DAS GEHEIME COSILIUM VON SACHSEN- WEIMAR … GEHEIME COSILIUM VON SACHSEN- WEIMAR-EISENACH....

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DAS GEHEIME CONSILIUM VON SACHSEN-WEIMAR-EISENACH IN GOETHES ERSTEM WEIMARER JAHRZEHNT 1776–1786 REGESTAUSGABE . ERSTER HALBBAND 1776–1780 VOLKER WAHL (HG.)

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DAS GEHEIME CONSILIUM

VON SACHSEN-WEIMAR-EISENACH

IN GOETHES ERSTEM WEIMARER

JAHRZEHNT 1776–1786

REGESTAUSGABE . ERSTER HALBBAND 1776–1780

VOLKER WAHL (HG.)

In dieser Edition werden annähernd 20 500 Geschäftsvorfälle aus Politik und

Verwaltung, die zwischen 1776 und 1786 in 761 Sessionen des Geheimen

Consiliums von Sachsen-Weimar-Eisenach verhandelt wurden, in Regestform

dokumentiert. Als Mitglied dieses Geheimen Rats kollegiums, des Beratungs-

organs von Herzog Carl August für dessen Staatsleitung, hat Johann Wolfgang Goethe an etwa zwei

Dritteln der in diesem Zeitraum abgehaltenen Sitzungen referierend, resolvierend und signierend

teilgenommen. Nachdem in den bisher edierten Amt lichen Schriften aus dem Geheimen Consilium

lediglich 204 Vorgänge aufbereitet wurden, kann nunmehr das wahre Ausmaß seiner Amtstätigkeit

für die Landesadministration im ersten Weimarer Jahrzehnt – alles was durch seinen Kopf hindurch-

gegangen und wozu er Mitverantwortung übernahm – betrachtet und nachvollzogen werden. Diese

Regestausgabe dient aber nicht nur der Goetheforschung, sondern ist zugleich ein umfassendes

Kompendium von Quellen für landes- und lokalgeschichtliche Forschungen über das Territorium

zwischen Werra und Ilm in den Anfangsjahren der Weimarer Klassik.

Volker Wahl war von 1990 bis 2008 Direktor des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar.

I SBN 3- 412- 22334- 4

ISBN 978-3-412-22334-2 | WWW.BOEHLAU-VERLAG.COM

1

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HeiligenstadtSondershausen

Frankenhausen

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Tennstedt

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Weimar

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Neustadt an der Orla

Saalfeld

Rudolstadt

Remda

Arnstadt

Unstrut

Unstrut

Saale

Saale

Werra

Werra

Ilm

0 10 20 30 40 km

Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach 1764–1807

Fürstentum Weimar

Jenaische Landesportion

Hennebergische Landesportion

Senioratsamt Oldisleben

Fürstentum Eisenach

Eßleben (zu Amt Hardisleben, unter kursächsischer Landeshoheit)

Orte anteilig beim Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach

Residenzstadt bzw. Regierungssitz

Amtssitz

Kreisstadt des Thüringer bzw. Neustädter Kreises (Kurfürstentum Sachsen)

sonstige Orte

Karte: Frank Boblenz, 2007

VERÖFFENTLICHUNGEN AUS THÜRINGISCHEN STAATSARCHIVEN

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VERÖFFENTLICHUNGDES THÜRINGISCHEN HAUPTSTAATSARCHIVS WEIMAR

Das Geheime Consilium von Sachsen-Weimar-Eisenach

in Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt 1776–1786

Regestausgabe

Erster Halbband 1776–1780

Herausgegeben von Volker Wahl

Bearbeitet von Uwe Jens Wandel und Volker Wahl

2014

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Erster Halbband: Vorderansicht des Roten Schlosses, Ausschnitt aus einer Zeichnung

von 1929. (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Thüringisches Finanzministerium, Bauzeichnungen Nr. 3611)

Zweiter Halbband: Ordre des Herzogs Carl August an Oberst von Lasberg vom 24. November 1783, Konzept mit den Signaturen des Herzogs und der Geheimen Räte

von Fritsch, Schnauß und Goethe (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, B 2754)

Karten im Vor- und Nachsatz:Vorsatz: Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach 1764–1807 (Entwurf Frank Boblenz)

Nachsatz: Sachsen-Weimar; Das Fürstenthum Weimar/Das Fürstenthum Eisenach.Aus: Franz Johann Joseph von Reilly, Schauplatz der fünf Theile der Welt. Wien 1791.

(Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Historische Karten Nr. 18 und 19)

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes

ist unzulässig.

Korrektorat: Kornelia Trinkaus, MeerbuschSatz: Verlagsservice Baier, Auerstedt

Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, KölnGedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier

ISBN 978-3-412-22334-2

Verantwortliche Bearbeiter: Volker Wahl (2008–2013), Uwe Jens Wandel (2002–2008)

Bearbeiter: Helma Dahl, Rudolf Diezel, Willy Flach, Paul Goeths,

Wolfgang Huschke, Herbert Rühlmann (1947–1949)

I N HALT

Erster Halbband

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Zur Überlieferung und zur Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Kalendarium zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 . . . . . . . . . 86

Regesten zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 . . . . . . . . . . . 127

1776 Regesten 1 – 1213 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1271777 Regesten 1214 – 3351 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2021778 Regesten 3352 – 5288 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3201779 Regesten 5289 – 7087 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4351780 Regesten 7088 – 9220 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Zweiter Halbband

1781 Regesten 9221 – 11182 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6511782 Regesten 11183 – 13136 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7581783 Regesten 13137 – 15163 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8771784 Regesten 15164 – 17255 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9961785 Regesten 17256 – 19553 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11271786 Regesten 19554 – 20379 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1273

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1328

Die Hoftafeln von Herzog Carl Augustmit Mitgliedern des Geheimen Consiliums 1776–1786 . . . . . . . . . . . . . . 1328

Die Reisen von Herzog Carl August 1776 bis 1786 . . . . . . . . . . . . . . . . 1336

Goethes amtliche Tätigkeit und seine Reisen 1776 bis 1786 . . . . . . . . . . . . 1341

Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1347

Register der in den Regesten enthaltenen Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1357

EINFÜHRUNG

Über die Entstehungsgeschichte des Geheimen Consiliums, seine Stellung in der Landes-administration des Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach sowie dessen Aufgabenund Geschäftsverfahren, über die Arbeitsweise des Geheimen Ratskollegiums selbst unddie Tätigkeit der Geheimen Kanzlei wie auch deren Personalverhältnisse hat erstmals ein-gehend Willy Flach im Zusammenhang mit der von ihm begründeten Edition „GoethesAmtliche Schriften“ unterrichtet. Nach sorgfältiger Forschungstätigkeit auf der festenGrundlage des sicheren Überblicks über das gesamte vorhandene Quellenmaterial zu die-ser Materie im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar hat der bedeutende ThüringerArchivar, Landeshistoriker und Goetheforscher in der Einleitung zum Schriftenband überGoethes Tätigkeit im Geheimen Consilium 1776 – 1786 (1950) und in der gesondert veröf-fentlichten Studie „Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte“ (1952) die neuen undgrundlegenden Erkenntnisse zusammengefasst, die noch heute unser Wissen über das Re-gierungshandeln im ersten Jahrzehnt von Carl Augusts Staatsleitung und Goethes amt-licher Tätigkeit in der Landesadministration von Sachsen-Weimar-Eisenach bestimmen.Seine Feststellungen reichen indessen nur bis 1786, da dieser erste Band lediglich GoethesTätigkeit im Geheimen Consilium in dessen frühen Weimarer Jahren vor der Italienreiseerfasst hat. Die weitere Entwicklung dieser Landeszentralbehörde – wiederum unter demGesichtspunkt von dessen Zugehörigkeit zum Geheimen Consilium nach der Rückkehraus Italien 1788, wenn auch nicht mehr in der aktiven Rolle als Teilnehmer an den Sessio-nen, sondern außerhalb der Geheimen Ratsstube – ist von Helma Dahl im zweiten Banddieser Edition behandelt und aufgehellt worden (1968). Zuvor hatte Ulrich Hess in seinerüberschauenden behördengeschichtlichen Untersuchung über die oberste Regierungs-sphäre in den ernestinischen Staaten Thüringens einen Gesamtüberblick über Organisa-tion, Geschäftsgang und Personalgeschichte in Sachsen-Weimar-Eisenach in der zweitenHälfte des 18. Jahrhunderts vorgelegt (1962). Für die heutige Erkenntnis über die verwal-tungsmäßigen Gegebenheiten des damaligen weimarischen Staates, in denen die Tätigkeitdes Geheimen Consiliums eingebettet war, dient auch die vertiefte biografische Untersu-chung von Karl-Heinz Hahn über Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch (1953), den leiten-den Beamten in der Landesadministration in dieser Zeit. Auch in den Text- und Kommen-tarbänden zur Edition „Johann Wolfgang Goethe Amtliche Schriften“ von Reinhard Klugeund Irmtraut und Gerhard Schmid (1998/99 und 2011) finden sich erläuternde Ausführun-gen zum Geschäftsverfahren des Geheimen Consiliums in Goethes erstem Weimarer Jahr-zehnt und zu den weiteren Verwaltungsbehörden in Sachsen-Weimar-Eisenach. Die hierfolgende Darstellung zur Organisation und Arbeitsweise des beratenden Organs des Her-zogs Carl August für seine Regierungstätigkeit konzentriert sich als Einführung für dieRegestausgabe zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 auf die speziellen be-hördlichen Verhältnisse eines Territorialstaates im aufgeklärten Absolutismus, die auchweiterhin Gegenstand institutionengeschichtlicher Forschungen sind und bleiben werden.Die allgemeine Geschichte des Herzogtums und späteren Großherzogtums Sachsen-Weimarund Eisenach unter Carl August ist den älteren und neueren Überblicksdarstellungen vonFritz Hartung (1923), Hans Tümmler (1984) und Marcus Ventzke (2004) zu entnehmen.

Entstehung und Entwicklung des Geheimen Consiliumsin Sachsen-Weimar-Eisenach seit 1756

Das Geheime Consilium für das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach in der Resi-denzstadt Weimar, die zentrale Regierungsbehörde eines zweigeteilten Territorialstaates inThüringen, war 1775 beim Antritt der Regentschaft von Herzog Carl August (1757–1828)noch eine verhältnismäßig junge Einrichtung.1 Entstanden war sie erst nach dem Ablebendes Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar und Eisenach (1688–1748), als anstellevon dessen noch unmündigem Sohn Ernst August Constantin (1737–1758) eine obervor-mundschaftliche Regierung über die Fürstentümer Weimar und Eisenach die Geschickedes Landes mit seinen beiden eigenständigen Behördenorganisationen in den ResidenzenWeimar und Eisenach übernahm. In dieser Zeit, als die Landesverwesung zunächst füreine kurze Zeit von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1699–1772) unddann von dem geschlechtsältesten Mitglied der ernestinischen Fürstenhäuser in Thüringen,Herzog Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1697–1764), wahrgenommen wurde,war die Bindung der die Obervormundschaft ausübenden Regenten an die in ihren Län-dern schon früher entstandenen Geheimen Ratskollegien – in Gotha 1651 und in Coburg1732/35 – vorbildgebend für das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach. So bereitetedie für die Obermundschaft neu geschaffene zentrale Instanz in Gestalt eines GeheimenObervormundschaftskollegiums in Weimar, das in den Formen eines Geheimen Rates fun-gierte, den Boden für die weitere Entwicklung vor. Tatsächlich ausgebildet wurde das Ge-heime Consilium hier aber erst 1756, nachdem Herzog Ernst August Constantin volljäh-rig geworden war und die Regierung übernommen hatte.

Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass die thüringische Staatengeschichte inder zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch den Aufstieg des Herzogshauses Sachsen-Weimar und Eisenach gekennzeichnet ist, wobei diese Jahrzehnte mit der Herzogin AnnaAmalia (1739–1807) seit 1758 als Nachfolgerin ihres früh verstorbenen Gatten Ernst Au-gust Constantin – wenn auch nur als Obervormünderin ihres unmündigen Sohnes CarlAugust und als Landesregentin in einer fast siebzehn Jahre währenden vormundschaft-lichen Regierung – und mit dem 1775 zur Regierung gekommenen Herzog Carl August(1757–1828) sowie mit den in ihren Diensten stehenden bürgerlichen IntellektuellenChristoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder inengste Beziehung gebracht werden.2 Es ist die Zeit des aufgeklärten Absolutismus, jenervon den Ideen der Aufklärung beeinflussten Regierungspraxis des Absolutismus in derzweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die auch in anderen deutschen Territorialstaaten aus-geübt wurde. In Thüringen kam allerdings Weimar keinesfalls die Vorreiterrolle zu. InSachsen-Coburg-Meiningen seit 1763 unter Herzogin Charlotte Amalie (1730–1801) und

14 Geheimes Consilium 1776–1786

1 Die Darstellung der Behördenentwicklung folgt weitgehend Willy Flach, Goethes Amtliche Schriften. Band1: Die Schriften der Jahre 1776–1786. Weimar 1950, S. VII-CIV (Einleitung); ders., Goetheforschung undVerwaltungsgeschichte. Goethe im Geheimen Consilium 1776–1786. Weimar 1952 sowie Ulrich Heß, Ge-heimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens. Organisation, Geschäftsgang undPersonengeschichte der obersten Regierungssphäre im Zeitalter des Absolutismus. Weimar 1962.

2 Vgl. Ulrich Heß, Geheimer Rat (wie Anm. 1), S. 168.

in Sachsen-Gotha-Altenburg seit 1772 unter Herzog Ernst II. (1745–1804) war das Strebennach Überwindung der alten Verhältnisse früher, konsequenter und dauerhafter ausge-prägt. Und doch ging „unverkennbar von Weimar die Stoßkraft aus, die in eine neue Zeitführte“, wie Ulrich Heß in seiner grundlegenden Studie über die oberste Regierungssphä-re in den ernestinischen Staaten Thüringens in der frühen Neuzeit betont hat. „Der thürin-gische Führungsanspruch Weimars im 19. Jahrhundert hatte seine geistigen und materiel-len Grundlagen bereits in diesen Jahrzehnten.“3

Die vielgliedrige Behördenorganisation in beiden Landesteilen des Herzogtums Sach-sen-Weimar und Eisenach wurde an der Spitze in der Personalunion des Regenten für dieRegierungshoheit zusammengeführt, dem seit 1756/59 das Geheime Consilium als ein aus-geprägtes Beratungsorgan des Herzogs diente. Diese zentrale Instanz stand über den inWeimar und Eisenach eigenständig domizilierenden Landesverwaltungen mit den üblichendrei großen nach dem Kollegialitätsprinzip arbeitenden Fachkollegien, zu der die für dieVerwaltung und das Justizwesen zuständige Regierung, die für Finanz- und Wirtschafts-fragen zuständige Kammer und das für geistliche und Schulangelegenheiten zuständigeKonsistorium als Oberbehörden gehörten. Noch das ganze 18. Jahrhundert hindurch galtfür deren Tätigkeit die Kanzleiordnung vom 26. Februar 1642.4 Die Einrichtung eines denFachkollegien übergeordneten und zum Landesherrn in besonders enger Beziehung ste-henden Geheimen Ratskollegiums war indessen jüngeren Datums.

Bereits vor der Volljährigkeitserklärung und der Regierungsübernahme durch HerzogErnst August Constantin am 29. Dezember 1755 hatte festgestanden, dass dieser nach Go-thaer Vorbild ein Geheimes Consilium einrichten würde. Das beruhte auch auf seiner imGeiste des aufgeklärten Absolutismus geführten Erziehung durch den Grafen Heinrichvon Bünau (1697–1762), der seit 1750 Staathalter im Fürstentum Eisenach und dort Präsi-dent aller Landeskollegien gewesen war. Diesen umfassend gebildeten und in Verwaltungs-fragen erfahrenen Beamten berief der nunmehrige Landesherr an diesem Tag zu seinem„Premier-Ministre und Statthalter der beiden Fürstentümer Weimar und Eisenach“5 undübertrug ihm zugleich das Direktorium des Geheimen Consiliums, dessen erste Session am31. Januar 1756 in Weimar stattfand.6 Dieses Datum gilt als Beginn der neuen oberstenLandesbehörde, deren Gründungsvorgang aber erst nach der Ausfertigung der Ernen-nungsdekrete für die anderen Geheimen Räte und deren Vereidigung am 14. Mai 1756 so-wie für den Geheimen Referendar und das Kanzleipersonal (Sekretäre, Akzessisten, Re-gistratoren, Kanzlisten und Botenmeister) mit deren Vereidigung am 17. Mai 1756abgeschlossen war.7 Schon in dieser neuen Zentralinstanz waren drei Beamte vertreten, dieauch später ab 1775 unter Herzog Carl August im Geheimen Consilium und in der Gehei-men Kanzlei einen bevorzugten Platz einnahmen. Der bisher als Mitglied in der Regierung

15Einführung

3 Ebd., S. 169.4 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 31.5 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 667 h1. Vgl. Ulrich Heß, Geheimer

Rat (wie Anm. 1), S. 179.6 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 34; Ulrich Heß, Geheimer Rat

(wie Anm. 1), S. 179.7 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 34.

zu Eisenach unter Bünau tätig gewesene Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch (1731–1814)übernahm die Stelle des Geheimen Referendars, die ihn in eine Mittlerstellung zwischendem Geheimen Consilium und der Geheimen Kanzlei brachte. An die Spitze der Gehei-men Kanzlei, der Schreibstube des Geheimen Ratskollegiums, wurde als Geheimer Sekre-tär Christian Friedrich Schnauß (1722–1797) gestellt, der schon zuvor in Eisenach in derRegierungskanzlei diese Stellung innehatte. Ebenfalls aus der Eisenacher Regierungskanz-lei kam mit Johann Christoph Schmidt (1727–1807) ein weiterer Geheimer Sekretär für dieneue Weimarer Kanzlei. Vor allem Schnauß sorgte für die Kontinuität bei den sich durchdie tägliche Praxis entwickelnden Geschäftsformen und der zielführenden Tätigkeit derGeheimen Kanzlei zu Weimar.

