Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und...

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Das Personal in der Weiterbildung Rolf Dobischat Arne Elias Anna Rosendahl Hrsg. Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Beschäftigungsrealität

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Das Personal in der Weiterbildung

Rolf DobischatArne EliasAnna Rosendahl Hrsg.

Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Beschäftigungsrealität

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Das Personal in der Weiterbildung

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Rolf Dobischat · Arne Elias Anna Rosendahl (Hrsg.)

Das Personal in der WeiterbildungIm Spannungsfeld von Professionsanspruch und Beschäftigungsrealität

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HerausgeberRolf DobischatFakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/ Berufliche Aus- und Weiterbildung Universität Duisburg-Essen Essen, Deutschland

Arne EliasFakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/ Berufliche Aus- und Weiterbildung Universität Duisburg-Essen Essen, Deutschland

Anna RosendahlFakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/ Berufliche Aus- und Weiterbildung Universität Duisburg-Essen Essen, Deutschland

ISBN 978-3-658-17075-2 ISBN 978-3-658-17076-9 (eBook)https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9

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Lektorat: Stefanie Laux

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Vorwort der Herausgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Rolf Dobischat, Arne Elias und Anna Rosendahl

Teil I Profession und Professionalität in der Weiterbildung: Theoretische Verortungen

Professionalisierung der Erwachsenenbildung: Die Grenzen eines ambitionierten Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Dieter Nittel

Professionalisierung der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Historische Prozesse und strukturelle Herausforderung der Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57Wiltrud Gieseke

Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit . . . 79Rudolf Tippelt und Barbara Lindemann

Teil II Prekarität und Professionalisierung. Zwei Seiten einer Medaille

Prekarität im „Jobwunder-Land“ – was ist neu? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97Klaus Dörre

Das Qualifizierungsdilemma der sozialen Dienstleistungen . . . . . . . . . . . 119Philipp Staab

Inhaltsverzeichnis

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VI Inhaltsverzeichnis

Kompetenzprofile und berufliche Identität in Dienstleistungsberufen-zwei Säulen der Professionalisierung . . . . . . . . . 137Friederike Bahl

Teil III Beschäftigung, Prekarität und Professionalisierung in der Weiterbildung: Empirische Befunde

Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten der Weiterbildung . . . . 161Stefan Koscheck

Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? Objektive und subjektive Bewertung der Beschäftigungsbedingungen von hauptberuflichen Weiterbildnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185Arne Elias

Weiterbildung als Nebenerwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205Nadja Schmitz

Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und Professionalität des Weiterbildungspersonals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225Andreas Martin

Ökonomisierung der Weiterbildung –eine Diagnose zur Erklärung von differenzierten Geschäfts- und Einkommenslagen? . . . . . . . . . . . . . . 251Anna Rosendahl

Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung: Individuelle und kollektive Perspektiven . . . . . . . . . . . . . 283Josef Schrader und Franziska Loreit

Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung. Segmentationstheoretische Überlegungen und empirische Befunde . . . . 309Ina Krause

Professionalität und Professionalisierung des betrieblichen Weiterbildungspersonals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329Dick Moraal

Teil IV Strukturelle Kontexte von Professionalisierung und Prekarisierung

Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen als Legitimationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345Matthias Knuth

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VIIInhaltsverzeichnis

Millionenmarkt Qualitätsmanagement als Kontext einer „anderen“ Professionalisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377Bernd Käpplinger, Eva-Christine Kubsch und Martin Reuter

Betriebliche und verbandliche Personalentwicklung bei unvollendeter Professionalisierung am Beispiel der Münchner Volkshochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399Klaus Meisel und Regine Sgodda

Teil V Das Personal in der Weiterbildung aus der Sicht kollektiver Akteure

Qualifizierungsberatung für Kleine und Mittlere Unternehmen. Ergebnisse und Erfahrungen zur Qualifizierung und Professionalisierung der Weiterbildungsarbeit in KMU . . . . . . . . . . . . . . 423Karl Düsseldorff und Marcel Fischell

Die Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen . . . . . . . . . . . . . . . 439Ernst Dieter Rossmann

Aktivitäten des Bildungsverbandes BBB im Rahmen bestehender Weiterbildungsstrukturen hinsichtlich der Auswirkungen auf das beschäftigte Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461Walter Würfel

Die Branche Weiterbildung: Entgeltentwicklung und tarifpolitische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477Roland Kohsiek

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Vorwort der Herausgeber

Rolf Dobischat, Arne Elias und Anna Rosendahl

Blickt man in das Vorabendprogramm der meisten großen deutschen Fernsehsender sowie auf das Serienangebot der großen Streaming-Dienste, so ist die häufige Präsentation von bestimmten Professionen bei den jeweiligen Akteuren auffällig. Gemeint sind Berufe, die auf Basis ihrer Arbeit und ihres Tätigkeitsfeldes in der Gesellschaft aufgrund ihres privilegierten Status eine besonders hohe Anerken-nung und Wertschätzung genießen. In einer Zeit, in der die Professionen scheinbar zunehmend ihre gesellschaftliche Bedeutung, nicht zuletzt durch ein sich auflö-sendes Wissens- und Informationsgefälle zwischen Professionellen und Laien, zu verlieren scheinen und der Begriff der Profession hinter den der Professionalität zurücktritt, sind die traditionellen Professionen (Medizin, Recht, Theologie) den-noch in den modernen Erzählungen unserer Gesellschaft über- wenn nicht sogar omnipräsent.

Fast ist man geneigt, und dies mit Blick auf den langen Diskurs um die relevanten Attribute einer Profession und die eher nicht abschließend geklärte Definitionsfrage, welche Berufe sich zu dem illustren Kreis der Professionen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_1

R. Dobischat (*) · A. Elias · A. Rosendahl Fakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/Berufliche Aus- und Weiterbildung, Universität Duisburg-Essen, Essen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

A. Elias E-Mail: [email protected]

A. Rosendahl E-Mail: [email protected]

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rechnen dürfen und welche Berufe auf dem Weg zur Profession „lediglich“ als Semi-Professionen stecken geblieben sind, zur Schlussfolgerung zu kommen, die Professionalisierung der Berufe auf Basis ihrer Präsenz in nationalen und interna-tionalen Fernsehserien zu beurteilen. Bei der Vielzahl an Serien, die spezifische Berufsgruppen in das jeweilige Erzählzentrum rücken, könnte man mit Sicherheit anhand der Häufigkeit ihres Auftretens einen Indikator bilden, der den Kreis der Professionen erfasst und hierarchisch abbildet. Ohne dies an dieser Stelle vertie-fend zu thematisieren, ist offensichtlich, dass Ärzte (bspw. Grey’s Anatomy) und Juristen (bspw. Law & Order) auch in einer derartigen Betrachtung eine expo-nierte Rolle spielen würden. Aber auch andere akademische Berufe, deren Status als Profession durchaus zu diskutieren ist, lassen sich in den Handlungssträngen des Serienprogramms identifizieren. So treten bspw. neben Pfarrern (Pfarrer Braun), Journalisten (The Newsroom), Architekten (How I Met Your Mother) oder Ingenieuren (Prison Break) auch Lehrer (Breaking Bad) als Hauptakteure der Handlung auf.

Die Suche nach einer Serie, die den Weiterbildner bzw. den Erwachsenenpäda-gogen in seinem breiten Tätigkeitsfeld in das Zentrum der Handlung stellt und auf diese Weise den Status der Weiterbildung/Erwachsenenbildung als gesellschaft-lich bedeutende Profession markieren und in die gesellschaftliche Wahrnehmung rücken würde, geht jedoch ins Leere. Das breite bildungs-, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Leistungsspektrum und das facettenreiche Tätigkeitsfeld, das die Beschäftigten im Bildungssektor der Weiterbildung/Erwachsenenbildung erbrin-gen bzw. wahrnehmen, könnte sich dabei durchaus anbieten, um die Weiterbildner als prominente Akteure einer ansprechenden Handlung einer Fernseherzählung aufzubauen. Liegt es vielleicht daran, dass der Status der Weiterbildung/Erwach-senenbildung als relevante Professionsarena nicht als akzeptabel angesehen wird, da z. B. die Berufsrollen und ihre Bezeichnungen oder die Beschäftigungssitua-tion diffus und unübersichtlich sind (vgl. dazu Nittel und Schütz 2016; Koob und Lattke 2008; Kraft 2011)? Dass dem nicht so ist, lässt sich allein schon aus dem anhaltenden Interesse an den Professionalisierungsprozessen in der Weiter-bildung/Erwachsenenbildung ablesen, das insbesondere durch die dynamischen Veränderungsprozesse im Beschäftigungssystem und am Arbeitsmarkt wie auch in der Gesellschaft insgesamt getrieben ist und kontinuierlich wachsende Anfor-derungen an die Weiterbildungsbeschäftigten stellt. Diese Entwicklung flankie-rend wird der Diskurs um Professionalisierung und die einzuschlagenden Pfade der Professionalitätsentwicklung seit Jahren in Wissenschaft und Praxis leb-haft geführt, sodass er zum zentralen Thema bei der Betrachtung des Weiterbil-dungspersonals avanciert ist. Gerade durch Befunde aus empirischen Studien und Analysen aus den letzten Jahren gespeist, sind mittlerweile fundierte und seriöse

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3Vorwort der Herausgeber

Aussagen zur Verfassung und Konturierung des Arbeitsmarktes in der Weiterbil-dung/Erwachsenbildung möglich, die letztlich der Professionalisierungsdebatte wichtige Impulse und Anstöße verliehen haben.

Mittlerweile sind knapp zwei Jahrzehnte vergangen, dass die Europäische Union (1996) das Postulat des Lebenslangen Lernens ausgerufen hat. Dies hat auch in Deutschland die bildungspolitische Programmatik stark beeinflusst und neu akzentuiert. Unter anderem sind die individuellen Zugangs- und Partizipa-tionschancen zum Lernen, Qualifizieren und Weiterbilden ins Blickfeld gerückt und haben den Fokus auf Fragen nach den infrastrukturellen, institutionellen und personellen Qualitäten bzw. deren Rahmensetzungen gelenkt. Ohne Zwei-fel ist damit auch die Professionalisierung und Professionalität(-sentwicklung) des Weiterbildungspersonals tangiert. Zwar reicht im deutschsprachigen Raum die Professionalisierungsdebatte weit hinter den Zeitraum der Verkündigung des Postulats vom Lebenslangen Lernen zurück, dennoch hat der Impuls des Lebenslangen Lernens intensive Diskussionen stimuliert, die zu vielfältigen Konzeptpapieren, Initiativen und Projekten geführt haben. An diesen Prozessen und Produkten haben sich nicht nur Akteure aus der Forschung aus unterschied-lichen, meist sozial- und bildungswissenschaftlichen Fachdisziplinen beteiligt, sondern vor allem auch Vertreter aus der Politik, der öffentlichen Verwaltung und der Weiterbildungspraxis haben wichtige Denk- und Handlungsanstöße gege-ben und einzuschlagende strategische Gestaltungspfade markiert. Die in den Gesamtdiskurs involvierten Akteure verknüpfen mit der Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung des Weiterbildungspersonals jeweils spezifische Anforderungen, Erwartungen und Ziele, die weit über das primär angestrebte Ziel einer Qualitätsverbesserung der Lernarrangements hinausreichen. Vielmehr geht es dabei auch um die Legitimation und Durchsetzung von Eigeninteressen im Wettbewerb zwischen den agierenden Akteuren. Insofern ist es ein Anliegen die-ses Sammelbandes, die verschiedenen Akteursperspektiven aufzuzeigen und die diversen thematischen Akzentsetzungen und Positionen zur Professionalisierung und Professionalität(-sentwicklung) des Weiterbildungspersonals einer Zwischen-bilanz zu unterziehen und danach zu fragen, wie sich der Stand der Professio-nalisierung und Professionalität(-sentwicklung) des Weiterbildungspersonals gegenwärtig darstellt und welche Perspektiven, Handlungsfelder und Entwick-lungsschübe in diesen Punkten zukünftig zu erwarten sind.

Neben dem Nukleus der Professionalisierung und Professionalität(-sent-wicklung) richtet sich das interessenpolitische Augenmerk zum Weiterbildungs-personal seit ca. Ende der 1980er Jahren und verstärkt seit dem Jahr 2005 auf deren Arbeits- und Beschäftigungssituation. Damit ist der zweite Themen-schwerpunkt dieses Sammelbandes benannt. Ein wesentlicher Katalysator für

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diese Betrachtungsebene lieferte die im Jahr 2005 vom Institut für Wirtschaft und Sozialforschung (WSF) veröffentliche Studie zur Lage des Lehrpersonals in der außerbetrieblichen Weiterbildung. Pointiert zusammengefasst offenbarte der Abschlussbericht (vgl. WSF 2005), dass die in der Gesamtwirtschaft seit den 1980er Jahren vorangeschrittene Erosion des klassischen Normalarbeitsver-hältnisses und die Ausweitung prekärer Arbeit in besonderem Maße auch auf Erwerbstätige in der Weiterbildungsbranche zutreffen. Im Rückblick auf die vor allem von den Gewerkschaften vorangetriebenen Debatten zur Beschäftigungs-lage des Weiterbildungspersonals ist festzustellen, dass diese lange Zeit primär den Charakter einer branchenspezifischen Bestandsaufnahme zur Struktur des Arbeitskräfteangebotes hatten, die primär genutzt wurde, um sozial-, bildungs- und beschäftigungspolitische Empfehlungen zur monetären Lageverbesserung des Personals zu legitimieren. Anfänglich kaum explizit im Fokus stand hingegen die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Struktur und den Bedingungen der Arbeit in der Weiterbildungsbranche für die Professionalisierung und Professio-nalitätsentwicklung des dort beschäftigten Personals ergeben. Die Frage nach den Möglichkeiten zur Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung unter den Voraussetzungen konkreter Arbeitsbedingungen rückte erst im Jahr 2009 verstärkt ins Augenmerk. Wesentlich befeuert wurde dies durch die vorgelegten Ergebnisse aus einer explorativen qualitativen Studie über die „Prekäre Beschäf-tigung in der Weiterbildung“, die im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung erstellt wurde (vgl. Dobischat et al. 2009). Diese Studie gipfelte pointiert in der These, dass sich die Arbeits- und Beschäftigungssituation des Personals zwischen der staatlich und privat finanzierten Weiterbildung spürbar differenziert und dass sich hieraus, je nach Fördersegment, unterschiedliche individuelle Professionalisie-rungschancen und – risiken für das Personal ergeben. Als besonders prekär stellte sich in dem Untersuchungssample vor allem die Lage des freiberuflichen Per-sonals in der staatlich-geförderten Weiterbildung dar. Für diese Gruppe konnten mehrheitlich atypische und zum Teil prekäre Arbeitsbedingungen in der Verknüp-fung mit monetären Barrieren, die einer Professionalitätsentwicklung im Wege stehen, identifiziert werden. Dabei werden Tendenzen deutlich, die das Risiko einer Deprofessionalisierung deutlich erhöhen. Dieser ernüchternde Befund lie-ferte den Anstoß, die bis dato weitgehend parallel verlaufenden Forschungs-stränge Professionalisierung/Professionalität und Beschäftigungslage stärker kontextuell zusammen zu binden.

Den Auftakt für eine integrierte Forschungsperspektive bildete das von der Hans-Böckler-Stiftung zwischen 2010 und 2013 geförderte und von den Herausgebern dieses Sammelbandes realisierte Forschungs- und Promotionsprojekt „Beschäf-tigte in der Weiterbildung im Spannungsfeld von Professionalisierungsdruck und

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5Vorwort der Herausgeber

fortschreitender Destabilisierungstendenz in den individuellen Erwerbsverläufen“ (vgl. Alfänger et al. 2016). Im Anschluss daran folgte quasi eine Projektfortsetzung durch ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförder-tes Forschungsprojekt mit dem Titel „wb-personalmonitor“, das unter Leitung des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) in Kooperation mit dem Bundes-institut für Berufsbildung (BIBB) und den Herausgebern zwischen den Jahren 2013 und 2015 durchgeführt wurde (vgl. Autorengruppe wb-personalmonitor 2016). Mit den empirischen Daten aus beiden mittlerweile abgeschlossenen Projekten liegen nunmehr erstmals und umfangreiche, nicht allein auf das Lehrpersonal und nicht nur auf die außerbetriebliche Weiterbildung bezogene quantitative Informationen zur Beschäftigungslage, zum Stand der Professionalisierung und zu den Bedingun-gen für Professionalität(-sentwicklung) des Weiterbildungspersonals vor. Auf dieser empirisch belastbaren Basis ist es nun möglich, gesicherte Positionsbestimmungen zur derzeitigen Situation, zu den Wechselwirkungen und zu den Bedingungskons-tellationen mit Blick auf Arbeitsbedingungen, Professionalität und Professionalisie-rung des Weiterbildungspersonals vorzunehmen.

Mit den vorliegenden Beiträgen in diesem Band ist intendiert, eine kritische Bestandsaufnahme der mannigfaltigen Initiativen und dokumentierten Erkennt-nisse zu den Beschäftigungsbedingungen, zur Professionalisierung und zur Pro-fessionalität des Weiterbildungspersonals aus Sicht von Wissenschaft, Politik und Weiterbildungspraxis vorzulegen. Die Herausforderung dieser komplexen Zielsetzung besteht darin, die verschiedenen Akteure aus der Weiterbildungsbran-che, respektive deren Blickwinkel auf das Weiterbildungspersonal, angemessen einzubinden. Wir haben uns als Herausgeber dafür entschieden, im Sammelband vor allem solche Autoren zu Wort kommen zu lassen, die sich in den letzten zehn Jahren entweder aus einer wissenschaftlich theoretischen, empirischen, prakti-schen und/oder aus einer interessenpolitischen Perspektive entscheidend in den Diskurs Beschäftigungslage, Professionalisierung und Professionalität des Wei-terbildungspersonals sowie darauf einwirkender Strukturen und Prozesse einge-bracht haben. Mit der Gesamtzahl der hier gesammelten Einzelbeiträge verbinden wir zudem einen – durchaus auch auf unsere eigene Forschungsarbeit der letzten Jahre bezogenen – kritischen Blick darauf, ob das, was im letzten Jahrzehnt in Wissenschaft, Politik und Praxis zur Beschäftigungslage und zur Förderung der Professionalisierung/Professionalitätsentwicklung des Weiterbildungspersonals debattiert, erarbeitet und erforscht wurde, der gegenwärtigen Situation des Wei-terbildungspersonals gerecht wird. Um dieses ambitionierte Vorhaben realisieren zu können und die verschiedenen Sichtweisen auf die benannten Themen zur Gel-tung zu bringen, haben wir die Einzelbeiträge in fünf Abschnitten gebündelt.

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Der erste Teil des Bandes widmet sich wissenschaftlich-theoriebasierten Posi-tionsbestimmungen zur Genese, zum Stand und zu den Perspektiven von Arbeit, Profession, Professionalisierung und Professionalität speziell in der Weiterbildung.

Der Beitrag von Dieter Nittel beleuchtet aus gesellschafts- und professions-theoretischer Perspektive das Verhältnis zwischen dem Konzept der individuellen und kollektiven Professionalisierung. Im Kern läuft seine Argumentation darauf hinaus, dass die Bestimmung und Herausbildung von Professionalität im Sinne gekonnter Beruflichkeit per se ein bestimmtes kollektives Professionalisierungs-niveau voraussetzt. Für die Erwachsenen-/Weiterbildung identifiziert er auf drei Ebenen gegenwärtig erhebliche Limitationen und Grenzen einer kollektiven Professionalisierung; diese betreffen 1) die fluiden Systemgrenzen der Weiter-bildung, die „eine“ berufliche Identität und „ein“ einheitliches Mandat des Per-sonals und damit verknüpft eine universal verlaufende individuelle und kollektive Professionalisierung des Weiterbildungspersonals relativ unwahrscheinlich – wenn nicht sogar schier unmöglich machen. 2) Führt er aus, dass die für eine kollektive Professionalisierung nötigen Prozesskomponenten „Akademisierung, Verwissenschaftlichung, Verrechtlichung, Institutionalisierung und Verberufli-chung“ in der Weiterbildung z. T. erhebliche Leerstellen aufweisen. 3) Verweist er auf eine erhebliche Diskrepanz zwischen einem breiten Mandat und einer sehr engen gesellschaftlichen Lizenz der Erwachsenen-/Weiterbildung, Problemlagen mit entsprechend nötigen Ressourcen (Personal, Geld usw.) bearbeiten zu dür-fen. Diese Diskrepanz werde – so seine Schussfolgerung – weder von den prakti-schen Rollenträgern noch auf fachwissenschaftlicher Seite ausreichend reflektiert, wodurch eine Professionalisierung erschwert wird. Abschließend votiert der Autor für eine Fortführung des Diskurses und der laufenden Initiativen zur Pro-fessionalisierung, allerdings appelliert er für eine breitere Fokussetzung, die nicht allein auf den Weiterbildungssektor, sondern auf alle pädagogischen Akteure im pädagogisch organisierten System des Lebenslangen Lernens gerichtet sein sollte.

Eine andere Akzentsetzung und Apellrichtung kommt im Beitrag von Wiltrud Gieseke zum Ausdruck. Sie identifiziert anhand von fünf Phasen die Impulse und Restriktionen, die im historischen Rückblick von Forschung, Organisationsfor-men, Bildungspolitik und Strukturbildungen in der Erwachsenen-/Weiterbildung auf die Professionalisierung des Personals ausgegangen sind. Hierauf basierend skizziert sie den aktuellen Stand und zukünftige Anknüpfungspunkte der profes-sionellen Entwicklung. Auch sie votiert – vergleichbar zu Dieter Nittel – für mehr kollektives Handeln der Akteure aus Politik, Praxis und Forschung, allerdings mit der Differenzierung, dass sie sich nicht für einen bildungsbereichsübergreifen-den Schulterschluss aller pädagogisch arbeitenden Akteure ausspricht. Vielmehr optiert sie dafür, die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals durch eine

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7Vorwort der Herausgeber

stärkere sektorimmanente Zusammenarbeit der in der Erwachsenen- und Weiter-bildung tätigen Akteure aus Politik, Praxis und Forschung voranzutreiben.

Im Gegensatz zu den beiden ersten Beiträgen fokussieren Rudolf Tippelt und Barbara Lindemann in ihrem Beitrag auf die individuelle Handlungsebene des Weiterbildungspersonals und widmen sich dem Konzept der erwachsenenpädago-gischen Professionalität. Im Mittelpunkt steht das professionelle Selbstverständ-nis des Weiterbildungspersonals, das die Autoren als eine Dimension begreifen, anhand derer der Grad an individueller Professionalisierung in der Weiterbil-dung bestimmt werden kann. Basierend auf empirischen Befunden aus zwei Forschungsprojekten arbeiten sie heraus, dass Weiterbildner ihr beruflich erfolg-reiches Handeln als Ausdruck individueller Professionalität über den realisierten Nutzen ihres Handelns für die Teilnehmer oder die Gesellschaft und nicht über ihren eigenen (Zu-)Gewinn definieren.

Die Beiträge im zweiten Teil des Sammelbandes eröffnen den Blick über die Weiterbildungsbranche hinaus, um weiterbildungsspezifische und branchen-übergreifend bedeutsame Entwicklungslinien von Arbeit, Beruf und Profession auszuloten.

Klaus Dörre liefert mit seinem Beitrag einen Überblick zum Prekaritäts-diskurs. Dabei rekapituliert er nicht nur Konzepte der Prekaritätsbetrachtung und -messung, sondern zeichnet auch die wichtigsten Entwicklungslinien der letzten Jahre nach. Die prekäre Vollerwerbsgesellschaft, so die zentrale These, verdrängt Erwerbslosigkeit bei gleichzeitig um sich greifenden unsicheren Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen. Prekarität zeigt sich dabei auf unterschied-lichsten Dimensionen, die bei der Analyse von Prekarität und ihren subjektiven Verarbeitungsformen alle von Bedeutung sind. Für den Bildungs- und Weiter-bildungssektor stellt er dabei einige Besonderheiten fest, die sich insbesondere im Spannungsfeld der subjektiv sinnerfüllend wahrgenommenen Tätigkeit bei objektiv als prekär und unsicher zu beurteilenden Beschäftigungsverhältnissen offenbaren. Damit ähnelt der Weiterbildungsarbeitsmarkt hinsichtlich der Preka-rität eher Künstlerarbeitsmärkten als einfachen Dienstleistungen. Prekarität hat dabei insbesondere eine disziplinierende Funktion, bei der sich die unsicheren Beschäftigungsverhältnisse von Teilen der Belegschaften auf ein insgesamt per-zipiertes Unsicherheitsgefühl auswirken. Auf diese Weise führen prekär Beschäf-tigte im Betrieb auch zu einer Befriedung der Stammgesellschaft. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit in der prekären Vollerwerbsgesellschaft führe aber auch dazu, dass jene, die im Jobwunder zurückbleiben, beginnen, ihre Unzufriedenheit mit unsicheren Beschäftigungsperspektiven zu artikulieren. Diese Entwicklung macht auch vor dem Bildungsbereich nicht Halt, in dem professionelles Ethos und

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zunehmende Marktsteuerung in einem Spannungsverhältnis stehen. Die Preka-risierungs- und Polarisierungstendenzen in der Weiterbildung sieht er „mit Blick auf die Möglichkeit einer digitalen Spaltung als eine Achillesverse des deutschen (Weiter-)Bildungssystems“.

Der Beitrag von Philipp Staab thematisiert den Zusammenhang zwischen Kompetenzniveau als eine Facette individueller Professionalisierung bzw. Pro-fessionalität, Berufszugangsbeschränkungen und Berufsverbänden als Dimen-sionen kollektiver Professionalisierung sowie monetären Arbeitsbedingungen von Erwerbstätigen im sozialen Dienstleistungssektor. Für das Gros der sozialen Dienstleistungsberufe diagnostiziert er – im Gegensatz zu Berufen im industri-ell-produzierenden Sektor – eine scheinbar widersprüchliche Kombination von inhaltlich-qualifikatorischer Aufwertung der Tätigkeitsprofile/-anforderungen und weitgehend materiellen Lohnsteigerungsstagnationen der hier eingesetzten Arbeitskräfte. Diese Diskrepanz führt er auf die chronisch schwache Produktivi-tätsentwicklung trotz steigender Qualifikationsniveaus der Arbeitskräfte, auf die meist nur schwache Integration der Beschäftigten in das (wohlfahrtsstaatliche) Institutionengefüge des Arbeitsmarktes und auf einen vergleichsweise niedrigen qualifikatorischen Schließungsgrad der sozialen Dienstleistungsarbeit zurück. Vor diesem Hintergrund diskutiert er zwei Strategien, die eine materielle Aufwer-tung sozialer Dienstleistungen und eine Verbesserung der Einkommenssituation des dortigen Personals befördern könnten. Zum einen votiert er für eine kollek-tive Professionalisierung in Gestalt einer institutionalisierten kollektiven Hand-lungsmacht der Beschäftigten, damit sie als ernst zu nehmender Gegenspieler höhere Ansprüche auf eine Teilhabe an der gesamtgesellschaftlichen Wertschöp-fung durchsetzen können. Zum anderen problematisiert er mit der Schließung des Betätigungsfeldes zur Beschränkung der Zugangsoffenheit dieser weitgehenden Jedermannsarbeitsmärkte eine weitere Dimension kollektiver Professionalisie-rung, die die monetäre Verhandlungsposition einiger Berufsgruppen stärken, die anderer Berufsgruppen hingegen schwächen könnte. Für die Weiterbildungs-branche ist der Beitrag insofern aufschlussreich, denn er zeigt, dass Arbeitskräfte nicht nur in der Weiterbildungsbranche, sondern im gesamten Bereich der sozi-alen Dienstleistungen trotz eines relativ hohen individuellen Kompetenz- und Qualifikationsniveaus vergleichsweise niedrige Erwerbseinkommen erzielen und damit ein hoher Grad an individueller Professionalität nicht zwangsläufig mit luk-rativen Beschäftigungsbedingungen einhergehen muss.

Der Beitrag von Friederike Bahl bezieht sich auf zwei Merkmale individuel-ler Professionalisierung: Erstens verweist er auf die individuelle berufliche Iden-tität und zweitens auf die Bereitschaft und Möglichkeit von Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor, ihr berufliches Wissen durch Teilnahme an Weiterbildung

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permanent zu aktualisieren. Anhand dieser beiden Dimensionen arbeitet sie, basierend auf qualitativen explorativen empirischen Befunden, Unterschiede zwi-schen qualifizierten und einfachen Dienstleistungsberufen heraus. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung nicht nur eine instituti-onelle Einbettung der Arbeitnehmer voraussetzt, die ihre Durchführung gewähr-leistet, sondern auch ein professionelles Selbstverständnis der Arbeitskräfte im Sinne eines empfundenen Arbeitsstolzes und der Erfahrung von Beruflichkeit in der eigenen Erwerbsbiografie. Dieses Ergebnis erweitert die professionssoziolo-gische Frage nach Kompetenzprofilen und institutionellen Gewährleistungsbe-dingungen von Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung um die akteurstheoretische Frage danach, inwieweit die im Dienstleistungssektor tätigen Personen überhaupt für Beruflichkeit ansprechbar sind. Für die Professionalisie-rung des Weiterbildungspersonals sind diese Forschungsbefunde aufschlussreich, weil sie nicht nur die Bedeutung institutioneller Strukturen für die individuelle Professionalisierung, sondern auch die Wichtigkeit beruflicher Identität unterstrei-chen, die darauf einwirkt, ob Beschäftigte ihre eigene Erwerbsarbeit überhaupt als Beruf bzw. Profession wahrnehmen und ob sie bereit sind, über eine Teilnahme an beruflicher Weiterbildung ihre individuelle Professionalität zu entwickeln.

Die im dritten Themenabschnitt dieses Sammelbandes eingruppierten Beiträge geben, basierend auf aktuellen quantitativen und/oder qualitativen empirischen Forschungsbefunden, einen Überblick über die Arbeits-, Beschäfti-gungs- und Lebensbedingungen des Weiterbildungspersonals sowie die diesbe-züglich relevanten institutionellen und strukturellen Einflüsse. Die Beiträge der Autoren arbeiten nicht nur bestehende Gemeinsamkeiten des Weiterbildungs-personals heraus, sondern sie legen Implikationen offen, die sich aus diesen Bedingungen gegenwärtig für die Professionalisierung und Professionalität des Weiterbildungspersonals ergeben (könnten).

Stefan Koscheck vergleicht die Qualifikationsanforderungen der Weiterbil-dungsanbieter mit dem Qualifikationsangebot des Weiterbildungspersonals, um die Relevanz von Zertifikaten und Formalqualifikationen speziell von Lehren-den in verschiedenen institutionellen Segmenten der Weiterbildung abzubilden. Identifiziert wird, dass Lehrtätigkeiten zwar ein vergleichsweise hohes forma-les Qualifikationsniveau des Personals aufweisen, pädagogische Zertifikate und Qualifikationen beim Zugang zu Lehrtätigkeiten in der Weiterbildung allerdings eine geringe Relevanz besitzen. Dies betrifft insbesondere den großen Bereich des privatwirtschaftlich organisierten Anbietermarktes und die Volkshochschu-len. Zusammengenommen dokumentiert dieser Beitrag, dass in der Weiterbildung unterschiedlich ausgeprägte Professionalisierungsgrade und - profile bestehen. Hieran knüpft sich die für die wissenschaftliche, politische und praktische

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Professionalisierungsdebatte mehr als folgenreiche Frage danach an, was denn – jenseits formaler Qualifikationsniveaus – realistischerweise eigentlich der gemein-same fachliche professionelle Kern des Weiterbildungspersonals sein könnte, auf deren Auf- und Ausbau diesbezügliche Initiativen hinauslaufen (sollten).

Arne Elias geht in seinem Beitrag auf Basis der Daten aus dem wb-perso-nalmonitor explizit auf die Arbeitsbedingungen des hauptberuflichen Weiter-bildungspersonals ein. Im Mittelpunkt steht die empirische Prüfung der These, wonach prekäre Arbeitsbedingungen in der Weiterbildung typisch sind. Dabei werden objektiv messbare Kriterien prekärer Beschäftigung wie die Höhe des Einkommens, die Beschäftigungsstabilität, die Partizipation an beruflicher Wei-terbildung zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und die Einbindung in soziale Sicherungssysteme der subjektiven Einschätzung der Beschäftigungsqualität auf diesen Ebenen gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass objektive und subjek-tive Prekaritätseinschätzungen nicht immer deckungsgleich sind. Die These, dass Beschäftigungsverhältnisse in der Weiterbildung von außen oft prekärer bewer-tet werden, als sie von den Betroffenen selbst wahrgenommen werden, muss aber zumindest dahin gehend erweitert werden, dass auch aufgrund perzipierter Unsicherheit in der Branche die Beschäftigungsqualität oft unzureichend einge-schätzt wird, obwohl sie objektiv nicht als prekär bewertet werden würde. Zwar ist die Branche vergleichsweise selten von Armutsrisiken auf Basis der Haus-haltseinkommen geprägt, mit über 100.000 Personen in der Weiterbildung, deren Beschäftigungsverhältnisse sowohl objektiv als auch subjektiv als prekär einzu-stufen sind, ist die Prekarität in der Weiterbildung jedoch kein zu vernachlässi-gendes Phänomen.

Ebenfalls auf dem wb-personalmonitor-Datensatz beruht der Beitrag von Nadja Schmitz. Im Zentrum steht die große Gruppe der nebenberuflich in der Weiterbildung tätigen Arbeitskräfte, deren Motive für eine Nebenerwerbstätigkeit in der Weiterbildung und deren soziodemografische und – ökonomische Zusam-mensetzung mit denen der quantitativ deutlich kleineren Gruppe der hauptberuf-lich in der Weiterbildung tätigen Personen deskriptiv verglichen werden. Danach sind Nebenerwerbstätige in dieser Branche deutlich häufiger lehrend tätig und heben sich insbesondere durch ein im Berufsbildungssystem erworbenes Quali-fikationsprofil und durch geringere Arbeitszeitvolumina von den Hauptberuflern ab. Mit Blick auf die fachliche Qualifikationsbasis und die Erwerbsmotive zeigt sich für diese Gruppe hingegen kaum ein homogenes Profil. Die dargestellten Befunde werfen die Frage auf, ob die Forderung nach kollektiver Professionali-sierung für die große Masse der Nebenberufler in der Weiterbildung überhaupt angemessen sein kann. Was müsste der professionelle Kern des Weiterbildungs-personals sein, wenn doch die formale Qualifikation der hier Tätigen derart

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11Vorwort der Herausgeber

heterogen ist, dass diese wohl kaum den nötigen gemeinsamen Wissens- und Kompetenzfundus darstellen kann?

Auch der Beitrag von Andreas Martin bezieht sich auf die Ergebnisse aus dem wb-personalmonitor. Im Beitrag richtet er den Blick auf das Arbeitszeitvolu-men des Weiterbildungspersonals und vertritt die These, dass der Arbeitszeitum-fang die individuellen Möglichkeiten zum Aufbau individueller Kompetenzen und (pädagogischer) Professionalität beeinflusst. Gezeigt wird, dass in der Weiterbil-dung geringe Arbeitszeitvolumina insbesondere des Lehrpersonals weit verbreitet sind und zur Erklärung der unterdurchschnittlichen Einkommenslagen des Per-sonals empirisch große Relevanz besitzen. Ursächlich zurückgeführt werden die unterdurchschnittlichen Arbeitszeitvolumina auf die starke Verbreitung atypischer Beschäftigungsformen, die wiederum der für Weiterbildungsanbieter typischen und notwendigen Flexibilität des Personaleinsatzvolumens und damit strukturel-len Bedingungen der Branche geschuldet sind. Diese Befunde münden schließlich in der Schlussfolgerung, dass eine Ausweitung der Arbeitszeiten des Weiterbil-dungspersonals nicht nur geeignet wäre, um individuelle Armutsrisiken zu min-dern, sondern auch um individuelle Professionalität aufzubauen und zu erhalten.

Anhand der Ergebnisse aus acht, im wb-personalmonitor-Projekt umgesetz-ten explorativen Betriebsfallstudien werden im Beitrag von Anna Rosendahl die strukturellen, institutionellen und individuellen Einflussfaktoren herausge-arbeitet, die auf die Entstehung von Geschäftslagen und Arbeitsbedingungen in der Weiterbildung einwirken. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf der Frage, ob die immer wieder kritisierte Ökonomisierung der Weiterbildungssteuerung und -finanzierung die schlechteren Bedingungen in der staatlich geförderten Weiterbildung erklären kann. Ihre Ergebnisse zeigen, dass nicht ökonomische Steuerungsmodi staatlicher Weiterbildungsfinanziers, sondern vielmehr die sin-kende staatliche Nachfrage nach Weiterbildung und zu geringe Fördersätze die entscheidende Erklärung für die in diesem Bereich auftretenden schlechteren Geschäfts- und Einkommenslagen liefern. Darüber hinaus identifiziert sie, dass die Geschäfts- und Einkommenslagen in der Weiterbildung aus diversen institu-tionellen und individuellen Voraussetzungen und Strategien sowie aus regionalen Begebenheiten am Weiterbildungsmarkt resultieren. Diese multiplen Einfluss- und Bedingungsfaktoren bedeuten in der Schlussfolgerung nichts anderes, als dass die Förderung der individuellen Professionalität und der Aufbau einer kol-lektiven Professionalisierung des Weiterbildungspersonals als Mittel zur Durch-setzung besserer Einkommenslagen des Personals zu kurz greifen, denn sie verkennen, dass Einkommenslagen auch das Resultat politischer, regionaler und institutioneller Begebenheiten sind, die den Arbeitsmarkt Weiterbildung und die dort bestehenden Erwerbskonditionen mit beeinflussen.

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Der Beitrag von Josef Schrader und Franziska Loreit bietet einen Über-blick über die wissenschafts- und professionspolitischen Positionierungen und Aktivitäten des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V., das sich selbst als forschungsbasierte Supporteinrichtung zur Förderung von Professionalität und Professionalisierung des Weiterbildungspersonals begreift. Ausgehend von empirischen Befunden aus dem wb-personalmonitor zum Zusammenhang zwischen Einkommenslagen, der fachlichen Qualifikation und dem verbandlichen Bindungsgrad der im Feld Tätigen stellen die Autoren laufende Aktivitäten und Initiativen des DIE zur Ent-wicklung, Dokumentation und Anerkennung von individueller Professionalität und zur kollektiven Vernetzung der Beschäftigten vor. Deutlich herauspräpariert wird, dass das DIE gegenwärtig vor allem die Qualifizierung und Qualifikation des Weiterbildungspersonals in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellt, um über die Sichtbarmachung und Zertifizierung der professionellen Handlungsbasis einen suprainstitutionellen und Individuen übergreifenden Bezugspunkt zur Professio-nalisierung der im Feld Tätigen zu etablieren.

Der Beitrag von Ina Krause gibt auf Grundlage der IAB-Betriebspanel-Daten-sätze der Jahre 2002 bis 2014 einen allgemeinen Überblick über die Erwerbs-struktur des Personals im Wirtschaftszweig „Erziehung und Unterricht“ und hier speziell im Arbeitsfeld „Erwachsenenbildung“. Nachgewiesen wird, dass die Mehrheit der Arbeitskräfte in der Weiterbildung zeitlich befristet angestellt oder freiberuflich tätig ist. Aus diesem Befund leitet sie ab, dass es sich bei der Wei-terbildungsbranche in weiten Teilen um ein offenes Beschäftigungssystem han-delt, welches durch eine von der Arbeitgeberseite starke Flexibilisierungsstrategie geprägt ist, die primär der unstetigen Einnahmestruktur der Anbieter geschuldet ist und aufseiten des Personals eine Professionalisierungsbarriere markiert. Zur Förde-rung der Professionalisierung und Beschäftigungslage in der Weiterbildung plädiert sie für einzelbetriebs- und akteursübergreifende Lösungsansätze in kooperativer Struktur. Diese Ansätze sollten die Möglichkeiten zur Teilhabe an Qualifikations-anpassungsmaßnahmen, die Instabilität der Arbeitsverhältnisse und – zumindest betrifft dies die freien Mitarbeiter – die unzureichende, über den Arbeitgeber ko-finanzierte Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme adressieren.

Mit Blick auf das Segment der betrieblichen Weiterbildung liefert der Bei-trag von Dick Moraal auf Grundlage der vierten europäischen Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS 4) Antworten auf die Frage, wie instituti-onalisiert die betriebliche Weiterbildung in deutschen Unternehmen ist und wie professionell die Unternehmen bei der Auswahl, dem Aufgabenzuschnitt und der Kompetenzerweiterung ihres internen Weiterbildungspersonals vorgehen. Als Quintessenz ist festzuhalten, dass nur sehr wenige Unternehmen hauptamtliches

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13Vorwort der Herausgeber

Weiterbildungspersonal einsetzen und diese Beschäftigtengruppe – sofern sie denn in den Unternehmen überhaupt als eigenständige Gruppe existiert – für die Tätigkeit in der Weiterbildung überwiegend betriebsspezifisch qualifiziert wird. Bei diesen Qualifizierungsaktivitäten haben pädagogische Qualifizierungen und Qualifikationen eine nachrangige Bedeutung. Für die Professionalisierungsdebat-ten zur Weiterbildung unterstreichen diese Befunde nicht nur, dass es den vielfach unterstellten „betrieblichen Weiterbildner“ zumindest als eigenständige, homo-gene Berufsgruppe so gut wie gar nicht gibt, sondern auch, dass die vielfältigen Projekte und Ansätze zur Förderung der pädagogischen Kompetenzen zumindest an den (gegenwärtigen) Qualifikationserwartungen der Betriebe als Arbeitgeber des betrieblichen Weiterbildungspersonals weitgehend vorbeigehen.

Die im vierten Themenblock dieses Sammelbandes versammelten Bei-träge richten die Perspektive auf ausgewählte Instrumente, die in den laufen-den politischen, praktischen und wissenschaftlichen Debatten immer wieder als Möglichkeiten oder Grenzen zur Gestaltung von Beschäftigung und zur Professi-onalisierung des Weiterbildungspersonals thematisiert werden.

Eines dieser Instrumente ist das Vergaberecht, das im interessenpolitischen Diskurs gegenwärtig immer wieder als ein politischer Einfluss- und Gestaltungs-bereich genannt wird, um die Arbeitsbedingungen des Personals im Bereich der beruflichen (Weiter-)Bildung im Auftrag der staatlichen Arbeitsverwaltung zu verbessern. Dazu lotet Matthias Knuth mittels eines Ländervergleichs Ansatz-punkte zur Veränderung des aktuellen Vergaberechts aus, mit denen die prekären Beschäftigungsbedingungen des Personals in diesem staatlichen Fördersegment als vermeintliche Negativfolge der primär am Preis orientierten Finanzierungs-vorschriften zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung von Qualitätskriterien in der Auftragsvergabe abgemildert werden könnten. Dazu zieht er ein für den einen oder anderen sicherlich ernüchterndes, gleichzeitig aber durchaus plausibles Fazit. Eine öffentliche Auftragsvergabe, in der die Vergabekriterien bereits im Vorfeld schon der Fairness halber definiert sein müssen, wird seiner Auffassung nach nie-mals zu optimalen Gewichtungen zwischen Preis und Qualität führen. Deshalb erachtet er eine Änderung der Vergabekriterien nicht als einen geeigneten Ansatz, um prekäre Beschäftigung des Weiterbildungspersonals zu vermeiden. Vielmehr appelliert er daran, Vergabeentscheidungen wieder zu personifizieren und den Ent-scheidern eine Begründungspflicht aufzuerlegen, um damit Raum zu schaffen für die in seinen Augen notwendige normative interessenpolitische Debatte darüber, wer welche Auftrags- und Beschäftigungsbedingungen für eine qualitativ gute und effiziente Arbeitsförderung als relevant erachtet und einfordert.

Neben dem Vergaberecht gilt auch das Qualitätsmanagement und die zuneh-mende Verbreitung von Qualitätszertifizierungsansätzen in der interessenpolitischen

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Debatte als ein primär von staatlichen Weiterbildungsfinanziers forciertes Instru-ment, das sich auf die Arbeit wie auch auf die Professionalisierung und Professio-nalität des Weiterbildungspersonals auswirkt. Der Beitrag von Bernd Käpplinger, Eva-Christine Kubsch und Martin Reuter nimmt die Folgen in den Betrach-tungshorizont, die Qualitätsmanagement und externe Qualitätszertifizierung und dadurch veränderte organisationale Prozesse für die Professionalisierung des Wei-terbildungspersonals haben. Basierend auf einer schriftlichen Befragung von QM-Zertifizierern konstatieren die Autoren, dass externe Zertifizierungsauflagen zu Fortbildungsaktivitäten zu einem Anstieg betriebsspezifischen Wissens des Perso-nals führen, die eine von einzelbetrieblichen Verwertungsinteressen unabhängige Professionalisierung des Personals verhindern. Vor diesem Hintergrund bewerten die Autoren die zuweilen vorgebrachte These, wonach sich Qualitätsmanagement auf Professionalisierung zweifelsfrei positiv auswirkt, als zu gewagt. Vielmehr votieren sie für eine Klärung, um welche Qualitätskriterien bestehende organisatio-nale Qualitätsansätze zur Weiterbildung zu ergänzen wären, damit sie eine Professi-onalisierung des Personals fördern können.

Auch die systematische Personalentwicklung der Weiterbildungsanbieter steht bereits seit geraumer Zeit in der Diskussion um die zu schaffenden Bedingungen und Möglichkeiten für die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals. Hierzu gibt der Beitrag von Klaus Meisel und Regine Sgodda am Beispiel der Volkshochschule (VHS) München einen Einblick in die personalstrukturellen und finanziellen Herausforderungen, Bedarfe, Bedingungen und Instrumente, die in Einrichtungen der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung zur systema-tischen Personalentwicklung existieren. Gezeigt wird, dass eine systematische institutionelle und damit losgelöst von Individualvoraussetzungen stehende Per-sonalentwicklung als Beitrag zur Professionalisierung im Bereich der öffentlich getragenen Erwachsenenbildung zwar dringend geboten ist, die dazu nötigen Finanzressourcen allerdings gegenwärtig nicht ausreichen. Folglich schließen sie ihren Beitrag mit einem Appell an die Anbieterverbände (z. B. Deutscher Volks-hochschulverband [DVV]), die für eine laufende Fortbildung des Personals und eine systematische Personalentwicklung institutionell nötigen personellen Res-sourcen und Voraussetzungen gegenüber der Bildungspolitik stärker als bislang einzufordern.

Im fünften Themenabschnitt dieses Sammelbandes greifen die Autoren die Perspektiven verschiedener Akteure innerhalb der Weiterbildung und ausgewähl-ter Interessenverbände der Anbieter und des Personals auf, wobei deutlich wird, dass die Debatten und Initiativen zur Professionalisierung, Professionalität und zu den Arbeitsbedingungen in der Weiterbildung vielfach interessenpolitisch akzentuiert sind und mehr oder minder der Legitimationsbeschaffung dienen. Ein

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15Vorwort der Herausgeber

Schwerpunkt der Beiträge liegt auf den Verbänden, die die Interessen der Anbie-ter und des Personals insbesondere in der staatlich geförderten Weiterbildung vertreten. Die vorgenommene Akzentsetzung ist nicht nur der Vielfalt an Ver-bänden und der damit zusammenhängenden notwendigen Schwerpunktsetzung geschuldet, sondern sie soll dem empirischen Befund Rechnung tragen, wonach insbesondere in diesem Fördersegment ein eklatantes Problem zwischen hohen Professionalitäts- und Qualitätserwartungen sowie desolaten Arbeitsbedingun-gen des Personals auftritt. Mit der Verbandsperspektive möchten wir einen ers-ten Einblick dazu geben, welche Herausforderungen, Chancen und Risiken aus weiterbildungspraktischer Warte für die Verbesserung von Professionalität, Pro-fessionalisierung, Qualität und Arbeitsbedingungen des Weiterbildungspersonals artikuliert werden und welchen Beitrag diese Akteure ihren eigenen Verbandsini-tiativen in diesem Kontext zusprechen.

Der Beitrag von Karl Düsseldorff und Marcel Fischell über ein entwickel-tes und erprobtes Konzept zum Thema Bildungs- und Qualifizierungsberatung in und für Unternehmen versteht sich als praxistaugliche Anregung, die Professio-nalitätsentwicklung des Beratungspersonals im Handlungsfeld der betrieblichen Weiterbildung speziell in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) voranzutreiben. Auf Basis eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes mit dem Titel „Qualifizierungsberatung“ wird ein Bildungsprogramm vorgestellt, dass diejenigen, die betriebliche Weiterbildung in und für KMU organisieren, koordi-nieren, initiieren und umsetzen, in die Lage versetzen soll, betriebliche Weiterbil-dung professionell zu begleiten und zur Professionalitätsentwicklung im Bereich der Beratung beizutragen.

Ernst Dieter Rossmann stellt in seiner Funktion als Vorsitzender des Deutschen Volkshochschulverbandes (DVV) die aktuellen Strukturen und Herausforderungen der einzelnen Volkshochschulen (VHS) und des DVV im Kontext ihrer Personal-politik vor. Im Mittelpunkt steht das Spannungsverhältnis zwischen der traditionell nebenberuflichen Verfasstheit von Erwerbsarbeit in der Weiterbildung auf der einen Seite sowie der gegenwärtigen Herausforderung der VHS auf der anderen Seite, den steigenden Personalbedarfen und -konkurrenzen mit neuen Personalentwick-lungs- und Bindungsstrategien begegnen zu müssen. Vor diesem Hintergrund skiz-ziert der Beitrag Zukunftsperspektiven, wie die VHS ihrem breiten Bildungsauftrag auch zukünftig durch einen qualitativ wie quantitativ angemessenen Personalbe-stand gerecht werden kann.

Auch der Beitrag von Walter Würfel steht stellvertretend für die Per-spektive der Arbeitgeber in der Weiterbildung. Als Geschäftsführer des Bundesverbands der Träger beruflicher Bildung – Bildungsverband BBB e. V. – vertritt er die Rolle der Bildungsanbieter, die schwerpunktmäßig im Bereich der

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beruflichen Bildung im Auftrag der Arbeitsverwaltung tätig sind. Vorgestellt werden die Mitgliederstruktur des BBB, die politischen Interessen und Rollen des Verbandes sowie die hieraus entstandene Zweckgemeinschaft als Arbeit-geberverband, dessen Aktivitäten mit Blick auf die Lage des Weiterbildungs-personals herausgearbeitet werden. Als Quintessenz dieser Darstellungen ist festzuhalten, dass der BBB das Hauptaugenmerk auf die staatliche Förderpoli-tik sowie die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Personalpolitik der Wei-terbildungsanbieter richtet und politische Entwicklungen angestoßen hat, zum Beispiel den Mindestlohn im Bereich der SGB geförderten Berufsbildung, die auf eine Verbesserung der Einkommensbedingungen und des sozialen Status des Weiterbildungspersonals abzielen.

Ebenfalls auf den Bereich der SGB II und III geförderten beruflichen Wei-terbildung bezieht sich der Beitrag von Roland Kohsiek, der in diesem Band stellvertretend für die Betriebsräte und die Gewerkschaften als traditionelle interessenpolitische Organe der Arbeitnehmer u. a. in der Weiterbildungsbran-che steht. Im Mittelpunkt stehen die Beschäftigungsbedingungen des Personals in diesem Fördersegment sowie die diesbezüglichen gewerkschaftlichen Gegen-strategien. Vergleichbar zum Schwerpunkt der Arbeitgeber in diesem Förder-segment richtet sich auch das gewerkschaftliche Augenmerk primär auf den Mindestlohntarifvertrag, dessen Entstehungsgeschichte, die kontroversen Kon-fliktlinien und -punkte sowie auf deren Wirkungen in der Weiterbildungsland-schaft. Nachgezeichnet werden zukünftige Möglichkeiten zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Weiterbildung, die über das Instrument eines Mindestlohntarifvertrags und damit über das Einkommen als eine Dimension von Beschäftigungslagen deutlich hinausreichen.

Als vorläufige Gesamtbilanz aus den Einzelbeiträgen kann festgehalten werden, dass diese bei aller Differenz in der Akzentsetzung eine übergreifende Gemeinsam-keit aufweisen: Alle Beiträge tragen nicht nur zur Bestandsaufnahme bei, sondern liefern zentrale Aspekte einer kritischen Reflexion, die Wege und Lösungen zur Weiterentwicklung der gegenwärtigen Beschäftigungssituation und der Professi-onalität und Professionalisierung des Weiterbildungspersonals aufzeigen. Was die mehr oder minder unbefriedigende Arbeits- und Beschäftigungssituation des Per-sonals betrifft, markieren die Autoren in weitgehender Übereinstimmung einen Verbesserungsbedarf bei der Bezahlung, den Vertragsformen und den Arbeitszeiten derjenigen, die erwerbsförmig tätig sind. Deutlich diffuser hingegen wird es, wenn die Beiträge daraufhin analysiert werden, wer sich hinter dem Weiterbildungsper-sonal jeweils verbirgt und was mit den Termini Professionalität und Professiona-lisierung eigentlich assoziiert wird. Basierend auf den versammelten Beiträgen bleibt nach wie vor unscharf, was mit dem Begriff des Weiterbildungspersonals

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17Vorwort der Herausgeber

definitorisch gemeint ist. Daraus ergeben sich folgende zukünftig zu klärende Fra-gen: Geht es beim Personal um alle Funktionsgruppen, um die Lehrkräfte und/oder um Berater, um die hauptsächlich und/oder auch um die nebenbei, ergänzend zu einem anderen Hauptberuf, in der Weiterbildungsbranche arbeitenden Personen, geht es um die dort tätigen Personen mit pädagogischen Qualifikationen oder um diejenigen, die in der Weiterbildung pädagogische Arbeit erbringen? Zugespitzt werfen die Beiträge zum Personal in der Weiterbildung eher die grundsätzliche Frage nach einer geeigneten Grenzziehung auf. Was ist Profession, wer arbeitet professionell bzw. wer muss sich professionalisieren? Das Personal im gesamten Bildungssystem, in der gesamten Weiterbildungsbranche, in bestimmten Institu-tionstypen oder in einzelnen Finanzierungssegmenten? Richten sich diese Forde-rungen an alle Arbeitskräfte oder an einzelne Erwerbstypen, an die Institutionen, die Weiterbildung anbieten und/oder finanzieren, oder an die Politik, die die Wei-terbildung (teil-)strukturiert, -reguliert und/oder finanziert? Noch diffuser wird die Debatte dadurch, dass auch die Zielkategorien Professionalität und Professionali-sierung offensichtlich nicht einheitlich definiert bzw. operationalisiert werden. Mal beziehen sich diese Termini auf die Qualifizierung, Qualifikation und Kompetenz, mal auf das Selbstverständnis, mal auf das gesellschaftliche Prestige und das Ein-kommen, mal auf die Zugangsmechanismen und Regeln, die es für Arbeitskräfte in der Weiterbildungsbranche gibt, geben könnte oder geben müsste. Insofern scheinen die Postulate Professionalisierung und Professionalität zumindest in ihrer terminologischen Verwendung in Forschung, Politik und Praxis zwar hochgra-dig konsensfähig zu sein, real handelt es sich hierbei aber offenbar um Polyseme, mit denen jeder etwas Anderes assoziiert, wovon sich aber jeder den Aufbau von Macht zur Verbesserung der gegenwärtigen Situation verspricht.

Auch in dieser Zwischenbilanz ist zu konstatieren, dass die Professionalisie-rung der Weiterbildung/Erwachsenenbildung noch nicht erreicht ist und vielleicht weder erwartet wird, noch gewollt ist. Der Gesamtthemenkomplex der Professio-nalisierung und die damit korrespondierenden Inhaltsfelder bleiben dennoch eine bereichernde Perspektive für Entwicklung und Gestaltung der Weiterbildungs-branche, die sich in stetiger Oszillation mit und Adaption von gesellschaftlichen Herausforderungen befindet. Einen verstärkten Forschungsbedarf zu reklamieren bleibt daher selbstverständliche Aufgabe der akademischen Weiterbildungsdis-ziplin und sie bedarf keiner tief greifenden Begründung. Stetig bedeutet nicht Gleichförmigkeit, denn der Ausgang unterschiedlichster Prozesse und Entwick-lungen ist nur schwer zu prognostizieren. Spätestens aber für den Fall, dass uns die Medienlandschaft mit einer Serie über den Weiterbildner/Erwachsenenpäda-gogen überrascht, sollte man sich die Professionalisierungsprozesse in der Weiter-bildung noch mal genauer ansehen. Bis dahin bleibt nur beachtenswert, wie viel

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Professionsliteratur über einen Beruf gefunden werden kann, der allem Anschein nach keine Profession ist. Wir hoffen, mit dieser Zwischenbilanz zu einem wichti-gen Thema stimulierende Diskussionsimpulse für die wissenschaftliche, politische und praxisbezogene Debatte geliefert zu haben, wenngleich uns bewusst ist, dass wir mit dieser Publikation die vorhandene Literaturbasis erneut vergrößert haben.

Literatur

Alfänger, J., Cywinski, R., & Elias, A. (2016). Beschäftigung in der Weiterbildung. Der gespaltene Weiterbildungsarbeitsmarkt im Spannungsfeld von Profession und Prekari-tät. Dissertation, Universität Essen-Duisburg.

Autorengruppe wb-personalmonitor. (2016). Das Personal in der Weiterbildung. Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, Qualifikationen, Einstellungen zu Arbeit und Beruf. Bielefeld: Bertelsmann.

Dobischat, R., Fischell, M., & Rosendahl, A. (2009). Beschäftigung in der Weiterbildung. Prekäre Beschäftigung als Ergebnis einer Polarisierung in der Weiterbildungsbranche? Gutachten im Auftrag der Max-Träger-Stiftung. Essen: Universität Duisburg-Essen.

Koob, D., & Lattke, S. (2008). „Ein weites Feld“: Weiterbildung als Beruf. In B. Braun, J. Hengst, & I. Petersohn (Hrsg.), Existenzgründung in der Weiterbildung. Orientierung für den Brancheneinstieg (S. 13–23). Bielefeld: Bertelsmann.

Kraft, S. (2011). Berufsfeld Weiterbildung. In R. Tippelt & A. Hippel (Hrsg.), Handbuch der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (5. Aufl., S. 405–426). Wiesbaden: Springer.

