Das Klima der letzten 11.000 Jahre R. Schneider, G. Lohmann · PDF fileDas Klima der letzten...

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  • Das Klima der letzten 11.000 Jahre

    R. Schneider, G. Lohmann

    Einfhrung

    Dieser Beitrag befat sich mit dem Klimaabschnitt des Holozns, der letzten Warm-zeit von vor etwa 11.000 kalendarischen Jahren bis heute, die auf den letzten starkenKlima-Rckschlag in Richtung glazialer Bedingungen, der Jngeren Dryas, folgt(Abb. 1). Er beschreibt vor allem die Klimaentwicklung auf Zeitskalen von Jahrhun-derten bis Jahrtausenden und geht nicht detailliert auf kurzzeitigen Schwankungender letzten 1000 Jahre (siehe Beitrag Glaser) und nicht auf die, aus historischen Auf-zeichnungen abgeleiteten, kurzzeitigen Klimaschwankungen ein.

    Obwohl die Klimaentwicklungwhrend des Holozns ent-scheidend zur Entwicklung undAusbreitung der modernenmenschlichen Gesellschaft undKultur beigetragen hat, ist ber-raschend wenig ber die rum-lichen und zeitlichen Muster derKlimaentwicklung im Kontextvon externen Antriebsmechanis-men und internen Rckkop-plungsprozessen auf den ent-sprechenden Zeitskalen be-kannt. Bis in die neunziger Jah-re lagen nur wenige Klimakur-ven mit hinreichender zeitlicherAuflsung vor. Deshalb wurdedas Holozn lange Zeit als eineKlimaperiode ohne starke glo-bale Klimaschwankungen mitrelativ konstanten Gehalten anTreibhausgasen in der Atmo-sphre betrachtet (Abb. 2). Zudieser Betrachtungsweise tru-gen vor allem die Sauerstoffiso-topen-Kurven der polaren Eis-

    bohrkerne Grnlands bei (Abb. 1), die im Gegensatz zu den aufsehenerregendenkurzzeitigen glazialen Klimaschwankungen, auch bekannt als Dansgaard/Oeschger-Zyklen, auf nur geringe Klimavariabilitt whrend der letzten etwa 11.000 Jahre hin-deuteten. So gab es zwar auch Klimakurven aus unterschiedlichen terrestrischen undmarinen Archiven, wie Baumring-Kurven, Zeitserien von Pollenvariationen oder vonorganisch/anorganischen Bestandteilen aus Bodenprofilen und Seesedimenten so-wie von Dickenwachstum und Sauerstoffisotopen-Kurven von Korallen oder von mari-nen Mollusken, die Interpretationen hatten jedoch oft nur lokale Aussagen zur Folge.

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    Abb. 1 GISP Eiskern Sauerstoffisotopen-Kurve und saiso-nale Einstrahlungs-nderungen in W/m2 bei 60 und 10Nfr das Holozn. (Quelle: J.-H. Kim, Bremen, Daten ausNGDC NOAA Boulder, Colorado, USA).