Noch war allerdings die Arbeitsweise des Geheimen Consiliums in Sachsen-Weimar-Eisenach, wie wir sie später unter Herzog Carl August für die Jahre zwischen 1776 und1786 kennen und wofür die hier vorgelegte Regestausgabe Zeugnis ablegt, nicht auf dieserHöhe. Der Vater, der schwächliche Herzog Ernst August Constantin, der zudem früh ver-starb, ist nicht mit dem kraftvollen Sohn Carl August, der seine Regierung ebenfalls mit18 Jahren antrat und im Geheimen Consilium von Anfang an bestimmend auftrat, zu ver-gleichen. Hinzu kommt die damals überragende Stellung des Premierministers Bünau, dernach seiner Berufung nach Weimar ab 1756 eigentlich die Politik bestimmte und als domi-nierender Beamter in den Regierungsgeschäften den jungen Landesherrn in den Schattenstellte. Nunmehr wurden alle Fragen der Staatsverwaltung und der Außenpolitik in denbeiden Fürstentümern Weimar und Eisenach von einer obersten anleitenden Behörde, demGeheimen Ratskollegium, behandelt. Deren Sitzungen unter dem stetigen Vorsitz Bünausfanden wöchentlich mehrfach statt, an denen der Herzog allerdings nicht ständig teilnahm,was vielleicht auch seinem schwankenden Gesundheitszustand geschuldet war. Die auf dieResolution ergangenen Konzepte wurden von dem Geheimen Referendar oder vom Ge-heimen Sekretär entworfen und von den Mitgliedern des Geheimen Consiliums revidiertund signiert. Anders als später wurden die Ausfertigungen der Reskripte zwar vom Her-zog unterzeichnet, vielfach freilich bloß mit seiner Paraphe, sie tragen aber alle die„Kontrasignatur“ Bünaus als Gegenzeichnung. Für die beherrschende Stellung Bünausspricht auch, dass seit Frühjahr 1758 die Auftragsreskripte des Herzogs nur noch von demPremierminister mit dem auch künftig verwendeten Auftragsvermerk „Ad MandatumSerenissimi Speciale“ unterschrieben sind. Auch dafür ist wohl die sich verschlechterndeKonstitution des Herzogs verantwortlich, der am 28. Mai 1758 verstarb, was der behörd-lichen Entwicklung in der obersten Zentralsphäre der sachsen-weimar-eisenachischenLandesadministration eine neue Richtung gab.

Unter der nunmehr angetretenen Obervormundschaft der in jungen Jahren verwitwe-ten Herzogin Anna Amalia, einer geborenen Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel,über den erstgeborenen Erbprinzen Carl August wurden die Staatsgeschäfte in Weimarneu geordnet. Nachdem zunächst die Verantwortung von Premierminister Bünau unange-tastet geblieben war, wurde mit ihrer Übernahme der Obervormundschaft und Landesre-gentschaft am 9. Juli 1759 dessen bisherige Ministerherrschaft in Sachsen-Weimar-Eise-nach beseitigt. Er wurde am 4. September 1759 aus dem Landesdienst entlassen. Bereits inseinem Testament vom 21. Februar 1758 hatte Herzog Ernst August Constantin seiner Ge-mahlin die persönliche Teilnahme an den Sitzungen des Geheimen Consiliums empfohlen.

16 Geheimes Consilium 1776–1786

Ihr Berater, der von ihrem Vater nach Weimar geschickte braunschweigische VizekanzlerGeorg Septimus Andreas von Praun, riet ihr ebenfalls dazu und legte ihr ans Herz, die sichin Braunschweig-Wolfenbüttel bewährt habende Regierungsweise auch in Sachsen-Wei-mar-Eisenach einzuführen. Dazu gehörten die ständige Teilnahme an den Sessionen, in de-nen unter ihrer Leitung die Resolutionen ergehen sollten, sowie die Revision und Signie-rung der Konzepte und die Unterschriftsleistung bei den Ausfertigungen.8 Die Herzoginfolgte willig diesem Ratschlag und teilte am 8. September 1759 dem nunmehr dienstältes-ten Mitglied des Geheimen Consiliums, Carl Ernst von Rehdiger, mit, sie habe sich vorge-nommen, „alles mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Ohren zu hören“, ein hehresZiel, das sie allerdings nicht in dieser Konsequenz durchhielt. In der Praxis des Regie-rungshandelns hieß das nämlich, ständig das Geheime Consilium zu besuchen, die Kon-zepte zu revidieren und zu signieren sowie die Ausfertigungen selbst zu unterschreiben.Außerhalb der Sessionen wolle sie von den Geheimen Räten mündlichen und schriftlichenVortrag willig annehmen, einen jeden aufmerksam anhören, ihrer Ratschläge sich bedienenund sie bei den Beschlüssen berücksichtigen.9

Auf dieser Grundlage wurde fortan unter Anna Amalia die Regierungsweise des aufge-klärten Absolutismus praktiziert, wobei das von dem braunschweigischen Berater vonPraun entworfene „künftige Regulativ“ vom 21/22. Juli 175910 zur Grundlage für den rich-tungsweisenden Erlass vom 8. September 175911 geworden war. In ihm sind für Sachsen-Weimar-Eisenach erstmals die Grundsätze für dieses Regierungshandeln formuliert wor-den, die auch für die Geschäftspraxis des Geheimen Rates und sein Verhältnis zumregierenden Monarchen unter Herzog Carl August bis 1815, als das Staatsministerium andessen Stelle trat, gültig geblieben sind. Nachdem Graf Heinrich von Bünau 1756 das Ge-heime Consilium nach Gothaer Vorbild zur Zentrale des Staatswesens gemacht hatte, wares nunmehr Georg Septimus Andreas von Praun, der nach dem Braunschweiger Beispielden Landesregenten – in unserem Fall die Landesregentin Anna Amalia – in den Mittel-punkt der Regierungstätigkeit gestellt sehen wollte. Einen Vorsitzenden aus dem Kreis derGeheimen Räte mit besonderem Prädikat sollte es künftig nicht mehr geben. In denVordergrund trat deren beratende Funktion für den regierenden Fürsten. Auch die beiGründung des Geheimen Consiliums unter Bünau hergestellte personelle Verbindung vonGeheimratsstellen mit dem Präsidium der großen Fachkollegien sollte gelöst werden. DieMitglieder des Geheimen Consiliums sollten neben ihrer beratenden und beschließendenTätigkeit für die Landeszentralbehörde höchstens noch den Vorsitz in besonderen Kom-missionen einnehmen.

Seit dem Erlass Anna Amalias vom 7. September 1759 war es geltender Brauch für dieGeschäftspraxis des Geheimen Consiliums und sein Verhältnis zur Landesregentin, dassdie Herzogin sich für die Tätigkeit der Landeszentralbehörde engagierte und sie über-wachte: idealerweise mit der Beteiligung an der Eröffnung der Eingänge, mit der Teilnah-

17Einführung

18 Ulrich Heß, Geheimer Rat (wie Anm. 1), S. 184 und insbesondere Anm. 60.19 Ebd., S. 184-185; dort wörtliches Zitat aus Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Be-

hörden B 672; Vorschläge und Entwurf des Regulativs [21./22. Juli 1759] von Praun im Weimarer Archiv,Fürstenhaus A 192525, Bl. 8-9 und 18-20.

10 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Fürstenhaus A 192525, Bl. 18-20.11 Ebd., Weimarer Archiv, Behörden B 672.

me an den Sessionen, mit der eigenhändigen Unterschrift aller Expeditionen, mit der wo-chenweisen Überwachung der im Geheimen Consilium geleisteten Arbeit durch ihr vor-zulegende Registranden- und Protokollauszüge der Geheimen Kanzlei. Diese besondereForm der Rechenschaftslegung und Kontrolle war notwendig, da in den Sessionen nichtalle Geschäfte abschließend erledigt wurden. Seitdem weisen die Konzepte des GeheimenConsiliums über den Revisionssiglen der Geheimen Räte die Signatur der Landesregentinauf. Die Ausfertigungen sind von ihr unterschrieben, eine Kontrasignatur gibt es nichtmehr. Auftragsreskripte des Geheimen Consiliums bei Abwesenheit der Landesregentinenthalten den schon unter ihrem verstorbenen Gatten eingeführten Auftragsvermerk „AdMandatum Serenissimi Speciale“ und werden von allen Mitgliedern nebeneinander unter-zeichnet. Der Geschäftsgang des Geheimen Consiliums verfestigte sich im Laufe der Zeit.In der Stellung und Form, in die diese oberste Regierungsinstanz seit 1759 unter AnnaAmalia gebracht und während ihrer vormundschaftlichen Regierung beibehalten wordenist, hat sie ihr 1775 mündig gewordener Sohn Carl August bei seinem Regierungsantrittübernommen und mit neuen Akzenten weitergeführt.

Noch bevor aber Herzog Carl August an seinem 18. Geburtstag am 3. September 1775in die Regierungsverantwortung eintrat, war er am 14. Oktober 1774 in das Geheime Con-silium eingeführt worden. Seine Mutter hatte ursprünglich erwogen, dem jungen Erbprin-zen bereits nach dem 17. Geburtstag – also noch vor dem üblichen Volljährigkeitstermin,der bei männlichen Personen bei 20 Jahren lag, – die Regentschaft zu übertragen, weil siedes Arbeitslebens, welches sie seit nunmehr 14 Jahren zu führen gezwungen war, „müde“sei.12 Am 9. Dezember 1773 erbat sie deswegen den Ratschlag des von ihr 1762 berufenenGeheimen Rates Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch, dem sie offenbarte: „daß ich nichtssehnlicher wünsche als mich von der Regentschaft und der Vormundschaft zu befreien“.13

Dieser entgegnete ihr am 22. Dezember 1773 klug und abwägend, diesen Schritt jetzt nochnicht zu vollziehen, auch unter Hinweis auf die letztwillige Verfügung ihres verstorbenenGatten, der für den ältesten Sohn Carl August „mit dem erreichten Alter von 18 Jahren“den Zeitpunkt für das Einholen der Zustimmung des Kaiserlichen Hofes in Wien für die„venia aetatis“ bestimmt hatte.14 Fritsch hielt es für einen erst Siebzehnjährigen nicht fürratsam, „direkt von der Schulbank auf den Thron zu steigen“, dazu gehöre mehr als dasDozieren der Lehrer über öffentliches Recht; es gehöre vor allem „Kenntniß der Welt undder Geschäfte dazu, um sich mit den letztern abgeben und der erstern ohne Gefahr entge-

18 Geheimes Consilium 1776–1786

12 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch. Weimar1874, S. 59. – Diese auf Archivquellen beruhende Schrift war lange wegen der darin abgedruckten Korres-pondenzen grundlegend für die Darstellung des Übergangs der Regentschaft von Anna Amalia auf ihrenSohn und auch für die Berufungsgeschichte von Goethe geworden, weil der Verfasser seinerzeit auf ein imFamilienarchiv von Fritsch in Goddula aufbewahrtes Konvolut aus der Fritsch-Korrespondenz mit derHerzogin und ihrem Sohn zurückgreifen konnte und diesen Briefwechsel in großer Vollständigkeit veröf-fentlicht hat. Diese von Fritsch selbst formierte Akte befindet sich heute als Erwerbung aus Privatbesitz imJahr 2000 im Nachlass von Jakob Friedrich von Fritsch im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar unter derSignatur GSA 20/82, so dass aus diesem Schriftwechsel erstmals wieder nach der originalen Überlieferungzitiert werden kann.

13 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch (wie Anm.12), S. 60.

14 Ebd., S. 67.

gen treten zu können.“15 Aus diesen Erwägungen heraus ist dann die Bildungsreise derPrinzen Carl August und Constantin mit ihren Erziehern Görtz und Knebel sowie demStallmeister von Stein entstanden, nachdem sich Anna Amalia bisher gegen eine Reise ih-rer unmündigen Söhne in fremde Länder ausgesprochen hatte. Am 8. Dezember 1774 tratdiese Gesellschaft eine Reise nach Paris mit zahlreichen Begegnungen in der bürgerlichenGesellschaft und einem Empfang am französischen Hof in Versailles an, von der sie erst imJuni 1775 zurückkehrte.

Das Jahr 1774 hatte allerdings mit einer Ehrenbezeugung für den jungen Erbprinzenbegonnen, die sein Selbstwertgefühl als künftiger Landesherr beträchtlich gehoben hatte.Die „Salana“, die ernestinische Gesamtuniversität zu Jena, hatte ihm am 18. Januar 1774die „Würde eines Rectoris magnificentissimi“ übertragen16, die zuletzt seit 1749 sein ver-storbener Vater, Herzog Ernst August Constantin, innegehabt hatte.17 In diesem Jahr be-gann der künftige Landesherr nunmehr „die wichtigste seiner Studien“, wie Fritsch beton-te, „die Lehrzeit der großen Kunst zu regieren“.18 Als dienstältestes Mitglied im GeheimenRatskollegium hatte er der Herzogin empfohlen, den Erbprinzen rechtzeitig in das „Ge-heime Conseil einzuführen“, wo er noch unter ihren Augen „den ganzen Umfang seinerPflichten gegen seine Oberen, seines Gleichen und seiner Unterthanen überblicken wird,aber zugleich auch den ganzen Umfang der Verpflichtungen die er Ew. D.[urchlaucht] da-für schuldet, daß Sie solange und so ausgezeichnet seine Stelle ausgefüllt“ haben.19 Umdem jungen Erbprinzen die Bedeutung des Geheimen Ratskollegiums eindringlich vorzu-stellen, hielt der erste Beamte des Landes bei dessen Einführung am 14. Oktober 177420 ei-ne Ansprache an den künftigen Dienstherrn, in der er u. a. ausführte: „Denn hier, g.[nädig-ster] F.[ürst] u.[nd] H.[err], ich kan[n] es ohne eitele Ruhmbegierde behaupten, hier wirdIhnen eigentlich der beste, der practischste, der Ihro großen Bestimmung angemeßensteUnterricht gegeben werden – hier, wo Ihro vor Höchstdieselben interessantesten Angele-genheiten mit der ungeschminktesten Wahrheit, nicht nach speculativischen, öfters nur so-lange, als es nicht auf die Anwendung ankömmt, das ihrige leistenden Principiis, sondernin ihrer wahren Lage, nach richtigen, sich auf Erfahrung stützenden Grundsätzen, mit ei-

19Einführung

15 Ebd., S. 69.16 Alfred Bergmann, Carl August-Bibliographie. Jena 1933, S. 133-134. – Siehe auch Carl Freiherr von Beau-

lieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsche Kul-turgeschichte, Neue Folge 4 (1875), S. 678-679. Es handelt sich um Aufzeichnungen des Geheimen RatesChristian Friedrich Schnauß, die bis in dessen Todesjahr 1797 reichen.

17 Als Rector magnificentissimus wurde Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach bereits am4. November 1749 noch als Erbprinz in die Universitätsmatrikel (Band 7, Bl. 77) eingetragen. Vgl. DieMatrikel der Universität Jena, Band III 1723 bis 1764. München 1992, S. XXXVII (Einleitung von HeinzWießner).

18 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch (wie Anm.12), S. 70.

19 Ebd., S. 71.20 Dieses korrekte Datum nach dem Fourierbuch 1774. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hofmar-

schallamt Nr. 2523, S. 279 zum 14. Oktober 1774: „Heute haben Durchl. Erbprinz zum ersten mahl im Ge-heimen Conseil wie künfftig mit geseßen […].“ Bei Willy Flach (1950, S. LXXXIX; 1952, S. 93) und nachihm bei Hahn (1953, S. 145) falsch erschlossenes Datum 26. Oktober 1774. Das noch vorhandene Rede-manuskript von Fritsch enthält keine Datumsangabe; jetzt Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Rittergut Seer-hausen Nr. 19.

ner auf den Zusammenhang des Ganzen sorgfältig genommenen Rücksicht, werden vorge-tragen werden, – hier wo Ew. H.[ochfürstliche] D.[urchlaucht] den ganzen Umfang IhrerGerechtsamen u.[nd] Ihrer Pflichten übersehen lernen, wo Sie mit dem, was künftig Ihr an-genehmstes u.[nd] zugleich Ihr wichtigstes Geschäft seyn soll, näher bekannt werden –hier, wo Sie von der von dem Allerhöchsten Ihnen verliehenen Macht im Belohnen, imStrafen, in Ausübung der Gerechtigkeit den rechten Gebrauch machen – wo Sie endlichlernen werden, wie süß u.[nd] zugleich wie schwer es sey, ein Regent, d.[as] i.[st] ein VaterIhres Volkes zu seyn.“21

Bei der im Jahr darauf erfolgten Inthronisierung von Carl August als Landesherr imHerzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach an seinem 18. Geburtstag am 3. September1775 behielt der Geheime Rat Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch als der bisher am längs-ten in dieser Position dienende Beamte die seit 1772 eingenommene Spitzenposition in die-ser Landeszentralbehörde, obwohl es wenig später zu einer schwerwiegenden Konflikt-situation mit dem jungen Regenten kam. In diesem Zusammenhang äußerte sich CarlAugust auch zur Arbeitsweise des Geheimen Consiliums, über die er andere Vorstellungenhatte. Entgegen den bisherigen Gepflogenheiten wollte er nunmehr die Spitzen der Fach-kollegien, insbesondere die Präsidenten der Regierung und der Kammer, durch Teilnahmean den Sessionen direkt in das Beratungsgeschäft einbeziehen.22 Es sollten dadurch die Be-urteilung und Entscheidung über die in deren Ressort fallenden Sachen in diesem Gre-mium erleichtert und die Arbeit der Geheimen Räte lebensnäher gestaltet werden. Ur-sprünglich hatte der Herzog daran gedacht, Fritsch auf die seit Frühjahr 1775 verwaisteStelle an der Spitze der Regierung unter Beibehaltung der Stellung im Geheimen Consi-lium zu setzen.23 Fritsch indessen bat am 9. Dezember 1775 darum, aus dem Kollegium derGeheimen Räte entlassen zu werden und ihm lediglich das leitende Amt in der Regierungzu übertragen.24 In einer längeren Unterredung Mitte Februar 1776 eröffnete ihm Carl Au-gust seine bereits zuvor angesprochenen Intentionen zur personellen Neuausrichtung imGeheimen Consilium, die allerdings von der Beibehaltung der Spitzenstellung Fritschs indiesem Gremium ausgingen. Außerdem machte er ihn erstmals mit der Idee der Ergänzungdes Geheimen Ratskollegiums durch zwei weitere Mitglieder – darunter die Berufung desseit 7. November 1775 in Weimar weilenden Dr. Goethe als Geheimer Assistenzrat – sowiemit der geplanten Neuregelung der Besetzung an der Spitze der Regierung und der Kam-mer bekannt. 25 Fritsch widerriet ihm unter Anführung von beachtenswerten Gründen,

20 Geheimes Consilium 1776–1786

21 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 93-94. Der Text der Rede wur-de später von Karl-Heinz Hahn in seiner Fritsch-Monographie (1953) komplett veröffentlicht, S. 146. Derhier zitierte Textauszug nach dem Original „Vortrag bey Ser[enissi]mi Caroli Augusti erstem Eintritt in dasGeh.[eime] Consilium. [14. Oktober] 17[74]. Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Rittergut Seerhausen Nr. 19.