Nittel, D., & Schütz, J. (2016). Erwachsenenbildung. In M. Dick, W. Marotzki, & H. Mieg (Hrsg.), Handbuch Professionsentwicklung (S. 566–576). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

WSF Wirtschafts- und Sozialforschung (Hrsg.). (2005). Erhebung zur beruflichen und sozi-alen Lage von Lehrenden in Weiterbildungseinrichtungen. Kerpen: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

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Teil IProfession und Professionalität in der

Weiterbildung: Theoretische Verortungen

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Professionalisierung der Erwachsenenbildung: Die Grenzen eines ambitionierten Projekts

Dieter Nittel

ZusammenfassungVertreterinnen und Vertreter der Erziehungswissenschaft haben in jeder Hinsicht ein vitales Interesse daran, ob die jeweiligen Berufskulturen (Lehrerinnen und Lehrer, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Erwach-senenbildnerinnen und Erwachsenenbildner) den potenziellen Status einer Profession haben oder nicht. Denn wer sich als Wissenschaftlerin oder Wis-senschaftler mit „einfachen“ Berufen (etwa denen des Handwerks), akademi-schen Berufen (etwa solchen im Kontext der Wissensgesellschaft) oder gar den altehrwürdigen Professionen (Juristen, Mediziner, Geistliche) beschäf-tigt, der kann ganz generell die Erwartung hegen, dass die Reputation und das Image der jeweiligen sozialen Einheit auf die eigene akademische Zunft aus-strahlt, ja vielleicht sogar auf diese abfärbt. Wie bei keinem anderen Thema ist daher der Erziehungswissenschaftler bei der Erkundung der Frage nach dem Mandat und der Lizenz pädagogischer Berufe selbst in den Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses verstrickt. Diese Überlegung wurde – warum eigentlich (?) – in der Debatte über die Rolle und die Relevanz pädagogischer Berufe in der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten weitgehend ausgeblen-det. Was hat die Leserin beziehungsweise der Leser von dem vorliegenden Beitrag zu erwarten? In einem ersten Schritt diskutiert der Autor dieses Bei-trags die Frage, welchen Stellenwert die Kategorie „Profession“ in den gro-ßen Gesellschaftsentwürfen bei den sogenannten Meisterdenkern – Luhmann,

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_2

D. Nittel (*) Fachbereich Erziehungswissenschaften (Fb04), Goethe-Universität Frankfurt am Main, Theodor-W.-Adorno-Platz 6, 60323 Frankfurt am Main, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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Habermas und Beck – einnimmt. Danach knüpft er den Fortschritt in der Argumentation an die Notwendigkeit, eine präzise Bestimmung von Profes-sion, Professionalität und Professionalisierung vorzunehmen. Dieser For-derung versucht der Autor selbst gerecht zu werden. Das stark an die real existierende bürgerliche Gesellschaft gebundene Konzept der Profession wird, so die zentrale Botschaft des Autors, als nicht mehr zeitgemäß eingestuft, während den Kategorien Professionalität und Professionalisierung eine unge-brochene Aktualität attestiert wird. Da der Autor es für einen strategischen Fehler hält, neben den Professionalisierungschancen auch die Limitierungen einer weiteren Verberuflichung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung präzise zu bestimmen, kapriziert er sich im weiteren Darstellungsverlauf allein auf diese Thematik. Exemplarisch werden drei wichtige Begrenzun-gen genannt und in ihrer Funktionsweise beschrieben. In einem letzten Dar-stellungsschritt begründet der Autor die berufspolitische Strategie, dass der zukünftige Erfolg von erfolgreichen Schritten der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung letztlich an die Dynamik und Fortschritte einer bildungsbereichsübergreifenden Professionalisierung gebunden sein wird und die Option einer separaten Professionalitätsentwicklung letztlich scheitern wird.

1 Die randständige Stellung der Professionen in einschlägigen Gesellschaftsanalysen

Wer aus der Sicht der erziehungswissenschaftlichen Arbeits-, Berufs- und Pro-fessionsforschung einen Blick auf die großen sozialphilosophischen Konzepte und soziologischen Gegenwartsdiagnosen wirft – damit sind die einschlägigen Arbeiten von Ulrich Beck, Jürgen Habermas und Niklas Luhmann gemeint – und ausführlichere Stellungnahmen und detaillierte Aussagen über die Stellung der Professionen in der modernen Welt sucht, wird am Ende seiner Recherche eine interessante Feststellung treffen. Beim Abtasten dieser „Grande Theorys“ stellt er nämlich unweigerlich fest, dass in all diesen Gesellschaftsentwürfen Professio-nen in ihrer binnenspezifischen Funktionsweise, aber auch in ihrer gesellschaft-lichen Relevanz entweder nur marginal oder überhaupt nicht behandelt werden. Bildet diese scheinbare Indifferenz nicht eine Zäsur, etwa gegenüber der Theorie von Talcott Parsons (Parsons 1965, 1968a, b), der in der Werteorientierung und der kollektiven Praxis bestimmter bürgerlicher Berufe Immunkräfte gegenüber einem gesteigerten Utilitarismus der westlichen Kultur bzw. dem ungebändigten Kapitalismus sah? Bedeutet diese Leerstelle, dass allseits akzeptierte Vertreter der

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23Professionalisierung der Erwachsenenbildung: …

(deutschen) Soziologie und der Sozialphilosophie der Kategorie „Profession“ per se gleichgültig gegenüberstehen? Sind aus der Sicht der eben erwähnten Großin-tellektuellen Professionen für die gegenwärtige Verfasstheit und für die Zukunft unseres Gemeinwesens kaum noch oder überhaupt nicht mehr von Belang? Und inwieweit ist die Beantwortung dieser Fragen relevant für die erziehungswissen-schaftliche Professionsforschung im Allgemeinen und den erwachsenenpädagogi-schen Diskurs zur Verberuflichung im Besonderen?

Bevor wir vor allem die letzte Frage weiterverfolgen, sollten wir uns noch ein-mal darüber verständigen, was „Professionen“ im Kern darstellen:

Professionen geraten immer dann in den Fokus, wenn wir die Struktur der gesellschaftlichen Arbeitsteilung auf jene Berufe absuchen, die für das Überle-ben des Gemeinwesens wie für die der einzelnen Individuen existenziell wichtige Lebensdimension einen zentralen Wert (Gesundheit, Gerechtigkeit, Gottesglauben) verwalten. Unter der Kategorie „Profession“ verstehen wir einen „besonderen“, in der Regel akademischen Beruf, der eine aufwendige Sozialisation voraussetzt, eine starke innere Bindung einschließt, eine hochgradige Arbeitsteilung eher aus-schließt und zumeist über die gesamte Berufsbiografie hinweg praktiziert wird. In der Form „Profession“ wird, so Rudolf Stichweh, die aus der alteuropäischen Tradition stammende Berufsidee reflexiv gewendet, wobei die Kernaktivitäten der Professionen auf den Strukturaufbau, die Strukturerhaltung und Strukturverände-rung menschlicher Identitäten abzielen (Stichweh 1996). Professionen inkorpo-rieren immer beides: Sie sind soziale Einheiten mit klaren Mitgliedschaftsregeln und zugleich Wissenssysteme, denen einzelne Wissenschaften oder ganze Cluster von Disziplinen zugeordnet werden können. Als komplexe, relativ abgeschlossene Sinnwelten (Alfred Schütz) und homogene soziale Gruppen verfügen Professionen in unserem Verständnis über ein bestimmtes Verhältnis zur Gesamtgesellschaft, zu ihrem Publikum (Klientinnen und Klienten, Patientinnen und Patienten), zur Wis-senschaft und schließlich zu sich selbst. In ihrer Beziehung zur Gesamtgesellschaft zeichnen sich Professionen durch einen Zentralwertbezug sowie durch die Aus-handlung eines gesellschaftlichen Mandats (Auftrag) und einer gesellschaftlich ratifizierten Lizenz (Erlaubnis) aus. In ihrer Beziehung zum Publikum entwickeln sie eine Klientenorientierung, welche die Aushandlung eines durch Vertrauen getragenen Arbeitsbündnisses und die Formulierung eines „objektiven“, nicht aus-schließlich an kommerziellen Interessen ausgerichteten Bedarfs einschließt. Im Hinblick auf die Wissenschaft konstituieren die Professionen eine mehr oder weni-ger exklusive Beziehung zu einer akademischen Leitdisziplin, die sie mit Refle-xions-, Fach- und Orientierungswissen versorgt. Und im Hinblick auf die eigene Berufskultur bauen sie ein eigenes Leistungsethos auf, was einen geordneten und lizenzierten Zugang zu den Berufsrollen einschließt. Professionen begründeten

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24 D. Nittel

nach Stichweh (1996) ihren sozialen Einfluss in früheren Zeiten dadurch, dass sie Eigentum als Mittel zur Erlangung von fachlicher Unabhängigkeit nutzten, mit dem Prinzip der Amtsinhaberschaft die behauptete Interessenlosigkeit absicher-ten und mit der Verfügung über einen Wissenskorpus eine starke Sachbindung zur Geltung brachten. Mit den säkularen Strukturumbrüchen im 19. und 20. Jahr-hundert wurde die Vorstellung obsolet, dass Professionen als Körperschaften von Elitepraktikern gleichsam als intermediäre Instanz zwischen Staat und Volk ver-mitteln würden. Durch die Entpolitisierung der Funktionssysteme und eine Ver-mehrung derselben wurde dieser Prozess der Entwertung ihrer vormals strategisch wichtigen Funktion nachhaltig verstärkt.

Um es noch einmal zu wiederholen: Die Beantwortung der Eingangsfrage, welcher Stellenwert die eben definierte Kategorie in den Gesellschaftsentwürfen von Habermas, Beck und Luhmann einnimmt, fällt ungewohnt klar und deutlich aus. „Profession“ taucht im Hauptwerk von Habermas’ Theorie des kommuni-kativen Handelns als analytische Leitkategorie nicht auf. Niklas Luhmann hat sich in einer ganz frühen Arbeit zwar mit der Ausbildung von Juristen beschäf-tigt (Luhmann 1983), ansonsten wird Profession komplementär zur Organisation betrachtet. Dieser wird eine viel größere, ja sogar eine strategisch wichtigere Rolle als Brückenmechanismus zwischen den Funktionssystemen attestiert, wie man anhand der beiden Monografien „Funktionen und Folgen formaler Orga-nisation“ und „Organisation und Entscheidung“ leicht belegen kann (Luhmann 1999 und 2000). Ulrich Beck hat sich in seiner Theorie zur Risikogesellschaft (Beck 1986) bei weitem mehr für neue wissenschaftsbasierte Expertenkulturen, sogenannte neue Berufe, interessiert als für die klassischen Professionen. Mit der wachsenden Diversifizierung wissenschaftlichen Wissens werde die exklusive Rolle der Professionen als anwendungsorientierte Hüter des wissenschaftlichen Wissens immer mehr obsolet. Überpointiert ausgedrückt, könnte man sagen: Professionen werden in den drei großen Referenztheorien tendenziell als Arte-fakte der bürgerlichen, alteuropäischen Kultur betrachtet, die vom Sandsturm der Modernisierung längst auf ihre subalterne – ihre tatsächliche – Bedeutung zurecht gestutzt worden sind. Trotz der immensen Unterschiede ihrer Gesell-schaftsentwürfe scheinen Habermas, Beck und Luhmann in einem Punkt einig zu sein: Dynamik und Verfasstheit hoch entwickelter Gesellschaften seien nicht von den Professionen abhängig, sondern werden von anderen sozialen Aggrega-ten (sozialen Bewegungen, multinationalen Konzernen, intermediären Organisa-tionen), veränderten Mechanismen (Kolonialisierung der Lebenswelt, funktionale Differenzierung, Risikoabsorption) und Strukturfaktoren (Globalisierung, Migra-tionsbewegungen, ökologischen Risiken) bestimmt.

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Rudolf Stichweh ist einer der wenigen Soziologen, der diese mehr oder weniger offene Indifferenz gegenüber einer zentralen Kategorie der klassischen Gesellschaftsentwürfe wahr- und ernst genommen hat. Unter Bezug auf Luhmann offeriert er eine recht plausible Erklärung für die Unwahrscheinlichkeit der For-mierung neuer Professionen. (Die Erwachsenenbildung wäre ja in der Tat dann eine solche „neue Profession“.) Um die mögliche Relevanz von Professionen in modernen Gesellschaften zu bestimmen, greift er auf die beiden eben skizzier-ten Typen von Funktionssystemen zurück. Schon der Umstand, dass die neuen Funktionssysteme wie Massenkommunikationsmittel, Sport und Tourismus keine Leitprofessionen ausgebildet haben, lege den Schluss nahe, Professionen auf lange Sicht eher als historisches Übergangsphänomen einzustufen, die ihre Blütezeit längst hinter sich haben. Untermauert wird dieser Befund durch den naheliegenden Tatbestand, dass der Kreis von Funktionssystemen mit einer auf die Bearbeitung existenzieller Probleme fokussierten Kernaufgabe nicht endlos ausgedehnt werden könne. Die Wahrscheinlichkeit der Formierung neuer Funk-tionssysteme mit einer Leitprofession sei somit eher gering. Heute stelle sich die neue Situation so dar: Einerseits gäbe es Funktionssysteme wie die Politik, die Wirtschaft, den Tourismus und den Sport, in denen das Klientel nicht als Einzel-personen in Erscheinung trete und auch kein eindeutiges hierarchisches Gefälle im Sinne einer Leitprofession existiere. In der Politik, der Wirtschaft, dem Tou-rismus und im Sport tummeln sich in der Tat ganz verschiedene Berufsgruppen, ohne dass bei der Bearbeitung der jeweiligen Problemlagen eine spezielle Kasu-istik notwendig wäre. Andererseits gäbe es Funktionssysteme wie das Gesund-heitswesen, das Rechtssystem, die Religion und das Erziehungssystem, in denen eine Leitprofession die Arbeit der übrigen Berufe im System kontrolliert: näm-lich die Mediziner, Juristen, Theologen und Lehrer. Hier habe sich ein eng mit der europäischen Wissenschaftsgeschichte korrespondierender Wissenskor-pus ausdifferenziert, auch gäbe es eine klare disziplinäre Zuständigkeit und es werde unter der Bedingung einer Interaktion unter Anwesenden individuelle und kollektive Fallarbeit geleistet. Die Rolle von Professionen in modernen Gesell-schaften müsse, so Stichweh, unter Maßgabe ihres Verhältnisses zu diesen beiden Typen von Funktionssystemen bestimmt werden. In der zentralen argumentati-ven Stoßrichtung, also in der behaupteten Begrenztheit des Platzes in modernen Gesellschaften für die Formierung neuer Professionen, folgen wir Stichwehs Ein-schätzung – nicht aber mit Blick auf das Erziehungs- und Bildungswesen und der behaupteten Dominanz der Lehrerinnen und Lehrer. Geht man zum einen davon aus, dass die Schule ihre Zentralität im Erziehungssystem verloren hat und zum anderen Erziehung für sich und Bildung für sich im System allein keine Einheit

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stiften vermögen1, so kann man auch nicht – wie Stichweh – die Dominanz der Lehrerinnen und Lehrer unterstellen oder diese für möglich halten. Mit Blick auf die Religion, das Rechts- und Gesundheitswesen geben wir Stichweh recht, nicht aber in Bezug auf das von ihm auf die Institution Schule reduzierte Erziehungs-system. Die neuartigen Funktionssysteme (und dazu würde ich auch das pädago-gisch organisierte System des lebenslangen Lernens rechnen) zeichnen sich durch die Pluralität akademischer Berufe ohne die Emergenz einer Leitprofession aus. In den letzten einhundert Jahren hat sich in der Tat neben den klassischen Pro-fessionen keine einzige Profession neu formieren können, weder aus dem Stand noch im Zuge einer langen evolutionären Entwicklung. Das pädagogisch organi-sierte System des lebenslangen Lernens (Nittel 2017) steht aus strukturlogischer Sicht quasi zwischen jenen Funktionssystemen ohne Leitprofession und den Sys-temen der Typik Religion, Gesundheit und Recht. Die systemische Sichtweise von Stichweh verhilft uns zu einer realistischen Einschätzung, die von übertrie-benen Hoffnungen Abstand nimmt. Die Pluralität der sozialen Welten pädago-gisch Tätiger im Erziehungs- und Bildungswesen, das Neben- und Miteinander von ehrenamtlichen Praktikern, neben- und freiberuflichen Akteuren, vor allem die offene Verfasstheit des angestammten Funktionssystems macht es extrem unwahrscheinlich, dass sich eine oder mehrere Professionen durchsetzen werden, die die anderen Berufsgruppen dominieren und einen privilegierten Zugang zur Wissenschaft für sich reklamieren können. Die eben skizzierte Ausgangssituation stellt die Geschäftsgrundlage dar, um die Chancen und Grenzen einer Professio-nalisierung des Personals in der Weiterbildung/Erwachsenbildung nüchtern und schonungslos einzuschätzen.

1An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, den von uns genutzten Systembegriff kurz anzudeu-ten. Im pädagogisch organisierten System des lebenslangen Lernens – damit ist die Ein-heit von Erziehung und Bildung und die Einheit von non-formalem und formalem Lernen (und die Ausblendung des informellen Lernens) präsupponiert – kulminieren Prozesse der Modernisierung und der Systemschließung zugleich. Mit diesem Begriff bezeichnen wir ein soziales Aggregat auf der Ebene eines gesellschaftlichen Funktionssystems, das die arbeitsteilige Gestaltung der Humanontogenese und damit den Aufbau und die Veränderung von Identitätsformationen zum Ziel hat. Es sichert über den gesamten Lebenslauf die Lern-bereitschaft und die Bereitstellung organisierter Lernarrangements. Auf diese gelingt es der Gesellschaft, die Dynamik des sozialen Wandels und die ungleichzeitige biografische Ent-wicklung zu synchronisieren.

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2 Die Notwendigkeit der Unterscheidung von Profession – Professionalisierung – Professionalität

Die Markierung der Leerstelle „Profession“ in den aktuellen gesellschaftstheore-tischen Entwürfen ist keineswegs mit einem uneingeschränkten Vertrauen gegen-über der Geltungskraft der hier vertretenen Positionen gleichzusetzen: Schließlich sind die Analysen von Beck, Habermas und Luhmann nicht sakrosankt, sondern sie stehen wie alle wissenschaftlichen Arbeiten auch unter dem Vorbehalt der Verifikation und Falsifikation. Dennoch sollte die eben skizzierte Beobachtung als Warnung vor allzu naiven Hoffnungen verstanden werden. Wer die Grenzen der Professionsentwicklung nicht kennt oder diese ignoriert, der wird eine romanti-sche Berufspolitik außerhalb jedes gestaltungsmächtigen Raums objektiver Mög-lichkeiten betreiben.

Die gleich zu Anfang konstatierte Unwahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet bestimmte soziale Welten in der pädagogischen Berufskultur (ob es sich dabei um Weiterbildnerinnen und Weiterbildner, Sozialpädagoginnen und Sozialpä-dagogen, Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieherinnen und Erzieher handelt, ist hier zunächst einmal zu vernachlässigen) zu einer Profession im ureigenen Sinne avancieren, schließt, so lautet eine zentrale These dieses Beitrags, erstens Pro-zesse der Professionalisierung akademischer Berufsgruppen und zweitens die Erzeugung von Professionalität im Sinne von gekonnter Beruflichkeit keineswegs aus (Nittel 2000). Mit Professionalisierung sind soziale Prozesse verbunden, die dazu beitragen, dass die Mitglieder des jeweiligen sozialen Aggregats zum Zeit-punkt t2 autonomer und souveräner über jene Belange des eigenen Berufs bestim-men können als zum Zeitpunkt t1. Die Strukturkategorie Profession wird – und hier gehen wir als Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaft-ler einen anderen Weg als die Soziologinnen und Soziologen – von der Prozess-kategorie Professionalisierung und der Handlungskategorie Professionalität abgekoppelt. Der damit korrespondierende differenztheoretische Ansatz (Nittel 2000) besagt, dass unter Maßgabe des Wegfalls des Professionsmodells als Leit- und Orientierungsfigur die Aussicht auf Professionalisierung und die Chance zur Steigerung von Professionalität keineswegs obsolet geworden sind. Wie muss man sich nun aber Professionalisierung und Professionalität genau vorstellen? Da die pädagogische Diskussion daran krankt, dass noch nicht einmal ein Konsens in den zentralen Konzepten hergestellt wird, soll die Arbeit am Begriff ein wenig ausführlicher erfolgen:

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ProfessionalisierungWährend die Kategorie „Profession“ eine eher relationale und funktionale Betrachtung im System der gesellschaftlichen Arbeitsteilung evoziert, zielt der Begriff Professionalisierung sowohl auf kollektive und individuelle Maßnahmen der Aufwertung und Institutionalisierung einer ausgewiesenen Form von Beruf-lichkeit im Strom der Zeit (Nittel und Seltrecht 2008). Den Bestrebungen der unterschiedlichsten Berufsgruppen in Richtung Professionalisierung liegt per se die Intention zugrunde, ein soziales Aufstiegsprojekt auf den Weg zu bringen – genauer: die strategisch wichtigen Orte „Arbeitsplatz“, „öffentliche Meinung“ und „staatliche/rechtliche Instanzen“ zur Durchsetzung von Strategien zu nutzen, um einerseits die Entschädigungschancen der Arbeit (Geld und Prestige) zu ver-bessern und andererseits die Autonomiespielräume der Berufskultur auszubauen. Beachtliche Prozesse der Professionalisierung lassen sich sowohl im Gesund-heitsbereich (Krankenpflege) als auch im pädagogisch organisierten System des lebenslangen Lernens (Erzieherinnen und Erzieher, Beraterinnen und Berater) beobachten.

Besonders Ulrich Oevermann (1996) hat grundlegende Aspekte dieses Pro-zessphänomens transparent gemacht. Das professionelle Handeln sei in moder-nen Gesellschaften einer der zentralen Orte der Erzeugung von Neuem. Hier werden unter Maßgabe verinnerlichter professionsethischer Ideale und Maximen existenziell wichtige Problemlagen bearbeitet, die sich entweder einer einseitig administrativ-bürokratischen oder einer rein ökonomischen Behandlung wider-setzen. Der Umstand, dass Ulrich Oevermann mit seiner ambitionierten Theorie an dieser Stelle gerade als Repräsentant für die prozessuale Dimension angeführt wird, hängt mit seiner durch und durch historischen Betrachtungsweise zusam-men. Aus seiner Sicht liefere nämlich schon allein der Tatbestand – dass erst mit der Institutionalisierung der Erfahrungswissenschaft seit Ende des 17. Jahr-hunderts und der Ausweitung des erfahrungswissenschaftlichen Ansatzes durch die Humboldtsche Universität den klassischen Professionen Wissensbasis und das kulturelle Mandat geboten worden sei – die Begründung dafür, „begriff-lich ‚Professionalisierung‘ bzw. ‚professionalisierte Tätigkeit‘ und ‚Profession‘ zu trennen und dem Begriff ‚Professionalisierung‘ den Vorrang einzuräumen“ (Oevermann 1996, S. 95). Die Existenz von Professionen ist weniger an die Existenz einer bürgerlichen Gesellschaft als vielmehr an das Vorhandensein einer bürgerlichen Kultur gebunden. Ohne die theoretischen Voraussetzungen und das gesamte Inventar seiner Version einer Professionalisierungstheorie im Detail zu erläutern (Fallstruktur, Krise und Routine, autonome Lebenspraxis, systemati-sche Erzeugung des Neuen), soll es hier vor allem um die Explikation der Pro-zessdimension gehen. Diese nimmt Oevermann ein, wenn er unter Bezug auf die

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Phylogenese und einen Rekurs auf grundlagentheoretische Positionen der sozi-alwissenschaftlichen Klassiker (Peirce, Mead, Freud) einen dreistufigen Ablei-tungszusammenhang vorstellt: Professionalisiertes Handeln müsse erstens als zentraler Ort „der Vermittlung von Theorie und Praxis unter der Bedingung der verwissenschaftlichten Rationalität“ betrachtet werden, wobei in diesem frühen Stadium noch charismatische Anteile das Handeln überformen würden. Zweitens habe sich die professionelle Praxis neben dem unternehmerischen, politischen und intellektuellen Handeln als „Komplex der systematischen Erneuerung durch Krisenbewältigung“ (Oevermann 1996, S. 95) etablieren können, wobei sich ein ganz bestimmtes Verhältnis von Krise und Routine sowie ein spezifisches Modell lebenspraktischer Autonomie herauskristallisiert habe. Und in einem dritten Schritt schließlich habe sich professionalisiertes Handeln in der verselbststän-digten Form der methodischen Expliziertheit ohne charismatische Anteile als hochgradig wirksamer Bearbeitungsmodus existenziell wichtiger Geltungsfragen in der Moderne herauskristallisieren und etablieren können. Der Möglichkeits-raum für die Bearbeitung von Geltungskrisen werde durch drei Funktionsfoki des professionellen Handelns abgesteckt, nämlich die Gewährleistung von Recht und Gerechtigkeit, die Sicherung leiblicher und psychosozialer Integrität und die Überprüfung von Geltungsfragen und -ansprüchen unter der regulativen Idee der Wahrheit2. Die hier angedeuteten Elemente des Begriffsinventars die-nen vor allem dem forschungspraktischen Zweck, Prozessrelationen zwischen einer Bedarfskonstellation und deren Deckung aufzuspannen, indem das Ver-hältnis von professionalisierungsbedürftig versus nicht professionalisierungsbe-dürftig einerseits und der faktische Stand der Professionalisiertheit andererseits ins Zentrum der Betrachtung gerückt wird. Mithilfe dieses Differenzschemas

2Im Zuge weiterer Konkretisierungsschritte zeichnen sich deutlich die allgemeinsten Attri-bute professionalisierter Handlungs-, Beziehungs- und Wissensmuster ab. So müsse bei der interaktiven Krisenbewältigung der aus der Psychoanalyse entlehnte Modus der stell-vertretenden Deutung und ein diesbezügliches vertrauensvolles Arbeitsbündnis zwischen Klientin beziehungsweise Klient und Professionellen hergestellt werden; die Beziehungs-dynamik zwischen Professionellen und Klientin beziehungsweise Klient oder Patientin beziehungsweise Patient sei hier durch die widersprüchliche Einheit universell-spezifischer und partikular-diffuser Rollenanteile gekennzeichnet und die professionelle Wissensstruk-tur zeichne sich durch die Applikation abstrakter wissenschaftlicher Kategorien ebenso aus wie durch das Verstehen der singulären Krisenphänomene in der Sprache des Einzelfalls. Die Logik des professionellen Handelns sei zwischen der lebenspraktischen Anforderung eines gesteigerten Handlungsdrucks und des der Wissenschaft entlehnten gesteigerten Begründungszwangs angesiedelt.

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versucht Oevermann beispielsweise die Frage zu klären, warum nicht professio-nalisierungsbedürftige Berufe wie etwa der des Ingenieurs in der Wahrnehmung gemeinhin als „professionalisiert“ gelten, während professionalisierungsbedürf-tige Berufe wie der der Lehrerin beziehungsweise des Lehrers aufgrund ganz bestimmter Strukturmerkmale am Vollzug der Professionalisierung historisch gescheitert seien. Mit „professionalisierungsbedürftig“ ist ein unter Bezug auf die Funktionsfoki begründbarer Zustand der Gestaltungsoffenheit gemeint, wenn z. B. das berufliche Handeln im Kontext eines Arbeitsbündnisses stattfindet, wis-senschaftlich begründet werden muss oder ein Bedarf nach einer in Ausbildung erlernbaren Kunstlehre besteht. Der tatsächliche Stand der Professionalisiert-heit bezieht sich dann auf den beobachtbaren und institutionalisierten Reali-sierungsgrad des zuvor explizierten Gestaltungspotenzials, also auf die genaue Art dieses Arbeitsbündnisses, die Dringlichkeit der wissenschaftlichen Begrün-dungsnotwendigkeit und die Funktionalität der Ausbildung zur Einweisung in die jeweilige Kunstlehre. Mit Blick auf den Lehrerberuf wird die pädagogische Praxis dieser Berufsgruppe mit dem analytischen Arsenal der hier angedeuteten Analyseinstrumente sondiert. In aller letzter Konsequenz wird die nicht existente Klientenautonomie unter dem formaljuristischen Dach der Schulpflicht als aus-schlaggebender Begründungsfaktor ins Feld geführt, weshalb der Lehrerberuf unter den gegenwärtigen Bedingungen gleichsam das letzte Reifestadium der Professionalisierung nicht erreichen könne. (In einem Umkehrschluss bedeutet dies mit Blick auf die Erwachsenenbildung, dass aus der Sicht von Oevermann eigentlich nichts gegen die Professionalisierungsmöglichkeit dieses Feldes spre-chen würde.)

Oevermanns Professionalisierungstheorie ist schon allein wegen ihrer herme-tischen Geschlossenheit kritikwürdig. Diese drückt sich u. a. darin aus, dass trotz Überwindung konventioneller Merkmalskataloge in aller letzter Konsequenz doch wieder nur die beiden „old etablished professions“, nämlich die Mediziner und die Juristen, als Kandidaten voll professionalisierter Berufsgruppen übrig bleiben. Auch kommt Oevermanns Argumentation an vielen Stellen nicht über idealtypi-sche Konstrukte hinaus. Obwohl das faktische Tun heutiger Ärztinnen und Ärzte außerordentlich wenig mit der reinen Lehre psychoanalytischer Interventionen zu tun hat, glaubt er, an der Vergleichsfolie des holistisch orientierten, selbststän-dig tätigen Allgemeinmediziners festhalten zu müssen3. In dem gleichen Maße, wie eine formalpragmatische Zuordnung des pädagogischen Handelns unter dem

3Wie stark sich die Realitäten des Arztberufs in den letzten fünfzig Jahren verändert haben, kann man daran ermessen, dass mittlerweile die allermeisten Mediziner in großen Organi-sationen, sprich Krankenhäusern, tätig sind.

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Fokus der Therapie stattfindet, drohen bereits im Vorfeld, die analytischen Mög-lichkeiten der Entdeckung einer Eigenlogik pädagogischen Handelns verbaut zu werden (Nittel et al. 2016). Ebenso verhält es sich mit der Applikation seines ontologisierenden Konzepts von Autonomie auf lebenspraktische Entscheidungs-situationen. Gesetzt dem Fall, die Schulpflicht stelle tatsächlich einen so macht-vollen Hemmfaktor im Horizont der Professionalisierung dar, müsste dann nicht der Professionalisierungsprozess von Lehrerinnen und Lehrern in Ländern ohne Schulpflicht eigentlich signifikant weiter fortgeschritten sein? Dies ist jedoch – wie etwa der Blick in die USA lehrt – keineswegs der Fall.4

Im Kontrast und in Ergänzung zu den komplexen und in vielen Teilen inst-ruktiven Vorstellungen von Oevermann käme es u. a. darauf an, zwischen kol-lektiven und individuellen Formen der Professionalisierung zu unterscheiden. Während kollektive Professionalisierung viele Affinitäten zu sozialen Bewe-gungen aufweist und von bestimmten gesellschaftlich erzeugten Mechanismen abhängig ist, markiert die individuelle Professionalisierung einen personen-gebundenen Prozess der beruflichen Kompetenzentwicklung und der Reifung, wobei sich diese Entwicklung auf die Herausbildung der ersten diffusen Motive der Berufswahlentscheidung, der anschließenden akademischen Ausbildung, der berufsbiografischen Etablierung und der professionellen Weiterentwicklung im späteren Berufsleben im Medium von Fort- und Weiterbildungen erstreckt. Stand und Dynamik der kollektiven Professionalisierung begrenzen und erweitern die Gelegenheitsstruktur der individuellen Professionalisierung. Der Prozess der kollektiven Professionalisierung wird durch folgende Mechanismen geprägt und beeinflusst: nämlich durch die Akademisierung (die Formierung und Platzierung wissenschaftlicher Ausbildungsgänge an Hochschulen), die Verberuflichung (Pro-zesse der informellen und formalen Vergemeinschaftung in Form von Netzwerken und die Gründung von Berufsverbänden; die öffentlichkeitswirksame Herausbil-dung eines kanonisierten Berufsbildes und die Spezifizierung einer Lizenz), die Verrechtlichung (formaljuristische Kodifizierung des Mandats wie etwa die tarif-rechtliche Absicherung des Rechts auf Weiterbildung), die Institutionalisierung (Ausbau von Einrichtungen, das Auf-Dauer-Stellen von Organisationsstrukturen durch die Sicherung der dazu notwendigen Finanzgrundlagen) und die Verwis-senschaftlichung (Diversifizierung von wissenschaftlichem Wissen durch autodi-daktische Fortbildung, Herausbildung und Konsolidierung eines eigenständigen

4Auch müsste im Kontext der Weiterbildung angesichts des Wegfalls der Schulpflicht und eines erwachsenen Klientels das Niveau der Professionalisierung in der Erwachsenenbil-dung ungleich größer sein als in der Schule (auch davon kann keine Rede sein).

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Forschungsbereichs auch in außeruniversitären Einrichtungen). Mit Blick auf die eben erwähnten Positivbeispiele Krankenpflege und den Erzieherberuf könnten die Funktionsweise dieser Mechanismen und die daraus entstehenden Synergieef-fekte im Detail empirisch aufgezeigt werden.

ProfessionalitätVerlangt das Konzept Professionalisierung eine prozessuale Analyseperspek-tive, so legt der Begriff „Professionalität“ eine dezidiert handlungstheoretische Sicht nahe, welche die konkrete Situation als Ort der beruflichen Bewährung in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Professionalität ist nicht an die sozi-ale Form Profession gebunden, sondern beschreibt die besondere Qualität einer personenbezogenen Dienstleistung auch über den institutionellen Komplex der anerkannten Professionen hinaus. So schreiben wir Stewardessen und Stewards sowie Handwerkerinnen und Handwerkern intuitiv „Professionalität“ zu und wis-sen sehr wohl, dass es sich dabei nicht um Professionen handelt. Professionalität stellt einen flüchtigen Aggregatzustand von Beruflichkeit dar – ein Zustand, der interaktiv hergestellt und aufrechterhalten werden muss, der extrem störanfällig ist und der ein hohes Maß an Reflexivität und Begründungsfähigkeit vonseiten des Akteurs erfordert. „Ich weiß, was ich tue, ich kann darüber sprechen, es ande-ren mitteilen und begründen“ – das ist eine sehr kurze aber eindringliche Defini-tion von Professionalität. Die Kategorie bezeichnet einen spezifischen Modus im Arbeitsvollzug selbst, der verlässliche Rückschlüsse sowohl auf die Qualität der personenbezogenen Dienstleistung als auch auf die Befähigung und das Können des beruflichen Rollenträgers erlaubt. Es handelt sich dabei um eine außeralltäg-liche Fähigkeit, um ein Kompetenzbündel, das nicht aus reinem common-sense-Wissen und lebenspraktischen Kapazitäten besteht und ein hohes Leistungsethos voraussetzt. Professionalität kann von zwei Seiten bestimmt werden, entweder kompetenz- oder differenztheoretisch. Vom Kompetenzansatz her ist die Frage entscheidend: „Welche Fertigkeiten und Fähigkeiten benötigt der berufliche Rollenträger, um eine bestimmte Aufgabenstruktur zu erfüllen?“ Mit Blick auf Erwachsenenpädagogen wurden schon mehrfach Anstrengungen unternommen, das Kompetenzprofil zu bestimmen. Die ehemalige Pädagogische Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes hat hier Wegweisendes geleistet, wie man an den einschlägigen Publikationen des Instituts in der Amtszeit von Hans Tietgens unschwer erkennen kann (Tietgens 1962a, b, 1973, 1976, 1985, 1988). Während der Kompetenzzugang ein eher harmonisches Modell von Professionali-tät nahelegt, geht der differenztheoretische Zugang von nur schwer aufzulösenden Spannungsverhältnissen zwischen den Elementen des Kompetenzprofils aus.

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Fritz Schütze, der sich besonders stark für die Störanfälligkeit und die Fehl-barkeit des professionellen Handelns interessiert und wie kein anderer die Fal-libilität des professionellen Handelns fokussiert, nimmt in einem einschlägigen Beitrag (Schütze 1996) zunächst Bezug auf den Stand der wissenschaftlichen Diskussion und kommentiert diesen ausführlich. Dabei konstatiert er, dass auf-grund der von ihm registrierten großen definitorischen Übereinstimmungen hinsichtlich der zentralen Merkmale von Professionen in der strukturfunktiona-listischen und interaktionistischen Tradition die Schlussfolgerung nahe liegen würde, dass beide Richtungen „endlich einmal in einem wichtigen Gegenstands-bereich der Gesellschaftsanalyse weitgehend parallel gehen“ (Schütze 1996, S. 185). Diese Einlassung korrigiert er jedoch umgehend mit dem Hinweis, dass es bei dem von ihm vertretenen Ansatz weder um die Betonung des Experten-wissens von Professionen noch um deren Rolle im Zuge der weltgeschichtlichen Rationalisierung gehe. Auch sei für ihn die Funktion der Professionen als Mecha-nismus der sozialen Kontrolle nicht zentral.

Schütze bekennt sich zu der interaktionistischen Tradition der Professionsfor-schung und fordert, das konkret fassbare Arbeitshandeln, also den Mikrokosmos professionellen Handelns, und dabei vor allem die Rekonstruktion der fragilen Eigenschaften im professionellen Handeln in den Mittelpunkt der Forschung zu rücken. Für die hier thematisierte Forschungsrichtung sind die unaufhebbaren Kernprobleme, Dilemmata, Anomalien und Paradoxien des professionellen Han-delns von besonderer Wichtigkeit. Diese lenken die Aufmerksamkeit auf den Umstand, dass die vermeintlich stabilen und angeblich so rationalen Merkmale in der Selbstdarstellung vieler Professionen nur einen Teil der Wahrheit über das professionelle Handeln ausmachen. Für Schütze stellen die Fehlerquellen und Kernprobleme des professionellen Handelns insofern das Spiegelbild der wider-sprüchlichen Strukturkomponenten der gesellschaftlichen Institution Profession dar, als die Handlungslogik des Alltagslebens einerseits und die Interaktionsbasis der Profession andererseits fortlaufend Idiosynkrasien produzieren würden. Bei der präzisen Durchleuchtung derartiger Widersprüche, Paradoxien und Dilem-mata hat sich Schütze interessanterweise gerade sehr intensiv mit pädagogischen Berufsgruppen, insbesondere mit Sozialarbeitern (Schütze 1992), Sozialpädago-gen, Supervisoren (Schütze 1988) und Lehrern (Breidenstein und Schütze 2008), beschäftigt. Zum Spektrum der professionellen Standardparadoxien5 gehört etwa

5Hierbei handelt es sich um zwei oder mehrere Erwartungen und Anforderungen, die sich handlungslogisch ausschließen, in der konkreten Handlung aber dennoch zusammen gebracht werden müssen.

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die Konstellation, dem Zwang ausgesetzt zu sein, Vorhersagen über Abläufe in der Zeit formulieren zu können, dies aber nur auf der Grundlage einer extrem schlechten oder gar nicht vorhandenen empirischen Basis tun zu können. Diesen Paradoxien sind sowohl planerisch bzw. disponierend tätige als auch lehrende Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner ausgesetzt. Ferner gehö-ren dazu die Spannungsverhältnisse, eine den Erwartungen an die Berufsrolle gemäße, vertrauensvolle Arbeitsbeziehung aufbauen zu müssen (und dabei intime oder moralisch anstößige Dinge aus der Existenzwelt der Klientin beziehungs-weise des Klienten, der Patientin beziehungsweise des Patienten, der Teilneh-merin beziehungsweise des Teilnehmers in Erfahrung zu bringen), dies aber nur vor dem Hintergrund einer extrem ungleichen sozialen Beziehung ohne wirkliche Reziprozität realisieren zu können. Ferner ist man in seinem beruflichen Han-deln dem Zugzwang ausgesetzt, allgemeines, vom Einzelfall abgehobenes, in der Regel aus der Sinnwelt der Wissenschaft stammendes Wissen auf den singulären Fall- und Projektkontext zu applizieren und dabei in Kauf zu nehmen, dass das Besondere und das Allgemeine in einem nicht auflösbaren Spannungsverhältnis zueinanderstehen. Auch arbeitet Schütze das „Dilemma des Sicherheitswertes der Routineverfahren im Sozialwesen einerseits und der damit verbundenen Ein-schränkung der professionellen Handlungsaufmerksamkeit andererseits“ (Schütze 1996, S. 229) sowie eine Fülle anderer Spannungsverhältnisse heraus.

Kritisch schlägt im skizzierten Ansatz die fehlende analytische Differenzie-rung zwischen unterschiedlichen Gattungen von Kernproblemen und Paradoxien zu Buche. So macht es einen Unterschied, ob man mit Paradoxien professionel-len Handelns konfrontiert ist, die nahezu in allen Kontexten personenbezogener Dienstleistungen virulent sind, oder ob man als Praktiker in bereichsbezogen wirksame Kernprobleme verstrickt ist. Viel entscheidender ist aber die Differenz, ob es sich um Kernprobleme und Paradoxien handelt, welche die Bedingung für die Notwendigkeit von professionellem Handeln liefern, oder ob die jewei-ligen Anomalien eine Erklärung für das empirisch nachweisbare Nichtzustande-kommen professioneller Dienstleistungen bieten. Schütze zieht die Möglichkeit kaum in Betracht, dass in manchen Kontexten die umsichtige und „vernünftige“ Ausbalancierung der jeweiligen Erwartungsdiskrepanzen schlicht unmöglich ist, sodass es notgedrungen zu einer Vereinseitigung des Handelns kommen muss. Er hat sich zwar auf die Rekonstruktion der eben skizzierten Widersprüche kon-zentriert, ohne sich mit der gleichen Intensität um die wissenschaftliche Erfas-sung von Strategien und Taktiken ihrer Bearbeitung zu kümmern. Der empirische Nachweis der Paradoxien professionellen Handelns liefert noch keinen Hinweis auf die faktisch wirksame Professionalität. Und der plausible Nachweis einer weit verbreiteten Professionalität in einem pädagogischen Arbeitsfeld liefert erst

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recht noch keine Gewähr für die Formierung einer Profession. Kritisch ist darü-ber hinaus anzumerken, dass Schütze die sachlogische Differenz zwischen einer wertebasierten bzw. klientenorientierten Intervention, eines auf der Feststellung von objektiven Bedarfs beruhenden Handelns einerseits und einem eher ‚kunden-orientierten‘ Handeln, das auf der subjektiven Artikulation eines Kaufinteresses im Sinne ökonomischer Rationalität beruht andererseits, nicht in der gebotenen Schärfe macht. Auf diese Weise ist eine gewisse Überschätzung der Professiona-lisierungschancen von Berufen im Wirtschaftsleben gleichsam vorprogrammiert (Schröder 2010). Besonders schwer wiegt der Umstand, dass dem Faktor Macht in den professionellen Praktiken zu wenig Raum eingeräumt wird, was sich gerade in pädagogischen Zusammenhängen als fatal herausstellt, weil die hier tätigen Berufskulturen diesen Faktor ebenfalls notorisch unterbewerten.

Wir haben uns mit den Kategorien Profession – Professionalisierung – Pro-fessionalität nicht zuletzt deshalb so detailliert beschäftigen müssen, um eine hinreichende Begründungsfolie für eine weitere Kernbehauptung in der Hand zu haben: Prozesse der individuellen und kollektiven Professionalisierung sowie die Erzeugung von Professionalität sind zwar ohne die Existenz einer Profession möglich, ja sogar wahrscheinlich. Professionalität dem gegenüber setzt aber per se ein bestimmtes Professionalisierungsniveau voraus. So dürfte ohne die Aus-buchstabierung eines wissenschaftlichen Wissenskanons und die fortlaufende Bearbeitung praktischer Kernprobleme durch eigenständige Forschungsbemü-hungen (Verwissenschaftlichung), die Existenz von bestimmten Einrichtungen, die wissenschaftliches Wissen vermitteln (Fortbildungsinstitutionen), gekonnte Beruflichkeit kaum möglich sein. Weitere Bedingungen für die Möglichkeit von Professionalität sind: Die Mobilisierung materieller Ressourcen im Zusammen-hang mit einer stabilen Institutionalisierung; eine formaljuristisch belastbare Legitimation des Mandats im Sinne einer minimalen Form der Verrechtlichung und schließlich der Besitz einer Lizenz, welche den Berufsrollenträgern die Erlaubnis zu außeralltäglichen Dienstleistungen (Akademisierung) eröffnet.

3 Strukturelle Limitierungen und systemisch induzierte Barrieren einer Professionalisierung der Weiterbildung/Erwachsenenbildung

Wenn im nun folgenden Abschnitt exemplarisch drei strategisch bedeutsame Limi-tierungen im kollektiven Prozess der Professionalisierung dargelegt werden, so haben diese Begrenzungen, so die implizite Annahme, auch negative Konsequenzen im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum der individuellen Professionalisierung

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und der Artikulationsmöglichkeiten von Professionalität. Gerade jene Praktiker in der Erwachsenenbildung, die ein besonders großes Leistungsethos an den Tag legen, erfolgreich sind im Umgang mit der Klientel und eigentlich stolz sein könn-ten aufgrund ihrer beruflichen Könnerschaft, stoßen mit ihrem Engagement immer wieder gegen widrige Bedingungen und heteronome Konstellationen. Diese indivi-duellen Reaktionsmuster, nicht jene Anerkennung zu erhalten, die man eigentlich verdienen würde, aber auch unter dem Beruf zu leiden, hängen – wie vermittelt auch immer – eng mit den folgenden Sachverhalten, Sachzwängen und Konstella-tionen zusammen:

3.1 Die unentschiedene Systemzugehörigkeit der Erwachsenbildung/Weiterbildung

Die kollektive Identität als Erwachsenenbildnerin und Erwachsenenbildner bezie-hungsweise Weiterbildnerin und Weiterbildner, d. h. die sozial geteilte Gewiss-heit „wer man ist, was man ist und wie man ist“ und das Bewusstsein, welcher berufliche Auftrag und welche Lizenz im Mittelpunkt der Arbeit stehen, gewin-nen die Betroffenen nicht schlicht „aus sich selbst heraus“. Die sichere Haltung, wie man sich selbst in der Welt der gesellschaftlichen Arbeitsteilung als ein „Wir“ der Berufsrolleninhaber positioniert und welches Selbstbewusstsein man im Wis-sen über die gesellschaftliche Relevanz des eigenen Tuns als Einzelperson entwi-ckelt, dass man sich auf seine Kolleginnen und Kollegen im Konfliktfall verlassen kann, dass es einen Ehrenkodex gibt, der nicht immer wieder neu ausgehandelt werden muss – das und vieles andere mehr hängt maßgeblich von der sozialen Verankerung des Berufs ab. Die Klärung dieser sozialen Verankerung wiederum wirft die Frage nach der Systemzugehörigkeit der jeweiligen beruflichen Praxis auf. Stellt die Erwachsenenbildung und die Weiterbildung ein eigenes System dar oder ist sie ein bloßes Anhängsel anderer Funktionssysteme? Aus der Sicht der komparativen pädagogischen Berufsforschung gibt es zwei Antworten, deren Ausführung an dieser Stelle offen bleiben muss, weil diese von der weiteren his-torischen Entwicklung abhängen wird. Die erste Variante: Entweder markiert die Erwachsenenbildung/Weiterbildung – wie die Schule, die Elementarbildung und die Altersbildung – ein eigenständiges Subsegment im sich formierenden päda-gogisch organisierten System des lebenslangen Lernens oder es trifft die zweite Variante zu: Dann würde die Erwachsenenbildung ein organisiertes Handlungs-feld bilden, mit dem andere große Funktionssysteme (Wissenschaft, Religion, Wirtschaft) ihre System-Umwelt-Relation gestalten und spezifische Handlungs-probleme bearbeiteten. Die notorische Unentschiedenheit in dieser zentralen

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Frage (Nittel 2017) stellt eine strategisch wichtige Begrenzung in den gegenwär-tigen Versuchen der Professionalisierung dar, weil sie mit großer Beharrlichkeit die Konstitution einer homogenen Berufskultur, die Ausbuchstabierung einer beruflichen Identität verhindert und in jeder Hinsicht Orientierungsprobleme ver-ursacht. Wie ist das zu erklären?

An dieser Stelle richten wir den Blick einzig und allein auf die institutionelle Erwachsenenbildung, somit auf die organisierte Bildung des Erwachsenen im Kontext der formalen und non-formalen Bildung. Das informelle Lernen wird völ-lig ausgeblendet. Wenn man die Systemzugehörigkeit vom Standpunkt der großen Funktionssysteme aufrollt, so drängt sich unweigerlich der Befund einer Entgren-zung und einer dezentralen Verankerung der Erwachsenenbildung ohne eigentli-ches Zentrum auf. Das organisierte Lernen des Erwachsenen findet nicht nur in expliziten, sondern auch in impliziten Bildungseinrichtungen statt. Organisierte Erwachsenenbildung ist also nicht nur in den mit einem ausdrücklichen pädagogi-schen Mandat ausgestatteten Institutionen, sondern auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen, Kirchen, Kliniken, Krankenkassen und in politischen Organisatio-nen zu beobachten. So verfügt die professionell betreute und didaktisch flankierte Wissensvermittlung an Erwachsene in Form von Weiterbildungsabteilungen gro-ßer Firmen oder in Gestalt institutionalisierter Ablauf- und Erwartungsmuster bei Entwicklungsprogrammen von Führungskräften (Wrogemann 2010; Kipper 2014) gleichsam auch über Dependancen im Wirtschaftssystem. Das belegen nicht zuletzt die exorbitanten finanziellen Ausgaben, die von den privatwirtschaftlichen Firmen für Aktivitäten der betrieblichen Bildung mobilisiert werden. Wenn von hauptberuflich tätigen Pädagogen in der Wirtschaft und über deren Chancen und Grenzen, pädagogische Rationalität in ein nicht pädagogisch strukturiertes Feld zu importieren, gesprochen wird, so sind damit zumeist Erwachsenenpädagogin-nen und Erwachsenenpädagogen gemeint (Nittel und Marotzki 1997). Was für die Wirtschaft gilt, gilt auch für die Religion. Auch hier sind die Grenzen fließend, und zwar nicht nur wegen des riesigen Bereichs der gemeindepädagogischen Aktivitäten, sondern auch aufgrund der einschlägigen Träger der konfessionell gebundenen jüdischen, katholischen oder evangelischen Erwachsenenbildung, welche Akademien, Tagungsstätten und/oder Bildungswerke sowie andere Ein-richtungen unterhalten. Kaum wirklich ernst genommen wird der Umstand, dass die Erwachsenenbildung auch stark im militärischen Sicherheitssystem verankert ist, wie man anhand von Führungsakademien, Schulungszentren für Unteroffi-ziere, vom Militär finanzierten Universitäten und speziellen Organisationseinhei-ten mit einem ausgewiesenen Bildungszweck („Ausbildungskompanien“) zeigen könnte. Jede Sequenz im Karrierefahrplan einer Soldatin beziehungsweise eines Soldaten oder einer Offizierin beziehungsweise eines Offiziers ist unweigerlich

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an den obligatorischen Besuch von Lehrgängen gebunden. Der Ausdruck „die Bundeswehr ist die Schule der Nation“ gewinnt durch die Ubiquität von Erwach-senenbildung eine ganz neue Bedeutung. Gesundheitsschulen, medizinische Aufklärungskampagnen, Beratungsangebote für Personen mit großen gesund-heitlichen Risiken sowie die empirisch nachweisbaren erzieherischen Anteile im Handeln der Ärzteschaft (Detka 2013; Schütze 2013, Nittel et al. 2016) offenba-ren, dass auch im Gesundheitssystem diverse Überschneidungszonen zur Erwach-senenbildung existieren. Hier wird „Aufklärung“ (etwa über die Gefahren des Rauchens oder über Risiken am Arbeitsplatz) noch im klassischen Sinne etwa durch Vorträge betrieben, wobei sich hier auch immer mehr Stilelemente einer neuen Lernkultur durchsetzen. Erwachsenenpädagogische Berufsarbeit weist – ohne dass hier immer die für uns einschlägige Semantik benutzt wird – zudem starke Bezüge zum politischen System auf, und zwar unter anderem unter dem Dach einschlägig bekannter Stiftungen der großen Parteien, die an sich schon einen Bildungsauftrag haben und die diesen Auftrag unter Wahrung einer gewis-sen Unabhängigkeit in Akademien oder anderen Tagungsstätten umsetzen. Eine strukturelle Koppelung zwischen der pädagogisch flankierten Arbeit mit Erwach-senen und dem Wissenschaftssystem kommt allein schon dadurch zustande, dass die Universitäten ihren Erziehungsanspruch gegenüber den Studierenden offen oder verdeckt kommunizieren. Das macht Universitäten aber noch lange nicht zu Stätten der Weiterbildung. Operativ tätig sind Vertreter der Weiterbildung in eigenständig agierenden Abteilungen für wissenschaftliche Weiterbildung an den Fachhochschulen und Universitäten, die sowohl für das eigene Personal als auch für externe Zielgruppen eine intensive Popularisierung des wissenschaftlichen Wissens betreiben. In makro- und mikrodidaktischen Berufsrollen sind Erwach-senenpädagoginnen und Erwachsenenpädagogen last, but not least selbstver-ständlich auch in Organisationen des wohlfahrtsstaatlichen Sicherungssystems unterwegs, etwa in Bildungswerken der Wohlfahrtseinrichtungen, Behörden und auf dem Feld der fachlichen Fortbildung. Der prominente Bereich der Volkshoch-schulen ist ebenfalls diesem Komplex zuzuordnen.

Organisierte Erwachsenenbildung ist vor dem Hintergrund des eben skizzier-ten Szenarios organisationstheoretisch betrachtet extrem weit ausdifferenziert, was unweigerlich eine gewisse Indifferenz bei den Systemreferenzen zur Folge hat. In der Tat scheinen die Begriffe „zerstreute Bildung“ oder „parzelliertes Feld“ durchaus zutreffend zu sein. Es dürfte relativ unwahrscheinlich sein, dass unter den Bedingungen einer solch hochgradig ausdiversifizierten Erwachse-nenbildung das hier agierende Personal zu einer sozialen Einheit assoziierbar ist und einen Nukleus findet, um den herum eine gemeinsam geteilte berufliche

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Identität im Sinne einer unhinterfragten Normalitätsunterstellung gruppiert wer-den könnte. Die Praktikerin beziehungsweise der Praktiker der militärischen Weiterbildung definiert sich nicht über das Attribut Erwachsenenbildung, son-dern über die Zugehörigkeit zur Bundeswehr. Ähnlich verhält es sich mit Blick auf die Mitarbeiterin beziehungsweise den Mitarbeiter von VW-Coaching, die beziehungsweise der sich weniger als Angehörige beziehungsweise Angehöriger einer betrieblichen Weiterbildungsabteilung versteht, sondern als Teil eines Welt-konzerns. Dabei ist es keineswegs ausgeschlossen, dass – genau betrachtet – die Erwachsenenbildnerin beziehungsweise der Erwachsenenbildner bei der Bun-deswehr in ihrem beziehungsweise seinem beruflichen Habitus sehr wohl Ähn-lichkeiten zu ihrer beziehungsweise seiner Kollegin oder ihrer beziehungsweise seinem Kollegen bei VW-Coaching hat. Diese unkonventionellen Überlegungen offenbaren, dass der Professionalisierungsdiskurs in der Erwachsenenbildung auf-grund der selektiven Perspektive mancher Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler eine starke Schieflage hat. Wie legitimieren die Ver-fechter einer Verberuflichung der Erwachsenenbildung die Abstufungen in ihren eigenen Relevanzsetzungen, dass sie in aller erster Linie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlich finanzierten beruflichen Bildung und die der Volkshoch-schulen als Kandidatinnen und Kandidaten einer Professionalisierung im Visier haben, die freiberuflichen Trainerinnen und Trainer in der betrieblichen Weiterbil-dung oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Personalentwicklung weniger als „richtige“ Erwachsenenpädagoginnen und Erwachsenenpädagogen attribuieren. Faktisch betreiben Freiberuflerinnen und Freiberufler ja schließlich auch Weiter-bildung – nur eben unter Maßgabe einer möglicherweise anderen Ideologie und einer alternativen Milieuorientierung.

Wie soll sich, so lautet die zentrale Frage, unter der Bedingung der eben skiz-zierten Heterogenität ein an der Zivilgesellschaft orientierter beruflicher Korps-geist über die Grenzen der einzelnen Funktionssysteme hinweg entwickeln? Wie kann unter Maßgabe dieser Vielfalt ein Commitment in der Verfügung eines auf Weiterbildung und Erwachsenenbildung bezogenes berufliches Mandat entstehen, das Kollegialität und wechselseitige Loyalität zu stiften vermag? Das hier entfal-tete Problemszenario erweist sich als schier unauflösbar: Während die Funktions-systeme in der organisierten Bildung der Erwachsenen ein Mittel zur Erzielung ihrer systembezogenen Zwecke sehen, reklamieren die im jeweiligen Kontext agierenden Weiterbildungspraktikerinnen und -praktiker Bildung als Selbstzweck. Die Auflösung der Frage, wer in diesem Wettstreit um die angemessene Defini-tion von Rationalität Sieger ist, dürfte durch die Hausherren des jeweiligen Sys-tems erfolgen – und das sind in der Regel keine Pädagoginnen und Pädagogen.

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Weniger hemmend würde die eben skizzierte Professionalisierungsbarriere unter Maßgabe der zweiten Option zu Buche schlagen. Die Weiterbildung und Erwachsenenbildung könnte ebenso gut aus den Fesseln der Funktionssysteme gelöst werden. Alternativ zu dem eben skizzierten Systemzuschnitt könnte die Erwachsenenbildung als Teil eines eigenständigen Funktionssystems verstanden werden, das sowohl das Erziehungs- als auch das Bildungswesen in seiner tradi-tionellen Form inkludiert. Diese neue Sicht hat sich aber weder in den Einrich-tungen noch bei den dort tätigen Praktikern als ein konsensfähiges Element in den beruflichen Selbstbeschreibungen etablieren können. Das sich im Stadium nascendi befindliche pädagogisch organisierte System des lebenslangen Ler-nens (Nittel 2017) reicht von der pränatalen Beratung bis hin zur professionel-len Begleitung von verstorbenen Angehörigen, also bis zur sozialpädagogischen Seniorenarbeit. Das hier in den Blick genommene System schmiegt sich inso-fern an das Gesellschaftssystem an, als es das Formprinzip der funktionalen Dif-ferenzierung kopiert und alle Segmente – die Elementarpädagogik, die Schule, die Sozialpädagogik, die Erwachsenenbildung und die Hochschulbildung – auf ein und dieselbe Stufe stellt. Diese Egalisierung ist dem Umstand geschuldet, dass jedes der Segmente beim Aufbau, der Veränderung und der Restitution von Identitätsformationen im Medium von Erziehung und Bildung eine existenziell wichtige Rolle zu spielen vermag und die Schule ihre Rolle als Zentrum einge-büßt hat. Das sich allmählich formierende pädagogisch organisierte System des lebenslangen Lernens wird in Anlehnung an Dieter Lenzen (Lenzen 1997) als Ort einer arbeitsteiligen und zielgerichteten Gestaltung der Humanontogenese begrif-fen. Unter Beteiligung von Organisationen und pädagogischen Praktikern sowie unter Mobilisierung bestimmter Kernaktivitäten und Technologien leistet die arbeitsteilige Gestaltung der Humanontogenese einen Beitrag zum Aufbau, Erhalt und zur Veränderung von Identitätsformationen, und zwar unter der Maßgabe einer auf Erziehung, Bildung, Hilfe, Entwicklung und/oder Förderung ausgerich-teten – und damit pädagogisch codierten – Zielperspektive. Angehörige der sozi-alen Welt der pädagogisch Tätigen verrichten an „pädagogisch Andere“ (Kinder, Jugendliche, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Auszubildende, Klientin-nen und Klienten, Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Hilfesuchende, Nutzerinnen und Nutzer usw.) adressierte Dienstleistungen der Bildung und der Erziehung in Einrichtungen, die sich selbst als pädagogisch definieren und die über fachge-bundene Technologien und pädagogische Kernaktivitäten verfügen. Die Leistung des Systems erstreckt sich auf die Herstellung und Bewahrung der Lernfähigkeit und Lernbereitschaft über die gesamte Lebensspanne. Dabei findet gesamtgesell-schaftlich ein Abgleich in der beschleunigten Entwicklung der gesellschaftlichen

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Funktionssysteme und sozialer Milieus einerseits und der biografischen Erfah-rungs- und Wissensaufschichtung andererseits statt.

