rechtsstellung heimatloser Ausländer.“, aus: Brockhaus-Enzyklopädie in 24 Bän-den, 19. Auflage, Mannheim, Bd. 5, 1988

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Das erstaunte Gesicht von Herrn Rodriguez ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass es ihn vollkommen überraschte, so freundlich empfangen zu werden. Vielmehr verstand er nichts von dem, was sich dort für ihn abspielte. Besonders dramatisch an seiner Lebens-geschichte ist, dass er nur wenige Jahre später nach einem Arbeits-unfall schwer krank in seine Heimat zurückkehren musste. 1973 – Anwerbestopp, nicht betroffen: nachziehende Ehepartner und minderjährige Kinder Bis 1973 wurden weiterhin Arbeitskräfte angeworben. Mit der ers-ten großen Ölkrise verfügte die Bundesregierung am 23. No-vember 1973 einen Anwerbestopp, womit der „ungehemmte Zuzug von Arbeitskräften gebremst werden sollte“.26 Im Regelfall konn-ten ausländische Arbeitskräfte nun nicht mehr nach Deutschland zur Arbeit einreisen. Bis Oktober 1980 galten für türkische Ar-beitskräfte Ausnahmeregelungen. Italiener, als Staatsangehörige eines EG-Staates (vgl. hierzu Kapitel „Ausländerrechtliche Hinter-gründe“) benötigten keine Aufenthaltserlaubnis. Nicht betroffen von diesem Anwerbestopp waren nachziehende Ehepartner und minderjährige Kinder der in Deutschland lebenden ausländischen Arbeitskräfte. In der Folge kam es zu verstärktem Nachzug der Familienangehörigen, da viele befürchteten, bald nicht mehr ihre Ehegatten und Kinder in die Bundesrepublik holen zu können. Ar-beitsblätter (5): Arbeitsmigration (siehe CD) Medientipp: Krause, Günter: Gastarbeiter in Deutschland – „Wir wollten Arbeitskräfte und es kamen Menschen ...“ Dokumentarfilm o..O. 1994. VHS-Video-Band, 25 min.

25 Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informa-tionen zur pol. Bildung. München 1984 26 vgl. ebd., S. 6

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Aussiedler/innen27

Aussiedler/innen sind Migrant/innen Im Sinne des § 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist Deutscher, wer „die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegat-te oder Abkömmling in den Grenzen des deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“.28 Trotz ihrer deutschen Staatsbürgerschaft müssen Aus-siedler/innen als Migrant/innen angesehen werden. Denn mit ihnen kamen „ ... Menschen mit hierzulande oft vergessenen oder aufgegebenen Ori-entierungsformen und Wertvorstellungen. Sie hatten viel länger als die Deutschen in der DDR und besonders die in der Bundesrepu-blik zu bezahlen für das, was vor rund einem halben Jahrhundert in deutschem Namen geschah“.29

Bereits Mitte des 12. Jahrhunderts begann mit der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen in Ungarn eine Auswanderung aus Deutsch-land in östliche Nachbarländer. Mit der Siedlungsanwerbung durch Katharina II. 1763 und den damit verbundenen Privilegien30 erhielt diese Migrationsbewegung einen neuen Schub. Weit verbreitet sie-delten sich deutsche Auswanderer im ost- und südosteuropäischen Raum (Rumänien, Ungarn, Polen und Russland bzw. die spätere Sowjetunion) an. Die frühen deutschen Siedlungen stellten – trotz verschiedener Eingliederungsversuche in die jeweilige Bevölkerung – meist ge-schlossene Gruppen dar, die weiterhin deutsch sprachen und an den Werten, Orientierungen und Traditionen ihrer Heimatregionen festhielten. Ihre Kontakte zu den Einheimischen in den ländlichen Gebieten waren in der Regel sehr gering. Dies änderte sich lang-fristig aufgrund politischer Bedingungen, der besonderen Rolle Deutscher in den Weltkriegen und einer zum Teil extrem nationa-listischen Politik31 der „Russifizierung“ und „Polonisierung“. 32

27 Im weiteren Verlauf wird nicht von Spätaussiedler/innen, Über-siedler/innen usw. sondern generell von Aussiedler/innen gespro-chen; der Begriff soll alles umfassen 28 Ausländerrecht 1996: 174 29 Bade, Klaus J.: Aktuell/Kontrovers 1994. Ausländer-Aussiedler-Asyl in der Bundesrepublik Deutschland. Hrsg.: Niedersächsische Landeszentrale für pol. Bildung. 3. neubearbeitete und aktualisierte Ausgabe. Hannover, Hameln 1994, S 48 30 Freie Religionsausübung, Befreiung von Steuern, Zöllen und Militärpflicht und Kredite (vgl. Treibel 1999:33) 31 z.B. in Rumänien unter Ceausescu

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Geschichte der Russlanddeutschen Zum besseren Verständnis der Lebenssituation von Aussied-ler/innen in der Bundesrepublik, wird hier beispielhaft die Ge-schichte der Russlanddeutschen vorgestellt: In Russland siedelten sich deutsche Auswanderer meist im europäischen Teil, d.h. dem Wolgagebiet und am Schwarzen Meer, an. Die mit der Ansiedlung verbundenen Privilegien wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts aufgehoben. Während des Ersten Weltkrieges wurden sie in östli-che Gebiete deportiert. Nach der russischen Revolution 1917 er-folgte die Anerkennung deutscher autonomer Verwaltungs-einheiten. 1928/29 fanden unter Stalin sogenannte Zwangskollek-tivierungen statt und nach dem deutschen Einmarsch in der Sow-jetunion 1941 erneute Deportationen. Die deutsche Wehrmacht siedelte diejenigen, die nicht deportiert worden waren, nach Westen aus. Von dort wurden rund 250.000 Deutsche nach dem Einmarsch der Roten Armee wieder in den Osten zwangseingebürgert, da sie von der sowjetischen Regierung als sowjetische Staatsbürger be-trachtet wurden. 33 Aufgrund des Vorwurfs der Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht wurden sie bis 1956 in Lagern und Son-dersiedlungen untergebracht und ihres Vermögens enteignet. Die Rückkehr in die Heimatgebiete war verboten. Obwohl 1964 der Vorwurf der Kollaboration offiziell zurückgenommen wurde, blie-ben die Deutschen eine ausgegrenzte und benachteiligte Minder-heit. Die so genannten Russlanddeutschen waren „ ... Vertriebene im eigenen Land, behaftet mit dem Makel, Angehörige des besieg-ten Feindstaates zu sein.“ 34 Nach langer friedlicher und erfolgrei-cher Auswanderung, haben insbesondere der Erste und Zweite Weltkrieg die Lage deutscher Aussiedler/innen in der Sowjetunion drastisch verschlechtert. Nach Jahrzehnten der Repressionen woll-ten immer mehr als „Deutsche unter Deutschen“ leben, was sich in der hohen Zahl der Ausreiseanträge widerspiegelte.

32 vgl. Eisfeld, Alfred: Rußland/Sowjetunion. In: Bundeszentrale 1991, S. 19, Rogall; Joachim: Polen. In: Bundeszentrale 1991, S: 30–31, Wagner, Ernst: Rumänien. In: Bundeszentrale 1991, S. 40–43 33 vgl. Dietz, Barbara u. Hilkes, Peter: Deutsche in der Sowjetuni-on. Zahlen, Fakten und neue Forschungsergebnisse. In: Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament vom 09.12.1988, S. 3–5; Schmitt-Rodermund: Zur Geschichte der Deut-schen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks. In: Silbereisen u.a. 1999, S. 49–66 34 Eisfeld, Alfred: Rußland/Sowjetunion, in: Bundeszentrale 1991, a.a.O., S. 17

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Die Remigration in die Bundesrepublik Grund der Remigration: zunehmende Diskriminierung, nur teilweise wirtschaftliche Situation Hintergrund der zunehmenden Remigration von Aussiedler/innen nach Deutschland ist die zunehmende Diskriminierung und nur teilweise die wirtschaftliche Situation. Eine Befragung von Aus-siedler/innen aus Rumänien, Polen und den GUS-Staaten zeigt, dass nur die aus Polen zugewanderten Personen als Hauptgrund den Wunsch der Verbesserung ihrer wirtschaftliche Lage angaben. 35

Anzahl der Spätaussiedler/innen und Kontingentierung Die Remigration von Menschen aus den osteuropäischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg hörte nie ganz auf, wurde jedoch durch den „Kalten Krieg“ nahezu unmöglich. Erst nach langjähri-gen außenpolitischen Bemühungen und der politischen Öffnung Ende der 80er Jahre, stieg die Zahl der rückkehrenden Aussied-ler/innen wieder stark an. So wuchs die Zahl der einreisenden Spät-aussiedler/innen von 47.992 (1982) auf 397.073 (1990).36 „Seit 1950 wanderten etwa 4,1 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland ein. Ihre Zahl nahm seit Ende der achtziger Jahre stark zu. 1993 wurde eine Kontingentierung in Höhe von 225.000 Personen pro Jahr eingeführt, die im Jahr 2000 auf 100.000 Perso-nen abgesenkt wurde. Im Jahr 2000 kamen 95.615 Spätaussiedler nach Deutschland.“37 „Beim Bundesverwaltungsamt (BVA) wer-den derzeit (Stand: April 2001) Anträge von etwa 410.000 Perso-nen (Antragsteller und Familienangehörige) bearbeitet. Bereits po-sitiv beschiedene Anträge wurden von etwa 165.000 Personen bis-lang nicht zur Ausreise nach Deutsch-land genutzt. Nach Einschät-zung des Bundesinnenministeriums werden rund 112.000 dieser Personen auch künftig keinen Gebrauch davon machen, sondern ihre Bescheide als "Sicherheitspapiere" aufbewahren. Über das Potenzial der in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion

35 vgl. Dietz, Barbara; Hilkes, Peter: Rußlanddeutsche: Unbekannte im Osten. Geschichte, Situation, Zukunftsperspektiven. München (Olzog) 1992, S. 12 36 vgl. Bade, Klaus J. u. Oltmer, Jochen (Hrsg.): Aussiedler: deut-sche Einwanderer aus Osteuropa. Osnabrück 1999, S.28 37 Bundesinnenministerium (Hrsg.), Bericht der Unabhängigen Kommission „Zuwanderung“ (Volltext) http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_46876.htm? 38 ebd.

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lebenden deutschen Volks-zugehörigen gibt es keine verlässlichen Zahlenangaben. Nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums könnte es sich um etwa eine Million Personen handeln.“ 38 Wurden diese Personen in den jeweiligen Ländern als Deutsche betrachtet und diskriminiert, so gelten sie in der Bundesrepublik als Russen, Polen usw. Sie unterscheiden sich kulturell deutlich von der Mehrheitsgesellschaft39, sprechen häufig nur schlecht und ein antiquiertes Deutsch.40 Es wird ihnen unterstellt, aus rein wirt-schaftlichen Gründen gekommen zu sein. Diese Situation ist in vielen Bereichen vergleichbar mit der Lage der hier lebenden Ar-beitsmigrant/innen. Während sie zunehmend die Erfahrung einer Entfremdung vom Heimatland machen, die eine Rückkehr behin-dert, erleben Aussiedler/innen diese wider Erwarten nach vollzo-gener „Rückkehr“. Besonders schmerzhaft ist diese Erfahrung für die Älteren, die immer daran festgehalten haben, Deutsche zu sein und hierdurch viele Benachteiligungen hinnehmen mussten. Sie sind als deutsche Staatsbürger/innen „Migrant/innen“ in einer Ge-sellschaft geworden, die sie als Heimat empfanden.41 Arbeitsblät-ter (2) Geschichte und Remigration der Aussiedler/innen: Bei-spiel: Russlanddeutsche (siehe CD) Medientipp: o.A.: Unsere neuen Nachbarn. Reportage. o.O. 1989. VHSVideo- Band; 15 min.