22 Carl August an Fritsch, 23. April und 10. Mai 1776, in Goethe- und Schiller-Archiv Weimar GSA 20/82, Bl.6-7, 16-17. Druck in Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Ministervon Fritsch (wie Anm. 12), hier bes. S. 149, 162-163.

23 Das Folgende nach Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Ministervon Fritsch (wie Anm. 12), S. 143-184, wo alle relevanten Korrespondenzen abgedruckt sind, die heute ineiner Akte im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar im Nachlass Jakob Friedrich von Fritsch unter derSignatur GSA 20/82 aufbewahrt werden.

24 Fritsch an Carl August, 9. Dezember 1775, GSA 20/82, Bl. 2-4; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 143-144.25 Niederschrift von Fritsch in GSA 20/82, Bl. 5; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 144-146.

unter denen auch die dadurch erfolgende Zurücksetzung von verdienten und im Dienstal-ter vorangehenden Beamten sowie die fehlende Verwaltungserfahrung der jüngeren undmit dem Herzog befreundeten Favoriten für die Neubesetzung eine wichtige Rolle spiel-ten. Es ging um den 27-jährigen Frankfurter Advokaten Johann Wolfgang Goethe und umden auch nur zwei Jahre älteren Weimarer Kammerjunker Johann August Alexander vonKalb.

Die Pläne des 18 Jahre jungen Landesherrn für Veränderungen im Geheimen Consi-lium, in der Regierung und in der Kammer aber standen fest und änderten sich lediglich in-folge der Absage des zweiten für das Geheime Ratskollegium vorgesehenen neuen Mitglie-des26, wodurch eine angedachte Erhöhung auf vier Mitglieder zunächst unterblieb. Diesich nunmehr manifestierende neue personelle Konstellation nach Antritt der Regierungvon Herzog Carl August wird in dessen Handschreiben vom 23. April 1776 an Fritschdeutlich.27 Darin bat der junge Regent diesen um die Beibehaltung der ersten Stelle im Ge-heimen Consilium und kündigte an, den dort seit 1766 mitarbeitenden Geheimen RatAchatius Ludwig Carl Schmid abzuziehen und ihn zum Präsidenten der Regierung mitdem neuen Titel Kanzler zu ernennen.28 Auch die Stelle des Kammerpräsidenten sollte neubesetzt werden, indem in die Position des ausscheidenden Carl Alexander von Kalb, derseit 1761 diese Stelle innehatte und im 65. Lebensjahr stand, dessen Sohn, der KammerherrJohann August Alexander von Kalb, treten sollte.29 Keinesfalls ging Carl August davon ab,auf den bereits seit 7. November 1775 in Weimar lebenden Goethe zu verzichten, denFritsch als unerfahrenen Neuling ablehnte. Der Herzog hatte jedoch den festen Willen,den Advokaten und Dichter in die Landesadministration einzubeziehen und diesen nochfester an sich zu binden. Er sollte zunächst in das Geheime Consilium, nunmehr sogar mitdem Titel Geheimer Legationsrat, berufen werden, um dort den dritten und letzten Platzeinzunehmen. Der sich um dieses Vorhaben Carl Augusts zuspitzende Konflikt mit JakobFriedrich Freiherr von Fritsch wurde allerdings im Laufe des Monats Mai 1776 gelöst, wo-bei auch die Herzoginmutter als Vermittlerin auftrat und Fritsch den Rat seines langjähri-gen Kollegen Schnauß aus dem Geheimen Consilium einholte.30 Er gab schließlich seine

21Einführung

26 Der kurmainzische Rat Johann Heinrich Tabor (1728-1802), der Carl August von dem Erfurter StatthalterCarl Theodor von Dalberg empfohlen worden war.

27 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hausarchiv, A XIX Nr. 38, Bl. 9-10. Mit diesem undatiertenHandschreiben, das als eigenhändiges Konzept von Carl August in seinem Nachlass überliefert ist und eineeigenhändige Korrektur von Goethe aufweist, hat Willy Flach die Edition der amtlichen Schriften Goethesaus dem Geheimen Consilium begonnen; Goethes Amtliche Schriften I, S. 3-4. Die Ausfertigung (mit Prä-sentationsvermerk von Fritsch vom 23. April 1776) in der Akte GSA 20/82, Bl. 6-7; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 148-150.

28 Das erfolgte am 11. Juni 1776, in der Session, in der auch Goethe berufen wurde. Die Konzepte für die De-krete und Reskripte im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Dienersachen B 25190II.

29 Ebd. Der Nachfolger entsprach indessen nicht den in ihn gesetzten Erwartungen. Die Entlassung des jun-gen von Kalb wurde in der Session des Geheimen Consiliums am 7. Juni 1782 verfügt; siehe Regest Nr.12096.

30 Zu dem Schriftwechsel zwischen Carl August und Anna Amalia mit Fritsch in dieser Zeit siehe Carl Frei-herr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch (wie Anm. 12),S. 159-184. Zur Originalüberlieferung siehe oben Anm. 12 und 23.

ablehnende Haltung auf und blieb in seiner bisherigen Position als dienstältestes Mitgliedin diesem Beratungsorgan des jungen Herzogs. Mit ihm gehörte weiterhin Christian Fried-rich Schnauß dem Geheimen Ratskollegium an, dem ab 25. Juni 1776 noch Johann Wolf-gang Goethe beitrat. Vom kurmainzischen Statthalter in Erfurt, Carl Theodor von Dal-berg, der dem jungen Herzog freundlich gesonnen war, stammt das 1783 ausgesprocheneUrteil: „… daß unser Herzog, den wahrhaft eine edle große Fürstenseele belebt, Männerum sich hat, die würdig sind, durch Einsicht, Edelmut und Rechtschaffenheit einerbeträchtlichen Anzahl Menschen mit vorzustehen.“31 Es galt den Geheimen Räten JakobFriedrich Freiherr von Fritsch, Christian Friedrich Schnauß und Johann Wolfgang Goethe.

Nach diesen personellen Konstellationen müssen uns vor allem die von dem jungenund selbst in der Regierungstätigkeit ungeübten Landesherrn vorgesehenen Veränderun-gen in der Arbeitsweise des Geheimen Consiliums beschäftigen, auch wenn sie in dieserstrukturierten Form nicht zum Tragen kamen. Sie zeigen aber Carl Augusts unbedingtenWillen, anders als seine Mutter, nicht seinen Beratern in diesem Gremium die Arbeit zuüberlassen und die Geschicke seiner Regierung selbst in die Hand zu nehmen. „Noch eineVeränderung halte ich [vor] nöthig, in der Art die Geschäfte zu behandeln“, hatte Carl Au-gust am 23. April 1776 an Fritsch geschrieben, „wenn es erforderlich, will ich einen Tagmehr in der Woche zur Session des Geheimden Conseils außsetzen, u.[nd] die Geschäfteauf folgende Art in die drey Sessionstägen eintheilen: nehmlich an den einen würde derG.[eheimde] Rath [Achatius Ludwig Carl ] Schmidt [richtig: Schmid] im GeheimdenConseil erscheinen u.[nd] alle Justiz u.[nd] Criminal Sachen in Vohrtrag bringen; am an-dern würde in Gegenwart des Herren [Johann August Alexander] von Kalb alle CammerGeschäfte abgethan, u.[nd] am dritten, alle übrigen Geschäfte besorgt. Dieses sind diehaub[t]sächlichsten Veränderungen, die ich vor nöthig halte.“32 Und im herzoglichenHandschreiben vom 10. Mai 1776 erläuterte er angesichts der in der Antwort von Fritschserkannten Abneigung gegen eine solche veränderte Art der Behandlung der Geschäfte33

den Unterschied zwischen dem „Referieren“ der Leiter der unterstellten Kollegialbehördenund dem abschließenden „Resolvieren“ der Geheimen Ratsmitglieder: „Das Vortragen derSachen, ist dünkt mir eine sehr Mechanische, u.[nd] leichte Arbeit; aber die Beurtheilungderselben, u.[nd] die Entscheidung der Sachen, dieses halte ich für die edelste Beschäfti-gung eines Ministers, nicht das Referiren.“34

22 Geheimes Consilium 1776–1786

31 Carl Theodor Dalberg an Goethe, 30. Dezember 1783. Zitiert nach Alfred Bergmann, Die RedeckerscheAngelegenheit. In: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde Neue FolgeBand 32 (1936), S. 151.

32 Carl August an Fritsch, 23. April 1776, GSA 20/82, Bl. 6-7; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 148-150,Druck nach dem Konzept (im Nachlass von Carl August) in Goethes Amtliche Schriften I, S. 3-4. Hier zi-tiert nach dem Handschreiben (als Ausfertigung) in GSA 20/82, Bl. 6.

33 Fritsch an Carl August, 24. April 1776, GSA 20/82, Bl. 8-11; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 152-159.34 Carl August an Fritsch, 10. Mai 1776, GSA 20/82, Bl. 13-15, hier Bl. 14; Druck bei Beaulieu-Marconnay,

S. 159-163. – Das ist bisher einseitig interpretiert worden, als ob Carl August „in jugendlicher Verkennungder Zusammenhänge“ seine Bewertung des Vortragens als „eine sehr mechanische und leichte Arbeit“ aufdas Referieren der Geheimen Räte bezogen hätte, die dadurch diskriminiert worden wären. Vgl. WillyFlach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 37.

Zu einer solchen ressortmäßigen Abarbeitung der in die Entscheidung des Herzogs ge-stellten und an das Geheime Consilium herangetragenen Geschäftsvorfälle ist es dannallerdings nicht gekommen. Carl August hat es schließlich – angesichts des von Fritschausgehenden Widerstandes in seiner Antwort vom 24. April 1776 an den Herzog und einesdamit verbundenen Entlassungsgesuchs35 – dabei belassen, die Stellung und Form, in diedas Geheime Consilium durch Anna Amalia gebracht worden war, nicht anzutasten und eswie bisher weiterzuführen. Und doch hat er – anders als seine Mutter – intensiver undgründlicher, nicht zuletzt diskursiver den Ablauf des beratenden Geschäfts in den Sessio-nen und die inhaltliche Bewältigung der zur Entscheidung gestellten Geschäftsvorfälle be-stimmt. Der Geheime Rat Schnauß überliefert in seinen Erinnerungen für die Regierungs-tätigkeit Anna Amalias, dass vor der „Haupt Session“, die in den Gemächern der Herzoginstattfand, von den Mitgliedern des Geheimen Consiliums in der eigentlichen GeheimenRatsstube eine „praeparatorische Session“ abgehalten wurde.36 Diese Arbeitsweise lässtden Schluss zu, dass unter Anna Amalia die Hauptarbeit in der vorbereitenden Sitzungdurch die Geheimen Räte selbst geleistet wurde und die von ihr geleitete Hauptsession le-diglich noch dem abschließenden „Resolvieren“ diente. Insofern wäre sie gar nicht tiefer indie einzelnen Vorgänge eingedrungen und hätte lediglich den von den Geheimen Rätenvorbereitete Beschluss übernommen und mitgetragen. Darüber sind sich auch neuere For-schungen über deren Rolle als Landesregentin einig: „In der Regel vertraute Anna Amaliaden Mitgliedern des Geheimen Consiliums die Alltagsgeschäfte an und folgte ihren Vor-schlägen.“37

Eine solche Zweiteilung ist für die nachfolgende Regierungstätigkeit von Carl Augustbis 1787/88 nicht zu beobachten. Sein nicht durchgesetzter Vorschlag der ressortmäßigenBesorgung der Geschäfte unter Einbeziehung der Leiter der beiden großen FachkollegienRegierung und Kammer und der Erhöhung der Zahl der Sessionstage ist ein Gegenentwurfzur bisherigen Regierungstätigkeit, wie sie von seiner Mutter ausgeübt wurde, unter derohne Zweifel Jakob Friedrich von Fritsch – wie sein Lehrer Bünau – bestimmend und do-minierend in der Aufgabenerledigung des Geheimen Consiliums geworden war und sichin dieser Stellung auch sehr bewusst gefiel. Erst 1788 – aber unter ganz anderen Vorausset-zungen und Zwängen – ist der Herzog bei der Neuausrichtung der Arbeitsweise des Ge-heimen Consiliums auf das Verfahren der „praeparatorischen Session“, wie es sich unterder Vormundschaftsregierung seiner Mutter schließlich eingespielt hatte, zurückgekom-men. Aber das gehört zu der veränderten Entwicklung, die nach dem ersten Jahrzehnt inder Regierungstätigkeit Carl Augusts festzustellen ist und diese Einführung beschließt.

23Einführung

35 Fritsch an Carl August, 24. April 1776, GSA 20/82, Bl. 8-11; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 152-159.36 Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 16), S. 676-677.37 Joachim Berger, Höfische Musenpflege als weiblicher Rückzugsraum? Herzogin Anna Amalia von Weimar

zwischen Regentinnenpflichten und musischen Neigungen. In: Hofkultur und aufklärerische Reformen inThüringen. Die Bedeutung des Hofes im späten 18. Jahrhundert. Herausgegeben von Marcus Ventzke.Köln, Weimar, Wien 2002, S. 59-60.

Indessen kam es 1776 zu dem von dem mündig gewordenen Carl August vorgesehenenRevirement in den höchsten Staatsämtern des Herzogtums, wobei er sich bei der Berufungvon Goethe sehr sicher in seiner Einschätzung war: „Göthe aber ist rechtschaffen, von ei-nem außerordentl.[ich] guten u.[nd] fühlbaren Hertzen; nicht alleine ich sondern ein-sichtsvolle Männer, wünschen mir Glück diesen Mann zu besitzen. Sein Kopf, u.[nd] Ge-nie ist bekan[n]t. […] Einem Mann von Genie, nicht an dem Ort gebrauchen, wo er seineaußerordentl.[ichen] Talente nicht38 gebrauchen kann[n], heißt denselben mißbrauchen,ich hoffe Sie sind von dieser Wahrheit so wie ich überzeugt.“39 Dessen Berufung in das Ge-heime Consilium wurde am 11. Juni 1776 vollzogen. In der am gleichen Tag beschlossenenÜbertragung der Leitung der Kammer an den noch nicht dreißigjährigen und Herzog CarlAugust ebenfalls nahestehenden Kammerherrn Johann August Alexander von Kalb, fürdie nach der Auffassung von Fritsch besser geeignete Beamte zur Verfügung stehen wür-den, tat der Regent indessen einen Fehlgriff, wie sich später herausstellen sollte. In der Be-wertung von dessen Fähigkeiten hatte sich Fritsch nicht geirrt.

In dem Jahrzehnt von 1776 bis 1786, in dem der jung zur Regierung gekommene neueRegent Carl August nunmehr die Geschicke seines Landes bestimmte und Goethe an sei-ner Seite im Geheimen Consilium beratend tätig wurde, blieben die administrativen Ver-hältnisse im Wesentlichen konstant.40 Zum besseren Verständnis für die Benutzung der Re-gesten zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums soll hier eine Übersicht über dieverwaltungsmäßige Gliederung des Landes sowie den Umfang und die Spezifik der in denRegesten vorkommenden Verwaltungseinrichtungen gegeben werden.41

24 Geheimes Consilium 1776–1786

38 Im Druck bei Beaulieu-Marconnay steht hiernach sic!, da die Verneinung an dieser Stelle nicht sinnvoll er-scheint, was dem Herausgeber bereits aufgefallen ist. Die Autopsie im Goethe- und Schiller-Archiv bestä-tigte allerdings diese Wortwahl von Carl August, wo man eher ein positiv ausgedrücktes „recht“ anstellevon „nicht“ vermuten würde. Das Handschreiben enthält an anderer Stelle Korrekturen und Unterstrei-chungen und ist offenbar in einer erregten Verfassung des jungen Herzogs ohne vorheriges Konzept, andersals das Handschreiben vom 23. April 1776, niedergeschrieben worden.

39 Carl August an Fritsch, 10. Mai 1776, GSA 20/82, Bl. 13-15, hier Bl. 13; Druck bei Beaulieu-Marconnay,S. 159-163.

40 Vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thürin-gen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1952. (Veröffentlichungen der Historischen Kommis-sion für Thüringen, Kleine Reihe Band 1) Jena, Stuttgart 1993, S. 29-35.

41 Die hier wiedergegebene Übersicht orientiert sich an Willy Flachs Zusammenstellung zum Behördenaufbaudes Landes 1776 bei Goethes Eintritt in das Geheime Consilium in der Einleitung zur Edition GoethesAmtliche Schriften I (wie Anm. 1), S. XCII-XCIV; auch in Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte(wie Anm. 1), S. 96-98.

Behördenorganisation des Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach 1776

I Landständische Vertretungen

Landschaftsdeputation des Fürstentums Weimar mit Landschaftsexpedition,Landschaftsdeputation der Jenaischen Landesportion,Landschaftsdeputation des Fürstentums Eisenach mit Landschaftsexpedition.

II Verwaltungsbehörden1. Gemeinsame Einrichtungen für beide Fürstentümer

Geheimes Consilium in Weimar mit Geheimer Kanzlei und Geheimen Archiv

Auswärtige Gesandtschaften und diplomatische Vertreter (Residenten bzw. Agenten):beim Reichstag zu Regensburg,beim Kaiserlichen Hof zu Wien,bei der Kreisversammlung in Nürnberg,beim Reichskammergericht in Wetzlar,in Frankfurt am Main,in Augsburg,in Haag [Den Haag/Niederlande],in Dresden,in Leipzig,in Florenz.

Gemeinschaftliches Hofgericht zu Jena

Gesamtuniversität zu Jena

2. Fürstentum Weimar mit der Jenaischen LandesportionZentrale Landesbehörden in Weimar:

Landesregierung,Kammer,Oberkonsistorium.

Landständische Steuerverwaltung:Landschaftskassedirektorium in Weimar,Landschaftskassedirektorium in Jena.