Unter Maßgabe der zugrunde liegenden Fragestellung besteht die hier fokus-sierte Professionalisierungsbarriere in aller erste Linie in der Unentschiedenheit, wie und wo Weiterbildung/Erwachsenenbildung denn nun eigentlich systemspe-zifisch verankert ist: entweder an den Rändern der großen Funktionssysteme oder im Kernbereich des eben kursorisch definierten pädagogisch organisierten Sys-tems des lebenslangen Lernens. Mit Blick auf die anderen pädagogischen Berufs-kulturen überformt Konkurrenz und Abgrenzung, aber eben nicht Konsens, an der arbeitsteiligen Konstruktion von Identitätsformationen über die Lebensspanne beteiligt zu sein, das berufliche Selbstverständnis. Das damit verbundene Phäno-men der Orientierungslosigkeit bzw. einer nicht greifbaren Verankerung im Sys-tem der gesellschaftlichen Arbeitsteilung bietet aus unserer Sicht zumindest eine Teilerklärung für das chronische Problem bei der kollektiven und individuellen Formierung einer belastbaren Berufsidentität.

3.2 Fehlende Abstimmung zwischen den Prozessebenen einer kollektiven Professionalisierung

Ganz grundsätzlich betrachtet ist Professionalisierung auf einen gewissen Gleich-klang und Synergieeffekte zwischen den Prozessebenen „Akademisierung, Ver-wissenschaftlichung, Verrechtlichung, Institutionalisierung und Verberuflichung“ angewiesen. Nun lassen sich die verschiedenen Ebenen auf fördernde und hem-mende Potenziale hin absuchen, was hier nur sehr oberflächlich geschehen kann, um die Dynamik oder die Beharrungskräfte in den jeweiligen Prozessen einzu-schätzen. Dabei stellt sich heraus, dass im Falle der Erwachsenenbildung, ins-besondere von der Baustelle der Verberuflichung, ein starker Verzögerungseffekt ausgeht.

Mit Blick auf die Akademisierung und Verwissenschaftlichung steht die Erwachsenenbildung – die hoch entwickelte Klagekultur der akademischen Kol-legenschaft in Rechnung stellend – verhältnismäßig gut da. Die deutschen Uni-versitäten bilden trotz Umstellung auf die neuen Formate Bachelor und Master nach wie vor Expertinnen und Experten auf dem Gebiet aus; es gibt zahlreiche Professuren, sodass wir hier in Deutschland eine Situation haben, die keineswegs selbstverständlich ist in Europa. Es existieren universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und die Publikationshäufigkeit übersteigt die Rezepti-onsmöglichkeiten von interessierten Protagonistinnen und Protagonisten aus der

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Praxis bei weitem. Des Weiteren haben sich universitäre Zusatzausbildungen wie z. B. in Magdeburg und Kaiserslautern etabliert und der Bedarf nach Expertinnen und Experten vom Schlage der beziehungsweise des wissenschaftlich ausgebilde-ten (Weiterbildungs-) Praktikerin beziehungsweise Praktikers scheint – stellt man die offiziellen Arbeitslosenstatistiken in Rechnung – nach wie vor hoch zu sein. Getrübt wird diese Tendenz der Akademisierung und Verwissenschaftlichung in Teilen der Berufskultur durch einen verdeckten antiwissenschaftlichen Affekt, der sich in unterkomplexen Theorie-Praxis-Konstruktionen mit technokratischer Ausrichtung und einer gewissen Lustlosigkeit bei der Lektüre wissenschaftlicher Texte ausdrückt. Andererseits gibt es aber auch eine beachtliche Zahl von Prakti-kerinnen und Praktikern, die durch eigene Publikationen am wissenschaftlichen Diskurs aktiv teilnehmen.

Wie sieht es auf der Ebene der Institutionalisierung aus? Die Institutionali-sierung der Erwachsenenbildung ist gesamtgesellschaftlich betrachtet maßgeb-lich durch die Transformation von informeller Bildung in der Lebenspraxis in Maßnahmen der formalen und non-formalen Weiterbildung gekennzeichnet. Die Weiterbildungsbeteiligung ist stabil, sie steigt nur sehr langsam und es gibt trotz ständiger Skandalisierungsbestrebungen keine ernst zu nehmenden Anzeichen, dass der Weiterbildungsmarkt eine arge Rezension zu befürchten hätte. Während im Bereich der Träger der beruflichen Bildung durchaus Insolvenzen zu verbu-chen sind, ist die Lage in der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung, wenn man die notorische Unterfinanzierung des Bildungsbereichs generell in Rechnung stellt, nach wie vor stabil. Von der Schließung ganzer Volkshochschu-len ist jedenfalls höchst selten die Rede. Die Verrechtlichung ist jener Prozessme-chanismus mit dem größten Trägheitsfaktor. Es gibt einerseits in den deutschen Bundesländern verschiedene Bildungsurlaubsgesetze, die allerdings recht spar-sam genutzt werden, sowie andererseits diverse weitere Gesetze, die die Beteili-gung an beruflicher Bildung regeln. Auf nur wenig öffentliche Resonanz ist die an dieser Stelle sehr positiv eingeschätzte Tendenz gestoßen, das Recht auf Wei-terbildung auch in Tarifverträge zu integrieren und überhaupt die Verteilung der Bildungszeit im Lebenslauf zu verändern. Vereinzelt sind von Initiativen in Rich-tung eines bundesweiten Weiterbildungsgesetzes die Rede, aber diese haben nur wenig Aussicht auf Erfolg. Ein in naher Zukunft realisierbarer Quantensprung der Verrechtlichung der Weiterbildung wie in den 1970er Jahren, als in vielen Bun-desländern Weiterbildungsgesetze auf den Weg gebracht wurden, steht jedenfalls nicht unmittelbar bevor.

Zu registrieren ist – so könnte man die Situation pointiert bilanzieren – eine gewisse Konvergenz zwischen einem relativ stabilen Zustand der Akademisierung sowie der Verwissenschaftlichung (Fortbildungen, autodidaktische Aneignung

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von wissenschaftlichem Wissen, Planung und Durchführung von wissenschaft-lichen Untersuchungen) einerseits und einem verlässlichen, aber nur schwer veränderbaren Stand der Verrechtlichung auf mittlerem Niveau andererseits. Im Kontrast dazu kann der Zustand der Verberuflichung als desolat bezeichnet wer-den. Das wiederum trägt dazu bei, dass die Institutionalisierung der Erwachse-nenbildung/Weiterbildung eine „bleierne Zeit“ des Stillstandes erleben muss: Es geht weder deutlich voran, noch können signifikante Rückschritte konstatiert werden. Die Ebene der Verberuflichung muss als Sorgenkind im Prozess der kol-lektiven Professionalisierung betrachtet werden. Im Gegensatz zu den meisten anderen sozialen Welten pädagogischer Berufskulturen hat die Erwachsenenbil-dung keinen Berufsverband vorzuweisen, also kein explizit adressierbares kollek-tives Subjekt der Verberuflichung in Stellung bringen können. Es existiert keine formale Organisation mit dem Mandat, für Teile oder die ganze soziale Welt der Weiterbildungspraktikerin beziehungsweise des Weiterbildungspraktikers zu sprechen. Auch ist aufgrund des eher geringen Organisationsgrades unklar, wel-che der beiden infrage kommenden Gewerkschaften (die GEW oder VERDI) die Belange und die vitalen Interessen der Mehrheit der im Feld der Weiterbildung tätigen Personen mehrheitlich vertritt. Fraglich ist, ob Erwachsenenbildung über-haupt als akademischer Beruf gelten kann. Es wird schon seit vielen Jahrzehnten über die Chancen und Grenzen der Verberuflichung im Feld der Weiterbildung/Erwachsenenbildung debattiert und die Adressierung erfolgt eigentlich immer nur trägerbezogen (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Volkshochschulen, Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter der kirchlichen Erwachsenenbildung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beruflichen Weiterbildung, Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter von Kirchen), ohne dass darüber Klarheit besteht, welche soziale Einheit das berufskulturelle Ganze repräsentiert. Funktionale Äquivalente, die diese Lücke der Vergemeinschaftung und der Assoziierung in einem Interessensverband kom-pensieren können (wie etwa die Ausbildung von Netzwerken), scheinen nicht in Sicht zu sein. Die immer wieder artikulierte Klage über das unvollendete Projekt der Verberuflichung in der Erwachsenenbildung (Faulstich 1996) geht ins Leere, wenn das eigentliche Subjekt der Professionalisierung die bildungspolitische Bühne noch gar nicht betreten hat. Die bisherigen Verberuflichungstendenzen können in der Tat weniger auf das kollektive Handeln der Berufsgruppe selbst zurückgeführt werden als vielmehr auf externe Faktoren wie die Entwicklung neuer Studiengänge oder der politische Wille von Parteien, die sonst gewöhnlich konkurrieren. Das Fehlen eines kollektiven Subjekts der Professionalisierung scheint durch einen übereifrigen akademischen Diskurs kompensiert zu werden, der mehr oder weniger um sich selbst kreist und keinen wirklichen Abnehmer hat.

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Da kein geschütztes Berufsbild existiert, kann sich auch nur schwer oder überhaupt nicht ein über die Grenzen der Organisationen wirksames Wir-Gefühl formieren. Während Berufe wie die Sozialarbeit oder der Lehrerberuf im Alltags-wissen durch entsprechende Plausibilitätsstrukturen fest verankert sind, werden Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner im öffentlichen Bewusstsein kaum wahrgenommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in der medialen Öffent-lichkeit weder prominente Figuren mit einer Vorbildfunktion noch Individuen in Erscheinung treten, die durch ihre Lebensleistungen das Leistungsethos der Berufskultur als ganzen repräsentieren können. So wissen wir, dass Prinzessin Diana Erzieherin war, dass viele prominente Schriftstellerinnen und Schriftsteller (wie Walter Kempowski) früher als Lehrerin beziehungsweise Lehrer gearbeitet haben, ja, dass sogar dieser oder jener bekannte Fußballtrainer früher ebenfalls Lehrer war, aber wir kennen niemanden aus der Erwachsenenbildung mit einem ähnlichen Zuschnitt. Personen gewinnen Prominenz, wenn sie die Weiterbildung verlassen (wie Hilmar Hoffmann oder Bernhard Vogel), aber nicht, wenn sie dort bleiben. Diese unscheinbaren Hinweise im Stile von Anekdoten stellen in ver-dichteter Form verlässliche Indikatoren eines desolaten Zustandes der Verberuf-lichung dar.

Von einer kollektiven Professionalisierung kann man nur dann sprechen, wenn die fünf Prozessmechanismen der Verrechtlichung, Verwissenschaftlichung, Aka-demisierung, Verberuflichung und Institutionalisierung so miteinander interagie-ren, dass die dadurch ausgelöste Dynamik Merkmale einer sozialen Bewegung annehmen, wenn das Anliegen der jeweiligen Berufskultur auch in der Öffentlich-keit Gehör findet, prominente Bündnispartner gewonnen werden und die Gesell-schaft eine gewisse Bereitschaft signalisiert, den jeweiligen zentralen Wert – in diesem Fall: die Bildung des Erwachsenen – in den Verantwortungsbereich und die Obhut der jeweiligen Berufskultur zu legen. Das paradoxe ist, dass sich diese Berufskultur mit einer eigenen Stimme nicht zu artikulieren vermag und Stellver-treter für sie die Stimme erheben.

3.3 Die Spannung zwischen weitem Mandat und enger Lizenz

Das berufliche Mandat bezeichnet den durch die Gesellschaft ratifizierten berufli-chen Auftrag, eine wichtige Leistung für das Gemeinwesen zu erfüllen; die Lizenz tangiert die gesellschaftlich ausgehandelte Erlaubnis, im Beruf dieses tun zu dür-fen und jenes nicht und dafür eine bestimmtes Machtpotenzial zu mobilisieren.

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Das damit verbundene theoretische Konzept stammt von Hughes (Hughes 1994, S. 25), der Folgendes anmerkt:

An occupation consists in part in the implied or explicit license that some people claim and are given to carry certain activities rather different from those of other people and to do so in exchange for money, goods or service. Generally, if the peo-ple in the occupation have any sense of identity and solidarity, they will also claim a mandate to define – not merely for themselves, but for others as well – proper conduct with respect to the matters concerned in their work. They also will seek to define and possibly succeed in defining, not merely proper conduct but even modes of thinking and belief for everyone individually and for the body social and politic with respect to some broad area of life, which they believe to be in their occupatio-nal domain. The license may be merely technical; it may however, extend to broad areas of behavior and thought. It may include a whole style of life, or it may be con-fined to carrying out certain technical activities, which others may not carry out – at least not officially or for a reward. The mandate may be small and narrow, or the contrary.

Das berufliche Mandat und die berufliche Lizenz bilden die Basis für die mora-lische Arbeitsteilung innerhalb einer Gesellschaft, also die implizite Entschei-dungsgrundlage, um manche Berufe als höherwertig und andere als niedrig einzustufen. Der gesellschaftliche Auftrag (das Mandat) und die gesellschaftliche Erlaubnis (die Lizenz) von pädagogischen und nicht-pädagogischen Berufen dür-fen nach Hughes nicht als feste Größen, sondern sollten als sich ständig veränder-bare kulturelle Konstrukte verstanden werden. Konstitutiv für das Verhältnis von Mandat und Lizenz in der Erwachsenenbildung ist ein eklatantes Spannungsver-hältnis, das aus einer eher unterkomplexen Perspektive auch als Diskrepanz zwi-schen Anspruch und Wirklichkeit verhandelt wird.

Die Breite des Mandats ist in Bezug auf die Erwachsenenbildung leicht zu erklären: So geht es in dem Mandat keineswegs darum, organisierte Bildung für Erwachsene als bloße Verwaltungsdienstleistung vorzuhalten, und zwar im Sinne der Erfüllung bestimmter gesetzlicher Vorgaben, also Kurse und andere Veranstaltungen anzubieten und diese durchzuführen. Vielmehr geht es in der Regel immer auch um die Erfüllung weiterer absolut moralischer Zwecke wie etwa – im Falle der Gesundheitsbildung – um die Vermittlung eines öko-logischen Bewusstseins oder den Aufbau einer gesunderen Lebensführung. Die Mitarbeiter in der politischen Bildung verstehen ihr Mandat darin, zur nachhal-tigen Veränderung des politischen Bewusstseins im Kontext einer konsequent demokratischen Erziehung beizutragen. Die Kursleiterin beziehungsweise der Kursleiter einer Sprachschule und der Träger dieser Einrichtung unterwerfen sich dem Mandat, nicht nur Hilfen beim Erlernen einer Fremdsprache zu geben,

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sondern dabei auch interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln und die interna-tionale Verständigung zu forcieren. Seinen Fluchtpunkt finden die partikularen Mandate in der Erwachsenenbildung im Topos der Bildung als eine spezifische Qualität im Verhältnis zwischen Subjekt und Welt und eine damit verbundene Urteilskraft. Das Mandat kann juristisch kodifiziert werden, etwa in Weiterbil-dungsgesetzen; es kann aber ebenso gut in Konzeptpapieren oder Leitbildern festgehalten werden. Keinesfalls auszuschließen, sondern wahrscheinlich ist, dass einzelne Erwachsenenpädagoginnen und -pädagogen ihr Mandat vor dem Hintergrund ihrer Biografie höchst individuell auslegen und definieren.

Die Lizenz, die Erlaubnis Dinge zu tun, die andere nicht tun dürfen, hat im Vergleich zum Mandat einen viel kleineren Zuschnitt. Die keineswegs per se mit einer pädagogischen Ausbildung und einem akademischen Zertifikat verbundene Lizenz in der Erwachsenenbildung überträgt den Praktikerinnen und Praktikern eine Machtbasis, Unterrichtsabläufe zu steuern, in kommunikative Prozesse ein-zugreifen und Diskussionen in Kursen oder Seminaren als Verfahrenswalter zu leiten oder makrodidaktische Aktivitäten (Managen, Planen, Verwalten) auszu-führen. Die Lizenz erstreckt sich aber auch auf die Erlaubnis, Diagnosen über das Kompetenzprofil der Klientel zu erstellen, den objektiven Lernbedarf zu bestim-men und aus dem Reservoir der pädagogischen Kernaktivitäten (Unterrichten, Beraten, Begleiten, Organisieren, Sanktionieren) die für die jeweilige pädagogi-sche Situation notwendige Mischung auszuwählen. Mit der Lizenz ist – wie subtil auch immer – immer der Besitz von schuldhaftem Wissen verbunden: So kennen Erwachsenenpädagoginnen und -pädagogen nicht nur die Stärken, sondern in der Regel auch die Schwächen ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer, insbesondere dann, wenn sie eine längere Interaktionsgeschichte mit ihnen teilen. Sie sind nicht nur die Experten in der Vermittlung von Kompetenzen, sondern auch in der Sondierung von Kompetenzdefiziten. Die von Erwachsenenpädagoginnen und -pädagogen ausgesprochenen negativen Sanktionen sind eher indirekt und wer-den subtil in Anschlag gebracht; sie haben einen moderaten Charakter, was vor allem auf Veranstaltungen zutrifft, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer freiwillig erscheinen. Anders ausgerichtet ist die Lizenz bei Pädagoginnen und Pädagogen, die für Veranstaltungen verantwortlich sind, in denen die Rekrutie-rungsbedingungen durch strikte Verbindlichkeit gekennzeichnet sind und in denen Disziplinprobleme oder das Wegbleiben von der Maßnahme negative Folgen für die Teilnehmer nach sich ziehen. In solchen Fällen hat die Erwachsenenpädago-gin beziehungsweise der Erwachsenenpädagoge durchaus die Erlaubnis, an der Formulierung schmerzhafter Sanktionen beteiligt zu sein, wie etwa das Aussetzen bestimmter Sozialleistungen.

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Im Verhältnis zum eher breit aufgestellten Mandat ist die Lizenz in der Erwachsenenbildung eher schmal ausgelegt. Im Wesentlichen darf er nur das, was andere Erwachsene ihm auf gleicher Augenhöhe zubilligen. Genau umgekehrt verhält es sich beim Beruf des Feuerwehrmannes: Der hat eine eher begrenz-tes Mandat (das Löschen von Feuer), er verfügt dem gegenüber über die breite Lizenz, neben dem Löschen von Bränden auch noch Wasserschäden beheben zu dürfen, Katzen von Bäumen zu holen und auf Volksfesten für die Kinderbetreu-ung sorgen zu dürfen. Berufe, die eine ähnliche Relation zwischen Mandat und Lizenz wie beim Feuerwehrmann haben, scheinen in der Gesellschaft ein deutlich höheres Ansehen zu haben als im umgekehrten Fall. Berufe wie der der Erwach-senenpädagogin beziehungsweise des Erwachsenenpädagogen mit einem weiten Mandat stehen immer in der Gefahr, nicht dem gerecht zu werden, was ihr eigent-liches Mandat vorsieht. In der Erwachsenenbildung produziert das Verhältnis von weitem Mandat und enger Lizenz die Gefahr, hinter den eigenen Ansprüchen her zu laufen, die Theorie-Praxis-Spannung nicht wirklich befriedigend auflösen zu können. Faktisch vermag der Erwachsenenpädagoge nur auf die Sphäre des Leh-rens – die Vermittlung – unmittelbar einwirken können, zur Zone des faktischen Lernens – die Aneignung – allerdings keinen wirklichen Zutritt zu haben. Vom Standpunkt des Common Sense bräuchte der Erwachsenenpädagoge, um eine effektive Erfüllung des Mandats erreichen zu können, auch eine auf die Aneig-nungs- und nicht nur auf die Vermittlungsseite bezogene Gestaltungsmacht. Diese ist sach- und interaktionslogisch nicht möglich. Die Spannung von Mandat und Lizenz darf allerdings nicht unter einer normativen Perspektive als „negativ“ oder „schädlich“ verbucht, sondern muss auch als strukturell angelegtes Element im Arbeitsbündnis zwischen der Zielgruppe und den Pädagoginnen und Pädagogen begriffen werden, das den Erstgenannten erst die Bedingung für die Möglichkeit eines Höchstmaßes an Autonomie verschafft. Die beharrende Kraft entfaltet die Diskrepanz zwischen Mandat und Lizenz nicht deshalb, weil diese Diskrepanz existiert, sondern einzig und allein deshalb, weil die Berufskultur die damit ver-bundene Komplexität in einseitiger Weise reduziert: Es geht eben nicht nur um die bloße Spannung von programmatischem Anspruch und rauer Bildungsrealität. In Wirklichkeit müsste es um die systematische Thematisierung und Bearbeitung multipler Widersprüchlichkeiten gehen: Warum blendet die Berufskultur in ihren Diskursarenen die Macht systematisch aus, obwohl pädagogische Arbeit per se von Macht überformt wird? Warum attestieren Organisationen der Weiterbildung Personen eine Lizenz in der Erwachsenenbildung, die auf der Basis einer nicht vorhandenen fachlichen Ausbildung eigentlich gar keine Lizenz besitzen dürften (wie dies bei sogenannten Seiteneinsteigern die Regel ist)? Warum forciert die

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Berufspraxis die einseitig strategische Ausdehnung des Mandats, aufgrund der Aussicht an mehr finanzielle Projektmittel zu gelangen, obwohl die Akteure über die sichere Gewissheit verfügen, die bei der Bewilligung des Vorhabens formu-lierten Versprechungen nie und nimmer einlösen zu können? Wie kann die fort-laufende Ausbuchstabierung ambitionierter programmatischer Ansprüche in den Zielperspektiven der Weiterbildung einerseits und der Verzicht auf die Artikula-tion eines ebenso ambitionierten Leistungsethos im beruflichen Alltagshandeln andererseits existieren? Die ebenso schonungslose und umsichtige Reflexion der hier in den Blick genommenen Spannung zwischen Lizenz und Mandat wäre der erste Schritt, um die blockierende Wirkung dieses Mechanismus ansatzweise kon-trollieren zu können.

Die Pädagogisierung von politischen Problemen hat letztlich dazu geführt, dass in den letzten 50 Jahren eine beständige Ausdehnung des beruflichen Man-dats in allen Teilen der Erwachsenenbildung zu beobachten war. Genau dies hat dann aber fortlaufende Erwartungsenttäuschungen produziert, auf die dann mit einer erneuten Erweiterung des Mandats reagiert wurde. So kam ein circulus viti-osus zustande. Die Konsequenz ist, dass in aufgeklärten Teilen der Öffentlichkeit pädagogische Interventionen als im Kern nicht mehr seriös eingestuft werden, weil die Schere zwischen den selbst ermächtigten Mandaten und den Ressour-cen zur Erzielung der Leistungen immer größer wurde. Gelungene Formen der Professionalisierung zeichnen sich dadurch aus, dass es der Berufskultur gelingt, die mögliche Veränderung des Mandats auch mit dem Erkämpfen von Zugeständ-nissen auf der Ebene von Geld, Personal und anderen Ressourcen – also auf der Ebene der Lizenz – zu verbinden. Um die These zu wiederholen: Die Spannung zwischen Mandat und Lizenz darf keineswegs sui generis als Hemmnis der Pro-fessionalisierung begriffen werden. Zu einen Hemmschuh avanciert diese Span-nung erst dann, wenn mit ihr unreflektiert umgegangen wird und sie im Gestus der moralischen Klagerhetorik diskutiert wird. In manchen Feldern der Erwach-senenbildung sitzt das Problem insofern tiefer als die dort tätigen Praktikerinnen und Praktiker ihr Mandat noch nicht von der Lizenz unterscheiden können und das Schema – was ist mein Auftrag und was sind die Mittel und Potenziale, um ihn zu realisieren – als nicht wirklich orientierungsrelevant einstufen. Eine ratio-nale Justierung dieses Verhältnisses von Mandat und Lizenz setzt Reflexivität und Distanz gegenüber den eigenen Postulaten voraus, aber genau das beschreibt eine Leerstelle sowohl in den Selbstbeschreibungen der Praxis als auch auf der Ebene des fachwissenschaftlichen Diskurses.

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4 Wo geht die Reise hin? Professionalisierung im pädagogisch organisierten System des lebenslangen Lernens!

Die Liste der Begrenzungen haben wir in diesem Beitrag bewusst kurz gehalten; an einer anderen Stelle sind weitere Limitierungen erörtert worden (Nittel und Dellori 2014). Wir haben uns in diesem Beitrag auf die drei folgenden Faktoren konzentriert: Die Unentschiedenheit in der Systemreferenz und das damit korre-spondierende Phänomen einer extrem schwach ausgebauten kollektiv geteilten beruflichen Identität; die mangelnde Synchronisierung der Prozessmechanismen Verrechtlichung, Verwissenschaftlichung, Akademisierung, Verberuflichung und Institutionalisierung und die damit korrespondierende Leerstelle bei der Loka-lisierung eines „kollektiven Subjekts“ eines den Namen Professionalisierung verdienenden Prozesses und das Missverhältnis von weitem Mandat und enger Lizenz, einschließlich der damit verbundenen Reflexionsprobleme. Zuvor wurde mit Verweis auf drei unbestrittene Autoritäten der Sozial- und Gesellschaftswis-senschaften von einer unkritischen Adaption des Konzepts „Profession“ gewarnt. Die Wissenschaft von der Erwachsenenbildung hat in der Vergangenheit fast immer dazu geneigt, den Rat und die Inspiration der sogenannten Großden-ker sehr ernst zu nehmen. Merkwürdigerweise ist dies in dem hier diskutierten Themenfeld ausgeblieben. Professionen in ihrer genuinen Bedeutung sind an die Existenz der bürgerlichen Kultur gebunden; von der sind aber nur Restbestände übrig. Mit dem Konzept Profession ist zudem die Neigung der Mystifizierung einer Ideologie verbunden, die mit der Wirklichkeit nichts gemein hat. Zudem wird mit diesem Modell auch eine elitäre Abschottung gegenüber anderen Beru-fen gefördert. Anders sieht es mit dem theoretischen Ansatz der sozialen Welt (Nittel 2011) und den Konzepten „Professionalisierung“ und „Professionalität“ aus, die unverzichtbare analytische und normative Anregungen für das tiefere Ver-ständnis von pädagogischer Berufsarbeit liefern (Nittel 2001, 2009, 2013; Nittel und Dellori 2014; Nittel und Schütz 2015; Kemnitz und Nittel 2012). Der Autor dieses Beitrags hat in der Vergangenheit ebenfalls schwerpunktmäßig nach Poten-zialen gesucht, die den Professionalisierungsprozess in der Erwachsenenbildung begünstigen (Nittel 2002, 2003, 2004a, b); das sollte auch weiterhin eine wich-tige Aufgabe der erziehungswissenschaftlichen Berufsforschung sein. Darüber hinaus dürfen aber die hemmenden Faktoren oder gar regressiven Mechanismen in der Professionalisierung nicht ausgeblendet werden. Der Verzicht auf eine sol-che Untersuchungsrichtung käme einem Verzicht auf wissenschaftliche Seriosität gleich.

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Aus der Sicht der komparativen pädagogischen Berufsgruppenforschung (Nittel et al. 2014) drängt sich folgende, vielleicht ein wenig provokante, aber durchaus diskussionswürdige Lesart auf: Die sich nach wie vor stellende Heraus-forderung, erwachsenenpädagogische Arbeit zu professionalisieren, die materi-ellen Entschädigungschancen zu verbessern und die Autonomie der Praktiker zu erhöhen, kann aus dieser Perspektive nicht allein von „der“ Erwachsenenbildung angegangen und bewältigt werden – zumal unklar ist, welches kollektive Subjekt sich eigentlich hinter „der“ Erwachsenenbildung verbirgt. So wie auch die ganz großen Probleme unserer Zeit, so kann auch das mit Sicherheit weniger existen-ziell wichtige Problem der Professionalisierung von pädagogischer Berufsarbeit nur in einem Rahmen bearbeitet werden, der die Komplexität und die Sachlo-gik des Kernproblems wirklich ernst nimmt, dieses aufgreift und in intelligente Strategien überführt. Niemand käme auf die Idee, die Klimakatastrophe nur in einem Erdteil alleine in den Griff zu bekommen. Auch das weltweit dringliche Problem einer gerechteren Verteilung der materiellen Güter und Ressourcen kann nicht von einer Volkswirtschaft alleine, sondern nur im Verbund von Staa-ten mit ähnlicher wirtschaftlicher Potenz gelöst werden. Diese Beispiele mögen genau besehen nicht auf den pädagogischen Bereich übertragbar sein, sie zeigen jedoch die richtige Haltung auf, um erfolgsversprechende Strategien zu ventilie-ren. Separate und isolierte Versuche der Professionalisierung erscheinen nicht mehr zeitgemäß. Die sich abzeichnende Entwicklung eines pädagogisch organi-sierten Systems des lebenslangen Lernens (Nittel et al. 2014) evoziert eine Pro-fessionalisierungsstrategie, welche die Tugend des über den eigenen Tellerrand Schauens konsequent beherzigt und die jeweiligen Kräfte und Ressourcen bün-delt. Es wäre vermessen, der Berufsgruppe der Erwachsenenpädagogen exklusiv das Recht auf die berufliche Verwaltung des lebenslangen Lernens zuzubilligen. Letztlich können das Mandat und die Lizenz der Erwachsenenpädagogin bezie-hungsweise des Erwachsenenpädagogen nicht isoliert vom gesellschaftlichen Auftrag und der beruflichen Erlaubnis anderer pädagogischer Berufsgruppen bestimmt werden. Die über die Jahrzehnte gewachsene Arbeitsteilung zwischen den pädagogischen Berufsgruppen evoziert die Notwendigkeit, die abstrakte Tugend der Perspektivenverschränkung in praktischere Formen der berufskultu-rellen Solidarität zu überführen. Analog zu der Position von Durkheim (Durk-heim 1999), der die Existenz intensiver und neuartiger Formen der Arbeitsteilung an die Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer organischen Solidarität gebun-den hat, käme es darauf an, die Steigerung der objektiven Verzahnung im Erzie-hungs- und Bildungswesen als Chance einer neuen Art von Vergemeinschaftung beim Schopfe zu greifen. Der Schritt erscheint überfällig, in einen intensiveren Austausch mit anderen Berufsgruppen zu treten, und zwar nicht – wie in der

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Vergangenheit meist geschehen – im Modus der Konkurrenz, sondern in dem der Neugier auf das Verbindende und ähnlicher Ziele. Die funktionale Differen-zierung im pädagogisch organisierten System des lebenslangen Lernens macht aus analytischer Perspektive alle sozialen Welten pädagogischer Berufskulturen gleich. Lehrerinnen und Lehrer sind nicht die besseren Pädagoginnen bezie-hungsweise Pädagogen als Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen; Erziehe-rinnen und Erzieher verrichten im Vergleich zu Erwachsenenpädagoginnen und -pädagogen keine subalterne Arbeit, sondern sie dienen einer Praxis, die in der intentionalen Konstruktion und Veränderung von menschlichen Identitätsfor-mationen einen gemeinsamen Fluchtpunkt hat. Die objektive Notwendigkeit zu einem solchen Schulterschluss ergibt sich aus der faktischen Arbeitsteilung der verschiedenen pädagogischen Berufskulturen im Zuge der Humanontogenese. Das Gesellschaftsmitglied verbringt circa 1760.000 h im Erziehungs- und Bil-dungswesen; jedes der Segmente hat an der arbeitsteiligen Gestaltung der Huma-nontogenese einen Anteil. Die Ungewissheit im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, wer von den Organisationen im Bildungs- und Erziehungswesen pro-spektiv den größten Einfluss auf die Konstitution einer Identitätsformation und die Umstellung vom Modus der Vorbereitung auf den der Begleitung hat, bestäti-gen die Maxime einer konsequenten Gleichbehandlung der sozialen Welten päd-agogischer Berufsgruppen. Die funktionale Differenzierung der Teilsysteme ist die Bedingung und die Folge dieser Egalität im pädagogisch organisierten Sys-tem des lebenslangen Lernens (Nittel 2017). Daraus leitet sich berufspolitisch das Postulat ab, nicht nur im beruflichen Alltagsgeschäft, sondern auch auf der Ebene der Professionalisierung zu kooperieren, und zwar im Sinne der Maxime „alleine sind wir schwach, aber im Verbund mit den anderen sind wir stark“. Weitere Tatbestände liefern zusätzliche Begründungen dafür, die Professionali-sierungsstrategien nicht mehr separat, sondern im Verbund zu organisieren. So erfordert die generelle Intensivierung von Kooperationsbeziehungen zwischen den einzelnen Segmenten und das damit einhergehende Übergangsmanagement Formen der Kommunikation, die nicht ad hoc gestaltet werden können, sondern institutionalisierte Orte (gemeinsame Fallkonferenzen, Fortbildungen und Super-vision usw.) verlangen (Schleifenbaum und Walther 2016). Auch zeichnet sich in solchen Feldern wie der Arbeit mit behinderten Menschen, Analphabeten und anderen Zielgruppen eine Hinwendung zur Multiprofessionalität, die Ausdeh-nung innovativer Grauzonen zwischen genuin sozial- und genuin erwachsenen-pädagogischer Berufsarbeit ab. Die erwartbare flächendeckende Einführung der Ganztagsschule wird neue Verbindungen von Schulpädagogik und Sozialarbeit schaffen. So wie die Vorläufer der heutigen Kindermedizinerinnen und -medi-ziner oder Onkologinnen und Onkologen nicht für sich als Subdisziplin, also

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separat einen Professionalisierungsschub erreichen konnten, sondern eben nur als Mitglieder der Gattung der Ärztinnen beziehungsweise Ärzte, so sind die Erwachsenenbildnerinnen und -bildner zuerst einmal Pädagoginnen beziehungs-weise Pädagogen, erst in zweiter Linie Vertreterinnen beziehungsweise Vertreter einer pädagogischen Provinz. Sie sind und bleiben somit auf Fortschritte im Pro-zess der kollektiven Professionalisierung der Pädagogik als solcher angewiesen. Fortschritte in der Verberuflichung der Erwachsenenbildung/Weiterbildung sind folglich nur dann zu erwarten, wenn im gesamten pädagogisch organisierten Sys-tem des lebenslangen Lernens eine Aufwertung von pädagogischer Berufsarbeit stattfindet und belastbare Argumente für die Professionalisierungsbedürftigkeit auch in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert werden, wobei mit Sicherheit nur jene Begründungen tragfähig sind, die an den Common Sense anschlussfähig sind. Die Wissenschaft leistet dazu einen wichtigen Beitrag, aber sie sollte ihre Rolle dabei auch nicht überbewerten und sie sollte ein Bewusstsein ausbilden, dass sie auf ein kollektives Handlungssubjekt als Adressat und nicht nur auf die Repräsentanten von Organisationen angewiesen ist. Sollte es den erziehungswis-senschaftlichen Subdisziplinen mittel- und langfristig gelingen, die misstrauische Lauerstellung zu überwinden, die ihr Verhältnis zu den anderen Subdisziplinen momentan noch prägt, könnte sie in diesem anvisierten Prozess einer Professi-onalisierung auf breiter Front der pädagogischen Berufskulturen vielleicht eine Vorreiterrolle spielen und mit gutem Beispiel vorangehen.

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Über den Autor

Prof. Dr. Dieter Nittel Arbeitsschwerpunkte: Erwachse-nenbildung/Weiterbildung, Theorie und Empirie des lebens-langen Lernens, Professions- und Organisationsforschung, Biografietheorie, pädagogische Gesundheitsforschung.

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Professionalisierung der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Historische Prozesse und strukturelle Herausforderung der Gegenwart

Wiltrud Gieseke

ZusammenfassungDer Artikel beschäftigt sich mit den über die Jahrzehnte zu beobachtenden Veränderungen in der Professionalisierungsausrichtung. Dabei werden drei Phasen unterschieden, in denen relevante Akteure Einzelaspekte der klassi-schen Definition von Professionalität aufgreifen und in die EB/WB einbringen oder Prozesse blockieren. Die neue Marktorientierung stellt dabei eine Her-ausforderung dar, die eher als für andere Bildungsbereiche die professionel-len Anforderungen neu auf die Tagesordnung setzt, um lebenslanges Lernen für die Menschen als Anschlusslernen in einer inhaltlichen Breite flexibel zu ermöglichen.

1 Der Zusammenhang zwischen Marktorientierung und Professionalität

Seit der Jahrhundertwende führt der unter „neue Ökonomisierung“ und „Durch-rationalisierung der Gesellschaft“ firmierende „neue Kapitalismus“ (Boltanski und Chiapello 2006) zu neuen Qualifikationsanforderungen, die mit den Stich-worten Flexibilität, Finanzierungsreduktion, Innnovations- und Kreativitätsfor-derungen beschrieben werden (siehe auch Sennet 2001, 2007). Auch die EB/WB ist wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft davon betroffen und zwar in den

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_3

W. Gieseke (*) Humboldt-Universität-Berlin, Ziegelstraße 13c/Raum 230, 10117 Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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unterschiedlichsten Formaten: über private Marktangebote in beigeordneter Form von Organisationen, die einem anderen Hauptzweck als Bildung folgen (Produk-tions-, Dienstleistungsbetriebe oder Kulturinstitutionen), in zivilgesellschaftlichen Vereinen und in öffentlich Institutionen. Diese Vielfalt entspringt der für die EB/WB in Deutschland geltenden Marktorganisation, dem Subsidiaritätsprinzip und der Pluralität. „Diese drei Prinzipien bedingen einander, denn die feststellbare Pluralität an Angeboten [organisiert in jeweilige Programmstrukturen, W. G.], Anbietern, Finanzierungsformen etc. ergibt sich erst aus dem marktlichen Regu-lationsmodus ebenso wie vermarktlichte Strukturen, die immer auch an der einen oder anderen Stelle Verwerfungen hervorrufen, die durch den Staat als überge-ordnete Ordnungsinstanz zur Wahrung gleicher Lebensverhältnisse aller Bürger subsidiär kompensiert werden (sollen)“ (Dobischat et al. 2015, S. 172). So ist eine Vielzahl an Einzelregelungen entstanden, die Schrader (2011) als Steuerun-gen bezeichnet. Allein die Ländergesetze stellen noch übergeordnete Ankerpunkte der EB/WB dar. Andererseits sind alle Organisationen so eingerichtet, gerade auch die Volkshochschulen und andere z. B. in Niedersachsen nach dem Gesetz finanzierte Vereine und konfessionelle Träger, dass sie sehr rasch auf alle gesell-schaftlichen und betrieblichen Anforderungen reagieren können – wenn sie noch planungsfähige Stäbe haben. So gesehen sind die nach dem Volkshochschultypus arbeitenden Organisationen neben den Betrieben die flexibelsten Institutionen im modernen Sinne. Das zeigte sich z. B. in der Organisation, dem schnellen und fle-xiblen Planungshandeln und der Kursleitergewinnung, z. B. aktuell, um Angebote für geflüchtete Menschen anbieten zu können. Um den neuen Bildungsbedar-fen und -bedürfnissen nachzugehen, stellt sich ein breites Heer von potenziellen Kursleitenden zur Verfügung. Doch auch – oder gerade – hier tauchen erneut die Fragen auf, wie viel pädagogisch professionelles Handeln im Kursleiterbereich notwendig ist, um diese Tätigkeit als freiberufliche/er Tätige/r in den verschiede-nen Sparten leisten zu können und welche Mindestanstellungsverhältnisse anzu-streben sind. Prekarität hat hier ihren Ort.

Die entscheidenden Gretchenfrage zurzeit ist: Gibt es noch eine Idee von einer Professionalität, die sich einer einseitigen ökonomischen Nutzenauslegung mit durchrationalisierten Abläufe entziehen kann und sich auf erwachsenenpädagogi-sche Handlungsanforderungen bezogen auf das Individuum entziehen kann. Was bedeuten die beschriebenen Prozesse des „neuen Kapitalismus“ für eine teilneh-merorientierte Bildungsarbeit?

Mit Bourdieu kann man knapp zusammenfassen: das ökonomische Kapital und das neue betriebswirtschaftlich gestützte und ausgeweitete bürokratische System hat die alten wie auch die sich erst entwickelnden Professionen bereits eingeholt und der Professionalisierung neue Regeln vorgegeben. Interessant daran

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ist, dass die Spielräume und die Zeitmaße für die Arbeit geringer, die Qualifika-tionsanforderungen an die Erwachsenenbildner/innen, was Handlungskompetenz im engeren Sinne sowie die Komplexität des Wissens und die Erschließung von Ressourcen betrifft, jedoch größer werden. Die Professionsdefinitionen passen sich diesen Veränderungen an: die Autonomie der Professionen in der Selbststän-digkeit wird als Einzelinteressenwahrnehmung infrage gestellt, Verbandsgrün-dungen spielen keine Rolle mehr, Standards für Leistungsbewertung hält man dagegen weiterhin für wichtig (vgl. Mieg 2006, S. 343), aber am Nutzenbegriff bzw. den Erträgen orientiert. Hier gibt es noch Interpretationsbedarf (vgl. Fleige und Sgier 2015). Von der damit einhergehenden schleichenden Prekarisierung sind viele akademische Tätigkeitsfelder betroffen, Mindestlohn kann keine Ant-wort darauf sein. Im Entstehungsprozess war das Konzept von Professionalität als ein Ausgleich für leistungsstarke Gruppen, die im Interesse aller Bürger in der Gesellschaft arbeiten, als Gegengewicht zur Macht des ökonomischen Kapi-tals eingebunden sowie etabliert, um den demokratischen Ansprüchen der Men-schen an ein gelungenes Leben über Gesundheit, Recht und Bildung Geltung zukommen zu lassen und gesellschaftliche Macht zu balancieren. Der Dienst-leistungsdiskurs verweist jedoch in die gegenteilige Richtung. Es gibt auch eine Entwicklung im Rückschritt; hier kommt es auf den Maßstab an. Die hierfür gel-tenden globalen Bedingungen in anderen Regionen können, wenn nicht komple-xer für Bildung argumentiert wird, für Europa ziemlich niedrig gesetzt werden.

2 Zeitgeschichtliche Entwicklung der Professionalisierungsdiskussion für die Erwachsenenbildung/Weiterbildung

Interessant ist, dass diejenigen, die die beschriebenen Spannungen und Wider-sprüche ansprechen und neue Begriffsentwicklungen vorgeschlagen haben, dennoch weiter am Professionalisierungsbegriff festhalten. So wird von „Semi-professionellen“ oder „Protoprofessionellen“ und „mixed professions“ gespro-chen (vgl. Helsper und Tippelt 2011). Um alle pädagogisch Tätigen erst einmal unter einem Dach („Einheit in Differenz“ wäre hier das Stichwort) zu sammeln und von dort neu zu argumentieren, wird von „sozialen Welten“ gesprochen (vgl. Helsper und Tippelt 2011).

Es lassen sich für die EB/WB im Folgenden fünf Phasen unterscheiden, in denen spezifische Veränderungen, Reaktionen, Entwicklungen, was Forschung, Organisationsformen, Bildungspolitik und Strukturbildungen betrifft, sicht-bar werden. Dabei suche ich eher nach weiterführenden Anschlussstellen in

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der professionellen Entwicklung als dass ich eine historische Chronologie im eigentlichen Sinne entwickle.

Schulenberg gab den Anstoß, über Professionalisierung in der EB/WB zu spre-chen (Schulenberg 1957; Strzelewicz et al. 1966; Schulenberg et al. 1979; dazu das KGST-Gutachten, die Volkshochschule 1973 und das niedersächsische Gesetz für Erwachsenenbildung) und diese Ergebnisse in den gesellschaftspolitischen Prozess einzubringen, wo sie auch genutzt wurden. Schulenberg erwartete:

Die Erwachsenenbildung wird ihre öffentlichen Funktionen deutlicher artikulieren können und ihrer auch deutlicher bewusst bleiben. Sie wird gegenüber dem Staat ihre Selbständigkeit stärker betonen und bewahren können. Die verschiedenen Gruppen innerhalb der Erwachsenenbildung, … eine gemeinsame Basis finden, wenn es bestimmte Normen und Verpflichtungen der wissenschaftlichen Profes-sionen gibt, an die sich alle …. gebunden fühlen […] und nicht zuletzt wird die Erwachsenenbildung in einem anderen Maße auch auf die Ausbildung ihres eigenen Nachwuchses Einfluss gewinnen können […] (Schulenberg et al. 1972, S. 18)

Vieles hat sich so, wie es Schulenberg in den 1970er Jahren beschreibt, entwi-ckelt. Man kann eine Vielfalt beobachten, um die Professionalisierung für den Bildungsbereich voranzutreiben:

I. Professionalisierung ist eine Folgewirkung von Verwissenschaftlichung aller Tätigkeiten in dem jeweiligen Feld, hier die Weiterbildung, um sie mit einer ent-sprechenden Profilbildung zu unterstützen (vgl. Schulenberg 1968; Schulenberg et al. 1972; Hesse 1968; Parsons 1968; Hartmann und Hartmann 1982, etc.),

II. Professionalisierung zielt auf gesellschaftliche Positionsgewinnung zur Siche-rung von Interpretationseinfluss und -dominanz für bestimmte Handlungsfel-der (vgl. Pfadenhauer 2005; Forneck 2004; Stichweh 2004; Mieg 2006; Wilke 1998, etc.),

III. Professionalisierung zielt darauf ab, berufliche Kompetenz auf wissen-schaftlicher Basis und Handlungsautonomie zu gewinnen, die eingebunden sind in ethische Verpflichtungen gegenüber dem jeweiligen Klientel, um den Ansprüchen bei den Trägern und den Märkten jeweils aufgabenspezifische auf das Subjekt bezogene Standards entgegen zu halten (vgl. Schüßler und Egetenmeyer 2012; Gieseke und Nittel 2014; Schmidt-Lauff und Gieseke 2014; Egetenmeyer und Käpplinger 2011, etc.).

Professionalität, so die Diskussion außerhalb der Bildung, ist ohne dauerhafte Inte-gration in eine Organisation möglich. Die Selbstständigkeit der Professionellen, die eine personenbezogene Beratung, Behandlung oder Heilung umfasst, ist eher bis heute die Regel. Umso wichtiger ist selbstverantwortliches Handeln im Beruf.

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Für die EB/WB bedeutet Professionalität die Fähigkeit, unter einer Leitauf-gabe auf hohem wissenschaftlichem und theoretischem Niveau komplexe Anfor-derungen zu lösen, die sich jeweils speziell auf den Menschen beziehen. Die EB/WB geht nicht von einem durchgeplanten Ablauf aus, sondern verlangt das Identifizieren, Interpretieren und Aushandeln von Bedarfen und Bedürfnissen, um spezielle Aufgaben auf der Planungsebene der Programme, der Organisati-onen sowie für die Lehr-Lerneinheiten das Überarbeiten von Deutungen und die Einordnung von neuem Wissen in biografische Kontexte zu bearbeiten. Entwick-lungen beratend zu unterstützen, aber in individueller Verantwortung zu belas-sen – das ist die Antwort auf die pädagogische Komplexität. Professionalität ist dann – ebenso ganz im Sinne des Lebenslangen Lernens – kein Zustand, der erreicht werden kann, sondern „eine flüchtige jedes Mal aufs Neue herzustel-lende berufliche Leistung“ (Nittel 2000, S. 85). Nicht umsonst gibt es für Ärz-tinnen und Ärzte der verschiedenen Teildisziplinen eine Weiterbildungspflicht und es gelten für die Gesundheitsberufe Weiterbildungen mit Zertifizierungsan-spruch als Voraussetzungen für eine Selbstständigkeit (vgl. Käpplinger 2007).

Erste Phase: Konstruktion einer ProfessionsentwicklungZu Beginn des letzten Jahrhunderts, nicht erst mit dem Ausrufen der neuen Rich-tung des Lernens von Erwachsenen und dem Konzept der Arbeitsgemeinschaft, wurde auf die Spezifik der Erwachsenenbildung neben der regulär verpflichten-den Schulbildung und der Hochschulbildung eingegangen. Diese Entwicklungen resultierten nicht nur aus den Vorläufern der Universitätsausdehnungsbewegungen in ganz Europa. Professionelle Ansprüche äußerten sich besonders in der Wei-marer Republik, eingeleitet durch eine preußische Verordnung, weiter durch die Theoriearbeit des Hohenrother Bundes, den Begleitungskonzepten und der Ent-wicklung erster Statistiken an einigen Volkshochschulen (besonders Leipzig), die konzeptionelle Entwicklung des spezifischen Charakters der Neutralität der Volks-hochschule und die spezifischen didaktischen Modellen einzelner Vertreter sowie durch die Konzepte für die Fortbildung der Dozierenden und den Konzepten für eine Institution zur Volksforschung (siehe dazu Olbrich 2001). Die Grundlagen der Erwachsenenbildung wurden eng mit der Demokratieentwicklung verknüpft. Der Grund lag auf der Hand. Man fürchtete zu Beginn der Weimarer Republik, dass die Bildung der sogenannten „niedrigen Schichten“ für das allgemeine und gleiche Wahlrecht nicht ausreichte. Über volksbezogene, schichtenübergreifende Arbeitsgemeinschaften sollte der gesellschaftliche Zusammenhalt erreicht wer-den. Durch Bildung bzw. die Partizipation daran sollte ein gesellschaftlicher Ausgleich hergestellt werden. Entsprechende Beteiligungen gab es aus den ver-schiedenen gesellschaftlichen Schichten unterschiedlicher Interessen und auch aus

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einigen Universitäten. Daran wurde nach der Nazidiktatur und dem 2. Weltkrieg in den 1950er Jahren neben der Aufnahme eines Reeducationsprogramm der Sie-germächte angeknüpft.

Wir halten in diesem Zusammenhang als These fest: Wenn Demokratie die Beteiligung aller an gesellschaftlicher Wohlfahrt und individuellen Rechten ist und dieses nicht nur in den freien und gleichen Wahlen ihren Ausdruck findet, sondern ebenso in der eigenen Gesundheitsvorsorge, einem unabhängigen Recht und in dem Recht auf Partizipation an Bildung und Qualifizierung über die Lebensspanne, dann sind gesellschaftliche Strukturen und Bedingungen zu schaf-fen, die das ermöglichen. Professionalisierung des Personals verspricht, unabhän-gig von den Einflüssen Dritter, eine solche Sicherung in diesen Bereichen. Dort, wo diese essenzielle Größe für demokratische Gesellschaften nicht gesichert ist, also der Gleichheitsgrundsatz in den grundsätzlichen Lebensbedingungen verletzt wird, spaltet sich die Gesellschaft und verändert den Charakter von Demokratie.

Die EB/WB steht erst am Anfang dieser Phase. Sie hat gegenwärtig trotz stei-gender Teilnehmendenzahlen noch keine zufriedenstellende professionelle Ent-wicklung genommen. Wesentlich dafür ist die noch nicht ausreichende Ausbildung der in diesem Bereich Tätigen, ob frei- oder hauptberuflich. Besonders hinderlich ist die zu geringe trägerübergreifende Zusammenarbeit unter professionellem Fokus. Zudem argumentieren Teile einer ganzen Generation von Erwachsenen-bildner/inne/n, neben anderen am Professionalisierungsdiskurs beteiligten Akteu-rinnen und Akteuren, die EB/WB sollte gerade nicht professionalisiert werden.

Hier zeigt sich, dass der Professionalisierungsdiskurs in der Bundesrepublik keine geradlinigen Wege nimmt.

Zweite Phase: Pädagogische Qualifizierung bei offenem BerufszugangEnde der 1950er sowie in den 1960er und 1970er Jahre entwickelte sich nach der Reaktivierung der Ansätze aus der Weimarer Republik durch die Gründung der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschulverbandes (PAS, heute Deutsches Institut für Erwachsenenbildung [DIE]) und der dort entwi-ckelten didaktischen Materialien und Begriffsbildungen über die Arbeitshilfen erweiterte konzeptionelle und theoretische Diskurse in den eigenen Veröffentli-chungsreihen sowie eine eigene Struktur für eine Berufsentwicklung durch Pro-jekte und Begleitforschungen. Gesetzesbildung in den einzelnen Bundesländern, Studiengangentwicklungen und Hilfen für die Kursleiterfortbildung stützten diese Prozesse. All diese Ansätze wurden bei anderen Trägern adaptiert und erbrachten eine strukturelle Angleichung (vgl. Fleige und Seiverth 2014). Qualifikatorisch wurde im Zuge dieses Prozesses sowohl für haupt- als auch unabhängig davon für nebenberuflich Tätige Selbststudienmaterialien entwickelt, in der Nutzung

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begleitet und evaluiert. Dieses wurde nicht nur in der Praxis, sondern auch in den zu dieser Zeit beginnenden Studiengängen mit einer Schwerpunktbildung EB/WB genutzt, was auch für die Nachfolgeprodukte „Studientexte“ vom DIE und in Zukunft für die „Lehrbücher“ gilt.

Eine besondere Bedeutung bezüglich einer Professionalisierung der in der EB/WB Tätigen hatten die Falkensteinseminare für die Berufseinsteiger/innen in den Volkshochschulen. Diese machten systematisch und theoretisch mit der Institu-tion vertraut. Neben dem Wissensinput und den Diskussionsmöglichkeiten wurde besonders der sozialisatorische Effekt betont. Dieser Aspekt wurde für die meis-ten das, was heute unter Vernetzung, Vertrauen, Anerkennung und Kooperation diskutiert wird. Es war die gemeinsame Zeit (vgl. Schmidt-Lauff 2008) im inhalt-lichen Diskurs, die in Klausurform (vier Mal eine Woche über ein ganzes Jahr verteilt) ergänzt durch Zwischenkonferenzen verbracht wurde. Heute würde dies als wichtig investierte Zeit für Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit legitimiert wer-den.1 Zum Teil blieben solche Verbindungen für Austausch und Unterstützung bis in die Gegenwart erhalten. Doch der Verband bremste dies aus. Man argumen-tierte damit, zu wenig Zeit dafür zu haben, es bliebe zu viel Arbeit liegen. Die Gründe lagen aber eher darin, dass die Neueingestellten neues Wissen erwarben, sich austauschten und argumentierten, um Neues zu versuchen und nicht allein institutionell einsozialisiert zu werden.

Bis in die Gegenwart hinein blieb der Berufszugang für eine Tätigkeit in der EB/WB eher offen, qualifiziert wurde im Zuge einer verbandlichen Sozialisation (vgl. Gieseke 1989).2 Dieses wurde mit der Vielfalt der Anforderung begründet, faktisch wollte man aber die Struktur offen halten, also fluide belassen, sich nicht festlegen. Der Emanzipationsbegriff wurde gegen den Professionsbegriff gesetzt. Die EB/WB wurde sowohl von den eher freien linken Flügeln als auch von den rechten Flügeln als Behinderung eingestuft. Dieser Bewegungsgedanke lebte noch weiter. Zwar setzte man sich für Fortbildungen ein, auch Studiengangent-wicklungen wurden nicht abgelehnt, aber insgesamt war die Gesellschaft noch nicht bereit für eine Vorstellung lebensbegleitendes Lernen und eine unterstüt-zende Professionalisierung.

1Heute wird die Qualifizierung und Bildung eher nebengeschaltet zur Arbeit, kurz z. B. per Vortrag gehalten, allenfalls eintägig angeboten. Es geht darum, eher keine oder geringe Zeit für Bildung einzubringen, nur flüchtig darüber zu gehen als etwas zu verarbeiten.2Merkwürdigerweise wurde diese den Sozialisationsprozess verfolgende Untersuchung als Professionsstudie bezeichnet und nicht aus einem Sozialisationskontext heraus gesehen. Bourdieu war für viele offensichtlich noch nicht zur Kenntnis genommen worden. Wohl aber sollte diese Studie die Einleitung bzw. den Ausgangspunkt für einen Professionalisie-rungsprozess markieren.

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Dritte Phase: Rückzug von Professionalisierungsansprüchen und Dekonst-ruktion von ProfessionSpätestens seit den 1980er Jahren, beginnend Ende der 1970er Jahre zeigten sich Deprofessionalisierungsforderungen, besonders in der soziologischen und Teilen der erwachsenenpädagogischen Literatur. Der Diskurs um Entschulung wurde in der Erwachsenenbildung gerade von denjenigen geführt, die sich als besondere Verteidiger der DDR hervortaten und dabei übersahen, dass dort Forschung und Strukturentwicklung weiter vorangeschritten waren (vgl. z. B. Löwe 1970; Harke 1966). Besonders die Untersuchungen zur Lernfähigkeit und zur Bedeutung von Arbeit als Kategorie für Anschlusslernen spielten hier eine Rolle und wurden vor allem in der alten BRD rezipiert. In der DDR waren eher der Betrieb und die Partei der Maßstab aller Dinge. Aber auch hier wurde die sehr erfolgreiche For-schung in diesem Feld eingestellt.

Es bildete sich in der alten BRD eine Entwicklung heraus, die auf individu-elle Emanzipation bzw. Individualisierung setzte. Gleichzeitig zeigten sich Ent-wicklungen, die auf Statuskritik im Sinne der Professionalisierung abhob. Dieses Gegengewicht gegen ökonomische Interessen war jedoch noch nicht im Blick von den Erwachsenenbildner/inne/n jeder Couleur. Man wollte Teilnehmende für die EB/WB gewinnen, nahm aber gleichzeitig Professionalisierungsansprü-che zurück, und zwar nicht, weil man es – was in heutigen Begründungen oft durchscheint – nicht für realistisch hielt, sondern, weil man es nicht für erstre-benswert hielt. Auch das Menschbild spielte dabei eine Rolle. Was die Deprofes-sionalisierung betrifft, drängten neue ergänzende Berufe in das Feld der EB/WB, ebenso wie in klassische Professionen, sodass sich insgesamt die Strukturen erst einmal ausdifferenzierten. In diesem Zusammenhang lassen sich Entwicklungen beschreiben, die auf der wissenschaftlichen und demokratietheoretischen Ebene nicht mehr nur mit der These der Entgrenzung der Tätigkeiten im offenen demo-kratischen Verständnis arbeiteten, sondern sich auch mit der Herausforderung ver-banden, interdisziplinär zu denken.3

1. Entgrenzung meinte jetzt auch Machtkämpfe um die Interpretationshoheit ver-schiedener Disziplinen bei bestimmten Problemlagen (siehe I. Professionali-sierungsdefinition weiter oben).

2. Gleichzeitig ging es um Auflösung bestimmter Hierarchievorstellungen bei der Betrachtung und der Entscheidungskompetenz bezüglich der zu bearbeitenden

3Die folgenden Abschnitte sind überarbeitete Textteile meines Beitrages in Justen und Mölders (2015).

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Probleme (Abbau von Status und Position) (siehe II. Professionalisierungsde-finition weiter oben).

3. Im bildungswissenschaftlichen Kontext war für die EB/WB die Entschulungs-debatte dominant. Pädagogisches Handeln wurde diskreditiert, Trägereinflüsse und -interessen bei der Kritik, die ihre Rolle und Macht bzw. Gestaltungs-kraft betrifft, übergangen. Die Verberuflichung zur Professionalisierung wurde gestoppt, d. h. die Position der III. Professionalisierungsdefinition (siehe wei-ter oben) konnte sich gesellschaftlich nicht stabilisieren.