39 So wurden Werte und Normen wie Ordnung, Disziplin, Fleiß und Gehorsam stärker tradiert. Die Kultur konnte sich innerhalb der kleinen Gruppen nicht so weiterentwickeln wie es in der Bundesre-publik Deutschland der Fall war. vgl. Herrmann-Pfandt, Adelheid: Eingliederung der Aussiedler, in: Bundeszentrale, a.a.O., 1991 40 Die Existenz einer deutschen Minderheit wurde beispielsweise in Polen lange geleugnet, die deutsche Zeitung wurde eingestellt und die deutschen Schulen aufgelöst. Viele Eltern förderten die sprachliche Anpassung ihrer Kinder an das Polnische, um ihnen so bessere Chancen zu ermöglichen. vgl. Rogall; Joachim: Polen, in: Bundeszentrale 1991, a.a.O. 41 sehr einfühlsam wird die Geschichte der Russlanddeutschen und ihrer heutigen Lebenssituation dargestellt von Gutsch, Olga und Romanez, Nadja: Bundesstaat Bonn (Hrsg.) Auf der Suche nach einer Heimat.Verwehte Spuren einer deutschen Frauengeschichte in den Weiten des eurasischen Kontinents (1762 – 2000). Amt 50-323, Bonn August 2001

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Die Bildung ethnischer Enklaven Ethnische Enklaven sind ein weltweites Migrationsphänomen Die Bildung ethnischer Enklaven ist kein spezifisch deutsches, sondern vielmehr ein weltweites Migrationsphänomen. In allen Ländern, in denen sich größere Einwanderergruppen angesiedelt haben, ist diese Wohn- und Lebensform zu beobachten. So haben französische Einwanderer in Australien eigene Städte gegründet, in denen heute Schilder in Supermärkten mit dem Hinweis angebracht werden, dass hier auch Englisch gesprochen wird. Aber auch die Gründung deutscher Kolonien in den USA – hier entstanden Sied- lungen und Städte, die häufig die Namen der Heimatorte dieser Einwanderer trugen – und in Chile im 19. Jahrhundert zeigt, dass dieses enge Zusammenleben in einer ethnischen Gruppe in der Fremde ein Bestreben aller Menschen zu sein scheint. Dieses er-weist sich dabei als unabhängig von den jeweiligen Migrations-gründen und vom Migrationszeitpunkt. Im Mittelpunkt steht viel-mehr das Interesse der Menschen, in der fremden Gesellschaft ei-nen „heimischen Ort“ zu finden bzw. aufzubauen. In ethnischen Enklaven, in denen Menschen, die zu einem gleichen Zeitpunkt den Schritt in die Migration wagten, in einer größeren Gruppe zusam-men leben, sind die aus den Herkunftsländern entstammenden kul-turellen Wert- und Normvorstellungen tragfähig und somit legiti-miert. Verschiedene Migrationsgründe bedingen unterschiedliches Zurechtfinden in der Aufnahmegesellschaft Eine differenziertere Betrachtung der Entwicklung ethnischer En-klaven ist dennoch notwendig. So wirken die unterschiedlichen Migrationsgründe stark auf die Möglichkeiten des Einzelnen ein, sich in der Aufnahmegesellschaft zurechtfinden zu können bzw. Zugänge zu gesellschaftlichen Leistungen zu finden. Für die ein-zelne Person ist es ein erheblicher Unterschied, ob sie den Schritt in die Migration als bewusste und auf Dauer angelegte Auswanderung oder als zeitlich befristetes Migrationsprojekt versteht. Da die Zu- und Einwanderung der Arbeitsmigrant/innen in die Bundesrepublik in vielfacher Hinsicht eine sehr spezifische Form der Migration darstellt, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Mög-lichkeiten einer gesellschaftlichen Partizipation und Integration hat, soll im Folgenden die Bildung dieser ethnischen Enklaven skizziert werden.

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Befristet angelegtes Migrationsprojekt und Rückkehroption Aufgrund ihres auf einen befristeten Zeitraum angelegten Migrati-onsprojektes sowie des Migrationszieles, möglichst viel des ver-dienten Geldes in dem jeweiligen Herkunftsland zu investieren, war es im Interesse der Arbeitsmigrant/innen, möglichst preiswer-ten Wohnraum zu finden. Die zu Migrationsbeginn bestehende Unterbringung in Baracken-Siedlungen musste spätestens mit dem einsetzenden Familiennachzug aufgegeben werden. Nun musste ein Wohnraum gefunden werden, der es ermöglichte, mit der nachge-zogenen Familie leben zu können. Da die Rückkehroption in die Herkunftsländer nach wie vor als Migrationsziel bestehen blieb und möglichst viel gespart werden sollte, bezogen die Arbeitsmigrant/-innen mit ihren Familien einen meist sanierungsbedrohten, damit billigen Wohnraum. Zur schlechten Bausubstanz kamen in der Re-gel schlechte infrastrukturelle Ausstattungen dieser Gebiete hinzu. Neben der Rückkehroption verhinderte oft auch die fehlende Be-reitschaft von Vermietern, Wohnungen an Migranten und Migran-tinnen zu vergeben, eine Anmietung von besserem Wohnraum. Räumliche Konzentration auch durch Wegzug der Deutschen in bessere Wohnverhältnisse Diesem Zuzug der Arbeitsmigrant/innen stand ein Fortzug der ein-heimischen Bevölkerung in bessere Wohngebiete gegenüber, der letztendlich zu einer räumlichen Konzentration zuwandernder Gruppen führte. In diesen verblieben meist neben den Migrant/innen nur die einheimischen Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen und ältere, finanziell benachteiligte Men-schen. Dieser Prozess wurde von kommunaler Seite nicht gesteuert. Eine differenzierte Betrachtung der Bedingungen, die zur Entste-hung ethnischer Enklaven führten, verdeutlicht, dass sich hier nicht nur Migrant/innen einer Nationalitätengruppe räumlich zusammen-fanden. Häufig zogen hier Menschen zusammen, die aus einer be-stimmten Herkunftsregion oder Herkunftsstadt stammten.42 So galt beispielsweise der Duisburger Bahnhof in den Anfangsjahren die-ser Migration als ein wichtiger Treffpunkt, an dem Informationen ausgetauscht wurden. Hier erkundigten sich Nachziehende u.a., in welchen Betrieben möglichst viele aus der Herkunftsregion oder Heimatstadt arbeiteten und in welchen Stadtteilen diese lebten. Dies führte in der Folge dazu, dass der Duisburger Stadtteil Marx-loh zu einem bevorzugten Wohngebiet für Arbeitsmigrant/innen wurde, die überwiegend aus Bingolu (Ostanatolien) stammten. Die-se gehören überwiegend der alevitischen Glaubensgemeinschaft an,

42 vgl. Zentrum für Türkeistudien (Hrsg.): Das ethnische Mosaik der Türkei. Projekt zur Zusammensetzung der türkischen Migrantengesellschaft, in: ZfT Info, Jg. 1997, H. 4, S. 4

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die in der Türkei eine religiöse Minderheit darstellt, was für viele dieser Menschen einen zusätzlichen Migrationsgrund darstellte. Spezifische Infrastruktur der Enklaven durch Zusammenziehen einer gleichaltrigen Gruppe In den ethnischen Enklaven, in denen eine relativ gleichaltrige Gruppe eingewanderter Menschen zusammenzog, entwickelte sich in den vergangenen Jahrzehnten eine spezifische Infrastruktur. Die Angebote an ethnischen Lebensmittelgeschäften, religiösen Ein-richtungen, Treffpunkten und Organisationen sind auch Ergebnis der langjährigen Bindung an diese Wohngebiete. Das seit Jahren vertraute, ethnisch geprägte Wohnumfeld bietet den heute älter werdenden Migrant/innen Orientierung, sozialen Bezug und Hilfen im Alltag. Die hier entstandenen Netzwerke bringen das Bedürfnis zum Ausdruck, dem Fremdheitsgefühl zu entgehen. Die Bereit-schaft der eingewanderten Familien, eine Verbesserung ihrer Wohnsituation durch Wohnungswechsel zu erreichen, war und ist abhängig von der Zukunftsplanung der Familien und wird in der Regel nur von denjenigen angestrebt, die einen Verbleib in der Bundesrepublik beabsichtigen und demzufolge ihre ursprüngliche Lebensplanung revidiert haben. Folie: Bildung ethnischer Enkla-ven (siehe CD) Mit freundlicher Genehmigung der AWO Westl. Westfalen Textauszug aus: AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht?, S. 15–26. Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien, zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63 –69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected]

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I.LE 3.LS 8 Material 4 Thema: Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge, Aussiedler und Aussiedlerinnen Beispiele für Migrationsphasen (Anlage zu Materialien 3)

Zur Vorbereitungsphase und zum Migrationsakt

Für einen jungen Süditaliener, aus dessen Dorf und Familie schon seit Generationen junge Männer auf der Suche nach Arbeit nach Norditalien und weiter über die Grenze hinaus in die Schweiz, nach Deutschland oder nach Österreich migriert sind, wird die eigene Migrationsentscheidung relativ einfach und sein Migrationsweg ziemlich direkt ausfallen. Eine junge Frau aus Togo versucht vor Zwangsverheiratung und Beschneidung zu fliehen. Sie versteckt sich deshalb bei ihrer älte-ren Schwester in der Stadt, bis diese sie mit einem gefälschten Pass und einem Flugticket in ein Flugzeug nach Deutschland setzt. Von dort aus flieht sie nach einem mehrmonatigen, illegalen Aufenthalt weiter nach Amerika. Dort wird sie am Flughafen festgenommen und so lange inhaftiert, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Dies wird die junge Frauvermutlich als sehr belastend erleben. Noch anders erlebt eine bosnische Familie ihre Migration, wenn sie plötzlich über Nacht aus ihrem Haus vertrieben wird, zu Fuß zu Verwandten in der nahen Stadt fliehen muss, während der Krieg rund um sie herum tobt. Später versucht sie nach Slowenien zu Verwanden zu gelangen. Unterwegs wird der Ehemann durch Mili-täreinheiten von der Familie getrennt und in einem Gefangenenla-ger interniert. Die Frau hält sich dann eine Weile lang mit den Kin-dern in Slowenien auf, ohne zu wissen, ob ihr Mann noch lebt. Nach einem Jahr erhält sie einen Telefonanruf von ihm aus der Schweiz und reist ihm nach (vgl. Loncarevic, M. 2001, S. 71 f).

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Erste Phase der Migration Yilmaz Salan ist aus der Türkei nach Deutschland gekommen, um hier in ein paar Jahren viel Geld zu verdienen. Sofort nach seiner Einreise nimmt er seine Arbeit auf, hat keine Zeit der Eingewöh-nung. Dies erwartet er selbst aber auch nicht, denn aus seiner Per-spektive bekommt die Migration nur durch die Arbeitsaufnahme und damit verbundene Entlohnung einen Sinn. Auch die Art der Arbeit spielt dabei zunächst keine Rolle (vgl. Busche-Baumann, M. 2000, S. 78) Beispiel für schwierige Umstände einer Migration: „Herr X. trat schon schwerkrank seine Ausreise an. Der Sohn hat ihn bei Bedarf immer getragen, auf dem Rücken getragen. Die Tochter begleitete sie bis nach Moskau. Nach der Ankunft in Y? (ehemalige DDR) wurde er am nächsten Tag in ein Krankenhaus eingewiesen. Er befand sich ca. 40 km vom Lager entfernt. Dort lag er drei Monate im Koma. Seine Frau konnte ihn nicht besuchen, da sie keinerlei Geld besaß. Ihren Mann hilflos und ohne Familien-betreuung in einer fremden Umgebung zu wissen, war für sie sehr schwer: ‚Ich dachte, mir reißen sie das Herz aus dem Leib’. Als sie zwei Tage nach der Einreise erfahren musste, dass auch ihr Sohn, der mit der Familie eingereist war, nun in eine andere Stadt verlegt wurde, da ‚habe ich nur geweint, weil ich ganz allein geblieben bin mit meinem kranken Mann’“ (Schnepp, W.; Duijnstee, M.; Gryp-donck, M. 2003, S. 90).

Zweite Phase der Migration „Unsere Lait die fehlen mir, ja. Es ist ein ganz anderes Leben hier-in unter Deutschen, ja ganz anders. Was schön war, das war die Nachbarschaft, ja, es war schön. Da tun sich die Menschen zu-sammen. Ja, das ganze Dorf hat sich geholfen, ja, das war so, man braucht nicht rufe. Ja, unsere Laite, die helfe untereinander, ja, in unsere Lait da steckt noch was drin“ (Beyer, M. 2003, S. 69). Frauen, die mit ihrem Mann nach Deutschland gekommen oder ihm nach Deutschland nachgefolgt sind, waren anfangs häufig ohne jede Unterstützung von außen, bisweilen nicht einmal durch den Ehemann, es sei denn, die Familie lebte in einem türkisch domi-nierten Viertel.