  • Zudem reichte entweder die Lnge dieser Zeitserien nicht fr die Betrachtung des ge-samten Holozns oder die zeitliche Auflsung erlaubte in den meisten Fllen keineAussagen zu mglichen Klimazyklen oder zu Trends ber einige tausend Jahre hin-aus. Auch galt das akademische Interesse vieler Paloklimatologen zumeist denauerordentlich ausgeprgten Eiszeitzyklen, die in allen Archiven und den entspre-chen Klimakurven mit hinreichender Signifikanz dokumentiert waren, so dass eineFlle von Klimakurven zur Verfgung stand, um sich mit den Kollegen und in Publika-tionen mit den Antriebs- und Rckkopplungs-Mechanismen auseinanderzusetzen.ber mgliche Antriebsmechanismen fr holozne schnelle Klimawechsel whrendder letzten 11.000 Jahre gab es nur wenige Informationen. Die Schwankungen derEinstrahlung aufgrund der Vernderung in den Erdbahnparametern, vor allem die ho-loznen nderungen in Przession und Schiefe der Erdrotationsachse waren gegen-ber den Schwankungen whrend des Pleistozns so gering, dass aufgrund der ge-ringen Abnahme in der Nordsommer-Einstrahlung und der gleichzeitigen Zunahmeder Wintereinstrahlung fr die Nordhemisphre nur ein langanhaltender Trend einerlangsamen Abkhlung erwartet wurde (Abb. 1). Diese Annahme entsprach demZeugnis vieler holozner Klimakurven mit nur geringer zeitlicher Auflsung, die inirgendeiner Weise alle auf eine Verschlechterung des Klimas in Richtung klterer,trockenerer, und/oder windigerer Bedingungen hinwiesen. ber die Vernderungender solaren Aktivitt und deren Kli-maeinflu auf Zeitskalen von Jahr-hunderten bis Jahrtausenden gab esnur wenig Informationen, entspre-chendes galt und gilt heute noch berdie Auswirkungen von Vulkanausbr-chen und deren Aschen und Staub-emissionen in die Atmosphre. Zwarwaren und sind deren Klimawirkungrelativ unbestritten, aber es fehltensystematische Kenntnisse fr dieletzten 11.000 Jahre.

    Aus Mangel an Ressourcen und derMglichkeit, physikalische Prozessein Atmosphre und Ozean gekoppeltzu simulieren, beschrnkte sich dieModellierung des Klimas in der Ver-gangenheit zunchst auf Experimen-te fr bestimmte Klimazustnde zueinem bestimmten geologischenZeitpunkt, z.B. glaziales Maximumoder holoznes Klimaoptimum. Sowaren bestimmte Klimazustndewhrend des Holozns (The Coope-rative Holocene Mapping Project,COHMAP 1988) oder die Simulationfr afrikanische Vegetationsnderun-gen mit den vielen Hinweisen aufeine grne Sahara vor 7.000 bis

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    Abb. 2 nderungen im atmosphrischen CO2-Ge-halt ber die letzten 11.000 Jahre gemessen an ark-tischen und antarktischen Eisbohrkernen (Indermh-le et al. (1999), Quelle: Bildersammlung )

  • Abb. 3 BIOME 6000 Rekonstruktionen fr die Ausbreitung der Steppenvegetation in der sdlichen Sa-hara im mittleren Holozn (b) und die Verschiebung der Zone der hchsten Niederschlagsmengen vor6000 Jahren (a) gegenber der heutigen Situation (c) in unterschiedlichen Klimamodellen (PMIP 6000,www-lsce.cea.fr/pmip/). Der Vergleich zwischen Vegetationsdaten und Modellergebnissen zeigt derenDiskrepanz in Bezug auf die grte nrdliche Ausbreitung(Joussaume et al. (1999), Quelle: Bildersammlung

    6.000 Jahren vor heute (BIOME 6000, www.bgc.mpg.de/ bgc_prentice/projects/bio-me6000/ index.html) Ziel vieler Modellexperimente (Abb. 3). Die ersten globalen Kli-marekonstruktionen und Klimasimulationen widmeten sich vor allem dem Ansatz,durch gut datierte Paloklimadaten und durch atmosphrische Zirkulationsmodelledie Grnde und Mechanismen fr Unterschiede zwischen bestimmten Klimazustn-den fr bestimmte Zeitpunkte, z.B. vor 18-, 15-, 12-, 9-, 6- und 3.000 Jahren vor heu-te (COHMAP 1988) zu beschreiben. War dieser Ansatz fr das glaziale Maximum

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    )