Faktisch zerbrach in den 1980er Jahren ein Konsens dadurch, dass die CDU/CSU/FDP-Mehrheit das Marktprinzip im öffentlichen Sektor einführte, den Anspruch der Daseinsfürsorge aufgab und nach anderen sogenannten „projekt- und nachfrageorientierten“ Förderungsstrategien für die Weiterbildung gesucht wurde (z. B. andere Ministerien und EU-Förderung). D. h. dass sich nicht allein ein Markt über Nachfrage durch teilnahmeinteressierte „Kundinnen und Kunden“ entwickelte, sondern, dass sich die Finanzierungsstrategien auf bildungspoliti-sche Teilziele fokussierten, die über Projektfinanzierung gesteuert wurden (z. B. gegenwärtig Alphabetisierung, Integrationskonzepte, Inklusionskonzepte, Sozial-raumkonzepte, Migration, Flüchtlinge etc.).

Schrader interpretiert diese Entwicklung wie folgt:

Für die möglichen Wirkungen der hier betrachteten Modernisierungsstrategie ist es von Bedeutung, dass die rechtlichen Reglementierungen aus der Reformphase weitgehend erhalten blieben, also weder ausgeweitet noch zurückgenommen wur-den, sich der Staat jedoch aus der direkten, d. h. bildungspolitisch motivierten För-derung der Weiterbildung bald wieder zurückzog, nachdem er sie zunächst deutlich ausgeweitet hatte. Gleichzeitig flossen jedoch umfangreiche Mittel aus den Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialressorts, vor allem aus der Bundesanstalt für Arbeit, in die Weiterbildung, die ihre Zielsetzungen und Mittel vielfach änderten (für Hessen vgl. Schemmann und Seitter 2013, S. 47 ff.; für Nordrhein-Westfalen vgl. Deutsches Ins-titut für Erwachsenenbildung 2011, S. 24 ff.) (Schrader 2011, S. 45).

Vierte Phase: Marktorientierung unter neuen EffizienzgesichtspunktenMit der bildungspolitischen, gesellschaftlichen Fokussierung auf eine stärkere Marktorientierung mit rhizomartigem Wachstum4 (vgl. Deleuze und Guattari

4Das rhizomartige Wachstum ist für alle Programm- und Themenbereiche der Weiterbil-dung anzunehmen, gilt aber nach unseren programmanalytischen Auswertungen vor allem auch für die berufliche Weiterbildung und dem Netz an kommerziellen Anbietern (vgl. Gieseke et al. 2011).

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1977; Deleuze 2010) von Weiterbildungsorganisationen (vgl. Enoch und Gieseke 2011) ist für die Erwachsenenbildung und die berufliche Weiterbildung die Not-wendigkeit und Nachfrage nach betriebswirtschaftlichem Wissen in den 1990er Jahren für die Leitung und Administration von Einrichtungen nach vorne getreten (vgl. z. B. Meisel 1994, 2016; Dollhausen 2008 aus dem DIE). Die Organisati-onen mussten sich von nun an auf dem Markt präsentieren und behaupten, d. h. zum einen Marketing, Controlling, Rationalisierung, Qualitätssicherung, etc. ver-änderten die Perspektive der Erwachsenenbildungs-/Weiterbildungsinstitutionen und -organisationen. Zum anderen waren zeitgeistbezogene, aber auch politische Nachfragen, über die nur die Finanzierung zu sichern ist, in Bildungskonzepte und Programme zu gießen.

Auf der Wissenschaftsseite wurde die Marktentwicklung mit einer Programm- und Institutionenforschung beantwortet, um die veränderten Gestaltungsbedingun-gen mit ihren Folgen für die Bildungs- und Qualifikationsprofile zu erschließen, zu analysieren und wieder für den Transfer zurück in die Praxis vorzubereiten (vgl. Käpplinger 2007, 2008; Gieseke 2003, 2005; Gieseke et al. 2005; Nolda et al. 1998; Schäffter 2001, 2003; ein Arbeitsbereich „Programme und Beteiligung“ am DIE wird seit 2014 neu aufgebaut). Zusammenhänge und Grenzziehungen bzw. Abstufungen zwischen Programmplanung und Bildungsmanagement (vgl. Gieseke 2000; Gieseke und Gorecki 2000; Gieseke und Robak 2004; Robak 2004) fungier-ten als ein neuralgischer Punkt. Diese um 2000 herum entstandene Untersuchungs-richtung kümmert sich um die Vernetzungen zwischen den Organisationen und den Abstimmungen untereinander als Ausdruck von Angleichungshandeln. Dabei sind ebenso Spannungsfelder (vgl. Gieseke und Opelt 2002; Fleige 2011; Worf 2012) bzw. „Widerspruchskonstellationen“ (von Hippel 2013) professionellen Handelns zwischen Planenden, Trägern und der Bildungspolitik zu beobachten. So lassen sich selbstverständlich bzw. konstitutiv auch in der betrieblichen Weiterbildung (vgl. von Hippel 2016; von Hippel und Röbel 2016), in der Frauen- bzw. Gen-derbildung sowie für die Beratung Unterstützungsprogramme ausmachen (vgl. Schiersmann 2008; Schlüter 2014), die auch auf Ambivalenzen reagieren (siehe auch Weber et al. 2013; Käpplinger 2015). Interessant ist, dass die widersprüchli-che Einbindung in die Personalpolitik auch von den subjektiven Vorlieben der dort zuständigen Managerinnen und Manager abhängt (vgl. Heuer 2010).

Für die Professionalisierung und die aktuell zu handhabende Professionalität muss man also festhalten: Die Auseinandersetzung um Professionalisierung ver-engte sich, aber gleichzeitig entgrenzte sie sich noch einmal. Das rhizomartige Wachstum des Weiterbildungsmarktes formierte sich zu einer neuen Unübersicht-lichkeit bei gleichzeitig durchrationalisierten Datenlagen über Monitoring, was die Teilnehmenden betrifft. Objektivierung und Subjektivierung gehen theoretisch

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unter dem Neoliberalismus heute eine noch genauer zu beschreibende Verbindung ein. Entsprechend ist Professionalisierung gegenwärtig kein Begriff mehr, da er auf Entwicklung zielt (im Sinne der III. Professionalisierungsdefinition). Pro-fession hat sich vermeintlich überlebt und professionell ist jetzt alles, was glatt, schnell und reibungslos läuft und gelöst wird. Damit hat sich der Professionali-tätsbegriff zu einem „Allerweltsbegriff“ verändert (vgl. Gieseke 2016a). Die zu stellenden Fragen sind einerseits, ob die Bedarfe mit diesen Strategien tatsäch-lich besser und flexibler gedeckt werden, und andererseits, welches Personal hier-bei mit welchem Kompetenzprofil und mit welcher Unterstützung zur Verfügung steht (siehe auch Gieseke 2016b).

Fünfte Phase: Reorganisation von wissenschaftlichen und ethischen Ansprü-chenBezogen auf das rhizomartige Wachstum in alle Richtungen ab den 1990er Jah-ren antworten die gesellschaftspolitischen Aktivitäten mit einem Governance- und Vernetzungskonzept, um zwischen den Organisationen neue Strukturen zu bilden, um wiederum den neuen Markt über Weiterbildungsberatung zugängig zu machen (vgl. Arnold et al. 2009). Gleichzeitig ist die Wissenschaft zu mehr Forschung über pädagogisches Handeln aufgefordert (siehe dazu Tippelt und von Hippel 2010; von Hippel 2011; Schäffer und Dörner 2012; Zeuner und Faulstich 2009). Wieder neu aus dem internationalen Diskurs der 1970er Jahre entdeckt wird das normative Konzept LLL und ebenso die Verbindungen und Übergänge zwischen den pädagogischen aufeinander aufbauenden Handlungsfeldern über die Lebensspanne (vgl. Nittel et al. 2011). Alle größeren Entwicklungen benöti-gen also mehrere Durchgänge, bis sie zum Erfolg gelangen.

Um die Prozesse zu analysieren, steigen forschungsmethodische Anforderun-gen, da eine Ursache-Wirkungsbetrachtung in Analysen zum Wechselwirkungs-verhältnis zu übersetzen ist. Wir wären dann bei der anstehenden Forschung zum „Dazwischen“ und einer „Wechselseitigkeit“. Theorien des Konstruktivismus helfen hier nur für die subjektiven Einstiegsbedingungen in Lernprozesse wei-ter, nicht aber für die Bedingungen von Vermittlung und Entwicklung von dif-ferenziertem Wissen und neuen erweiterten Kompetenzen und auch nicht, wenn es um Angebotsentwicklung, Programme und Projekte geht. Wissenschaftliche Befunde, die stärker den Prozesscharakter, die Wechselseitigkeit von Einflüssen herausstellen, so die Zusammenhänge zwischen Kognition–Emotion–Körper-lichkeit (Gieseke 2016c; Arnold 2005; Fuchs 2008) sowie die gesellschaftliche Einwirkung auf die Habitusentwicklung des Individuums und die Biografieent-wicklung, die nach Schlüter (2013) den Eigensinn der Subjekte offen legt (siehe dazu auch Herzberg 2004; von Felden 2004; Dausien 1996; Alheit 2010),

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erweitern die Perspektiven (und verweisen neu auf die oben formulierte III. Professionalisierungsanforderung). Migrationsfragen verschärfen hierzu die Anforderungen. Neue Forschungsaufmerksamkeit benötigen zudem die Lernsitu-ationen selbst (Fallstudien). Interessant ist dabei, wie das Programmplanungshan-deln hier nicht nur über die Kursleiterwahl steuernd wirkt.

Für die aktuellen Zertifizierungsprozesse des Europäischen bzw. Deutschen Qualifikationsrahmens (EQR/DQR) lohnt es sich, die Veröffentlichungen von Schulenberg (1968) näher zu betrachten, weil hier, trotz der großen historischen Spanne, Parallelen liegen (vgl. Käpplinger 2008). Dies hat auch Tietgens (ehe-maliger Direktor der PAS-DVV) für den Strukturplan Weiterbildung in Anschluss an Schulenberg für das Bildungsrat-Gutachten weiter verfolgt. Diskutiert wird im europäischen Kontext zudem ein sektoraler Qualifikationsrahmen für die Wei-terbildung (SQR-WB), wo Kernkompetenzen für Lehrende ausgewiesen werden (vgl. Lattke und Strauch 2011), sowie ein trägerübergreifendes Anerkennungssys-tem für die lehrend in der EB/WB Tätigen, für die ein Modell mit grundlegenden erwachsenenpädagogischen Kompetenzen entwickelt wird (siehe aktuelles Pro-jekt am DIE „GRETA“).

Aktuell könnte man sagen, in dieser fünften Phase stehen wir vor zwei Ent-wicklungsalternativen.

1. Die Zunahme an wissenschaftlichem Wissen (I. Professionalisierungsdefi-nition) hat zu einer Ausweitung von Berufen mit einer wissenschaftlichen Grundlegung geführt und über Qualitätsstandards sowie in der Bildungsbe-ratung werden zum Teil hohe Anforderungen an eine Klientenorientierung gestellt (III. Professionalisierungsdefinition). Aber professionalisierte Berufe sind teuer in einer Gesellschaft, die spätestens seit den 1990er Jahren von Durchrationalisierung, Effizienzfokussierung und Ökonomisierung geprägt ist. Nicht nur in der EB/WB geht es darum, Kosten zu minimieren. D. h. Tätig-keiten werden rationalisiert und verdichtet, also deprofessionalisiert und durch Muster, Schablonen, Rezeptologien als vorgegebenes Handeln ersetzt (siehe z. B. bei der BA in der Angelegenheit Bildungsberatung).

2. Das Administrieren und Organisieren, d. h. die Managementaufgaben als Leitungsaufgaben, werden nach Finanzierungsquellen ausgerichtet, das päd-agogische Planen und Intervenieren zielt auf Reduzieren durch vorgegebene Handlungsstandards, in denen aber sehr wohl wissenschaftliches Wissen ein-gehen soll. Die Handlungsspielräume der Akteurinnen und Akteure und ihre Interpretationskompetenz werden jedoch vermeintlich nicht mehr benötigt, da man von einer Steuerung (das Bild des Menschen als Maschine) auf der Basis verobjektivierter Daten ausgeht. Dies entspricht nicht dem Forschungsstand

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über die Bedingungen menschlicher Lernfreude und der Entwicklung von selbstverantwortlicher Kreativität, von der eine Gesellschaft lebt.

3. Für Berufe in der EB/WB, aber nicht nur im pädagogischen Feld, zeigen sich unter Professionsanspruch Antinomien und Widerspruchskonstellationen (Paradoxien) (vgl. von Hippel 2013; siehe auch Helsper 2002; Helsper und Tippelt 2011), die mehr reflexive Beachtung verlangen, wenn der Qualitäts-anspruch nicht nur im betriebswirtschaftlichen Sinne gilt. Mit dieser Argu-mentation wird theoretisch und empirisch der Spielraum für professionelle Autonomie in der Gestaltung für situatives, professionell zu verantwortendes Handeln erhöht, ja notwendig, um qualifikationstheoretisch gute situations- und subjektangemessene Arbeit leisten zu können (jeder wird gleich, aber individuell behandelt). Das setzt voraus, dass ausreichende Forschungsbe-funde und grundlagentheoretische Kenntnisse über pädagogisches Handeln bei den Professionsvertreter/innen vorhanden sind (stärkt die III. Professionalisie-rungsdefinition).

3 Aktuelle Bedingungen

Wir stehen jetzt vor der Situation, dass, hervorgehend aus dem frühen Professi-onalisierungsdiskurs, die Zunahme wissenschaftlichen Wissens und damit auch die Zunahme pädagogischer Berufe über die Lebensspanne angehalten hat. Damit einher geht aber nicht die bessere, autonomere Positionierung im Feld, denn in den aktuellen Diskussionen (siehe auch II. Professionalisierungsdefinition) feh-len in den Definitionen als Kriterien der gesellschaftliche zentrale Wert einer Aufgabe, ethische Kriterien und die Bedeutung eines Berufsverbandes. An deren Stelle treten Leistungsbewertungen und Standardisierung (vgl. Meuser 2005; Pfadenhauer 2005; Langer 2005). Im Blick ist nicht mehr die Orientierung des professionell Handelnden auf den Menschen als zentrale Herausforderung und vornehmlicher Bezugspunkt in der Leistungsbewertung. Professionelles Handeln und eine Orientierung am Prozess ökonomischer Rationalität verbinden sich neu (vgl. Dollhausen 2008). Beobachtbar ist darüber hinaus, dass Steuerungsprozesse im Zuge Lebenslangen Lernens nicht nur die Entscheidungsspielräume der Pro-fessionellen einengen, sondern auch, dass Zurichtungsbedingungen trotz differen-ziertem Wissens auf die Klient/inn/en/Teilnehmenden zukommen (vgl. Helsper und Tippelt 2011 „Protoprofessionelle“).

Ebenso gilt aber, dass paradoxerweise gerade auch über die Verbesserung des Grundlagenwissens und der Forschung sowie über die aktuelle Zunahme des Fortbildungsinteresses (siehe Weiterbildungsakademien, neue Aktivitäten des

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DIE, Projekt GRETA) Anstrengungen hinsichtlich einer Professionalisierung unternommen werden. Wegen Ökonomisierungs- und Marktdruck werden ethi-sche Standards auf wissenschaftlicher Grundlegung für pädagogisch Handelnde kommunizierbar, da das Klientel, aber auch die Organisationen anspruchsvoller werden. Die professionsstützende Forschung für die EB/WB hat sich – über das Lehren und Lernen hinaus – stärker auf die Programm- und Organisationsfor-schung zu konzentrieren, um nachzuvollziehen, welche Schwerpunkte, Inhalte, Themen und Bereiche sowie Kompetenzen überhaupt im pluralen Weiterbil-dungsmarkt mit welchen Lernkulturen (vgl. Fleige 2011; Gieseke et al. 2009) entwickelt und angeboten werden und ob der Markt so plural ist, wie immer unterstellt wird. Im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern ist die EB/WB in Deutschland zwar nicht so schlecht in ihrer Ausdifferenzierung, aber das gilt nur dann weiterhin, wenn die Politik die Gesetze nicht weiter schwächt. Denn von diesen politischen und rechtlichen Rahmungen geht eine Anforderung aus. Gleichwohl benötigt gerade die öffentliche EB/WB mehr entschiedene Unterstüt-zung mit neuen Vorschlägen und die beigeordnete EB/WB benötigt verlässlichere Kontinuität, da bestimmte Angebote permanent vorzuhalten sind. Die Individuen müssen wählen dürfen, wenn sie denn aktiv bleiben sollen. Beratungsforschung (siehe dazu Gieseke und Nittel 2016) und ihre professionelle Positionierung übernehmen in diesem Zusammenhang eine parallele Aufgabe und entwickeln Aktivitäten zur Institutionalisierung der Beratung unter dem Anspruch, gesell-schaftliche Orientierung und institutionelle Neutralität zu sichern (siehe vor allem Schiersmann et al. 2011; nfb; Arnold et al. 2009; Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung 2013; Schemmann und Seitter 2013).

Insgesamt gibt es einen einheitsstiftenden professionellen Kern, der sich natürlich immer weiter, wie in anderen Bereichen auch, entwickeln muss. Dafür gilt: Es fehlen Gesetze, die den professionellen Rahmen stärken, eine professi-onelle Identitätsbildung trägerübergreifend sichern und die Weiterbildungspflicht der Erwachsenenbildner/innen durch bessere grundlegende Ausbildung und in ihrer Verantwortungsübernahme unterstützen. Die Studiengänge im Kontext des Lebenslangen Lernens an den Hochschulen (z. B. Technische Universität Kaisers-lautern, Humboldt-Universität zu Berlin) und die Fortbildungen (trägerbezogen und übergreifend, siehe z. B. Fleige und Seiverth 2014) haben hier entsprechende Grundlagen zu legen (siehe auch Schüßler und Egetenmeyer 2016).

Professionelle Kernbestände erwachsenenpädagogischer Tätigkeit sind in spe-ziellen Studiengängen eingebunden, vor mindestens 35 Jahren entwickelt und immer wieder überarbeitet worden. Bezogen auf die hohe Organisationsabhän-gigkeit bezeichnen Schüßler und Egetenmeyer (2012) ermöglichende Qualifizie-rungsangebote an Hochschulen eine, wie sie formulieren, „akademische Basis“

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für die Entwicklung erwachsenenpädagogischer Kompetenz wissenschaftlichen und reflexiven Charakters – also erwachsenenpädagogischer Professionalität (Schüßler und Egetenmeyer 2012, S. 12). Sie verweisen aber auch auf die perma-nent notwendige Weiterentwicklung professioneller erwachsenenpädagogischer Kompetenz, die trägerspezifisch und trägerübergreifend gefragt sind. Studien-briefe, Studientexte (Gieseke 2016a) liegen darüber hinaus als Fernstudiengänge vor und sind über Studienmaterialien kontinuierlich weiterentwickelt worden. Für Kursleitende gibt es auf europäischer Ebene spezifische Initiativen (siehe z. B. Bosche et al. 2015).

Die Einführung trägerübergreifender Vernetzung und Kooperationen in der pädagogischen Planungsarbeit und in der Qualitätssicherung verbinden Demo-kratisierungsansprüche im Organisationshandeln mit Marktbedingungen. Von den Wissenschaften kann erwartet werden, dass sich ihre Forschungsschwerpunkte auf die Breite des institutionellen, organisatorisch-planerischen und interaktiven Handelns im Bildungsgeschehen konzentrieren, wenn auch mit Spezialisierungen.

Fassen wir zusammen:Wir können im Moment, wenn wir uns die Professionsentwicklung im

erwachsenenpädagogischen Feld anschauen,

• von der Konstruktion einer Professionsentwicklung• zur Dekonstruktion von Profession• zur Marktentwicklung unter neuen Effizienzgesichtspunkten• zur Reorganisation von wissenschaftlichen und ethischen Ansprüchen an die

Bildungsarbeit ausgehen.

Für mich ist es zu früh, eine totale Ökonomisierung, eine Auflösung von Professi-onalisierungsbemühungen als Fehlentwicklungen zu akzeptieren. Bessere Bedin-gungen für Bildung zu schaffen, kann keine Fehlentwicklung sein. Es bedarf natürlich des Einsatzes der Disziplin, ihrer Vertreter/innen in Theorie und Praxis (siehe Gieseke und Ludwig 2013). Die zeitgeschichtlich zu beobachtenden Ent-wicklungen zeigen die Abhängigkeit des professionellen pädagogischen Handelns von bildungspolitischen Vorstellungen/Konzepten zum LLL, was die EB/WB betrifft. Es gibt keine lineare, einfach prozesshaft entstehende Entwicklung, son-dern die Entwicklungen sind bestimmt von Widersprüchen, Paradoxien, Interes-sen, Engagement sowie Bedarfen, die im gesellschaftlichen Dissens und Konsens und im Dialog ausgehandelt werden. Gerade für Bildungsfragen generell und noch mehr für die EB/WB benötigen wir einen langen Atem.

Zurzeit müssen wir uns jedoch die Frage stellen, zu welchem Zweck und mit welchen Wirkungen die gegenwärtigen Koordinaten für den Bedarf nach einer

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hoch qualifizierten Bevölkerung in einem rohstoffarmen Land förderlich gesetzt sind. Dazu gehören auch kulturelle Bildung, politische Bildung, Gesundheitsbil-dung und Sprachenbildung als Schlüsselqualifikationen. Der Demokratisierungs-, Leistungs- und Entwicklungsprozess in der Bevölkerung – alle drei werden auf-gehalten. Das ist alarmierend, denn je weniger ich weiß, je mehr ich nur nach einfachen oder angepassten Lösungen suche, desto mehr bin ich manipulierbar. Man darf hier auf die Populisten verweisen mit den spezifischen Folgen, nicht nur in Großbritannien.

Ich möchte hiermit anregen zu fragen, was wir von uns als Akteurinnen und Akteure in diesem Prozess erwarten. Welche Personen und Gruppen sind in der Lage kreatives Denken für einen Zukunftsentwurf, den man schrittweise umsetz-ten kann, begleitet durch Forschung zu entwerfen? Die Ausführungen dieses Tex-tes legen nahe, dass eine Allianz/Enquete für die EB/WB mit dem Ergebnis einer Gesetzesvorlage aussteht, die die Vielfalt zum LLL sich entfalten lässt, professio-nelle Ansprüche setzt und für eine entsprechende Bezahlung des Personals bei allen Trägern sorgt. Hieran ist theoretisch, empirisch und politisch weiterzuarbeiten.

Literatur

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Über die Autorin

Prof. Dr. Wiltrud Gieseke Forschungsschwerpunkte: Beratungsforschung, Programmforschung, Professionsfor-schung im Bereich Erwachsenenbildung.

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79

Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit

Rudolf Tippelt und Barbara Lindemann

ZusammenfassungDie Weiterbildung in Deutschland stellt einen sehr heterogenen Bereich aus den unterschiedlichsten Trägern und Angeboten dar. Weiterbildner/innen selbst sind als fest angestellte, freiberufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiter/innen in Voll- und Teilzeit beschäftigt und haben diverse Arbeitsschwerpunkte und Berufsbezeichnungen. Dabei fehlt immer noch ein gemeinsames trägerunab-hängiges System der erwachsenenpädagogischen Grundbildung, das einen professionellen und organisationalen Mehrwert erreicht. Die sich ausdifferen-zierenden Aufgaben und Funktionen können durch professionelles pädagogi-sches Handeln dann bewältigt werden, wenn durch reflektiertes Gestalten den häufig ungeplanten und unsicheren Situationen begegnet werden kann. Orga-nisationspädagogische Analysen zeigen, dass starre Strukturen einer Organi-sation das professionelle Handeln beeinträchtigen und zu einer verminderten Qualität der Dienstleitung führen. Dagegen trägt eine offene Organisations-kultur, die den pädagogischen Akteuren autonome und eigenverantwortliche Gestaltungsräume zugesteht, zur Professionalität und zur Qualität des päda-gogischen Handelns bei. Künftig werden weitere verlässliche bildungsstatisti-sche Daten unerlässlich sein, um die Ziele einer professionellen Entwicklung in der Weiterbildung in Deutschland voranzubringen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_4

R. Tippelt (*) · B. Lindemann Ludwig-Maximilians-Universität München, Leopoldstraße 13, 80802 München, DeutschlandE-Mail: [email protected]

B. Lindemann E-Mail: [email protected]

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80 R. Tippelt und B. Lindemann

1 Einleitung

Das Personal in der Weiterbildung arbeitet in sehr verschiedenen Institutionen, sodass ein integrierendes professionelles Selbstverständnis, das zur Kooperation und generell zur Leistungserbringung hilfreich wäre, nicht vorausgesetzt werden kann. Aber auch die organisatorische Arbeitsteilung innerhalb einer Weiterbil-dungsorganisation, das planende, lehrende und administrative Personal, fordert differenzielle professionelle Perspektiven heraus. Im Mittelpunkt der Versuche, das professionelle Selbstverständnis des heterogenen Personals im Sektor Wei-terbildung zu stabilisieren, können aber heute keinesfalls die normativen Appelle an eine idealisierte pädagogische Profession sein. Heute geht es vielmehr um die Stärkung von Kompetenzen, um ein rationales und gleichzeitig reflexives pädago-gisches Handeln in der Weiterbildung wirksam umzusetzen. Vom idealisierenden Begriff der Profession wird deutlich abgerückt, während die Professionalisie-rung und die Professionalität in der Weiterbildung als strukturelle Erfordernisse zu qualitativ hochwertigen Bildungsangeboten zu betrachten sind. Dabei ist die Interaktion mit den Teilnehmer/innen die dominante Herausforderung, aber auch die ökonomische Ausgangslage einer Region und einer Weiterbildungsinstitu-tion, die sozial-ökologischen Lernumgebungen, die sozio-kulturellen Traditio-nen, die Sozialstruktur und die sich permanent verändernden sozialen Milieus als externe Bedingungen sind bei der Bestimmung von professionellem Handeln und Gestalten in der Weiterbildung zu berücksichtigen. Professionalität in der hoch-arbeitsteiligen Weiterbildung ist an kommunikative Rationalität und Kooperation gebunden, weil dadurch die auseinanderstrebenden Funktionen und Aufgaben des Personals teilweise zwischen und auch innerhalb von Weiterbildungsinstitutionen aufeinander abgestimmt und koordiniert werden können (vgl. Nittel et al. 2014).

Der Diskurs über Professionalisierung im Rahmen von Modernisierungsprozes-sen wird im Kontext der Weiterbildung seit Jahrzehnten geführt (vgl. Combe und Helsper 1996; Dewe et al. 1992; Helsper et al. 2000; Otto et al. 2002; Rapold 2006), verharrt aber häufig in diesem Bereich und bleibt mit den Diskussionen anderer Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft unverbunden (vgl. Böllert und Gogolin 2002; Helsper und Tippelt 2011; Nittel 2011b). Angesichts der gemeinsamen Her-ausforderungen wie das situative, interaktive und reflexive Handeln in ungeplanten Situationen wäre eine stärkere theoretische Verknüpfung über die einzelnen Bil-dungsbereiche hinaus wünschenswert. Trotz der verschieden gesetzten Schwer-punkte und den damit implizit verbundenen unterschiedlichen Ebenen lassen sich beim Versuch, ein pädagogisches Selbstverständnis der verschiedenen pädagogi-schen Arbeitsfelder zu stärken, konkrete Schritte einer reflexiven und gleichzeitig rationalen Professionalisierung des pädagogischen Handelns fokussieren.

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81Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit

2 Pädagogische Professionalität

Veränderungen der pädagogischen Professionalität treten im Zeitverlauf nicht linear auf. Der Wandel der ökonomischen regionalen Ausgangslagen, die Verän-derung sozio-kultureller Entwicklungen und der Sozial- und Milieustruktur wie auch die variierenden finanziellen Möglichkeiten wirken als externe Bedingun-gen, die auch die pädagogische Professionalität formen und beeinflussen. Auch wenn man ca. vier Millionen Beschäftigte in pädagogischen Dienstleistungsbe-rufen schätzt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014), sind die sta-tistischen Zahlen schwer zu verifizieren, insbesondere in der Erwachsenen- und Weiterbildung, weil es sich um Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräfte, aber auch um ehrenamtlich Tätige in einem multiprofessionellen Segment des Dienstleistungs-sektors handelt. Pädagogen/innen und wiederum insbesondere Weiterbildner/innen arbeiten in staatlichen, privaten, kirchlichen und weltanschaulich diversen Organisationsverbänden, sodass ein gemeinsames professionelles Selbstverständ-nis nicht vorausgesetzt werden kann. Pädagogische Professionalität ist von fach-lichen Spezialisierungen und organisationalen Differenzierungen pädagogischer Arbeits- und Berufsfelder geprägt. Da es keine einheitliche normative Struktur einer pädagogischen Professionalität gibt, ist eine noch weiter zu entwickelnde „Kultur der Kooperation“ besonders dringlich, um regional und international zu Abstimmungen und einer gemeinsamen Verfolgung von Zielen zu kommen. Man benötigt zur pädagogischen Professionalität die Förderung von kommuni-kativer Rationalität, weil diese das Potenzial enthält, die auseinanderstrebenden Funktionen und Aufgaben der pädagogischen Institutionen und Berufe aufeinan-der abzustimmen und zu koordinieren (vgl. Tippelt 2016). Dies ist allerdings ein Anspruch, aber noch keine gelebte Realität (vgl. Nittel et al. 2014). Die Überle-gungen schließen an Theorien von E. Durkheim (1972) an, der Anfang des 20. Jahrhunderts postuliert, dass nur die fortschreitende Arbeitsteilung und auch Spezialisierung die Entwicklung von „organischer Solidarität“ zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft begünstigen. Pädagogische Berufe haben dabei die Aufgabe, die Sozialisation durch eine intendierte Erziehung und Bildung zu ergänzen, sodass in stark ausdifferenzierten Gesellschaften die Möglichkeiten der Kohäsion erhalten bleiben.

Seither wurden Theoreme und mehrdimensionale Theorien zur Professionali-tät entwickelt, die vor allem systemische und struktur-funktionale (in Anlehnung an Parsons 1978, 1981) sowie machttheoretische und interaktionistische Erklä-rungen ausarbeiteten (angeregt durch Mead 1934; Habermas 1981). Zur päda-gogischen Professionalität werden heute vor allem die ungleichzeitigen und die spannungsreichen Beziehungen zwischen den pädagogischen Berufen aufgezeigt

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82 R. Tippelt und B. Lindemann

(vgl. Nittel et al. 2014). Für die theoretische Bestimmung pädagogischer Profes-sionalität sind die systemischen Aufgabenzuschreibungen pädagogischer Insti-tutionen und Berufe bis heute wirksam: Qualifikation, Allokation, Legitimation und Enkulturation. Gegenüber den zurückliegenden funktionalen Zuschreibungen der pädagogischen Professionalität (vgl. Fend 1980) wird heute die Gestaltungs-aufgabe pädagogischen Handelns stärker betont (vgl. Helsper und Tippelt 2011). Dabei wird Professionalisierung und Professionalität als ein strukturelles Erfor-dernis in Prozessen des pädagogischen und sozialen Wandels gesehen. Gleich-zeitig wird der Professionsbegriff für die Felder pädagogischen Handelns äußerst kritisch kommentiert, denn das klassische Professionsmodell passe nicht auf die pädagogischen Berufe und auch für die klassischen Professionen und die freien Berufe wie Jurist/innen und Mediziner/innen sei das Modell anachronistisch geworden (vgl. Helsper und Tippelt 2011, S. 269). Der Beruf des Weiterbildners und der Weiterbildnerin wurde wie der des Lehrers oder der Lehrerin traditio-nell als semiprofessionell beschrieben (vgl. Seitter 2011; von Hippel 2011). Kri-tisch wird man behaupten können, dass das idealtypische traditionelle Konzept der Profession vor allem zur Durchsetzung von Deutungshoheit und Lösungs-monopolen tauglich war, die personalen Dienstleistungen aber nicht hinreichend beschrieb (vgl. Helsper und Tippelt 2011, S. 270). Hinzu kommt, dass die klas-sischen Professionen sich selbst nicht mehr hinreichend legitimieren, weil eine Erosion des Vertrauens in deren professionelles Wissen nicht zu übersehen ist. In sehr vielen Bereichen kann das professionelle Wissen eines Experten durch einen „Gegenexperten“ infrage gestellt werden. Darüber hinaus zeigt sich bei der päda-gogischen Professionalität im Kontext von Qualitätssicherung, dass über rationale empirische Evaluation hinaus Formen und Werte der reflexiven und praktischen Vernunft zur Geltung kommen (vgl. Tippelt 2016). Ein besonderer Aspekt in der Weiterbildung ist die Subsidiarität und die sinnvolle Pluralität der Weiterbil-dungsorganisationen, die sich auf die pädagogische Professionalität auswirken.

3 Professionalität in der Weiterbildung

Die Weiterbildung in Deutschland stellt sich – dem Subsidiaritätsprinzip folgend – als eine äußerst heterogene Bildungslandschaft aus öffentlichen und privaten, aus breit agierenden und spezifisch partikularen Trägern sowie betrieblichen Angebo-ten dar (vgl. Nolda 2012; Buschle und Tippelt 2012).

Statistische Zahlen zur Professionalität in der Weiterbildung wären hilfreich, sind aber schwer zu verifizieren, u. a. weil Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräfte, in Teilsegmenten aber auch Ehrenamtliche das Berufsfeld prägen. Obwohl die

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83Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit

Weiterbildung das am stärksten wachsende pädagogische Handlungsfeld abbil-det, lassen sich kaum spezifische Qualifikationen aller in diesem Bereich päd-agogisch Tätigen identifizieren (vgl. Nittel 2011a). Zwar weisen die meisten hauptberuflich Tätigen ein erwachsenenpädagogisches Studium auf, dennoch gibt es eine große Streuung hinsichtlich der besonderen Fachrichtungen und einen hohen Anteil derer, die nur nebenberuflich tätig sind. Es gibt fest ange-stellte und freiberufliche Mitarbeiter/innen, aber ihre Berufsbezeichnungen sind ebenso uneinheitlich (z. B. Referent/in, Trainer/in, Dozent/in) wie die Arbeitsschwerpunkte (z. B. Lehren, Beraten, Organisieren) und erschweren das gemeinsame Verständnis von professionellem Handeln (vgl. Kade et al. 2007; Fuchs 2011). Bis heute fehlt „ein gemeinsames trägerübergreifendes und über-regional anerkanntes System erwachsenenpädagogischer (Grund-)Qualifizierung mit einem entsprechenden professionellen, organisationalen und gesellschaftli-chen Mehrwert“ (Kraft 2013, S. 245).

1988 wurde erstmals der Begriff Professionalität im Kontext der Erwachse-nenbildung von Tietgens aufgegriffen und Gieseke (1991) formulierte bereits drei Jahre später, dass Professionalität „sich im Handeln in offenen, unbestimmten, nicht standardisierten Situationen [zeitigt], […] aber gleichzeitig differenziertes Wissen in einer Berufsdisziplin voraus[setzt]“ (Gieseke 1991, S. 50). Notwen-diges Wissen als relevante Eingangsbedingung reicht nicht aus, sondern wird in der täglichen Arbeit herausgefordert und verstetigt sich schließlich im konkreten Handeln. Damit dies gelingt, müssen die vorhandenen Wissensbestände nicht nur theoretisch verinnerlicht, sondern auch in der jeweiligen Handlungssitua-tion reflektiert angewendet werden (vgl. Justen 2015). Der Begriff Professiona-lität reicht dabei vom professionellen Handeln aus individueller Perspektive (vgl. Peters 2010) bis zur Qualität der Dienstleistung, die über das Handeln geschaffen wird (vgl. Nittel 2004), sodass zwischen einer individuellen und kollektiven Sicht auf Professionalität differenziert werden kann (vgl. Friederich 2016).

Veränderungen im System des lebenslangen Lernens, die sich gleichzeitig wie-derum auf die Weiterbildung und deren Professionalitätsbestrebungen auswirken, lassen sich durch folgende Trends abbilden: 1) „Die Orientierung des Lernens am Lebenslauf und die Ausrichtung des Lebenslaufs auf Lernen führen daher zu einer doppelten Temporalisierungsperspektive, die den Zeitbezug und die Zeit-lichkeit des Lernens sowohl in semantischer als auch in sozialer und inhaltlicher Perspektive sehr viel stärker akzentuiert“ (Seitter 2011, S. 123). Weiterbildung bezieht sich nunmehr auf die gesamte Lebensspanne und Übergänge zwischen den Altersgruppen werden transparenter und diffuser. 2) Das informelle Lernen gewinnt an Bedeutung und das hat zur Folge, dass im Sinne einer räumlichen Ent-grenzung eine Ausweitung des Pädagogischen stattfindet. Lernen ist nicht mehr

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an bestimmte Lernorte gebunden, sondern kann überall stattfinden. 3) Die Digita-lisierung treibt diese Entwicklungen der Temporalisierung und der Topografisie-rung zusätzlich weiter voran, da die damit einhergehende Mobilisierung für eine weitere Beschleunigung, Verstetigung und Entgrenzung verantwortlich ist. 4) Der demografische Wandel mit einer langen Erwachsenenphase und die Erosion des Wissens wirken nachhaltig auf den Gestaltwandel von Lernen im Jugend- und Erwachsenenalter. Da Wissen schnelllebig geworden ist, wird kontinuierliches und stabiles Wissen über einen langen Zeitraum hinfällig und Weiterbildung zur permanenten Aufgabe (vgl. Seitter 2011). „Die Etablierung des lebenslangen und lebensbegleitenden Lernens lässt sich daher in ihren Konsequenzen summarisch als die umfassende Ausdehnung des Lernens (Erwachsener) in inhaltlicher, sozia-ler, zeitlicher und räumlicher Perspektive beschreiben“ (Seitter 2011, S. 126).

Professionelles Handeln geht folglich mit einer starken Individualisierung und Diversifizierung des Adressatenbezugs einher. Neben der reinen Wissensvermitt-lung, treten Kompetenzbilanzierungen und das Anknüpfen an vorangegangene Lernerfahrungen (auch informeller Art) in den Vordergrund der pädagogischen Handlungspraxis. Diese immer komplexer werdenden Aufgaben führen zu höhe-ren Anforderungen an die Professionalität der Weiterbildner/innen (vgl. Seitter 2011).

Verlangt Professionalisierung einen prozesstheoretischen Zugang, kann sich der Professionalität über einen handlungstheoretischen Standpunkt genä-hert werden, da diese nicht die Existenz einer anerkannten Profession voraus-setzt, sondern „einen höchst flüchtigen Zustand von Beruflichkeit [darstellt], der sich weitgehend einer Überführung in Routinen oder organisationales Handeln entzieht“ (Nittel 2004, S. 350 f.). Geprägt wird er durch das intuitive und per-sönliche Verhalten des Individuums und markiert einen spezifischen Modus in der Ausübung des professionellen Arbeitsalltags, also ein Handeln, das situativ ist und in der Interaktion immer wieder neu vollzogen wird (vgl. Nittel 2004). Als Hauptbestandteil erwachsenenpädagogischer Professionalität fungiert dabei immer noch der gegenstandsbezogene Wissenskanon, der durch Erfahrungen analysiert und reflektiert sowie immer situationsspezifisch adaptiert angewen-det wird (vgl. Gieseke 2002, 2010). Der erfolgreiche Umgang mit beruflichen Widersprüchen und Dilemmata, also das Aushalten von paradoxen Situationen und deren Ausbalancierung, zeichnet das Spannungsverhältnis zwischen den Aspekten professionellen Handelns aus. Obwohl wichtige Informationen fehlen, werden pädagogisch Tätige in ihrer Alltagspraxis häufig vor die Herausforderung gestellt, Beziehungen aufzubauen oder Entscheidungen zu treffen, worin sich die Unsicherheit des professionellen Handelns widerspiegelt. So professionalisieren sich pädagogisch Tätige über ihre Ausbildung, die aber nicht zwangsläufig in

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85Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit

professionelles Handeln mündet, da dies immer auch über die berufliche Praxis vollzogen wird (vgl. Nittel 2000, 2004).

Professionalität sollte jedoch nicht nur unabhängig von organisationalen Struk-turen betrachtet und diskutiert werden, da professionelles Handeln von einer kollektiven Rahmung determiniert wird. Die Perspektive auf Organisation und Personal verschiebt sich dabei von zwei Akteuren, die sich gegensätzlich gegen-überstehen, hin zu einer kooperativen Partnerschaft, in der sich beide wechsel-seitig beeinflussen. Pädagogisch Tätige verändern Organisationen und deren Rahmenbedingungen (vgl. Seitter 2011). Dabei erfordert Professionalität die Aus-einandersetzung mit Wissen, das gegenstandsspezifisch übertragen werden kann und sich mit gegenstandsadäquaten Ausdifferenzierungen und Organisationsent-wicklungen, die sich auch über die Vielfalt der organisatorischen Strukturen zeigt, verändert (vgl. Gieseke 2002). Zu starre Rahmungen einer Organisation können demzufolge professionelles Handeln behindern und die Qualität der Dienstleistun-gen beeinträchtigen, denn nur in arbeitsteiligen Strukturen und in bereichsspezifi-schen Differenzierungen lassen sich Systeme produktiv weiterentwickeln, sodass bildungsbereichsübergreifende Kommunikations- und Kooperationsbestrebungen zwischen den ausdifferenzierten pädagogischen Berufen sowie Organisationen immer relevanter werden (vgl. Tippelt 2014).

Ein genauerer Blick auf die Veränderungen in den unterschiedlichen Feldern pädagogischer Professionalität allgemein in den letzten Jahrzehnten zeigt, dass die Thematisierung von Lehrprofessionalität, z. B. in wissensbasierte und kom-petenzbasierte Professionalität oder strukturtheoretische und berufsbiografisch basierte Professionalität, die pädagogischen Professionalitätsansätze prägen (vgl. Helsper und Tippelt 2011). Für die Weiterbildung ist das aber nicht hinreichend, weil neben der Lehrprofessionalität auch die professionellen Anforderungen, z. B. in der Programm- und Angebotsplanung, im Marketing, in der Beratung und der Öffentlichkeitsarbeit, im Personal- und Organisationsmanagement, im Qualitäts-management und in der Evaluation, berücksichtigt werden müssen. Aktuell ist die Frage zu beantworten, welche Gemeinsamkeiten sich in den diversifizierten und hybriden Handlungsfeldern der Weiterbildung finden lassen und wie in den multi-professionellen Organisationen der Weiterbildung die Konzepte des lebenslangen Lernens, der Empathie und das Wissen über die verschiedenen Bildungsphasen über die Lebensspanne das professionelle Selbstverständnis in der Weiterbildung beeinflussen. Dies sind Fragen, denen das PAELL- (Pädagogische Erwerbsarbeit im System des lebenslangen Lernens) und das LOEB-Projekt (Die Resonanz des lebenslangen Lernens in Organisationen des Erziehungs- und Bildungswesens) empirisch nachgehen. Methodisch besteht die PAELL-Studie aus einer schriftli-chen Befragung von 1601 pädagogischen Mitarbeiter/innen und der Durchführung

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von 27 Gruppendiskussionen mit mehr als 100 Akteuren des Erziehungs- und Bil-dungssystems (Elementar-, Primarbereich, weiterführende Schulen, Berufsschu-len, Hochschulen, Weiterbildung und außerschulische Jugendbildung) aus den Städten Kassel und München sowie den Regionen Bad Tölz/Wolfratshausen und Waldeck-Frankenberg.

4 Das professionelle Selbstverständnis von Weiterbildner/innen im Kontext von Selbstzuschreibungen

Berufliche Selbstzuschreibungen als Wissensspektrum, das sich aus den indi-viduellen berufsbezogenen Einstellungen und den kollektiv geteilten Haltungen und Orientierungen formiert, veranschaulichen die spezifischen berufskulturellen Eigenschaften. Sie wirken sich einerseits auf der Ebene der Abgrenzung gegen-über anderen pädagogischen Berufsgruppen gravierend aus, indem darüber die spezifischen Aufgaben und das jeweilige Rollenverständnis transportiert werden. Selbstzuschreibungen erfüllen andererseits aber auch eine Legitimationsfunktion gegenüber der Gesellschaft, indem sie den (bildungspolitischen) Auftrag und die berufliche Legitimation der jeweiligen pädagogischen Berufsgruppe verdeutli-chen. Schließlich integrieren sie auch implizite und explizite Anteile beruflicher Fremdzuschreibungen (vgl. Nittel 2002; Nittel et al. 2014; Schütz und Nittel 2015).

Die PAELL-Studie hat differente pädagogische Berufsgruppen verglichen und kommt zu dem Ergebnis, dass beruflich erfolgreiches Handeln von Weiter-bildner/innen im jeweiligen Kontext über den Nutzen ihres individuellen Han-delns definiert wird. Dabei bezieht sich der Nutzen weniger auf einen eigenen (Zu-)Gewinn, sondern wird vielmehr als der Ertrag definiert, der auf individu-eller Ebene durch die Teilnehmer/innen oder auf struktureller Ebene durch die Gesellschaft erzielt wird. Es ist daran zu erinnern, dass jedes pädagogische Han-deln und jede pädagogische Dienstleistung auf der Koproduktion der Lernenden beruht (vgl. Tippelt et al. 1986). Die lernorientierte Entwicklung der Teilneh-menden als positiver Effekt innerhalb der Zielgruppe wirkt dabei ebenso auf das professionelle Handeln wie die Arbeitssituation der pädagogisch Tätigen. Dazu zählen berufliche Aufstiegschancen, die Möglichkeit sich fortzubilden und beruf-lich weiterzuentwickeln sowie die Anerkennung durch die Gesellschaft. Damit professionelles Handeln unter den differenten Anforderungen, die von außen an die Weiterbildner/innen herangetragen werden, gelingen kann, müssen diese

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87Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit

kritisch reflektiert und im Hinblick auf die eigenen Wertvorstellungen eingeord-net werden. Irrationale Rollenerwartungen aufzudecken, wird durch eine offene Kommunikation erreicht, die sich durch Interaktionsprozesse zwischen den Wei-terbildner/innen und ihren Teilnehmenden, aber auch den Arbeitgeber/innen oder Trägervertreter/innen vollziehen (vgl. Buschle und Tippelt 2015; Nittel et al. 2014). Darüber bildet sich die Ich-Identität als Balance zwischen formaler und personaler Identität heraus (vgl. Krappmann 1993). Spezifisch ausgerichtete Fort-bildungsangebote können Weiterbildner/innen für diese Aufgabe sensibilisieren und sie im Hinblick auf die vielfältigen Rollenkonflikte in der beruflichen Praxis unterstützen (vgl. Buschle und Tippelt 2015).

Positiv zur Bewältigung der zahlreichen Handlungsparadoxien kann eine hohe Selbstwirksamkeit beitragen, die die Weiterbildner/innen im PAELL-Projekt im Vergleich zu anderen pädagogischen Berufsgruppen deutlich stärker aufweisen. So ist deren Selbstwirksamkeit umso höher, je ausgeprägter die soziale Anerken-nung erlebt und beschrieben wird. Dazu zählen u. a. Rahmenbedingungen wie der Verdienst oder das Arbeitsklima, aber auch immaterielle Werte wie die Anerken-nung seitens der Zielgruppe oder durch Vorgesetzte der Weiterbildner/innen. Die hohe Selbstwirksamkeit wird aber auch durch ein hohes Autonomieerleben posi-tiv beeinflusst. Da Weiterbildner/innen im Gegensatz zu anderen pädagogischen Berufsgruppen wie schulischen Lehrkräften ihre inhaltlichen Angebote stark pro-aktiv gestalten können, erleben sie eine höhere Selbstwirksamkeit (vgl. Buschle und Tippelt 2015; Schütz und Nittel 2015). Um in diesem Sinne professionelles Handeln des Personals zu unterstützen, sind offene organisatorische Strukturen hilfreich, die Weiterbildner/innen den Raum für die individuelle Entwicklung und professionelle Entfaltung geben.

Im Rahmen des LOEB-Projektes lässt sich anhand von Experteninterviews, die mit 51 Leiter/innen von Organisationen des Erziehungs- und Bildungswe-sens (Elementar-, Primar-, Sekundar- und Tertiärbereich, Einrichtungen aus der Erwachsenenbildung/Weiterbildung, aus der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik und der beruflichen Bildung) aus Bayern (München, Mühldorf am Inn) und Hessen (Kassel, Waldeck-Frankenberg) geführt wurden, klar erkennen, dass beispiels-weise Möglichkeiten zur Entwicklung von eigenständigen Konzepten wie Förder- und Strategieplänen oder evaluativen Beobachtungsbögen zu einer Steigerung des Autonomiegefühls beitragen. Dies entspricht einer offenen Organisationskultur, die keine rigiden Strukturen durchsetzt, sondern den pädagogisch Tätigen auto-nome und eigenverantwortliche Gestaltungsräume ihrer Arbeit zugesteht.

Um eigenverantwortliche Arbeit zuzulassen, wird von den Leitungen der Erwachsenen- und Weiterbildungseinrichtungen in den Interviews die Fort- und

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Weiterbildung des Personals als unumgänglicher Schritt zur Professionalisie-rung betrachtet, der größtenteils über ein festgeschriebenes Budget und/oder durch zur Verfügung gestellte Arbeitszeit realisiert wird. „Es geht nicht ohne eine regelmäßige Fortbildung, es gibt kaum eine Stelle, die ohne eine jährliche Weiterbildung auskommt… wir brauchen jährlich dieses Budget von 8.000 Euro, wir brauchen die Möglichkeit, dass jeder zwei, drei Tage mindestens pro Jahr mal eine Fortbildung besuchen kann“ (Interview 7_10, Zeile 346; noch nicht veröffentlichtes Material). Als nicht zu vernachlässigender Aspekt wird in die-sem Zusammenhang der Eintritt neuen Personals in die Organisation themati-siert. Verschiedene Formate wie eine übergreifende Einführungsveranstaltung können dazu beitragen, dass die Organisationskultur oder Werte und Normen, die im Leitbild verankert sind, transportiert werden, sodass ethische Handlungs-maximen und Leitlinien nicht einfach internalisiert, sondern reflektiert werden können. Professionalisierung findet demnach auf fachlich-inhaltlicher wie indi-viduell-persönlicher Ebene statt und kann von den Organisationen über divergie-rende Angebote mitgesteuert und befördert werden.

5 Ausblick

Eine besondere Herausforderung ist dabei das Finden einer angemessenen pro-fessionellen Strategie beim Umgang mit Ungewissheit, mit Unsicherheit und des schnellen, oft nicht prognostizierten sozialen Wandels, der sich auf den Weiter-bildungsbedarf aber auswirkt. Die solide Kenntnis wichtiger Ergebnisse der the-oretischen und empirischen Erziehungs- und Weiterbildungsforschung sowie eine kritische Haltung zur Semantik der Steuerung sind für ein professionelles und kooperatives Handeln in der Weiterbildung dabei dringend erforderlich.

Wenn man dies als allgemeine Zielperspektive akzeptiert, ist die Klärung grundlagentheoretischer Positionen und Professionsverständnisse zwischen Teil-bereichen in der Weiterbildung, also den differenzierten Bereichen der beruf-lichen, der allgemeinen und der politischen Weiterbildung, oder auch nach Angebotsfeldern der öffentlich subventionierten, der betrieblichen, der univer-sitären, der privatwirtschaftlich positionierten Weiterbildung möglich. Es gibt klare Hinweise darauf, dass sich Teilbereiche der Weiterbildung voneinander abgrenzen (vgl. Fuchs 2011), aber auch Hinweise auf das Suchen nach Gemein-samkeiten von Weiterbildungsanbietern besonders in kooperativen regionalen Initiativen (vgl. Tippelt et al. 2009). Die Konzepte des lebenslangen Lernens und das Wissen über die Bildungsprozesse über die Lebensspanne sind hierbei

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wichtige Bindeglieder (vgl. Nittel et al. 2014). Inwieweit hierbei Kerncurricula bereits in den Weiterbildungsstudiengängen oder bei trägerübergreifenden Fort-bildungen eine Rolle spielen können, ist derzeit noch offen. Die Multiprofessi-onalität in der Weiterbildung ist dabei sicher zu berücksichtigen, vielleicht auch ein in Fortbildungen zu bearbeitendes Problem.

In Zukunft wird die offene empirische Rekonstruktion pädagogischen Han-delns in den verschiedenen institutionellen, interaktiven, aber auch alltäglichen Settings und Situationen in der Weiterbildung vordringlich, keineswegs aber ein Festhalten am unfruchtbaren und heute unzutreffenden Idealtypus der Profession. Bei der dringlichen Analyse der hybriden und multiprofessionellen organisationa-len Strukturen in der Weiterbildung ist empirisch u. a. zu klären, welche Gemein-samkeiten sich in den diversifizierten Weiterbildungsbereichen und -feldern finden lassen (vgl. Nittel et al. 2014). Große Bedeutung haben dabei die moder-nen Formen der Steuerung und des Qualitätsmanagements im Sinne zweckrati-onalen und reflektierten Handelns (vgl. Weber 1922, S. 13). Fragen der ethisch orientierten Führung von Weiterbildungseinrichtungen gewinnen an Bedeutung (vgl. Schmidt-Huber und Tippelt 2014). Ein Führungsstil, der einerseits Verant-wortung und Fürsorge für Mitarbeiter/innen beinhaltet, der andererseits auch Verantwortung an Mitarbeiter/innen delegiert, um in den sich rasch wandelnden und „unsicheren“ situativen Rahmenbedingungen schnell und effektiv handeln zu können. Nicht die kurzfristige Reaktion auf jeweils immer neue auftauchende Probleme sind angemessene professionelle Strategien in der Weiterbildung, son-dern das unter Berücksichtigung der aus der Bildungs-, Sozial- und Erziehungs-forschung bekannten Einflüsse reflektierte planende und intervenierende Handeln. Noch einmal: Die möglichst umfangreiche Kenntnis der Ergebnisse pädago-gischer Forschung ist daher eine unbedingte Basis für professionelles pädago-gisches Handeln. Ohne einer normativen Pädagogik anheim zu fallen, ist eine Wertebasis notwendig, die u. a. die gesellschaftliche Integration und Inklusion aller sozialen Gruppen anstrebt. Hierbei muss man sich in die Lebenslagen und Lebenswelten diverser sozialer Milieus durch die Fähigkeit zur Perspektiven- und Rollenübernahme hineindenken können, um adressaten- und teilnehmerorientiert zu handeln (vgl. Barz und Tippelt 2004).

Abschließend ist festzuhalten, dass man eine solide und kontinuierliche bil-dungsstatistische Basis zu den beruflichen Teilsegmenten der Weiterbildung braucht, um die hier angesprochenen Ziele professioneller Entwicklung in der Weiterbildung vorwärts zu bringen.

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Über die Autoren

Prof. Dr. Rudolf Tippelt Forschungsschwerpunkte: Bil-dungsforschung, Weiterbildung/Erwachsenenbildung, Bil-dungsprozesse über die Lebensspanne, Übergang von Bildung in Beschäftigung, Fortbildung des pädagogischen Personals (im internationalen Kontext)

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93Professionalität in der Weiterbildung – Anspruch und Wirklichkeit

Dr. Barbara Lindemann Forschungsschwerpunkte: Bil-dungsforschung, Weiterbildung/Erwachsenenbildung und Übergang von Bildung in Beschäftigung

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Teil IIPrekarität und Professionalisierung.

Zwei Seiten einer Medaille

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Prekarität im „Jobwunder-Land“ – was ist neu?

Klaus Dörre

ZusammenfassungGlaubt man dem Elitentalk, so hat sich das Thema Prekarität zumindest in Deutschland von selbst erledigt. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die sozialversi-cherungspflichtige Beschäftigung nimmt zu und die Erwerbstätigkeit hat ein Rekordniveau erreicht (Als Beispiel für viele andere: Rudzio 2017). Beschwört die inzwischen durchaus beachtliche sozialwissenschaftliche Prekaritätsfor-schung also einen Popanz? Hinkt sie der Wirklichkeit hinterher? Wäre es deshalb nicht besser, über Bildung und Weiterbildung zu sprechen, ohne den Prekaritätsbegriff zu strapazieren? Nachfolgend plädiere ich für eine andere Sicht auf unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse. Die Bundesrepublik, so meine These, hat sich zu einer prekären Vollerwerbsgesellschaft gewandelt, die Erwerbslosigkeit durch die Ausdehnung unsicherer Arbeits- und Beschäf-tigungsverhältnisse zum Verschwinden bringt. Das Ausmaß und die sozialen Wirkungen von Prekarität lassen sich aber nicht anhand der Zahl sogenannter atypischer (Die Klassifizierung atypisch ist insofern irreführend, als sie die Abweichung von einer Norm behauptet, die in wichtigen Branchen, etwa dem gesamten Organisationsbereich der Gewerkschaft NGG, längst nicht mehr Nor-malität ist. Es wäre daher besser, von nicht-standardisierten Beschäftigungsver-hältnissen zu sprechen) Beschäftigungsverhältnisse beurteilen. Prekarität ist, so die These, vor allem ein Macht-, Kontroll- und Disziplinarregime, das aller-dings auch im Bildungs- und Weiterbildungssektor zunehmend umkämpft ist.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_5

K. Dörre (*) Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiß-Str. 2, Raum 276, 07743 Jena, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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1 Was ist Prekarität?

Zwecks Begründung dieser Diagnose empfiehlt es sich zunächst, den Prekaritäts-begriff zu definieren. Der Wortstamm von prekär lässt sich bis zum lateinischen precarium, der Bittleihe, zurückverfolgen. Gemeint ist das Verleihen einer Sache, deren Nutzung vom Geber jederzeit widerrufen werden kann. Prekarität bezeich-net demnach ein unsicheres, instabiles, auf Widerruf gewährtes Verhältnis, das den Nehmer eines Gutes vom Geber abhängig macht. Der Gegenbegriff ist eine stabile, sichere, durch Rechtsgleichheit konstituierte Beziehung. In der sozial-wissenschaftlichen Diskussion bezeichnet Prekarität dementsprechend unsichere, instabile Beschäftigungs- und Lebensverhältnisse, die Erwerbstätige und deren Familien besonders verwundbar machen. Prekäre oder gar unfreie Arbeit ist so alt wie die Menschheit; ihre neuzeitliche Geschichte lässt sich mindestens bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen (Castel 2000). Konstitutiv für die neuere sozial-wissenschaftliche Diskussion war ursprünglich die Ausbreitung niedrig entlohn-ter, zeitlich befristeter, ungeschützter Beschäftigungsverhältnisse bei akademisch qualifizierten Arbeitskräften in Italien („precariato“). Vor allem französische Soziologen wie Pierre Bourdieu, Robert Castel und Serge Paugam erweiterten den Prekaritätsbegriff und wandten ihn auf die Ausbreitung sozialer Unsicher-heit in den reichen und noch immer überaus sicheren Gesellschaften des globalen Nordens an (Barbier 2005, 2013). In dieser Verwendung ist Prekarität ein zeit-diagnostisches Konzept, das Veränderungen an der Schnittstelle von Erwerbs-arbeit, Wohlfahrtsstaat und Demokratie thematisiert. Die Kategorie bezeichnet „eine allgemeine Erschütterung der Gesellschaft“, ein „kollektives Gefühl, eine Einstellung, ein Geisteszustand, der die Gesamtheit von Argumenten gegen einen Gegner vereinigt, der das ‚Böse‘ verkörpert: der Neoliberalismus“ (Ehrenberg 2011, S. 366). Auch in dieser zeitdiagnostischen Verwendung kann die Katego-rie aber so geschärft werden, dass ihre analytischen Stärken zum Tragen kommen und Zusammenhänge zwischen Einzelphänomenen sichtbar werden. Das ist mög-lich, wenn Prekarität als Macht-, Kontroll- und Disziplinarregime begriffen wird, das (Arbeits-)Gesellschaften als Ganze beeinflusst und verändert (Dörre 2009). Prekarisierung bezeichnet in dieser Verwendung den Prozess der Durchsetzung solcher Kontrollregimes. Das Prekariat ist allenfalls ein Sammelbegriff für unter-schiedliche, auch klassenspezifische Formen von Prekarität (Pelizzari 2009). Die Kategorie bezeichnet aber keine „Klasse im Werden“, wie Guy Standing meint (Standing 2011).