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Aus einem Interview mit einer türkischen Frau: „Ich komme aus Mittelanatolien, in einem Dorf bin ich geboren. Es war bei uns sehr heiß im Sommer und im Winter sehr kalt, ich hatte viele Geschwister. Mit fünfzehn hat man mich verlobt, mit sechzehn war ich verheiratet und gleich danach bin ich nach Deutschland gekommen. Wirklich, ich bin aus der Türkei hier hergekommen. (...) und dann war ich oft krank und dann hatte ich auch Heim-weh.“ (Zielke-Nadkarni, A. 2003, S. 314). „Nur eine Türkin, die eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis be-sitzt, hat die Möglichkeit, ihre Ansichten gegenüber ihrem Mann frei zu vertreten. Immer mehr türkische Ehen in Deutschland zer-brechen, die Scheidungsquote steigt und liegt im Vergleich höher als in der Türkei“( Seeberger, B. 1998, S. 25) Beispiel einer türkischen Frau, Loti: Loti ist eine exzentrische, auf Außenwirkung bedachte Frau. Sie hat ihren wohlhabenden Mann und zwei kleine Kinder in der Türkei verlassen, um in Deutschland in Freiheit leben zu können. Sie hat es geschafft, sich einen zwar bescheidenen, aber gesicherten öko-nomischen Rahmen zu schaffen. Sie entspricht nicht dem Bild einer würdigen Greisin und spricht offen über ihre Wünsche: „Ihr werdet es nicht glauben, aber ich habe mir neben dem Farb-fernseher, der Satellitenantenne, Kabelfernsehen, dem Geschirr-spüler, der Sitzgarnitur, dem Teppich und meiner Mikrowelle auch noch ein französisches Bett gekauft ... leider fehlt mir ein französi-scher Mann dazu.“ Hier bringt sie gleichzeitig ihre persönliche Isolation zum Aus-druck, die sich durch ihre Existenz zieht (vgl. Vahsen, F. 2000, S. 15)

Phase der generationsübergreifenden Anpassungsprozesse

Semine, 16 Jahre alt, ist vor knapp einem Jahr aus der albanisch-mazedonischen Kleinstadt Tetovo in die Schweiz eingereist. Der Vater wirkt rigide und erzählt, dass sie nicht unbeaufsichtigt das Haus verlassen darf und sie deshalb immer von ihrer Mutter oder ihrem Bruder von der Schule abgeholt wird. Diese umfassende Kontrolle soll verhindern, dass Semine ihre „Jungfräulichkeit“ ver-liert, womit sowohl ihre Ehre als auch die der ganzen Familie zer-stört würde. Die Schulkolleginnen gehen in die Disco und erzählen sich gegenseitig von den Jungs. Semine hat das Gefühl, in der Falle zu sitzen, denn in dieser Situation ist sie weit mehr als in ihrem Heimatland eingeschränkt (vgl. Lafranchi, A. 2001, S. 118).

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Christina Weiß, eine Russlanddeutsche, die mit ihren Eltern nach Deutschland kam: „Dabei wollte ich nicht anders sein, ich wollte dazugehören. Ich fing an zu leugnen, wer ich eigentlich war, indem ich aufgehört habe, Russisch zu sprechen. Mir waren manche Dinge, wie zum Beispiel das Essen, das meine Mutter zubereitete, in der Gegenwart von deutschen Freunden peinlich, ich schämte mich meiner Her-kunft.“ Viele junge Russlanddeutsche schildern ähnliche Gefühle. Die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte hat ihnen geholfen, ihren Standort zu finden. Christina: „Ich schäme mich nicht mehr dafür, eine andere Erzie-hung genossen zu haben. Und ich schäme mich schon gar nicht dafür, russlanddeutsche Freunde zu haben oder russische Musik zu hören. Und letztlich hat mich das alles zu dem gemacht, was ich heute bin: eine Kämpfernatur!“ (Tetzlaff, S. 2003, S.33).

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I.LE 3.LS 8 Material 5 Thema:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen exem-plarisches Migrationserleben kennen lernen, reflektieren und unter der geschlechtsspezifischen Perspektive betrachten und diskutieren.

Migrationsgeschichte Gastarbeiter Filmclip Sozialform Medien Zeit:

Schritt 1: Der Filmclip „Als Arbeiterin nach Deutschland“ wird gezeigt (I.LE 3.LS 8 Medien 1) . Schritt 2: Unter folgenden Fragestellungen wird der Film reflektiert:

Was ist das Lebensmotto von Frau ...

Wie wirkt sich das Lebensmotto von Frau ... auf ihre Migra-tionserfahrung aus?

Wo fühlt sich Frau ... zu Hause?

Stimmt Frau ... mit Ihrem Bild von türkischen Migrantinnen

überein?

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 120

I.LE 3.LS 8 Material 6 Thema:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen erken-nen, dass es sich bei Migration um ein phasenhaftes Geschehen handelt, das von persönlichen Grundbedin-gungen, vorhandenen Kompetenzen sowie gesellschaftspolitischen Rah-menbedingungen abhängt.

Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge, Aussiedler und Aussiedlerinnen Lehrgespräch Sozialform Medien Zeit:

Hintergrundtext für Lehrkräfte

Psychologische Phasen der Migration Migrationsprozesse verlaufen sehr unterschiedlich. Der Anpas-sungs- und Akkulturationsprozess ist für Migranten und Migrantin-nen je nach Vorerfahrungen und Begleitumständen mehr oder we-niger problematisch. Ob sie gestärkt oder geschwächt aus diesem Prozess hervorgehen hängt darüber hinaus davon ab, welche Kom-petenzen sie hierfür mitbringen und ob sie die Migration als Her-ausforderung und Bereicherung oder als Verlust begreifen. Den-noch kann man folgende Phasen des Migrationsprozesses erkennen, die für alle Migranten und Migrantinnen als gültig anzusehen sind:

• die Vorbereitungsphase • der Migrationsakt • die Phase der Überkompensierung (1. Phase der Migration) • die Phase der Dekompensation (2. Phase der Migration) • die Phase der generationsübergreifenden Anpassungspro-

zesse Jede dieser Stadien weist charakteristische Abläufe und damit ver-bundene Bewältigungsmuster auf.

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Vorbereitungsphase: Die zeitliche Dauer dieser Phase wird neben Lebensstil und Zeit-rhythmus der Familie von den Gründen für die Migration bestimmt. Gründe für die Migration können u.a. sein:

• das Leben eines Mitglieds der Familie ist aus politischen Gründen bedroht

• ein Familienmitglied ist schwer erkrankt und man erhofft sich Rettung durch ein besseres medizinisches System in einem anderen Land

• die Familie versucht, den schwierigen Verhältnissen im ei-genen Land zu entkommen und sucht ein „besseres Leben“ in einem anderen Land

• ein Familienmitglied erhofft sich bessere Bedingungen für die eigene Karriere in einem anderen Land

An diesen Beispielen wird deutlich, dass der Prozess der Migration durch einzelne Familienmitglieder in Gang gesetzt werden kann. Auch wenn die gesamte Familie in ein anderes Land übersiedeln will, sind meist einzelne Familienmitglieder zunächst die treibende Kraft. Die Vorbereitung beginnt, wenn erste konkrete Aktivitäten in Richtung Auswanderung getan werden (Informationen einholen, Austausch von Briefen, Beantragung von Visa etc.). Manchmal zieht sich die Vorbereitungsphase über Jahre hin. In anderen Fällen kommt es zu plötzlichen Entscheidungen.

Der Migrationsakt Der tatsächliche Migrationsakt mag vielleicht nur drei Stunden Flugzeit in Anspruch nehmen. Tatsächlich dauert er länger, je nach den äußeren Umständen. Es ist ein großer Unterschied, ob Migranten und Migrantinnen legal oder illegal einwandern. Flüchtlinge sowie Aussiedler kommen zunächst in Übergangslager und müssen lange mit Ungewissheiten leben. Laut Collatz spielen Abschiebeängste, Einreiseverweigerungen, Bedrohung des Aufenthaltsstatus (auch für Familienangehörige) etc. bei Gesundheitsstörungen und Krankheitsverläufen von Migranten und Migrantinnen eine große Rolle (vgl. Schulz 2003, 44) Manche Familien wandern gemeinsam aus, andere schicken einzel-ne Familienmitglieder voraus, die erst einmal die Lage sondieren, bevor die anderen nachkommen. Einige wandern gezielt in ein be-stimmtes Land aus, andere legen „Probephasen“ ein und ziehen später eventuell weiter. Manche brechen sämtliche Brücken zu ih-rem Herkunftsland ab und beschließen, ein neues Leben im anderen Land zu beginnen. Andere denken daran, nur für einige Jahre aus-zuwandern und anschließend in ihr Heimatland zurückzukehren.

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All diese Faktoren beeinflussen die Dauer des Migrationsaktes. Dieser stellt eine Übergangssituation dar, einen Bruch im Lebens-lauf, und hierfür gibt es keine überlieferten Rituale, auf die Migran-ten und Migrantinnen sich beziehen können. Eine Aussiedlerin aus Russland: „Ob ich Russin bin oder Deutsche? Ich bin nichts. Ich bin ein lee-res Blatt. In Russland war ich eine Deutsche... Hier weiß ich selbst nicht, bin ich Deutsche oder Russin, ich weiß es nicht, denn keiner glaubt mir, dass ich deutsch bin. In Russland war ich richtig stolz, deutsch zu sein. Hier bin ich ängstlich und schüchtern.“ (Schulz, S. 2003: 51)

Phase der Überkompensierung (1. Phase der Migration

In der ersten Phase der Migration zeigen die Migranten und Migrantinnen eine extrem hohe Anpassung. Es geht um das schiere Überleben. Dies hat höchste Priorität und die Rollen werden ent-sprechend aufgeteilt. Migranten und Migrantinnen in dieser Phase zeigen eine sehr scharfe Beobachtungsgabe, die sie für den Anpas-sungs- und Akkulturationsprozess benötigen. Komplexe Zusam-menhänge und Konflikte werden an dieser Stelle in den Hinter-grund gedrängt. Meist gelingt den Migranten und Migrantinnen dieser erste Anpassungsprozess, der sich i.d.R. über einige Monate hinzieht. In Familien, die extremen Belastungen ausgesetzt sind und/oder nicht über genügend Ressourcen verfügen, können zu diesem Zeit-punkt massive Krisen ausgelöst werden. Herr X. trat schon schwerkrank seine Ausreise an. Der Sohn hat ihn bei Bedarf immer getragen, auf dem Rücken getragen. Die Tochter begleitete sie bis nach Moskau. Nach der Ankunft in Y? (ehemalige DDR) wurde er am nächsten Tag in ein Krankenhaus eingewiesen. Er befand sich ca. 40 km vom Lager entfernt. Dort lag er drei Monate im Koma. Seine Frau konnte ihn nicht besuchen, da sie keinerlei Geld besaß. Ihren Mann hilflos und ohne Familien-betreuung in einer fremden Umgebung zu wissen, war für sie sehr schwer: „Ich dachte, mir reißen sie das Herz aus dem Leib“. Als sie zwei Tage nach der Einreise erfahren musste, dass auch ihr Sohn, der mit der Familie eingereist war, nun in eine an-dere Stadt verlegt wurde, da „habe ich nur geweint, weil ich ganz allein geblieben bin mit meinem kranken Mann.“ (Schnepp, W.; Duijnstee, M. ; Grypdonck, M. 2003, S. 90)

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Phase der Dekompensation (2. Phase der Migra-tion)1

Diese Phase ist schwierig und kann daher mit Problemen und Kon-flikten belastet sein. Nach dem ersten Anpassungsprozess ist die Familie gefordert, eine neue Realität zu gestalten. Hierzu benötigen sie die Fähigkeit, verinnerlichte Muster und damit verbundene Rol-len und Regeln zu verändern. Oft vermissen sie in der Heimat Zu-rückgelassenes. Aus einem Interview mit einer Russlanddeutschen:„Unsere Lait die fehlen mir, ja. Es ist ein ganz anderes Leben hierin unter Deut-schen, ja ganz anders. Was schön war, das war die Nachbarschaft, ja, es war schön. Da tun sich die Menschen zusammen. Ja, das ganze Dorf hat sich geholfen, ja, das war so, man braucht nicht rufe. Ja, unsere Laite, die helfe untereinander, ja, in unsere Lait da steckt noch was drin.“ (Beyer, M. 2003, S. 69) Die Familien stehen vor der schwierigen Aufgabe, die Kontinuität der Familie zu bewahren unter gleichzeitiger Anpassung an die neue Umwelt. Dies steht oftmals im Widerspruch zueinander, und die Familien müssen neue Handlungsmuster finden. Sie müssen sich fragen, was sie erhalten wollen und was sie aufzugeben bereit sind, und dies muss miteinander in Einklang gebracht werden. Sie müssen neue Regeln untereinander aushandeln. Nicht alle verfügen über diese Kompetenz. Hinzu kommt, dass innerhalb vieler Familien eine geschlechtsspe-zifische Rollenverteilung existiert. Der Mann ist meist für die Au-ßenorientierung zuständig, d.h. er kümmert sich um die Bewälti-gung der aktuellen bzw. zukünftigen Anforderungen der Umwelt. Diese Rolle fördert die Anpassung an die neue Umgebung und da-mit verbundene Autonomie. Die Aufgabe der Frau ist die Innenori-entierung, d.h. sie kümmert sich um die Gefühlswelt, u.a. Trauern über das, was zurückgelassen wurde. Durch diese Orientierung an der Vergangenheit und wenig Kontakt zur Außenwelt wird sie zu-nehmend isoliert. Diese Rollenverteilung ist in der neuen Lebens-welt zur Aufrechterhaltung der Kontinuität der Familie nicht mehr geeignet und kann, wenn dieses Muster rigide aufrechterhalten wird, zu starken Krisen führen. Charakteristisch für diese Phase der Migration ist, dass bestehende Stärken und Schwächen innerhalb einer Familie verstärkt werden. Familien, die über entsprechende Ressourcen für den Verände-rungsprozess verfügen, beispielsweise

• Zurückgelassenes betrauern bzw. alte Muster bewusst auf-geben

1 Sluzki orientiert sich an der Stressverlaufskurve, nicht am pathologischen Ver-lauf, d.h. Dekompensation ist im Sinne von „Ungleichgewicht“ zu verstehen, das Krisen auslösen kann, aber auch Chancen zum Wachstum beinhaltet.

