Das Jagdverhalten des GlockenreihersEgretta ardesiaca

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Heft 3 ] 1982 J 307 ]. Orn. 123, 1982: S. 307--314 Das Jagdverhalten des Glockenreihers Egretta ardesiaca Von Hans Winkler Unter den kleinen, agilen Reihern der Gattung Egretta f~illt der Glockenreiher (Egretta ardesiaca) nicht nur durch sein extrem dunkles Gefieder, sondern auch durch sein auflerordentliches Jagdverhalten heraus, das auch einmalig in der gesamten Vogel- welt ist. Zuhilfenahme der Fltigel ist bei Reihern nicht selten und kommt in verschiede- nen Auspr~tgungen bei mehreren Arten vor (KUSHLAN 1978). Glockenreiher aber for- men mit KOrper und Fltigeln eine vollkommene Glocke tiber dem Boden. Seit dieses Verhalten beobachtet worden ist, wird seine Funktion diskutiert. Die meist sporadi- schen Beobachtungen werden so interpretiert, dat~ das Verhalten der besseren Sicht des Vogels diene, Fische in den dadurch erzeugten Schatten locke oder sie damit verwirre, und schlietglich, datg es eine soziale Aufgabe habe (HANCOCK & ELLIOT]:1978). Durch gezielte Beobachtungen und in einfachen Experimenten versuchte ich, ftir die Aufkl~i- rung der funktionellen Bedeutung dieses Verhaltens relevante Daten zu gewinnen. Material und Methode Das Jagdverhalten der Reiher wurde im Stiden dec Insel Mafia (Chole Bay, 39° 4YE, 7° 58'S) vor der Ktiste Tanzanias beobachtet. Als Beobachtungshilfen wurden ein Fernglas (Zeiss 10 x 40) und eine elektronische Handstopuhr verwendet. Vom 15. bis 25. Oktober 1980 konnte ich sowohl den ebenfatls dunklen (schiefergrauen) Ktistenreiher (Egretta gularis) und E. ardesiaca in einer Gesamtzahl bis zu 69 Individuen studieren. Die Glockenreiher jagten ausschlielglich auf den wei- ten bei Ebbe trockenfallenden Wattfl~ichen. Dort bteiben zahlreiche sehr seichte, untereinander oft nut dutch einen Wasserfilm verbundene Pftitzen zurtick. Maximal 16 Glockenreiher konnten gez~hlt werden. Daten aber die Wirkung yon Schatten auf potentielle Beutetiere wurden einerseits dutch Beschattung eiuzelner Individuen mit der ca. 1 m entfernten Hand und andernseits dutch Nach- ahmung des Reiherverhaltens gewonnen: Nach Kontrolle einer Pftitze auf Fische mit dem Fern- glas aus einigen m Entfernung n~iherte ich mich schnell und kauerte reich rasch am Rande der Pftitze abwechselnd entweder auf der sonnenab- oder zugewandten Seite nieder und notierte das Verhalten der Fische. Es handelt sich um Blenniden (Schleimfische) einer noch unbestimmten Art (Beleg am Naturhistorischen Museum Wien), die hier sehr zahlreich vorkamen. Gef~trbt wie der Sand des Untergrundes und mit dunklen Querstreifen bewegen sie sich relativ gut getarnt tiber den Boden und entlang einzelner Tangstticke. Die Fische wurden in gut zu erkennende GrOflenklassen eingeteilt: kteine rund 1--2 cm grot~e, mittel-kleine um 3 cm und mittlere bis grofle (5 cm und dartiber). Auf Einzelheiten der statistischen Auswertung wird im Text hingewiesen. Ergebnisse DasJagdverhalten des Glockenreihers Die ,,Glocke" wird durch Vorstrecken beider Schwingen, die sich vor dem Reiher schlief~en, geformt. Kopf und Hals befinden rich unter dem so gebildeten Baldachin.