Aus den grundlegenden Begriffsbestimmungen geht bereits hervor, dass Pre-karität ein relationales Phänomen bezeichnet. In ihren Ausmaßen und Auswirkun-gen ist sie in allen modernen kapitalistischen Gesellschaften doppelt bestimmt.

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Prekäre Arbeits- und Lebensformen finden sich unterhalb einer „Schwelle der Sicherheit“ (Bourdieu 2000, S. 92); oberhalb dieser Schwelle geht es für viele noch immer um eine Verbesserung sozialer Sicherheit, die Absicherung elemen-tarer sozialer Risiken ist jedoch gewährleistet.1 Diese „Schwelle der Sicherheit“ (Bourdieu 2000, S. 92) bildet in der sozialen Hierarchie den oberen Referenz-punkt von Prekarität. Es gibt jedoch auch eine Relationalität, die von unten, von einer „Schwelle sozialer Respektabilität“, bestimmt wird. Diese Schwelle wird über den Fürsorgestatus konstituiert. Fürsorge bedeutet, dass jene, die sie in Anspruch nehmen müssen, nicht in der Lage sind, ihre eigene soziale Repro-duktion zu sichern. Wer über längere Zeiträume an oder unterhalb der „Schwelle sozialer Respektabilität“ lebt, verliert die Zugehörigkeit zur Gesellschaft respek-tierter Bürgerinnen. Auf einen solchen Status, den in Deutschland gegenwärtig Hartz IV bezeichnet, zurückzufallen, ist nicht nur für Beschäftigte in der Weiter-bildung ein Albtraum. Schwellen sozialer Sicherheit sind historisch variabel und umkämpft. Damit ist zugleich gesagt, dass sich die oberen und unteren Bezugs-punkte relationaler Prekarität verändern. Prekarität meint deshalb im globalen Norden etwas anderes als im globalen Süden und sie unterscheidet sich in Abhän-gigkeit von Geschlechterverhältnissen, Ethnie, Nationalität, Bildungskapital und Neigungswinkel der Biografie. Aus diesem Grund kann auch das sogenannte Normalarbeitsverhältnis, eine geschützte Vollzeitbeschäftigung im Range eines kulturellen Modells, nicht a priori als Maßstab für prekäre Beschäftigung dienen. Selbiges schließt nicht aus, dass Beschäftigte, Prekarisierte und Ausgegrenzte diesen Maßstab selbst benennen (Brinkmann et al. 2006).

In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass Prekarität umfassend nur in den Blick genommen werden kann, wenn die subjektiven Verarbeitungsformen von Unsicherheit Beachtung finden. Sozial und politisch relevant wird Prekarität erst, wenn sie als problematisch wahrgenommen und empfunden wird. Zudem ist eine flexible, befristete Beschäftigung nicht per se prekär. So kann eine zeitliche Befristung von Qualifizierungsstellen durchaus sinnvoll sein, sofern eine Dauer-beschäftigung die Qualifizierungsmöglichkeiten für nachwachsende Kohorten einschränken würde. Prekarität entsteht allerdings nicht ausschließlich mit und in der Erwerbsarbeit. Sie kann, darauf hat insbesondere die feministische Forschung hingewiesen (Mokatef 2015), eigenständige Ursachen im Lebenszusammenhang haben. So sind es häufig Frauen, denen das Vereinbarkeitsmanagement obliegt,

1Ein Denken, das die gesamte Lebensführung an der Zukunft ausrichtet, ist erst ober-halb einer „Schwelle der Berechenbarkeit“ möglich, die „wesentlich von der Verfügung über Einkünfte“ abhängt, welche „von der Sorge um die Subsistenz dauerhaft“ entlasten (Bourdieu 2000, S. 92).

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wenn es darum geht, wachsende Anforderungen in (Weiter-)Bildungssystem, Familie und Alltag unter einen Hut zu bringen. Sie bezahlen akademische Bil-dungskarrieren häufig mit „Verdichtungen“ im Privatleben und Überforderung in Permanenz (Aulenbacher et al. 2016, S. 145). Instabilitäten im Lebenszusammen-hang können dann leicht zum Abbruch der beruflichen Laufbahn führen und in dieser Zuspitzung durchaus als Prekaritätsrisiko interpretiert werden.

2 Wie lässt sich Prekarität analytisch erfassen?

Damit ist schon angedeutet, dass sich Prekarität im Feld von Bildung und Wei-terbildung von anderen Ausprägungen unsicherer Arbeits- und Lebensverhältnisse unterscheidet. Legt man die Arbeitshypothese Robert Castels (2000, S. 360 f.) zugrunde, der zufolge sich die Arbeitsgesellschaften der nördlichen Kapitalismen in Zonen unterschiedlicher Sicherheitsniveaus spalten2, lässt sich Prekarität im Feld der (Weiter-)Bildung primär in der „Zone der Verwundbarkeit“ verorten. Das Phänomen franst allerdings in die „Zone der Entkoppelung“ aus und findet sich auch bei Beschäftigten, die sich gemessen an Gehalt, Anerkennung und sozialer Vernetzung zumindest zeitweilig als geschützt betrachten können. Eine präzisere, empirisch operationalisierbare Bestimmung von Prekarität muss in jedem Fall der Mehrdimensionalität von Prekarität Rechnung tragen.3 Wir haben vorgeschlagen, ein Erwerbsverhältnis dann als prekär zu bezeichnen, wenn es nicht dauerhaft oberhalb eines von der Gesellschaft definierten kulturellen Minimums existenzsi-chernd ist und deshalb bei der Entfaltung in der Arbeitstätigkeit, der gesellschaft-lichen Wertschätzung und Anerkennung, der Integration in soziale Netzwerke,

2Castel unterscheidet eine ‚Zone der Integration‘ mit sozial geschützten Beschäftigungsver-hältnissen und halbwegs intakten sozialen Netzen, eine ‚Zone der Prekarität‘ mit unsiche-rer Beschäftigung und erodierenden sozialen Netzen sowie eine ‚Zone der Entkoppelung‘, in welcher sich der Ausschluss von regulärer Erwerbsarbeit mit relativer sozialer Isolation verbindet.3In der Forschung wird Prekarität wahlweise als eine Spezialform atypischer Beschäfti-gung, als eine soziale Lage zwischen Armut und „normalen“ Einkommen, als Externali-sierung am Arbeitsmarkt oder auch als eine Form sozialer Verwundbarkeit definiert, die im Zentrum der Arbeitsgesellschaft entsteht und gegenüber Phänomenen wie Armut, Arbeits-losigkeit und Ausgrenzung abgegrenzt werden muss. Eine begriffliche Präzisierung und Operationalisierbarkeit ist zwingend nötig, sobald es um empirische Forschungen geht. Sie ist aber auch nützlich, um zu vermeiden, dass alle Spielarten von sozialer Unsicherheit oder sämtliche Belastungen in Arbeitswelt und Lebenszusammenhang mit Prekarität in Verbin-dung gebracht werden.

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den politischen Partizipationschancen und der Möglichkeit zu längerfristiger Lebensplanung dauerhaft diskriminiert. Aufgrund ihrer Tätigkeit und deren sozi-aler Verfasstheit sinken prekär Beschäftigte deutlich unter das Schutz- und Inte-grationsniveau, das in wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismen als Standard definiert wird. Das Beschäftigungsverhältnis und die Arbeitstätigkeit können daher auch subjektiv mit Sinnverlusten, Partizipations- und Anerkennungsdefiziten sowie Planungsunsicherheit verbunden sein (Castel und Dörre 2009, S. 17). Prekarität bezeichnet somit ein Phänomen, das schon mit Blick auf die Erwerbsarbeit min-destens sechs Dimensionen umfasst (Brinkmann et al. 2006). Diese sind:

1. die reproduktiv-materielle Dimension: Prekär ist Erwerbsarbeit, wenn eine Tätigkeit, deren Vergütung die Haupteinnahmequelle darstellt, nicht existenz-sichernd ist und/oder wenn eine Arbeit, die ein Beschäftigter leistet, nicht so vergütet wird, dass das Einkommen den Arbeitenden ermöglicht, ein gesell-schaftlich anerkanntes und historisch variables kulturelles Minimum (nicht identisch mit der Schwelle der Respektabilität in Gestalt von z. B. „Hartz IV“!) nach oben zu überschreiten. Gründe für Prekarität in Bildung und Wei-terbildung können in dieser Dimension die Befristung der Beschäftigung und/oder Teilzeitstellen sein, die nach dem 50:50-Prinzip funktionieren. Man ver-fügt über eine halbe Stelle, arbeitet jedoch mindestens 100 %. Ein niedriges Gehalt von weniger als zwei Drittel des Medians ist ein weiterer Indikator für strukturelle Prekarität.

2. die sinnhaft-subjektbezogene, arbeitsinhaltliche Dimension: Von einer prekä-ren Arbeit kann gesprochen werden, sofern die Berufstätigkeit von dauerhaf-tem Sinnverlust begleitet ist oder wenn sie im Gegenteil zu einer krankhaften Überidentifikation mit Arbeit führt. Moderne Pathologien der Arbeitswelt wie Arbeitswut, Burn-out-Syndrome, Entspannungsunfähigkeit und der Verlust des Privatlebens bezeichnen mögliche Folgen dieser Form von Prekarität. Beispielsweise verbinden sich arbeitsinhaltliche Interessen mit den typischen Risiken beruflicher Karrieren im Feld von Bildung und Weiterbildung. Man arbeitet gern und identifiziert sich mit seiner – inhaltlich durchaus befriedi-genden – Tätigkeit, obwohl sie befristet und schlecht bezahlt ist. Auch glaubt man, keine Chance auslassen zu dürfen, um den Sprung in eine bessere Posi-tion zu schaffen, oder doch das nächste Projekt, den nächsten Lehrauftrag etc. sicher verbuchen zu können.

3. die sozial-kommunikative Dimension: Erwerbsarbeit ist prekär, sofern die Beschäftigungsform eine gleichberechtigte Partizipation an sozialen Netzen ausschließt, die sich am Arbeitsort und über die Arbeitstätigkeit herausbilden.

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Man kann dieses Kriterium auch auf soziale Netze außerhalb der Arbeits-welt ausweiten. Etwa, wenn die Ausübung einer Tätigkeit, eines Berufs oder gerade auch deren Nichtausübung soziale Verkehrskreise verschließen; oder umgekehrt, wenn die Belastungen und Restriktionen einer Tätigkeit oder auch von Erwerbslosigkeit durch Zugehörigkeit zu engmaschigen sozialen Netzen durch Familie und Verwandtschaft ausgeglichen werden müssen. Für prekär Beschäftigte in der Weiterbildung könnte zutreffen, dass die sozialen Netze dieser überwiegend akademisch qualifizierten Beschäftigten die strukturelle Prekarität des Beschäftigungsverhältnisses zeitweilig abzufedern vermögen. Wie beim akademischen Gesamtarbeiter allgemein könnte es sich daher um geduldige Prekarier handeln, die soziale Unsicherheit in erster Linie individu-ell ausbalancieren.

4. die rechtlich-institutionelle oder Partizipationsdimension: Damit ist gemeint, dass eine Arbeitstätigkeit den oder die Arbeitenden tendenziell vom vollen Genuss institutionell verankerter sozialer Rechte und Partizipationschancen ausschließt. Tarifliche Rechte, Mitbestimmungsmöglichkeiten, Betriebsverein-barungen und soziale Schutz- und Sicherungsrechte wie Kündigungsschutz, Rentenversicherung etc. gelten in Deutschland im vollen Umfang nur für unbefristete Vollzeitbeschäftigte. Auch im Feld von Bildung und Weiterbil-dung dürfte daher eine strukturelle Benachteiligung all derer vorliegen, die über längere Zeiträume hinweg nicht durch eine Vollzeitbeschäftigung in den Arbeitsmarkt integriert sind. Zudem ist der gewerkschaftliche Einfluss im Weiterbildungsbereich in der Regel schwach und Erfahrung in kollektiver Interessensvertretung wenig vorhanden, wenngleich sich dies in jüngster Zeit zu verändern beginnt.

5. die Status- und Anerkennungsdimension: Prekär ist Arbeit auch, sofern sie den Arbeitenden eine gesellschaftlich anerkannte Positionierung vorenthält und mit sozialer Missachtung verbunden ist. Die Anerkennungsproblematik lässt sich allerdings nicht auf die Statusdimension reduzieren. Es handelt sich um eine Sphäre symbolischer Konflikte, die auf vielfältige Weise mit materiel-len Interessenkämpfen verflochten ist. Beschäftigten ergeht es hier wie vielen anderen Berufstätigen, die in erster Linie mit der Entwicklung, Qualifizierung, Pflege und Reproduktion von Arbeitskraft beschäftigt sind. Ihre – überwiegend von Frauen ausgeübten – Tätigkeiten sind im deutschen Produktionsmodell traditionell unterbewertet. Aus einer eng gefassten Produktionsperspektive gelten sie als wenig produktiv und als Kostenfaktor, den es mittels geeigneter Kostendämpfungsmaßnahmen zu begrenzen gilt. Diese traditionelle Abwer-tung kann eine spezifische Ursache für Prekarität in den segmentierten und polarisierten Weiterbildungsmärkten sein (Alfänger et al. 2016a, b).

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6. die Planungsdimension: In dieser – synthetisierenden – Dimension machen sich sämtliche bereits genannten Ausprägungen von Prekarität bemerkbar. Prekären Arbeits- und Beschäftigungsformen ist gemeinsam, dass sie eine län-gerfristige, in die Zukunft gerichtete Lebensplanung ausschließen oder doch beträchtlich erschweren. Das hat möglicherweise Konsequenzen für die Pro-fessionalität und Qualifikation der Weiterbildner. Wer nicht längerfristig planen kann, dem fällt es möglichweise schwer, sich selbst beständig weiter zu bilden. Exakt dies ist jedoch, gerade mit Blick auf die Zukunft und den neuerlichen Digitalisierungsschub, eine Schlüsselqualifikation von Bildungsarbeitern.

Letztendlich sind alle genannten Dimensionen wichtig, um Prekarität auch in ihren subjektiven Verarbeitungsformen erfassen, verstehen und analysieren zu können. Elementar sind allerdings die beiden erstgenannten Anspruchsdimensi-onen, die eine Prekarität der Arbeitstätigkeit (Gebrauchswertperspektive) von einer Prekarität der Beschäftigung (Tauschwertperspektive) unterscheiden. Die sinnhaft-subjektbezogene Anspruchsdimension (Anspruch auf Selbstentfal-tung in der Tätigkeit) ist der Gebrauchswertperspektive exklusiv zuzurechnen; die reproduktiv-materielle Dimension, die das Vertragsverhältnis, die Dauer der Anstellung und die Höhe des Gehalts umfasst, wird über die Beschäftigung und damit über die Tauschwertperspektive thematisiert. Mit dieser Begriffsbestim-mung werden, ohne den Lebenszusammenhang und die Geschlechterverhältnisse für nebensächlich zu erklären, die Erschütterungen, die den neuen Prekarisie-rungsschub ausgelöst haben, in erster Linie im Erwerbssystem verortet. Prekarität wird am Arbeitsmarkt gemacht und kann auch dort, wenn nicht beseitigt, so doch bekämpft werden (della Porta et al. 2015, S. 287 ff.).

Wie schon angedeutet, gilt es dabei allerdings die Besonderheiten von Pre-karität im Bildungs- und Weiterbildungssektor zu beachten, die sich aus einer spezifischen Kombination von Gebrauchswert- und Tauschwertperspektive ergibt. So kann eine Arbeitstätigkeit im akademischen Feld oder im Weiterbil-dungssektor subjektiv sinnerfüllend sein, Spaß machen und mit Leidenschaft betrieben werden, obwohl die Beschäftigung befristet ist, die institutionellen Partizipationsmöglichkeiten begrenzt sind und die Anerkennung in der fachli-chen Öffentlichkeit statusbedingt nicht der erbrachten Leistung oder der berufli-chen Qualifikation entspricht. Schon aus diesem Grund sind Weiterbildner keine gewöhnlichen Lohnarbeiter. Stattdessen haben wir es im Feld von Bildung und Weiterbildung mit einer besonderen Ausprägung von Prekarität zu tun. Zwar ist Prekarität auch in den entwickelten Kapitalismen inzwischen zu einer „normalen“ Organisationsform der Arbeit und des sozialen Lebens geworden (Castel 2011, S. 136), sie besitzt jedoch viele Gesichter. Im akademischen Raum und auch im

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(Weiter-)Bildungsbereich entspricht sie teilweise einer „avantgardistischen Preka-rität“, wie wir sie auch in Künstlerarbeitsmärkten finden. Das inhaltliche Inter-esse an einer kreativen Bildungstätigkeit kann subjektiv zumindest bis zu einem gewissen biografischen Punkt die strukturelle Prekarität unsicherer Beschäfti-gung entschärfen. Diese Ausprägung von Prekarität unterscheidet sich deutlich von jenen, wie wir sie in den Unter- und Arbeiterklassenmilieus und – etwa in Gestalt der prekär beschäftigten Putzfrau, der Sekretärin mit Halbtagsstelle oder des Hausmeisters mit Niedriglohn – auch in den Bildungseinrichtungen finden.

Hinzu kommt, dass jener Teil der Lehrenden, der selbst prekär beschäftigt ist, in Kursen und Weiterbildungsmaßnahmen über die Teilnehmer auf andere For-men von Prekarität trifft oder treffen kann. Ein Beispiel mag dies illustrieren. Eine von uns untersuchte Maßnahme für Langzeitarbeitslose (Brinkmann et al. 2006), an der vorwiegend junge Türken der zweiten oder dritten Generation teil-nahmen, wurde im berufsqualifizierenden Teil von ehemaligen Industriemeistern durchgeführt, die selbst nur befristet beschäftigt waren. In den Augen der jungen Arbeitslosen handelte es sich um „Loser“, um Verlierer, die den Teilnehmern nichts bieten konnten, weil sie es ja selbst nicht zu etwas gebracht hatten. Diese Wahrnehmung untergrub die Autorität der Lehrenden – ein unbeabsichtigter Effekt des Nebeneinanders unterschiedlicher Prekaritäten.

3 Auf welche Weise wirkt Prekarität?

Das Neben- und Miteinander unterschiedlicher Prekaritäten resultiert aus einem tief greifenden Strukturwandel des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters, der auch im Feld von Bildung und Weiterbildung durch die Vermarktlichung, Ökono-misierung oder, um einen eigenen Begriff zu verwenden, durch die Landnahme von intellektueller, kreativer (Bildungs-)Arbeit beeinflusst wird (Dörre und Neis 2010; Dörre et al. 2015). Um dies zu verdeutlichen, empfiehlt es sich, einen Blick auf empirische Befunde aus der Zeit vor der globalen Finanz- und Wirtschafts-krise von 2008/2009 zu werfen. In Übereinstimmung mit anderen Untersuchun-gen (Baethge et al. 2005; Schultheis und Schulz 2005) hatten wir nachgewiesen, dass in Deutschland auch in der Selbstwahrnehmung von Lohnabhängigen eine „Zone der Prekarität“ entstanden war, deren Expansion sich auf die Erwerbs-orientierungen der Befragten auswirkte. Anhand einer qualitativen Erhebung konnten wir neun typische Verarbeitungsmuster unsicherer Arbeit und Beschäfti-gung unterscheiden (siehe Schaubild 1). Dabei waren wir auf eine Konstellation gestoßen, die wir als Desintegrationsparadoxon bezeichneten. Damit ist gemeint,

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dass Prekarisierungsprozesse und -ängste auch in der „Zone der Integration“ wirksam werden – sei es als Reaktion auf reale Ereignisse wie bevorstehende Arbeitsplatzverluste oder Betriebsschließungen (Typ vier), sei es in Form von Abstiegsängsten, die eher aus einem diffusen Gefühl der Verunsicherung resul-tieren, das gleichwohl auf einer realen Verschlechterung von Arbeitsbedingun-gen (informelles Unterlaufen tariflicher Standards bei Entgelt, Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen) beruhen konnte. Umgekehrt stießen wir in den „Zonen der Verwundbarkeit“ auf aktive Bemühungen zur Reintegration in die „normale“ Arbeitswelt. Einbindung beruht hier auf Mechanismen, die wir als sekundäre gesellschaftliche Integration bezeichnen. In diesem Fall ist Integration weder das Ergebnis eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses und eines dauerhaft Existenz sichernden Einkommens (Arbeitskraftperspektive), noch beruht sie auf der Identifikation mit einer inhaltlich befriedigenden, qualifizierten Tätigkeit, die auch soziale Anerkennung verheißt (Tätigkeitsperspektive). Vielmehr resultiert sie aus der Hoffnung, den Sprung in die „Zone der Normalität“ (Typ 5, 8) doch noch schaffen zu können oder – im Gegenteil – auf Varianten des Sich-Fügens in das vermeintlich Unabänderliche, auf subjektiven Arrangements mit Prekarität und Ausgrenzung, die durch die Aufwertung geschlechtsspezifischer („Mutterrolle“, „Zuverdienerin“, Typ 7) oder ethnisch-nationaler (Typ 9) Integrationsmechanis-men subjektiv entschärft werden können.

Gesellschaftliche Integration bedeutet somit je nach Typus etwas deutlich Unterscheidbares. In den meisten Fällen ist Prekarität keineswegs mit vollstän-diger Entwurzelung, totaler Isolation oder absoluter Armut identisch. Vielmehr agieren prekär Beschäftigte in einer eigentümlichen „Schwebelage“ (Kraemer und Speidel 2004, S. 119 ff.). Einerseits haben sie den Anschluss an die Zone der Normalität noch immer vor Augen und sie müssen alle Energien mobilisieren, um den Sprung in angesehene Verhältnisse vielleicht doch noch zu schaffen. Ande-rerseits sind permanente Anstrengungen auch nötig, um einen dauerhaften sozi-alen Abstieg zu vermeiden. Wer in seinen Anstrengungen nachlässt, dem droht im schlimmsten Fall ein Absturz in die Zone der Entkoppelung und damit unter die Schwelle gesellschaftlicher Respektabilität. Aufgrund der Diskontinuitäten ihres Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisses besitzen die modernen Prekarier keine Reserven, kein Ruhekissen. Stets sind sie die ersten, denen in Krisenzeiten Entlassungen drohen. Ihnen werden bevorzugt die unangenehmen Arbeiten auf-gebürdet. Sie sind die Lückenbüßer, die Mädchen für alles, deren materielle und qualifikatorische Ressourcen mit anhaltender Dauer der Unsicherheit allmählich verschlissen werden.

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Schaubild 1: (Des-)integrationspotentiale von Erwerbsarbeit – eineTypologieZone der Integration

1. Gesicherte Integration („Die Gesicherten“)2. Atypische Integration („Die Unkonventionellen“ oder „Selbstmanager“)3. Unsichere Integration („Die Verunsicherten“)4. Gefährdete Integration („Die Abstiegsbedrohten“)

Zone der Prekarität5. Prekäre Beschäftigung als Chance / temporäre Integration („DieHoffenden“)6. Prekäre Beschäftigung als dauerhaftes Arrangement („Die Realistischen“)7. Entschärfte Prekarität („Die Zufriedenen“)

Zone der Entkoppelung8. Überwindbare Ausgrenzung: („Die Veränderungswilligen“)9. Kontrollierte Ausgrenzung / inszenierte Integration („Die Abgehängten“)

Diese anstrengende „Schwebelage“ macht bis heute die spezifische Verwundbar-keit prekär Beschäftigter aus. Das alte Glückversprechen des sozialstaatlich regu-lierten Kapitalismus, wonach ein Normarbeitsverhältnis die Basis für langsam aber kontinuierlich wachsenden Wohlstand bildet, ist für die Prekarier außer Kraft gesetzt. Insofern meint Integration in der „Zone der Verwundbarkeit“ etwas völlig anderes als in der Welt der Standardarbeitsverhältnisse. Gerade weil sich die pre-kär Beschäftigten im unmittelbaren Erfahrungsbereich der über Normarbeitsver-hältnisse Integrierten bewegen, wirken sie als ständige Mahnung. Festangestellte, die Leiharbeiter zunächst als wünschenswerten Flexibilisierungspuffer betrach-ten, beschleicht ein diffuses Gefühl der Ersetzbarkeit, wenn sie an die Leistungs-fähigkeit der Externen denken. Sie sehen, dass ihre Arbeit zu gleicher Qualität auch von Personal bewältigt werden kann, das für die Ausübung dieser Tätigkeit Arbeits- und Lebensbedingungen in Kauf nimmt, die in der Stammbelegschaft kaum akzeptiert würden. Obwohl Leiharbeiter und befristet Beschäftigte im Betrieb oft nur kleine Minderheiten sind, wirkt ihre bloße Präsenz disziplinierend auf große, gewerkschaftlich gut organisierte Belegschaften zurück. Im Bereich hoch qualifizierter Angestellter produzieren Freelancer einen ähnlichen Effekt. Schon ihre – allerdings auf wenige Wochentage beschränkte – Langzeitpräsenz im Büro sorgt dafür, dass Festangestellte in gleicher Weise mitziehen. Bei befrag-ten Bauarbeitern (Typ 3) ist es die Präsenz polnischer Kontingentarbeiter, die sie im Interesse der Beschäftigungssicherung zu weitreichenden Zugeständnissen bei tariflich vereinbarten Lohn- und Arbeitszeitstandards bewegt.

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So finden sich im Grunde in allen Beschäftigungssegmenten Wechselbe-ziehungen zwischen Stammbelegschaften und flexiblen Arbeitskräften, die ein unbefristetes Vollzeiterwerbsverhältnis subjektiv als verteidigungswertes Privileg erscheinen lassen. Auf diese Weise sorgt die sozialräumliche Konfrontation der Festangestellten mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen nicht nur für eine „Destabilisierung des Stabilen“ (Castel 2000, S. 357). Indem sie die einen dis-zipliniert und den anderen elementare Voraussetzungen für Widerständigkeit und Gegenwehr nimmt, fördert die Prekarisierung zugleich eine eigentümliche „Sta-bilisierung der Instabilität“. Insofern ist Prekarisierung kein Phänomen an den Rändern der Arbeitsgesellschaft. Denn sie „bewirkt eine allgemeine subjektive Unsicherheit, welche heutzutage mitten in einer hoch entwickelten Volkswirt-schaft sämtliche Arbeitnehmer, einschließlich derjenigen unter ihnen in Mitlei-denschaft zieht, die gar nicht oder noch nicht von ihr betroffen sind“ (Bourdieu 1998, S. 97 f.).

4 Prekarität: Was hat sich verändert, was ist neu?

Die Prekarisierung wirkt somit desintegrierend und zugleich als disziplinierende Kraft. Sie stellt ein Macht- und Kontrollsystem dar, dem sich in der gespaltenen Arbeitsgesellschaft auch die formal Integrierten nicht zu entziehen vermögen. So lautete der zentrale Befund unserer empirischen Studien, die wir vor der globa-len Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 abgeschlossen hatten. Wich-tig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei Prekarität und Prekarisierung nicht primär um Kategorien der Soziologie des Arbeitsmarktes handelt. Ob und wie Prekarität wirkt, lässt sich nicht anhand der Arbeitsmarktstatistik auszählen. Es ist durchaus möglich, dass die Präsenz von 500 Leiharbeitern 30.000 gewerk-schaftlich gut organisierte Stammbeschäftigte einschüchtert. Entscheidend ist, ob das gesellschaftliche Umfeld der stillen Drohung Glaubwürdigkeit verleiht. Vor der globalen Finanzkrise von 2008/2009 war dieses Umfeld von Dynamiken bestimmt, die wir an anderer Stelle unter dem Begriff (finanz-)marktgetriebene Landnahme des Sozialen zusammengefasst haben (Dörre 2015, S. 270). Damit sind strukturelle Veränderungen gemeint, die zur Herausbildung eines „nachfor-distischen“ Kapitalismus neuen Typs geführt haben, der nun in all seinen Varia-tionen in eine Phase geraten ist, die wir als ökonomisch-ökologische Zangenkrise bezeichnen (Dörre 2015, S. 264). Diskriminierende Prekarität, also eine histo-risch-spezifische Ausprägung von Prekarität, die auch und gerade zuvor geschützte Lohnabhängigengruppen erfasst und ihren durch kollektives Sozialeigentum kon-stituierten Sozialbürgerstatus infrage stellt, war und ist Folge markgetriebener

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Landnahmen, die sich über eine Vielzahl von Transfermechanismen (Expansion der Finanzmärkte, öffentliche und private Verschuldung, Shareholder-Value-Steu-erung von Unternehmen, kommodifizierende Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiken) und Bewährungsproben (Regelung der Zugänge zu Arbeitsmarktsegmenten und Transferleistungen durch aktivierende Arbeitsmarktpolitik) auf mehr oder minder alle gesellschaftlichen Sektoren auswirken.

Mit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 ist auch der Modus Operandi dieser Landnahmen allerdings an seine Grenzen geraten. Anders gesagt, trotz zahlreicher Kontinuitäten lässt sich der Finanzmarkt-Kapitalismus als Wachstumsprojekt nicht mehr unverändert weiterführen. Die kapitalistischen Zentren befinden sich an einer Wegscheide, an der grundlegende Entscheidungen für künftige gesellschaftliche Entwicklungen erfolgen. In der Bundesrepublik werden diese Weichenstellungen von den maßgeblichen Akteuren aus der Position der – vorläufigen – Krisengewinner vorgenommen. Aus dem globalen Crash ist Deutschland als uneingeschränkte ökonomische Führungsmacht Europas hervor-gegangen. Der ökonomische Spielraum des „halbhegemonialen“ Exportweltmeis-ters wird im Inneren genutzt, um eine Verwilderung des Arbeitsmarktes und der Arbeitsbeziehungen, die wirtschaftlich dysfunktional zu werden beginnt, u. a. mit einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn oder der gruppenspezifischen Rück-kehr zur Rente mit 63 politisch einzudämmen. Das hat Auswirkungen auf das Ausmaß, die Wirkung und die subjektiven Verarbeitungsformen von Prekarität.

Was hat sich seit der globalen Finanzkrise mit Blick auf die Prekarisierung der Arbeitswelt verändert? Wir beschränken uns auf einige wichtige Trends. Zunächst lässt sich konstatieren, dass die Entwicklung am Arbeitsmarkt (1) zur Heraus-bildung einer prekären Vollerwerbsgesellschaft (vgl. Dörre et al. 2013) geführt hat.4 Seit 2005 ist die Erwerbslosigkeit – nur unterbrochen von einem kurzzei-tigen Anstieg 2009 – kontinuierlich zurückgegangen. Zwischen 1995 und 2014 sank die Arbeitslosenquote, die 2005 mit 11,7 % ihren Höchstwert erreicht hatte, von 9,5 auf 6,7 %. Zugleich hat die Erwerbstätigkeit erheblich zugenommen. Im Vergleich zu 1991 ist die Zahl der Erwerbstätigen um ca. 3,7 Mio. (2014) gestie-gen. Auffällig ist jedoch, dass das Volumen bezahlter Erwerbsarbeitsstunden trotz einer Rekordzahl an Erwerbstätigen 2014 noch immer unter dem Niveau von 1991 lag. Wurden 1991 ca. 60,3 Mrd. h bezahlte Erwerbsarbeit verrichtet, waren es 2014 nur 58,3 Mrd. h (2005: 55,5 Mrd. h). Noch deutlicher tritt diese Tendenz

4Soweit nicht anders ausgewiesen, stammen die präsentierten nachfolgenden Arbeits-marktdaten aus: Destatis. Datenreport (2016). Kap. 5. Arbeitsmarkt und Verdienste. Berlin (o. O.), S. 125–149.

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hervor, wenn man die bezahlten Erwerbsarbeitsstunden im Jahresdurchschnitt pro Erwerbstätigen betrachtet. Leistete ein Erwerbstätiger 1991 noch durchschnitt-lich 1554 Arbeitsstunden, so waren es 2014 nur noch 1366 h. Das entspricht einem Rückgang um 12 %. Seinen Tiefpunkt hatte das Arbeitsvolumen erst 2013 erreicht (1362 h). Insgesamt wird also ein geschrumpftes und ab 2005 nur lang-sam steigendes Arbeitsvolumen auf immer mehr Erwerbstätige verteilt – und das in einem stark asymmetrischen Verhältnis. Während Hochqualifizierte unver-hältnismäßig lange arbeiten und Arbeitszeiten von weit über 50 h keine Selten-heit sind, sehen sich atypisch und prekär Beschäftigte entgegen ihren Wünschen zumeist unterbeschäftigt. Die tatsächlichen durchschnittlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten liegen selbst in der vergleichsweise gut regulierten Metall- und Elektroindustrie längst wieder deutlich über der 40-Stunden-Marke. Eine 35-Stundenwoche, wie sie tariflich vereinbart ist, steht für viele Stammbeschäf-tigte nur auf dem Papier.

Bedeutsam ist, dass die Integration in den Arbeitsmarkt insbesondere von Frauen in Dienstleistungsberufen in großem Ausmaß über nicht standardisierte Arbeitsverhältnisse erfolgt. Insgesamt arbeitete 2014 ca. jeder fünfte Erwerbs-tätige (21 % und absolut 7,5 Mio.; 2004: 19 %) „atypisch“, d. h. in einem Teil-zeit-, einem geringfügigen, einem befristeten oder einem Leiharbeitsverhältnis. Zwar ist nicht jedes atypische Beschäftigungsverhältnis prekär; aber Prekarität beschränkt sich auch nicht auf diese Erwerbsformen. Deutschland hat mittler-weile einen der größten Niedriglohnsektoren der OECD-Welt, der kontinuierlich 22 bis 24 % der abhängig Beschäftigten (Bosch 2014) umfasst. Mehr als zehn Prozent der Vollzeitbeschäftigten sind Niedriglöhner. Hinzu kommt die stei-gende Zahl der Soloselbstständigen, bei denen es sich überwiegend um prekäre Beschäftigte handelt. Ca. fünf Prozent der Beschäftigten sind Multijobber. Viele von ihnen üben mehrere Erwerbstätigkeiten aus, weil sie sich und ihre Familien nur so einigermaßen „über Wasser“ halten können. Diese wenigen Daten mögen genügen, um zu verdeutlichen, dass Prekarität auch und gerade in Deutsch-land keineswegs verschwunden ist. Das Gegenteil ist der Fall. Erwerbslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit werden mittels Ausweitung prekärer Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse reduziert. Trotz günstiger konjunktureller und demo-grafischer Entwicklung und einer positiven Beschäftigungswirkung des allgemei-nen gesetzlichen Mindestlohns sind atypische Beschäftigungsformen seit 2010 nur leicht zurückgegangen. Dagegen lag das ungenutzte Arbeitskräftepotenzial 2014 noch immer bei ca. 6 Mio. Personen (2,1 Mio. Erwerbslose, 2,9 Mio. Unter-beschäftigte, 1,0 Mio. stille Reserve).

Nicht weniger gravierend als die Herausbildung einer prekären Vollerwerbs-gesellschaft ist (2) die Tendenz zur Klassenbildung an oder unter der Schwelle

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gesellschaftlicher Respektabilität. Dazu haben die aktivierende Arbeitsmarkt-politik und insbesondere Hartz IV maßgeblich beigetragen. Wie gezeigt, haben die „Hartz-Gesetze“ keineswegs mehr Erwerbsarbeit geschaffen. Die Hauptwir-kung von Hartz IV besteht vor allem darin, dass die Schwelle gesellschaftlicher Respektabilität sozialräumlich näher an die „Zone der Normalität“ heranverlegt wurde. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, läuft Gefahr, auf den Hartz-IV Status und damit unter die Schwelle gesellschaftlicher Respektabilität zurückzufallen. Zwar ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen zwischen 2006 und 2011 um ca. 40 % zurückgegangen, um sodann auf dem erreichten Niveau zu verharren. Es gibt aber einen harten Kern von etwa einer Mio. Menschen, die über zehn Jahre hinweg niemals aus dem Leistungsbezug herausgekommen sind. Insgesamt waren 2014 4,4 Mio. Menschen auf SGB-II-Leistungen angewiesen, bei 3,1 Mio. handelte es sich um Langzeitleistungsbezieher. Insgesamt war lediglich die Hälfte der Leis-tungsbezieher arbeitslos. Nur ca. 770.000 Personen waren sowohl langzeitarbeits-los als auch Langzeitleistungsbezieher.

Hinter diesen Daten verbergen sich gravierende Veränderungen der Sozial-struktur. Der Leistungsbezug konstituiert eine Soziallage, die eine sozial neu zusammengesetzte Unterklasse hervorgebracht hat.5 Die Daten sprechen für eine Verstetigung von Lebenslagen, in denen sich soziale Mobilität auf Bewe-gung zwischen prekärem Job, sozial geförderter Tätigkeit und Erwerbslosigkeit beschränkt. Es kommt fortwährend zu Positionsveränderungen, aber die soziale Mobilität bleibt eine zirkulare, weil sie in vielen Fällen nicht aus dem Sektor pre-kärer Lebenslagen hinausführt. Nur wenige der von uns befragten Leistungsbe-zieher haben nach sieben Jahren den Sprung in Verhältnisse geschafft, die sie vom Leistungsbezug dauerhaft befreien. Die anderen durchlaufen mitunter zwei, vier, sechs und mehr berufliche Stationen. Sie springen von der Erwerbslosigkeit in den Ein-Euro-Job, von dort in die Aushilfstätigkeit, dann in eine Qualifizierungs-maßnahme und so fort, um am Ende doch wieder im Leistungsbezug zu enden.

Je länger die Menschen im Leistungsbezug verbleiben, desto stärker wird der Druck, einen Habitus zu verinnerlichen, der ihnen das soziale Überleben ermög-licht. Dieser Überlebenshabitus bedingt, dass sich Leistungsbezieher vom Rest der Gesellschaft unterscheiden. Dabei geht es nur selten um das physische Überleben. Doch mit zunehmender Dauer des Leistungsbezugs sind die Befragten gezwun-gen, sich mit materieller Knappheit, geringer gesellschaftlicher Anerkennung und einer engmaschigen bürokratischen Kontrolle ihres Alltagslebens zu arran-gieren. Wenn sie sich arrangieren, separiert sie das vom Rest der Gesellschaft.

5Zum Folgenden vgl. Dörre et al. (2013).

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Separieren sie sich, eignen sich ihre Lebensentwürfe als Objekt für kollek-tive Abwertungen durch die Gesellschaft respektierter Bürgerinnen und Bür-ger. Gerade weil sich die Leistungsbezieher an widrige Bedingungen anpassen, werden sie zur Zielscheibe negativer Klassifikationen durch die „Mehrheits-gesellschaft“. Aus diesem Grund begreifen sich die befragten Leistungsbezie-her als Angehörige einer „stigmatisierten Minderheit“, die alles dafür tun muss, Anschluss an die wahrgenommene gesellschaftliche Normalität zu finden. Wer trotz eines relativ dynamischen Arbeitsmarktes lange im Leistungsbezug ver-bleibt, ist diskreditierbar. Haftet es einmal an der Person, können sich die Betrof-fenen des Stigmas Hartz IV nur noch schwer entledigen. Die Hartz-IV-Logik („Jede Arbeit ist besser als keine!“) verlangt von ihnen, gerade jene qualitativen Ansprüche an Arbeit und Leben aufzugeben, die besonderes Engagement zur Ver-besserung der eigenen Lage überhaupt erst motivieren. Wenn sich wegen zirku-larer Mobilität Verschleiß einstellt, setzt hingegen Anspruchsreduktion ein – und genau das macht krank oder erzeugt Resignation und Passivität. Insofern fördert eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik, die Erwerbslosigkeit nicht als strukturel-les Problem, sondern als individuell verantwortet begreift, Klassenbildung durch kollektive Abwertung. Länger im Leistungsbezug zu verweilen bedeutet, eine Position unterhalb einer unsichtbaren „Schwelle der Respektabilität“ einzuneh-men. Deshalb schreckt „Hartz IV“ ab. Die Bereitschaft auch von Noch-Beschäf-tigten unterwertige, prekäre Jobs anzunehmen, um einen Status gesellschaftlicher Missachtung zu vermeiden, nimmt in dem Maße zu, wie der Absturz unter die Schwelle gesellschaftlicher Respektabilität wahrscheinlicher wird.

Allerdings, so muss (3) hinzugefügt werden, wirkt dieses Disziplinarregime der Prekarisierung weder widerspruchfrei noch linear. Stattdessen führt der Rück-gang der Arbeitslosigkeit dazu, dass prekäre Verhältnisse zunehmend Protest und Widerständigkeit hervorrufen. Die neue Konflikthaftigkeit in den Arbeits-beziehungen ist dafür ein wichtiger Indikator. Die kontinuierliche Zunahme von Arbeitskämpfen und insbesondere das Streikjahr 2015 zeugen von einem neu erwachten gewerkschaftlichen Selbstbewusstsein. Rund zwei Millionen Streik-tage (2014: 392.000) mit etwa 1,1 Mio. Beteiligten (2014: 345.000 Streikende, WSI 2016) stehen in deutlichem Kontrast zur Rückläufigkeit von Arbeitskämp-fen, wie sie in vielen OECD-Staaten zu beobachten sind. Allerdings finden die Auseinandersetzungen in zwei höchst differenten Welten der sozialen Regulation von Arbeit und Beschäftigung statt. Handlungsfähig sind die Gewerkschaften vornehmlich in der ersten Welt tariflicher Regulation, in der branchenbezogene Vereinbarungen noch immer die Norm sind. Jenseits davon, in der Welt deregu-lierter und häufig prekärer Arbeit, müssen sich die Gewerkschaften ihre Hand-lungsfähigkeit mühsam, das heißt Betrieb für Betrieb und Branche für Branche

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erstreiten, gegebenenfalls auch erstreiken. Das Grenzregime zwischen den beiden Welten ist strukturell konfliktträchtig. Es erzeugt zahlreiche kleinere Auseinan-dersetzungen um Firmen- und Haustarife, die einer eigenen Logik folgen. Nur in besonders spektakulären Fällen gelangen diese Konflikte in die Schlagzeilen und werden deshalb vielfach nicht von der Streikstatistik erfasst. Nach den vor-liegenden Zahlen haben sich Tarifkonflikte, die mit Streiks verbunden sind, bin-nen weniger Jahre von nur 82 (2007) auf 214 (2014) beinahe verdreifacht (WSI 2016). Die Auseinandersetzungen finden zu über 50 % mit relativ geringen Zah-len an Streikbeteiligten im Dienstleistungssektor, in geringerem Umfang aber auch im industriellen Kernbereich statt.

An der Grenzlinie zwischen der ersten und der zweiten Welt tariflicher Regu-lation werden betriebs- oder unternehmenszentrierte Konflikte zum Normalfall. Vor allem jedoch werden die Arbeitskämpfe tendenziell weiblicher. Sie erfassen Bereiche und Branchen, die nicht zu den klassischen Gewerkschaftshochburgen gehören und sie werden häufiger von prekär Beschäftigten getragen, die sich mit wahrgenommener Lohnungerechtigkeit und Unsicherheit nicht länger arrangie-ren wollen. Nehmen wir ein Beispiel: Die Automobilbranche rund um Leipzig zählte 2015 rund 18.000 Beschäftigte. Nur 8300 gehörten zur Stammbelegschaft von Porsche oder BMW. Alle anderen arbeiteten bei Zulieferern, bei Werkver-tragsunternehmen oder als Leiharbeiter. Nahezu 30 % der befragten Beschäftig-ten verdienten inklusive aller Zuschläge monatlich weniger als 1750 EUR brutto. Fast 44 % fehlte das Geld für den Urlaub, obwohl 90 % auch an Wochenenden und Feiertagen arbeiteten.6 Das Beispiel illustriert: Auch wenn nach einfachen und Facharbeitern differenziert wird, bildet der Arbeiterstatus keine homogene Klassenlage ab. In fragmentierten Arbeitsbeziehungen verfügen nicht einmal Produktionsarbeiter über einen gemeinsamen Klassenhabitus; viel wahrschein-licher ist, dass sie unterschiedlichen Klassen oder Klassenfraktionen angehören. Die Arbeiter der „zweiten Welt“ bewegen sich zumindest beim Verdienst und den Lebensstilen in sozialer Nähe zu einem vornehmlich weiblichen Dienstleis-tungsproletariat, das längst die Majorität der lohnabhängigen Klassen ausmacht. Doch was lange Zeit ertragen wurde, verwandelt sich angesichts zurückgehen-der Arbeitslosigkeit in einen Auslöser für gewerkschaftliche Organisierung und kollektives Engagement. Ein befragter Gewerkschaftssekretär formuliert das so: „Die [prekär beschäftigten jungen Arbeiter, KD] machen sich um den Betrieb kaum noch Gedanken. […] ‚Am liebsten brennen wir die Hütte ab, was geht mich

6IG Metall (Hg.) (2015): Sozialreport. Automobilcluster Leipzig, Frankfurt/M; Dörre et al. (2016).

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der Laden an? Geht der pleite, dann geht der pleite. Geh ich zum nächsten. Muss ich sowieso‘“ (vgl. Dörre et al. 2016, S. 115).

In anderen Worten, Prekarität ist zu einem umkämpften Feld geworden. Es muss eben nicht alles schlechter werden, um die – völlig berechtigte – kollek-tive Wahrnehmung einer ungerechten Gesellschaft hervorzubringen. Gerade der Rückgang der Arbeitslosigkeit kann dazu führen, dass diejenigen, die hinter der medial vermittelten Welt des Jobwunder-Landes zurückbleiben, nun beginnen, ihre Ansprüche an gute Arbeit und ein gutes Leben selbstbewusster, teilweise aber auch mit Verbitterung vorzutragen. Ein von uns befragter Gewerkschaftssekretär hat eine verbreitete Stimmung mit folgenden Worten auf den Punkt gebracht:

Es ist nicht einfach Angst, es ist eine Mischung von vielen Einflüssen, die Arbeit-nehmer unzufrieden macht. Im Osten leben die meisten an Orten, aus denen man kommt und nicht in Städten, in die man geht. Man kann fest angestellt sein und ver-dient doch nicht genug, um sich ein Leben leisten zu können, wie es die Medien als normal darstellen. Viele haben das Gefühl, in einer prosperierenden Gesellschaft nicht mithalten zu können, den Anschluss zu verlieren. Für diese Probleme gibt es aber keine gesellschaftliche Öffentlichkeit. Arbeiter kommen nirgendwo vor. Und dann kommen die Flüchtlinge und erhalten eine Aufmerksamkeit, die man selbst nicht bekommt. Es gibt Investitionen, Lehrer, Personal für Sprachkurse und beruf-liche Qualifizierung. Das halten viele für ungerecht. Und deshalb ist es selbst für Betriebsräte und aktive Gewerkschafter kein Widerspruch, sich aktiv an einem Arbeitskampf zu beteiligen und gleichzeitig zur PEGIDA-Demonstration zu gehen.7

Es ist der Abstand zu einer fiktiven, einer inszenierten gesellschaftlichen Rea-lität und damit eine spezifische Variante relational wirkender Prekarität, die Frustration und Wut erzeugt und inzwischen auch zum Aufbegehren provoziert. Es ist nicht unbedingt die Angst vor Statusverlust, sondern die Unzufriedenheit damit, dass man einen Status, den man selbst als angemessen betrachtet und der eigenen Leitungen entspricht, nicht erreichen kann. Man empfindet sich als unverschuldet anormal, als abgewertet und genau das erzeugt Verdruss. Diese Beobachtung gilt weit über den industriellen Sektor hinaus und trifft zuneh-mend auch auf jene Bereiche zu, die sich der Bildung, Erziehung, Pflege und Reproduktion der Arbeitskraft widmen. Der Modus Operandi kapitalistischer Landnahme impliziert in diesen Sektoren, dass (weiter-)bildende, erziehende, pflegende, helfende Berufstätigkeiten in Quasi-Märkten verrichtet werden, in

7Das Zitat stammt aus einer laufenden Erhebung, die sich mit rechtspopulistischen Orien-tierungen bei Gewerkschaftern erfasst. Zitiert wird nach Mitschrift.

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denen sich (halb-)staatliche und Non-Profit-Organisationen, die Sorgeleistun-gen bereitstellen, in ihrer Funktionsweise mehr und mehr gewinnorientierten Unternehmen annähern. Entgegen ihrer an der Person und dem Körper orientier-ten Logik werden bildende, erziehende und pflegende Tätigkeiten betriebswirt-schaftlichen Kostenkalkülen unterworfen und auf diese Weise vereinnahmt, ohne dass sie deshalb dem Gewinninteresse kapitalistischer Unternehmen unmittelbar subsumiert sein müssen. Professionelle Sorge- und Bildungstätigkeiten werden einer Marktsteuerung überantwortet, deren Organisation sich tendenziell an die betriebswirtschaftlich kalkulierenden Unternehmen annähert, während Beschäf-tigte zu Konditionen arbeiten, die bei Einkommen, Arbeitsbedingungen und gesellschaftlicher Wertschätzung wohlfahrtsstaatlich normierte Standards deut-lich unterschreiten.

Daraus resultierende Spannungen haben sich u. a. in den Sozial- und Erzie-hungsdiensten in einem harten, exemplarisch ausgetragenen Arbeitskampf ent-laden. Dabei konnten sich die Gewerkschaften als Machtressource zunutze machen, was den dominanten Akteuren (Staat, Kirchen, freie Träger) lange Zeit zur Legitimation von ungleichem Tausch und Überausbeutung diente – das besonderes Berufsverständnis von Erzieherinnen. Lange Zeit schien das profes-sionelle Selbstverständnis dieser Berufsgruppe Arbeitskämpfe auszuschließen. Zum Berufsverständnis gehörte es, die Kinder in den Horten so gut wie mög-lich betreuen zu wollen. Streiks würden, so eine verbreitete Auffassung unter den Erzieherinnen, vor allem die Kinder und deren Eltern treffen. Deshalb waren Organisations- und Streikbereitschaft in der Branche lange Zeit nur gering ent-wickelt. Mit Beginn der 2000er Jahre hat sich dies allmählich und offenbar auch nachhaltig verändert. Dazu haben der öffentliche Diskurs um die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung und die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt erheb-lich beigeragen. Beides hat ein größeres Selbstbewusstsein der überwiegend weiblichen Beschäftigten ermöglicht. Von einem Hindernis ist das Berufsethos der Erzieherinnen zum Katalysator kollektiver Handlungsfähigkeit und Streikbe-reitschaft geworden. Die vornehmlich weiblichen Arbeitskräfte in den Sozial- und Erziehungsdiensten beginnen, eine Art Facharbeiterinnenbewusstsein zu entwi-ckeln. Im Vergleich zu den überwiegend männlichen Produktionsarbeitern in der Industrie betrachten sie sich als unterbezahlt. Die am Reißbrett geplante ver.di-Kampagne „Richtig gut. Aufwerten jetzt!“ setzte bewusst an dem gewachsenen beruflichen Selbstbewusstsein an. Obwohl oder gerade weil zentral geplant und von den zuständigen Gremien und Stäben vorbereitet, nahm die Kampagne lokal und regional die Form einer sozialen Bewegung an, die besonders in einigen Bun-desländern große Mobilisierungserfolge verzeichnen konnte (Dörre et al. 2016).

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5 Prekarität und Weiterbildung – einige Schlussfolgerungen

Auch für Teile der academic workforce gilt mittlerweile, dass sie allmählich die Geduld verlieren. Gewerkschaften beginnen, akademische Prekarität als zukunfts-trächtiges Feld kollektiver Interessenpolitik zu entdecken. Mit Organisationen wie Unter_bau entstehen zusätzlich oder auch in Abgrenzung zu den etablierten gewerkschaftlichen Gliederungen neue Formen der Selbstorganisation akademi-scher Arbeitskräfte. Anders als in vergleichbaren Ländern sind die Kämpfe um akademische Prekarität noch nicht eskaliert. Und sie haben den Weiterbildungs-sektor mit seinen Teilmärkten noch kaum erfasst. Das muss aber nicht so bleiben. Das akademisch qualifizierte (weiter-)bildende Prekariat ist gewiss keine Klasse im Werden. Möglicherweise kann es jedoch zur besonders agilen und in gewisser Weise auch radikalen Vorhut eines gesellschaftlichen Blocks prekär Beschäftigter werden, der sich die Aufwertung und angemessene Finanzierung auch der öffent-lichen Weiterbildung zum Ziel setzt.

Um über einen ständischen Charakter hinauszugehen, hätten solche Bestre-bungen in Rechnung zu stellen, dass Prekarität auch die soziale Selektion im (Weiter-)Bildungssystem verstärkt. Je ausgeprägter die Prekarität von Bildungs-karrieren ist, desto größer ist ihre abschreckende Wirkung für den Nachwuchs lohnabhängiger Klassen (vgl. Laufenberg 2016). Das gesamte Bildungssystem ist in Deutschland wieder zum Katalysator klassenspezifischer Ungleichheiten geworden, die in der OECD-Welt ihresgleichen suchen. Es wäre verwunder-lich, wenn die Prekarisierten dies auf Dauer ohne Protest und Widerstand hin-nehmen würden. Um Schließungsmechanismen aufzubrechen, die soziale Selektion wenigstens abzumildern und auch mit Blick auf die Folgen der Digi-talisierung wäre ein gut funktionierendes Weiterbildungssystem eine wichtige Voraussetzung. In diesem Zusammenhang sind Befunde der empirischen Wei-terbildungsforschung, wie sie eindrucksvoll u. a. von der Forschungsgruppe um Rolf Dobischat präsentiert werden, durchaus beunruhigend. Zwar kann, wie die Gruppe hervorhebt, von einer durchgängigen Prekarisierung der Weiterbildungs-arbeit keine Rede sein, in den Weiterbildungsmärkten zeichnet sich aber doch eine soziale Polarisierung ab, welche die Leistungsfähigkeit dieser Bildungs-dienstleistungen erheblich beeinträchtigen könnte. Was schon für die Gegenwart eine schwere Hypothek ist, könnte sich mit Blick auf die Möglichkeit einer digi-talen Spaltung als eine Achillesferse des deutschen (Weiter-)Bildungssystems erweisen. Das ist ein Grund mehr, Prekarisierungstendenzen in diesem sensiblen Sektor nachhaltig entgegen zu wirken.

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Über den Autor

Prof. Dr. Klaus Dörre Arbeitsschwerpunkte: Kapitalis-mustheorie/Finanzmarktkapitalismus, flexible und prekäre Beschäftigung, Partizipation in Unternehmen, Arbeitsbe-ziehungen und Strategic Unionism, Green New Deal, Autoritarismus bei Jugendlichen.

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Das Qualifizierungsdilemma der sozialen Dienstleistungen

Philipp Staab

ZusammenfassungAm Beispiel sozialer Dienstleistungsarbeit geht der Beitrag der Frage nach, wie die Gleichzeitigkeit inhaltlicher und qualifikatorischer Aufwertung und die Lohnstagnation in vielen sozialen Berufen zu erklären ist. Es wird argu-mentiert, dass soziale Dienstleistungen von einem Qualifizierungsdilemma geprägt sind: Zwar führt die Steigerung des Komplexitätsgrades und der Ansprüche an die Professionalität vieler sozialer Dienste zu einer inhaltlichen Aufwertung der Arbeitsprofile, die sich auch in einer Expansion von Bildungs-zertifikaten niederschlägt. Allerdings gehen damit keine signifikanten Lohnge-winne einher. Der Grund hierfür liegt in der sozialen Dienstleistungen eigenen Non-Progressivität: Im Vergleich zu industrieller Arbeit sind sie von einem systematisch sehr schwachem Produktivitätswachstum gekennzeichnet, was bedeutet, dass die Beteiligung an Produktivitätsgewinnen nicht als Grundlage für die Forderung nach deutlicher Lohnprogression ins Feld geführt werden kann. Die sozialen Dienste bilden Peripherien staatlicher Sozialpolitik, die – direkt über politisch gesicherte Mindestlöhne und indirekt über rechtliche Rahmenbedingungen – systematischer staatlicher Regulierung unterliegen. Die Wertzumessung sozialer Dienstleistungen ist somit eine genuin politi-sche Frage. Chancen auf einen Erfolg im Kampf für eine der inhaltlichen und qualifikatorischen Aufwertung entsprechende Entlohnung könnte einerseits

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_6

P. Staab (*) Universität Kassel, Nora-Platiel-Str. 5, 34109 Kassel, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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durch Prozesse sozialer Schließung gestärkt werden, bedürften allerdings andererseits zunächst eines spezifischen Funktionsbewusstseins aufseiten der Beschäftigten.

1 Einleitung

Zahlreiche Dienstleistungsberufe stehen seit geraumer Zeit unter starkem Ratio-nalisierungsdruck. Vor allem in vermeintlich einfachen Tätigkeiten wie Service-Aufgaben im Handel, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, den Gebäudeservices oder den distributiven Dienstleistungen in Post- und Paketdiensten haben in den vergangenen 15 Jahren Arbeitsinhalte eine deutliche Abwertung erfahren, die sich in systematisch niedrige Lohnniveaus übersetzt hat (Staab 2014a). Erst politische Interventionen in Form von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen branchenspe-zifischer Tarifabschlüsse und später durch den allgemeinen Mindestlohn haben hier Untergrenzen für die Entlohnung der Beschäftigten einziehen können.

Im Gegensatz hierzu haben Restrukturierungen von Arbeitsprozessen in vie-len sozialen Dienstleistungsberufen – beispielsweise innerhalb der Alten- und Krankenpflege sowie in unterschiedlichen Bildungs- und Erziehungsberufen – im gleichen Zeitraum zu einer inhaltlichen Aufwertung der dort vorherrschenden Arbeitsprofile beigetragen: Die Etablierung komplexer, computergestützter Doku-mentationssysteme, aber auch externe Faktoren wie gestiegene Ansprüche an frühkindliche Bildung und lebenslanges Lernen oder komplexere Symptomatiken im Bereich medizinischer Betreuungsleistungen haben dazu geführt, dass in sozi-alen Dienstleistungsberufen heute immer anspruchsvollere Tätigkeiten von den Beschäftigten verlangt werden (vgl. Staab 2014a, S. 153 ff.). Entsprechend lässt sich eine Zertifizierungsdynamik beobachten, die belegt, dass die gestiegenen Ansprüche an die Beschäftigten vielfach auch formal anerkannt werden. Einzig die Lohnentwicklung will nicht recht folgen: Trotz der inhaltlichen Aufwertung verbleiben viele soziale Dienstleistungsberufe im Niedriglohnbereich. Selbst in Tätigkeitsfeldern, die akademische Abschlüsse verlangen, zeigt sich zudem ein deutliches Lohngefälle zwischen Tätigkeiten im sekundären Sektor (Industrie) im Vergleich zum Bereich der Sorgearbeit (vgl. Dörre et al. 2014).1 Es kommt also

1Zum Begriff der Sorgearbeit: vgl. Knobloch (2013). Im vorliegenden Text werden die Begriffe der Sorgearbeit und der sozialen Dienstleistungen analog verwendet. Ungeachtet notwendiger Differenzierungen der beiden Termini sind für das im Text geführte Argument ihre Schnittmengen entscheidend.