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• die neue Realität konstruktiv gestalten gehen gestärkt daraus hervor, oft erst Jahre später. Familien, die ihre Herkunftskultur idealisieren und Trauer und Ver-lust nicht zulassen können, erschweren sich dadurch die Anpas-sung. Wenn sie den Mythos: „Wir werden bald in unsere Heimat zurückkehren“, pflegen, halten die Familien Normen und Werte ihres Heimatlandes besonders stark aufrecht und verweigern sich so der Akkulturation in das Aufnahmeland. Eine solche Strategie trägt nur für einen bestimmten Zeitraum und kann unter dem Druck der Realität starke Krisen auslösen, die sich in Krankheiten oder psy-chischen Störungen niederschlagen.

Phase der generationsübergreifenden Anpas-sungsprozesse

Wenn ein Anpassungsprozess innerhalb der Migrationsfamilie der ersten Generation nicht diskutiert wird, kommt es zu einem Kon-flikt bei Werthaltungen mit der nächsten Generation. Diese Kinder wachsen mit den im Aufnahmeland gültigen Spielregeln auf, die zum Teil in krassem Gegensatz stehen zu den in ihrer Herkunfts-familie und -kultur geltenden Normen und Werten. Wenn die Wi-dersprüche zu stark sind, zeigen die Jugendlichen häufig „delin-quente“ oder suizidale Reaktionen. Ein gelungener Anpassungsprozess führt zu erweiterten Hand-lungsspielräumen, von denen auch die im Aufnahmeland nach-wachsende Generation profitiert.

Beyer, M. (2003): Altersbilder und das Verständnis von Gesund- heit im Alter aus der Sicht älterer russlanddeutscher Spätaussiedler. In: Pflege im kulturellen Kontext. Positionen, Forschungen, Praxis Erfahrungen. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 61-72 Schnepp, W.; Duijnstee, M.; Grypdonck, M. (2003): Was es bedeutet, in russlanddeutschen Familien für pflegebedürftige Men- schen zu sorgen. In: Pflege im kulturellen Kontext. Positionen, For- schungen, Praxiserfahrungen, Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S.73-100 Schulz, S. (2003): Wohlbefinden bei Immigranten? In: Zielke- Nadkarni, A.; Schnepp, W.: Pflege im kulturellen Kontext. Positionen, Forschungen, Praxiserfahrungen, Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 37-60

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 125

Sluzki, C.E. (2001): Psychologische Phasen der Migration und ihre Auswirkungen In: Hegemann, V.; Salman, R.: Transkulturelle Psychiatrie. Bonn, S. 101 - 111

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 126

I.LE 3.LS 8 Folie 4 Psychologische Phasen der Migration Vorbereitungsphase und Migrationsakt:

Unterschiedliche zeitliche Dauer, je nach Migrationshin-tergrund

Übergangssituation, für die es keine überlieferten Rituale gibt

1. Phase der Migration

Extrem hohe Anpassungsbereitschaft Konflikte im Hintergrund Bei extremen Belastungen – Auslösung von Krisen

2. Phase Migration

Schwierige Phase – neue Handlungsmuster, Regeln und Rollenverteilungen

Strenge geschlechtsspezifische Rollenverteilung kann Schwierigkeiten und Krisen auslösen

Migration verstärkt bestehende Stärken und Schwä-chen

Idealisierung der Herkunftskultur – Ethnisierung Generationsübergreifende Anpassung

Möglicher Konflikte von Werthaltungen mit nächster Generation

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 127

I.LE 3.LS 8 Medien 1 Thema: Migranten und Migrantinnen, Aussiedler und Aussiedlerinnen, Übersiedler und Übersiedlerinnen, Einheimische, die in früheren Jahren eingewandert sind

Literatur AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht? Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien, zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63–69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected] Materialien zu demografischen Daten, Werten, Normen, rechtlichen Fragen, Migration und Gesundheit, Migration und Alter, Bedürfnisse älterer Migranten und Migran-tinnen, mit Praxisbeispielen für den Einsatz im Unterricht, insbesondere Punkte 1–8. Beyer, M. (2003): Altersbilder und das Verständnis von Gesundheit im Alter aus der Sicht älterer russlanddeutscher Spätaussiedler. In: Zielke-Nadkarni, A.; Schnepp, W. (Hrsg.): Pfle-ge im kulturellen Kontext. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 61–72 Bundeszentrale für politische Bildung (2000): Zuwanderung nach Deutschland – Themen-blätter im Unterricht (Nr. 31). Bonn Busche-Baumann, M. (2000): Aufbruch mit Ausrutscher – die Migrationsgeschichte des Ehepaares Salan In: Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales: Altwerden in der Fremde – Bilanz und Perspektiven. 2. Diskussionsforum zur Situation der älteren Ausländer am 18.11.99 in Hildesheim. Hannover, S. 75–87 David, M.; Borde, T.; (1998): Zur schwierigen Begrifflichkeit. In: David, M.; Borde, T.; Kentenich, H. (Hrsg.): Migration und Gesundheit. Zustandsbeschreibung und Zukunftsmodel-le. Frankfurt am Main, S. 7–15 Lanfranchi, A. (2001): Migrationskinder. In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle Transkul-turelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 101–122 Loncarevic, M. (2001): Migration und Gesundheit. In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle Transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 65–85 Schnepp, W.; Duijnstee, M.; Grypdonck, M. (2003): Was es bedeutet, in russlanddeut-schen Familien für pflegebedürftige Menschen zu sorgen. In: Zielke-Nadkarni, A.; Schnepp,

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 128

W. (Hrsg.): Pflege im kulturellen Kontext. Positionen, Forschungsergebnisse, Praxiserfahrun-gen. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 73–100 Schulz, S. (2003): Wohlbefinden bei Immigranten? In: Zielke-Nadkarni, A.; Schnepp, W. (Hrsg.): Pflege im kulturellen Kontext. Positionen, Forschungsergebnisse, Praxiserfahrungen. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 37–60 Seeberger (1998): Altern in der Migration – Gastarbeiterleben ohne Rückkehr. Kuratorium Deutsche Altershilfe, Thema 130, Köln Sluzki, C.E. (2001): Psychologische Phasen der Migration und ihre Auswirkungen In: Hegemann Th.; Salman, R.: Transkulturelle Psychiatrie. Bonn, S. 101–111 Tetzlaff, S. (2003): Heimatlos zwischen zwei Welten. In: Spurensuche. Weggehen – An-kommen. Migration in der Geschichte, Körber-Stiftung. Hamburg, 17. Jahrgang, S. 30–33 Vahsen, F. (2000): Altern in der Fremde – eine Fortsetzungsgeschichte ohne Fortschritt? In: Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales: Altwerden in der Fremde – Bilanz und Perspektiven. 2. Diskussionsforum zur Situation der älteren Ausländer am 18.11.99 in Hil-desheim. Hannover, S. 10–22 Zielke-Nadkarni, A. (2003): Individualpflege als Herausforderung in multikulturellen Pfle-gesituationen. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle Filmclips für den Unterricht: Man nennt sie Gastarbeiter – dokumentarische Collage (Reportage 2:52 min.) Als Arbeiterin nach Deutschland – Erinnerungen einer türkischen Rentnerin (Interview: 5.45 min.) beide in: Wenn ich einmal alt bin ... Multi-Media DVD für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Altenpflege von Migrantinnen und Migranten, 2003 Kontakt: Ulla Krämer M.A. Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum (SFZ) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tel.: 0911/5302-648 / Fax: 0911/5302-637 E-mail: [email protected]

2

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 129

I.LE 3.LS 9 Switchen

Leitfaden

Material 1

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 130

I.LE 3.LS 9 Leitfaden Thema: Switchen

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1:

2.1 Lebenswelten und soziale Netz-werke alter Menschen beim altenpfle-gerischen Handeln berücksichtigen

Erzählungen Sozialform Medien Zeit:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen eigene Erfahrungen zum Thema „Switchen“ reflektieren Methodisches Vorgehen: Die Lehrkraft macht eine kurze Einführung zum Thema „Switchen“ (I.LE 3.LS 9 Material 1). Anschließend tauschen die Auszubildenden ihre eigenen Erfahrungen zum Thema „Switchen“ aus.

Diese Lernsequenz eignet sich gut zum Abschluss der Lernsequenzen 7 und 8, ist jedoch nur in kulturell gemischten Ausbildungsklassen sinnvoll.

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 131

I.LE 3.LS 9 Material 1 Thema:

Zielsetzung: Die Auszubildenden sollen eigene Erfahrungen zum Thema „Switchen“ reflektie-ren

Migranten, Aussiedler, Flüchtlinge – Begriffsklärungen und Migrations- geschichte Kurzreferat Sozialform Medien Zeit:

Kompetenz des „Switchen“ Jugendliche, die zwischen teilweise unterschiedlichen Lebenswelten aufwachsen entwickeln u. U. die besondere Kompetenz zu switchen. Beispiele hierfür:

Von beiden Lebenswelten mixen sie sich in einer Art transkulturellem Cocktail das für sie Beste.

Im sogenannten code-switching wechseln sie kreativ zwischen Sprachen

Sie entwickeln die Fähigkeit, mit Widersprüchen umzugehen und „erfinden“ eine

mehrkulturelle Identität, die sich weder ausschließlich nach der einen oder anderen Kultur richtet, sondern etwas Neues darstellt, das Elemente aus beiden Kulturen enthält.

Literatur: Lanfranchi, A. (2001): Migrationskinder. In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle transkultu-relle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 101–122

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 132

I.LE 3.LS 10 Lebenswelten und soziale Netzwerke von Migran-ten und Migrantinnen sowie Spätaussiedlern und Spätaussiedle-rinnen

Lernerfolgsüberprüfung

Leitfaden

Material 1

Teilnehmerunterlage 1

Arbeitsblatt 1

Medien 1

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 133

I.LE 3.LS 10 Lernerfolgsüberprüfung Glaubens- und Lebensfragen sowie soziale Netzwerke von Migranten und Migrantinnen Lernerfolgsüberprüfung Sozialform Medien Zeit

Wird für die Projektwoche eine Lernerfolgsüberprüfung vorgesehen, sollten die Kriterien im Vorfeld mit den Auszubildenden besprochen werden. Im folgenden finden Sie vier Möglich-keiten der Lernerfolgsüberprüfung für die Projektwoche. Es wäre sinnvoll, alle durchzufüh-ren. Es ist auch möglich, sich die eine oder andere je nach Schwerpunkt heraus zu nehmen. 1. Eine differenzierte Bewertung (Überprüfungsbogen) der jeweiligen Gruppenpräsenta-

tion wird von der Lehrkraft vorgenommen. Im Anschluss an die Präsentation wird e-benfalls eine Gesamtbewertung von der Klasse durchgeführt. Die Lehrkraft entschei-det, wie differenziert diese Gesamtbewertung durch die Gruppe ausfallen soll (Über-prüfungsbogen Präsentation).