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Heft 3 ] 1982 J 307

]. Orn. 123, 1982: S. 307--314

Das Jagdverhalten des Glockenreihers Egretta ardesiaca

Von Hans Winkler

Unter den kleinen, agilen Reihern der Gattung Egretta f~illt der Glockenreiher (Egretta ardesiaca) nicht nur durch sein extrem dunkles Gefieder, sondern auch durch sein auflerordentliches Jagdverhalten heraus, das auch einmalig in der gesamten Vogel- welt ist. Zuhilfenahme der Fltigel ist bei Reihern nicht selten und kommt in verschiede- nen Auspr~tgungen bei mehreren Arten vor (KUSHLAN 1978). Glockenreiher aber for- men mit KOrper und Fltigeln eine vollkommene Glocke tiber dem Boden. Seit dieses Verhalten beobachtet worden ist, wird seine Funktion diskutiert. Die meist sporadi- schen Beobachtungen werden so interpretiert, dat~ das Verhalten der besseren Sicht des Vogels diene, Fische in den dadurch erzeugten Schatten locke oder sie damit verwirre, und schlietglich, datg es eine soziale Aufgabe habe (HANCOCK & ELLIOT]: 1978). Durch gezielte Beobachtungen und in einfachen Experimenten versuchte ich, ftir die Aufkl~i- rung der funktionellen Bedeutung dieses Verhaltens relevante Daten zu gewinnen.

Material und Methode Das Jagdverhalten der Reiher wurde im Stiden dec Insel Mafia (Chole Bay, 39 ° 4YE, 7 ° 58'S)

vor der Ktiste Tanzanias beobachtet. Als Beobachtungshilfen wurden ein Fernglas (Zeiss 10 x 40) und eine elektronische Handstopuhr verwendet. Vom 15. bis 25. Oktober 1980 konnte ich sowohl den ebenfatls dunklen (schiefergrauen) Ktistenreiher (Egretta gularis) und E. ardesiaca in einer Gesamtzahl bis zu 69 Individuen studieren. Die Glockenreiher jagten ausschlielglich auf den wei- ten bei Ebbe trockenfallenden Wattfl~ichen. Dort bteiben zahlreiche sehr seichte, untereinander oft nut dutch einen Wasserfilm verbundene Pftitzen zurtick. Maximal 16 Glockenreiher konnten gez~hlt werden.

Daten aber die Wirkung yon Schatten auf potentielle Beutetiere wurden einerseits dutch Beschattung eiuzelner Individuen mit der ca. 1 m entfernten Hand und andernseits dutch Nach- ahmung des Reiherverhaltens gewonnen: Nach Kontrolle einer Pftitze auf Fische mit dem Fern- glas aus einigen m Entfernung n~iherte ich mich schnell und kauerte reich rasch am Rande der Pftitze abwechselnd entweder auf der sonnenab- oder zugewandten Seite nieder und notierte das Verhalten der Fische. Es handelt sich um Blenniden (Schleimfische) einer noch unbestimmten Art (Beleg am Naturhistorischen Museum Wien), die hier sehr zahlreich vorkamen.

Gef~trbt wie der Sand des Untergrundes und mit dunklen Querstreifen bewegen sie sich relativ gut getarnt tiber den Boden und entlang einzelner Tangstticke. Die Fische wurden in gut zu erkennende GrOflenklassen eingeteilt: kteine rund 1--2 cm grot~e, mittel-kleine um 3 cm und mittlere bis grofle (5 cm und dartiber). Auf Einzelheiten der statistischen Auswertung wird im Text hingewiesen.

Ergebnisse

D a s J a g d v e r h a l t e n des G l o c k e n r e i h e r s

Die ,,Glocke" wird durch Vorstrecken beider Schwingen, die sich vor dem Reiher schlief~en, geformt. Kopf und Hals befinden rich unter dem so gebildeten Baldachin.

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Der Vogel knickt in den Intertarsalgelenken ein, so daft die Spitzen der Federn dem Boden nahe kommen oder ihn bzw. das Wasser bertihren. An der Spitze der Glocke sieht man einen Schopi¢ von Rtickenfedern. In der Regel verharrt der Reiher stilt, doch kommt es gelegentlich vor, d a f e r sich noch etwas fast auf den Tarsen rutschend vor- bewegt. Armschwingen und Schulterfittich sind tibrigens verbreitert und zeigen darnit morphologische Anpassungen an das Verhalten (IRWIN 1975). Die extreme Stellung h~ilt im Mittet 3,6 slang an; de; Median betr~igt 2,9 s (n = 59); die Daten stirnrnen nicht rnit der Norrnalverteilung tiberein (p < 1%, Crarner-von Mises Statistik W2; vgl. auch Abb. 2) und reichen von 0,9 bis 12,5 s.