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zu einer inhaltlichen und qualifikatorischen Aufwertung, die sich allerdings für die Beschäftigten kaum positiv niederschlägt.

Aus gendersensibler Perspektive wird dieser Umstand häufig – und nicht zu Unrecht – als Effekt mangelnder Anerkennung für strukturell weiblich dominierte Tätigkeitsbereiche beschrieben (vgl. Dörre et al. 2014). Bei einer solchen Deu-tung bleiben allerdings die genauen Mechanismen der Reproduktion des nied-rigen ökonomischen Status der sozialen Dienste meist im Dunkeln. Ich werde daher im Folgenden argumentieren, dass erst eine institutionentheoretisch reflek-tierte politische Ökonomie sozialer Dienstleistungsarbeit den Schlüssel für das Verständnis der scheinbar widersprüchlichen Kombination von inhaltlicher Auf-wertung und materieller Stagnation in vielen Sorge- und Bildungsberufen liefert.

Historische Vorbilder einer erfolgreichen Aufwertung von Arbeit finden sich vor allem im industriellen Sektor. Im zweiten Abschnitt beschreibe ich daher zwei idealtypische Mechanismen, die in den ersten drei Nachkriegsjahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland die Aufwertung der Produktionsarbeit getragen haben, um eine Heuristik für die Analyse der Situation in den sozialen Dienst-leistungen der Gegenwart zu gewinnen. Es zeigt sich: Entweder wurden durch Rationalisierungsprozesse Produktivitätssteigerungen erzielt, die dann, trotz einer inhaltlichen Abwertung der Tätigkeitsprofile der Beschäftigten, zur Redistribution in Form von Lohnsteigerungen zur Verfügung standen (Taylorismus/Fordismus). Oder aber Rationalisierungsprozesse führten darüber hinaus zum Entstehen neuer, anspruchsvollerer Tätigkeiten, die dann entsprechend erhöhter Qualifikations-niveaus auch besser entlohnt wurden („neue Produktionssysteme“). In letzterem Fall bildete die Kombination von Effizienzgewinnen und Qualifizierungsprozes-sen die Basis des materiellen Aufstiegs der Beschäftigten.

Im dritten Abschnitt werde ich zeigen, dass soziale Dienstleistungen durch eine in Relation zur Geschichte der Industriearbeit widersprüchliche Entwicklung gekennzeichnet sind: Restrukturierungsprozesse innerhalb der Arbeitssituationen bedingen zwar auch hier eine inhaltliche Aufwertung der Tätigkeitsprofile, führen aber nicht zu vergleichbaren Effizienzgewinnen wie im industriellen Sektor. Zwar steigen die Servicequalität und der Komplexitätsgrad der Tätigkeiten (und damit einhergehend vielfach die Qualifikationsniveaus). Die Produktivitätsentwicklung von Arbeit ist allerdings chronisch schwach, weshalb der Dispositionsspielraum für Lohnsteigerungen systematisch beschränkt bleibt. Das titelgebende Qualifi-zierungsdilemma sozialer Dienstleistungen besteht folglich in dem Umstand, dass trotz steigender Qualifikationsniveaus keine Dividenden von Effizienzsteigerun-gen eingefordert werden können. Die Frage der Lohnstruktur ist in den sozialen Diensten vielmehr genuin politischer Natur, da das Gros der dort versammel-ten Tätigkeiten direkt oder mittelbar durch den Wohlfahrtsstaat finanziert wird.

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Das Wachstum der sozialen Dienstleistungen im vergangenen Vierteljahrhundert ging allerdings einher mit ihrer sukzessiven Herauslösung aus dem öffentlichen Dienst. Die institutionellen Regulationsmechanismen, die die Lohnentwicklung im öffentlichen Sektor bis heute mittelbar an die Produktivitätsentwicklung in der Industrie koppeln, greifen heute für diese Arbeitsbereiche folglich nur begrenzt, was seinerseits dazu beiträgt, dass die Löhne trotz qualifikatorischer Aufwer-tung niedrig bleiben. Aus diesem Grund gehe ich im vierten Abschnitt auf zwei alternative Strategien ein, die die materielle Aufwertung sozialer Dienstleistun-gen befördern könnten: Institutionalisierung und professionelle Schließung. Der fünfte Abschnitt bildet ein zusammenfassendes Fazit.

2 Mechanismen der Aufwertung von Arbeit in der Industriegesellschaft

Die bundesrepublikanische Gesellschaft der ersten drei Nachkriegsjahrzehnte war eine Industriegesellschaft wie aus dem Lehrbuch. Nicht nur war ein erklecklicher Teil der Beschäftigten innerhalb des industriellen Sektors tätig.2 Der „Industria-lismus“ bildete zudem eine institutionelle Ordnung, die in der gesamten Arbeits-welt für die dominierenden rechtlichen Regelungsmechanismen, die alltäglichen Verhaltensnormen und -routinen sowie die Beziehungen von Markt und Arbeits-kraft stilbildend war (Baethge 2001, S. 29). Diese gesellschaftliche Konfiguration erscheint im Rückblick als ein System sozialer Aufstiege (Nachtwey 2016). Über die Expansion tertiärer Bildung wurden die Söhne (und im Zeitverlauf in zuneh-mendem Maße auch die Töchter) von Industriearbeitern, Hausmeistern und Koh-lekumpeln zu Büroangestellten, Lehrern, Ärzten oder Anwälten.

Im öffentlichen Diskurs wird dem Ausbau der Universitäten für die Dynamik sozialer Aufstiege gerne die Schlüsselrolle zugeschrieben. Übersehen wird dabei zuweilen, dass mit der Dynamik individueller Aufstiege in der Generationenfolge, welche in der Regel über den Erwerb tertiärer Bildungstitel erfolgte, eine zweite Logik kollektiven Aufstiegs korrespondierte. Wer zwischen den 1950er und den 1990er Jahren sein Arbeitsleben beispielsweise innerhalb eines Automobilwer-kes, eines Chemiekonzerns oder eines Stahlwerks verbrachte, der wurde Zeuge massiver Veränderungen der Produktionsprozesse mit erheblichen Folgen für die Qualität der eigenen Arbeitssituation und die entsprechende Entlohnung. Auf der

2In Ralf Dahrendorfs Kalkulation von (1965) werden beispielsweise 50 % der Beschäftig-ten der Arbeiterschicht und der Arbeiterelite zugerechnet.

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qualitativen Ebene kam es im Verlauf der Transformation der Produktionspro-zesse zu einer inhaltlichen Aufwertung und Humanisierung der Arbeit. Durch zeitgleich steigende Lohnniveaus wurden die Arbeiter auch in materieller Hin-sicht aus ihrem „proletarischen Lebensschicksal“ (Briefs 1937) befreit. Es fand ein kollektiver „Aufstieg zur Respektabilität“ (Mooser 1984) statt. Zwei aufein-ander folgende und sich anschließend überlagernde Mechanismen prägten diesen Prozess.

Erstens kam es durch die Rationalisierung der Produktionsprozesse in der Industrie zu einer Produktivitätsrevolution. Diese fiel in der Bundesrepublik besonders drastisch aus, da im Zuge des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit neue Produktionsmodelle relativ reibungslos umgesetzt werden konnten.3 Nach Vorbild des Hauses Ford, wo mit der Produktion des Modell T schon ab 1908 ein soziales Produktionsmodell etabliert worden war, welches die Arbeiter nicht nur als möglichst billige Produktionsfaktoren begriff, sondern als potenzielle Kon-sumenten der von ihnen hergestellten Waren, wurde auch in der Bundesrepublik zunehmend auf die Ermöglichung eines breiten Massenkonsums gesetzt. Die ste-tig steigenden Produktivitätsraten dienten dabei den seinerzeit starken Gewerk-schaften als Argument für die Forderung einer angemessenen Beteiligung der Arbeiter an den erwirtschafteten Dividenden (vgl. Crouch 2009).

In der Industriesoziologie jener Zeit galt diese Entwicklung allerdings – nicht nur in Deutschland – keineswegs als Selbstläufer. Vielmehr wurde Marxschen Theoremen folgend erwartet, dass die Taylorisierung der Produktionsarbeit einer-seits zu einer Dequalifizierungsdynamik führen würde, weil ehemals ganzheitli-che, handwerksförmige Tätigkeiten am Fließband entwertet würden. Andererseits galt der fortschreitende Maschineneinsatz als ein Instrument, menschliche Arbeit sukzessiv überflüssig zu machen und damit die Regimenter der industriellen Reservearmee zu füllen, wovon wiederum steigender Lohndruck auf die verblei-bende Beschäftigung erwartet wurde (vgl. Brose 1998).

Es kam freilich anders, denn die Rationalisierung der Produktionsapparate entpuppte sich als zweite Triebfeder für den kollektiven Aufstieg der Industrie-arbeiter. Zwar verschwanden viele einfache Tätigkeiten durch die seit den 1970er Jahren stetig fortschreitende Maschinisierung und Automatisierung der Produk-tion aus dem Arbeitsprozess. Es entstanden jedoch auch zahlreiche neue Tätig-keiten in Bereichen wie der Anlagenüberwachung, der Maschinenkontrolle oder

3Im allgemeinen waren freilich alle Industriegesellschaften durch die fortschreitende Taylo-risierung der Industriearbeit geprägt. Die Produktivitätsdividenden fielen lediglich, entspre-chend des jeweiligen Entwicklungsniveaus, zu unterschiedlichen Zeitpunkten an.

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der Produktionsplanung (vgl. Kern und Schumann 1984). Diese neuen Aufgaben waren von gestiegenen Anforderungen an die Qualifikationen der Beschäftigten gekennzeichnet, was einer inhaltlichen Aufwertung der Tätigkeiten gleichkam. Im Verlauf dieser Aufwertungsdynamik wurden nicht nur zahlreiche repeti-tive, gefährliche und gesundheitsbelastende Tätigkeiten durch körperlich weni-ger anstrengende Aufgaben mit einem höheren Arbeitsschutzniveau ersetzt. Die gestiegenen Qualifikationsniveaus übersetzten sich auch in steigende Löhne, die wiederum auf Basis der progressiven Produktivitätsentwicklung durchsetzbar waren.

3 Die sozialen Dienstleistungen: Blockierte Aufstiege

Die Industriegesellschaft der Nachkriegszeit ist heute freilich weitgehend Geschichte. Die Strahlkraft der Institutionen des Industrialismus erstreckt sich, selbst in einer Arbeitsgesellschaft mit vergleichsweise starker industrieller Basis wie in Deutschland, nur mehr auf die Kernbereiche der industriellen Produktion und des öffentlichen Dienstes. Auch die Beschäftigungsschwerpunkte haben sich in allen Ländern der OECD-Welt hin zum Dienstleistungssektor verschoben, in dem heute in der Regel mehr als zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten.4

Die sozialen Dienstleistungen in Ausbildungs-, Erziehungs- und Pflegeberu-fen nehmen bei der Expansion des tertiären Sektors aus mehreren Gründen eine Schlüsselrolle ein. Erstens erzeugte die sukzessive inhaltliche Aufwertung von Arbeit, wie sie nicht nur im industriellen Sektor stattfand, neue Qualifizierungs-bedarfe, die nur von einem stetig wachsenden Bildungssektor bedient werden konnten. Die Expansion sozialer Dienstleistungsarbeit in Form von Bildungs- und Erziehungsberufen wurde daher zu einer notwendigen Bedingung für die Herstel-lung und den Erhalt des von der Wirtschaft benötigten Arbeitskräftepotenzials. Zweitens sorgte die immer weiter steigende Nachfrage nach Arbeitskraft in der Gesamtwirtschaft – neben anderen Faktoren – für einen seit den späten 1970er Jahren rasanten Anstieg weiblicher Erwerbsbeteiligung. Da immer mehr Frauen Lohnarbeit nachgingen, stieg zugleich der Bedarf an Erziehungs-, Betreuungs- und anderen Sorgetätigkeiten, da diese bis zu jenem Zeitpunkt in der Regel unentgelt-lich von jenen Frauen erbracht worden waren, die nun in die Lohnarbeit eintraten.

4In der Bundesrepublik waren im Jahr 2015 beispielsweise 74 % der Beschäftigten im terti-ären Sektor tätig (Statistisches Bundesamt 2016).

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Drittens – und für den vorliegenden Zusammenhang entscheidend – stellen die sozialen Dienstleistungen in arbeitsökonomischer Hinsicht einen Prototypus terti-ärer Arbeit dar, der sich hinsichtlich seiner Produktivitätsentwicklung systematisch von der Industriearbeit unterscheidet.

3.1 Die Non-Progressivität der sozialen Dienste

Dienstleistungsarbeit ist im Gegensatz zur Arbeit im produzierenden Sektor einer berühmten Bestimmung William J. Baumols (1967, 2012) folgend nicht-progres-siv. Während der progressive Sektor, also die Industriearbeit, bis heute von kon-tinuierlicher Effizienzsteigerung geprägt ist (Baumol 2012, S. 55 ff.; Dauderstädt 2012)5, bleibt das Produktivitätswachstum im tertiären Sektor bescheiden (Baumol 2012, S. 55 ff.; Dauderstädt 2012). Ihrer Rolle im gesellschaftlichen Reproduk-tionsprozess entsprechend geht es gerade bei sozialen Dienstleistungen auch gar nicht primär um Effizienzsteigerungen. Im Zentrum steht vielmehr die Gewähr-leistung von Effektivität (Berger und Offe 1984). Während sich Effizienz an einem minimalen Einsatz von Ressourcen zugunsten eines maximalen Outputs bemisst, und insofern stilbildend für die industrielle Logik ist, geht es bei Effektivität um die Bereitstellung von Arbeitskraft zugunsten einer vorab unklaren Nachfrage-struktur (Berger und Offe 1984, S. 275). Der Anbieter einer Dienstleistung weiß vor ihrer Erbringung zum einen nicht im Detail über deren qualitativen Zuschnitt Bescheid, weshalb der Arbeitsprozess kontinuierlichen Irritationen ausgesetzt ist. Pflege-, Erziehungs- oder Bildungsarbeit erfolgt beispielsweise in einem Prozess stetiger Aushandlung, in dem die Dienstleistenden während der Leistungserbrin-gung permanent unerwartete Anpassungen vornehmen müssen, falls der Kunde dies wünscht, weshalb eine möglichst straff durchkalkulierte Outputorientierung schlicht an der immanenten Logik solcher Tätigkeiten vorbeigeht und in der Regel zu Verlusten der Dienstleistungsqualität führt. Es kann daher in solchen Arbeitsbe-reichen „nicht immer schneller oder mit immer weniger Personal gearbeitet wer-den, ohne dass die Qualität leidet“ (Madörin 2010, S. 88 f.; zitiert nach Dörre et al. 2014).

Zum anderen bleibt auch die Quantität der Nachfrage vor der Leistungserbrin-gung unklar. Die Beschäftigten eines Pflegeheims oder einer Bildungseinrichtung wissen zu Beginn ihres Arbeitstages beispielsweise nie im Detail über die jeweils

5Dauderstädt (2012) spricht für Deutschland von einem jährlichen Produktivitätswachstum zwischen 2 und 3 % (ebd., S. 42).

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anfallende Arbeitslast Bescheid. Zwar gibt es ein festes Kontingent von Aufga-ben, die praktisch immer anfallen. Doch jenseits dessen bedeutet die Arbeit mit Menschen eine sich nicht nur in ihrer Varianz, sondern auch in ihrem Umfang stetig verändernde Anforderung. Medizinische Notfälle oder tages- und situa-tionsspezifische Betreuungsbedarfe gehören zum Arbeitsalltag in den sozialen Diensten, die bei der Strukturierung effektiver, das heißt der Struktur der Nach-frage angepasster, Arbeitsprozesse systematisch berücksichtigt werden müssen.

Effektivitätspolitik, wie sie in den sozialen Dienstleistungen unabdingbar ist, verursacht in der Folge ein grundsätzliches „Rationalisierungsdilemma“, da immer Arbeitskraftreserven zurückgehalten werden müssen, statt möglichst effizi-ent eingesetzt werden zu können (Berger und Offe 1984). Der Weg zu Effizienz-steigerungen, die im industriellen Sektor durch Rationalisierungsgewinne erreicht werden, ist diesen Tätigkeitstypen daher weitgehend verschlossen. Entsprechend erklärt sich das im Vergleich zum industriellen Sektor deutlich niedrigere Produk-tivitätswachstum gerade der sozialen Dienstleistungen aus dem nicht-progressi-ven Charakter der dort dominierenden Tätigkeitstypen.

Baumols Theorem der Kostenkrankheit folgend hat dieser Umstand gravie-rende Folgen für die Entwicklung von Ungleichheit am Arbeitsmarkt. Das ent-scheidende Problem betrifft die Lohnentwicklung zwischen sekundärem und tertiärem Sektor. Während die anhaltenden Effizienzgewinne in der Industrie-arbeit großen Spielraum für Lohnsteigerungen bieten, müssten die Gehälter im Dienstleistungssektor eigentlich stagnieren, da die ausbleibenden Produktivi-tätssteigerungen auch die finanziellen Dispositionsspielräume der Unternehmen beschränken, was auf der Lohnebene zu Kostendruck führt. Entwickelten sich Einkommen im Industrie- und Dienstleistungssektor hingegen annähernd parallel, so müssten die Löhne in tertiären Berufen schneller steigen als deren Produktivi-tätswachstum es eigentlich erlaubte. Die den Unternehmen daraus entstehenden Kosten müssten über die Erhöhung der Preise für die angebotenen Dienstleistun-gen gegenfinanziert werden, was in vielen Fällen zum Verschwinden der betref-fenden Services vom Markt führte, da beispielsweise Sorgetätigkeiten zurück in den Privathaushalt oder in informelle Beschäftigungsformen ausgelagert würden.

Ist jedoch der Staat wie in den meisten sozialen Dienstleistungen direkt (als Kostenträger) oder indirekt (etwa in Form der Gewährleistung politischer Min-destlöhne) entscheidend für die Bestimmung der Preise, so wird die Lohnfindung zu einem genuin politischen Prozess. Anders als im industriellen Sektor können aufgrund der relativen Non-Progressivität sozialer Dienstleistungen Produktivi-tätsgewinne nicht als Argument für Lohnsteigerungen ins Feld geführt werden. Vielmehr spielt die fiskalische Situation des Steuer- und Wohlfahrtsstaates und dessen Prioritätensetzung hinsichtlich seiner Ausgaben eine entscheidende Rolle.

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Entscheidungen über die finanziellen Mittel, die der Wohlfahrtsstaat zur Finan-zierung sozialer Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen bereit ist, sind freilich in hohem Maße – etwa durch Tarifvereinbarungen oder rechtliche Rahmenbe-dingungen – institutionell gebunden. Hinsichtlich der Profitierungsperspektiven von Beschäftigten entspinnt sich als Folge der vorherrschenden institutionellen Regelungsmechanismen eine Kaskadenlogik, die jene Beschäftigtengruppen, die besonders eng in das Institutionensystem des Wohlfahrtsstaates eingebunden sind, begünstigt: Jene Gruppen, die, beispielsweise als verbeamtete Lehrer, durch die größte institutionelle Nähe zur Finanzierungsquelle gekennzeichnet sind, können am ehesten Löhne durchsetzen, deren Entwicklung sich an der Progres-sivität des industriellen Sektors orientiert. Mit wachsender Entfernung von der Quelle – etwa im Rahmen der Beschäftigung bei freien Trägern von Bildungs- oder Betreuungseinrichtungen wirken dagegen immer stärker die Fliehkräfte des Marktes auf die Löhne der Beschäftigten. Ein Ausstieg aus der Tarifbindung oder informelle Regelungen der Arbeitszeit6 ermöglichen hier beispielsweise, die Lohnkosten der Unternehmen niedrig und damit an die meist über Pauschalbe-träge geregelten Finanzierungsmittel angepasst zu halten.

In analytischer Hinsicht bedeutet dies, dass ein in der Industriegesellschaft zentraler Mechanismus der Aufwertung von Arbeit für die sozialen Dienstleis-tungen nicht wirkt. Im Zeichen einer vergleichsweise langsamen Produktivi-tätsentwicklung können zum einen kaum Rationalisierungsdividenden von den Beschäftigten eingefordert werden. Da sich ein Großteil der sozialen Dienste zum anderen außerhalb des Institutionenregimes des Industrialismus entwickelt hat beziehungsweise durch Ausgliederungsprozesse aus dem öffentlichen Dienst an dessen Rand gedrängt wurde, gelten dort Feldzwänge, die in den vergangenen Jahrzehnten vor allem durch das Bestreben geprägt waren, staatliche Ausgaben zu reduzieren oder diese bei steigender Nachfrage nach sozialen Dienstleistungen zumindest nicht proportional zu erhöhen.

3.2 Das Qualifizierungsdilemma der sozialen Dienste

Unter diesen Bedingungen gerät freilich auch der zweite Motor kollektiven Auf-stiegs ins Stocken. Denn sind die finanziellen Verteilungsspielräume systematisch

6In vielen Pflegeeinrichtungen werden beispielsweise nur Arbeitsverträge mit 20–30 h ver-geben, während von den Beschäftigten erwartet wird, dass sie effektiv 40–50 h arbeiten (Staab 2014a).

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begrenzt und wird Beschäftigung sukzessiv aus den regulatorischen Kanälen der alten institutionellen Ordnung gelöst, resultieren auch steigende Qualifikations-niveaus nicht mehr automatisch in Lohnsteigerungen. So hat in vielen sozialen Dienstleistungsberufen in den vergangenen Jahrzehnten zwar eine massive inhalt-liche Aufwertung stattgefunden, die sich vielfach auch in neuen, zertifizierten Qualifikationen niederschlägt. Diese Qualifizierungsdynamik hat allerdings nicht zu einem deutlichen Anheben der Lohnniveaus geführt. Die sozialen Dienstleis-tungen sind insofern von einem Qualifizierungsdilemma geprägt, da die Beschäf-tigten im Zeichen schwachen Produktivitätswachstums und der großen Distanz zu den institutionellen Regulationskanälen nicht in der Lage sind, signifikanten Pro-fit aus dem Erwerb neuer Qualifikationen zu schlagen.

Exemplarisch lässt sich dies etwa an der Pflegearbeit beobachten. Für die sta-tionäre Altenpflege bildet die Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995 eine entscheidende Wegmarke. Sie fällt zusammen mit einer allgemeinen Ent-wicklung am Pflegemarkt, die von einem Wandel stationärer Einrichtungen von Wohnheimen zu reinen Pflegeheimen gekennzeichnet ist. Da unter dem Para-digma der lebensweltlichen Kontinuitätssicherung der Patienten mittlerweile die Mehrheit der betreuungsbedürftigen Personen in ihrem Haushalt versorgt wird, bleiben für die stationären Einrichtungen vor allem diejenigen schweren Fälle übrig, für die eine Betreuung in der eigenen Wohnung keine Möglichkeit dar-stellt. Dies hat zu einem stetigen Anstieg der fachlichen Anforderungen geführt, die die jeweiligen Pflegekräfte erfüllen müssen, was nur durch ausreichend medi-zinisch qualifiziertes Personal zu erreichen ist. Träger von Pflegedienstleitungen beschreiben daher selbst die gesetzliche Fachkräftequote von 50 % als unzurei-chend. Unter einem Fachkräfteanteil von 60 % sei die Arbeit kaum ordentlich zu erledigen (Staab 2014a, S. 158).

Da vor allem externe Prüfinstitute, welche Qualitätszertifikate für die Einrich-tungen vergeben, für deren Außendarstellung entscheidend sind und qualifiziertes Personal ein Schlüssel für gute Bewertungen darstellt, werden Pflegekräften heute zahlreiche Möglichkeiten offeriert, sich on-the-job weiter zu qualifizieren. Die Aufgaben, die von den Beschäftigten bewältigt werden müssen und die in Qua-lifizierungsmaßnahmen zertifiziert werden, gewinnen dabei zunehmend an Kom-plexität. So erfordert beispielsweise eine Schulung im Wundmanagement nicht nur das Erlernen der Theorie und Praxis der Wundbehandlung, sondern auch die Handhabung einer komplexen Dokumentationssoftware.

Überhaupt hat die Einführung der Pflegeversicherung die Dokumentations-pflichten der Pflegekräfte massiv anschwellen lassen und führte zum Entstehen neuer technisch-administrativer Kompetenzen. Dokumentationsaufgaben nehmen

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nach Angaben von Beschäftigten mittlerweile etwa ein Viertel ihrer Arbeitszeit ein und bilden die größte Veränderung im Arbeitsalltag in den vergangenen Jahrzehn-ten (Staab 2014a, S. 161). Die damit verbundene Restrukturierung der Arbeits-prozesse hin zu stärker administrativen Aufgaben verlangt von den Beschäftigten Fähigkeiten in Tätigkeitsfeldern, die nicht den traditionellen Kern der in den Ein-richtungen geleisteten Sorgearbeit ausmachen und insofern das Komplexitätsni-veau der Tätigkeiten deutlich erhöhen.

Hinzu kommt, dass Einrichtungen häufig bemüht sind, die vergleichsweise niedrigen Verdienste in der Pflege durch Möglichkeiten eines schnellen, gele-gentlich eher symbolischen Aufstiegs innerhalb der Institutionen auszugleichen. Einerseits steigern erworbene Zusatzqualifikationen das Prestige der jeweiligen Beschäftigten innerhalb der Unternehmen. Andererseits können examinierte Pfle-gekräfte häufig innerhalb weniger Jahre zu Stationsleitungen aufsteigen, was mit Weisungsbefugnissen und einem höheren Grad an Verantwortung für den Arbeits-prozess einhergeht. Ihre Tätigkeiten sind dann zudem nicht nur von den üblichen Dokumentationspflichten gekennzeichnet, sondern erfordern zahlreiche weitere, für das Management einer Station notwendige Fähigkeiten.

Das relativ differenzierte Status- und Hierarchiegefüge in den Einrichtungen und die gestiegenen Kompetenzen der Beschäftigten fallen allerdings keineswegs mit einer gleichermaßen differenzierten Lohnhierarchie bzw. einem deutlichen Anstieg der Basislöhne zusammen. Die Masse der Zusatzqualifikationen wirkt sich zwar auf das Tätigkeitsprofil der jeweiligen Beschäftigten in Form einer inhaltlichen und häufig auch qualifikatorischen Aufwertung, aber nicht zwingend auf ihren finanziellen Lohn aus. Auch der Aufstieg in der Unternehmenshierar-chie geht häufig nicht mit einer veränderten tariflichen Eingruppierung einher, sondern beinhaltet womöglich lediglich das Privileg, die offizielle Arbeitszeit (die keineswegs mit der real geleisteten identisch ist) aufzustocken.

Selbst gut qualifizierte Pflegekräfte verbleiben in der Folge in den unteren Rängen der gesellschaftlichen Einkommenshierarchie. Die Aufwertung ihrer Tätigkeit findet bisher kaum Widerhall in den Gehaltsstrukturen. So liegen die Nettomonatsverdienste von examinierten Pflegekräften trotz großer regionaler und arbeitgeberspezifischer Varianz faktisch selten über 1500 €. Geht eine Pfle-gekraft in Elternzeit, so muss sie nicht selten Wohngeldleistungen aus Arbeits-losengeld-II-Mitteln beantragen, wie eine Pflegerin berichtet. Diese Pflegekraft, deren Lebenspartner in Vollzeit einen qualifizierten Handwerksberuf ausübt, gibt zudem an, nach der Rückkehr in den Beruf zwar nicht mehr auf zusätzli-che Sozialtransfers angewiesen gewesen zu sein, netto allerdings wegen der anfallenden Kinderbetreuungskosten nicht mehr Geld in der Tasche zu haben als während ihrer Auszeit (Staab 2014a, S. 160).

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Die Situation in der Pflegebranche steht dabei in vielerlei Hinsicht exemp-larisch für das Feld der sozialen Dienstleistungen. Auch Tätigkeiten in vielen Erziehungs- und Bildungsberufen haben mit dem allgemeinen Anstieg der Qua-lifikationsniveaus in der Arbeitswelt an Komplexität gewonnen, ohne dass sich dies notwendigerweise in deutlichen Lohngewinnen niedergeschlagen hat. Die relative Benachteiligung dieser Arbeitsbereiche im Vergleich zu vielen Tätigkei-ten im industriellen Sektor oder öffentlichen Dienst erklärt sich, wie beschrieben, sowohl aus ihrem geringen Produktivitätswachstum als auch aus ihrer schwa-chen Integration in das (wohlfahrtsstaatlich vermittelte) Institutionengefüge des Arbeitsmarktes (vgl. Staab 2014a, S. 45 ff.). Dies gilt umso mehr, als sich die Unterschichtungskaskaden, die durch die Ausgliederung vieler sozialer Dienst-leistungen aus dem öffentlichen Dienst entstanden sind, in den verschieden Märkten dieser Dienstleistungen weiter fortsetzen: In Erziehungs- und Pflege-einrichtungen kommen unterhalb des Qualifikationsniveaus der Fachkräfte bei-spielsweise zahlreiche gering qualifizierte Beschäftigte zum Einsatz, ohne deren Arbeit der Betrieb in den meisten Unternehmen kaum aufrecht zu erhalten wäre. Bei freien Bildungsträgern ist für viele Tätigkeiten keine spezifische Ausbil-dung nötig, sondern lediglich ein fachlich passendes Profil, was Quereinsteiger anzieht. Beide Prozesse sorgen dafür, dass keine einheitlichen Standards für die Beschäftigten in den jeweiligen Arbeitszusammenhängen geschaffen werden. Das Reservoir an verfügbarer Arbeitskraft bleibt damit zum einen verhältnismäßig groß, was Lohndruck erzeugt, der freilich durch die harte Marktkonkurrenz zwi-schen den Unternehmen, die vielfach um die gleichen Aufträge wetteifern, noch verschärft wird. Zudem wird durch das hohe Ausmaß qualifikationsinadäquater Beschäftigung stets das Professionalitätsniveau der jeweiligen Dienstleistungen infrage gestellt. Wenn selbst Angehörige Erziehungs- und Pflegetätigkeiten (etwa im Rahmen der Pflegeversicherung oder des Elterngeld Plus) übernehmen kön-nen, wenn für die Beschäftigung in Weiterbildungseinrichtungen kein spezifischer Abschluss Voraussetzung ist, entsteht der falsche Eindruck, es handle sich um wenig komplexe Tätigkeiten.

Es ist somit auch die relative Offenheit dieser Teilarbeitsmärkte, welche deren relative Benachteiligung weiter verschärft. Das Qualifizierungsdilemma der sozi-alen Dienstleistungen basiert somit nicht nur auf dem begrenzten finanziellen Ver-teilungsspielraum, der sich aus der geringen Produktivität und der hauptsächlich öffentlichen Finanzierung dieser Arbeitsbereiche ergibt, sondern auch auf dem vergleichsweise niedrigen Grad sozialer Schließung dieser Arbeitsmärkte.

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4 Institutionalisierung und soziale Schließung: Chancen und Risiken

Meine Überlegungen zur Situation der sozialen Dienstleistungen legen spezifi-sche Schlussfolgerungen nahe. So scheinen etwa Strategien, die auf eine immer weiter fortschreitende Expansion zertifizierter Qualifikationen setzen, das grund-sätzliche Problem der niedrigen materiellen Entschädigungen in den sozialen Diensten einstweilen nicht lösen zu können – was freilich nicht bedeutet, dass die adäquate Ausbildung der Beschäftigten infrage gestellt werden sollte. Es gibt allerdings keinen Grund anzunehmen, dass das Qualifizierungsdilemma durch immer neue Bildungstitel unter den gegebenen Bedingungen außer Kraft gesetzt würde, ist es doch gerade deren Ausweitung, die den scheinbaren Widerspruch aus inhaltlicher Aufwertung und finanzieller Stagnation erst konstituiert. Es gilt vielmehr zu betonen, dass dieser Entwicklung auch ein wenig beachtetes Zusatz-risiko inhärent sein könnte: Die Expansion von Bildungstiteln, insbesondere im Rahmen einer Akademisierung der Ausbildung, geht notwendigerweise mit eine Verlängerung der Ausbildungszeiten einher, was den Eintritt in den Beruf und damit in bezahlte Lohnarbeit nach hinten verschiebt. Der Akademisierung von Erziehungs- und Pflegetätigkeiten könnte somit ein Bumerangeffekt zu eigen sein, der dazu führt, dass bei gleichbleibenden Löhnen die Lebenseinkommen wegen der verlängerten Ausbildungszeiten sogar sinken.

Aus meiner Sicht erscheint eine stärkere Fokussierung auf zwei unterschied-liche Strategien vielversprechender. Erstens müsste, um höhere Löhne durch-setzen zu können, die Distanz vieler sozialer Dienstleistungen zum regulativen Institutionengefüge des Arbeitsmarktes überwunden werden. Momentan domi-niert eine wohlfahrtsstaatliche Politik, die über Finanzierungspauschalen und in manchen Fällen zusätzliche Mindestlöhne lediglich Untergrenzen in die betref-fenden Arbeitsfelder einzieht. Insofern sind viele soziale Dienstleistungen zwar in das Institutionengefüge des Wohlfahrtsstaates integriert, können aber nicht die Vorteile geltend machen, die eine vollständige Integration in die regulativen Insti-tutionen des Arbeitsmarktes in anderen Beschäftigungssegmenten gewährleistet. Um als ernst zu nehmender Gegenspieler höhere Ansprüche auf eine Teilhabe an der gesamtgesellschaftlichen Wertschöpfung durchsetzen zu können, ist inso-fern der Ausbau kollektiver Handlungsmacht entscheidend, die Bewegung bei der Finanzierung zu erzwingen in der Lage ist. Zwar haben in den letzten Jahren gerade Beschäftigte in sozialen Dienstleistungsberufen, etwa die Kita- oder Kran-kenhausbeschäftigten, durch eine erhöhte Streikaktivität auf sich aufmerksam gemacht (vgl. Bewernitz und Dribbusch 2014). Die Virulenz von ‚Häuserkämp-fen‘, Warnstreiks und anderen temporären Mobilisierungen in diesen Bereichen

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verstellt jedoch den Blick auf die tatsächliche Schwäche kollektiver Selbstorgani-sation, die vermutlich weniger mit dem Organisationsgrad der Beschäftigten, son-dern mit den jeweils bereichsspezifischen Dilemmata der Interessendurchsetzung zusammenhängt. So wurde beispielsweise in den Kitastreiks der vergangenen Jahre offensichtlich, dass die Fähigkeiten der Beschäftigten, Druck auf die Arbeit-geber aufzubauen, sehr begrenzt waren. Die Kinderbetreuung während des Aus-standes wurde entweder über ausgedünnte Notbelegschaften organisiert oder von Eltern übernommen. Die Finanzierung der Einrichtungen war ebenfalls gewähr-leistet, da die Streiks weder die finanziellen Beiträge der Eltern noch jene des Staates beeinflussten. Im Effekt sparten Arbeitgeber daher während jedes Streik-tages bares Geld in Form der Löhne der Beschäftigten, die während der Aus-stände von den Gewerkschaften übernommen wurden. Zwar mag diese Situation nicht exemplarisch für alle Typen sozialer Dienstleistungsarbeit sein. Das Beispiel verdeutlicht dennoch, dass im Zeichen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis-ses, das viele soziale Dienstleistungen prägt, traditionelle Strategien kollektiver Gegenwehr nicht notwendigerweise die gewünschte Wirkung entfalten.

Um die Wirkung kollektiver Handlungsmacht zu stärken und damit den Weg zu einer nachhaltigen Institutionalisierung des Arbeitskonfliktes in den sozialen Diensten zu bereiten, wäre zudem ein Bruch mit dem vorherrschenden (non-)produktivistischen Verständnis tertiärer Arbeitstypen notwendig. Feministische Autorinnen betonen zu Recht die elementare Bedeutung von Sorgetätigkeiten für die Reproduktion aller gesellschaftlichen Zusammenhänge und damit auch deren Rolle im Prozess der ökonomischen Wertproduktion (vgl. Aulenbacher 2013). Um die Verhandlungsposition der Beschäftigten zu stärken, ginge es folglich zunächst darum, dieses Bewusstsein sowohl bei den Konfliktparteien als auch in der Gesellschaft allgemein zu fördern. Die mittelbare oder unmittelbare Finanzie-rung des Gros der sozialen Dienstleistungen durch den Wohlfahrtsstaat kann sich hier eher als Trumpf denn als Nachteil erweisen. Denn der Lohnfindungsprozess ist hier genuin politisch, weswegen normative Argumente eine größere Chance auf Durchsetzung haben als in stärker betriebswirtschaftlich kalkulierenden Zusammenhängen, in denen die Lohnentwicklung direkt von der Produktivitäts-entwicklung abhängig gemacht wird. Für die professionelle Interessenvertretung gälte es in diesem Zusammenhang zunächst, das eigene Funktionsbewusstsein der Beschäftigten zu fördern (vgl. Staab 2014b).

Zweitens könnte die relative Offenheit der sozialen Dienste durch gezielte Prozesse sozialer Schließung bearbeitet werden. Solange viele soziale Dienst-leistungen als Jedermanns- oder besser gesagt Jederfrauarbeitsmärkte oder wie zum Teil im Bildungsbereich als typische Felder für Quereinstiege fachfremder Akademiker fungieren, wird zum einen stets ein Arbeitskräftepool zur Verfügung

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stehen, der die Verhandlungsposition der Beschäftigten entsprechend eines Reser-vearmeemechanismus (vgl. Butollo 2016) empfindlich schwächt. Bei Prozessen sozialer Schließung müsste insofern die Reduzierung des Arbeitskraftangebots am Markt im Vordergrund stehen. Hier bildet wiederum die Pflegearbeit Anschau-ungsmaterial für die mit einer solchen Politik verbundenen Chancen und Risiken. Einerseits hat dort die Einführung der Fachkraftquote, die für die meisten Ein-richtungen bei mindestens 50 % liegt, die Verhandlungsposition der examinierten Pflegekräfte deutlich gestärkt. Ihre Arbeitskraft ist knapp, Arbeitgeber werben um sie mit zahlreichen Maßnahmen. Selbst individuell verhandelte übertarifliche Gehälter sind mittlerweile möglich (Staab 2014a, S. 159). Andererseits ist der Preis für diese Entwicklung ein seither kontinuierlich beschworener Pflegenot-stand, der sich im Arbeitsalltag negativ auf Servicequalität und die Arbeitslast der Beschäftigten auswirkt.

Zudem ändert die Fachkraftquote nichts an der grundsätzlichen Deckelung der Finanzierung von Pflegeeinrichtungen im Rahmen der dafür vorgesehenen Budgets. So lässt sich in Fällen, in denen Einrichtungen explizit in Fachkräfte investieren, beobachten, dass diese Strategie zu Einsparungen an anderer Stelle führt (Staab 2014a). Was eine Einrichtung dann zusätzlich in qualifiziertes Per-sonal investiert, wird bei Reinigung, Catering oder Facility Management gespart. Insofern bedingt die finanzielle Aufwertung eines Beschäftigungssegments in einem solchen Nullsummenspiel die Abwertung eines anderen und die Aufwer-tung eines Berufs führt zur Abwertung anderer. Zuletzt gilt es zu betonen, dass offene Teilarbeitsmärkte in offenen Gesellschaften durchaus wichtige Funktionen für die Sozialintegration erfüllen, weil sie Beschäftigungsmöglichkeiten für Neu-ankömmlinge auf dem Arbeitsmarkt und ‚Entwurzelte‘ aus absteigenden Profes-sionen oder mit auf dem Markt nicht verwendbaren Bildungsabschlüssen bieten. Eine Stärkung sozialer Schließungsprozesse muss daher nicht im gesamtgesell-schaftlichen Interesse sein.

5 Fazit

Ziel des vorliegenden Beitrags war die Beschreibung eines spezifischen Qualifi-zierungsdilemmas, das die sozialen Dienstleistungen der Gegenwart und damit auch Teile der Weiterbildungsbranche betrifft: Während die Arbeitsprofile zahl-reicher Beschäftigter systematisch aufgewertet werden und sich dies vielfach auch in zertifizierten Qualifikationsgewinnen niederschlägt, bleibt eine diesen Umstand reflektierende deutlich progressive Entwicklung der Einkommen aus. Die Ursache dieser Dynamik wurde zum einen in der Non-Progressivität sozialer

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Dienstleistungen ausgemacht, die dazu führt, dass Beschäftigten und ihren Ver-tretern die Beteiligung an Produktivitätsgewinnen nicht als Grundlage der Forde-rung nach Lohnerhöhungen dienen kann. Zum anderen wurde die Distanz vieler sozialer Dienste zu den dominanten institutionellen Arenen des Arbeitskonfliktes als Ursache für die bisher recht mageren Erfolge kollektiver Selbstorganisation beschrieben. In der Summe weisen meine Ausführungen auf den genuin politi-schen Charakter der Lohnfindung in den sozialen Diensten der Gegenwart hin. Neben Prozessen professioneller Schließung, die das Arbeitskraftangebot redu-zieren könnten, sind es daher vor allem normative Kämpfe um Anerkennung (Honneth 2010), die die ökonomische Wertschätzung der jeweiligen Tätigkeiten öffentlich darzustellen und einzufordern hätten. Die Frage nach dem ökonomi-schen Gegenwert der Sorgearbeit für die Gesellschaft ist schließlich die Frage, wie viel sie dem politischen Gemeinwesen wert ist.

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Über den Autor

Dr. Philipp Staab Arbeitsschwerpunkte: Wandel der Arbeitswelt, Wirtschaftssoziologie, Digitalisierung, soziale Sicherung, soziale Ungleichheit.

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Kompetenzprofile und berufliche Identität in Dienstleistungsberufen-zwei Säulen der Professionalisierung

Friederike Bahl

ZusammenfassungDienstleistungsarbeit gehört zu den Kernbereichen der Professionalisierung von Beschäftigung. Nicht nur haben Dienstleistungsberufe in der Geschichte der Erwerbsarbeit einen entscheidenden Teil der Expansion der akademischen Berufe getragen. Sie absorbieren auch heute noch den größten Teil der Hoch-schulabsolventen. Demgegenüber nimmt der Beitrag eine Gruppe von Dienst-leistungsbeschäftigten in den Blick, in der das Streben nach Professionalität und Weiterbildungsoptionen weitgehend fehlen, das „Dienstleistungsproleta-riat“. Mit ihm geht es um die arbeitenden Armen der Gegenwart, die – in den OECD-Staaten – mehrheitlich in Dienstleistungsberufen tätig sind.

1 Einleitung

Die Professionalisierung von Beschäftigung und die berufliche Weiterbildung von Beschäftigten nehmen in der Diskussion um die Deckung des Fachkräftebedarfs und lebenslangen Lernens einen zentralen Stellenwert ein (vgl. Wotschack und Solga 2014, S. 369). Zu den diskutierten Kernerwerbsbereichen der professiona-lisierten Aus- und Weiterbildung gehört Dienstleistungsarbeit. Nicht nur haben

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_7

F. Bahl (*) Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36, 20148 Hamburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Für die Anregungen danke ich Rolf Dobischat, Arne Elias und Anna Rosendahl.

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Dienstleistungsberufe in der Geschichte der Erwerbsarbeit einen entscheidenden Anteil an der Expansion der akademischen Berufe getragen, sie absorbieren auch heute noch den größten Teil der Hochschulabsolventen. Die zunehmende Wis-sensbasierung der Arbeitstätigkeiten erfordere andere Professionalisierungspfade, als sie für die Entstehungszeit und gerade für die Hochphase der Industrialisie-rung mit der Etablierung des Facharbeiters als Berufstypus und der ihm entspre-chenden dualen Facharbeiterausbildung gültig waren (vgl. Baethge 2011, S. 453). Zum einen verändert sich die Qualifikationsstruktur der Arbeitstätigkeiten, inso-fern in vielen Dienstleistungsberufen in den letzten Jahrzehnten eine Anhebung der Voraussetzungen in der Berufsausbildung zu beobachten ist (vgl. Autoren-gruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 285; Baethge 2011, S. 454). Zum anderen wachsen gerade für alle interaktiven Dienstleistungsarbeiten die sozialen Kompetenzanforderungen (vgl. Baethge 2011, S. 454).

Der große Stellenwert von Professionalisierung und Weiterbildung in Dienst-leistungsberufen kontrastiert teilweise jedoch deutlich mit der tatsächlichen Pro-fessionalisierungs- und Weiterbildungsaktivität aufseiten der Betriebe wie der Beschäftigten (vgl. Wotschack und Solga 2014, S. 369). Auch wenn die Tendenz zu höher qualifizierten Tätigkeiten innerhalb der Dynamik von Dienstleistungs-beschäftigung unübersehbar ist, bedeutet das keineswegs, dass die gering quali-fizierten Tätigkeiten verschwinden. Stattdessen behalten sie insbesondere unter Berücksichtigung von geringfügig und Teilzeitbeschäftigten im Einzelhandel bei Reinigungsarbeiten, Lager- und Transportaufgaben sowie bei Wachberufen ihr Gewicht bei (vgl. Esping-Andersen 1993; Oesch 2006; Baethge 2011, S. 449; Tiemann et al. 2008), wenn sie nicht sogar zunehmen (vgl. Vester und Weber-Menges 2014, S. 77).

Für die Frage nach den Professionalisierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten des Weiterbildungspersonals fungiert der vorliegende Beitrag vor diesem Hinter-grund stellvertretend als Blick über den Tellerrand. Mit ihm wird nicht explizit das Weiterbildungspersonal in den Blick genommen. Ziel des Beitrags ist es eher, einen Kontrast zur gemeinhin als akademische Dienstleistung geltenden Weiterbildungs-arbeit herzustellen. Dazu wird die Frage nach den Professionalisierungschancen des Weiterbildungspersonals in den erweiterten Kontext eines Vergleichs gestellt, der die unterschiedlichen Professionalisierungsvoraussetzungen in qualifizierten und einfachen Dienstleistungsberufen kontrastiert. Während 2011 bundesweit fast jeder zweite Beschäftigte mit hoch qualifizierten Arbeitstätigkeiten an einer Weiterbil-dung teilgenommen hat, beläuft sich der entsprechende Anteil unter den Beschäftig-ten mit einfachen Arbeitsvollzügen auf 14 % (vgl. Bechmann et al. 2012, S. 86).1

1Zur geringen Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten mit gering qualifizierten Tätig-keiten vgl. auch Gillen et al. (2010); BMBF (2013); Wotschack und Solga (2014).

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139Kompetenzprofile und berufliche Identität …

Mit dieser Heterogenität von Dienstleistungsarbeit werden generalisierende Aus-sagen zur Veränderung von Professionalisierung und Weiterbildung nicht nur sehr schwierig. Vielmehr wird die Notwendigkeit einer differenzierten Analyse ver-schiedener Dienstleistungstätigkeiten augenfällig, die entlang der existierenden „qualifikatorischen Segmentation“ (Baethge 2011, S. 449) in einem komparativen Zugriff auch gering qualifizierte Dienstleistungstätigkeiten berücksichtigt, um anschließend nach Möglichkeiten der Übertragbarkeit der Befunde auf das Wei-terbildungspersonal zu fragen.

Der Beitrag bietet dafür zunächst einen kurzen Einblick in die Schwerpunkte, Ergebnisse und Erweiterungsmöglichkeiten bisheriger Weiterbildungsforschung. Der anschließende Abschnitt skizziert die gewählte Forschungsperspektive, die verwendete empirische Datenbasis und präsentiert in einem komparativen Zugriff auf fünf Branchen von Dienstleistungsarbeit die Befunde. Während bisherige Studien zur Weiterbildung vorwiegend eine institutionentheoretische Perspek-tive anbieten, mit der ein Überblick über die betrieblichen und überbetrieblichen Rahmenbedingungen beruflicher Weiterbildung gegeben wird, erweitert der Bei-trag diese Befunde durch einen akteurszentrierten Forschungsansatz, der zu den Zugangschancen zu Weiterbildung auch Arbeitsstolz und Berufsethos als Ent-scheidungsfaktoren für Weiterbildungsteilnahme diskutiert. Entlang der Dimen-sionen von Weiterbildungsbeteiligung, Kompetenzerfahrungen und beruflicher Identität der Beschäftigten ist der Beitrag so primär auf die verschiedenen Facet-ten einer individuellen Professionalisierung konzentriert (vgl. Nittel und Seltrecht 2008, S. 134). Mit ihr wird die kollektive Ebene der Professionalisierung, wie sie sich etwa in Form von institutionalisierten Maßnahmen zur Interessenvertretung oder der organisatorischen Weiterentwicklung von professionellen Wissensbe-ständen beschreiben lässt, um die individuelle Ebene der Professionalität erwei-tert. Abschließende Bemerkungen resümieren die Forschungsergebnisse mit Blick auf die Frage, ob und wie sich die Befunde zu den Arbeitsweisen in einfachen Dienstleistungsberufen auf das Weiterbildungspersonal übertragen oder dazu kon-trastieren lassen.

Für die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals sind die Forschungs-befunde insofern bedeutsam, als dass sie nicht nur die Relevanz institutioneller Strukturen für die Professionalisierung von Berufsgruppen, sondern auch die Wichtigkeit beruflicher Identität für die Teilnahme an Weiterbildungen unterstrei-chen. Sie wirkt darauf ein, inwieweit Beschäftigte im Dienstleistungssektor ihre

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Tätigkeit als Beruf wahrnehmen und an Professionalisierungsanstrengungen wie Weiterbildung partizipieren möchten.

2 Gewinn und Grenzen institutionentheoretischer Analysen zur Weiterbildung

Neben einer quantitativ ausgerichteten Weiterbildungsforschung, die den Einfluss von wirtschaftlichen Strukturmerkmalen, wie Betriebsgröße, Branche, regionale Konkurrenz und Beschäftigtenstruktur, auf die Art und das Ausmaß von Weiter-bildung untersucht, weist die aktuelle Forschung2 zusätzlich auf eine Reihe von institutionellen Barrieren in den Betrieben hin. Einerseits werden diese als Aus-druck eines grundlegenden Transaktionskostenproblems (vgl. Williamson (1985; Behringer und Käpplinger 2008, S. 58; Neubäumer et al. (2006) aufgefasst, ande-rerseits werden sie auf eine fehlende soziale Einbettung (vgl. Wotschack und Solga 2014; Granovetter 1985; Beckert 1996) der Beschäftigten zurückgeführt.3

Das Stichwort für die Erklärungsansätze, die in Richtung des Transaktionskos-tenproblems argumentieren, ist die unterschiedliche Weiterbildungsrendite (vgl. Gerner und Stegmaier 2009; Becker und Hecken 2009), die mit den langfristigen Zeitperspektiven einer auf Weiterbildungsinstrumente setzenden Arbeitspolitik entsteht (vgl. Dobischat und Düsseldorff 2013). Die Kosten für Weiterbildung, die in Form von finanziellen sowie Zeitinvestitionen entstehen, müssen in der Gegenwart getragen werden, während ihr zukünftiger Nutzen für Betriebe wie Beschäftigte ungewiss ist (vgl. Wotschack und Solga 2014, S. 369). Bestehe für Beschäftigte, bezogen auf betriebliche Weiterbildungsentscheidungen, das Risiko darin, dass die mit Weiterbildung anvisierten Ziele, wie beruflicher Aufstieg oder finanzielle Vorteile, nicht realisiert werden können (vgl. Crouch et al. 2004, S. 196), gehe es für Betriebe dagegen darum, dass etwaige Produktivitätserträge von Weiterbildungsinvestitionen im Falle von Erwerbsunterbrechungen oder einem Arbeitgeberwechsel nicht gewährleistet sind (vgl. Dobischat und Düsseldorff 2013; Wotschack und Solga 2014, S. 372). Die Weiterbildungsbeteiligung lässt sich damit auf die folgende Formel bringen: Je geringer die für Investitionen ver-fügbaren Ressourcen seitens der Beschäftigten und der Betriebe ausfallen und je

2Siehe etwa: Wotschack und Solga (2014); Dobischat und Düsseldorff (2013).3Zu einer forschungsstrategischen Kombination beider Ansätze in Form von Bedingungs-konstellationen siehe: Wotschack und Solga (2014).

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141Kompetenzprofile und berufliche Identität …

unsicherer die Weiterbildungsrenditen sind, umso geringer ist die Beteiligung (vgl. Wotschack und Solga 2014, S. 369).

Macht die Transaktionskostentheorie vorrangig auf Probleme des opportu-nistischen Verhaltens aller Beteiligten in ökonomischen Tausch- und Koope-rationsbeziehungen aufmerksam und postuliert vertragsförmige betriebliche wie überbetriebliche Vereinbarungen als Lösungsansatz, sieht der Forschungs-strang zur sozialen Einbettung die Herausforderung weniger in formalen Ver-trags- als in informellen Vertrauensproblemen (vgl. Abraham 2001; Granovetter 1985, S. 490). Der Blick auf die antizipierte Rendite für die Weiterbildungs-entscheidung wird hier um die Frage nach der Zugehörigkeit zum sozialen Kooperationszusammenhang des Betriebs erweitert. In der Folge wird starken betrieblichen Solidaritätsnormen, enger arbeitspolitischer Kooperation und lang-fristigen Bindungen zwischen Betrieb und Beschäftigten für die allgemeine betriebliche Arbeits- und Beschäftigungspolitik ebenso wie für die Einbeziehung benachteiligter Beschäftigter in betriebliche Weiterbildungsaktivitäten eine för-derliche Wirkung zugesprochen (vgl. Wotschack und Solga 2014, S. 390; Kotthof 2009; Neubäumer et al. 2006, S. 458; Goedicke et al. 2006).

Gemeinsam ist den Untersuchungen, dass es sich vor allem um institutionen-theoretische Untersuchungen handelt, in denen die betrieblichen und überbe-trieblichen Rahmenbedingungen und Mechanismen untersucht werden, die dazu beitragen beziehungsweise verhindern, dass verschiedene Beschäftigtengruppen an betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen (vgl. Wotschack und Solga 2014). Ihre Erklärungskraft für das betriebliche Weiterbildungsverhalten soll hier nicht bestritten werden, sie erweist sich allerdings als begrenzt. Zum einen ist die bestehende Forschung stark auf solche Einflussfaktoren konzen-triert, die sich auf die allgemeine Weiterbildungsbereitschaft von Betrieben und die Weiterbildungsteilnahme von Beschäftigten auswirken. Was die institutionelle Gewährleistung von Aus- und Weiterbildung gering qualifizierter Beschäftigten-gruppen betrifft, existieren dagegen bislang relativ wenige Studien (vgl. Wotsch-ack und Solga 2014, S. 370; Esping-Andersen 1993; Oesch 2006).4 Zum anderen geben arbeitssoziologische Befunde Hinweise darauf, dass eine institutionenthe-oretische Perspektive, die Weiterbildungsbeteiligung untersucht, nicht ohne den Zusammenschluss mit akteurstheoretischen Überlegungen auskommt, die die Arbeitserfahrung der Beschäftigten berücksichtigen.

4Sie geben Hinweise darauf, dass etablierte Aufstiegskanäle fehlen oder da, wo sie existie-ren, für die Beschäftigten in Sachen Prestige und Einkommen kaum Verbesserungschancen gewährleisten (vgl. Bahl 2014).

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3 Berufliche Identität als die zweite Säule der Professionalisierung

Die mit Dienstleistungsarbeit einhergehenden Veränderungen und Differenzierun-gen in den Kompetenzprofilen können nicht folgenlos für die berufliche Identität, die zweite Säule der Berufskategorie, bleiben. Sind die Begriffe Profession und Professionalität in der Regel für akademische Berufe reserviert (vgl. Heidenreich 1999, S. 36 f.), müssen beide für den analytischen Vergleich von (hoch) quali-fizierten und einfachen Dienstleistungen an dieser Stelle um die allgemeinere Frage nach Beruf und Beruflichkeit ergänzt werden. Darunter ist eine in stan-dardisierten aber nicht notwendig akademischen Ausbildungsgängen erworbene fachliche Spezialisierung und Qualitätssicherung sowie die innere Bindung der Person an den jeweiligen Beruf im Sinne des beruflichen Selbstverständnisses zu verstehen (vgl. Heidenreich 1999, S. 35 f.). Für berufliches Handeln ist berufliche Identität nicht nur in der Perspektive von sozialer Anerkennung, sondern gerade auch als Faktor individueller Motivation von zentraler Bedeutung (vgl. Baethge 2011). Der vorliegende Beitrag erweitert die institutionentheoretische Perspektive daher durch einen akteurszentrierten Forschungsansatz, der die Dimension beruf-licher Identität im doppelten Sinne des von den Beschäftigten erfahrenen Arbeits-stolzes sowie der Erfahrung ihrer Erwerbslaufbahn als beruflichen Werdegang in den Erklärungsansatz einbezieht.

Der Beitrag bietet dazu einen komparativen Zugriff auf fünf Branchen von Dienstleistungsarbeit an, der auf gering qualifizierte Tätigkeiten konzentriert ist und diese mit qualifizierter Dienstleistungsarbeit vergleicht. Er basiert auf empirischem Material einer explorativen Studie, die zwischen 2010 bis 2012 durchgeführt wurde (vgl. Bahl 2014). Datenbasis sind 52 qualitative Beschäf-tigteninterviews, 28 Arbeitsplatzbeobachtungen und drei Gruppendiskussionen in insgesamt zehn Betrieben und vier Regionen Deutschlands. Die untersuchten Branchen reichen angefangen von distributiven Dienstleistungen der Post- und Zeitungszustellung über gewährleistende Tätigkeiten in der Gebäudereinigung sowie im Wach- und Sicherheitsdienst bis hin zu konsumorientierten Arbeiten im Lebensmittel- und Textileinzelhandel. Den Kontrastfall stellt die institutio-nelle Pflegearbeit. Sie steht im Beitrag exemplarisch für eine Berufsgruppe qua-lifizierter Dienstleistungsarbeit, die sich im Spektrum dienstleistender Berufe als Bindeglied zwischen akademischen und einfachen Tätigkeiten verorten lässt. Die analytische Basis bilden Arbeitssituations- sowie Deutungsmusteranalysen. Ziel des empirischen Zugriffs ist es, insbesondere durch die Perspektiverweiterung auf gering qualifizierte Dienstleistungstätigkeiten, einen Kontrast zur hoch qua-lifizierten Dienstleistung der Weiterbildungsarbeit herzustellen, um anschließend

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143Kompetenzprofile und berufliche Identität …

nach Differenzen sowie den Möglichkeiten der Übertragbarkeit der Befunde auf die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals zu fragen.

3.1 Arbeitsstolz als Berufsstolz

Unter den Beschäftigten der Pflegearbeit existiert über alle drei untersuch-ten stationären Pflegeunternehmen hinweg eine deutliche Beruflichkeit, in der Arbeitsstolz zum einen an einen sorgerischen Ethos im Umgang mit dem Pati-enten, zum anderen an fachlich geschultes Wissen gebunden ist. Anders als in den Studien zum Produzentenstolz in industriellen Tätigkeiten wird Berufsstolz in dieser interaktiven Dienstleistungsarbeit von den Beschäftigten in einer Weise definiert, die sowohl auf den individualisierten Charakter ihrer Tätigkeiten Bezug nimmt als auch auf die interaktive Ausrichtung dieser Arbeit ohne gegenständli-che Ergebnisse. In den Interviews kommt zum Ausdruck, dass die Pflegekräfte betriebsübergreifend das Umsorgen, die Fürsorglichkeit und die Kommunikation mit dem Patienten, angefangen vom Betten Aufschütteln bis hin zum Zuhören, zu den Kernbestandteilen ihrer Tätigkeit zählen, die für sie den Wert ihrer Arbeit ausmachen.