Nachgeordnete Behörden:Unter der Landesregierung und der Kammer

Ämter (Justiz- und Rechnungsämter) Weimar mit Oberweimar und Kroms-dorf, Kappellendorf mit Heusdorf, Berka [an der Ilm], Ilmenau, Roßla [inNiederroßla], Dornburg, Bürgel, Hardisleben, Jena, Allstedt, ferner zahlrei-che Patrimonialgerichte;Obergeleitsamt Erfurt,Geleitseinnahme Weimar,Einnahme bei der Ilmflöße in Weimar, Floßkasse in Jena,Herrschaftliches Bauwesen,

25Einführung

Stadtpflaster- und Wegebau [später Wegebaudirektion],Schloßbrauwesen,Postämter Weimar, Jena und Ilmenau.

Unter dem OberkonsistoriumGeistliches Hofministerium in Weimar,Geistliches Stadtministerium in Weimar,Konsistorium in Jena,Geistliches Ministerium in Jena,Adjunkturen, Superintendenturen bzw. Inspektionen Mellingen, Neumark,Oßmannstedt, Berka, Niederoßla, Oberweimar, Stadtsulza, Hardisleben, But-telstedt Buttstädt, Dornburg, Sulzbach, Flurstedt, Bürgel, Apolda, Heusdorf,Magdala, Ilmenau, Jena, Remda, Allstedt.

Unter dem Landschaftskassedirektorium WeimarSteuereinnehmer für die Ämter Weimar, Hardisleben, Vogtei Brembach, Roß-la, Vogtei Gebstedt, Dornburg, Kappellendorf, Heusdorf, Bürgel, Berka,Ilmenau und für die Städte Weimar, Buttstädt, Bürgel, Berka, Rastenberg,Buttelstedt, Neumark, Magdala, Apolda, Sulza, Tannroda, Dornburg,Acciseinnehmer für die genannten Städte.

Unter dem Landschaftskassedirektorium JenaSteuereinnehmer für die Ämter und Städte Jena, Allstedt, Remda und für dieStadt Lobeda.

Kommissionen:für das LandBrandassekurationsdeputation,Generalpolizeidirektion.für die Stadt WeimarPolizeikommission,Armenkommission,Waisenhauskommission.

für die Stadt JenaOberaufsicht,Polizeikommission,Almosenkommission,Waisenhauskommission,Gotteskastenkommission.

3. Fürstentum EisenachZentrale Landesbehörden in Eisenach:

Landesregierung,Kammer,Oberkonsistorium.

26 Geheimes Consilium 1776–1786

Landständische Steuerverwaltung:Obersteuer- und Kassedirektorium in Eisenach.

Nachgeordnete Behörden:Unter der Landesregierung und der Kammer

Ämter Eisenach, Gericht Marksuhl, Creuzburg, Gerstungen mit Hausbrei-tenbach, Tiefenort, Kaltennordheim, Lichtenberg [in Ostheim vor der Rhön],Großrudestedt, ferner zahlreiche Patrimonialgerichte;Geleitseinnahme in Eisenach,Geleitseinnahme in Creuzburg,Salzwerk Wilhelmsglücksbrunn.

Unter dem OberkonsistoriumGeistliches Hof- und Stadtministerium in Eisenach,Inspektionen Eisenach, Creuzburg, Gerstungen, Tiefenort, Kaltennordheim,Ostheim, Großrudestedt.

Unter dem Obersteuer- und KassedirektoriumSteuereinnehmer für die Ämter Eisenach, Marksuhl, Lichtenberg, Tiefenort,Kaltennordheim, Creuzburg, Großrudestedt und für die Städte Eisenach undCreuzburg.

Kommissionen:für das LandBrandassekurationsdeputation.

für die Stadt EisenachArmen-, Zucht- und Waisenhauskommission,Polizeikommission.

III Hofbehörden und Einrichtungen des HofesHofmarschallamt in Weimar.Hofkapelle.Bibliothek, Münz- und Medaillenkabinett in Weimar.Gewehrkammer.Kunstkammer.Hofgärtnerei.Marstall in Weimar.Jägerei im Fürstentum Weimar mit Forstdepartements Weimar, Allstedt, Ilmenau.Jägerei im Fürstentum Eisenach mit Forstdepartements Eisenach, Zillbach.

IV MilitäreinrichtungenKriegskollegium in Weimar.Truppen: Garde du Corps, Husarenkorps, Infanteriekorps, Garnison in Jena, Artille-rie, Weimarisches Landregiment, Eisenachisches Landregiment, Eisenachische Stadt-kompagnie, Jenaisches Landbataillon.

27Einführung

Unter der Oberleitung des Geheimen Ratskollegiums, des beratenden Organs des Lan-desherrn, dem zunächst drei, seit 1784 vier Geheime Räte angehörten, arbeiteten also diegroßen Landeskollegien – wie bisher Regierung, Kammer und Oberkonsistorium – in bei-den Landesteilen Weimar und Eisenach, daneben in der Hauptresidenz Weimar das Hof-marschallamt als Hofbehörde. Als selbstständige Verwaltungseinheiten hatten sich schonzuvor die Generalpolizeidirektion und auch die Kriegskommission, im Hof- und Adress-kalender von 1777 noch als „Kriegs-Collegium“ bezeichnet42, in Weimar entwickelt, derenLeitung in den Händen eines Geheimen Rates lag. Während die Generalpolizeidirektion indiesem Zeitraum durchgehend von Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch geführt wurde,gab er endgültig 1779 auf Anordnung des Herzogs die Führung der Kriegskommission anGoethe ab, nachdem zwischenzeitlich der Geheime Regierungsrat Friedrich Günther vonKaufberg zum Präsidenten berufen worden war.43 Daneben kam nunmehr eine Entwick-lung auf, in der Teilgebiete aus dem Aufgabenbereich der oberen Landesbehörden aus die-sen herausgelöst und besonderen Direktionen oder Kommissionen zugewiesen wurden,deren Besonderheit es war, als Immediatbehörden nur dem Herzog und somit auch demGeheimen Consilium unmittelbar verantwortlich zu sein.44 Sie wurden zur Lösung neuerVerwaltungsaufgaben geschaffen und weisen die Besonderheit auf, dass sie von HerzogCarl August vorzugsweise Goethe zwecks selbstständiger Bearbeitung, für die er nur ihmunmittelbar verantwortlich war, übertragen wurden.

Aus dem bisher in Zuständigkeit der Kammer gelegenen Aufgabenbereich des Wege-und Wasserbaus wurde Goethe 1779 die Wegebaudirektion als neue Einrichtung übertra-gen. Im Jahr darauf wurde er zudem für die aus dem Geschäftsbereich der Kammer heraus-gelöste Direktion über alle Bergwerksangelegenheiten verantwortlich gemacht, die Goethedadurch an die Spitze der bereits 1777 geschaffenen Ilmenauer Bergwerkskommissionstellte. 1782 kam für ihn die Übertragung der Oberaufsicht über die Kammer zu Weimarnach der Entlassung des bisherigen Kammerpräsidenten Johann August Alexander vonKalb hinzu, der sich für das Kammerdirektorium letztendlich als unfähig erwiesen hatte.Die Tatsache, dass sich dieser bei Antritt seines Amtes 1776 anders als sein Vater zuvorkaum um die Wegebaudirektion kümmerte und deren wichtigste Geschäfte dem unterge-benen Ingenieur Jean Antoine Joseph de Castrop überlassen hatte, führte schon nach zweiMonaten dazu, Letzterem die alleinige Aufsicht über den Straßenbau zu geben45, bisschließlich Goethe am 19. Januar 1779 die Direktion des Landstraßenbaus und am 23. Fe-bruar 1779 auch die des Stadtpflasterbauwesens, mithin die künftige Wegebaudirektion,

28 Geheimes Consilium 1776–1786

42 Hochfürstl. S. Weimar- und Eisenachischer Hof- und Adress-Calender auf das Jahr 1777, S. 92.43 Am 11. Juli 1776 (Regest Nr. 157); im Hof- und Adresskalender von 1777, S. 92; 1777 verstorben, so dass

Fritsch erneut dieses Amt übernahm. Fritsch steht deshalb wieder 1779 im Hof- und Adresskalender.44 Dazu noch immer grundlegend Karl-Heinz Hahns Untersuchung „Die Stellung der Kommissionen in der

Behördenorganisation des 18. Jahrhunderts und ihre archivalische Überlieferung“ Wissenschaftliche Haus-arbeit für die Staatsprüfung für den wissenschaftlichen Archivdienst 1951 (geschrieben am Institut fürArchivwissenschaft Potsdam, ungedruckt).

45 Vgl. Joseph A. von Bradish, Goethes Beamtenlaufbahn. New York 1937, S. 55-56; auch Hans Bürgin, DerMinister Goethe vor der römischen Reise. Seine Tätigkeit in der Wegebau- und Kriegskommission. Weimar1933, S. 29.

übertragen bekam.46 Und auch dessen Übernahme der Direktion über alle Bergwerksange-legenheiten am 18. April 1780 ist eine Maßnahme, mit der der Herzog auf den Rückzug desKammerpräsidenten von Kalb aus dem Vorsitz der Kommission für die Bergwerksangele-genheiten am 8. April 1780 reagierte.47 Diese Ilmenauer Bergwerkskommission war auseinem am 18. Februar 1777 erteilten Spezialauftrag an den für Bergwerksangelegenheitenzuständigen Kammerpräsidenten und an Goethe als Geheimen Ratsmitglied entstanden,der am 14. November 1777 auf sämtliche Bergwerksangelegenheiten ausgedehnt und mitpersoneller Verstärkung in eine förmliche Kommission übergeleitet wurde. Schließlich wares 1784 die Einrichtung einer Steuerkommission für das Amt Ilmenau, die zur Neuordnungdes Steuerwesens im Amt Ilmenau unter Goethes Leitung geschaffen wurde.

Daneben existierten zeitweilige Kommissionen zur Bearbeitung eines Spezialfalls, dienach Auftragserledigung „zessierten“. Es begann mit der in der Session am 6. Juli 1776 ein-gesetzten Spezialkommission zur Regulierung des neuen Hof- und Stallkassenetats, die am28. November 1776 ihren Abschlussbericht vorlegte.48 Gerade diese frühe Kommissions-aufgabe, in der Goethe neben dem neu ernannten Kammerpräsidenten Johann August Ale-xander von Kalb mit weiteren wichtigen Hof- und Regierungsbeamten wegen der Neu-regelung der Finanzverhältnisse Verantwortung trug, hatte zu Beginn seiner Amtstätigkeiteinen besonderen Stellenwert und führte in besonderer Weise in die Landesadministrationein.49 Andere kommissarische Aufträge bzw. Tätigkeiten der Geheimen Räte zwecks Be-aufsichtigung bestehender künstlerischer oder wissenschaftlicher Einrichtungen in Formeines Kommissoriums – so leitete Schnauß kommissarisch die Bibliotheksangelegenheiten(Bibliothek, Münz- und Medaillenkabinett) in Weimar, Goethe war bereits frühzeitig mitden Finanzangelegenheiten der in Weimar auftretenden Theatertruppe betraut und führtede facto die Oberaufsicht über das Freie Zeicheninstitut und die naturwissenschaftlichenSammlungen – mündeten nach der Übertragung von weiteren oberaufsichtlichen Aufga-ben und Zuständigkeiten weitaus später in die institutionelle Form der Oberaufsicht überdie unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst in Weimar und Jena ein. Von Jo-hann Gottfried Herder stammt die nicht von Sarkasmus freie Beschreibung über Goethesmultilateralen Einsatz in dieser Zeit: „Er ist also jetzt Wirklicher geheimer Rath, Kammer-präsident, Präsident des Kriegscollegii, Aufseher des Bauwesens bis zum Wegbau hinunter,Director des Bergwerks, dabei auch directeur des plaisirs, Hofpoet, Verfaßer von schönenFestivitäten, Hofopern, Ballets, Redoutenaufzügen, Inscriptionen, Kunstwerken etc., Di-rektor der Zeichenakademie, in der er den Winter über Vorlesungen über die Osteologie

29Einführung

46 Joseph A. von Bradish, Goethes Beamtenlaufbahn (wie Anm. 45), S. 203, 212.47 Volker Wahl, Die Ilmenauer Bergwerkskommission als Immediatkommission in der Behördenorganisation

von Sachsen-Weimar-Eisenach (1777 bis 1814). Goetheforschung als Verwaltungsgeschichte. In: Zeitschriftdes Vereins für Thüringische Geschichte, Band 53 (1999), S. 190-191.

48 Siehe Goethes Amtliche Schriften I, S. 5-15, 18-19.49 In seinem Tagebuch finden sich Einträge zum 13. Juli 1776 „Früh Eröffn.[ung] der Commission“, zum 26.

September 1776 „Session der Commission nach Tisch“, zum 7. Oktober 1776 „Commissarische Session“und auch zum 23. Oktober 1776 „Comm.[issarische] Sess.[ion]“, die alle diese Spezialkommission betreffenund sich nicht auf die Sessionen des Geheimen Consiliums beziehen. Johann Wolfgang Goethe TagebücherBand I,1, S. 21, 26-28.

gehalten, selbst überall der erste Akteur, Tänzer, kurz das fac totum des Weimarschen u. soGott will, bald der maior domus sämmtlicher Ernestinischen Häuser, bei denen er zurAnbetung umherzieht.“50

Bevor auf die Organisation und Arbeitsweise des Geheimen Consiliums zwischen 1776und 1786 näher eingegangen wird, soll hier die Örtlichkeit der Geheimen Ratsstube inWeimar vorgestellt werden, die nach neueren Forschungen für die Zeit von Carl Augustdauerhaft im Roten Schloss zu lokalisieren ist.51 Hier begegneten sich der Herzog und sei-ne Geheimen Räten zwei- bis dreimal in der Woche, um in den „ordinairen“ Sessionen desGeheimen Consiliums die auf der Tagesordnung stehenden Geschäftsvorfälle vorzutragen,über sie zu beraten und über den Fortgang oder den Abschluss zu entscheiden. Flach nenntbereits 1950 dieses fürstliche Gebäude als Versammlungsort, ohne jedoch diese Örtlichkeitnäher zu begründen und zu bestimmen: „Im Roten Schloß also fanden während GoethesMitarbeit im Geheimen Consilium die Sessionen statt.“52 Er irrte allerdings, als er behaup-tete, dass die Geschäftsräume des Consiliums und der Kanzlei, die früher im Residenz-schloss gewesen waren, erst nach dem Schlossbrand von 1774 dorthin verlegt worden wä-ren. Bereits 1743 waren im Westflügel des Roten Schlosses53 Diensträume für einen nachdem im Jahre 1741 erfolgten Anfall des Fürstentums Eisenach mit der Jenaer Landespor-tion an die Weimarer Herzogslinie eingerichteten Geheimen Rat als außenpolitische Kol-legialbehörde geschaffen worden. Dafür wurden „zur Haltung derer Geheimde Raths-Sessionen, Expedirung derer Resolutionen und Repositur der Acten drey aneiananderseyende Zimmer in dem Fürstl. Wittums-Hauße“ ausgewählt.54

Auch wenn dieses 1743 im Roten Schloss etablierte besondere Geheime Ratskollegiumnur kurze Zeit tätig war, ist davon auszugehen, dass die dort eingerichteten drei Behörden-räume mit der Ratsstube, der Kanzlei und der Aktenrepositur nicht wieder aufgegeben,sondern auch weiterhin genutzt wurden, auch und gerade in der Zeit danach, als zwischen1755 und 1759 Heinrich Graf Bünau im Roten Schloss wohnte und als Premierministerdem 1756 neu eingerichteten Geheimen Consilium unter Herzog Ernst August Constan-tin vorstand. Für die nachfolgende Zeit, als die verwitwete Herzogin Anna Amalia im Re-sidenzschloss, der Wilhelmsburg, residierte und dem Geheimen Consilium vorsaß, unter-hielt sie in ihrer Nähe ein besonderes Sessionszimmer, wie uns Christian FriedrichSchnauß in seinen im letzten Lebensjahr 1797 aufgezeichneten Erinnerungen mitzuteilenweiß.55 Neben dem „ordentlichen Zimmer bei der geheimen Canzlei“ im Roten Schloss,wo die „praeparatorische“ Session der Geheimen Räte zwecks Vorbereitung auf die or-

30 Geheimes Consilium 1776–1786

50 Herder an Johann Georg Hamann, 11. Juli 1782. Johann Gottfried Herder Briefe. Bearbeitet von WilhelmDobbek und Günter Arnold. Vierter Band. Weimar 1979, S. 226.

51 Volker Wahl, Die Geheime Ratsstube im Roten Schloss zu Weimar. In: Weimar-Jena : Die große Stadt 6/1(2013), S. 6-21.

52 Goethes Amtliche Schriften I, S. XLVIII.53 Dieses hinter dem Markt und schräg gegenüber vom Residenzschloss gelegene Gebäude war 1574 für die

Witwe des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar errichteten worden. Vgl. Kulturdenkmale inThüringen, Band 4.1. Stadt Weimar. Bearbeitet von Rainer Müller unter Mitwirkung von Bernd Mende undAlf Rößner. Altenburg 2009, S. 316-317.