Die Reiher forrnen die Glocke fast imrner (97 % der Beobachtungen, N = 90) aus dern Gehen oder Laufen heraus (siehe auch RAND 1936, FARKAS 1962). Das Verhalten tritt bei einern jagenden Reiher rund 9 rnal pro rnin auf.

Wesentlich ftir die Diskussion ist der Zusarnrnenhang der Baldachinbildung rnit dem Sonnenlicht (JACKSON 1938, BROEKHUYSEN & BROEKHUYSEN 1961, FARKAS 1962, HAN- COCK & ELLIOTr 1978). Die V6gel waren in 82,5 % der F~lle rnit dern Rficken zur Sonne, zu 4,8 % seitlich und zu 12,7 % gegen die Sonne orientiert (N=63). In 29,4 % der F~ille war die Sonne teilweise oder ganz durch Wolken verdeckt (nur einmal bei den Gelegenheiten, bei welchen die Brust zur Sonne gerichtet war). Da die Reiher meist in Richtung zur Sonne oder schr~ig dazu laufen, mtissen sie sich vor dern Nieder- kauern drehen, urn die richtige Stellung einzunehmen. Die Beschattung durch Wolken hatte keinen rnerkbaren Effekt auf die Dauer der Baldachin-Haltung (p > 10 %, Wil- coxon-Rangsumrnentest, zweiseitige Fragestellung, N = 50). Nur einrnal wurde beob- achtet, daft ein Glockenreiher ohne sein eigenartiges Verhalten zu zeigen kurz in eine seichte Pftitze stief. Gefangenschaftsv6gel bilden den Schirrn selbst fiber einer Futter- schtissel (MILON et al. 1973).

Zustofen unter dem Baldachin ist nur schwer zu sehen und kommt wohl auch nicht imrner vor. Nur einrnal konnte ich mit Sicherheit feststellen, daf ein kleiner Fisch erbeutet worden war. Die Glockenreiher waren nut bei Ebbe im Gebiet anzutreffen und jagten rneist welt weg vorn Ufer und yon jeder Struktur entfernt auf den Wattfl~i- chen. Ktistenreiher (Egretta gularis) gingen bei Ebbe am Ufer, auch irn Meet watend, welt yon den mehr landseitig jagenden Glockenreihern der Nahrungssuche nach. Ein- zeltiere waren aber irnrner im Gebiet anzutreffen. Nut zweirnal reichte das Wasser den Glockenreihern bis auf etwa ein Drittel des Laufes, sonst war es bedeutend seichter. Beobachtungen yon Einzelindividuen des Kfistenreihers zeigten eine Bevorzugung gr6- gerer Wassertiefen: yon 11 Beobachtungen fallen 2 auf fugtiefes Wasser, 3 auf halbtar- sentiefes und der Rest auf knapp fersentiefes his bauchtiefes Wasser. In etwa der H~,lfte der F~ille jagten Ktistenreiher zwischen Mangrovesch6flingen oder unter dern Dach der Mangrove, sonst irnmer in N~ihe der Uferlinie im Meer oder an tiefen Ebbetfirn- peln.

Obwohl gelegentlich zwei oder rnehr Individuen des Glockenreihers dicht beieinan- der dem Nahrungserwerb nachgingen, hatten Begegnungen zuf~illigen Charakter. Augenscheinliche soziale Interaktionen konnten nicht beobachtet v~erden.

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Das Verha l t en der Beute

Einige Vorversuche an Krabben schienen zu zeigen, daf~ beschattete Krabben ihre Lokomotion verringern bzw. einstellen. Als dutch Beobachtung der Reiher und dutch Ausschlut~ (d. h. Fehlen) anderer geeigneter Beute auf den Wattfl~ichen wahrscheinlich geworden war, dai~ Heine Blenniden die Hauptbeute der Glockenreiher waren, testete ich deren Verhalten bei Beschattung. 46 Experimente mit individuell beschatteten bzw. unbeschatteten Fischen ergaben keine merklichen Unterschiede im Verhalten, das als Zeitdauer bewegungslosen Verharrens gemessen wurde. Daraufhin wurden ganze Tumpel in der geschilderten Weise beschattet und gemessen> wieviel Zeit bis zur ersten Fischbewegung seit Beginn der St6rung am Ttimpel verstrich und wieviele Fische der jeweiligen Gr~3t~enklassen nach ca. 40 sim Ttimpel zu finden waren. Die Ann~iherung selbst 16ste jedesmal blitzschnetle Flucht aus dem Tiimpel tiber winzige Rinnsale oder iiber den Wasserfilrn zwischen den Tiimpeln aus.