Zeit:

Zielsetzung: Überprüfung der Lernerfolge in der Projektwoche. Die Auszubil-denden lernen, sich selbst und andere sowohl hinsichtlich ihres Lernverhaltens als auch ihrer Teamfähigkeit einzuschätzen und bekommen ein Feedback sowohl zu ihrer mündlichen als auch schriftlichen Präsentation.

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 134

2. Die Kriterien des Überprüfungsbogens für den Gruppenprozess wird in der jeweiligen Arbeitsgruppe diskutiert und entsprechend bewertet (Überprüfungsbogen Gruppen-prozess).

Zeit: 3. Die Bewertung für den Arbeitsbericht wird von der Lehrkraft durchgeführt. Im Vor

feld des Projektes wird mit den Auszubildenden besprochen, was von ihrem Arbeits-bericht bewertet wird (Überprüfungsbogen Arbeitsbericht).

4. Das individuelle Lernhandeln wird in den jeweiligen Arbeitsgruppen diskutiert und die Bögen entsprechend ausgefüllt. Zunächst sollte die jeweilige Person ihr Lernhandeln selbst beurteilen. Anschließend geben die anderen ihr Feedback. Hierzu ist es notwen-dig, dass entsprechende Feedbackregeln vorher eingeübt worden sind (siehe II.LE 2.LS 6 Material 2 und Überprüfungsbogen Individuelles Lernhandeln).

Zeit:

2

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 135

Überprüfungsbogen: Präsentation Projekt:

Gruppe: Lehrkraft:

Thema:

Datum/Zeit:

Kriterium Ausprägung Einschätzung

0 10Gruppendarstellung 0:

10:

nicht alle Gruppenmitglieder sind be-teiligt die Gruppenarbeit wird gemeinsam dargestellt

Kürze 0: 10:

hoher Zeitaufwand kurze Darstellung

Wirkung auf Zuhörer 0: 10:

keine Zuhörerorientierung, nur sachlo-gisch aufgebaute Darstellung Interesse der Zuhörer wird angespro-chen

Strukturiertheit 0: 10:

keine Struktur erkennbar klar strukturierter Aufbau

Visualisierung 0: 10:

keine Visualisierung konsequenter Einsatz von Visualisie-rungselementen

Medieneinsatz 0: 10:

Verwendung nur eines Darstellungs-mediums mindestens drei Medien werden einge-setzt

Gesamteindruck

0 10

Gesamt

0 100

In Anlehnung an: Allendorf, O. (2004): Lernerfolgsüberprüfung im Lernfeldkonzept mit Pro-jektarbeit, Werkstattbericht Heft Nr. 5, S. 54 - 72

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 136

Überprüfungsbogen: Gruppenprozess Projekt:

Gruppe: Lehrkraft:

Datum/Zeit: Kriterium Ausprägung Einschätzung

0 10Zielgerichtetheit 0:

10: 0 10

keine (Teil)-Zielbildung Aufstellen eines gemeinsamen Plans ________________________________ keine Zeitplanung realistischer Zeitplan mit fortlaufender Korrektur

Themenbezug 0: 10

unsachliche und nicht aufgabenbezoge-ne Gesprächsbeiträge aufgabenbezogene und sachliche Ge-sprächsbeiträge

Gruppenzusam- menhalt

0: 10: 0 10

stark gegensätzliche Einschätzungen zur Erreichung des Ziels gruppeneinheitliche Positionen zur Aufgabe _______________________________ Auftauchende Frustrationen der Mit-glieder werden nicht abgebaut Auftauchende Frustrationen der Mit-glieder werden abgebaut

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 137

Überprüfungsbogen Gruppenprozess Seite 2 Kriterium Ausprägung Einschätzung

0 100 10

kein gegenseitiger Informationsaus-tausch die Aufgabe wird gemeinsam bespro-chen

Kooperation

0 10

Gruppenmitglieder erhalten keine An-regungen aus der Gruppe Gruppenmitglieder erhalten Anregun-gen für ihre Einzelaufgabe aus der Gruppe

0 10

Gruppenklima wird nicht thematisiert Gruppenklima wird offen diskutiert

Gruppenreflexion

0 10

bei Konflikten entscheidet die Mehrheit bei Konflikten wird gemeinsam nach Lösungen gesucht

Gesamt

0 100

In Anlehnung an: Allendorf, O. (2004): Lernerfolgsüberprüfung im Lernfeldkonzept mit Pro-jektarbeit, Werkstattbericht Heft Nr. 5, S. 54 - 72

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 138

Überprüfungsbogen: Arbeitsbericht Projekt:

Gruppe: Lehrkraft:

Aufgabenstellung:

Datum/Zeit:

Kriterium Ausprägung Einschätzung

0 10Aufgabenstellung 0:

10:

Aufgabenstellung unklar Aufgabenstellung klar, Angabe von Kernaufgaben und Einzelaufgaben

Arbeitsteilung 0: 10:

unklare Arbeitsteilung: wer macht was und wann? Arbeitsteilung wird kontinuierlich fest gehalten

Zeitplan 0: 10:

kein Zeitplan Zeitplan liegt vor; Veränderungen sind erkennbar

Kürze, Prägnanz 0: 10:

weitschweifige Darstellung prägnante Darstellung

Übersichtlichkeit 0: 10:

keine Orientierung für den Leser übersichtliche Darstellung

Lernerfahrungen 0 10

keine Aussage zu Lernerfahrungen Lernerfahrungen werden kritisch dar-gestellt

Wissenszuwachs 0: 10:

keine Darstellung des erworbenen Wissens klare Einschätzung des Wissenszu-wachses

Gesamteindruck

0 10

Gesamt

0 100

In Anlehnung an: Allendorf, O. (2004): Lernerfolgsüberprüfung im Lernfeldkonzept mit Pro-jektarbeit, Werkstattbericht Heft Nr. 5, S. 54 - 72

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 139

Überprüfungsbogen: Individuelles Lernhandeln Projekt:

Lernender: Lehrkraft:

Einzelaufgabe:

Datum/Zeit:

Kriterium Ausprägung Einschätzung

0 10Zielgerichtetheit 0:

10:

planloses Vorgehen klare Ordnung der Schritte zur Aufga-benerfüllung

Gegenstandsbezug 0 10 0 10

geplanter Zeitrahmen wird nicht ein-gehalten Termine werden eingehalten ________________________________unsachliche und nicht aufgabenbezoge-ne Beiträge sachliche und aufgabenbezogene Bei-träge

0: 10:

keine Information der Gruppe Gruppe wird über den Arbeitsfortschritt informiert

Soziale Eingebun-denheit 0

10

egoistisches Vorgehen in schwierigen Situationen gegenseitige Hilfe und soziale Unter-stützung in schwierigen Situationen

Selbstbezug 0 10

Ausblenden von Fehlern Fehler werden gesehen und zur Sprache gebracht

Selbstständigkeit

0 10

vorhandene Informationen werden als ausreichend angesehen vorhandene Informationen werden ei-genständig erweitert

Gesamt

0 100

In Anlehnung an: Allendorf, O. (2004): Lernerfolgsüberprüfung im Lernfeldkonzept mit Projektarbeit, Werkstattbericht Heft Nr. 5, S. 54 - 72

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 140

I.LE 3.LS 10 Leitfaden Thema:

Verortung in der AltPflAPrV, Anlage 1: Lebenswelten und soziale

Netzwerke von Migranten 2.1 Lebenswelten und soziale Netzwerke alter Menschen beim altenpflegerischen Handeln berücksichtigen

und Migrantinnen Projektarbeit Sozialform Medien Zeit: 1 Woche

Zielsetzung des Projekts: Die Auszubildenden sollen sich selbstständig mit den Themen Lebenswelten im Kontext von Glaubens- und Lebensfragen sowie soziale Netzwerke von Migranten und Migrantinnen aus-einandersetzen. Auf der Basis von Literatur sollen sie vertiefend eigene Recherchen durch Befragung von Experten und Expertinnen (Verbände, Vereine, religiöse Gemeinschaften, Familien etc.) anstellen. Es geht darum, herauszufinden, wie sich Lebenswelten von Migran-ten und Migrantinnen in Deutschland entwickeln. Diese Erfahrungen können im nächsten Modul herangezogen werden, um herauszuarbeiten, welche Besonderheiten u.U. für eine le-bensweltlich ausgerichtete kultursensible Altenpflege berücksichtigt werden müssen. Methodisches Vorgehen: Mittels der Projektmethode sollen die Auszubildenden die Lebenswelten und sozialen Netz-werke von in Deutschland lebenden Migranten und Migrantinnen sowie Spätaussiedlern und Spätaussiedlerinnen erkunden. Schritt 1: Sofern keine Vorkenntnisse zur Projektmethode vorliegen, muss diese den Auszubildenden zunächst vermittelt werden. Schritt 2: Themen werden vorgeschlagen und Tische mit entsprechender Literatur aufgebaut (I.LE 3.LS 10 Material 1).

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 141

Schritt 3: Die Auszubildenden entwickeln eine Vorstruktur der möglichen Themen, treffen eine Aus-wahl der Themen, aus der sich dann die Arbeitsteilung der Klasse ergibt. Schritt 4: Die jeweiligen Gruppen erstellen eine Projektskizze mit Ziel, Methoden, Zeiteinteilung und Form der Präsentation. Schritt 5: Anschließend wird das Projekt nach bestimmten Regeln durchgeführt (I.LE 3.LS 10 Material 1, I.LE 3.LS 10.TU 1). Schritt 6: In einem Arbeitsbericht soll der Arbeitsprozess festgehalten werden (I.LE 3.LS 10 Arbeits-blatt 1). Schritt 7: Präsentation der Projektergebnisse Hierzu könnten die Befragten und die Praxisanleiter und -anleiterinnen eingeladen werden.

An dieser Stelle kann das Projekt abgeschlossen werden, da durch die Arbeit am Projekt, die Präsentation im Plenum und die Berichterstellung eine Reflexion stattgefunden hat, die dann im nächsten Modul vertieft werden kann. Möglich wären weitere Vertiefungen. Da im Vorfeld nicht absehbar ist, ob das nötig ist, soll-ten die Lehrkräfte dies situativ entscheiden (I.LE 3.LS 10 Material 1).

2

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 142

Zur zeitlichen Planung: Da davon auszugehen ist, dass die Termine mit den Experten und Expertinnen längerfristig vereinbart werden müssen, ist dies bei der Projektplanung zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit wäre, dass die Lehrkräfte im Vorfeld Termine mit potenziellen Ansprech-partnern und Ansprechpartnerinnen vereinbaren. Sollen die Auszubildenden die Kontakte selbst herstellen, so sollten sowohl der theoretische Teil zur Vorbereitung auf das Projekt sowie der 1. Tag des Projektes (Projektmethode, The-menauswahl, Arbeitsteilung, Projektskizze) entsprechend vorgezogen werden.

3

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 143

I.LE 3.LS 10 Material 1 Thema: Lebenswelten und soziale Zielsetzung des Projekts: Netzwerke von Migranten Die Auszubildenden sollen sie sich selbstständig mit

den Themen Lebenswelten im Kontext von Glau-bens- und Lebensfragen sowie soziale Netzwerke von Migranten und Migrantinnen auseinandersetzen. Auf der Basis von Literatur sollen sie vertiefend ei-gene Recherchen durch Befragung von Experten und Expertinnen (Verbände, Vereine, religiöse Gemein-schaften, Familien etc.) anstellen. Es geht darum, herauszufinden, wie sich Lebenswelten von Migran-ten und Migrantinnen in Deutschland entwickeln. Diese Erfahrungen können im nächsten Modul he-rangezogen werden, um herauszuarbeiten, welche Besonderheiten u.U. für eine lebensweltlich ausge-richtete kultursensible Altenpflege berücksichtigt werden müssen.

und Migrantinnen Zeit: ca. 1 Woche Projektarbeit Sozialform Medien Zeit: 1 Woche

Methodisches Vorgehen: Schritt 1: Projektmethode: Projektmethode an die Auszubildenden vermitteln, sofern hierzu keine Vorkenntnisse vorlie-gen. Schritt 2: Themenauswahl: Themen vorschlagen und Tische mit entsprechender Literatur aufbauen.