54 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 667d, Bl. 3.55 Vgl. Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie

Anm. 16), S. 649-702.

dentlich Session mit der Herzogin stattfand56, gab es das fürstliche Sessionszimmer derHerzogin in der Wilhelmsburg, wo er am 22. September 1772 „in der Haupt Session […]in Höchster Gegenwart Serenissimae Regentis“ als Geheimer Assistenzrat verpflichtetwurde. „Nachdem die Pflicht abgelegt war, wurde mir der Stuhl neben des Herrn Gehei-men Raths von Fritsch Stuhl [angewiesen], linker Hand der Tafel, an welcher oben quervor Serenissima saßen. Es ist dieses Sessions Zimmer das erste der sogenannten Churfürst-lichen Gemächer auf der Gallerie, ist mit seidenen Tapeten, Historien Stücke darstellend,ausgeschlagen und in demselben ein silberner Tisch, Spiegel, guéridons [Beistelltische] undeine große Tafel befindlich.“57

Für die Regierungszeit Anna Amalias von 1759 bis 1774/75 sind diese Verfahrensweiseund die hier genannten Örtlichkeiten für die Tätigkeit des Geheimen Consiliums üblichgewesen. Im Roten Schloss befand sich die Geheime Kanzlei mit der Repositur und derGeheimen Ratsstube, in der die „praeparatorischen Sessionen“ der Geheimen Räte als Vor-bereitung auf die „Haupt Session“ in der Wilhelmsburg abgehalten wurden. Dass zu die-ser Zeit die Beschlussfassungen im Sessionszimmer der Herzogin stattfanden, zeigt auchdas übliche Verfahren, die ausgehenden Weisungen (Reskripte, Dekrete, Ordres) mit An-gabe des Ortes und des Zeitpunktes der Resolution auszufertigen. In dieser Zeit ergingendie Verfügungen der Herzogin „Weimar zur Wilhelmsburg“58, wie sie nach dem Schloss-brand vom 6. Mai 1774, als die kurfürstlichen Gemächer zerstört waren, nunmehr von ih-rem Ausweichquartier im Schloss Belvedere – mit ausdrücklicher Nennung dieses Ausstel-lungsortes in den Ausfertigungen der Weisungen – ausgingen, wohin die Geheimen Räte inden Sommermonaten 1774 zur Hauptsession kommen mussten.59 In den überlieferten Ak-ten über die Behebung der durch den Schlossbrand entstandenen Raumnot60 für die fürst-liche Familie und die Hof- und Regierungsbehörden ist keine Rede davon, dass das Gehei-me Consilium wegen des Brandunglücks neue Räume benötigen würde. Bei der Suchenach anderen Räumlichkeiten für das ärger betroffene Hofmarschallamt, das zwischen-zeitlich mit der herzoglichen Familie in Belvedere untergekommen war, wurden bisherigeBeamtenwohnungen in den benachbarten Schlössern, dem Gelben und dem Roten Schloss,dafür in Betracht gezogen, dabei auch im Roten Schloss „das über den Fürstl. GeheimdenConseil von dem Herrn Hofkammer-Rath [Hieronymus Dietrich] Berendis bis anhero in-nen gehabte Logis“.61 Gemeint sind dessen Wohnräume im Dachgeschoss des RotenSchlosses, die sich somit über der im zweiten Stockwerk gelegenen Geheimen Ratsstubeund der Geheimen Kanzlei mit dem Archiv befanden. Das Hofmarschallamt wurde indes-

31Einführung

56 Ebd., S. 676.57 Ebd.58 Als Beispiel mag das Dekret für Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch vom 22. März 1774 dienen, mit dem

ihm das Direktorium des Kammerkollegiums in Eisenach übertragen wurde. Ausfertigung im SächsischenStaatsarchiv Leipzig, Rittergut Seerhausen Nr. 11, Bl. 30-31.

59 Demzufolge tragen die von ihr in dieser Zeit erlassenen Verfügungen als Ausstellungsort „Belvedere“. AlsBeispiele mögen die beiden Reskripte zur Übernahme des Landschaftshauses vom 13. Juni 1774 an die Kam-mer und das Kassedirektorium dienen. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Bau-sachen B 8903, Bl. 64-66.

60 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Bausachen B 8903 („Geheime Canzley Acta,was wegen des Brandes des hiesigen F.[ürstlichen] Residenz-Schlosses ergangen betr. 1774“).

61 Ebd., Bl. 89.

sen „in demjenigen Theile des gelben Schlosses, welchen die verwittibte Legations-RäthinKotzebue bißhero inne gehabt“, untergebracht.62

Da aber der Hof ein standesgemäßes neues Domizil in der Residenzstadt Weimar benö-tigte, übernahm Herzogin Anna Amalia mit ihren noch unmündigen Prinzen nach derRückkehr aus Belvedere am 28. September 1774 die seit 1769 im Bau befindliche neue Ver-sammlungsstätte der weimarischen Landstände, die inzwischen für die fürstlichen Wohn-bedürfnisse umgebaut worden war. Das „Landschaftshaus“ mutierte damit zum „Fürsten-haus“ und wurde für 28 Jahre zum Hauptschauplatz der gesellschaftlichen Ereignisse inder ersten Hälfte der Regierungszeit Carl Augusts, bis 1803 das wiederaufgebaute Resi-denzschloss erneut bezogen werden konnte. Die veränderte Wohnsituation für die fürst-liche Familie seit dem Schlossbrand von 1774 – sie erweiterte sich im Jahr darauf durch dieHeirat von Carl August und spaltete sich damit auch auf – hat seitdem offenbar keinenRaum für ein besonders repräsentatives fürstliches Sessionszimmer hergegeben. Die ver-witwete Herzogin Anna Amalia hat noch bis zum Regierungsantritt ihres Sohnes die Re-gierungsgeschäfte als Vormünderin und Landesregentin geführt und bezog am 6. Oktober1775 eine neue Unterkunft im künftigen „Wittumspalais“63, das als Stadtpalais für den Ge-heimen Rat Jakob Friedrich von Fritsch 1767 bis 1769 erbaut worden war und nun als ihr„Witthums-Sitz“ ebenfalls zu einem Schauplatz kultureller Ereignisse wurde, der als „Mu-senhof“ in die Literatur einging. Der regierende Herzog Carl August traf nach seiner inKarlsruhe vollzogenen Vermählung mit der Prinzessin Luise von Hessen-Darmstadt am17. Oktober 1775 wieder in Weimar ein.64

Die zuvor erfolgte Übertragung der Landesherrschaft an seinem 18. Geburtstag am3. September 1775 hatte im neuen Audienzzimmer der bisherigen Landesregentin AnnaAmalia im Landschaftshaus, dem neuen Fürstenhaus, stattgefunden. Christian FriedrichSchnauß hat dazu in seinen Erinnerungen festgehalten: „[…] da dann der bisherigen Her-zogin Regentin Hochfürstliche Durchlaucht in dem Sessions-Zimmer des Geheimen Con-silii die membra desselben und die Chefs derer Collegiorum auch Hof-Ämter vorfordernlassen und nach einer kurzen Rede die Regierung, welche Höchstdieselben bei 16 Jahre mitgroßem Ruhm geführet, an Ihren Herrn Sohn übergaben und abtraten, worauf der Herzogsolche nach abgestatteter rührender Danksagung annahmen […].“65 Das Fourierbuchdokumentiert das dazu aufgestellte Reglement für die Volljährigkeitserklärung des Erb-prinzen und nennt die Herren „Ministres und Chefs“, die bei der Übergabe der Regierungim Audienzzimmer zugegen waren, was „in verschloßenen Thüren geschah“: der Ober-marschall Friedrich Hartmann von Witzleben, vom bisherigen Geheimen Consilium derGeheime Rat Jakob Friedrich von Fritsch, sowie die Geheimen Assistenzräte AchatiusLudwig Carl Schmid und Christian Friedrich Schnauß, der Kammerpräsident Carl Alexan-der von Kalb, der Oberforstmeister August Wilhelm Ferdinand von Staff, der Land-

32 Geheimes Consilium 1776–1786

62 Ebd., Bl. 83.63 Fourierbuch 1775. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hofmarschallamt Nr. 2524, S. 228.64 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie

Anm. 16), S. 681. Siehe auch Fourierbuch 1775 (wie Anm. 63), S. 233.65 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie

Anm. 16), S. 680-681.

schaftskassedirektor Johann Siegmund von Oppel, vom Militär die Obristen JohannMaximilian Albrecht von Lasberg und Christian Friedrich von Raschau, der Oberkonsis-torialpräsident Carl Friedrich Ernst Freiherr von Lyncker und der Geheime Rat FriedrichGünther von Kaufberg.66 Die Aussage von Schnauß, dass die feierliche Übertragung derRegierung auf Carl August im „Sessions-Zimmer des Geheimen Consilii“ stattgefundenhabe, das im Fourierbuch als das Audienzzimmer der Herzogin ausgewiesen wird, lässtden Schluss zu, dass diese auch nach dem Bezug des Landschaftshauses wie schon bisherdie beschließenden Hauptsessionen in ihrer unmittelbaren Nähe – vom Mai bis September1774 im Schloss Belvedere, daran anschließend, aber wiederum unterbrochen durch denfolgenden Sommeraufenthalt des Hofes in Belvedere, bis zur Regierungsübergabe im Sep-tember 1775 im nunmehrigen Fürstenhaus – ausrichtete, während die Geheimen Räteweiterhin ihre präparatorischen Sessionen in der Geheimen Ratsstube im Roten Schloss inder Nachbarschaft der Geheimen Kanzlei abhielten.

Nachdem am 3. September 1775 die Regierungsübergabe stattgefunden hatte, verla-gerte sich die Tätigkeit des Geheimen Consiliums unter Herzog Carl August allerdingskomplett in das Rote Schloss, wo sich im zweiten Stockwerk des Westflügels mit demBlick zum Markt das behördliche Raumensemble der Geheimen Ratsstube mit Kanzleiund Archiv (Repositur) befand. Erst nach dem Abschluss der Wiederaufbauarbeiten unddem 1803 erfolgten Einzug der fürstlichen Familie stand die Verlagerung der bisherigenGeheimen Ratsstube in das Residenzschloss bevor. Das neue Geschäftslokal der GeheimenKanzlei mit Sessions-, Expeditions- und Kanzleiräumen befand sich seitdem in der zwei-ten Etage des Ostflügels und schloss sich an der Hofseite unmittelbar an die WohnräumeCarl Augusts an.

33Einführung

66 Fourierbuch 1775 (wie Anm. 63), S. 189.

Organisation und Arbeitsweise des Geheimen Consiliums und der Geheimen Kanzleiunter Herzog Carl August 1776 bis 1786

Die seit dem absoluten Ministerregiment des Grafen Bünau und der Kanzleipraxis seineraus Eisenach mitgebrachten Beamten entwickelte Arbeitsweise im neuen Geheimen Con-silium in Weimar war nach dem kurzen Intermezzo unter Ernst August Constantin auchwährend der Regentschaft Anna Amalias in ihren Grundzügen fortgesetzt worden. DasFehlen einer verbindlichen Geschäftsordnung ist auch für die hier behandelte Zeit der Re-gierungstätigkeit von Herzog Carl August zu konstatieren. Willy Flach hat seine Erkennt-nisse über Funktion und Tätigkeit des Geheimen Ratskollegiums und der GeheimenKanzlei deshalb vor allem aus dem Befund des überlieferten schriftlichen Niederschlagsder Arbeit dieser Institutionen gewonnen.67 Dabei wurde von ihm festgestellt, dass „beidem bereits sehr umfangreich und differenziert gewordenen Regierungsgeschäft“68 keines-falls alle Verwaltungsaufgaben des Staates im Geheimen Consilium behandelt und ent-schieden wurden. Bei dieser Landeszentralbehörde liefen allerdings alle diejenigen Ange-legenheiten zusammen, die an den Herzog direkt herangetragen wurden bzw. seinerunmittelbaren Entscheidung vorbehalten waren, wobei er sich im Geheimen Consiliumvon seinen Geheimen Räten in der Entscheidungsfindung beraten ließ. Es ist dies das ei-gentliche Geschäft dieses Kollegiums in den „drei Stufen des Referierens, des Votierensund des Resolvierens“69 in mündlicher Verhandlung in der Geheimen Ratsstube. Vortrag,Stellungnahme dazu und Beschlussfassung waren die immer wiederkehrenden Abläufe ei-nes solchen Beratungsgeschäftes im Dienste des Landesherrn. Bei dieser „collegialiter“ausgeübten Tätigkeit kam es also weniger auf die Arbeit des einzelnen Beamten als viel-mehr auf die Zusammenarbeit unter ihnen und mit dem Herzog an. Das setzte sich dann inder nachgelagerten Phase der Revision der Konzepte für ausgehende landesherrliche Wei-sungen fort, in der die Geheimen Räte mit ihrer Signatur, der Revisionssigle, die Resolu-tion aus der Sitzung bestätigten. In den Amtseiden wurden die mit Sitz und Stimme in dasGeheime Consilium berufenen Geheimen Räte, Assistenzräte und Legationsräte daraufverpflichtet, bei ihren Ratschlüssen und Voten das Interesse des Herzogs und des Landesim Auge zu haben und ihre Ratschläge und Stimmen jederzeit freimütig und unparteiischohne Furcht und Nebenabsichten abzulegen.

Das Geheime Consilium war in dieser Funktion kein ausführendes Organ der Landes-administration. Es übte seine beratende und beschließende Tätigkeit auf der Grundlagevon eingehenden Berichten der Fachkollegien des Landes oder von auswärtigen Korres-pondenzen und Eingaben, die an den Herzog gerichtet waren, aus. Auf dem Wege derSchriftlichkeit gelangten die Ergebnisse der Beratungen und Entscheidungen als landes-

34 Geheimes Consilium 1776–1786

67 Die nachfolgend dargebotenen Erläuterungen zur Arbeitsweise des Geheimen Ratskollegiums und der spe-zifischen Aufgaben der Geheimen Kanzlei folgen weitgehend den Forschungsergebnissen von Willy Flachund lassen ihn selbst ausführlich zu Wort kommen, wo ein bloßes Referieren seiner kompakten Darstellungin der Einleitung der Edition „Goethes Amtliche Schriften“ durch den Herausgeber zur Erklärung und Ver-deutlichung der Problematik nicht ausgereicht hätte. Die Zitation bezieht sich auf die erneute Veröffentli-chung von 1952; Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1).

68 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 47.69 Ebd., S. 52.

herrliche Befehle zur Ausführung an die dafür zuständige Verwaltungsbehörde oder alsMeinungsäußerung bzw. als Antwort nach außerhalb des Landes. Nur in besonderen Fäl-len wurden bestimmte Angelegenheiten durch einen Geheimen Rat in Form eines Privat-schreibens erledigt. Die Einrichtung, in der sich diese Beratungstätigkeit abspielte, warendie regelmäßig stattfindenden ordentlichen (ordinairen) Sessionen, zu denen die GeheimenRatsmitglieder wöchentlich mindestens einmal, bisweilen auch zwei- oder dreimal zu-sammenkamen. Sie begannen um 10 Uhr und waren nach Zahl und Umfang der zu behan-delnden Gegenstände von verschieden langer Dauer. An einzelnen Tagen waren die Gehei-men Räte oder auch nur einer von ihnen – Goethe war eine solche bevorzugte Ausnahme– zur Mittagstafel des Hofes im Fürstenhaus geladen. Neben den ordentlichen Sitzungenwurden bei besonders dringenden Anlässen zusätzlich außerordentliche (extraordinaire)Sessionen einberufen.70 Diese Zahl ist aber begrenzt gewesen. In Einzelfällen, wobei Zeitund Anlass sehr verschieden sind, wurden in den Geschäftsbereich des Geheimen Consili-ums fallende und vordringlich zu behandelnde Vorgänge zwischen den Sessionstagen oderan einem Wochenende auch durch Umläufe erledigt, indem der Entwurf (Konzept) für ei-ne Weisung (Reskript, Dekret oder Ordre), verfasst von einem Geheimen Rat oder vomGeheimen Referendar, durch Kanzleipersonal in die Wohnungen der Geheimen Räte zurBegutachtung und Signierung gebracht und nach der Reinschrift dem Herzog zum Vollzugder Ausfertigung durch seine Unterschriftsleistung vorgelegt wurde. Auch diese Form derErledigung von Geschäftsvorfällen wird in der Regestausgabe nachgewiesen.

Das Geheime Ratskollegium kam auch dann zusammen, wenn der Herzog durch Rei-sen und andere Abhaltungen nicht an einer oder mehreren Sessionen teilnahm. Das war ingrößerem Maße der Fall, als Carl August und Goethe im Herbst 1779 zu einer längerenReise in die Schweiz aufbrachen, von der sie erst im Frühjahr 1780 zurückkehrten. Für sol-che Situationen gab es das schon zuvor von Herzogin Anna Amalia praktizierte Verfah-ren71, von den resolvierenden Geheimen Räten Auftragsreskripte ausfertigen zu lassen, diedann mit der Formel „Ad Mandatum Serenissimi Speciale“ und ihrer Unterschriftsleistungnebeneinander abschlossen. Auch Herzog Carl August hatte nach Antritt seiner Regie-rung, allerdings erst mehr als ein Jahr später, in verschiedenen Reskripten an die Landes-behörden deren Gültigkeit als landesherrlicher Wille bestätigt und seine Beamten in derLandesadministration zur Beachtung angewiesen. Aber nicht alle Geschäftsvorfälle konn-ten die Geheimen Räte selbst erledigen, da es natürlich auch solche gab, in denen allein derHerzog entscheiden konnte und musste. Christian Friedrich Schnauß überliefert uns inseinen „Erinnerungen“ eine Situation aus dem Jahr 1785, als er im Sommer dieses Jahres,während der Herzog erstmals mit seiner Gemahlin für längere Zeit zu einem Kuraufent-halt in Aachen, Spa und Pyrmont weilte, der Geheime Rat von Fritsch wie gewöhnlich sei-nen Urlaub auf den Familiengütern in Seerhausen (bei Riesa) und Goddula (bei Merse-burg) verbrachte und Goethe schon nicht mehr regelmäßig an den Sessionen teilnahm,

35Einführung

70 Siehe dazu das in der Regestausgabe enthaltene Kalendarium, das diese Sessionen im Unterschied zu demvon Flach veröffentlichten Sessionskalender ausdrücklich nachweist.