  • noch einigermaen nachvollziehbar und der Zeitpunkt dieses Zustandes relativ ein-fach zu fixieren (z.B. Diskussion in Mix et al. (2001) fr 21.000 Kalenderjahre bzw.18.000 Radiokarbon-Jahre vor heute), so wurde schnell deutlich, dass eine Festle-gung des holoznen Klimaoptimums sich sehr schwierig gestaltet. Je nach betrachte-tem Mechanismus, z.B. Meeresspiegel-Hochstand und strkster Rckzug kontinenta-ler Eiskappen, Niederschlagshufigkeit, Oberflchentemperatur oder Intensitt deratmosphrischen Zirkulation, war der Zeitpunkt fr optimale klimatische Verhlt-nisse einer Warmzeit im Holozn irgendwann zwischen 11.000 und 5.000 Jahren vorheute. Eine weitere Schwierigkeit bei der Modellierung war der Einsatz gekoppelterAtmosphre-Ozean-Biosphre Modelle fr paloklimatische Fragestellung. So wurdebis vor wenigen Jahren die Simulation mit heutigen fest vorgeschriebenen Ozean-temperaturen und Vegetationsverteilungen durchgefhrt.

    Heute kommt der holoznen Klimaentwicklung und der Erforschung dieser nur etwa11.000 Jahre umfassenden, jngsten aller geologischen Zeitstufen eine besondereBedeutung zu, weil sie sich durch einen einzigartigen Unterschied gegenber denvorhergehenden etwa 4 Milliarden Erdgeschichte auszeichnet. Dies ist die Erkennt-nis, dass erstmals eine Gemeinschaft von Lebewesen in der Lage zu sein scheint, diezuknftige globale Klimaentwicklung entscheidend beeinflussen zu knnen und diesvielleicht mit noch regionalen Auswirkungen schon seit mehreren tausenden von Jah-ren getan hat. Gerade die Erforschung dieses letzten Aspektes, was sind menschlichbeeinflute Vernderungen und welche wurden von Prozessen, die nicht dem anthro-pogenen Einflu unterliegen, bewirkt, ist eine der umstrittensten Fragen bei vielenUntersuchungen mit regionalem oder globalem Charakter. Zustzlich angetriebenvon der aktuellen Diskussion ber die mglichen Konsequenzen der anthropogenenEmissionen fossiler Brennstoffe und der Erhhung der Treibhausgas Konzentrationenin der Atmosphre steht die Erforschung der holoznen Klimavariabilitt unter beson-derer Beobachtung der ffentlichkeit und politischer Entscheidungsgremien. Dies istinsbesondere der Fall, wenn es darum geht, die mglicherweise von den durch Men-schen beeinfluten Klimaschwankungen in historischer Zeit (die letzten etwa 2000Jahre und hier vor allem die letzten 150 Jahre seit Beginn der industriellenEntwicklung mit enormen Energieverbrauch) von denen zu unterscheiden, die seitmehreren tausenden von Jahren wirksam waren.

    Dieser Beitrag soll deshalb einen kurzen berblick ber die wichtigsten Erkenntnisseder letzten Jahre zur Klimavariabilitt des Holozns geben, auch aus der Sicht dermarinen Paloklimaforschung. Die Klimazeugen aus dem marinen Bereich und austropischen und polaren Eiskappen sind auerordentlich gut fr die Untersuchung dernatrlichen Klimavariabilitt geeignet, weil hier fr die letzten Jahrtausende der Ein-flu menschlicher Aktivitten auf die untersuchten Klimaarchive relativ sicher auszu-schlieen ist. Auch wrde eine entsprechende Darstellung der Vielzahl der neuen Er-kenntnisse aus den Klimaarchiven der einzelnen Kontinente weit ber den Rahmendieses Artikels hinausfhren. Fr die neuesten Erkenntnisse zur kontinentalen Kli-maentwicklung des Holozns in Europa sei der interessierte Leser auf die neuestenErgebnisse des Verbundvorhabens KIHZ verwiesen (Fischer et al. 2004), welchesgerade im Januar 2004 sein Abschlukolloquium durchgefhrt hat. Darber hinauskann dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollstndigkeit erheben, da nahezu monat-lich eine oder mehrere Publikationen zu dieser Thematik in internationalen Fachzeit-schriften (z.B. The Holocene, Nature, Science, Paleoceanography, Geophysical Re-

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  • search Letters, Climate Dynamics, etc) erscheinen. Ein weiteres Anliegen dieses Bei-trages ist es, offene Fragen, methodische Schwierigkeiten und neue Anstze darzu-stellen, die sich bei der Interpretation von Klimaarch