D Heckt Lernbeziehungen

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Lernbeziehungen (Folie 1) L E R N B E Z I E H U N G E N Lernbeziehungen: Warum kooperatives Lernen für alle(s) gut ist Drei Vorbemerkungen aus neurowissenschaftlicher Sicht: 1. „Ein Kind ist kein Aktenordner“ stellt Joachim Bauer in seiner Kritik am deutschen Bildungsdenken und Bildungssystem fest: Die Schule scheitert an der Unfähigkeit der Beteiligten, die wichtigste Voraussetzung für gelingende Bildung zu schaffen: konstruktive, das Lernen befördernde Beziehungen.“ (Bauer 2007, S. 11f) 2. Der Mensch – und insbesondere das Kind – ist ein „Beziehungstier“, denn „alles was Menschen in Beziehungen erleben, wird vom Gehirn in biologische Signale verwandelt“ (Bauer 2007, S. 14) 3. „Studien konnten zeigen, dass soziale Ausgrenzung oder Isolation Gene im Bereich des Motivationssystems inaktiviert.“ (Bauer 2007, S. 20) Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 1)

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N Lernbeziehungen:

Warum kooperatives Lernen für alle(s) gut ist

Drei Vorbemerkungen aus neurowissenschaftlicher Sicht:

1. „Ein Kind ist kein Aktenordner“ stellt Joachim Bauer in seiner

Kritik am deutschen Bildungsdenken und Bildungssystem

fest: Die Schule scheitert an der Unfähigkeit der Beteiligten,

die wichtigste Voraussetzung für gelingende Bildung zu

schaffen: konstruktive, das Lernen befördernde

Beziehungen.“

(Bauer 2007, S. 11f)

2. Der Mensch – und insbesondere das Kind – ist ein

„Beziehungstier“, denn „alles was Menschen in Beziehungen

erleben, wird vom Gehirn in biologische Signale verwandelt“

(Bauer 2007, S. 14)

3. „Studien konnten zeigen, dass soziale Ausgrenzung oder

Isolation Gene im Bereich des Motivationssystems

inaktiviert.“ (Bauer 2007, S. 20)

Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 2)

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N Lernbeziehungen:

Warum kooperatives Lernen für alle(s) gut ist

Drei Fragen aus bildungswissenschaftlicher Sicht:

1. Wann und wo denken Lehrerinnen und Lehrer an deutschen

Schulen über Lernbeziehungen nach?

2. Was für Lernbeziehungen erleben Kinder im herkömmlichen

Unterricht?

3. Welche Bedeutung hat gelingende Gemeinschaft für die

soziale, emotionale und kognitive Entwicklung von Kindern?

Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 3)

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N Lernbeziehungen:

Warum kooperatives Lernen für alle(s) gut ist

Drei Folgerungen aus erziehungswissenschaftlicher Sicht:

1. Wir haben in Deutschland zwar durchaus gute Schulen,

aber kein Schulsystem, das allen Kindern gut tut.

2. Es ist eine Bildungsschande, dass der erreichbare

Schulabschluss (oder das Verlassen der Schule ohne

Abschluss) von Schülern nach wie vor an den Sozialstatus

von Eltern gebunden ist, dass Deutschland insgesamt nicht

über eine Inklusionsquote von 5% hinausgekommen ist

und dass etwa 25% der Schülerinnen und Schüler laut

WHO 2008 regelmäßig stressbedingte psychosomatische

Beschwerden haben.

3. Instrumente zur Systemsteuerung (Curricula, Standards,

Vergleichsarbeiten, Evaluationen usw.) und historisch

bedingte Strukturen (Fünfgliedrigkeit, Primat des

Gymnasiums, Homogenitätsmythos) müssen einer

kritischen, alltagspraktischen und wissenschaftlichen

Revision unterzogen werden. Wo Ideologien zur Leitlinie

der Bildungspolitik werden entsteht kein humanes

Bildungssystem.

Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 4)

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N Lernbeziehungen:

Warum kooperatives Lernen für alle(s) gut ist

Ein vorläufiges Fazit:

In einem demokratischen Gemeinwesen mit allgemeiner

Schulpflicht (!) und der ökonomisch begründeten Vision

lebenslangen Lernens ist das Gestalten von gelingenden

Lernbeziehungen für alle (!) Schülerinnen und Schüler die

Aufgabe von Schule schlechthin. Alle anderen Aufgaben

(wie Wissensvermittlung, Standarderreichung usw.) sind

dem nachgeordnet.

Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 5)

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N Warum wir an unseren Schulen

eine andere Beziehungskultur brauchen …

• Das Schulklima schätzen 18% der (im Rahmen der WHO-

Studie) befragten Berliner Schüler als schlecht und 47%

als mittelmäßig ein; nur 35 % sind zufrieden …

(Anders in www.welt.de vom 17.9.2008)

• Laut statistischen Bundesamt gehen die Früh-

pensionierungen bei Lehrern zwar zurück, sind aber nach

Auffassung des Bundesverbandes Deutscher Psychologen

nach wie vor mit 24% alarmierend hoch. Bei 50% der

frühzeitig ausscheidenden Lehrerinnen und Lehrer sind

psychische Probleme (Burn out) der Grund.

(Heyse im aerzteblatt.de vom 22.4.2008)

• Die Gesundheit von Lehrerinnen und Lehrern wird am

meisten beeinflusst durch Beziehungsprobleme mit Schülern,

Probleme bei der Kooperation mit Eltern und fehlende

kollegiale Untersützung. (Unterbrink u.a. 2008)

• Diverse Lehrerstudien kommen unabhängig voneinander zu

dem Ergebnis, dass der Lehrer/innen/beruf unter dem Aspekt

der psychischen Belastung zu den kritischten Berufen gehört.

(Schaarschmidt 2004).

Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 6)

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N … und warum das Konzept des kooperativen

Lernens hilft sie zu etablieren

Beim kooperativen Lernen werden von Anfang an Gruppenbildungs-prozesse und Arbeitsstrukturen fokussiert, die das Ausagieren gegenseitiger Abneigungen in und bei der Gruppenarbeit verhindern bzw. verringern. Dafür wird das „Wie“ des mit einander Sprechens, Arbeitens, Lernens, Umgehens strukturiert und für die jeweils beteiligten Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen verständlich beschrieben, konsequent eingefordert und bestärkt. Angestrebt werden (in vielerlei Hinsicht) heterogene Lerngruppen von drei bis fünf Kindern, die in positiver gegenseitiger Abhängigkeit und Verantwortlichkeit zunehmend selbstständig innerhalb des vom Lehrer, der Lehrerin vorgegebenen Rahmens arbeiten. Soziale und kognitive Kompetenzen werden gleichrangig gelernt und gelehrt sowie von den Lehrpersonen durch begleitendes Gruppen-feedback bekräftigt. Eines der unter bemerkenswerten Ergebnisse (überwiegend) anglo- amerikanischer Untersuchungen zum „Cooperative Learning“ ist, dass „das bloße Zusammenbringen von Schüler-innen und Schülern zu Gruppen weder kognitiv noch sozial notwendig zu positiveren Ergebnissen führt als konkurrenzorientierte Lernprozesse“ (Bohnsack 1996, S. 65f).

Dietlinde Hedwig Heckt

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Lernbeziehungen (Folie 7)

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N … und warum das Konzept des kooperativen

Lernens hilft sie zu etablieren

Dietlinde Hedwig Heckt

Die Anfänge der anglo-amerikanischen Tradition des Cooperative Learning führen zurück zur Gestalt- und Gruppentherapie, (zu Koffka 1935), (Lewin 1935) und zu der Annahme, dass die gegen-seitige Abhängigkeit der Gruppenmitglieder von einander – bezogen auf deren Ziele – entscheidend für die Gruppendynamik sei. Im Laufe der fortschreitenden Theoriebildung entstand so die Theorie der gegenseitigen sozialen Abhängigkeit (d. h. jedes Mitglied wird beim Erreichen seiner Ziele vom Verhalten der anderen beeinflusst), unterschieden in positive Abhängigkeit (Kooperation) und negative Abhängigkeit (Konkurrenz). Positive Abhängigkeit führt zu günstigen Interaktionsmustern und Verhaltensweisen – die Gruppenmitglieder unterstützen und ermutigen sich gegenseitig und erreichen gemeinsam ihre Gruppen-ziele. Negative Abhängigkeit bedeutet, dass Individuen ihre Ziele vor allem dadurch erreichen, dass die anderen sie nicht erreichen, sie be- oder verhindert gemeinsames Denken und Handeln. (Deutsch 1949, Johnson 2003). Cooperative Learning bzw. kooperatives Lernen im von mir vertretenen Sinn beruht strukturell auf positiver Abhängigkeit. Damit werden die Lernbeziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern sowie zu ihren Lehrerinnen und Lehrern zum zentralen Thema des Unterrichts.