71 Dazu liegen Reskripte von Anna Amalia vom 7. Mai 1765 und 3. Mai 1771 vor. Thüringisches Hauptstaats-archiv Weimar, Eisenacher Archiv, Dienersachen Nr. 262, Bl. 13 und 17; B 1181, Bl. 1.

allein mit Johann Christoph Schmidt in der Geheimen Ratsstube zu entscheiden hatte: „ImGeheimen-Raths Collegio war Niemand weiter vorhanden als ich, und der Herr geheimeAssistenz Rath Schmidt, welche die Sesssions forthielten und ad mandatum Serenissimi ex-pedirten, außer was sehr wichtig oder Gnaden-Sachen waren, die zum Theil ad Serenissi-mum eingeschickt oder bis zur Zurückkunft ausgesetzt wurden.“72

Die Anweisung zur Ausfertigung von Auftragsreskripten durch die Geheimen Räteselbst wurde allerdings nicht sofort nach der Regierungsübernahme von Carl August prak-tiziert. Bevor der Herzog im Herbst 1775 zu seiner Hochzeit nach Karlsruhe aufbrach,hatte er seine Mutter gebeten, in der Zeit seiner Abwesenheit „denen Sessionen unsers Ge-heimden Consilii mit beyzuwohnen und bey selbigen Unsere Stelle zu vertreten, auch die,wegen der vorkommenden Angelegenheiten, in Unserm Nahmen zu erlaßende Expeditio-nes, in Vollmacht von Uns, zu unterschreiben und zu vollziehen.“73 Wir wissen nicht, obes in der Anfangszeit seiner Regierung noch mangelndes Vertrauen des jungen Regenten inseine Geheimen Räte war, sich so zu verhalten. Es kann auch noch einmal ein besonderesZeichen an seine Mutter gewesen sein, die sich nach der vollzogenen Eheschließung desSohnes endgültig aus dem Fürstenhaus verabschiedete und noch vor dessen Rückkehr ihr„Wittumspalais“ bezog und damit endgültig der Last des Regierens ledig war. Danach hatHerzog Carl August regelmäßig den Sessionen des Geheimen Consiliums beigewohnt.Erst ein Jahr später, bevor er im Dezember 1776 eine größere Reise nach Leipzig, Wörlitzund Dessau – übrigens zusammen mit Goethe – antrat, sah er sich gezwungen, wie bereitsunter der Regentschaft seiner Mutter praktiziert, die Form des Auftragsreskripts einzu-führen. Am 29. November 1776 ließ er deshalb eine Generalinstruktion an die Behörden inWeimar und Eisenach sowie an die Militärbefehlshaber ergehen, wie künftig bei seiner Ab-wesenheit zu verfahren wäre: „Da sich der Fall verschiedentlich ereignet, daß Wir auf einerReise oder sonst von unserer Residenz abwesend sind; dabey aber Unsere Intention ist,daß die Geschäfte keinen Aufenthalt leiden sollen; Alß haben Wir die Entschließung ge-faßt, daß ins künftige bey solchen Gelgenheiten die bey Unserm Geheimden Consilio vor-fallende nöthige Expeditionen inzwischen ad mandatum nostrum speciale ausgefertigetwerden sollen.“ Er wies die unterstellten Verwaltungen an, solche eingehenden Auftrags-reskripte der Geheimen Räte „ebenso, als wenn solche von Uns selbst unterschrieben wor-den, in allen Stücken gehörig befolgen, auch mittler Zeit [= mittlerweile] mit Erstattungder erforderten Berichte und mit denen sonst nöthigen Ausfertigungen fortfahren.“74

Die Sessionen fanden in den bereits vorgestellten Geschäftsräumen des Geheimen Con-siliums im Roten Schloss statt, zu denen neben der Geheimen Ratsstube die Kanzlei unddie Repositur für die Aufbewahrung der Geheimen Kanzleiakten und der beigezogenenAkten anderer Behörden gehörten. In dem Zeitraum von Goethes Einführung in das Ge-

36 Geheimes Consilium 1776–1786

72 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wieAnm. 16), S. 688-689.

73 Reskript Carl Augusts an die Regierung zu Weimar vom 15. September 1775. Thüringisches Hauptstaats-archiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 1181, Bl. 3.

74 Siehe Regest Nr. 1078; hier zitiert nach der Ausfertigung an die Regierung zu Weimar. ThüringischesHauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 1181, Bl. 5; das Konzept B 676, Bl. 2. Ein Beispielfür ein solches Auftragsreskript, „Ad Mandatum Serenissimi Speciale“ von Fritsch, Schnauß und Goetheunterschrieben, vom 17. Dezember 1777 im Abbildungsteil der Regestausgabe, Abbildung 21.

heime Consilium im Juni 1776 bis zu dessen Aufbruch nach Italien im Juli 1786 gab es dreiaußergewöhnlicher Situationen, in denen das Geheime Consilium nicht geschlossen amgewöhnlichen Versammlungsort des Geheimen Consiliums in der Residenzstadt Weimartagte. Am ungewöhnlichsten ist die Lage im Juli/August 1776, als der Herzog die ersteInitiative für die Wiederingangsetzung des Ilmenauer Kupferschieferbergbaus startete undmit einer ausgewählten Hofgesellschaft in Ilmenau weilte, wohin der sächsische Bergsach-verständige Friedrich Wilhelm von Trebra aus Marienberg zwecks Untersuchung der Be-dingungen dafür gebeten worden war.75 Hier weilte vom 18. Juli bis 14. August 1776 alsReisebegleiter des Landesherrn auch der erst einen Monat zuvor in das Geheime Consi-lium aufgenommene Legationsrat Goethe und in den ersten drei Tagen auch Jakob Fried-rich Freiherr von Fritsch.76 Bisher sind die in diesem Zeitraum ergangenen Resolutionen inden nachgewiesenen sieben Sessionen (sechs ordinairen und einer extraordinairen Session)so behandelt worden, als ob der Herzog und alle Geheimen Ratsmitglieder in der Gehei-men Ratsstube im Roten Schloss anwesend gewesen wären und resolviert hätten. Tatsäch-lich haben aber nur die Geheimen Räte von Fritsch und Schnauß die Sessionen vom 22. Julibis 13. August 1776 bestritten und vorderhand resolviert. Danach wurden die Konzeptemittels Boten zum Signieren durch den Herzog und Goethe nach Ilmenau gebracht, undauch die Reinschriften wurden auf dem gleichen Weg zu Carl August nach Ilmenau beför-dert, damit sie der Herzog durch seine Unterschrift vollziehen konnte, bevor sie von derGeheimen Kanzlei in Weimar an die Empfänger expediert wurden. Darüber unterrichtetein Brief von Goethe aus Stützerbach bei Ilmenau an den Geheimen Rat von Fritsch inWeimar vom 3. August 1776: „Aus dem geliebten Stüzzerbach schick ich Ihnen besterHerr Geheimder Rath die unterschriebnen und vollzognen Papiere zurück, fahren Sie fortmir das nötige zuzufertigen, und ich will meine Expedition ambulante bestmöglichst be-sorgen. Ich hab einen freundlich herzlichen Grus von Ihro Durchlaucht an Sie; wann wirzurückkommen ist ungewiss […] Unser College Schnaus wird auch von Ihro Durchlauchtgegrüsst und mich empfehlen Sie ihm vielmals. Seyn Ihro Excellenz so gütig bey künftigenSendungen sich des ledernen Sacks mit dem Riemen des bequemeren Transports wegen zubedienen.“77 Und auf der Anschriftenseite war von Goethe vermerkt: „An des Herrn Ge-heimderath v. Fritsch Excellz. durch Husar mit einer ledernen Brieftasche nach Weimar.“Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch erhielt Goethes Brief am folgenden Tag ausgehändigt,wie sein Präsentationsvermerk bezeugt.78

37Einführung

75 Zum Gesamtvorgang siehe Volker Wahl, Die Ilmenauer Bergwerkskommission als Immediatkommission inder Behördenorganisation von Sachsen-Weimar-Eisenach (wie Anm. 47) sowie die Dokumentation zurAusstellung Goethes Amtstätigkeit für den Ilmenauer Bergbau. Bearbeitet von Claudia Fiala, Jens Riedererund Volker Wahl. Ilmenau 1998.

76 Fritsch war in Ilmenau anwesend und gehörte mit zu den Unterzeichnern der ersten Subskriptionsliste vom20. Juli 1776 für künftige Berganteile (Kuxen) am Ilmenauer Bergbau nach dessen Wiederaufnahme. DerSubskriptionsaufruf mit der Liste der Subskribenten vom 20. Juli 1776 im Thüringischen HauptstaatsarchivWeimar, Sammlung Historische Schriften und Drucke F 193, Bl. 59-61. Siehe dazu Volker Wahl, Die Ilme-nauer Bergwerkskommission als Immediatkommission in der Behördenorganisation von Sachsen-Weimar-Eisenach (wie Anm. 47), S. 160.

77 Goethes Werke WA IV, 3, S. 92.78 Ebd., S. 287.

Das spätere Verfahren des Auftragsreskripts, indem die bei Abwesenheit des Herzogsresolvierenden Geheimen Räte selbst „Ad Mandatum Serenissimi Speciale“ unterschrie-ben, war – wie zuvor geschildert – hier noch nicht in Gang gesetzt worden. Es blieb eineAusnahmesituation, dass dem abwesenden Herzog – und einem seiner Geheimen Räte –Konzepte und Reinschriften zur Signierung bzw. Vollziehung hinterhergeschickt wurden,wobei Goethe als Vermittler zum Herzog auftrat. Andererseits sind hier zwei andere Situ-ationen ausdrücklich zu erwähnen, in denen das Geheime Consilium selbst auswärts tagte,als Carl August mit seinen Geheimen Ratsmitgliedern zum Ausschusstag der Eisenachi-schen Landstände (September 1777) sowie mit seiner Familie, seinen wichtigsten Beamtenund weiteren Mitgliedern der Hofgesellschaft zum „Hoflager“ und Landesausschusstag inEisenach (Juni/Juli 1784) weilte. So wurden im Laufe des Monats September 1777 drei or-dentliche (13., 18. und 30. September) und zwei außerordentliche Sessionen (8. und 22.September) in Eisenach abgehalten, der Ausschusstag selbst fand am 8. September 1778statt. Während des „Hoflagers in Eisenach“ im Sommer 1784 trafen sich der Herzog undseine Geheimen Räte mehrfach zu solchen Sitzungen, in neun ordinairen (8., 11., 15., 18.,22., 25. und 30. Juni, 5. und 6. Juli) und in zwei extraordinairen Sessionen (7. und 10. Juni).

Den gewöhnlichen Ablauf der Sessionen im Roten Schloss hat Willy Flach in notwen-diger Klarheit dargestellt, so dass an dieser Stelle ein größerer Auszug darüber unterrich-ten soll: „Die Tagesordnungen dieser Sessionen waren zunächst durch die vom Herzogoder aus dem Consilium heraus angeregten Gegenstände – die sogenannten Sachen ohneVorgang oder die ex officio-Angelegenheiten – , im wesentlichen aber durch die zur Ver-handlung kommenden Eingänge bestimmt. Diese beim Herzog selbst oder bei der Kanzleieingelaufenen, im letzteren Falle vom Vorsitzenden des Consiliums Fritsch erbrochenen,von ihm oder einem Beauftragten mit Präsentationsvermerk versehenen, in der Kanzleivon den Sekretären in die uns nicht erhaltene Eingangsregistrande eingetragenen, dann aneinen der Geheimen Räte als Referenten ausgeteilten Schreiben wurden von diesem unterHeranziehung der Vorakten in häuslicher Arbeit präpariert und in der Sitzung zum münd-lichen Vortrag gebracht. Die eingegangenen Schreiben waren verschiedener Art. Im Be-reich der Beziehungen des Landes nach außen liefen Fürstenschreiben, Kommunikations-schreiben auswärtiger Behörden, Berichte und Relationen der von Sachsen-Weimar beiden Reichseinrichtungen, beim Kaiserlichen Hof in Wien, beim Reichstag, beim Reichs-kammergericht und beim Fränkischen Reichskreis unterhaltenen Gesandten und Agentenein. Die unmittelbaren Beziehungen des Landesherrn zu den Untertanen veranlaßten eineZahl von Supplikationsschreiben, von Bittgesuchen, die von Einzelpersonen eingereichtwurden. Die Hauptmasse des Einlaufs bildeten aber die der inneren Landesverwaltungentstammenden Berichte oder Promemorien der höheren Landesbehörden, die direkt mitdem Herzog und dem Consilium verkehren durften: die Regierungen, die Kammern unddie Konsistorien in Weimar und Eisenach, die Landschaftskassedirektorien, das Hofmar-schallamt, die Universität und das Hofgericht in Jena und die selbständigen Kommissionenwie Kriegskommission, Generalpolizeidirektion, Brand-Assekurations-Deputation u. ä.;diesen Berichten entsprachen im Bereich des Militärs die Rapporte der Befehlshaber. DerInhalt dieser verschiedenartigen Eingänge bildete also den Gegenstand des Vortrags derMitglieder des Consiliums. […] Dem Vortrag des Referenten folgte in den Sessionen als

38 Geheimes Consilium 1776–1786

zweite Stufe des beratenden Geschäftes das Votieren, die Meinungsäußerung jedes einzel-nen der anwesenden Räte zu dem vorgetragenen Gegenstand und dem vom Referenten amSchluß seines Vortrags abgegebenen Vorschlag für die Entscheidung und Erledigung derSache. Diese Stellungnahme konnte naturgemäß außerordentlich verschieden sein, zwei-felnd oder bestätigend, ergänzend oder berichtigend, ablehnend oder zustimmend, und esmag bei dem Meinungsaustausch mehr als einmal zur Erhitzung der Gemüter, zur ‚dum-men Luft‘79 im Consilium gekommen sein. Auf alle Fälle aber diente die Ablegung derVoten dem Zweck, aus den so für die Lösung der aufgeworfenen Frage gewiesenen Mög-lichkeiten die beste herauszufinden. So leitete das Votieren der Räte dann von selbst zurdritten Stufe der Beratung in der Session über, zum Resolvieren oder Beschließen des Fal-les, und das Endergebnis war die Resolution, der die Sache entscheidende und ihre ge-schäftsmäßige Erledigung anordnende Beschluß, der nach dem in Kollegialbehörden derZeit üblichen Brauch, wie er für Weimar durch die oben genannten Ordnungen und In-struktionen von 1642 bis 1758 bestätigt wird, ein Mehrheitsbeschluß der Räte sein sollte,der in der Tat aber wohl immer, wenn der Herzog anwesend war, in letzter Linie von sei-ner Entscheidung abhing.“80

Auf diese Weise war die Tätigkeit des Geheimen Ratskollegiums nahezu unbeschränkt,weil hier nicht nur die großen Fragen der Politik verhandelt und entschieden wurden.Beraten und zur Entscheidung gebracht wurden auch in mannigfacher Art die in die Tau-sende gehenden kleinen Anliegen des Landes und seiner Bewohner. Der kollegialischeCharakter des Geheimen Consiliums bedingte die vielseitige Beteiligung eines jeden Mit-gliedes am gesamten Geschäftsumfang. In ihrer Gesamtheit trugen sie die Verantwortunggegenüber dem Landesherrn. „Kampfabstimmungen“ mit dem Herzog sind insofern aus-geschlossen gewesen. Helma Dahl hat durchaus richtig erkannt: „Solange der Herzogselbst an der Arbeit des Conseils teilnahm, hatte die Stimme eines votierenden Ministersdas Gewicht, das Carl August ihr gab. Bei seiner Abwesenheit aber wog jede nur ein Drit-tel bzw. ein Viertel.“81 Noch etwas ist in diesem Zusammenhang klarzustellen. Auch wennRechts- und Gerichtswesen ein Arbeitsgebiet des Geheimen Consiliums war, ist die Spitzeder Landesadministration als Gerichtsbehörde für Einzelfälle niemals tätig gewesen. DerLandesherr hat allerdings den Rat der Mitglieder des Geheimen Consiliums eingeholt,wenn er gefordert wurde, die von einem Schöppenstuhl als Spruchkollegium ergangenenTodesurteile in Strafrechtsfällen zu bestätigen oder als Gnadenerweis abzuändern, wobeidie Resolution allein bei ihm lag. Doch das Geheime Consilium war kein „Justiz- oderRechts-Collegium“, wie die Regierung, in deren Kompetenz „Fragen, die aus dem pein-lichen Recht entschieden werden müssen“, und andere rechtliche Gutachten gehörten.Darauf wies der Geheime Rat Christian Friedrich Schnauß in seinem Votum vom 26. Ok-tober 1783 hin, nachdem die Mitglieder des Geheimen Consiliums in einer besonderen

39Einführung

79 In seinem Tagebuch notierte Goethe zum 1. Februar 1779: „Conseil. Dumme Luft drinne. Fataler Humorvon Fr.[itsch] [Herzog] zu viel gesprochen.“ Johann Wolfgang Goethe Tagebücher Band I,1, S. 74. Siehedazu die Erläuterungen von Willy Flach, Goethe im Februar 1779. Ein Beitrag zur Chronik von GoethesLeben. In: Festschrift für Leopold Magon zum 70. Geburtstag am 4. April 1957. Berlin 1958, S. 182-183.

80 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 52-55.81 Helma Dahl, Einleitung zu Goethes Amtliche Schriften II,1, S. 46.

Situation von Herzog Carl August angehalten worden waren, schriftlich zur Frage der Ab-schaffung der Todesstrafe bei Kindsmord Stellung zu nehmen.82

Über die Sessionen dieses Kollegiums wurden generell keine Protokolle geführt. Diegelegentlich vorkommenden „Extractus Protocolli“ waren eine spezielle Form der ausdem Geheimen Consilium übermittelten Weisungen des Herzogs oder des Consiliums imunpersönlichen Stil an landesherrliche Behörden und sind nicht als Auszug aus einer fikti-ven Sitzungsniederschrift zu verstehen.83 Andererseits wurden natürlich auch bei be-stimmten einzelnen Handlungen oder Verfahren, insbesondere auch bei Beratungen vonrechtlicher und politischer Bedeutung, von den Geheimen Sekretären Protokolle angefer-tigt84, aber nie von einer ordentlichen Session in ihrem gesamten Ablauf, bei dem die Zahlder erledigten Geschäftsvorfälle leicht das halbe Hundert erreichen konnte. An die Stelleder unterlassenen Protokollierung trat die Führung von Resolutionsregistranden durchden Geheimen Referendar und bei seiner Verhinderung durch den Geheimen Sekretär, dieaber für die Zeit von 1776 bis 1786 nicht durchgehend überliefert sind.85 In ihnen ist „inknappster, aber verständlicher Form die aus dem Geschäft des Votierens, das sie allerdingsin keiner Weise erkennen lassen, herausgewachsene Resolution“ festgehalten, so dass sieden Charakter von Geheimen Rats-Protokollen erhalten haben.86 Aber das hier festgehal-tene Ergebnis des „Resolvierens“ lässt nicht den Anteil des einzelnen Geheimen Ratsmit-gliedes erkennen. Die Anzahl ihrer schriftlich überlieferten Voten und von anderen gut-achtlichen Äußerungen, aus denen Auffassungen und Entscheidungsgründe in einzelnenFragen zu erkennen sind, bleiben indessen verschwindend gering. An solchen Zahlen sinddie Tätigkeit des Geheimen Consiliums und der Anteil eines jeden Mitglieds mit Sicherheitnicht zu messen.87

Im Allgemeinen erfolgte das „Votieren“ und „Resolvieren“ nach dem mündlichen Vor-trag in der Session, so dass die beratende Tätigkeit in erheblichem Umfang in den Sitzun-gen geleistet wurde. Die Hauptaufgabe der Mitglieder des Geheimen Consiliums bestandzunächst in der Beratung des Herzogs im Rahmen der Erörterung der zu entscheidendenGeschäftsvorfälle. Dass sich daran die Besorgung weiterer Geschäfte – sei es mittels Privat-

40 Geheimes Consilium 1776–1786

82 Das Votum in Goethes Amtliche Schriften I, S. 247-251. Zum Gesamtvorgang siehe Volker Wahl, „Das Kindin meinem Leib“. Sittlichkeitsdelikte und Kindsmord in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August. Wei-mar 2004, S. 102-106.