Ohne nachfolgende Beschattung (21 Experimente) verstrichen im Mittel 12,6 s (Median 10,7 s) bis die erste Bewegung zu registrieren war. Bei Beschat~ung des T~im- pels lag das Mittel, sofern iiberhaupt noch Fische vorhanden waren, bei 31,4 s (Median

_ Unbeschattet

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Kleln lllttel/Klein 111ttel u, grosset v o_

Beschattet

1 1 1 = 2 3

I -- I Abb. 1. Wirkung der Beschattung auf die H~iufigkeitsvertei|ung unterschiedlich grofler Fische. Klein: 1--2 cm,

Mittel/Klein: um 3 era, Mittel u. grafter: 5 om und darOber.

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g, o

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°0.00 S.O0 tO. O0 1S.O0 2 0 , 0 0 2g. O0 ZEIT (SEKUhlI]EH)

Abb, 2. Wahrscheiniichkeiten von (A) Ende der Baldachin-Stellung des Glockenreihers, (B) Beginn der ersten Bewegung yon Fischen nach St6rung ohne nachfolgende Beschattung und (C) Beginn erster Fischbewegungen nach St6rung unter Schatten. Die Kurven geben an, mit welcher Wahrscheinlichkeit nach Verstreichen einer bestimmten Zeit nach Ann~therung (St6rung) das jeweilige Ereignis eingetreten ist. Dichtesch~/tzung mit

Methode der n/ichsten Nachbarn ( K s 6, siehe TP.AMPISCH 1980) und anschliei~ende Integration.

26,1 s, N = 16). Der Unterschied kii~t sich auf dem 0,5 % Signifikanzniveau sichern (Mann-Whitney U-Test).

IDberraschend ist das Ergebnis der Z~ihlungen: In den unbeschatteten Pftitzen wur- den insgesamt 76 kleine, 11 mittel/kleine und 4 mittlere und gr6f~ere Fische gez~ihlt. In den beschatteten Pftitzen verblieben in den jeweiligen Gr6flenklassen 15, 16 bzw. 8 Fische (Abb. 1). Das bedeutet, daft mehr als ftinfmal soviele kleine Fische in den unbe- schatteten wie in den beschatteten Pftitzen verblieben. Obwohl die Gesamtzahl der Fische somit deutlich geringer ist, bleiben gr6i~ere Fische hier, womit auch das Verh~lt- nis gr6flerer Fische zu kleineren steigt. Die Flucht der Kleinen findet in den ersten Sekundenbruchteilen der Beschattung statt. Der schwache Zusammenhang (Spearman- Rangkorrelationskoeffizient = --0.331, p~-5 %, N=37) zwischen dem Auftreten erster Bewegung und dem Anteil kleiner Fische tr~igt etwas zum Unterschied der Ergebnisse beztiglich der ersten Bewegung zwischen beschatteten und unbeschatteten Ttimpeln bei.

Zur besseren Illustration der Befunde habe ich unter Verwendung eines Verfahrens der Dichtesch~itzung (TRAMVlSCrt 1980) und nachfolgender Integration, die Daten ftir die Glockenreiher- und Fischbeobachtungen aufgetragen (Abb. 2). Daraus l~ii~t sich

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ablesen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit (in Prozent) des Auftretens einer ersten Fischbewegung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einerseits und die Wahrscheinlich- keit des Endes des Glockenverhaltens des Reihers andererseits ist. Zwar dunkelt der Reiher wahrscheinlich effektiver als ich es bewerkstelligen konnte ab, doch wird ohne weiteres deutlich, daf in 90 % der F~ille der Reiher nur bewegungslose Fische zu sehen bekommt.