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 144

Themen: Glaubens- und Lebensfragen Werte und Sinn, Arbeit und Leistung, Rituale, Alterstheorien, Tod und Sterben Soziale Netzwerke Ehe, Familie, Verwandtschaft, Freundschaften, Nachbarschaft, Vereinsleben, religiöse Gemeinde, Angebote für alte Menschen, Wohnumfeld Befragung von Familien sowie Experten/Expertinnen und Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen von Vereinen/Verbänden, religiösen Gemeinschaften etc., Besuche von speziellen Orten wie z.B. Synagoge Moscheeverein und Gespräch mit dem Imam Aleviten Kulturverein Gewerkschaften Bildungsverein Besuch eines Aussiedlerheimes Schritt 3: Arbeitsteilung: Die Auszubildenden entwickeln eine Vorstruktur der möglichen Themen. Diese werden am Flipchart gesammelt. Anschließend wird eine Auswahl der Themen im Plenum mit Punktab-frage getroffen. Jede Person kann drei Punkte vergeben. Hieraus ergibt sich dann die Arbeits-teilung der Klasse. Schritt 4: Projektskizze: Die jeweiligen Gruppen erstellen eine Projektskizze mit Ziel, Methoden, Zeiteinteilung und Form der Präsentation. An dieser Stelle sollten die Lehrkräfte darauf achten, dass die beab-sichtigten Lernziele dem Oberthema gerecht werden. (Matrix: wer? macht was? mit wem? bis wann?)

Sofern keine Vorerfahrungen zur Gesprächsführung vorliegen sollte das leitfadengestützte Interview vorher geübt werden. Bei Gesprächen mit einer Familie sollte es der Familie überlassen bleiben, wer an diesem Ge-spräch teilnimmt. Es empfiehlt sich, die Gespräche mit einem Aufnahmegerät zu dokumentie-ren. Die Gesprächspartner/Gesprächspartnerinnen müssen vorher um ihr Einverständnis gebe-ten werden. Die Frage der Anonymität sowie die Versicherungsfrage (Unfallhaftung) müssen vorher abgeklärt werden.

2

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 145

Schritt 5: Durchführung des Projektes Vorschlag: morgens täglicher Treffpunkt in der Schule anschließend entsprechende Orte aufsuchen, Gespräche führen, Beobachtungen anstellen, weitere Recherchen durchführen etc. Mittags wieder Treffpunkt in der Schule Nachmittags weitere Recherche Ggf. zum Abschluss des Tages erneuter Treffpunkt in der Schule Schritt 6: Reflexion des Arbeitsprozesses In einem Arbeitsbericht soll der Arbeitsprozess festgehalten werden. Hierfür das entsprechen-de Arbeitsblatt austeilen (I.LE 3.LS 10 Arbeitsblatt 1) Für die Arbeitsberichte entsprechend Zeit einplanen und, wenn nötig, Unterstützung geben, zum Abschluss eine individuelle Rückmeldung für die Berichte geben. Schritt 7: Abschluss des Projektes: Präsentation der Projektergebnisse Hierzu könnten die Befragten und die Praxisanleiter und -anleiterinnen eingeladen werden.

An dieser Stelle kann das Projekt abgeschlossen werden, da durch die Arbeit am Projekt, die Präsentation im Plenum und die Berichterstellung eine Reflexion stattgefunden hat, die dann im nächsten Modul vertieft werden kann. Möglich wären weitere Vertiefungen. Da im Vorfeld nicht absehbar ist, ob das nötig ist, soll-ten die Lehrkräfte dies situativ entscheiden. Affektive Vertiefung: Das subjektive Erleben der Auszubildenden während der Durchführung des Projektes wird thematisiert. Dies könnte mit der Methode des Szenischen Spiels erfolgen.

3

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 146

Kognitive Vertiefung: Eine Art Zusammenfassung im Plenum mittels Fragen:

Was sind die zentralen Aspekte der Lebenswelt und sozialen Beziehungen der von Ihnen befragten Personen?

Welche Veränderungen von Lebenswelten und sozialen Netzwerken haben sich durch

die Migration ergeben?

Welche Rolle spielt die Religion im Alltag?

Welche Rolle spielen kulturspezifische Vereine/Verbände?

Gab es Informationen, die bei Ihnen Unsicherheiten/Ängste ausgelöst haben? Wenn ja, welche und wo sehen Sie Unterstützungsbedarf durch Schule/Praxis?

Welche Fragen haben sich für Sie aufgrund Ihrer Recherche für eine kultursensible

Altenpflege ergeben?

Zur zeitlichen Planung: Da davon auszugehen ist, dass die Termine mit den Experten und Expertinnen längerfristig vereinbart werden müssen, ist dies bei der Projektplanung zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit wäre, dass die Lehrkräfte im Vorfeld Termine mit potenziellen Ansprech-partnern und Ansprechpartnerinnen vereinbaren. Sollen die Auszubildenden die Kontakte selbst herstellen, so sollten sowohl der theoretische Teil zur Vorbereitung auf das Projekt sowie der 1. Tag des Projektes (Projektmethode, The-menauswahl, Arbeitsteilung, Projektskizze) entsprechend vorgezogen werden.

4

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 147

I.LE 3.LS 10 Teilnehmerunterlage 1 Thema: Lebenswelten und soziale Netzwerke von Migranten und Migrantin-nen Projektarbeit

Was muss ich beim Interview von Personen beachten? Vorbereitung: Benötige ich einen Dolmetscher/eine Dolmetscherin? (Mitschüler/in oder

Nachbar/in mit entsprechenden Sprachkenntnissen organisieren.)

Bei der ersten Kontaktaufnahme: Stellen Sie sich vor, geben Sie Informationen zum Hintergrund des Interviews, bieten Sie Anonymisierung im Beitrag an.

Legen Sie das Ziel des Interviews vorher fest, am besten mit einem Fragenkata-

log. Dieser soll aber nur als roter Faden dienen. Bitte nicht Frage für Frage ab-haken, sondern die befragte Person frei erzählen lassen.

Informieren Sie sich über den historischen Kontext, über allgemeine Hinter-

gründe und lokale Besonderheiten. Nur so können Sie sinnvolle Fragen stellen und Ihren Interviewpartnern und Interviewpartnerinnen Verständnis entgegen bringen.

Tipp: bevor Sie Ihr Interview führen, probieren Sie dies erst einmal mit einem Bekannten aus. Bei dieser Gelegenheit können Sie auch gleich die technischen Hilfsmittel (Aufnahmege-rät) prüfen.

1

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 148

Durchführung:

Fragen, Zuhören, erzählen lassen und den Gesprächspartner/die Gesprächspartnerin dennoch beim Thema zu halten ist nicht einfach. Hierzu dient der rote Faden. Gucken Sie ab und zu mal drauf. Tipp: Wenn die befragten Personen zu sehr vom Thema ab-gekommen sind, das Gesagte kurz zusammenfassen und mit der nächsten Frage wie-der zum Thema zurückführen.

Vereinbaren sie am Ende des Gespräches die Möglichkeit eines weiteren Treffens,

damit Sie eventuell noch einmal nachfragen können, falls Sie beim Abhören Ihres In-terviews feststellen, dass Sie einige Aussagen nicht einordnen können oder diese wi-dersprüchlich erscheinen.

In Gesprächen kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Vergewissern Sie sich

während des Interviews ab und zu, ob Sie den Sachverhalt richtig verstanden haben. Nachbereitung:

Verschriftlichen Sie die wichtigsten Gesprächsausschnitte und markieren Sie wider-sprüchliche Aussagen, so dass Sie diese ggf. in einem zweiten Interview ansprechen können.

Überprüfen sie Sachaussagen anhand von Literatur und schriftlichen Quellen.

Vergleichen Sie Einschätzungen und Bewertungen der Interviewten mit weiteren Re-

cherchegebnissen, denn die Einschätzungen von Menschen sind sehr unterschiedlich, je nachdem aus welcher Perspektive sie etwas betrachten.

Es ist wichtig, verschiedene Perspektiven der Quellen hinzuzunehmen, um das einzel-

ne Interview einordnen und bewerten zu können.

2

Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 149

I.LE 3.LS 10 Arbeitsblatt 1 Thema: Lebenswelten und soziale Netzwerke von Migranten und Migrantin-nen – Projektarbeit Zeit: projektbegleitend

Arbeitsauftrag – Reflexion des Arbeitsprozesses Zur Reflexion Ihres Arbeitsprozesses beantworten Sie bitte folgende Fragen:

Wieso haben wir uns für dieses Thema entschieden?

Welche Ziele haben wir uns gesetzt?

Wie sind wir vorgegangen?

Mit welchen Methoden haben wir gearbeitet?

Welche Ergebnisse haben wir erzielt?

Was haben wir gelernt?

Was sollte beim nächsten Projekt verbessert werden (hinsichtlich schu-lischer Vorbereitung)?

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 150

I.LE 3.LS 10 Medien 1 Thema: Glaubens- und Lebensfragen

Literatur: Migration allgemein: Amt für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt/M. (Hrsg.)(2004): Mit Koffern voller Träume, Ältere Migrantinnen und Migranten erzählen. Frankfurt/M. AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht?(2003): Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien, zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63–69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected] S. 15–26 – Texte zur Migrationsgeschichte: Arbeitsmigration, Aussiedler und Aussiedlerin-nen, Geschichte der Russlanddeutschen, die Remigration in die Bundesrepublik, die Bildung ethnischer Enklaven + dazugehörige Arbeitsblätter S. 27 – 36 – Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Lebens- und Versor-gungssituation, insbesondere unter Berücksichtigung des Rückzugs in ethnische Enklaven im Alter, werden insbesondere anhand der Wohnsituation analysiert und notwendige Maßnah-men aufgezeigt, dazugehörige Arbeitsblätter Baric-Büdel, D. (2003): Zwischen Zukunft und Tradition In: Altenpflege, Vol. 28, H. 2, S. 32–34 Bierwirth, W.; Öztürk, N. (Hrsg.) (2003): Migration hat viele Gesichter. 50 Jahre Einwan-derungsgeschichte(n). Essen Böge, W.; Bohn, J. u.a. (2002): Islam I – Arbeitshilfen für die politischen Bildung, Publika-tion der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn Bundeszentrale für politische Bildung (2002): Türkei – Informationen zur politischen Bil-dung, Heft 277, Bonn Bundeszentrale für politische Bildung (2003): Aussiedler – Informationen zur politischen Bildung, Heft 267, 2. Bonn

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 151

Bundeszentrale für politische Bildung (2005): Vorurteile-Stereotypen-Feinbilder – Infor-mationen zur politischen Bildung, Heft 271. Bonn Busche-Baumann, M. (2000): Aufbruch mit Ausrutscher. Die Migrationsgeschichte des E-hepaares Salan. In: Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, Ausländerbeauftragte, Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-Göttingen (Hrsg.): Altwerden in der Fremde – Bi-lanz und Perspektiven. 2. Diskussionsforum zur Situation der älteren Ausländergeneration am 18.11.1999 in Hildesheim, S. 75–87 Biografisches Porträt eines türkischen Ehepaares. Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen (2000): Bericht über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik DEUTSCHLAND/2 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2005): 4. Bericht über die Lage der Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, 2000, zu-letzt geändert 2005 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (2003): Ein Handbuch für Deutschland. Berlin, zu bestellen unter: Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Rochusstraße 8–10 53123 Bonn www.handbuch-deutschland.deDas Handbuch ist zweisprachig in Deutsch und 5 weiteren Sprachen erhältlich. Es ist der Versuch, Migranten und Migrantinnen einen Überblick über das private und öffentliche Le-ben in Deutschland zu geben (Geschichte, Kultur, rechtliche Rahmenbedingungen, Religion, Bräuche und Sitten sowie alltagsrelevante Aspekte, wie Einkaufen, Haushalt, Freizeit etc.) Eryilmaz, A./Jamin, M. (Hrsg.) (1998).Fremde Heimat. Eine Geschichte der Einwanderung aus der Türkei. Essen Bebildeter Band , zweisprachig, türkisch-deutsch Esen, E. (2003): Zwischen Resignation und Hoffnung In: Altenpflege, Vol. 28, H. 2, S. 36–38 Ferner, M. (2001): Kulturschock Türkei. Andere Länder, andere Sitten. Bielefeld Gerling, V. (2002): Zugewanderte Senioren/innen in Deutschland und Großbritannien. So-ziodemographische Strukturdaten, Lebenslagen und soziale Dienste der Altenhilfe im Ver-gleich. In: Sozialer Fortschritt, Vol. 51, H. 6, S. 149–158 Hielen, M. (1995): Altenhilfe und Einwanderer. Bericht des Projektes „Ethnischer Schwer-punkte Altenhilfe“. Duisburg Erfahrungsbericht des dreijährigen Pilotprojektes Ethnischer Schwerpunkt Altenhilfe (ESA). Es geht um Hintergründe älterer Einwanderer in der Bundesrepublik Deutschland und erste Erfahrungen des Pilotprojektes. Hirsch Begegnungsstätte für Ältere, Tübingen (Hrsg.) (2004): Hiesige aus aller Welt. Gomaringer