83 Beispiele: Abbildung 15a-b der Regestausgabe.84 Beispiele in Goethes Amtliche Schriften I; bei Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte

(wie Anm. 1), S. 102 werden 20 genannt, die dort ediert sind. Siehe zum Beispiel das Protokoll der Beratungzwecks Vorbereitung der Konferenz mit Sachsen-Meiningen wegen der Zillbacher Holzabgabesache inner-halb der Session des Geheimen Consiliums am 12. Januar 1781 (Regest Nr. 9265; Abdruck in Goethes Amt-liche Schriften I, S. 130-131). Auch das ausführliche Protokoll aus der Session am 9. Februar 1779 zurFrage der Zulassung oder Ablehnung preußischer Truppenwerbungen im Land (Regest Nr. 5496; Abdruckin Goethes Amtliche Schriften I, S. 52-56) ist nur ein Tagesordnungspunkt dieser Sitzung.

85 Zur Überlieferung siehe unten das Kapitel Zur Überlieferung und zur Edition.86 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 57.87 Das Beispiel von Goethe liefert dafür einen schlagenden Beweis. Willy Flachs Edition seiner Amtlichen

Schriften hat aus dem Gesamtkorpus der Überlieferung zum Geheimen Consilium insgesamt 51 schriftlichfixierte Voten von ihm zwischen 1777 und 1786 herausgefiltert, die überwiegend neben denen seiner Kolle-gen stehen. Die jetzt feststehende Gesamtzahl von 14741 Tagesordnungspunkte, die Goethe in 527 Sessio-nen zwischen 1776 und 1785 mitberaten hat, zeigt das überdeutlich.

schreiben oder weiterer Handlungen (gründliche Erörterung, Untersuchung an Ort undStelle, Verhandlung mit anderen Personen) – außerhalb der Geheimen Ratsstube anschloss,war nicht ungewöhnlich. Kommissarische Spezialaufträge hatten oft schriftliche Bericht-erstattung zur Folge, so dass solche Berichte in Form eines „Promemorias“88 wiederumGegenstand der Beratung im Geheimen Consilium sein konnten. Willy Flach hat geurteilt,dass ihrem Wesen nach „diese kommissionsweise erledigten Geschäfte auch nur Ausflußder beratenden Funktion des Geheimen Consiliums und seiner Mitglieder“ waren.89 Aufjeden Fall ist ein solcher begrenzter Auftrag in der Form einer Spezialkommission von denständigen behördenmäßig organisierten Immediatkommissionen deutlich zu unterschei-den.90

Auch über den weiteren Ablauf bei der Erledigung der Geschäfte, die das GeheimeConsilium passiert hatten, lassen wir erneut Willy Flach zu Wort kommen: „Wenn die imGeheimen Consilium durch mündliche Verhandlung, durch Referat und Votum festge-stellte Resolution nicht etwa von vornherein zu dem Ergebnis führte, daß die Angelegen-heit als erledigt zu betrachten und der Vorgang daher ad acta zu nehmen oder beizulegensei, und wenn nicht etwa das Consilium dabei sich für unzuständig erklärte und die ohneweitere schriftliche Formalitäten vorzunehmende Abgabe des Eingangs an die zuständigeKollegialbehörde zur weiteren Erledigung durch diese verfügte, wenn vielmehr in der beiweitem überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine sachlich entscheidende und geschäftsmä-ßig richtunggebende Resolution gefaßt wurde, so bedurfte diese nun, um nach außen be-kannt und wirksam zu werden, der schriftlichen Formulierung. An dieser Stelle setzt ne-ben der Tätigkeit des Consiliums und seiner Geheimen Räte die Mitwirkung derGeheimen Kanzlei ein, denn deren Aufgabe war die Erledigung der schriftlichen Arbeitenvon der Herstellung der Konzepte bis zur vollzogenen Reinschrift. Zum Verständnis derTätigkeit des Geheimen Consiliums und der Mitarbeit Goethes, insbesondere für eine zu-treffende und kritische Beurteilung und Bewertung seiner in diesem Rahmen entstandenenamtlichen Schriften, ist die Kenntnis der Kanzleigeschäfte, der verschiedenen Arten unddes Werdegangs der schriftlichen Verlautbarungen dieses Kollegiums von gleicher Bedeu-tung wie die der mündlichen Geschäfte in den Sessionen.“91

Auf die Formen, in denen die schriftliche Kommunikation des Geheimen Consiliumserfolgte, muss hier kurz eingegangen werden, weil die historischen Bezeichnungen dieser„Aktenstilformen“ in den Regesten verwendet werden. Dabei ist zu betonen, dass „in derRegel alle Schreiben in einer Fassung aus der Kanzlei heraus[gingen], die sie als unmittel-bare und persönliche Schreiben des Herzogs vorstellte. Wie alle beratende Arbeit im Con-silium dem Ziel diente, die aus sachlicher Erörterung und fachlichem Wissen der Gehei-

41Einführung

88 Beispiel im Abbildungsteil Goethes Promemoria vom 4. März 1784 zu dem ihm erteilten Spezialauftrag derErwerbung der Bibliothek des Göttinger Professors Christian Wilhelm Büttner, Abbildung 22.

89 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 58.90 Die früheste Spezialkommission ist die 1776 eingesetzte „Commission zu Regulirung der neuen Hof- und

Stall-Cassen-Etats“ (Goethes Amtliche Schriften I, S. 9), aber auch das Herauswachsen der späteren Ilme-nauer Bergwerkskommission aus einem Spezialauftrag zwecks Verhandlung über die Ablösung der altenAnsprüche an das Bergwerk in Ilmenau in der Sitzung des Geheimen Consiliums am 18. Februar 177(Regest Nr. 1577) an Goethe und den Kammerpräsidenten von Kalb gehört als Beispiel dazu.

91 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 58.

men Räte entspringende Resolution als ein Erzeugnis landesfürstlicher Weisheit und lan-desherrlicher Gnade erscheinen zu lassen, so mußte die Tätigkeit der Geheimen Kanzleibei allem Schreibwerk darauf eingestellt sein, den Herzog als Träger alles staatlichen Le-bens und jeden einzelnen Fall als Ausfluß seiner monarchischen Hoheit darzustellen.“92

Da alle Landesbehörden dem Geheimen Consilium nachgeordnet waren, sind die an siegerichteten „Kanzleischreiben“ in verwaltungsmäßigen, jurisdiktionellen und außenpoliti-schen Angelegenheiten ihrem Charakter nach Verfügungen und Befehle, die in der Kanz-leisprache als „Reskripte“ bezeichnet wurden. Im Verkehr mit den Offizieren in den Mili-tärformationen wurden die herzoglichen Befehlsschreiben als „Ordres“ gekennzeichnet.Die an Einzelpersonen gerichteten Schreiben, mit denen landesherrliche Gnadenakte, Be-stallungen und Beförderungen ausgesprochen wurden, führten als Beurkundung einer sol-chen Entschließung die Bezeichnung „Dekrete“. Die vom Geheimen Consilium geführteKorrespondenz des Herzogs mit Personen seines Standes erfolgte in Form von fürstlichen„Handschreiben“, denen die Privatschreiben der Geheimen Räte für die „per privatas“ zuerledigenden Fälle entsprachen. Mit ranggleichen Behörden anderer Staaten verkehrte dasGeheime Consilium in der Form von „Kommunikationsschreiben“. Auf die Form und Be-deutung der „Extractus Protocolli“ als Befehl an eine im Verwaltungsdienst stehende Per-son ist bereits eingegangen worden. In diese im Schriftverkehr des Geheimen Consiliumsüblichen Aktenstilformen waren die in den Sessionen ergangenen Resolutionen in dernachfolgenden Kanzleiarbeit umzusetzen.

Die in den Sitzungen des Geheimen Ratskollegiums mit dem Herzog und bei dessenVerhinderung nur von den Mitgliedern gefassten Entschließungen mussten nun an dieKonzipienten in der Geheimen Kanzlei weitergegeben werden. Die Resolutionen wurdenim Verlauf der Session vom Geheimen Referendar in Form von kurzen Anweisungen fürdie schriftliche Erledigung in die von ihm geführte Resolutionsregistrande eingetragen.Auf dieser Grundlage konnte danach das dafür zuständige Kanzleipersonal wirksam wer-den. Neben der mündlich erfolgten Anweisung der Konzipienten war die Möglichkeit ge-geben, dass ihm die vom Referenten für den Vortrag und das Votum entstandenen Auf-zeichnungen als Grundlage für den Entwurf einer Verfügung dienten. An der Anfertigungder Konzepte in der Geheimen Kanzlei waren – falls diese Aufgabe nicht in besonders ge-lagerten Fällen von den Geheimen Räten selbst übernommen wurde – neben dem GeheimenReferendar alle Sekretäre beteiligt. Die Hauptlast lag allerdings bei dem Geheimen Refe-rendar und dem Geheimen Sekretär, die an der Session teilgenommen hatten und somitüber die Einzelheiten der Vorgänge und die Beweggründe für die Entscheidung und Be-schlussfassung genau unterrichtet waren. Die Mitwirkung der Geheimen Räte erstrecktesich auf die ihnen vertrauten besonders wichtigen Vorgänge, in denen sie sich eingearbeitethatten und zuvor referierend aufgetreten waren, die außerdem eine umsichtige Formulie-rung verlangten, was freilich auch bei der Revision der vom Kanzleipersonal ausgegange-nen Konzepte noch möglich wurde. Die Hauptarbeit erfolgte allerdings zeitnah undhatte in der Niederschrift eines Konzeptes lediglich die erste Stufe der kanzleimäßigen Be-handlung und Erledigung des betreffenden Geschäftsvorfalles genommen. Unabhängig

42 Geheimes Consilium 1776–1786

92 Ebd., S. 59.

davon, ob noch am gleichen Nachmittag nach der immer vormittags stattfinden Sessionoder bei einer umfangreicheren Tagesordnung die Arbeit der Konzipienten an den folgen-den Tagen fortgesetzt wurde, und von dem weiteren Geschäftsgang bis zur Versendung desSchriftstückes an den Adressaten war dessen Datierung im Konzept. Entscheidend war be-reits hier und in der nach ihm angefertigten Reinschrift in jedem Falle das Datum der Ses-sion, in der die Resolution gefasst worden war, welches als Ausfertigungsdatum übernom-men wurde.

Für den Ablauf und die weitere Behandlung der so entstandenen Konzepte bedienenwir uns wieder der von Willy Flach verfassten gründlichen Erläuterungen über die Tätig-keit der Geheimen Kanzlei für den Weg, den ein solches Schriftstück bis hin zur Expedie-rung weiter nahm. „Das angefertigte Konzept bedurfte in jedem Falle, damit die Überein-stimmung mit der Resolution gewährleistet war, der Revision durch die Geheimen Räte,und da das Geheime Consilium eine Kollegialbehörde war, so erfolgte auch diese Revisionin kollegialischer Form, d. h. durch sämtliche Mitglieder des Consiliums, jedoch nicht inden Sessionen, sondern durch Umlauf in den Häusern der Räte. Dabei wurde zweifellos,wie der Aktenbefund zeigt, die rangmäßige Reihenfolge von unten nach oben beobachtet,so daß das Konzept zuerst Goethe, dann Schnauß und endlich Fritsch vorgelegt wurde.Die revidierende Überprüfung hat dabei in vielen Fällen Korrekturen der Konzepte durchdie Räte veranlaßt, die von sehr verschiedenem Umfang und sehr verschiedener Bedeutungwaren und deren Skala von kleinen stilistischen Verbesserungen hinreicht bis zu ganz we-sentlichen Zusätzen und Umgestaltungen, gelegentlich sogar bis zur völligen Verwerfungund Neufassung. Meist hat, wie der handschriftliche Befund ausweist, nur einer der RäteKorrekturen vorgenommen, und dies wird in der Regel der Referent der Sache, der sichbesonders eingehend mit ihr befaßt hatte und der daher die Formulierung des Konzeptesam besten beurteilen konnte, gewesen sein. Aber oft sind auch mehrere Räte an den Kor-rekturen beteiligt. In jedem Falle aber revidierte jedes Mitglied des Consiliums die Kon-zepte aller der Fälle, an deren Beratung und Entscheidung es in den Sessionen oder außer-halb mitgewirkt hatte. Die erfolgte Revision wurde durch Signum in Form einesmonogrammatischen Namenszuges, einer Sigle, am linken Rande des Konzeptes bestätigt.Mit der Revision des Konzeptes war die Beteiligung der Geheimen Räte an der Geschäfts-behandlung der einzelnen Angelegenheiten in der Regel endgültig abgeschlossen.“93

Ohne Mitwirkung der Geheimen Räte ging sodann das weitere Kanzleiverfahren zurnunmehrigen Vollendung der schriftlichen Fassung der Beschlüsse des Geheimen Consili-ums vor sich von der Herstellung der Reinschrift – das Geschäft des Mundierens – bis hinzur Expedierung der durch den Herzog mit seiner Unterschrift vollzogenen Ausfertigung.Die Umsetzung der revidierten und signierten Konzepte in die Reinschrift erfolgte unterAufsicht des Geheimen Sekretärs durch die dafür zuständigen Kanzlisten. Sie erhielten vonihm die Entwürfe, in denen der bestätigte Wortlaut und die nur abgekürzt und angedeutetumschriebenen Formeln, Titularien und Kuralien in die vorgeschriebene und konventio-nelle Form gebracht werden mussten. Die kollationierten, d. h. die mit der Textvorlage ver-glichenen, Reinschriften wurden zusammen mit den zugehörigen Konzepten in kurzen

43Einführung

93 Ebd., S. 65-66.

Abständen dem Herzog vorgelegt. Er signierte einerseits das Konzept über der Säule mitden Signaturen (Revisionssiglen) der Geheimen Räte und unterschrieb andererseits die zuexpedierende Ausfertigung. Sein Signum auf dem Konzept war wichtig, weil dieses zu denAkten genommen wurde und dort die erreichte Erledigung des Vorganges dokumentierte.Nach vollzogener Unterschrift durch den Landesherrn oder nach der Unterschriftsleis-tung der Geheimen Räte bei Auftragsreskripten, die bei dessen Abwesenheit „ad manda-tum Serenissimi speciale“ ausgefertigt worden waren, wurden die Ausfertigungen an dieEmpfänger durch Boten mittels persönlicher Zustellung oder durch die Post befördert.

Zu den Nachweisen für die Erledigung in der Geheimen Kanzlei lesen wir bei WillyFlach: „Alle diese Geschäfte überwachte der Geheime Sekretär im einzelnen genau durcheigenhändige Vermerke auf den Konzepten und durch besondere Registranden. Auf dieKonzepte, auf denen der Name des Reinschreibers durch dessen Anfangsbuchstaben in derlinken oberen Ecke angedeutet wurde, setzte er nach vollzogener Unterschrift des Mun-dums durch den Herzog dessen Namenszug an das Ende und notierte in die linke untereEcke das Datum und die Art der Beförderung der Ausfertigung. Außerdem führte er ei-genhändig je eine besondere Registrande über die Ausfertigungen und über die kurzer-hand an andere Behörden abgegebenen Eingänge, die auch zu Goethes Zeit noch die glei-che Form hatten, in der sie bei Gründung der Geheimen Kanzlei 1756 eingerichtet wordenwaren.94 Gerade aus den Notizen des Geheimen Sekretärs auf den Konzepten und aus sei-nen Registranden, aus denen sich Art und Zeit des Weges der Expeditionen des GeheimenConsiliums von der Resolution in der Session über die Vollziehung der Reinschrift bis zumtatsächlichen Auslauf deutlich erkennen läßt, bestätigt sich die gute Meinung, die man imConsilium selbst vom Funktionieren des Geschäftsganges hatte und die Johann ChristophSchmidt, dem Goethe dabei durchaus beipflichtete, 1785 so aussprach: ‚Mir ist keine einzi-ge Kanzlei bekannt, bei welcher die Sachen schneller gingen als bei der unsrigen.‘ […]“95

Die Frage der Vereinfachung von Stil und Form der in der Geheimen Kanzlei gefertig-ten amtlichen Schriftstücke – eine „Veränderung der Form unserer Canzley Expeditio-nen“, wie es Goethe ausdrückte96 – beschäftigte im November 1785 die Mitglieder des Ge-heimen Consiliums, wozu der Geheime Rat Christian Friedrich Schnauß auf Veranlassungdes Herzogs nach dessen „geäußerten Intention und gegebenen Vorschrift“ Vorschlägeausgearbeitet hatte, die den anderen Geheimen Ratsmitgliedern „zu weiterer Überlegungund Beurtheilung“ zugleitet wurden. Schnauß wusste selbst nicht, ob dieser Auftrag durchBeschwerden und Entschuldigungen der Landeskollegien und ihrer Kanzleien, „daß derArbeit zu viel wäre und die Leute nicht damit fertig werden könnten“, ausgelöst wurdeund ließ es offen, „ob dieser Vorgang etwas helfen werde oder könne“. Johann ChristophSchmidt und Goethe reichten dazu schriftliche Voten ein.97 In diesem Zusammenhang be-wertete Schmidt, der durch seine vorherige Tätigkeit als Geheimer Referendar mit allen

44 Geheimes Consilium 1776–1786

94 Zu den Registrandenformen und -überlieferungen siehe unten das Kapitel Zur Überlieferung und zur Edi-tion.

95 Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 67.96 Goethes Amtliche Schriften I, S. 420.97 Ebd., S. 412-421. Abdruck der Voten aus Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Be-

hörden B 683, Bl. 1-10.