Mit diesem sorgerischen Ethos werden die Beziehung zum Patienten zum ent-scheidenden Bezugspunkt des beruflichen Selbstverständnisses und die eigene Kommunikationsfähigkeit zur fachübergreifenden Basiskompetenz. Die beruf-liche Identität der Pflegekräfte basiert weniger auf sichtbaren Attributen als auf interaktiven Kompetenzen und individuellen Verhaltensdispositionen. In dieser Hinsicht steht sie dem beruflichen Selbstverständnis der traditionellen Professi-onen, wie etwa Rechtsanwälten oder Ärzten, aber möglicherweise auch jüngeren Professionen, wie der Weiterbildung, näher als dem Facharbeiterbewusstsein (vgl. Baethge 2011, S. 454). Dies gilt umso mehr, als das Kompetenzbewusstsein eines sorgerischen Ethos zudem in einen Professionalisierungsprozess eingebunden ist, in dem der Arbeitsstolz, den die Beschäftigten erfahren, durch fachlich geschultes Wissen fundiert ist.

Ich bin auch Wundexpertin. […] Ist eine Zusatzausbildung. […] habe ich gebettelt für. […] Na ja, es wurden immer andere ausgebildet und ich habe gesagt, „ja, wann bin ich mal dran? Ich will auch.“ […] Also, ich hab fünf Jahre gewartet.5

5Ich beziehe mich hier wie im Folgenden auf eigenes empirisches Datenmaterial der ange-gebenen Studie (vgl. Bahl 2014).

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In dieser Aussage einer ausgebildeten Krankenschwester, die in der institutiona-lisierten Altenpflege angestellt ist, scheint sich der vielfach prognostizierte und diskutierte Wandel der Wissensformen vom impliziten zum expliziten Wissen (vgl. Baethge 2011, S. 452; Polanyi 1985; Bell 1973) zu bewahrheiten. Während implizites Wissen vor allem Erfahrungswissen ist, das in unmittelbaren Arbeits- und Lebenszusammenhängen angeeignet wird, personen- und kontextgebunden und damit schwer verallgemeinerbar ist, umfasst explizites Wissen alle Formen kodifizierten Wissens, die in praxisenthobenen Institutionen wie Schulen oder Hochschulen vermittelt werden. Auch wenn es sich bei diesen beiden Wissensfor-men zweifelsohne um idealtypisch gefasste Phänomene handelt, die in der Reali-tät in vielfältigen Kombinationen auftauchen (vgl. Baethge 2011, S. 452), bleibt in der Beschreibung der Pflegekraft eine Einsicht bestechend: Die dominierenden Anforderungen an Methodenkompetenzen lassen sich nicht nur als ein Kernbe-reich expliziten Wissens betrachten. Dieses Wissen stellt für die Beschäftigten zudem einen so maßgeblichen Bezugspunkt ihres Arbeitsverständnisses dar, dass die Bereitschaft zur Weiterbildung auch nicht schwindet, wenn sie auf diese fünf Jahre warten müssen. Diese Orientierung zieht sich durch die Mehrheit der Beob-achtungen und Interviews in allen untersuchten Pflegeinstitutionen.

Unterschiede zeichnen sich vor allem zwischen den Beschäftigten ab, die eine einjährige Ausbildung und jenen, die – wie die oben zitierte Krankenschwester – eine dreijährige Ausbildung absolviert haben. Allerdings variieren ihre Deutun-gen weniger in ihren Ambitionen, eine Weiterbildung zu ergreifen, als vielmehr dahin gehend, wenn es um ihre Erwartungen der institutionellen Gewährleistung solcher Weiterbildungsoptionen geht. Während die Mehrheit der Pflegefachkräfte mit dreijähriger Ausbildung präzise die nächsten Schritte der eigenen Fortbildung benennen kann, mit denen dann etwa eine Weiterbildung zur Pflegesachverständi-gen oder zur Anleitung der Auszubildenden in der Pflegepädagogik in Erwägung gezogen wird, existieren unter den Beschäftigten zunehmend weniger klare Vor-stellungen zu möglichen Weiterbildungen ihrer Qualifikation, je weiter man in der beruflichen Hierarchie nach unten geht. Ein Beispiel kann hier die Aussage einer einjährig ausgebildeten Krankenpflegehelferin anbieten, die in einem Klinikum als Aushilfe flexibel zwischen verschiedenen Stationen in der Pflege eingesetzt wird.

Ich hoffe mal, ich bin dann eine examinierte Krankenschwester. […] Das hoffe ich mal. Ich sehe mich da nicht. Aber ich hoffe, dass es so ist. […] Ich weiß es nicht! Es kommt immer drauf an: Ich weiß ja nicht, wie es sich entwickelt: Vielleicht gehe ich über die Straße und bin tot.

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145Kompetenzprofile und berufliche Identität …

Für diesen Unterschied sowie seine Bearbeitung können institutionentheoreti-sche Analysen zu existierenden betrieblichen Barrieren wichtige Hinweise lie-fern. Ermöglicht der Arbeitsmarkt über Prozessstrukturen beruflicher Karrieren unter den untersuchten Alten- und Krankenpflegerinnen Erwartungssicherheit in der Zeitdimension, ist die Erfahrung einer Karriere bei der Krankenpflegehelferin bereits maßgeblich reduziert. In kurzfristigen Beschäftigungsarrangements ange-stellt, wird aus Mobilität Flüchtigkeit.

Für Fragen beruflicher Identität bleibt allerdings eine Gemeinsamkeit deutlich: Berufliche Identität und die Suche nach betrieblichen wie außerbetrieblichen Wei-terbildungsoptionen durch spezialisierte Ausbildungsgänge und Zusatzqualifikati-onen sind in beiden Gruppen ausgeprägt. Arbeitsstolz ist Berufsstolz. Durch alle Ausbildungsstufen hindurch zeichnet sich das Personal der Pflegearbeit durch ein professionelles Selbstverständnis aus, in dem Arbeitsstolz sowohl auf die fachlich übergreifende Basiskompetenz eines sorgerischen Ethos setzt als auch stets an eine standardisierte Aus- und Weiterbildung gebunden ist.

Für die Professionalisierung des Personals der Weiterbildung schließen sich hier Fragen nach der möglichen Übertragbarkeit der Befunde an: Auch das Wei-terbildungspersonal zeichnet sich schließlich zum einen durch eine Heterogenität der Ausbildungswege aus, zum anderen wird eine Prekarisierung seiner Beschäf-tigungsbedingungen diskutiert (vgl. Alfänger et al. 2016; WSF 2005, S. 9 f.). Lassen sich entsprechend auch unter den Weiterbildungsbeschäftigten abhängig von ihrem Ausbildungsweg und ihrer aktuellen Beschäftigungssituation unter-schiedliche Erwartungen identifizieren, wenn es um die Gewährleistung ihrer Professionalisierung und Weiterbildung geht? Wo zeichnen sich umgekehrt mög-liche Differenzen zwischen qualifizierten Dienstleistungsberufen wie der Pflege-arbeit und hoch qualifizierten wie der Weiterbildungsarbeit ab? Darüber hinaus stellt sich die grundsätzlichere Frage, ob die Heterogenität und Prekarisierung des Weiterbildungspersonals Konsequenzen für ihre Erfahrung beruflicher Iden-tität hat. Existiert unter den Beschäftigten der Weiterbildung ein mit der Pflegear-beit vergleichbares berufliches Ethos, in dem sorgerische Individualkompetenzen mit fachlichen Qualifikationen so verschränkt sind, dass sie die institutionellen Differenzen des Ausbildungsgangs und der Beschäftigungssituation überspan-nen? Das Gewicht dieses Faktors für die Reichweite von Weiterbildungsbe-teiligung wird vor allem dann deutlich, wenn der empirische Kontrast auf die einfachen Dienste erweitert wird: Sie geben ein Beispiel dafür, wie sich Arbeits-stolz in Dienstleistungstätigkeiten gerade von einem verbindenden Berufsstolz entkoppeln kann.

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146 F. Bahl

3.2 Arbeitsstolz als Routinestolz

Unter den Beschäftigten der einfachen Dienste dominieren entlang von Beruflich-keit und Arbeitsstolz über alle vier untersuchten Branchen hinweg zwei Deutungen, in denen Arbeitsstolz erstens jeweils auf eine differente Weise funktioniert und mit denen sich zweitens die Bedingungen für die Bereitschaft der Beschäftigten zur Teilnahme an Weiterbildung grundlegend ändern: Bei einer Minderheit besteht ein Routinestolz. Während sich dieser in der Postzustellung etwa auf die Memorie-rung einer Zustellroute mit sämtlichen Adressen bezieht, setzt er in der Gebäuder-einigung beispielsweise bei optimierten Schwungbewegungen beim Bodenwischen oder bei perfektionierten Falttechniken des Wischlappens an, mit denen dieser bis zu 16-mal genutzt werden kann, bevor er ausgewaschen werden muss.

Die Beschäftigten sind stolz auf ihre Tricks und Kniffe. Im Vergleich zum beschriebenen Arbeitsstolz unter den untersuchten Pflegekräften sind allerdings drei Differenzen auffällig. Erstens tritt der Routinestolz desto deutlicher zutage, je weiter man in den betrieblichen Hierarchien nach oben geht. Während sich der Berufsstolz eines sorgerischen Ethos bei allen Pflegekräften findet, ist der Routi-nestolz in den einfachen Dienstleistungen dagegen branchenübergreifend insbe-sondere unter den Vorarbeitern und Filialleitern anzutreffen. Ihr Bedürfnis, auf die fachliche Kompetenz der zu verrichtenden Tätigkeiten zu verweisen, lässt sich als neoinstitutionalistisches Argument lesen. Ihm liegt der Versuch zugrunde, durch die Etablierung eines standardisierten Wissenskanons für die Beschäftigten die Möglichkeit einer beruflichen Selbstverortung zu generieren.

Zweitens ist dieser Routinestolz zugleich allerdings weitaus weniger an ein explizites Wissen gebunden. Stattdessen basiert er in erster Linie auf optimier-tem Erfahrungswissen, mit dem sich der Wandel der Wissensformen vom impli-ziten zum expliziten Wissen geradezu umkehrt. Zwar sind diese allgemeinen und fachübergreifenden Kompetenzen nicht vollkommen losgelöst von berufsfach-lichen Ausbildungsgängen zu betrachten. Beispielsweise sind die optimierten Schwungbewegungen, die beim Wischen von Bodenflächen der Linie einer Acht folgen, vielfach entweder in praxisenthobenen Ausbildungseinrichtungen oder auf betriebsinternen Lehrgängen erlernt worden. Dennoch nähert sich fachlich formalisierte Qualifikation spätestens bei der perfektionierten Memorierung von Zustellrouten zunehmend einer individuell optimierten Kompetenz (vgl. Baethge 2011, S. 454) an: Die Tätigkeitsanforderungen können immer weniger durch ein standardisiertes Wissen bewältigt werden und sind mehr auf die situative Leistung der Beschäftigten im Sinne ihres performativen Geschicks angewiesen. Wer seine Zustellroute ohne vorherige Aufzeichnungen in Kürze memoriert, schafft selbst

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eine neue Tour im Vergleich zu den Kollegen in Rekordzeit. Der Bedeutungs-zuwachs dieser Kompetenzkategorie des performativen Geschicks im Erwerb individuell optimierter Routinen steht in den einfachen Dienstleistungen für den eigentlichen Prozess der Professionalisierung. Anders als für die Pflegekräfte verbindet sich mit einem Arbeitsstolz, der auf performatives Geschick setzt, allerdings nur bedingt die Erfahrung von Beruflichkeit. Schließlich ist das perfor-mative Geschick statt auf die explizite Wissenssicherung in institutionalisierten Ausbildungsgängen und dessen berufssozialisatorischer Weitergabe auf ein Wis-sen bezogen, das auf individuellen Perfektionismus abzielt.

Gerade angesichts dieser individualisierten Optimierung von Tätigkeiten stellt sich auch hier die Frage nach der möglichen Übertragbarkeit der Befunde auf das Weiterbildungspersonal. Vor dem Hintergrund eines heterogenen Weiterbildungs-arbeitsmarkts wird in der Debatte um die Professionalisierung seines Personals teils eine individuelle Professionalisierung diskutiert, die ebenfalls ohne Effekte für eine kollektive Erfahrung von Beruflichkeit bleibt (vgl. etwa Alfänger et al. 2016). Ist diese individuelle Professionalisierung mit dem individuell optimier-ten Erfahrungswissen aus der einfachen Dienstleistung vergleichbar oder markiert hier stattdessen die fachliche Hochqualifizierung die entscheidende Differenz, insofern die individuelle Professionalisierung eben nicht auf ein implizites Erfah-rungswissen hinausläuft, sondern auf dem expliziten Wissen fachlicher Qualifika-tion beruht?

Mit dem Verhältnis von fachlicher Fähigkeit und sozialer Kompetenz ist zugleich noch die dritte Differenz zwischen der Professionalisierung in der Pflege und den einfachen Dienstleistungen angesprochen, die angesichts der pädagogi-schen Anforderungen an das Weiterbildungspersonal möglicherweise für die Frage nach der Übertragbarkeit der Befunde relevant ist. Das Kompetenzbewusstsein, auf dem der Routinestolz gründet, ist nicht im Sinne derjenigen sozial-reflexiven Kompetenzerfahrung zu verstehen, die für die Beschäftigten der Pflegearbeit kon-stitutiv ist und welche immer wieder als allgemeines Kriterium zur Erfassung des Kompetenzbewusstseins in Dienstleistungstätigkeiten diskutiert wird (vgl. Dunkel und Weihrich 2006; Baethge 2011). Während die untersuchten Beschäftigten der Pflegearbeit in der Kommunikationsfähigkeit und Interaktion mit dem Patienten nicht nur eine fachübergreifende Basiskompetenz sehen, sondern auch eine ent-scheidende Voraussetzung für ihr berufliches Ethos, kehrt sich das Verhältnis in den übrigen vier untersuchten Branchen um. Interaktivität – sei es mit Kollegen, sei es mit Kunden – zählt weder zu den Hauptbeschäftigungen, noch ist sie für viele Beschäftigte eine ersehnte Beschäftigung, die eine Grundlage für Kompe-tenzbewusstsein und die Erfahrung von Arbeitsstolz gewährleisten würde. Das gilt nicht nur in Tätigkeiten der Gebäudereinigung und des Transportwesens.

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Diese empirische Beobachtung lässt sich bis in die konsumorientierten Dienst-leistungsbereiche des Lebensmittel- und Textildiscounts verfolgen. Zwar gehören diese konsumorientierten Dienstleistungstätigkeiten zu den Branchen, die in der Forschungsliteratur bei der Untersuchung von Dienstleistung immer wieder als Beispiel von Interaktivitätsarbeit herangezogen werden. Dennoch ist Interaktivität in allen drei untersuchten Unternehmen nur begrenzt als Schlüssel zur Erfassung dieser Tätigkeiten und des mit ihnen verbundenen Kompetenzbewusstseins und Arbeitsstolzes tauglich.

Man hat dann viel Ware, die möchte man erstmal wegräumen, dass da nichts mehr steht, aber die Kunden brauchen dich ja auch! […] Dann muss man, wie gesagt, die Zähne zusammenbeißen und sagen: „Okay, jetzt musst du da durch! Kunde, schnell, was brauchst du?“ und fertig. Ne? Schnell holen und zeigen. Muss halt sein.

Die Worte der Angestellten einer Textilkette zu ihrer Begegnung mit dem Kun-den haben exemplarischen Charakter: Das Verständnis von der eigenen Arbeit und der für sie notwendigen Kompetenzen dreht sich nicht in erster Linie um den Service in der Beratung des Kunden und eine solche Interaktion wird auch nicht ersehnt. Stattdessen wird dieser eher als eine Art Intermezzo erfahren, das die Arbeit der Warenverteilung unterbricht, aber nicht soweit unterbrechen darf, dass die Ware kurz abgelegt wird und dem Kunden die ausschließliche Aufmerk-samkeit gebührt. Dienstleistung am Kunden bedeutet für die Beschäftigten weni-ger professionelle Servilität als unsichtbare Gewährleistung. Aus ihrer Sicht steht die Interaktion mit dem Kunden so auch weniger für eine Situation, innerhalb derer die eigene Sozialkompetenz im Umgang mit ihm in Anschlag gebracht und seine Zufriedenstellung zur Basis des eigenen Arbeitsstolzes wird. Vielmehr wird der Kunde eher als eine Irritation erfahren, die den eigentlichen Fluss der Arbeit unterbricht.

Das unterschiedliche Gewicht, das der Kommunikationsfähigkeit in Industrie- und Dienstleistungsfachkräftetätigkeiten in der Diskussion um Arbeitsstolz und Kompetenzbewusstsein zugewiesen wird (vgl. Hall 2007, S. 180; Baethge 2011), müsste folglich auch für die pädagogischen Anforderungen an Weiterbildungsar-beit noch einmal neu geprüft werden. Ist in dieser Diskussion wiederkehrend eine klare aufsteigende Stufung von Produktions- zu Dienstleistungsberufen angelegt (vgl. Baethge 2011, S. 452 f.), geben die vorangegangenen Überlegungen zumin-dest Hinweise darauf, dass soziale Kompetenz zwar in Sozial- und Gesundheits-dienstberufen dominiert, in vielen einfachen Dienstleistungsbereichen dagegen wenig bis gar nicht für das Kompetenzbewusstsein der Beschäftigten relevant ist.

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3.3 Arbeitsstolz als körperliches Leistungsbewusstsein

Der Kontrast zum beobachteten Berufsstolz unter den Beschäftigten in der Pfle-gearbeit wird umso deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der beschrie-bene Routinestolz zudem bei der Mehrheit der Beschäftigten der einfachen Dienste fehlt. Stattdessen überwiegt in den Belegschaften unterhalb des mittleren Managements hinsichtlich des für ihre Tätigkeiten erforderlichen expliziten wie impliziten Wissens über die vier untersuchten Branchen hinweg eine Perspektive der Abgeklärtheit auf ihre Arbeit.

Mit dem handwerklichen Perfektionismus, den ein Teil der Kollegen aus den individuellen Routinen bezieht, kann sich der weitaus größere Teil der Beschäf-tigten branchenübergreifend nicht identifizieren. Weder das Alter der Befragten, noch die Frage, ob sie eine abgeschlossene Berufsausbildung im ausgeübten Tätigkeitsfeld haben, können für diese deutungslogische Differenz zum Routine-stolz ausschlaggebende Erklärungsvariablen anbieten. Der Hinweis auf die abge-schlossene Berufsausbildung ist insofern von Belang, als die Heterogenität der Personalstruktur in den einfachen Diensten, was das Qualifikationsniveau betrifft, gegenüber der Pflegearbeit deutlich zunimmt. Für viele Beschäftigte der einfa-chen Dienste ist es eine Arbeit, die sie nicht über eine Berufsausbildung erlernt haben, sondern die sie ausüben, weil für sie keine alternative Erwerbsbeteiligung verfügbar ist. Zwei Typen von Beschäftigten, die in den Belegschaften branchen-übergreifend zu finden sind, können diesen Umstand verdeutlichen.

Auf der einen Seite finden sich die Deindustrialisierten. Betrachtet man ihren beruflichen Werdegang, dann waren sie lange Zeit in industriellen Jedermanns-arbeitsmärkten beschäftigt. Häufig wurden sie betriebsintern angelernt und ver-fügen über keine Ausbildung oder aber über eine fachfremde Ausbildung, in deren Beruf sie anschließend aber nie dauerhaft tätig waren. Das Spektrum der Erwerbstätigkeiten reicht für diese Gruppe angefangen von der Fließbandarbeit in einem Tabakunternehmen bis hin zu Verpackungsjobs in einer Getränkefirma oder Fleischfabrik. Im Zuge der Deindustrialisierung und dem kontinuierlichen Abbau dieser Arbeitsplätze in den 1990er Jahren kommen dann zunehmend dienstleis-tende Tätigkeiten hinzu, ob als Reinigungskraft, Sammelbestellerin im Einzelhan-del oder Zimmermädchen.

Die zweite Gruppe sind die dequalifizierten Migranten. Bei ihnen handelt es sich um unterschiedliche Typen und Alterskohorten von Arbeitsmigranten. Das verbindende Kriterium ist, dass sie in ihren Herkunftsländern nicht selten die Position einer Verwaltungsbeamtin im gehobenen Dienst oder einer Ökonomin bekleidet haben. Im transnationalen Übergang wurden ihre Qualifikationen aber

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aufgrund bundesrepublikanischer Zertifizierungsauflagen nicht anerkannt. Auf der Suche nach einem eigenständigen Einkommen offeriert ihnen die Zertifika-tionsfreiheit der Branchen einfacher Dienste oft den einzigen Zutritt zum deut-schen Arbeitsmarkt. In einem Erwerbsweg, dessen durchhaltende Charakteristika begrifflich entweder durch Unbeständigkeit oder Dequalifizierung gefasst werden können, wird die Entstehung beruflicher Identität schwierig.

Doch auch unter den Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung in den aktuellen Tätigkeitsfeldern zeigt sich keine auffällige Abweichung hinsicht-lich der Erfahrung beruflicher Zugehörigkeit. Der Attraktivität institutioneller Professionalisierung steht hier nicht nur die fehlende soziale Anerkennungser-fahrung, sondern auch die eigene Tätigkeitserfahrung der Beschäftigten entge-gen. Selbst unter den Kollegen, die über eine berufliche Fachausbildung in der jeweiligen Branche verfügen, werden die erforderlichen Kompetenzen kaum als berufsspezifisches Wissen, sondern als elementare Grundfertigkeiten erfahren. Was in Gebäudereinigung, Wachschutz und Zustellung beginnt, lässt sich bis in die Arbeitserfahrung der Beschäftigten aus dem Textileinzelhandel verfolgen. Die eigene Arbeit wird in erster Linie als mechanisches Durchräumen der Ware auf dem Shopfloor erfahren. Zwar setzt auch die Mehrheit der Beschäftigten in ihrem Arbeitsalltag auf Routinewissen. Allerdings sehen sie darin weniger eine Basis des Arbeitsstolzes als die damit verbundene zeitsparende Rhythmisierung der Arbeit. In dem Maße, in dem die Tätigkeiten branchenübergreifend kein Ergebnis im Sinne eines festen Produkts haben, sondern in Form von Sichern, Einräumen, Zustellen und Säubern die Tätigkeiten anderer gewährleisten, sichern Routinen sowohl das tägliche Arbeitsvolumen als auch den eigenen Arbeitstakt.

Dort, wo Arbeitsstolz zu finden ist, basiert er in der Folge auch weniger auf Wissen – sei es expliziter wie impliziter Art. Stattdessen liegt ihm ein körper-liches Leistungsbewusstsein zugrunde. Für viele der Beschäftigten bemisst sich die Qualität ihrer Leistung an der körperlichen Anstrengung, die ihre Ausübung kostet.

Wenn ich richtig zufrieden nach Hause gehe, dann sieht der Tag so aus, dass ich irgendwie nur im Bett liege, und kaputt bin und schlafe (lacht). Das ist dann ein zufriedener Tag.

Dieses Beispiel des Postzustellers erinnert zunächst an Beschreibungen zum körperlich basierten produktiven Leistungsstolz unter Industriearbeitern (vgl. Baethge 2011). Jedoch hat das körperliche Leistungsbewusstsein der Dienstleis-tungsarbeiter eine andere Qualität. Während die berufliche Identität der indust-riellen (Fach-)Arbeiter wesentlich im Begriff des Produzentenstolzes gefasst

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wurde, lässt sich dieser für den Arbeitsstolz der Beschäftigten in den einfachen Diensten nicht gleichermaßen in Anschlag bringen. Wie der Begriff angibt, ist Produzentenstolz eine Bezugskategorie industrieller Herstellungsarbeit, in der die soziale Anerkennung ebenso wie das individuelle Selbstwertgefühl der eigenen Arbeit stark an die Gegenständlichkeit eines einsatzfähigen Produkts sowie die zugehörige Berufssozialisation gebunden waren (vgl. Popitz et al. 1957; Baethge 2011, S. 454). Diese Bezugskategorie auf einfache Dienstleistungstätigkeiten zu übertragen, blendet diesen Konstitutionszusammenhang aus (vgl. Baethge 2011, S. 454). Was demgegenüber das körperliche Leistungsbewusstsein und die Abgeklärtheit der Beschäftigten der einfachen Dienste hinsichtlich der Kompe-tenzanforderungen ihrer Arbeit für die Frage bedeutet, wie ansprechbar sie für berufliche Weiterbildungsoptionen sind, kann die Beschreibung einer Gebäuder-einigerin zeigen.

Meine Chefin sitzt im Büro. […] Und ihr fehlt eine Bürohilfe. Na, also ihr fehlt eine Vertretung, die den ganzen Bürokram macht. Siehst, wenn einer das liegt, die könnte da auf dem Stuhl sitzen und den Bürokram machen. […] Aber sie will das nicht machen. […] Und dann haben wir noch eine andere, die ist angelernt worden, die könnte das auch machen. Will sie auch nicht machen.

Der Unterschied zur eingangs des Beitrags zitierten Krankenpflegehelferin könnte kaum deutlicher sein. Während diese nach beruflichen Weiterbildungsop-tionen sucht, aber den Eindruck hat, dass diese für sie kaum gewährleistet wer-den, hat das Personal einfacher Dienste selbst bei dem Angebot solcher Optionen nicht unbedingt die Ambition, sie zu ergreifen. Die Situation beruflicher Pro-fessionalisierung und betrieblicher Weiterbildung ist insofern komplexer als die Feststellung, dass Entwicklungsmöglichkeiten im Zuge kurzfristiger Beschäfti-gungsverhältnisse weitgehend fehlen. Eine Analyse der Bedingungskonstellatio-nen muss auch die fehlende Bereitschaft der Beschäftigten betrachten, wenn es darum geht, die bestehenden Optionen überhaupt ergreifen zu wollen. Neben der mangelnden Attraktivität solcher Weiterbildungsoptionen, etwa aufgrund des feh-lenden erwarteten finanziellen Nutzens, kommt dabei im Falle gering qualifizier-ter Tätigkeiten noch eine weitere Dimension ins Spiel, die auch über die Frage nach der Gelegenheitsstruktur im Zusammenhang mit Transaktionskostenproble-men hinausreicht: Anders als die Pflegekräfte träumt die Mehrheit der Beschäftig-ten der einfachen Dienste nicht davon, sich durch geeignete Qualifikationspfade weiterzubilden.

Tätigkeitsstrukturen und Kompetenzbewusstsein der beschriebenen Art erfordern also nicht nur andere Professionalisierungspfade (vgl. Baethge 2011,

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S. 453), insofern der Arbeitsstolz der Beschäftigten weniger auf explizite Qualifi-kation als auf implizite Kompetenz und körperliche Belastbarkeit setzt. Weiterbil-dungspfade stehen zusätzlich im Kontext der Herausforderung, dass die Mehrheit der Beschäftigten in ihren Tätigkeiten und den dafür notwendigen Kompetenzen keine professionellen Wissensbestände sieht, die sich in spezifischen Aus- und Weiterbildungsgängen institutionalisieren lassen.

4 Abschließende Bemerkungen

Für die Forschung zum Weiterbildungspersonal kann der vorliegende Beitrag vor allem dazu dienen, einen Kontrast zur gemeinhin als akademische Dienstleistung geltenden Weiterbildungsarbeit herzustellen. Indem er die unterschiedlichen indi-viduellen Professionalisierungsvoraussetzungen in qualifizierten und einfachen Dienstleistungsberufen kontrastiert, kann er weniger Antworten auf die Frage nach den spezifischen Professionalisierungschancen in der Weiterbildungsarbeit geben. Vielmehr kann er stattdessen im Angesicht der Befunde dieses Kontrasts für zukünftige Forschung mögliche Fragen anbieten. Dieses Angebot betrifft vor allem die Forschungsperspektive.

Die bisherige Weiterbildungsforschung konzentriert sich insbesondere auf sozialstrukturelle und institutionentheoretische Studien. Sie geben wichtige Hin-weise darauf, welche betrieblichen sowie überbetrieblichen Rahmenbedingungen die Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten verhindern oder ermöglichen (vgl. Wotschack und Solga 2014). Die hier vorgestellten Befunde geben aller-dings Hinweise darauf, dass eine solche Perspektive nicht ohne den Zusammen-schluss mit akteurstheoretischen Überlegungen auskommt. Für die Untersuchung des Weiterbildungspersonals ist diese Erweiterung der Forschungsperspektive insofern bedeutsam, als dass sie neben der Relevanz institutioneller Struktu-ren für die Professionalisierung von Berufsgruppen auch die Wichtigkeit beruf-licher Identität für die Teilnahme an Weiterbildungen unterstreicht. Sie wirkt darauf ein, ob Beschäftigte im Dienstleistungssektor ihre Tätigkeit als Beruf wahrnehmen und an Weiterbildung teilnehmen möchten. In den Forschungsbe-funden ist diese Beobachtung im Kontrast qualifizierter Pflegearbeit und gering qualifizierten Dienstleistungsbranchen vor allem entlang von zwei Dimensionen deutlich geworden: Der Art des von den Beschäftigten empfundenen Arbeits-stolzes und der Erfahrung von Beruflichkeit in der eigenen Erwerbsbiografie. Unter den Beschäftigten der Pflegearbeit existiert über alle untersuchten statio-nären Pflegeunternehmen hinweg eine starke Beruflichkeit, in der Arbeitsstolz

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an die berufliche Identität eines sorgerischen Ethos gebunden ist. Zwar unter-scheiden sich die Erwartungen der Beschäftigten zwischen ein- und dreijähriger Ausbildung, wenn es um die institutionelle Gewährleistung von Weiterbildungs-optionen geht. Dennoch sind berufliche Identität sowie die Suche nach Professi-onalisierungsoptionen durch spezialisierte Ausbildungsgänge in beiden Gruppen ausgeprägt. Demgegenüber dominieren unter den Beschäftigten der einfachen Dienste entlang von Beruflichkeit und Arbeitsstolz über vier Branchen hinweg zwei andere Deutungen: Bei einer Minderheit besteht ein Routinestolz. Was in der Gebäudereinigung etwa perfektionierte Falttechniken des Wischlappens und optimierte Schwungbewegungen beim Bodenwischen sind, ist in der Postzustel-lung die Memorierung einer Zustellroute mit sämtlichen Adressen. Anders als in der Pflege verbindet sich damit allerdings nur bedingt Beruflichkeit, insofern es den Beschäftigten oft nicht um ein explizites Wissen geht, das in institutionali-sierten Ausbildungsgängen gesichert und berufssozialisatorisch weitergegeben wird. Vielmehr bezieht sich der Routinestolz auf ein implizites Wissen, das auf individuelle Optimierungen abzielt. Bei der Mehrheit der Beschäftigten überwiegt dagegen zudem eine Perspektive der Abgeklärtheit auf ihre Arbeit. Weder iden-tifizieren sie sich mit einem handwerklichen Perfektionismus, noch träumen sie davon, sich durch geeignete Qualifikationspfade weiterzubilden. Statt eines beruf-lichen Selbstverständnisses, das sich um fachliche Qualifikation und fachüber-greifende Kompetenz gruppiert, dominieren Reflexe der Selbstdistanzierung. Statt des Routinestolzes überwiegt die zeitsparende Rhythmisierung der Arbeit.

Bleibt die Frage, inwieweit sich diese Befunde auf die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals übertragen oder dazu kontrastieren lassen. Was die Untersuchung des Arbeitsmarktbereichs einfacher Dienstleistungen zunächst zeigt, ist, dass eine professionsgebundene Analyse von Dienstleistungstätigkeiten nicht ausreicht, will man die vielgestaltige Realität postindustrieller Arbeitswel-ten angemessen erfassen. Stehen die Tätigkeitsfelder der Dienstklasse angefangen von Administration bis zu sozio–kulturellen Diensten in der Regel im Kontext einer Erfahrung professioneller Identität, die in spezifischen standardisierten Ausbildungsgängen abgesichert wird, fehlen im Bereich der einfachen Dienste nicht nur klare Qualifikationsanforderungen. Es fehlt auch die Überzeugung der Beschäftigten, dass politisch gesetzte Qualitätsstandards für berufliches Handeln sowie Kompetenz fördernde Angebote in der betrieblichen Arbeitsorganisation die Attraktivität von Weiterbildungsanstrengungen gewährleisten können.

Wirft man vor diesem Hintergrund einen Blick in die Debatte um prekäre Beschäftigungsformen in der Weiterbildung, dann lassen sich für diese Erweite-rung der Forschungsperspektive auf Fragen beruflicher Identität zwei mögliche Anschlüsse finden: Der erste betrifft den inhaltlichen Bezugspunkt eines solchen

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professionellen Selbstverständnisses zwischen fachlichen Kenntnissen und päd-agogischem Geschick. Das Lehrpersonal in der Weiterbildung hat mehrheitlich akademische Qualifikationshintergründe, die für eine fachliche Professionalisie-rung sprechen. Gleichzeitig besitzt es allerdings nur selten explizit pädagogische Kenntnisse. Stattdessen sind die Beschäftigten pädagogisch häufig nur angelernt, beziehungsweise haben sie sich die Lehrkompetenzen autodidaktisch durch ein „learning by doing“ angeeignet (vgl. WSF 2005).6 Was bedeuten diese Befunde für den Bezugspunkt ihrer beruflichen Identität als einer Komponente erfolgrei-cher Professionalisierung? Verschränken die Beschäftigten ihr fachliches Können mit der pädagogischen Selbstschulung in ein berufliches Ethos, das dem sorge-rischen Ethos der Pflegekräfte vergleichbar ist, oder sehen sie sich eher als päd-agogisch gering Qualifizierte und die eigene berufliche Identität bezieht sich stattdessen vornehmlich auf die jeweilige fachliche Hochqualifizierung?

Mit der Heterogenität dieser fachlichen Ausbildung ist zugleich der zweite Anschluss aufgerufen. In der Debatte um die Professionalisierung des Weiter-bildungspersonals wird zuweilen darauf verwiesen, dass zwar eine individuelle Professionalisierung unter den Beschäftigten vorzufinden ist, diese jedoch keine Effekte für einen kollektiven Prozess der Berufssozialisierung hat (vgl. etwa Alfänger et al. 2016). Diese Überlegungen werfen die Frage auf, inwieweit hier die Befunde aus den Arbeitstätigkeiten der einfachen Dienstleistung anschluss-fähig sind. Selbst da, wo Engagement in Richtung Professionalisierung in den Betrieben existiert, bleibt dieses für die Mehrheit der Beschäftigten der einfachen Dienstleistung unattraktiv, da ein Verständnis ihrer Beschäftigung als Beruf, d. h. als identitätsstiftenden Ort eines individuellen ebenso wie kollektiven beruflichen Selbstverständnisses, das Bildungsinvestitionen rechtfertigt, branchenübergrei-fend keine normative Zugkraft hat. Stattdessen lassen sich nur Formen individuel-ler Optimierung durch Erfahrungswissen finden.

Beide Anschlüsse erweitern die professionssoziologische Frage nach Kompe-tenzprofilen und institutionellen Gewährleistungsbedingungen von Professionali-sierung und Weiterbildung um die akteursorientierte Frage danach, inwieweit die im Bereich der Dienstleistungen Tätigen überhaupt für Beruflichkeit ansprechbar sind. Eine solche erweiterte Perspektive ist in der bisherigen Weiterbildungsfor-schung kaum vertreten. Für die weiterführende Forschung könnte ein stärkerer

6Auch bei der Einstellung von Weiterbildungsbeschäftigten erachten Weiterbildungsan-bieter Befragungen zufolge (vgl. Ambos et al. 2015) pädagogische Qualifikationen – im Gegensatz zu fachlichen Qualifikationen im Weiterbildungsthemenfeld – als relativ unwich-tig bei der Frage, ob sie einen Bewerber auswählen würden.

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Einbezug des Akteurs im Sinne der im vorliegenden Beitrag identifizierten Ein-flussfaktoren ein fruchtbarer Weg sein.

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Über die Autorin

Dr. Friederike Bahl Arbeitsschwerpunkte: Arbeitssozio-logie, Soziologie sozialer Ungleichheit, politische Soziolo-gie und Organisationssoziologie.

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Teil IIIBeschäftigung, Prekarität

und Professionalisierung in der Weiterbildung: Empirische Befunde

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Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten der Weiterbildung

Stefan Koscheck

ZusammenfassungIn der Debatte um die Professionalisierung der Weiterbildung wird meist aus-schließlich die Mikroebene, d. h. die Handlungsqualität des Weiterbildungs-personals thematisiert. Je nach Praxisfeld bzw. wissenschaftlicher Perspektive werden zum Teil unterschiedliche Kompetenzen definiert, die für die professi-onelle Ausübung einer Lehrtätigkeit in der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung als relevant angesehen werden. Aufgrund der daraus resultierenden vielfälti-gen Professionalitätsverständnisse wird ein Vergleich verschiedener Weiterbil-dungssegmente hinsichtlich ihrer Professionalitätsgrade quasi unmöglich. Der Beitrag unternimmt einen dahin gehenden Versuch, indem eine strukturelle Perspektive eingenommen wird. Konkret wird ein zentrales Kennzeichen von Professionen in den Blick genommen, nämlich der mittels bestimmter akademi-scher Abschlüsse reglementierte Berufszugang. Die Schwierigkeit, die Weiter-bildung als Profession zu fassen, wird so unmittelbar offenkundig: Zum einen findet sich ein kontrollierter Zugang zu Lehrtätigkeiten in der Weiterbildung allenfalls in spezifischen Teilbereichen, wohingegen in weiten Teilen dieses Bil-dungsbereichs keinerlei formale Eintrittsbarrieren bestehen. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Berufsabschlüsse in dem vielfältigen Tätigkeitsfeld den Zugang überhaupt beschränken könnten. Vor dem Hintergrund der Pluralität in der Weiterbildung hinsichtlich Themen, Institutionen, Adressaten und Finan-ziers scheinen einzig pädagogische Qualifikationen als eine Vergleichsbasis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_8

S. Koscheck (*) Arbeitsbereich 2.2 Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit, Bundesinstitut für Berufsbildung, Robert-Schuman Platz 3, 53175 Bonn, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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verschiedener Weiterbildungsfelder geeignet. Unter Bezugnahme der soziologi-schen Systemtheorie wird die leitende Annahme des Beitrags aufgestellt, dass sich unterschiedliche Funktionen der verschiedenen Weiterbildungsbereiche in dem pädagogischen Professionalitätsgrad Lehrender widerspiegeln. Die empi-rische Prüfung der Fragestellung erfolgt anhand Daten des wbmonitor und des wb-personalmonitor mittels einer Perspektivenverschränkung, in der einerseits untersucht wird, welche Anforderungskriterien bei der Personalauswahl der Einrichtungen von zentraler Bedeutung sind. Andererseits wird die Qualifika-tionsstruktur der Lehrenden betrachtet, wobei ein besonderes Augenmerk auf pädagogische Studienabschlüsse gerichtet wird.

1 Zur Professionalität in der Weiterbildung

Die Frage, was unter Professionalität bzw. Professionalisierung des Weiterbil-dungspersonals zu verstehen ist, kann nicht mittels einer einheitlichen Definition beantwortet werden. Da je nach wissenschaftlicher Perspektive oder Praxis-feld unterschiedliche Verständnisse existieren, lässt sich Professionalität in der Weiterbildung vielmehr als ein „schillernder Begriff mit vielen Bedeutungen“ (Peters 2004, S. 10) charakterisieren. Den verschiedenen Begriffsbestimmun-gen von Professionalität ist jedoch gemein, dass in der Regel eine bestimmte Handlungsqualität der Weiterbildner beschrieben wird, welche in bestimmten Kompetenzanforderungen Ausdruck findet (vgl. Peters 2004, S. 113 ff.). Als Pro-fessionalisierung wird entsprechend der Prozess einer systematischen „professi-onellen“ Qualifikationsentwicklung des Personals bezeichnet. Festzuhalten ist, dass sich die Debatte um Professionalität und Professionalisierung des Weiter-bildungspersonals vorrangig auf die Ebene individuellen Handelns konzentriert. Dabei werden strukturelle Merkmale von Professionen vielfach ausgeblendet (vgl. Rosendahl 2013, S. 93), wodurch die Professionalisierung ohne die Profes-sion gedacht wird (vgl. Fischell 2013, S. 78). Gerade dieser Mangel dürfte jedoch im Zusammenwirken mit der Heterogenität der Branche für die schwammige Begrifflichkeit von Professionalität und Professionalisierung in der Weiterbildung ausschlaggebend sein. Insofern erscheint es gewinnbringend, sich zentrale Cha-rakteristika von Professionen vor Augen zu führen.

In Betrachtung der soziologischen Systemtheorie ist eine Profession dadurch gekennzeichnet, dass „eine Berufsgruppe in ihrem beruflichen Handeln die Anwendungsprobleme der für ein Funktionssystem konstitutiven Wissensbestände verwaltet und […] dies in entweder monopolitischer oder dominanter – d. h. den

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Einsatz der anderen in diesem Funktionsbereich tätigen Berufe steuernder oder dirigierender Weise tut“ (Stichweh 1992, S. 369). Nach diesem Verständnis haben nur wenige Berufsgruppen den Professionsstatus inne, und zwar in Bereichen, denen historisch eine zentrale gesellschaftliche Bedeutung zukommt. Dies sind Ärzte (Gesundheitssystem), Geistliche (Religionssystem), Juristen (Rechtssystem) sowie Lehrer (Erziehungssystem). Zur Ausübung der professionellen Berufsrollen bestehen institutionalisierte Zulassungsmechanismen (vgl. Stichweh 2005, S. 38), d. h. es ist staatlich reglementiert, welche Qualifikationen durch akademische Zertifikate nachzuweisen sind, um den Beruf ausüben zu dürfen. Durch die aka-demische Ausbildung in der entsprechenden Fachrichtung verfügen die Inhaber der spezialisierten Berufsrollen über ein exklusives Expertenwissen, womit ein asymmetrisches Rollenverhältnis zu den Komplementärrollen in Form eines Pro-fessionellen-/Klienten-Verhältnisses einhergeht (vgl. Stichweh 1992, S. 371). Der Klient ist dabei hinsichtlich seiner Kenntnis des professionellen Wissensbestandes als Laie zu betrachten. Ferner sind Professionen durch einen hohen beruflichen Organisationsgrad in Form von Mitgliedschaften in professionellen Assoziationen gekennzeichnet (vgl. Stichweh 2005, S. 38).

Es fällt schwer, die genannten Kriterien einer Profession in der Weiterbildung zu identifizieren. Grundlegend dafür ist, dass sich die Weiterbildung als historisch gewachsenes Konglomerat (vgl. Luhmann 1997, S. 11), das in Anknüpfung an verschiedene gesellschaftliche Bereiche unterschiedliche Funktionen erfüllt, nicht zu einem eigenen Funktionssystem entwickelt hat (vgl. Wittpoth 1997; Harney 1997). Während die individuelle berufliche Weiterbildung dem Erziehungssystem zugeordnet werden kann, da sie primär die Funktion erfüllt, individuelle Lebens-läufe für den Arbeitsmarkt anschlussfähig zu machen, orientiert sich betrieblich finanzierte Weiterbildung vorrangig an Zielen und Kriterien betrieblicher Ratio-nalisierung und folgt insofern der Logik des Wirtschaftssystems (vgl. Kurtz 2002, S. 886). Demgegenüber dürfte im Bereich der allgemeinen Erwachsenenbildung neben verschiedenen Anknüpfungspunkten, beispielsweise im Bereich der Fami-lie, in vielen Fällen ein persönliches Interesse ohne unmittelbare Verwertungs-absichten zur Teilnahme bewegen. Zugleich kann hier auch der soziale Aspekt gemeinschaftlichen Lernens für die Teilnahmeentscheidung relevant sein. Letzte-rer kann sogar in den Vordergrund treten, indem die persönlichen Beziehungen zwischen Kursleitenden und Teilnehmenden die inhaltliche Thematik dominieren (vgl. Stichweh 1992, S. 373).

Vor dem Hintergrund der hier nur grob skizzierten verschiedenen Funktio-nen und Anknüpfungen der Weiterbildung ist hinsichtlich der Frage, ob diese als Profession anzusehen ist, von Bedeutung, dass keine geschlossene Berufsgruppe

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existiert, die einen systemimmanenten Wissensbestand verwaltet. Für die Wei-terbildung trifft vielmehr das Gegenteil zu, denn der Zugang zu Tätigkeiten in der Weiterbildung ist nicht systematisch, in manchen Bereichen sogar überhaupt nicht reglementiert (vgl. Nuissl 2005). Anstatt eines homogenen Berufsbildes „Weiterbildner“ mit einheitlichen Ausbildungsstandards finden sich unterschied-liche Zugangswege in diesen Tätigkeitsbereich, vielfältige Selbstverständnisse von „Trainer/inne/n“, „Dozent/inn/en“ über „Lehrgangsleiter/innen“ bis zu klas-sischen „Erwachsenenbildner/inne/n“ und damit auch höchst unterschiedliche Kompetenzprofile.

Ein weiterer Aspekt, der gegen eine Profession „Weiterbildung“ im klassi-schen Sinn spricht, ist die Besonderheit dieses Bildungsbereichs, dass ein erheb-licher Teil der Lehrtätigkeiten durch nebenberuflich tätige Honorarkräfte erbracht wird (vgl. Abschn. 3.2). Es dürfte davon auszugehen sein, dass diese vor allem aufgrund der Expertise in ihrem Hauptberuf und des damit verbundenen Transfers von Praxiswissen gefragt sind. Somit sind für deren Tätigkeit Wissensbestände aus vielfältigen anderen Funktionskontexten als aus dem des Erziehungssystems zentral, womit ein Professionellen-/Klienten-Verhältnis im Sinne einer Profession (s. o.) fraglich erscheint. Auch der Organisationsgrad der in der Weiterbildung Tätigen ist als niedrig anzusehen. Zwar gibt es z. B. im Bereich der freien Trainer Verbände bzw. organisierte Netzwerke, diese vereinen jedoch nur einen Bruchteil der Weiterbildner unter ihrem Dach. Insbesondere bei nebenberuflich in der Wei-terbildung Tätigen dürfte eine Mitgliedschaft in Interessensvertretungen vermut-lich eher selten anzutreffen sein.

Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass die Professionali-sierungsdebatte in der Weiterbildung fast vollständig auf die Handlungsebene abzielt. Denn hier sind – wie auch bei anderen sozialen Dienstleistungsberufen – Ansatzpunkte für Professionalisierungsbemühungen im Sinne der Qualitäts-steigerung beruflichen Handelns vorhanden. Mit dem Ziel, Lehr-/Lerninteraktio-nen optimal zu gestalten und Wissen erfolgreich sowie nachhaltig zu vermitteln, können konkrete Kompetenzanforderungen an „professionelle“ Weiterbildner formuliert werden. Allerdings mangelt es dabei an Einheitlichkeit. Mit Blick auf die Pluralität in der Weiterbildung dürfte aber kaum zu erwarten sein, dass sich einheitliche Kompetenzstandards für die gesamte Weiterbildung entwickeln. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich verschiedene Teilsegmente auf unter-schiedliche Art bzw. mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu professionalisieren versuchen. Damit wird sich die uneinheitliche Verwendung der Begriffe Professi-onalität und Professionalisierung im Bereich der Weiterbildung fortsetzen.

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165Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

2 Fragestellung: Unterschiedliche pädagogische Professionalitätsgrade in Teilsegmenten der Weiterbildung

Wenngleich sich die Weiterbildung wie gezeigt im Gesamten nicht als eine Pro-fession charakterisieren lässt, stellt sich die Frage, ob nicht zumindest in Teil-segmenten der Weiterbildung eine professionelle Basis im oben dargestellten strukturellen Verständnis identifiziert werden kann. Sucht man ein übergreifendes Element des Bildungsbereichs Weiterbildung und möchte dabei nicht an dessen unterschiedlichen Funktionen und Themengebieten scheitern, kommen dafür allenfalls pädagogische Qualifikationen infrage. Obwohl es als fraglich anzuse-hen ist, inwieweit für die Weiterbildung eine Art pädagogischer Kern existiert, dürfte davon auszugehen sein, dass pädagogischen Qualifikationen in verschie-denen Teilsegmenten der Weiterbildung eine unterschiedlich hohe Bedeutung zukommt bzw. die Lehrenden in unterschiedlichem Ausmaß pädagogisch aus-gebildet sind und somit unterschiedliche pädagogische Professionalitätsgrade bestehen. Deshalb wird im Folgenden – bezogen auf die Lehrenden, welche die Kernleistungen der Weiterbildung erbringen – betrachtet, welche Bedeutung zer-tifizierten (erwachsenen-)pädagogischen Qualifikationen im Vergleich anderen, nicht originär dem Bildungssektor zuzuordnenden Qualifikationen und Kompe-tenzen zukommt. Unter Letzteren werden z. B. Soft Skills oder fachliche Kennt-nisse im Themenbereich der Veranstaltungen verstanden. Der hier getätigte Fokus auf pädagogische Qualifikationen impliziert zugleich, dass die Weiterbildung näher am Bildungs- bzw. Erziehungssystem verortet wird als an anderweitigen funktionalen Anknüpfungsbereichen (wie z. B. Betriebe/Wirtschaft, s. o.). Ent-sprechend könnte man aus einer anderen Beobachtungsperspektive zu abweichen-den Schlüssen bezüglich der Professionalität in der Weiterbildung gelangen.

Ein vergleichsweise hoher pädagogischer Professionalitätsgrad im Sinne zertifizierter beruflicher Qualifikationen dürfte in denjenigen Segmenten der Weiterbildung zu erwarten sein, deren Leistungen primär dem Bildungs- bzw. Erziehungssystems zuzurechnen sind. Konkret dürfte dies für Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung zutreffen, die sich entweder in öffentlicher Trägerschaft befinden oder Weiterbildungsleistungen in öffentlicher Finanzierung erbringen. Damit sind zum einen Fachschulen gemeint, die als Teil des berufsbildenden Schulwesens in erster Linie Aufstiegsfortbildungen zum Meister, Techniker oder Fachwirt durchführen. Zum anderen erfüllen auch vorwiegend Arbeitsmarkt-dienstleistungen nach SGB III und SGB II erbringende Einrichtungen system-theoretisch betrachtet vorrangig Aufgaben des Erziehungssystems, indem sie die Anschlussfähigkeit von Lebensläufen an den Arbeitsmarkt bearbeiten. Auch mit

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Blick auf deren häufig als eher bildungsfern anzusehende Teilnehmendenstruk-tur dürfte pädagogischen Qualifikationen eine relevante Rolle zukommen. Dies drückt sich darin aus, dass gemäß der Akkreditierungs- und Zulassungsverord-nung Arbeitsförderung (AZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA), nach der sich in diesem Segment tätige Einrichtungen zertifizieren lassen müssen, Nachweise der pädagogischen Eignung der Lehrkräfte zu erbringen sind. Für Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung in öffentlicher Trägerschaft wie Volks-hochschulen erscheint eine Verortung im Erziehungssystem mit Blick auf die in Abschn. 1 dargestellten Funktionen der Weiterbildung weniger eindeutig, womit auch ein niedrigerer Professionalitätsgrad in der hier vertretenen Definition ein-hergehen könnte.

Ein niedrigerer Professionalitätsgrad ist offenkundig in Segmenten der Weiterbildung zu erwarten, die vorrangig auf Marktmechanismen zwischen privaten Anbietern und privaten Kunden basieren. Hier werden bestimmte Dienst-leistungsprodukte im Kontext von Bildung angeboten und nachgefragt. Die Anbieter sind als weitgehend autonom darin anzusehen, welches Personal sie zur Durchführung der Kurse einsetzen und welche Qualifikationen sie dafür als erfor-derlich erachten. Aufgrund der fehlenden staatlichen Vorgaben zu Qualifikationen des Personals ist auch zu vermuten, dass dieser Bereich der Weiterbildung schwer für Professionalisierungsbemühungen im Sinne von verbindlichen pädagogischen Qualifikationsstandards erreichbar ist.

3 Datengrundlage und Anbietersystematik

Bevor die genannten Annahmen empirisch geprüft werden, wird zunächst die Datengrundlage vorgestellt (Abschn. 3.1). Anschließend werden in Entsprechung zu den formulierten Annahmen vier verschiedene Anbietersegmente identifiziert bzw. ausgewählt, die für den Vergleich herangezogen werden (Abschn. 3.2).

3.1 wbmonitor und wb-personalmonitor

wbmonitor ist eine gemeinsam vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE) bundesweit durchgeführte Online-Umfrage unter Weiterbildungsanbietern, die jährlich im Mai stattfindet. Zentrale Ziele des wbmonitor sind, mehr Transparenz über die heterogene Weiterbildungsland-schaft herzustellen und deren Strukturen zu verdeutlichen sowie über aktuelle

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Trends zu berichten. Zur Grundgesamtheit des wbmonitor zählen alle instituti-onalisierten oder betrieblich verfassten Anbieter, die allgemeine und/oder berufli-che Weiterbildung als Haupt- oder Nebenaufgabe regelmäßig oder wiederkehrend offen zugänglich anbieten. Dem wbmonitor liegt ein Betriebsstättenkonzept zugrunde, wonach Filialen/Niederlassungen/Zweigstellen eigens befragt werden, sofern sie über ein eigenes Angebot und eine dauerhafte personelle Präsenz ver-fügen, d. h. es sich nicht lediglich um Schulungsräume handelt. An der Umfrage 2014 nahmen 2040 Weiterbildungsanbieter teil (Rücklaufquote 9,8 %). Die i. d. R. von Leitungspersonen getätigten Angaben wurden auf die aktualisierte Gesamtheit aller dem wbmonitor bekannten Anbieter (vgl. Koscheck und Ohly 2014) gewichtet und hochgerechnet (21.700 zum Zeitpunkt des Umfragebeginns 2014).

Ebenfalls im Jahr 2014 führten das BIBB und das DIE in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen (UDE) – Institut für Berufs- und Weiterbildung, Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/Berufliche Aus- und Weiterbildung die Befra-gung wb-personalmonitor durch. Ziel dieser vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie war es, aktuelle empirische Daten über das in der Weiterbildung tätige Personal zu gewinnen und dabei an die zehn Jahre zurückliegende „Erhebung zur beruflichen und sozialen Lage von Lehren-den“ (vgl. WSF 2005) anzuknüpfen. Der Zugang zum Personal erfolgte derart, dass die im wbmonitor Anbieterbestand verzeichneten Einrichtungen gebeten wurden, den Zugangslink zur onlinebasierten Personalbefragung an ihre Beschäf-tigten und Honorarkräfte weiterzuleiten. 1874 Weiterbildungsanbieter haben die Umfrage durch mindestens eine gültige Teilnahme ihres Personals aktiv unter-stützt (Rücklaufquote 9,4 %). Auf Beschäftigtenebene wurde der Fragebogen ins-gesamt 6062-mal gültig abgeschlossen. Die Gewichtung und Hochrechnung der Beschäftigtendaten erfolgte auf Basis der im wbmonitor ermittelten Personalvo-lumina.

Die an den wbmonitor 2014 gekoppelte Durchführung der wb-personalmo-nitor Befragung macht es möglich, dessen Personaldaten kombiniert mit den Einrichtungsdaten auszuwerten. Einschränkend ist jedoch zu konstatieren, dass lediglich etwa ein Drittel der Einrichtungen, die den wb-personalmonitor unter-stützt haben, sich auch am wbmonitor desselben Jahres beteiligt haben. Da für die folgenden Auswertungen zu Qualifikationen des Weiterbildungspersonals die Verortung der arbeitgebenden Einrichtung in einem bestimmten Anbietersegment unerlässlich ist, wurden zusätzlich auch Daten der wbmonitor Umfragewellen 2013 und 2015 mit dem wb-personalmonitor Datensatz verknüpft. Die Zahl der in der Weiterbildung tätigen Personen, für die auch Informationen zur Einrichtung bekannt sind, erhöht sich damit von 2952 auf 3815.

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3.2 Systematik der untersuchten Anbietersegmente

Es stellt sich grundsätzlich als eine Schwierigkeit dar, die plurale Anbieterland-schaft in der Weiterbildung systematisch zu erfassen. Häufig zugrunde gelegte Differenzierungsmerkmale sind diejenigen von öffentlichem und privatem Sektor bzw. von Staat und Markt. Einzig Schrader (2010) geht bislang über die vorlie-genden, ausschließlich beschreibenden Systematisierungsversuche hinaus, indem er in Anschluss sowohl an die neo-institutionalistische Organisationstheorie als auch an Modernisierungstheorien ein theoretisch hergeleitetes Modell ent-wickelt hat. Dieses Modell der Reproduktionskontexte von Organisationen der Weiterbildung basiert auf der Annahme, dass sich Weiterbildungsorganisationen zur Sicherstellung ihres Fortbestehens sowohl Ressourcen als auch Legitimation beschaffen müssen. Hinsichtlich der empirischen Anwendung des Modells stellt sich jedoch die Schwierigkeit, verbreitete Mischfinanzierungen aus öffentlichen und privaten Mitteln adäquat zu berücksichtigen und bestimmte Anbietertypen ausschließlich jeweils einem der vier Reproduktionskontexte Staat, Gemeinschaf-ten, Markt sowie Unternehmen zuzuordnen. Vielmehr dürften häufig hybride Einrichtungen existieren, die in mehreren Kontexten gleichzeitig agieren. Zudem wird der Kontext des Marktes nicht nach privater und öffentlicher Finanzierung unterschieden. Für die Fragestellung dieses Beitrags erscheint dies jedoch erfor-derlich. Denn im Unterschied zu Anbietern, die ausschließlich für private Kun-den tätig sind, unterliegen Einrichtungen, die Arbeitsmarktdienstleistungen für die Arbeitsagenturen bzw. Jobcenter erbringen, trotz der Vermarktlichung im Zuge der Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Bildungsgut-scheine, Ausschreibungsmaßnahmen) staatlicher Reglementierung in Form von Zertifizierungsanforderungen und Nachweispflichten. Diese betreffen auch die pädagogische Eignung des Personals. Aufgrund dessen erscheint die Anwendung der Reproduktionskontexte für die Fragestellung dieses Beitrages als nicht hin-reichend trennscharf und es wird daher auf rein empirische Klassifikationen der wbmonitor Erhebung zurückgegriffen. Dabei werden die verschiedenen Anbiet-ertypen in Beziehung zur Finanzierung durch vorwiegend öffentliche oder über-wiegend private Mittel gesetzt.

Auf dieser Basis werden im Folgenden vier Anbietersegmente identifiziert, für die sich mit Blick auf die in Abschn. 2 formulierten Annahmen Unterschiede hinsichtlich des pädagogischen Professionalitätsgrades erwarten lassen: Privater Markt, öffentlicher Markt, berufliche Schulen sowie Volkshochschulen (VHS). Dem privaten Markt zugerechnet werden privatrechtliche Einrichtungen, d. h. kommerziell und gemeinnützig ausgerichtete private Anbieter sowie betriebliche

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Bildungseinrichtungen mit marktoffenem Angebot, die sich überwiegend durch private Mittel (von Betrieben und/oder Selbstzahlern) finanzieren. Abb. 1 zeigt, dass darunter knapp ein Drittel aller Weiterbildungsanbieter fallen (29,9 %). Demgegenüber stellt der öffentliche Markt mit 17,2 % aller Anbieter einen gerin-geren Anteil. Diesem Segment werden Einrichtungen der genannten privatrecht-lichen Anbietertypen zugehörig angesehen, sofern sie sich überwiegend durch öffentliche Mittel finanzieren. Dem Finanzier Arbeitsagenturen und Jobcen-tern kommt dabei mit Abstand die höchste Bedeutung zu (vgl. Koscheck 2016, S. 322). Im Unterschied zu den Einrichtungen der beschriebenen marktförmigen Anbietersegmente handelt es sich bei den beruflichen Schulen und den Volkshoch-schulen um Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft.