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Modul I.LE 3 Eigene Lebenswelten und soziale Netzwerke 152

Hug, M. (2001): Deutschland, deine Inländer? Themenblätter im Unterricht, Nr. 6. Bundes-zentrale für politische Bildung. Bonn Krämer, U.; Krämer, N. (2003): ArbeitsmigrantInnen in der Bundesrepublik Deutschland. In:Wenn ich einmal alt bin ... Multi-Media DVD für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Al-tenpflege von Migrantinnen und Migranten, 16–26 Kontakt: Ulla Krämer M.A. Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum (SFZ): der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tel.: 0911/5302-648 / Fax: 0911/5302-637 E-mail: [email protected] Artikel beschreibt die geschichtliche Entwicklung der sogenannten Gastarbeiter, enthält statistische Daten und beleuchtet die sich verändernden politischen Rahmenbedingungen der MigrantInnen. Körber-Stiftung (Hrsg.) (2002): Weggehen – Ankommen. Migration in der Geschichte – Geschichtswettbewerb. Zsr. Hamburg Körber-Stiftung (Hrsg.) (2003): Weggehen – Ankommen. Migration in der Geschichte – Ergebnisse des Wettbewerbs. Zsr. Hamburg Krumme, H. (2003): „Halbe hier, halbe da“ – Pendelmigration türkischer Arbeitsmigranten im Ruhestand In: Informationsdienst Altersfragen, Vol. 30, H. 1, S. 6–8 Lajios, K. (Hrsg.) (1998): Die ausländische Familie. Ihre Situation und Zukunft in Deutsch-land. Opladen Matthäi, I. (2005): Die „vergessenen“ Frauen aus der Zuwanderergeneration: zur Lebenssi-tuation von alleinstehenden Migrantinnen im Alter. Wiesbaden Psychosoziales Zentrum Stadtallendorf (1998): Heimat in der Fremde. Eine Tagung zum Thema Migration am 8.5.1998 Hrsg. Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstelle LOK, Teichwiesenstr. 1, 35260 Stadtallendorf. Tel.: 06428/1035. Pilz, B.; Wald, H.-J. (2000): Fremdes verstehen. Sympathie-Magazin Nr. 28. Ammer-land/Starnberger See. www.sympathiemagazin.de Ramburger, I.; Krämer, U. (2003): Deutsche Fremde – fremde Deutsche. Die AussiedlerIn-nen in der Bundesrepublik Deutschland. In: Wenn ich einmal alt bin ... Multi-Media DVD für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Altenpflege von Migrantinnen und Migranten, 27–42

Kontakt: Ulla Krämer M.A. Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum (SFZ): der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tel.: 0911/5302-648 / Fax: 0911/5302-637 E-mail: [email protected] Artikel enthält die Begriffsklärung „Aussiedler“, die Geschichte der Russlanddeut-schen und berichtet über Integrationsschwierigkeiten. Schröder, G. (2003): Zwischen Nähe und Distanz. In: Altenpflege, Vol. 28, Heft 2, S. 38–41

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Spohn, M. (2002): Türkische Männer in Deutschland. Familie und Identität. Migranten der ersten Geneation erzählen ihre Geschichte. Bielefeld Wald, H.-J.(2004): Türkei verstehen. Sympathie-Magazin Nr. 11. Ammerland/Starnberger See. www.sympathiemagazin.de Wedell, M. (2000): Die Altersstruktur der ausländischen Bevölkerung. In: Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, Ausländerbeauftragte, Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-Göttingen (Hrsg.): Altwerden in der Fremde – Bilanz und Perspektiven. 2. Dis-kussionsforum zur Situation der älteren Ausländergeneration am 18.11.1999 in Hildesheim Statistische Daten. Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen: Aussiedler. Informationen zur politischen Bildung 276, 2. Quartal 2000. Bestellungen nur schriftlich an: Frazis`print & media, Postfach 150740 München per Postkar-te. Fax: 089/5117-292 (Berufsangabe erforderlich) Baur, R.S.; Chlosta, Ch.; Krekeler, Ch.; Wenderott, C. (1999): Die unbekannten Deut-schen. Ein Lese- und Arbeitsbuch zu Geschichte, Sprache und Integration russlanddeutscher Aussiedler. Hohengehren Böttger, C.; Biereigel, I.; Dittrich, G.; Förster, W.; Hilzheimer, A.(2003): Lexikon zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Teil I: Zur Geschichte und Kultur. Berlin Born, E.L. et al. (2004): Texte zur Aussiedlerarbeit, Band 1: Allgemeines, Jugend und Ge-setze/Verfahrensfragen. Herausgegeben von der Aussiedlerseelsorge in der EKD, Hannover Born, E.L. et al. (2004) : Texte zur Aussiedlerarbeit, Band II: Gemeindearbeit mit Aussied-lern und Kultur. Herausgegeben von der Aussiedlerseelsorge in der EKD, Hannover Collatz, J.; Heise, T. (2002): Psychosoziale Betreuung und psychiatrische Behandlung von Spätaussiedlern, Hannover Dietz, B.; Hilkes, P. (1994): Integriert oder isoliert? München Dietz, B.; Roll, H. (1998): Jugendliche Aussiedler – Porträt einer Zuwanderergeneration. Frankfurt/Main Dietz, B. (1995): Zwischen Anpassung und Autonomie. Veröffentlichungen des Osteuropa-Institutes München, Reihe Wirtschaft und Gesellschaft, Heft 22. Berlin Ingenhorst, H. (1997): Die Russlanddeutschen. Frankfurt/Main Institut für Politikwissenschaft der Universität Stuttgart (2000): Die Migrationsmotive der Russlanddeutschen. Stuttgart Kathe, H.-J.; Morgenstern, W. (o.J.): Lindenblätter, Deutsche Auswanderungen. Die Deut-schen in Russland – der leidvolle Schicksalsweg einer ethnischen Minderheit.

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Teil I: Die Auswanderungen von Deutschen nach Russland 1763–1871 Teil 2: Die Herausbildung der Russlanddeutschen als nationale Minderheit (1871–1917) Teil 3: Der Einfluss der Sowjetherrschaft und des Deutschen Reiches auf die Russlanddeut-schen Teil 4: Zwischen Sondersiedlung, Assimilation und Rückwanderung (1945–1998) Bezug: DIE LINDE e.V. Marktgrafendamm 24, 10245 Berlin, Tel. 030/9669239, E-mail: [email protected]. Internet: www.dielinde-ev.de Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. (1998): Volk auf dem Weg, Stuttgart Masumbuku, J.R. (1995): Psychische Schwierigkeiten von Zuwanderern aus den ehemali-gen Ostblockländern. Weinheim Müller-Wille, C. (2002): Das Ankommen ... mit sprachlosem Heimweh neue Wurzeln fas-sen. Osnabrück Schnepp, W. (2002): Familiale Sorge in der Gruppe der russlanddeutschen Spätaussiedler. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle Silbereisen, R.K.; Lantermann, E.D.; Schmitt-Rodermund, E. (1999): Aussiedler in Deutschland. Opladen Strobl, R.; Kühlnel, W. (2000): Dazugehörig und ausgegrenzt. Weinheim und München Tröster, I. (2003): Wann ist man integriert? Eine empirische Analyse zum Integrationsver-ständnis Russlanddeutscher. Europäische Hochschulschriften, Reihe XXII Soziologie, Band 385. Frankfurt am Main Westphal, M. (1997): Aussiedlerinnen, Institut Frau und Gesellschaft, Band 26. Bielefeld Weitere Kurztexte zur Aussiedlerarbeit: Faltblätter zum Thema z.B. Die Deutschen aus Russland. Ein kurzer Rückblick in die Geschichte Spätaussiedler. Zur religiösen Prägung von Russlanddeutschen Spätaussiedler: Gesetzliche Grundlagen Kann man auf sie neidisch sein? (auch per E-Mail-Anhang) Bezug: Diakonisches Werk in Kurhessen-Waleck e.V., Aussiedlerreferat, Kölnische Straße 136, 34119 Kassel, Tel. 0561/1095-116 und -117 Internetadressen: www.aussiedlerbeauftragter.de: Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen www.aussiedlerseelsorge.de www.deutscheausrussland.de: Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Hier kann die Zeitschrift „Volk auf dem Weg“ heruntergeladen werden www.djr-hochtaunus.de: Deutsche Jugendliche aus Russland www.hfdr.de : Historischer Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V.

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www.jugendliche-aussiedler.de: von Jugendlichen gestaltete Seite mit interessanten Links www.kasach.de: Informationen über Kasachstan www.russlanddeutschegeschichte.de: Bildungsverein für Volkskunde in Deutschland Die LINDE e.V. www.russlandeutsche.de: Museumsverein für russlanddeutsche Kultur und Volkskunde Ehe, Familie, soziale Netzwerke: Grotheer, A.; Potts, L. (2000): Die Zweite Generation und die Zukunft der „jungen Alten“ – Generationenbeziehungen in Migrationsfamilien aus der Türkei. In: Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, Ausländerbeauftragte, Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-Göttingen (Hrsg.): Altwerden in der Fremde – Bilanz und Perspektiven. 2. Diskussionsforum zur Situation der älteren Ausländergeneration am 18.11.1999 in Hildesheim Schnepp, W. (2002): Familiale Sorge in der Gruppe der russlanddeutschen Spätaussiedler. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle Die Ergebnisse dieser Studie zeigen auf, dass Angehörigenpflege als Teil familiarer Sorge als zentrale Aufgabe der Familie verstanden wird. Das Buch enthält weiterhin einen kurzen Ab-riss über die Geschichte der Russlanddeutschen. Darüber hinaus werden kulturelle Werte, familiäre Beziehungen, Familienstrukturen, Kümmern als Frauenarbeit und Veränderungen dieser Strukturen im Migrationsprozess dargestellt. Schnepp, W.; Duijnstee, M.; Grypdonck, M. (2003): Was es bedeutet, in russlanddeutschen Familien für pflegebedürftige Menschen zu sorgen. In: Zielke-Nadkarni, A., Schnepp, W. (Hrsg.): Pflege im kulturellen Kontext. Positionen, Forschungsergebnisse, Praxiserfahrungen, Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 73–100 In dem Artikel werden Ergebnisse einer empirischen Untersuchung zur Angehörigenpflege bei russlanddeutschen Familien skizziert. Insbesondere wird die familiale Sorge als Kernbe-stand der russlanddeutschen Familien detailliert beschrieben.