„Observanzen“ der Kanzleitätigkeit vertraut war, auch die „Geschwindigkeit der Geheim-den-Canzley-Expeditionen“ in Weimar und hatte gar nichts daran auszusetzen, „denn mirist keine einzige Canzley bekannt, bey welcher die Sachen schneller giengen als bey derunsrigen. Zu leugnen ist aber nicht, daß manche einzelne Expeditionen um ein gutes Theilkürzer gefaßt werden könnten, ob ich gleich glaube, daß eben diese Abkürzung den Con-cipienten mehr aufhalten und ihm mehr Mühe machen würde, als wenn es erlaubt bliebe,in dem alten ausgetretenen Wege fortzuschlendern.“ Sein Urteil lautete dann auch: „Jededieser Formen hat ihr Eigenes und Characteristisches, das sich auf eine allgemeine Obser-vanz und auf die Verhältniße deßen, der die Befehle giebt, und deßen, der sie empfängt,gründet. Ich sollte glauben, daß diese Form, und was sie eigentlich characterisirt, beybehal-ten werden müße.“ Goethe, der ebenfalls pflichtgemäß sein Votum erstattete, trat den„gründlichen Bemerckungen“ seines Kollegen bei, denn: „Keine Zeit Ersparnis wird ge-macht wie vorliegende Vota [von Schnauß und Schmidt] anzeigen.“ Und er wies noch aufeinen entscheidenden Umstand hin: „Eine Canzley hat mit keinen Materialien zu thun undwer nur Formen zu beobachten und bearbeiten hat, dem ist ein wenig Pedantismus noth-wendig. […] Ja sollte das Von Gottes Gnaden nur als Übung der Canzlisten in Frackturund Canzleyschrifft beybehalten werden, so hätte es eine Absicht, und ein groser Herr istdem Anstande etwas schuldig. Er entscheidet so offt über Schicksale der Menschen, er neh-me ihnen nicht durch eilige Expeditionen den Glauben an Gesetztheit der Rathschläge.Ordnung kann ohne eine proportionirte Geschwindigkeit nicht bestehen, Eile ist eineFeindin der Ordnung so gut als Zögern.“ Auf diese Weise wurden offenbar die aufgekom-menen Gedanken zu Veränderungen im „Canzley Styl“98 beim Herzog verscheucht.

Schließlich muss noch ein Blick auf das Kanzleipersonal – höhere, mittlere und untereBeamten – in diesem Jahrzehnt geworfen werden99, von dem wir bisher nur den GeheimenReferendar Johann Christoph Schmidt erwähnt haben, weil er 1785 in das Geheime Con-silium berufen wurde. Er hatte 1755 als Sekretär in der Regierungskanzlei in Eisenach be-gonnen, war aber bereits im Jahr darauf in die neu geschaffene Geheime Kanzlei in Weimarübergewechselt und nahm hier die Stelle des Geheimen Sekretärs ein, als Jakob Friedrichvon Fritsch Geheimer Referendar war. Seit 1766 übte er als Verbindungsmann zwischendem Geheimen Consilium und der Geheimen Kanzlei das Amt eines Geheimen Referen-dars aus. Als er, um Goethe von der Pflichtteilnahme an den Sessionen und sonstigen Rou-tinearbeiten zu entlasten, selbst in das Geheime Ratskollegium aufgenommen wurde, folg-te ihm 1785 der bisherige Geheime Sekretär Johann Ludwig Schnauß in diese Positionnach. Dieser war beim Regierungsantritt Carl Augusts dirigierender Leiter der GeheimenKanzlei, neben dem es mit Carl Kirmß und Johannes Schmidt zwei weitere Geheime Se-kretäre gab. Zusammen bildeten diese drei Sekretäre die Gruppe der wirklichen, d. h. derexpedierenden, Geheimen Sekretäre. Ihnen standen mit Johann Friedrich Schwabhäußer

45Einführung

98 Nur diese von der Hand eines Registrators stammende Bezeichnung enthält der Umschlag, in denen die Vo-ten abgelegt und später dem Geheimen Haupt- und Staatsarchiv, dem heutigen Thüringischen Hauptstaats-archiv, übergeben wurden. Die Voten selbst tragen keine Bearbeitungsvermerke. Thüringisches Haupt-staatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 683.

99 Vgl. die detaillierten Angaben in Willy Flachs Einleitung zu Goethes Amtliche Schriften (wie Anm. 1);Wolfgang Huschke, Die Beamtenschaft der weimarischen Zentralbehörden beim Eintritt Goethes in denweimarischen Staatsdienst (1776). In: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven. Berlin 1953, S. 190-218.

und Johann Wilhelm Machts zwei Kanzleisekretäre zur Seite, die sich über die weiterenGeheimen Kanzlisten bzw. Registratoren (Jakob Bernhardt Burckhardt, Christian Fried-rich Wilhelm Roth, Johann Andreas Mittelsdorff) und die Kanzleidiener bzw. -boten(Johann Heinrich Witzel, Simon Heinrich Burkhart) erhoben. Zu erwähnen ist auch dasleitende Personal des außerhalb der Geheimen Kanzlei als eigenständige Einrichtung exis-tierenden Geheimen Archivs, Jakob Heinrich Neuberger (bis 1778), Johann LudwigEckardt (bis 1783), danach Christian Gottlob Voigt, dem weitere Archivsekretäre und Ak-zessisten (Martin Schamelius, Johann Christian Meyer) unterstanden.

Zur Entwicklung nach 1786

Für Goethe bedeutete die im September 1786 angetretene Reise nach Italien eine Zäsur inseinen amtlichen Verhältnissen in Sachsen-Weimar-Eisenach100, obwohl er formell weiterdem Geheimen Consilium angehörte und auch nach seiner Rückkehr 1788 außerhalb derGeheimen Ratsstube für den Dienst in der Staatsspitze zur Verfügung stand, sei es durchsein amtliches Votum oder durch die Erledigung spezieller Aufträge des Herzogs. Für dieZurückgebliebenen im Geheimen Consilium ging die Arbeit wie gewohnt weiter. Erst1787 setzte Herzog Carl August selbst eine Zäsur in der Tätigkeit dieses Gremiums, alssich bei ihm politisch bedingte Erwägungen und Aktivitäten gegenüber der persönlichenTeilnahme am Regierungshandeln in den Vordergrund schoben, weil er von dem neuenpreußischen König Friedrich Wilhelm II. zu einer ebenso heiklen wie wichtigen diploma-tischen Mission – die Absicherung der Mainzer Koadjutorwahlen für Karl Theodor Frei-herr von Dalberg – bestimmt worden war. Wenig später kam zu der politischen Betrieb-samkeit Carl Augusts noch der Eintritt in den preußischen Militärdienst hinzu. CarlLudwig von Knebel, der ehemalige Prinzenerzieher und Freund, hatte sich im Dezember1786 ihm gegenüber in ernster Sorge für das Land wegen der wiederholten langen Abwe-senheit Carl Augusts gezeigt.101 In den „Erinnerungen“ von Christian Friedrich Schnaußheißt es zum Jahr 1787: „Den 30. September kamen Serenissimus von Berlin zurück undbrachten das Patent als Königl.[ich] Preuß.[ischer] General Major und Obrister des vor-mals von Rohrischen Cuirassier Regiments, das in Aschersleben und dasiger Gegend liegt,mit, worüber aber keine große Freude war.“102

Seine Teilnahme am preußischen Feldzug in Holland vom 7. Oktober 1787 bis 14. Fe-bruar 1788 hat Herzog Carl August schließlich veranlasst, nähere Anweisungen über denFortgang der Geschäfte in der Landesadministration während einer längeren Abwesenheitzu publizieren. Das Geheime Consilium hatte nach Goethes Abreise am 24. Juli 1786 nochein Jahr lang nach der seit dem Regierungsantritt Carl Augusts üblichen Geschäftsordnunggearbeitet: Bei Anwesenheit des Herzogs in Weimar wurden die zu entscheidenden Ge-

46 Geheimes Consilium 1776–1786

100 Vgl. Volker Wahl, Goethes Italienreise als Zäsur in seinen amtlichen Verhältnissen in Weimar. In: „... endlichin dieser Hauptstadt der Welt angelangt!“ Goethe in Rom. Publikation zur Eröffnung der Casa di Goethein Rom, Band 1: Essays. Mainz 1997, S. 60-71, 202.

101 Siehe den Brief Knebels an Herzog Carl August vom 14. Dezember 1786. Politischer Briefwechsel des Her-zogs und Großherzogs Carl August von Weimar I, S. 266-267.

102 Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wieAnm. 16), S. 691.

schäftsvorfälle in regelmäßig stattfindenden Sessionen mit ihm zusammen behandelt; inFällen der Abwesenheit erledigten die Geheimen Räte die meisten Geschäfte unmittelbarad mandatum Serenissimi speciale, während die wichtigsten Angelegenheiten bis zu seinerRückkehr ausgesetzt blieben. Das konnte bei dauerhaft längerer Abwesenheit des Landes-herrn nicht mehr durchgehalten werden. Am 3. Oktober 1787 erließ er für solche Fälle eingedrucktes „Patent“ an seine „Unterthanen der beyden Fürstenthümer Weimar und Eise-nach nebst der Jenaischen Landes-Portion“, das im ganzen Land durch öffentlichen An-schlag verbreitet wurde und die Verfahren regelte, wie Beschwerden, Gesuche und „Sup-plicate“ (Bittschriften) an ihn und die zuständigen Behörden gelangen sollten. DasGeheime Consilium erhielt eine spezielle Instruktion, nach der dieses seine Tätigkeit künf-tig einrichten sollte.103 Das Geheime Ratskollegium sollte die „currenten Geschäffte“ wiebisher besorgen und „ad Mandatum“ unterschrieben expedieren. Über wichtige Vorfälleaber sollte ihm ein gemeinsamer schriftlicher Vortrag zugeschickt werden, auf den dannseine Resolution ohne Zeitverlust erfolgen würde.

Aber auch nach Carl Augusts Rückkehr aus Holland im Frühjahr 1788 war er nichtmehr gewillt, seine Regierungsgeschäfte in der alten Art – durch Teilnahme an allen Sit-zung des Geheimen Consiliums – wieder aufzunehmen. Noch vor seinem Eintreffen inWeimar schickte der Herzog am 4. Februar 1788 aus Darmstadt mittels Handschreibeneine Instruktion an den Geheimen Rat von Fritsch über die endgültige Neuordnung desGeschäftsganges nach seiner Rückkehr.104 Dabei kehrte er mit der Einführung von „präpa-ratorischen Sessionen“ zu der alten Methode seiner Mutter aus der Zeit ihrer Vormund-schaftsregierung zurück. „Der Versuch den ich machte, in der kurzen Zwischen Zeit eheich nach Holland reiste, die Geschäfte meines Geheimen Raths mit mehrerer Zeit Oecono-mie zu behandeln, hat mich belehrt, daß es der rechte Weg war, den ich einschlug. Da sichmeine Geschäfte täglich häufen und meine Zeit, so zu sagen, sich verkürzt; so habeich mich entschlossen, die versuchte Methode fortzusetzen, und zwar auf folgende Weise:Am ersten Montag nach meiner Ankunft versammeln sich die Geheimen Räthe auf derCanzlei ohne mich, halten eine praeparatorische Session wie zu Zeiten der Vormundschaft,und dann tragen mir vor und empfangen von mir die Resolutionen […].“105 Der Vortragder Geheimen Räte im Kabinett des Herzogs sollte danach einzeln und über die ganzeWoche verteilt erfolgen.

Das war eine neue Zeit, nicht zu vergleichen mit dem ersten Regierungsjahrzehnt desmündig gewordenen Herzogs, als dieser noch ständig „collegialiter“ in der GeheimenRatsstube mit seinen Beratern die Stufen des Referierens, des Votierens und des Resolvie-rens durchschritt, als ihn Goethe zwischendurch genau und zuverlässig über alle wichtigenVorgänge unterrichtete, als Carl August sich noch Zeit für das Regieren nahm, die er ange-

47Einführung

103 Vgl. Helma Dahl, Einleitung zu Goethes Amtliche Schriften II,1, S. 58-63. Patent und Instruktion vom3. Oktober 1787 in Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Dienersachen B 25190 II,Bl. 102-110. Siehe dazu auch Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des acht-zehnten Jahrhunderts (wie Anm. 16), S. 691-692.

104 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hausarchiv, Nachlass Carl August A XIX 38, Bl. 109-110.Abschrift in Weimarer Archiv, Dienersachen B 25190 II, Bl. 119-120.

105 Zitiert nach Weimarer Archiv, Dienersachen A 25190 II, Bl.119.

sichts seiner gestiegenen Interessen und Bedeutung über sein Land hinaus nun nicht mehrerübrigen konnte oder wollte. Insofern sind die in dieser Regestausgabe zur Tätigkeit desGeheimen Consiliums 1776 bis 1786 enthaltenen historischen Informationen zum Regie-rungshandeln in einem aufgeklärten Staat einmalig im Umfang und in der Breite der Do-kumentation. Die mit der Regestausgabe gebotene Möglichkeit, für einen Zeitraum vonzehn Jahren die Regierungstätigkeit in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August imHinblick auf die Erledigung von Einzelfällen oder die fortdauernde Beschäftigung mit denzu lösenden Fragen zu überblicken und zu erfassen, ist gegeben, lässt sich aber mit inten-sivem Lesen nicht allein einlösen. Die Komplexität des Regierungshandelns von Carl Au-gust unter Einbeziehung des Geheimen Ratskollegiums und aller seiner Mitglieder sowiedie Zusammenarbeit mit den nachgeordneten Ober- und Unterbehörden, nicht zuletztauch die Verhandlungen mit ausländischen Regierungs- und Behördenvertretern unddie Kommunikation mit den diplomatischen Vertretern bei den Reichsbehörden ist in derTiefe allerdings nur durch die gewissenhafte kritische Auswertung der überlieferten archi-valischen Quellen zu begreifen und zu verstehen.106

48 Geheimes Consilium 1776–1786

106 In beispielhafter Weise ist das von Willy Flach in seiner 1954 publizierten Untersuchung „Goethes Mitwir-kung beim Zillbacher Holzprozeß“ vorgenommen worden, in der die sich über mehrere Jahre seit 1780hinziehenden Verhandlungen zwischen Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen verfolgt undbewertet werden. Alle Schritte bei der Lösung eines schwierigen Problems sind – sofern sie Gegenstand derBeratung und Beschlussfassung des Geheimen Consiliums waren – in der Regestausgabe dokumentiert.Zusammenschau und Durchdringung der komplizierten Materie sind enthalten bei Willy Flach, GoethesMitwirkung beim Zillbacher Holzprozeß. Ein Stück aus Goethes amtlicher Tätigkeit. In: Goethe. NeueFolge des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft 16 (1954), S. 57-110. Erneut abgedruckt in: Willy Flach. Bei-träge zum Archivwesen, zur thüringischen Landesgeschichte und zur Goetheforschung. Hrsg. von VolkerWahl. Weimar 2003, S. 285-307. Willy Flachs Untersuchung endet mit der Session am 9. Dezember 1785, alsdie Rezesse zur Aufbewahrung an das Archiv abgegeben wurden (Regest Nr. 19351). Aber auch noch imJahr darauf werden damit im Zusammenhang stehende offene Fragen in den Sessionen des Geheimen Con-siliums erörtert und entschieden (zuletzt Regest Nr. 19984). Cristian Friedrich Schnauß teilt in seinen Er-innerungen mit, dass der Herzog ihm am 20. März 1786 zu sich rufen ließ und einen von der Kammer inEisenach bezahlten Brillantring „zur Erkenntlichkeit vor die in der Zillbacher Sache gehabte außerordent-liche Arbeit und Bemühung“ schenkte. Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamterdes achtzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 16), S. 690. – Ein Beispiel älterer Forschung ist die im Rahmen des„Carl August-Werks“ vorgenommene Untersuchung und Edition von Alfred Bergmann, Die Redecker-sche Angelegenheit. (wie Anm. 31), S. 100-152. Der Vorgang von 1783 aus dem Geschäftsbereich des Ge-heimen Consiliums, der den Herzog und dessen Mitglieder in dieser Zeit beschäftigte und zahlreiche Ak-tenschriftstücke in Form von Aufträgen des Herzogs an das Geheime Consilium sowie von Entwürfen,Voten und Berichten der Geheimen Räte hinterlassen hat, ist in der Regestausgabe allerdings nicht weiterberücksichtigt worden, da die Beilegung der Angelegenheit nicht Verhandlungsgegenstand in den Sessionendes Geheimen Consiliums war. Goethes Amtliche Schriften I S. 243-244 Nr. 145 und S. 260-280 Nr. 153A-D sowie in Johann Wolfgang Goethe Amtliche Schriften (Frankfurter Ausgabe, Band 26), S. 178-200Nr. 91-109.

Aufriss Bezug für Buchblock 190 x 260 mm: 15 + 186 + 8 + 42,5 + 8 + 186 + 15 x 15 + 2,5 + 260 + 2,5 + 15 mm, Gelenk: 8 mm

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DAS GEHEIME CONSILIUM

VON SACHSEN-WEIMAR-EISENACH

IN GOETHES ERSTEM WEIMARER

JAHRZEHNT 1776–1786

REGESTAUSGABE . ERSTER HALBBAND 1776–1780

VOLKER WAHL (HG.)

In dieser Edition werden annähernd 20 500 Geschäftsvorfälle aus Politik und

Verwaltung, die zwischen 1776 und 1786 in 761 Sessionen des Geheimen

Consiliums von Sachsen-Weimar-Eisenach verhandelt wurden, in Regestform

dokumentiert. Als Mitglied dieses Geheimen Rats kollegiums, des Beratungs-

organs von Herzog Carl August für dessen Staatsleitung, hat Johann Wolfgang Goethe an etwa zwei

Dritteln der in diesem Zeitraum abgehaltenen Sitzungen referierend, resolvierend und signierend

teilgenommen. Nachdem in den bisher edierten Amt lichen Schriften aus dem Geheimen Consilium

lediglich 204 Vorgänge aufbereitet wurden, kann nunmehr das wahre Ausmaß seiner Amtstätigkeit

für die Landesadministration im ersten Weimarer Jahrzehnt – alles was durch seinen Kopf hindurch-

gegangen und wozu er Mitverantwortung übernahm – betrachtet und nachvollzogen werden. Diese

Regestausgabe dient aber nicht nur der Goetheforschung, sondern ist zugleich ein umfassendes

Kompendium von Quellen für landes- und lokalgeschichtliche Forschungen über das Territorium

zwischen Werra und Ilm in den Anfangsjahren der Weimarer Klassik.

Volker Wahl war von 1990 bis 2008 Direktor des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar.

I SBN 3- 412- 22334- 4

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