Diskussion

Die hier mitgeteilten und die schon frtiher ver6ffentlichten Beobachtungen lassen kaum Zweifel zu, daf die Schirmbildung des Glockenreihers in den Bereich des Nah- rungserwerbes geh6rt. COOPERS (1970) Beobachtung, daf zwei Glockenreiher, die ein- ander zu jagen schienen, ebenfalls ohne dabei Beute zu machen die Glockenhaltung einnahmen, ist wohl eine zu schwache Basis, dieses Verhalten als ritualisierten (s. unten) Bestandteil auch des Sozialverhaltens anzusehen.

Schwieriger ist es schon, den Wert dieses Verhaltens ftir die bessere Sicht des Rei- hers zu beurteilen. Beginnend mit JacKsoN (1938), der schon bemerkt hatte, daf die Reiher den Rticken immer der Sonne zuwandten, schliefen auch DU PLESSIS (1963) und MILON et al. (1973) diese M6glichkeit nicht aus. Ftir ein ~ihnliches Verhalten des Rotreihers (Hydranassa rufescens) ha'It auch ME'CERR~ECI~S (1962) dies far eine m6gliche Funktion. Einerseits meinen ,313 PLESSIS (1963) und MILON et al. (1973), die Beschat- tung verhindere st6rende Oberfl~ichenreflexe, andernseits vermutet JACKSON (1938), der Reiher wtirde die Beute im Schatten besser sehen. D13 PLESS~S (1963), der tibrigens das Verhalten des Glockenreihers niemals selbst gesehen hatte, spekuliert tiber ein Prinzip, das auch yon afrikanischen Fischern angewendet werde, nach dem Fische am Rande eines Schattenfeldes besser zu sehen w~tren. Gegen diese Interpretation kann man vorbringen, daft erstens tier Reiher auch bei Bew61kung oder gar in der D~imme- rung dieses Verhalten zeigt (s. oben; RAN, 1936, PR~AD & GRANT 1952, BROEKHUYSEN & BROEKmnCSEN 1961, FARr~AS 1962, MILON et at. 1973) und daf zweitens der yon D13 PLESSlS (1963) angesprochene Effekt wohl nut im tiefen Wasser bei freischwimmenden Fischen zur Geltung kommen kann.

Alle anderen {)berlegungen zu diesem Thema gehen vom Verhalten der Fische aus. Dis PLZSSlS (1963) weist etwa darauf bin, daf im Schatten far die Fische der Fangstof des Reihers unauff~illiger wird. HANCOCK & ELL~OT~r (1978) aber halten die, angeblich von MEYERRIECKS (1962) vorgeschlagene Idee, Fische warden in den Schatten gelockt, far die annehmbarste. BROEKH13YSEN & BROEKH13VSEN (1961) glauben, daf die Fische durch die gelben Ftife des Reihers und den Schatten angelockt wtirden. D13 PLESSIS (1963) spezifiziert, daf aufgeschreckte Fische dazu tendierten, zum Schutz auf einen dunklen Fleck hin zu flitzen. MZWRRIECKS (1962), der allem Anschein nach ebenfalls die Jagd des Glockenreihers nie selbst gesehen hat, interpretiert das Verhalten des Rotreihers etwa in gleichem Sinne. Dieser kleine, rotbraune, amerikanische Reiher t~iuft zun~tchst im Wasser umher (Interpretation: Aufschrecken der Fische) und wartet dann aufrecht mit gebreiteten (nicht zu einem Schirm geschlossenen) Schwingen far ein his zwei rain (Interpretation: Die Fische suchen im Schatten Zuflucht) und beginnt

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dann erst mit dera Nahrungserwerb (MEYERRIECKS 1962). Dieser Autor behauptet aller- dings an keiner Stelle explizit, daft Gleiches auch ftir Egretta ardesiaca gelte (wie often- bar von HANCOCK & ELHO~r 1978 unterstellt), sondern nut, daft dessen Verhalten das Extrem des vom Rotreiher gezeigten sei. Das Hauptargument gegen die Hypothese des ,,falschen Zufluchtsortes" ist far den Glockenreiher die kurze Zeitdauer der Verhal- tensweise (schon bei FARKAS 1962 findet man die Angabe ,,2 bis 3 Sekunden"). Auch habe ich bei meinen Beobachtungen nieraals nut eine Andeutung eines entsprechenden Verhaltens der Fische gesehen. Fische, die gew6hnlich in der N~ihe gr6flerer und schat- tenspendender Strukturen leben, ra6gen sich allerdings darin unterscheiden.