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Tan, D. (2000): Generationenvertrag und soziale Netzwerke älterer Migranten – ein Prob-lemaufriss. In: Nds. Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, Ausländerbeauftragte, Fachhochschule Hildesheim-Holzminden-Göttingen (Hrsg.): Altwerden in der Fremde – Bi-lanz und Perspektiven. 2. Diskussionsforum zur Situation der älteren Ausländergeneration am 18.11.1999 in Hildesheim, S. 43–56 Der Autor beschreibt familiale und außerfamiliale Netzwerke unter Einbeziehung von ver-schiedenen Studien und formuliert daraus Forderungen für Netzwerkarbeit. Tuna, S. (2001): Die Bedeutung von Familienzentriertheit und Individuumzentriertheit im Migrationskontext. In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göt-tingen; Toronto; Seattle, S. 213–226 (Familienkonzepte, Ehrbegriff, Respekt und Liebe, Kindererziehung, Kommunikationsstruk-turen im Islam) Weiss, K.; Tränhard, D. (Hrsg.) (2005): Selbsthilfe – Wie Migranten Netzwerke knüpfen und soziales Kapital schaffen. Freiburg Religion und soziale Praktiken: Antes, P.; Körber, S. (1990): Lesehefte Ethik, Buddhismus. Stuttgart AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht? Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien, zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63 – 69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected]. 40–51 – Vereinfachte Darstellung der Religionen von Arbeitsmigranten/-migrantinnen und Aussiedler/Aussiedlerinnen, dazugehörige Arbeitsblätter S. 52–56 – Kulturelle Werte und Normen am Beispiel der Ehre, Begrüßungsrituale und Höf-lichkeitsformen, dazugehörige Arbeitsblätter Baumann, M. (2000): Migration, Religion, Integration. Vietnamesische Buddhisten und ta-milische Hindus in Deutschland. Marburg Die Studie untersucht die Wechselwirkung von Migration, Religion und gesellschaftlicher Integration dieser Personengruppe Baumgartner, Biçer, J. (2001): Religiöse Hintergründe und soziale Praktiken. In: Domenig, D. (Hrsg.): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 213–226 Überblick über Religionen; Rituale, Gebete, Religiöse Feiertage, Essgewohnheiten in ver-schiedenen Religionen

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Becker, S.A.; Wunderer, E.; Schultz-Gambard, J. (1998): Muslimische Patienten. Ein Leitfaden zur interkulturellen Verständigung im Krankenhaus und Praxis. München; Bern; Wien; New York Neben einer Einführung in Kultur und Migration werden in diesem Buch Besonderheiten zu den Themen Religion, Essen, Medizinsystem, Gesundheit und Krankheit, Medizinische Maß-nahmen, Geburt, Intimsphäre, Angehörige sowie Tod und Sterben bei muslimischen Patien-tInnen beschrieben. Ein Abschnitt zu Kommunikation beleuchtet wichtige Aspekte, was in Gesprächen mit muslimischen PatientInnen beachtet werden sollte. Birnstein, U. (1998):: Christentum verstehen. Sympathie-Magazin Nr. 37. Ammer-land/Starnberger See. www.sympathiemagazin.de Büttner, F.; Rogalski, J.; Weiß S. (2003): Islam verstehen. Sympathie-Magazin Nr. 26. Ammerland/Starnberger See. www.sympathiemagazin.de Bruns, G.S. (2002): Judentum verstehen. Sympathie-Magazin Nr. 38. Ammer-land/Starnberger See. www.sympathiemagazin.de Caldenhoven, M. (2002): Sterbe- und Trauerrituale als interkultureller Bestandteil der Kran-ken- und Altenpflegeausbildung, Bachelor-Arbeit im FB Erziehungswissenschaften Fachbe-reich Kultur- und Sozialwissenschaften, FernUniversität Gesamthochschule Hagen, Matrikel-nummer: 5056918, S. 5–8 www.fernuni-hagen.de/ERZBIL/INTE/magister.htmKurzbeschreibung von Ritualen im Christentum, Islam und Judentum Cordoba-Verlag (Hrsg.) (2002): 25 Fragen zur Frau im Islam. Karlsruhe Deninger-Poler, G. (1994–1996): Ethik und Weltreligionen. Reader zum Studienbereich Religionswissenschaften, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main Flühler, M. (2002): Fremde Religionen in der Pflege, 2. Aufl. Basel Hamidullah, M. (2001): Der Islam. Geschichte, Religion, Kultur. München Hessisches Kultusministerium (Hrsg.) (1993): Bergpredigt. Islam. Begleitmaterialien zur Sendereihe des Hessischen Rundfunks, zu bestellen bei: Hessisches Kultursministerium, Referat IV A1 Luisenplatz 10 65185 Wiesbaden Hessisches Kultusministerium (Hrsg.) (1988): Die 10 Gebote, zu bestellen bei: Hessisches Kultursministerium, Referat IV A1 Luisenplatz 10 65 185 Wiesbaden Hörig, R. (2003): Hinduismus verstehen. Sympathie-Magazin Nr. 54. Ammer-land/Starnberger See. www.sympathiemagazin.de Ilkilic, I. (2005): Begegnung und Umgang mit muslimischen Patienten. Eine Handreichung für Gesundheitsberufe. 4. überarbeitete Auflage, Bochum, zu bestellen bei: Zentrum für Medizinische Ethik Institut für Philosophie GA 3/53

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Ruhr Universität Bochum E-Mail: [email protected].: 0234-32 22750/Fax: 0234-32 14598 Klonovski, M.; Scherer, M. (2004): Wie hältst Du’s mit der Religion? In: Fokus, Das mo-derne Nachrichtenmagazin Nr. 16, 10.04.2004, S. 129–137 Der Artikel zeigt auf, dass trotz zunehmender Kirchenaustritte die Sehnsucht nach Transzen-denz bestehen bleibt und die Deutschen zunehmend zwischen vielen Göttern, Gurus und Sinntechniken wählen. Körber, S. (1991): Lesehefte Ethik. Hinduismus. Stuttgart Schilder, M. (1998): Türkische Patienten pflegen. Erfahrungen Pflegender mit Pflegebedürf-tigen und ihren Familien im ambulanten Bereich. Stuttgart Dieses Buch vermittelt Einsichten in die Pflege türkischer Patienten aus der Sicht professio-nell Pflegender. Pflegepraktiker erhalten hiermit wertvolle Hinweise und Anregungen für ihr Handeln. Scherer, M. (2004): Das Ergebnis ist Patchwork in: Fokus, Das moderne Nachrichtenmaga-zin Nr. 16, 10.04.2004, S. 138–140 Interview mit dem Religionspädagogen Ziebertz über die Pluralisierung des Glaubens in Deutschland Stern. Das deutsche Magazin (2004): Serie: Abenteuer Glauben. Die sechs Weltreligionen. Buddhismus, Judentum, Hinduismus, Islam, Taoismus und Christentum – alles über die wich-tigsten Religionen der Welt, Heft 47–52, Hamburg, Gruner + Jahr www.stern-verlag.de/politik/panorama (als PDF-Datei zu erwerben) Tüting, L. (2000): Buddhismus verstehen. SympathieMagazin Nr. 47. Ammer-land/Starnberger See: www.sympathiemagazin.de Altern: AWO Westl. Westfalen: Pflege ist Pflege – oder vielleicht doch nicht? Eine CD mit Lehr- und Lernmaterialien, zu bestellen bei: AWO Bezirk Westl. Westfalen e.V. Abt. III, Reinhard Streibel Kronenstraße 63–69 44139 Dortmund Tel.: 0231/5483-2-55 Mail: [email protected]. 73–83 – Zur Lebenssituation älterer MigrantInnen, Rückkehrorientierung, Gründe des Verbleibs trotz Rückkehrorientierung, das Nichtkennen des Alterns, tradierte Normen- und Wertvorstellungen, der Anspruch auf Versorgung der Älteren durch die Familie, gesundheitli-che und finanzielle Situation + dazugehörige Arbeitsblätter

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AWO-Region Hannover (Hrsg.) (2004): Runder Tisch Alter und Migration: Seniorenkom-pass – Wegweiser für ältere Migrantinen und Migranten in Hannover Der Seniorenkompass ist in sechs Sprachen (deutsch, spanisch, türkisch, bosnisch-koratisch, serbisch, persisch und russisch) erschienen. Die Themen „Pendeln und Rückkehr“, Sicherung der Rentenansprüche, Wohnen und Pflege im Alter, gesetzliche Rahmenbedingungen, All-tagshilfe, Betreuungsrecht werden behandelt. Der Wegweiser kann kostenlos gegen frankier-ten Rückumschlag von 1,44 € bei der AWO-Region Hannover e.V., Deisterstraße 85 A, 30449 Hannover angefordert werden. Bartels, A.; J., H. (Hrsg.) (2003): Alt werden in Europa. Entwicklungen in der Altenhilfe. Frankfurt a.M Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (1998): Älter werden in der Fremde. Wohn- und Lebenssituation älterer ausländischer Hamburgerinnen und Hamburger. Sozial-empirische Studie. Hamburg, zu bestellen bei. Erich-Marcel Kauth-Kokshoorn, Fax:: 040-2988 3200 Tel.: 040/2988 3076 In dieser Studie wurden die Wohn- und Lebenssituation älterer ausländischer Hamburgerin-nen und Hamburger untersucht, deren Gesundheit, Hilfs- und Pflegebedürftigkeit, das System der hamburgischen Altenhilfe und wie dieses von den MigrantInnen angenommen wird. Beyer, M. (2003): Altersbilder und das Verständnis von Gesundheit im Alter aus der Sicht älterer russlanddeutscher Spätaussiedler. In: Zielke-Nadkarni, A.;Schnepp, W. (Hrsg.) : Pfle-ge im kulturellen Kontext. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 61–72 Ellerbrock, B. (2003): Die Lebenssituation älterer türkischer Frauen in Deutschland In: Pro Alter, 2003, H. 4, S. 11–13 Kaewnetara, E.; Uske, H. (Hrsg.) (2001): Migration und Alter. Auf dem Weg zu einer Al-tenarbeit. Konzepte – Methoden – Erfahrungen. Duisburg Küster, F. (2001): In the Ghetto. Zur Integration alter Migranten ist eine enge Zusammenar-beit zwischen Altenhilfe und Migrantenarbeit notwendig In: Heim und Pflege, Vol. 32, H. 11, S. 382–384 Leser, M. (2001): Lebensbedingungen älterer Migrantinnen: Herausforderungen für die Al-tenhilfe In: Nova, Vol. 32, H. 2, S. 11–13 Proß-Klapproth, B. (1998): Kontinuität und Desintegration im Lebenszyklus. Transkulturel-le Aspekte des Umgangs mit dem Alter. Diskussionspapiere aus dem DZA Nr. 26. Weiden-Regensburg Reyck-Hoppstock, S. (1994): Das Ende der Wanderung. Alte Migranten. Konzepte – Per-spektiven. AWO Braunschweig Seeberger, B. (1998): Altern in der Migration – Gastarbeiterleben ohne Rückkehr, KDA, Köln, S. 10–32 und S. 45–80 In der Broschüre wird die Situation älterer türkischer Migranten und Migrantinnen in der Bundesrepublik Deutschland analysiert. Die Broschüre enthält Begriffsdefinitionen, soziode-mografische Daten sowie Ergebnisse einer Studie zu Themen wie Lebenszufriedenheit, Heimweh, Zeit-Erleben, Rückkehrgedanken, Gesundheit/Wohlergehen und Frauen.

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Seeberger, B. (2001): Grenzen der Altenhilfe? Anmerkungen zum Altern von Türkinnen in Deutschland. In: Zeitschrift für Sozialrefom, Vol. 47, H. 5, S. 550–562 Seeberger, B.; Braun, A. (Hrsg.) (2003): Wie die anderen altern. Zur Lebenssituation von Menschen am Rande der Gesellschaft. Frankfurt a.M. Sen, F.; Tufan, I. (2001): Die soziale Lage der älteren türkischen Migranten und Migrantin-nen. Aachen Zeman, P. (2004): Ältere Migrantinnen und Migranten in Berlin. Regensburg Sterben und Tod: Caldenhoven, M. (2002): Sterbe- und Trauerrituale als interkultureller Bestandteil der Kran-ken- und Altenpflegeausbildung, Bachelor-Arbeit im FB Erziehungswissenschaften Fachbe-reich Kultur- und Sozialwissenschaften, FernUniversität Gesamthochschule Hagen, Matrikel-nummer: 5056918 www.fernuni-hagen.de/ERZBIL/INTE/magister.htm Domenig, D. (Hrsg.) (2001): Professionelle transkulturelle Pflege. Bern; Göttingen; Toronto; Seattle, S. 267- 286 (Geschlechterverhältnis, soziale Realitäten, Gebete, Rituale, Religiöse Feiertage, Essgewohn-heiten, Sterben und Tod) Kegreiß, M. (2001): Religiöse Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden. Pflege von Schwerstkranken und Sterbenden In: Pflegezeitschrift, Vol. 54, H. 4, S. 240–244 Kerkow-Weil, R. (2004): Rituale Pflege. Bedeutung kultureller Bedürfnisse im Sterbepro-zess In: Nightingale. Beiträge aus der Pflegeforschung für die Pflegepraxis, 3. Jg. Nr. 4, 12/2004, S. 9-16 Reuter, B. (2003): Sterben, Tod und Trauern in den Religionen und Weltanschauungen in:Wenn ich einmal alt bin ... Multi-Media DVD für Aus-, Fort- und Weiterbildung der Al-tenpflege von Migrantinnen und Migranten, 2003, S. 127–134 Kontakt: Ulla Krämer M.A. Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum (SFZ): der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tel.: 0911/5302-648 / Fax: 0911/5302-637 E-mail: [email protected] Artikel beschreibt Sterberituale aus verschiedenen Kulturen. Tan, D. (1998): Das fremde Sterben. Sterben, Tod und Trauer unter Migrationsbedingungen. Frankfurt a.M.

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