Dat~ der Schatten des Reihers Fische verwirren oder deren Reaktionen heraraen k6nnte, erw~igen RaND (1936) und MILON et al. (1973). Schatten als Mittel, Beute auf- zuschrecken, diskutieren MEVERRIECKS (1962) und MURTON (1971), dieser besonders in Zusamraenhang mit dunkler F~trbung von Reihern. Vora Glockenreiherverhalten spre- chen sowohl die Form des Verhaltens (schnelle Ann~iherung, von Sonnenhelligkeit unabh~ngige kurze Dauer) ftir eine solche Interpretation. Die Zuwendung des Rtik- kens zur Sonne bringt mit sich, dag besonders bei Ann~_herung des Reihers gegen die Sonne, eine ftir die Opfer besonders unerwartete, daher sehr wirksame Verdunkelung emsetzt. Aut~erdera flillt der Schatten vor den Reiher in den Bereich des Schnabels. Der K6rper ist ferner besser geeignet, gegentiber der Sonne einen lichtdichten Schirm zu bieten als die trotz starker Pigmentierung wohl noch immer schwach durchscheinenden Fltigel. Die Experiraente, sofern sie in der Lage waren, das Reiherverhalten wirkungs- roll zu simulieren, weisen ebenfalls eindeutig auf eine primare Schreckwirkung. Eine weitergehende Interpretation des Reiherverhaltens kann nur auf diesen Experimenten beruhen, da ira Felde direkte Beobachtungen unm6glich sin& Deranach unterdrtickt der Schatten die Bewegungen der nicht vertriebenen Fische. Far den Reiher entstehen aus der Reaktion der Fische drei Vorteile: einerseits wird die Zahl der Fische in emera Ttirapel reduziert, die Bewegungen bleiben unterdrtickt und gr6gere Exemplare ver- bleiben. Letzteres Ph~inomen (Abb. 1) deute ich als Ergebnis h6herer Ortstreue bereits revierbesitzender (Krabbenl6cher) gr6t~erer Fische und ihrer geringeren Lokoraotions- bereitschaft. Die ersten beiden Vorteile beruhen darauf, dag Konfusionseffekte, die durch Schwarmbildung und Bewegung der Beute entstehen, verhindert werden (tiber den Konfusionseffekt orientiert OHCUCm 1981). Da es nach der Theorie des optiraalen Nahrungserwerbes ffir den Reiher profitabler ist, groi~e Beute zu fressen und kleinere, auch wenn sie h~iufig ist, abzulehnen (KREBS 1978), entsteht ftir den Reiher kein Nach- teil, wenn bevorzugt kleine Fische fliehen. Ira Gegenteil, etwaige Kosten, die durch den Aufwand ftir Auswahl und Entscheidung entstehen, fallen weg. Unter der Vorausset- zung, da£ die hier mitgeteilten Beobachtungen und Experimente verallgeraeinerbar sind, kann man das Verhalten des Glockenreihers als wirksarae Gegenstrategie zur Beuteabwehrstrategie der Fische auffassen. Glockenreiher sind sicherlich nicht auf die untersuchte Blennidenart spezialisiert. Jedoch sind seichte Gew~tsser und kleine Fische (ira Binnenland z. B. kleine Buntbarsche) anscheinend typisch far die Ern~ihrungsweise dieser Vogelart (RAND 1936 spricht von 15--30 mm grogen Fischen, DONELLY in IRWIN 1975 gibt die GrOfle der in Mageninhalten gefundenen jungen Fische der Gattung Tila-

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pia mit 50--56 mm an.) Es bleibt zu prtifen, ob die anderen Beutetiere des Glockenrei- hers ~ihnlich wie die hier beschriebenen reagieren. Die punktuelte Verbreitung dieses Reihers (BRITrON 1980) l~iflt ebenfalls darauf schliegen, daft seine Jagdmethode nur unter ganz spezifischen Umst~inden Erfolg hat. Ich vermute, daft dies ftache, sehr seichte, gleichm~it]ig beleuchtete, strukturarme Gew~isser mit einem langzeitigen Ange- bot zahlreicher, kleinerer, dabei unterschiedlich groger (mit unterschiedlicher Flucht- reaktion), bodennah lebender Fische sin& Augenscheinlich ist Egretta ardesiaca sehr deutlich von ~iugerlich ~ihnlichen Reihern wie Egretta gularis 6kologisch getrennt und unterliegt keiner interspezifischen Konkurrenz (vgl. auch IRWIN 1975). Die Promptheit, mit welcher das Verhalten auftritt, selbst tiber einer Futterschiissel, und seine augerge- wthnliche Form haben manche Autoren in unglticklichem Miflverst~indnis des Begrif- fes, der sich auf Signale bezieht, dazu verleitet; von ,,ritualisiertem" Verhalten zu spre- chen (FARKAS 1962, COOPER 1970, IRWIN 1975). Der Umstand, dag es kaum je unterlas- sen wird, kann dadurch erkl~irt werden, dag es eben keine Reaktion auf einen spezifi- schen kurzfristigen Reiz ist, oder an einem solchen orientiert werden kann, sondern eine Methode, das Verhalten von Beutetieren zu manipulieren. Der unmittelbare Erfolg kann erst nach Einnehmen der Position festgestellt werden, der mittel- bzw. langfristige erst nach mehreren, auch ergebnislosen, Versuchen, ein, wie ich glaube, interessanter Aspekt bei der Beurteilung und Diskussion der Funktion starrer Hand- lungsabl~iufe.

Zusammenfassung Unter den Reihern zeigt der kleine Glockenreiher die extremste Form der unterschiedlichen

Nahrungserwerbstechniken, bei denen auch die Flagel eingesetzt werden. Die Funktion dieses Verhaltens war in Zusammenhang mit dem Nahrungserwerb (mtgliche Funktionen: Abschirmen der Augen, Anlocken yon Fischen in einen falschen Zufluchtsort, Verwirren yon Fischen) und selbst mit dem Sozialverhalten (ritualisierte Bewegung) diskutiert worden. Nach Beobachtungen auf der Insel Mafia vor der Kaste Tanzanias halten die Vogel ihre schirmftrmige Stellung far 0,9--12,5 s (Median 2,9 s) und richten sich in 83 % der F~.lle mit dem Racken zur Sonne aus. Wolken vor der Sonne hatten keinen merklichen Effekt auf die Bildung des Baldachins. Experi- mente mit kleinen Schleimfischen, der Beute dieses Reihers, zeigten, daft der yore Reiher gewor- fene Schatten mtglicherweise kleinere (10--20 mm) Fische verjagt und die Bewegungen der ver- bteibenden mittelgroflen bis grogen (30 mm und dartiber) unterdrtickt. Daher scheint das Verhal- ten des Reihers eine wirkungsvolle Gegenstrategie zu der auf Aggregation und Bewegung beru- henden, yon den Fischen erzeugten Konfusion zu sein.

Summary The feeding behav ior of the Black Heron (Egretta ardesiaca)

Among herons, the small Black Heron possesses the extreme form of various feeding methods involving the wings -- forming an umbrella with both wings. The function of this behavior has been discussed in connection with feeding (possible functions: eye shade, luring of fish into a false refuge, confusing the fish) and even with social behavior (ritualized movement). Observations made on Mafia Island off the coast of Tanzania are reported in this paper. Birds hold the umbrella position for 0.9--12.5 seconds (median 2.9 s) and orient themselves with their back to the sun in 83 % of the cases. Clouds obscuring the sun do not have any detectable effect on canopy forma- tiom Experiments with small btennid fish, the prey of the heron, showed that the shadow cast by the heron may chase off small fish (I0--20 ram) and may supress movement of the remaining

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medium to larger-sized (30 mm and longer) fish. Thus the heron's behavior appears to be an effective counterstrategy to the confusion produced by the fish because of their aggregation and movement.

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Anschrift des Verfassers: Institut ftir Limnologie, Gaisberg 116, A-5310 Mondsee, Oster- reich.