Insgesamt vereinen die genannten vier Anbietersegmente knapp zwei Drittel aller Anbieter auf sich (65,1 %). Die übrigen im wbmonitor erfassten Einrich-tungstypen, nämlich wirtschaftsnahe Bildungszentren von Kammern, Innungen u. ä., Fachhochschulen und Hochschulen sowie Einrichtungen in der Trägerschaft

überwiegend(51%+) durchprivate Mi�elfinanziert überwiegend(51%+) durchöffentliche Mi�elfinanziertkeinFinanzierungs-schwerpunktprivate oderöffentliche Mi�elGesamt

privat komm

erziell

privat gemeinnützig

Bildungseinrichtung einesBetriebes

VHS

berufliche Schule

(Fach-) Hochschule,Akadem

ie

Einrichtung einer Kirche,Partei, Gew

erkscha�,S��ung, eines Verbandes,

Vereins

alle Anbieter

Wirtscha�snah

(Kamm

er, Innung etc.)

privater Markt öffentlicher Markt VHS berufliche Schulen

20,5 7,1 2,3

8,2 7,5 1,5

2,5 1,2 0,3

31,2 15,7 4,0

6,5 5,9 2,2 2,7 6,9 54,7

1,2 4,3 4,0 1,2 5,5 34,2

0,3 1,3 0,3 0,5 4,6 11,1

7,9 11,5 6,5 4,3 16,9 100,0

Abb. 1 Anbieterspektrum in der Weiterbildung, differenziert nach Art der Einrichtung und Finanzierungsschwerpunkt durch private oder öffentliche Mittel (Anteile an allen Anbie-tern in %). (Quelle: BIBB/DIE wbmonitor Umfrage 2014. Gewichtete und hochgerechnete Werte auf Basis von n = 1854 Anbietern)

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gesellschaftlicher Großgruppen wie Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Stiftun-gen, Verbände oder Vereine finden an dieser Stelle keine Berücksichtigung.1

Wie Abb. 2 zeigt, unterscheiden sich die Beschäftigungsstrukturen Lehren-der in den vier Anbietersegmenten privater Markt, öffentlicher Markt, berufliche Schulen und Volkshochschulen deutlich voneinander. Sowohl bei Einrichtungen des Segments privater Markt als auch bei Volkshochschulen überwiegen Hono-rarkräfte. An den Volkshochschulen findet sich insofern die besondere Situation, dass diese zwar über einen öffentlichen Bildungsauftrag verfügen und Stellen für hauptamtliches pädagogisches Personal institutionalisiert sind, die eigentliche Kursdurchführung aber fast ausschließlich durch Honorarkräfte erfolgt. Sowohl im privaten Markt als auch an Volkshochschulen sind diese zudem laut dem wb-personalmonitor meist nebenerwerbstätig (zu 79,4 % im privaten Markt und zu

33,7

52,6

21,6

42,9 22,5

5,8

94,9

44,3

70,9

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

VHS

berufliche Schulen

öffentlicher Markt

privater Markt

Angestellte Beamte/Sons�ge Honorarkrä�e Ehrenamtliche

Abb. 2 Beschäftigungsstrukturen Lehrender in den ausgewählten Anbietersegmenten (Mittelwerte in Prozent). (Quelle: BIBB/DIE wbmonitor Umfrage 2014. Gewichtete und hochgerechnete Werte auf Basis von n = 121 (berufliche Schulen) bis n = 415 (privater Markt) Anbietern)

1Wirtschaftsnahe Anbieter finanzieren sich zwar überwiegend durch private Mittel und könnten auf dieser Basis dem privaten Markt zugeordnet werden, allerdings sind Kam-mern meist öffentlich-rechtliche Körperschaften und fallen insofern nicht unter die private Rechtsform. Der Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung an (Fach-)Hochschulen dürfte gesonderten Qualifikationsanforderungen unterliegen. Bei der Gruppe der Einrich-tungen in der Trägerschaft gesellschaftlicher Großgruppen handelt es sich schließlich um eine sehr heterogen zusammengesetzte Anbietergruppe. Die Angebote dieser Einrichtungen sind durch unterschiedlichste Interessen und Weltanschauungen geleitet, womit auch sehr unterschiedliche Anforderungen an Lehrende bestehen dürften.

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71,2 % bei Volkshochschulen, ohne Abbildung). Im Segment des öffentlichen Marktes sowie an beruflichen Schulen wird Lehre dagegen mehrheitlich durch Beschäftigte mit formaler Organisationsmitgliedschaft geleistet. An den berufli-chen Schulen spielen dabei Beamte eine wesentliche Rolle.

4 Ergebnisse

Im Folgenden werden die bislang auf theoretischer Basis formulierten Annah-men über den Professionalitätsgrad Lehrender empirisch untersucht. Dafür wer-den sowohl die Erwartungen der Einrichtungen hinsichtlich der Qualifikationen des Personals (Abschn. 4.1) als auch deren tatsächliche Qualifikationsstruktur (Abschn. 4.2) betrachtet. Mit Blick auf die Fragestellung des Beitrages wird ein besonderes Augenmerk auf pädagogisch-akademische Qualifikationen gerichtet.

4.1 Anforderungskriterien der Einrichtungen

Im Rahmen des Themenschwerpunktes „Personalgewinnung“ der wbmonitor Umfrage 2014 wurden die Einrichtungen gebeten, die Bedeutsamkeit von 20 für die Auswahl von Lehrenden im Bereich der Weiterbildung möglicherweise relevanten Kriterien zu beurteilen. Zur Abgabe der Einschätzungen stand eine vierstufige Antwortskala mit den Kategorien „sehr wichtig“, „wichtig“, „eher unwichtig“ sowie „unwichtig“ zu Verfügung. Im Ergebnis aller Anbieter wur-den bis auf zwei Ausnahmen sämtliche Kriterien mehrheitlich als bedeutsam eingestuft (vgl. Ambos et al. 2015, S. 15). Betrachtet man jedoch nur die „sehr wichtigen“ Einschätzungen, treten deutliche Abstufungen zwischen den einzel-nen Kriterien zutage (vgl. ebenda). Um einen kontrastreichen Vergleich der vier betrachteten Anbietersegmente vorzunehmen, beschränkt sich die folgende Ana-lyse daher auf die Ergebnisse dieser Nennungen. Zudem erfolgt eine Fokussie-rung auf Auswahlkriterien, die berufliche Qualifikationen, berufliche Erfahrungen sowie Schlüsselkompetenzen (Soft Skills) betreffen. Ebenfalls abgefragte Einstel-lungen und Haltungen, die beispielsweise das Verhältnis zur Einrichtung themati-sieren, erscheinen für die Fragestellung des Beitrags weniger relevant.

Wie Abb. 3 verdeutlicht, bestehen zwischen den vier betrachteten Anbie-tersegmenten teilweise erhebliche Unterschiede in der Erwartungshaltung an Lehrende im Weiterbildungsbereich. Dies drückt sich vor allem in der stark vari-ierenden Bedeutung aus, die formalen Qualifikationen zukommt. Als einziges Anbietersegment messen berufliche Schulen sowohl der formalen pädagogischen

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172 S. Koscheck

26,0

31,7

25,9

42,4

35,5

57,3

33,0

36,6

26,4

12,8

20,0

37,7

34,5

17,2

24,0

13,5

30,6

26,1

51,9

21,0

19,7

16,2

15,5

22,1

25,4

23,6

14,1

29,0

38,3

40,9

31,9

46,9

23,0

27,4

12,5

8,6

24,9

68,9

57,0

24,1

31,4

33,2

51,5

39,2

63,3

36,9

33,5

36,4

17,8

25,8

44,5

50,3

35,1

40,1

28,4

47,1

39,9

62,4

35,3

48,1

31,3

12,3

17,3

29,9

24,2

0 20 40 60 80

privater Markt öffentlicher Markt berufliche Schulen VHS alle Anbieter

Formale Qualifika�onen undBerufserfahrung:

Rhetorische Stärke

Krea�vität

Belastbarkeit

Flexibilität

Methodenkompetenz

Sozialkompetenz

Erfahrung mit der Zielgruppe desLehrangebots

Mehrjährige prak�sche Berufserfahrungim Fachbereich des Lehrangebots

Mehrjährige Dozenten-/Lehrtä�gkeit

Zer�fizierte erwachsenenpädagogischeKompetenzen

Pädagogische Weiterbildung

Formale fachliche Qualifika�on (z.B.Berufs- oder Hochschulabschluss im

Fachbereich des Lehrangebots)

Formale pädagogische Qualifika�on (z.B.päd. Berufs- oder Hochschulabschluss)

Schlüsselkompetenzen (So� Skills):

Abb. 3 Von den Einrichtungen als „sehr wichtig“ erachtete Anforderungskriterien an Lehrende (Anteile in %). (Quelle: BIBB/DIE wbmonitor Umfrage 2014. Gewichtete und hochgerechnete Werte auf Basis von n = 138 (zertifizierte erwachsenenpädagogische Kom-petenzen – berufliche Schulen) bis n = 1979 (Sozialkompetenz – alle Anbieter) Anbietern)

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173Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

Qualifikation als auch – noch häufiger – der formalen fachlichen Qualifikation (im Fachbereich des Lehrangebots) mehrheitlich eine sehr wichtige Bedeutung bei (57,0 % bzw. 68,9 %). Der genannte Befund dürfte den geregelten Einstel-lungsverfahren dieser staatlichen Einrichtungen geschuldet sein: Um in den berufsbildenden Schuldienst eintreten zu können, zu dem auch die Tätigkeit an Fachschulen zählt, müssen bestimmte Zulassungskriterien erfüllt werden. Dabei sind formale Abschlüsse wesentlich. In Entsprechung zu der staatlichen Zugangs-steuerung durch Zertifikate werden praktische Berufserfahrungen dagegen als nachrangig angesehen: Nur etwas mehr als ein Viertel der beruflichen Schulen (27,4 %) erachtet eine mehrjährige praktische Berufserfahrung im Fachbereich des Lehrangebots als „sehr wichtig“ und sogar für nur ca. jede zehnte dieser Ein-richtungen (12,5 %) sind mehrjährige Lehrerfahrungen zentral. Auch die abge-fragten Soft Skills werden – mit Ausnahme der Belastbarkeit – im Vergleich zu Einrichtungen der Anbietersegmente privater und öffentlicher Markt seltener als für die Personalrekrutierung besonders relevant eingestuft. Dabei fällt besonders das Merkmal Sozialkompetenz ins Auge: Einzig im Anbietersegment der berufli-chen Schulen ist diese für weniger als die Hälfte der Einrichtungen (46,9 %) bei der Auswahl von Lehrenden „sehr wichtig“.

Gegenüber den beruflichen Schulen sehen Einrichtungen des Anbietersegments öffentlicher Markt formale Qualifikationen zu niedrigeren Anteilen als zentrale Anforderungskriterien an. Insbesondere den fachlichen Qualifikationen wird mit 44,5 % Nennung ein deutlich niedriger Stellenwert beigemessen. Bezüglich der formalen pädagogischen Qualifikation (50,3 %) fällt der Unterschied geringer aus. Dass formale pädagogische Qualifikationen zumindest für die Hälfte der in diesem Anbietersegment tätigen Einrichtungen bei der Personalrekrutierung wesentlich sind, dürfte zum einen in Verbindung mit der in der AZAV geforder-ten Nachweispflicht der pädagogischen Eignung Lehrender stehen. Zum ande-ren ist zu vermuten, dass auch der vergleichsweise hohe Anteil an angestelltem Lehrpersonal in diesem Segment (s. o.) eine Rolle spielt – denn es ist zu erwarten, dass in Anforderungsprofilen von Stellenbesetzungsverfahren formale Qualifika-tionen definiert werden, wohingegen die Vergabe von Honorar- bzw. Werkverträ-gen meist mit höheren Freiheitsgrade vorgenommen werden kann. Ein deutlicher Unterschied zu den beruflichen Schulen zeigt sich zudem darin, dass für viele Einrichtungen im öffentlichen Markt neben formalen Qualifikationen auch Berufserfahrungen entscheidend sind, und zwar insbesondere Lehrerfahrungen: Mit 36,4 % bzw. 36,9 % erreichen die Anforderungskriterien einer mehrjährigen Dozenten- bzw. Lehrtätigkeit einerseits sowie Erfahrungen im Umgang mit der Zielgruppe der Angebote andererseits unter den untersuchten Anbietersegmenten sogar die höchsten Anteilswerte der „sehr wichtigen“ Einschätzung. Auch dass

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von dieser Anbietergruppe mit der Sozialkompetenz am häufigsten eine Schlüssel-kompetenz und keine formale Qualifikation als zentrales Anforderungskriterium genannt wurde (63,3 %), relativiert die Professionalität dieses Anbietersegments im Sinne einer herausgehobenen Stellung bestimmter Zertifikate. Da formalen (pädagogischen) Qualifikationen zwar eine relevante Bedeutung zukommt, diese im Unterschied zu den beruflichen Schulen das Anforderungsprofil jedoch nicht dominieren, kann das Anbietersegment mit Blick auf den streng reglementierten Berufszugang von Professionen als semi-professionell bezeichnet werden. Damit ist gemeint, dass bestimmte formale Berufsabschlüsse zwar als einschlägige Qua-lifikationsnachweise dienen dürften, sie jedoch keine zwingenden Zugangsvor-aussetzungen zur Wahrnehmung von Lehrtätigkeiten sind und Möglichkeiten der Substitution bestehen, z. B. mittels (non-formaler) Zusatzqualifikationen.

Ganz anders beurteilen die Einrichtungen des Anbietersegments privater Markt die ihnen vorgelegten Anforderungskriterien. Zum einen sind sie das ein-zige Anbietersegment, in dessen Personalrekrutierung praktische Berufserfah-rungen wichtiger sind als formale Qualifikationen. Insbesondere die Bedeutung einer mehrjährigen praktischen Berufserfahrung im Fachbereich der Angebote sticht dabei deutlich hervor (48,1 %). Aber auch eine mehrjährige Dozententätig-keit (31,3 %) sowie Erfahrungen im Umgang mit der Zielgruppe der Bildungsan-gebote (35,4 %) werden gegenüber einer formalen pädagogischen Qualifikation (24,2 %) als wichtiger bewertet. Dass in diesem Anbietersegment somit offen-sichtlich keine ausgeprägten Erwartungen an eine pädagogische Professionali-tät im Sinne zertifizierter pädagogischer Kompetenzen existieren, drückt sich auch darin aus, dass eine pädagogische Weiterbildung oder zertifizierte erwach-senenpädagogische Kompetenzen ebenfalls nur für Minderheiten wesentliche Beschäftigungsvoraussetzungen sind (17,3 % bzw. 12,3 %). Stattdessen legen die Anbieter des privaten Marktes mit Ausnahme der Belastbarkeit vergleichsweise großen Wert auf Soft Skills (Sozialkompetenz (62,4 %), Flexibilität (47,1 %), Kreativität (40,1 %), Methodenkompetenz (39,9 %) sowie rhetorische Stärke (35,1 %)). Somit scheint dieses Anbietersegment vorrangig darauf zu basieren, dass Berufspraktiker, die möglichst auch über Trainingserfahrung verfügen, in ihrem Hauptberuf erworbenes Know-how vermitteln.

Auf den ersten Blick überraschend ist der Befund, dass die Volkshochschu-len als öffentlich getragene Einrichtungen mit Bildungsauftrag der formalen pädagogischen Qualifikation eine ähnlich niedrige Bedeutung attestieren wie Einrichtungen des Anbietersegments privater Markt. Lediglich 23,6 % der Volks-hochschulen sehen diese bei der Auswahl von Lehrenden als besonders wichtig an. Auch die Anteilswerte aller anderen Anforderungskriterien liegen unter dem jeweiligen Durchschnittswert für alle Anbieter, mit Ausnahme der pädagogischen

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175Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

Weiterbildung sowie zertifizierten erwachsenenpädagogischen Kompetenzen. Letzteren kommt mit nur 22,1 % bzw. 15,5 % Einschätzungen als „sehr wichtig“ allerdings auch bei den Volkshochschulen keine wesentliche Bedeutung zu. Die vergleichsweise geringe Anspruchshaltung der Volkshochschulen an Lehrende kann vermutlich mit ihrer Personalstruktur begründet werden. Wie gezeigt, sind Kursleitende an Volkshochschulen überwiegend nebenberuflich auf Honorarbasis tätig (siehe Abschn. 3.2). Von diesen als professionell anzusehende zertifizierte Qualifikationen zu erwarten, dürfte derzeit einen überhöhten Anspruch darstellen.

Möchte man Professionalität in der Weiterbildung nicht anhand formaler päda-gogischer Qualifikationen genereller Natur festmachen, sondern anhand dezidiert auf das Lernen Erwachsener ausgerichteter Qualifikationen, zeigt sich auf Basis der im wbmonitor erhobenen Einrichtungserwartungen das Bild eines kaum eigenständig professionalisierten Bildungsbereichs. Denn zertifizierte erwach-senenpädagogische Kompetenzen sind nur für Minderheiten der Einrichtungen zentrale Beschäftigungsvoraussetzungen, und zwar in allen betrachteten Anbieter-segmenten (8,6 % (berufliche Schulen) bis 17,8 % (öffentlicher Markt)). Insofern dürfte davon auszugehen sein, dass erwachsenenpädagogisches Geschick von vie-len Lehrenden informell „learning by doing“ erworben wurde und sich dies in der hohen Bedeutung der Soft Skills spiegelt.

4.2 Qualifikationen der Lehrenden

Interessant ist es nun zu betrachten, inwieweit die Qualifikationen der Lehrenden mit den dargestellten Anforderungskriterien der Einrichtungen übereinstimmen. Sollten diese hinter den Erwartungen der Anbieter zurückbleiben, würde dies auf ein Verfügbarkeitsdefizit an „professionell“ ausgebildetem Weiterbildungsperso-nal hinweisen. Professionalisierungsbemühungen müssten in diesem Fall bei der (erwachsenen-)pädagogischen Qualifizierung des Personals ansetzen.

Im Unterschied zur Bewertung der Anforderungskriterien seitens der Ein-richtungen beschränkte sich die Abfrage der Qualifikationen des Personals im wb-personalmonitor weitgehend auf formale berufliche Ausbildungsabschlüsse. Dies erfolgte aus dem Grund, dass sich Schlüsselkompetenzen aufseiten des Personals kaum mittels einer standardisierten Befragung adäquat abbilden las-sen. War der angegebene Berufsabschluss akademischer Natur, wurde zusätzlich gefragt, ob dieser mit einem pädagogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Studium erzielt wurde. Hierunter subsumiert wurden auch Lehramtsstudien-gänge, Studiengänge wie z. B. Wirtschaftspädagogik sowie pädagogische bzw. erziehungswissenschaftliche Fächer als Neben- oder Beifach. Um zusätzlich auch

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Informationen über die Fachrichtungen der nicht-pädagogischen Lehrenden in der Weiterbildung zu gewinnen, sollte die Bezeichnung des Studiengangs spezifiziert werden. Die so gewonnenen Freitextangaben wurden anschließend gemäß der Klassifikation der (Haupt-)Fachrichtungen (HFR) ab Mikrozensus 2003 (HFR, insgesamt 96) des Statistischen Bundesamtes vercodet. In Ergänzung zu den for-malen Berufsabschlüssen wurde nach Zusatzqualifikationen gefragt, die für die Ausübung einer Tätigkeit im Bereich der Weiterbildung als möglicherweise rele-vant angesehen wurden. Auf Zusatzqualifikationen kann in der folgenden Ergeb-nisdarstellung jedoch nur dann eingegangen werden, wenn sie für Lehrende eines Anbietersegments als besonders charakteristisch erscheinen.

Abb. 4 stellt die Verteilung des höchsten Berufsabschlusses Lehrender dif-ferenziert für die vier betrachteten Anbietersegmente dar. Vor dem Hintergrund der Frage, inwieweit beim Lehrpersonal in der Weiterbildung eine professionelle

14,9

20,3

3,4

11,4

13,8

15,6

9,4

6,8

12,3

19,2

34,4

31,2

26,8

29,5

44,6

7,0

6,1

13,2

8,7

6,0

26,0

27,5

49,5

33,9

15,3

0% 20% 40% 60% 80% 100%

alle Anbieter

VHS

berufliche Schulen

öffentlicher Markt

privater Markt

Lehre (dual oder schulisch)Studium nicht paed. Fachrichtungpaed./erziehungswiss. Studium

kein beruflicher AbschlussFach-/Meister-/Technikerschule; Fachschule DDRStudium mit paed./erziehungswiss. Neben-/Beifachanderer Abschluss

Abb. 4 Beruflicher Abschluss Lehrender, differenziert nach Anbietersegmenten (Anteile in Prozent). (Quelle: DIE/BIBB/UDE wb-personalmonitor Umfrage 1/2014; BIBB/DIE wbmonitor Umfrage 2014. Gewichtete und hochgerechnete Werte auf Basis von n = 159 (berufliche Schulen) bis n = 2701 (alle Anbieter) Weiterbildungsbeschäftigten)

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177Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

pädagogische Basis zu beobachten ist, wurden die akademischen Abschlüsse Fachhochschule, Hochschule sowie Promotion zugunsten der Differenzierung nach der pädagogischen bzw. nicht-pädagogischen Ausrichtung des Studiengangs zusammengefasst.

Für das Anbietersegment privater Markt bestätigt sich auch aufseiten des Per-sonals die niedrige Bedeutung formaler pädagogischer Qualifikationen. Zwar sind die Lehrenden dieses Segmentes – wie auch in der gesamten Weiterbildung – formal hoch qualifiziert: Fast zwei Drittel verfügen über einen akademischen Abschluss. Allerdings haben lediglich 15,3 % der Lehrenden ein pädagogisches oder erziehungswissenschaftliches Studium abgeschlossen, weitere 6,0 % im Neben- oder Beifach. Trotz des im Vergleich zu den anderen Anbietersegmenten sehr niedrigen Anteilswertes genuiner Pädagogen dürften diese selbst im Segment des privaten Marktes die größte Berufsgruppe stellen. Denn die eigentlich deut-lich stärker besetzte Gruppe der nicht-pädagogischen Akademiker (44,6 %) ver-teilt sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Fachrichtungen2 und für Lehrende ohne Studienabschluss, unter denen sich ein überdurchschnittlich hoher Anteil an Meistern, Technikern oder Fachwirten findet (19,2 %; alle Lehrenden: 15,6 %), ist dies ebenfalls zu erwarten. Nichtsdestotrotz besteht in diesem Anbieterseg-ment eine hohe fachliche Heterogenität Lehrender, die als Ausdruck der hier feh-lenden Markteintrittsbarrieren anzusehen ist.

Für Einrichtungen des Anbietersegments privater Markt tätige Lehrende haben überdurchschnittlich häufig sogenannte Train-the-Trainer Ausbildungen abgeschlossen (16,9 %; alle Lehrenden: 11,7 %, ohne Abbildung). Diese ver-gleichsweise kurzen Trainer-Lehrgänge zielen vor allem auf den Erwerb didak-tischer Kompetenzen, um das fachliche Wissen auch erfolgreich vermitteln zu können. Sie können bei einer Vielzahl an Anbietern gebucht werden, wobei das Fehlen einheitlicher Bewertungsmaßstäbe für die anbietereigenen Zertifikate unterschiedlichen Marktwertes als problematisch anzusehen ist (vgl. Kraft et al. 2009, S. 10). Insofern sind sie aus dem Blickwinkel zertifizierter Professionalität nicht mit einer akademischen Qualifikation vergleichbar.

Wie auch in Betrachtung aus Anbietersicht stellen berufliche Schulen den Gegenpol zum Anbietersegment privater Markt dar. Vor dem Hintergrund des

2Mit 20,1 % haben die nicht-pädagogischen, in der Lehre tätigen Akademiker im Anbie-tersegment privater Markt am häufigsten Abschlüsse im Bereich „Fertigungs-/Produkti-onstechnik, Maschinenbau/-wesen, Physikalische Technik, Verfahrenstechnik“ erworben, gefolgt von Recht und Wirtschaft (jeweils 7,0 %), Elektrizität, Energie und Elektrotechnik (5,0 %) sowie Humanmedizin (ohne Zahnmedizin) (4,9 %). Die restlichen 56,0 % verteilen sich auf weitere 45 der 96 unterschiedenen HFR.

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reglementierten Zugangs ist es wenig überraschend, dass neun von zehn Lehren-den über einen Studienabschluss verfügen sowie dass die beruflichen Schulen das einzige Anbietersegment sind, in dem mehr als die Hälfte der Lehrenden im Wei-terbildungsbereich pädagogisch-akademisch qualifiziert sind: 49,5 % haben ein pädagogisches oder erziehungswissenschaftliches Studium abgeschlossen, wei-tere 13,2 % ein Studium mit einem solchen Neben- bzw. Beifach.

Wenngleich im Anbietersegment öffentlicher Markt verglichen mit dem Durchschnitt aller Anbieter ebenfalls eine überdurchschnittliche Verbreitung von professionellen pädagogischen Ausbildungen vorzufinden ist, trifft dies hier nicht auf die Mehrheit der Lehrenden zu. Mit insgesamt 42,6 % liegt der Anteil der Lehrenden, die ein pädagogisches bzw. erziehungswissenschaftliches Studium abgeschlossen haben (33,9 % als Hauptfachrichtung und 8,7 % als Neben-/Bei-fach), rund 20 Prozentpunkte niedriger als bei den beruflichen Schulen. Auch der Befund, dass die Gruppe der akademisch qualifizierten Lehrenden anderer Fach-richtung mit 29,5 % annähernd so groß ist wie die der genuinen Pädagogen, stützt den Eindruck eines eher als semi-professionell zu charakterisierenden Anbieter-segments (vgl. Abschn. 4.1). Im Vergleich zu den Lehrenden der Einrichtungen des Segments privater Markt weisen die Fachrichtungen der nicht-pädagogischen Akademiker eine geringere fachliche Breite auf (37 von 96 HFR).3 Sofern kein pädagogischer Studienabschluss erworben wurde, dürfte die pädagogische Eig-nung für die Lehrtätigkeit in den von den Arbeitsagenturen bzw. Jobcentern finanzierten Maßnahmen vermutlich in vielen Fällen mittels der Ausbildereig-nung nach der Ausbildereignungsverordnung (AEVO) nachgewiesen werden: Mit 31,3 % ist diese Zusatzqualifikation, die eigentlich für die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung konzipiert ist und dem Inhaber pädagogische und methodische Kompetenzen bescheinigt, bei Lehrenden an Einrichtungen des Segments öffent-licher Markt überdurchschnittlich häufig verbreitet (alle Anbieter: 22,6 %; ohne Abbildung).

Die formale Qualifikationsstruktur von Kursleitenden der Volkshochschu-len ähnelt auf den ersten Blick derjenigen der Lehrkräfte des Anbietersegments öffentlicher Markt. Allerdings sind mit einem Drittel der Lehrenden weniger im Rahmen eines Studiums pädagogisch ausgebildet (27,5 % im Hauptfach und 6,1 % im Neben-/Beifach). Damit liegt der Anteil genuiner Pädagogen bei den

3Die fünf häufigsten nicht-pädagogischen HFR bei Lehrenden des Segments öffentlicher Markt sind: Management und Verwaltung (28,2 %), Wirtschaft(-swissenschaften) (ohne VWL) (14,4 %), Kulturwissenschaften (5,0 %) sowie Volkswirtschaftslehre bzw. Germa-nistik/Deutsch, germanische Sprache (je 4,4 %).

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179Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

Volkshochschulen leicht unter dem Anteilswert der Akademiker anderer Fachrich-tung (31,2 %). Letztere weisen mit insgesamt 65 HFR unter den vier betrachteten Anbietersegmenten sogar die größte fachliche Heterogenität auf. In Entsprechung zur Ausrichtung der Volkshochschulen als Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung sind sprachwissenschaftliche Fachrichtungen deutlich häu-figer als bei Lehrenden in den anderen Anbietersegmenten vertreten.4 Auffällig ist zudem, dass sich an Volkshochschulen unter den betrachteten Anbietersegmenten die höchsten Anteile an Lehrenden finden, die als höchsten beruflichen Abschluss eine duale Berufsausbildung oder eine beruflich-schulische Ausbildung absolviert haben (20,3 %) oder die über keinen beruflichen Abschluss verfügen (4,2 %). Ins-besondere für die Letztgenannten wäre es interessant zu untersuchen, in welchen Themenbereichen sie unterrichten.

Es ist festzuhalten, dass in allen betrachteten Anbietersegmenten jeweils eine formale Qualifikationsstruktur der Lehrenden vorzufinden ist, die sich weitge-hend in Einklang mit den in Abschn. 4.1 dargestellten Anforderungen der Ein-richtungen befindet. Damit bestätigen sich zugleich die eingangs formulierten Annahmen hinsichtlich der unterschiedlich ausgeprägten Professionalitätsgrade in der Weiterbildung. Alleine an zertifizierten pädagogischen Qualifikationen gemessen stellen sich die Weiterbildungsbereiche der beruflichen Schulen (ins-besondere Fachschulen) als das professionellste Anbietersegment dar. Dieses ist gemessen an der Zahl der Einrichtungen zugleich das kleinste der betrachteten Segmente. In abgeschwächter Form findet sich auch im Segment öffentlicher Markt eine Art professioneller pädagogischer Kern, was offensichtlich einerseits durch staatliche Zertifizierungsanforderungen bedingt ist sowie andererseits auf der Beschäftigungsstruktur dieser Einrichtungen mit einem hohen Anteil an ange-stelltem Personal beruht. Indem die im Interesse des Staates tätigen Einrichtun-gen staatliche Vorgaben bzw. Anforderungen umsetzen, manifestiert sich eine zumindest teilweise professionelle Qualifikationsstruktur des Personals.

Im privaten Markt, dem größten Anbietersegment in der Weiterbildung, spiegelt sich demgegenüber der nicht reglementierte Zugang zu Lehrtätigkeiten in einer unwesentlichen Bedeutung zertifizierter pädagogischer Qualifikationen wider. Der geringe pädagogische Professionalitätsgrad dürfte maßgeblich in der anderen Logik dieses Anbietersegments begründet liegen, die sich für einen weiten Teil

4Die fünf häufigsten nicht-pädagogischen HFR bei Lehrenden an Volkshochschulen sind: Wirtschaft(swissenschaften) (ohne VWL) (11,9 %), Sprach und Kulturwissenschaften all-gemein (9,7 %), Germanistik/Deutsch, germanische Sprachen (5,1 %), Management und Verwaltung (4,8 %) sowie Informatik (4,5 %).

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des Segments als Transfer von beruflichem Praxiswissen mit dem Ziel betriebli-cher Rationalisierung umschreiben lassen dürfte. Die häufig auf nebenberuflicher Honorarbasis engagierten Trainer sind meist Berufspraktiker, aber selten genuine Pädagogen und von den Anbietern wird dieses Qualifikationsprofil auch so nachge-fragt. Insofern scheinen sich die Anforderungen der Einrichtungen und die Qualifi-kationen des Personals gegenseitig zu bedingen. Bezüglich der Volkshochschulen stellt sich die Frage, ob diese als Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft nicht einen höheren Anspruch an (erwachsenen-)pädagogische Qualifikationen des Per-sonals formulieren könnten als dies in den Daten des wbmonitor und des wb-per-sonalmonitor zum Ausdruck kommt. Vermutlich lassen die finanziellen Spielräume der Volkshochschulen jedoch nur die Beschäftigung von Honorarkräften zur Durch-führung von Kursen zu, bei denen aufgrund ihrer nebenerwerblichen Tätigkeit pro-fessionelle pädagogische Kompetenzen nicht zwangsläufig voraussetzbar sind. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Einrichtungen ihre Erwartungshaltung an diese Situation anpassen.

5 Herausforderungen und Grenzen der Professionalisierung

Sowohl vor dem Hintergrund der theoretischen Überlegungen als auch der dar-gestellten empirischen Ergebnisse ist eine einheitliche Professionalisierung der Weiterbildung in ihrer Gesamtheit kaum vorstellbar. Vielmehr müssen Professi-onalisierungsbemühungen an der jeweiligen spezifischen Situation eines Anbie-tersegments ansetzen bzw. am dort vorzufindenden Ausgangsniveau anknüpfen. Dabei reicht das Spektrum von der grundlegenden Verständigung auf bestimmte Mindeststandards bis zur Verbesserung von Rahmenbedingungen in bereits (semi-)professionalisierten Segmenten, um dort zu einer bestmöglichen Kompe-tenzentfaltung beizutragen.

Bezüglich der Etablierung von Mindeststandards sind in den letzten Jahren verstärkt Initiativen zu beobachten, deren Ziel es ist, informell bzw. non-formal erworbene erwachsenenpädagogische Kompetenzen zu bilanzieren und mit Zer-tifikaten anzuerkennen (vgl. Gruber und Wiesner 2012). Dass aufseiten der Einrichtungen offensichtlich Interesse besteht, bestimmten Qualitätsstandards entsprechende Handlungskompetenzen potenziell Lehrender unmittelbar anhand von Zertifikaten erkennen zu können, wird an der Unterstützung diverser Wei-terbildungsverbände des aktuellen DIE-Projektes „Grundlagen zur Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenzen Leh-render in der Erwachsenen-/Weiterbildung (GRETA)“ ersichtlich. Damit könnte

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181Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

insbesondere für Teilbereiche der Weiterbildung, die zwar einen erwachsenenpä-dagogischen Anspruch besitzen, zu erheblichen Teilen jedoch auf Nebenberuf-lichkeit basieren und in denen daher entsprechend selten akademisch qualifizierte Pädagogen tätig sind (z. B. in den Volkshochschulen), eine verlässlichere Grund-lage zur Einschätzung der Kompetenzprofile von Lehrenden geschaffen werden. Damit das Modell tatsächlich wirksam wird, müsste allerdings dessen Rele-vanz bei der Personalauswahl vorausgesetzt werden. Alleine auf verbandlichem Zusammenschluss beruhend erscheint dies ungewiss. Ferner ist es vor dem Hin-tergrund der pluralen Weiterbildungslandschaft fraglich, ob alle Anbieterverbände eine verbindliche Kompetenzbilanzierung unterstützen.

Insbesondere für das Anbietersegment privater Markt erscheint eine kollektive Selbstverpflichtung auf verbindliche pädagogische Standards unwahrscheinlich. Ausschlaggebend dafür ist, dass viele Anbieter in ihrem Selbstbild kaum im Päd-agogischen verhaftet sein dürften und ihre Leistungen im Kontext vom lebens-langen Lernen nicht als „klassische“ Weiterbildung definieren. Zudem verfügen die von staatlicher Regulierung weitgehend unberührten Organisationen über eine hohe Entscheidungsautonomie, die sie durch die Unterstützung verbindlicher Standards einengen würden.

Anders stellt sich die Entwicklungsperspektive im als semi-professionell anzusehenden Anbietersegment des öffentlichen Marktes dar. Die in der AZAV (bzw. vorher in der AZWV) geforderten Qualifikationsnachweise des Personals können bereits als eine Maßnahme zur Professionalisierung angesehen werden. Mit einer konkreteren Definition erforderlicher Qualifikationen könnte sie wei-ter vorangetrieben werden. Wichtiger erscheint jedoch die Verbesserung von Rahmenbedingungen, um die Kompetenzen der Beschäftigten in eine bestmög-liche berufliche Handlungsqualität zu überführen. Vor dem Hintergrund der im Bereich der Arbeitsagentur bzw. Jobcenter finanzierten Weiterbildung schwan-kenden Finanzierungsgrundlagen (vgl. Ambos et al. 2016, S. 6) und der häufig dadurch für die Einrichtungen bestehenden Planungsunsicherheit scheinen sich die Marktrisiken aufseiten der Beschäftigten in einem hohen Befristungsanteil und vergleichsweise niedrigen Gehältern zu spiegeln. Insofern ist denkbar, dass die Beschäftigungsbedingungen die berufliche Handlungsqualität der teilweise professionell ausgebildeten Lehrenden nicht unbedingt positiv beeinflussen (vgl. den Beitrag von Elias in diesem Band).

Für den Weiterbildungsbereich der beruflichen Schulen schließlich stellt sich die Frage, inwiefern eine weitere Professionalisierung in diesem formal am pro-fessionellsten Weiterbildungsbereich überhaupt von Bedeutung ist. Vermutlich definiert sich das an für Weiterbildung zuständigen Fachschulen tätige Lehrper-sonal gar nicht als „Weiterbildner/innen“, sondern als Teil der Lehrerprofession.

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Literatur

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183Pädagogische Professionalität in Teilsegmenten …

Über den Autor

Stefan Koscheck Arbeitsschwerpunkte: Weiterbildungs-anbieter, Weiterbildungspersonal, öffentliche Weiterbil-dungsförderung.

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Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? Objektive und subjektive Bewertung der Beschäftigungsbedingungen von hauptberuflichen Weiterbildnern

Arne Elias

ZusammenfassungAtypische Beschäftigungsformen sind in der Weiterbildung typisch. Auch deswegen ist der Versuch der objektiven Beschreibung prekärer Beschäfti-gungsverhältnisse in der Weiterbildung oft dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Beschäftigungsbedingungen von den Weiterbildnerinnen und Weiterbildnern selbst nicht in dieser negativen Form wahrgenommen werden. Im Beitrag wird der Versuch unternommen, anhand objektiver und subjektiver Beschreibung der Beschäftigungslage und auf Basis der Daten des wb-personalmonitors das Ausmaß der Beschäftigungsprekarität in der Weiterbildungsbranche zu quanti-fizieren.

1 Einleitung

Mit der Propagierung des Lebenslangen Lernens wird der Weiterbildungsbranche eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Als Adressat unterschiedlicher Interessen und politischer Ziele, seien sie vonseiten der Arbeitsmarktpolitik oder der Inte-grationspolitik artikuliert, soll die Branche spezifische Qualifikationsleistungen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_9

A. Elias (*) Fakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/Berufliche Aus- und Weiterbildung, Universität Duisburg-Essen, Berliner Platz 6–8, 45127 Essen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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unter Sicherstellung hoher Qualitätsstandards erbringen. Als Garant für Beschäf-tigungsfähigkeit und durch die arbeitsmarktliche Schutzfunktion der erworbenen Qualifikationen und Zertifikate werden erhebliche Anforderungen an die Profes-sionalität und das Qualifikationsniveau der Weiterbildungsbeschäftigten gestellt. Die sich daraus ergebenden Hoffnungen, dass dies zu einer verstärkten Verberuf-lichung und Professionalisierung im Tätigkeitsfeld der Weiterbildung führt, sind jedoch immer wieder enttäuscht worden. Insbesondere die Neuordnung der Sozi-alsysteme durch die Hartz-Gesetze hat auf die Weiterbildungsbranche und die Entwicklungsperspektiven des Beschäftigungssystems massiv eingewirkt. Statt von Verberuflichungsprozessen als Ausdruck von Qualität und Professionalität ist vielmehr von wachsender prekärer Beschäftigung mit negativem Einfluss auf die Qualität die Rede (Dobischat et al. 2010). Auf der einen Seite waren zunehmende Solo-Selbstständigkeit und damit einhergehende Diagnosen prekärer Beschäfti-gungsformen die Folge neu geordneter Förderregelungen (vgl. Dobischat 2004), auf der anderen Seite stärkt ein wachsender Bedarf an Honorarkräften Verbe-ruflichungs- und Professionalisierungshoffnungen bisher nebenberuflich und ehrenamtlich agierender Kursleiter (vgl. Elias et al. 2015). Wenngleich die Wei-terbildungslandschaft schon immer von einem hohen Anteil atypischer Beschäf-tigungsverhältnissen geprägt war, ist sie dennoch als ein exemplarisches Beispiel für die Beobachtung von dynamischen Entwicklungsprozessen zu modernen Arbeitsformen (vgl. Alfänger et al. 2014a) anzusehen. Trends zunehmender Fle-xibilisierung und Individualisierung schlagen sich in der Branche nieder, die zugleich in der Funktion gesehen wird, mit eben diesen Transformationsprozes-sen korrespondierende Problemlagen zu bewältigen.

Die Verberuflichungsprozesse innerhalb der Weiterbildungsbranche gehen seit langem mit Diskursen um prekäre Beschäftigungsverhältnisse einher. Die zuwei-len von Unsicherheiten geprägte berufliche Lage der Lehrenden in der Erwach-senen- und Weiterbildung ist seit langem bekannt. Sei es als „Kursleiter neuen Typs“ (vgl. Arabin 2016) oder als „Hauptberufliche Honorarkräfte“ (WSF 2005), der Diskurs um prekäre Beschäftigungsverhältnisse kreist maßgeblich um das Phänomen der Soloselbstständigkeit bzw. freiberuflichen Arbeit Lehrender in der Weiterbildung (vgl. Mania und Strauch 2010).

Die Stigmatisierung als „Lehrer zweiter Klasse“ (vgl. Tagesspiegel 19.05.2013), die viele freiberufliche Dozenten, insbesondere in Integrationskursen, empfinden, haftet mittlerweile am gesamten Weiterbildungsarbeitsmarkt. Dabei ist das Phäno-men prekärer Beschäftigung und die Prekarisierung der Arbeitsbedingungen, ver-sucht man sie empirisch zu untersuchen, nur ein kleiner Ausschnitt aus diversen Entwicklungslinien auf einem komplexen und heterogenen Teilarbeitsmarkt, der selbst durch Segmentation und Polarisierung geprägt ist. Die Weiterbildungsbranche,

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187Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

die traditionell auf einem großen Teil atypischer Beschäftigungsverhältnisse aufbaut, dient vor dem Hintergrund zunehmender Hauptberuflichkeit als „Experimentierfeld“ (Nittel 2011) und „Laboratorium moderner Arbeitsformen“ (Alfänger et al. 2014a).

Für die Betroffenen selbst zeigt sich die prekäre Beschäftigung als eine Kumu-lation von Unsicherheitsfaktoren auf den Ebenen der Einkommen, Beschäfti-gungsstabilität und Beschäftigungsfähigkeit sowie auch langfristig der Einbindung in soziale Sicherungssysteme, wenngleich bei dem Versuch, dies objektiv zu bestimmen, stets deutlich wird, dass viele Beschäftigte ihre Lage selbst nicht als prekär ansehen (vgl. Nittel 2011). Diese subjektive Prekaritätswahrnehmung als selbst wahrgenommene Gefährdung sozioökonomischer Teilhabe (vgl. Hense 2017) ist in den bisherigen Arbeiten zur prekären Beschäftigung in der Weiterbil-dung bislang unterbeleuchtet.

Die Ergebnisse des wb-personalmonitors ermöglichen es nun, nicht nur objek-tive Kriterien in den Blick zu nehmen, sondern zugleich die subjektive Ein-schätzung der Betroffenen in die Bestimmung prekärer Beschäftigungslagen zu integrieren. Wenngleich der wb-personalmonitor auch die Möglichkeit eröffnet, weitere Dimensionen prekärer Beschäftigung zu thematisieren, soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, auf der reproduktiv-materiellen Dimension (vgl. Dörre 2018) das Phänomen prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung zu quantifizieren und zu verorten.

2 Prekäre Profession Weiterbildung

Nach aktuellen Hochrechnungen des wb-personalmonitors arbeiten in der Weiter-bildungsbranche rund 700.000 Beschäftigte auf Basis von rund 1,35 Mio. Beschäf-tigungs- bzw. Vertragsverhältnissen (vgl. Autorengruppe wb-personalmonitor 2016). Damit ist die vierte Säule des deutschen Bildungssystems zwar von der Anzahl des Personals vergleichbar zu anderen Bildungsbereichen, die Professio-nalisierung dieses Bildungsbereichs, verstanden als zunehmende Verberuflichung, jedoch bei weitem nicht so weit vorangeschritten wie bei Vergleichsprofessionen im allgemeinbildenden Schulbereich. Für nur rund 42 % des Personals bildet die Arbeit in der Weiterbildung eine Haupterwerbstätigkeit als Hauptquelle ihres Einkommens (vgl. Elias 2016). Insbesondere der traditionell hohe Anteil freibe-ruflicher und selbstständiger Beschäftigungsverhältnisse prägt den Arbeitsmarkt innerhalb der Weiterbildungslandschaft.

Die Diagnose prekärer Beschäftigungsformen in der Weiterbildung ist zumeist mit eben jenen freiberuflich und selbstständig in der Weiterbildung tätigen Per-sonen verknüpft. Insbesondere die WSF-Studie (2005) hatte den Blick auf die

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hauptberuflichen Honorarkräfte und ihre von besonderen Risiken geprägte Beschäftigungslage gelegt. In der Folge wurde deutlich, dass freiberufliche Wei-terbildner zwar auf der einen Seite vor einer besonderen Bedrohungskulisse handeln, auf der anderen Seite aber auch besondere Erfolge hinsichtlich ihrer eigenen individuellen Professionalisierung erreichen können und sich besonders erfolgreich am Markt, insbesondere im Bereich privat und betrieblich finanzierter Weiterbildung, positionieren können. Dobischat et al. (2009) konnten auf diese Polarisierung der Beschäftigungschancen in Abhängigkeit von der Finanzierungs-quelle der Weiterbildungsangebote auf Basis explorativer, qualitativer Forschung hinweisen (vgl. Dobischat et al. 2009). In der Folge, insbesondere im Rahmen der Arbeiten von Alfänger, Cywinski und Elias, wurde deutlich, dass die Weiter-bildungslandschaft von inter- und intrasegmentären Polarisierungskräften geprägt ist, die nicht nur die Professionalisierungschancen, sondern auch die Prekaritäts-risiken des Weiterbildungspersonals determinieren (vgl. Alfänger et al. 2014a, 2014b, 2016a; Dobischat et al. 2010). Dabei zeigt sich, dass insbesondere zwei Beschäftigtengruppen von prekären Beschäftigungslagen bedroht sind, zum einen hauptberufliche Honorarkräfte in der öffentlich finanzierten allgemeinen Weiter-bildung, aber auch angestellte Weiterbildner in der öffentlich geförderten berufli-chen Weiterbildung. Prekäre Beschäftigung ist demnach im Kontext der jeweiligen Weiterbildungsfördersegmente und in Abhängigkeit von den Vertragstypen zu untersuchen. Die Diagnose „Prekarisierung statt Professionalisierung“ (Dobischat et al. 2010) trifft somit nur auf Teilbereiche der Weiterbildungslandschaft zu. Viel-mehr stellt sich der Weiterbildungsarbeitsmarkt als ein heterogenes Gesamtge-bilde dar, dessen Teilsegmente von der Gleichzeitigkeit ungleichzeitiger Prozesse gekennzeichnet sind (vgl. Dobischt und Elias 2016b). Prekäre Beschäftigung kann Symptom verschiedener Prozesse sein (vgl. Alfänger et al. 2016b). Im Bereich der Weiterbildung kann sie sowohl als Ausdruck zunehmender Verberuflichung gedeutet werden, insbesondere dort, wo durch die Summe nebenberuflich konzi-pierter Tätigkeiten ein neuer Hauptberuf entsteht wie in der freiberuflich ausgeüb-ten Lehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (vgl. Alfänger et al. 2013). Sie kann aber auch Ausdruck eines De-Professionalisierungsprozesses sein, dort wo die gesamtgesellschaftliche Orientierung des Handlungsfeldes zurück auf „bloßes Wirtschaftsbewusstsein“ (Hartmann 1972, S. 43) fällt und gestiegener Marktdruck mit zunehmender Prekarisierung der Beschäftigungsbedingungen ein-hergeht.

Aus der Perspektive kollektiver Professionalisierung fällt schnell die hohe Quote an nebenerwerblich, -beruflich und -amtlichen Tätigkeitsverhältnissen in der Weiterbildung auf. Insbesondere der Status lehrender Rollen innerhalb

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189Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

der Weiterbildung lässt die Verberuflichung des Handlungsfeldes noch in einem frühen Stadium erscheinen und somit den Professionalisierungsprozess in einem unsicheren wenn nicht prekären Status verharren. Gerade aus der Pers-pektive historisch vergleichender idealtypischer Professionalisierungsmodelle, wie sie Wilensky (1964) in der Tradition der „natural history“ im Vergleich von 18 verschiedenen Berufen skizziert hat, verweilt eben ein Großteil der in der Weiterbildung Beschäftigten auf der ersten Stufe des Professionalisierungspro-zesses, an dem vormals nebenberuflich und ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeiten zu einem Hauptberuf zusammengefasst werden. In Teilen, und dies trifft sicher-lich in besonderem Maße für die Hauptamtlichen Pädagogischen Mitarbeiter (HPM) zu, auf die lange Zeit der Professionalisierungsdiskurs in den Erzie-hungswissenschaften fokussierte, sind sicherlich Aktivitäten kollektiver Pro-fessionalisierung auf den weiteren Ebenen des Modells zu beobachten. Einen vollendeten Status der Profession Weiterbildung kann man jedoch nur schwer-lich reklamieren, vielmehr musste man bereits früh zu dem Schluss kommen, „daß Professionalisierung der Erwachsenen- und Weiterbildung gesellschaftlich nicht gewollt ist“ (Schlutz 1988, S. 9).

Heute lassen sich in der Gesamtschau der unterschiedlichen Formen der Arbeit und Beschäftigung in der Weiterbildung im Wesentlichen vier Beschäftigungsty-pen identifizieren, die bei oft vorliegender Mehrfachbeschäftigung des Personals die Gesamtbeschäftigungslage in der Weiterbildung charakterisieren. Zwei haupt-berufliche Typen:

1. sozialversicherungspflichtige Festangestellte, die aus der Weiterbildungstätig-keit ihren Haupterwerb erzielen.

2. selbstständig/freiberuflich Tätige, die aus der Tätigkeit in der Weiterbildung ihren Haupteinkommenserwerb erwirtschaften.

Daneben stehen zwei nebenberufliche Typen, unabhängig von ihrem Vertrags-status,

3. die ihren Haupterwerb aus einer Tätigkeit außerhalb der Weiterbildung erzie-len und

4. Personen, die in der Weiterbildung tätig sind, ihren Lebensunterhalt aber hauptsächlich aus anderen Quellen oder Transferleistungen beziehen (bspw. Einkommen des Partners/der Partnerin, Sozialleistungen, Renten etc.) (vgl. Elias et al. 2015).

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Im Fokus stehen im Folgenden die beiden erstgenannten, hauptberuflichen Beschäftigtengruppen1. Wenngleich die nebenberuflichen bzw. nebenerwerbli-chen Beschäftigtengruppen mit rund 57 % den quantitativ größten Anteil des Per-sonals in der Weiterbildung bilden, sollten sich insbesondere Betrachtungen zur Prekarität der Beschäftigung auf hauptberufliches Personal konzentrieren.

Dabei ist es aus der Perspektive der Prekarität zweitrangig, ob es sich bei der haupterwerblichen Tätigkeit um eine vollzeitäquivalente Beschäftigung handelt. Oft ist es eben gerade Ausdruck der prekären Lage, dass sich im Rahmen des selbst konstruierten Individualberufs in der Weiterbildung, durch eine freibe-ruflich organisierte Summe von nebenberuflich konzipierten Stellenkontingen-ten in Form von Honorarverträgen, ein nicht mit dem Normalarbeitsverhältnis vergleichbares Stundenvolumina erreichen lässt (vgl. Martin und Langemeyer 2014). Insbesondere unfreiwillige Teilzeitarbeiten sind so Ausdruck der prekä-ren Lage der Beschäftigten, aber auch gewollte Teilzeiten können zu einer prekä-ren Lage führen. Die Betrachtung der Prekarität der Beschäftigung schaut dabei zuerst auf die Organisation der Erwerbsarbeit und ignoriert dabei bewusst mögli-che Kompensations- und Verarbeitungsmuster innerhalb der Haushaltskontexte. Diese Perspektive setzt die Struktur und Systembedingungen des Teilarbeits-marktes Weiterbildung in den Mittelpunkt und geht somit primär der Frage nach,

1Zur nebenberuflichen Beschäftigtengruppe siehe insbesondere den Beitrag von Schmitz in diesem Band. Um diese Typen auf Basis der Daten des wb-personalmonitors zu nut-zen, können die auf der zweiten Befragungsstufe erhobenen detaillierten Arbeitszeiten je Vertragsform herangezogen werden. Dabei wird – sofern für eine Person unterschied-liche Beschäftigungsformen vorliegen – diejenige Beschäftigungsform mit der höchsten Wochenarbeitszeit als Hauptbeschäftigung gewertet. Inhaber von Weiterbildungseinrichtun-gen, die eigenes Personal beschäftigen, wurden in dieser Betrachtung dem Typ 1, Inhaber ohne eigene Beschäftigte, hingegen dem Typ 2 zugerechnet. Demnach ergeben sich für den wb-personalmonitor-Datensatz ebenfalls vier Beschäftigungstypen: 1) Angestellte, Beamte und Inhaber von Weiterbildungseinrichtungen, für die die Beschäftigung in der Weiterbil-dung den Haupterwerb darstellt, 2) Hauptberuflich Selbstständige auf der Basis von Werk- und Honorarverträgen und soloselbstständige Inhaber, für die die Beschäftigung in der Weiterbildung den Haupterwerb darstellt, 3) nebenberufliche Weiterbildner auf Basis unter-schiedlicher Vertragsarten, die außerhalb der Weiterbildung einen Hauptberuf ausüben und 4) Weiterbildner im Nebenamt bzw. Nebenerwerb, die außerhalb der Weiterbildung keinen Beruf ausüben und den Hauptteil ihrer Einnahmen nicht aus der Weiterbildung, sondern aus anderen Quellen beziehen (Nebenerwerb ohne Hauptberuf). Die Typenzuordnung stützt sich auf Angaben zum Haupterwerb, zu den Beschäftigungsformen und zu den jeweiligen Arbeitszeiten. Für 51 Fälle der zweiten Stufe ist keine eindeutige Zuordnung möglich, da entweder Beschäftigungen gleichrangig oder die Angaben unplausibel waren. Die Angaben beruhen daher auf n = 1192 Fällen (vgl. Elias 2016).

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191Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

ob professionelle (also verberuflichte) Weiterbildungserwerbsarbeit existenzsi-chernde Perspektiven bieten kann (vgl. Dobischat und Elias 2016a).

3 Prekarität der Beschäftigung anhand objektiver Kriterien und subjektive Prekaritätswahrnehmungen

Um die prekäre Lage der Beschäftigten näher zu bestimmen, wird in der einschlä-gigen wissenschaftlichen Literatur eine vergleichende Analyse anhand von vier Prekaritätsdimensionen (Einkommen, Beschäftigungsstabilität, Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme und Beschäftigungsfähigkeit auf Basis eigener Wei-terbildung und Qualifikation) in Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis vorge-schlagen (vgl. Brehmer und Seifert 2008, S. 504; siehe dazu auch Brehmer und Seifert 2007; Keller und Seifert 2009; Weinkopf et al. 2009). Auf Basis der Daten des wb-personalmonitors wurden folgende Ebenen zur Bestimmung prekärer Beschäftigung herangezogen (vgl. Elias 2016):

a) EinkommenAls existenzsicherndes Einkommen aus der Erwerbstätigkeit wird ein Einkom-men gewertet, das oberhalb von zwei Dritteln des Medianlohns von Vollzeiter-werbstätigen liegt. Im Jahr 2014 lag dieses bei 3024,00 EUR (brutto) (BA 2016). Daraus ergibt sich eine Niedriglohnschwelle von rund 2000 EUR, unterhalb derer ein Einkommen als prekär zu werten ist.

b) BeschäftigungsstabilitätDie Stabilität der Beschäftigung lässt sich aus dem Design der Studie nicht direkt ableiten. Um hier annähernd einen Indikator für instabile Beschäftigungsver-hältnisse zu bilden, wurde zum einen jede befristete Beschäftigung als instabil gewertet, in Bezug auf selbstständige Honorartätigkeiten jedoch nur die Beschäf-tigungsverhältnisse jener Personen, deren Angebot am Markt noch nicht auf Dauer Bestand hat. Dazu wurden die Honorartätigkeiten von Personen, die ihre erste Selbstständigkeit in der Weiterbildung nach 2009 ausgeübt haben, als insta-bil gewertet. Zugleich wurden längere Selbstständigkeiten von Personen, die für nur einen Auftraggeber tätig sind, auch als instabil gewertet. Eine mögliche Eta-blierung am Markt kann auf diese Weise zwar nur unzureichend abgebildet wer-den; die Operationalisierung folgt an dieser Stelle der These, wonach kurzfristige Selbstständigkeiten auch einer Etablierung am Markt dienen können, längerfris-tige dagegen bereits etabliert sind, da sie unterschiedliche und kontinuierlich Auf-träge akquirieren konnten.

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c) BeschäftigungsfähigkeitDer Erhalt der eigenen Beschäftigungsfähigkeit soll hier gleichgesetzt werden mit der Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Personen, die in den letzten 12 Monaten nicht an beruflicher Weiterbildung teilgenommen haben, wurden auf der Dimension der Beschäftigungsfähigkeit als prekär eingestuft.

d) Soziale SicherungDie Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme ist insbesondere für die haupt-beruflichen Honorarkräfte zentral. An dieser Stelle wird ein Beschäftigungsver-hältnis als prekär für den Fall angesehen, dass die Person entweder nicht in die Krankenversicherung eingebunden ist oder nicht in Form von gesetzlicher oder privater Rente für die Alterssicherung vorsorgt. Für Honorarkräfte mit Lehranteil, die dem Gesetz nach rentenversicherungspflichtig sind, wurde eine nicht vorhan-dene gesetzliche Rentenversicherung als prekär gewertet.

Zugleich wurden die Teilnehmer der Umfrage auf den verschiedenen Ebenen nach der Beurteilung der entsprechenden Prekaritätsdimension auf einer fünfstu-figen Skala von „sehr schlecht“ bis „sehr gut“ gebeten.

Die Frage der aus der Erwerbstätigkeit erzielbaren Einkommen ist sicherlich zentral bei der Bestimmung prekärer Beschäftigungsbedingungen auf der mate-riellen Dimension. Über alle haupterwerblich in der Weiterbildung tätigen Per-sonen liegt das mittlere Bruttomonatseinkommen aus der Weiterbildungstätigkeit bei 2990 EUR (arithmetisches Mittel). Das Medianeinkommen der haupterwerb-lich Tätigen liegt bei 2500 EUR. Zwischen fest angestellten Weiterbildnern (sozi-alversicherungspflichtig Angestellte inklusive Beamte und selbstständige Inhaber und Gesellschafter) und hauptberuflichen Honorarkräften (inklusive soloselbst-ständige Inhaber) ist ein deutliches Einkommensgefälle zu beobachten. Während bei den Angestellten (Typ 1) das Medianeinkommen aus der Weiterbildungstä-tigkeit bei rund 3000 EUR liegt, erreichen selbstständige Weiterbildner im Mit-tel nur ein Einkommen von rund 1500 EUR. Im Vergleich dazu: Das mittlere Bruttoeinkommen (Median) in Deutschland lag 2014 laut Entgeltstatistik der BA bei 2478 EUR, das von Vollzeitbeschäftigten bei 3024 EUR (vgl. BA 2016); mit einem akademischen Abschluss lag das mittlere Erwerbseinkommen sozial-versicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigter im Jahr 2013 bei 4836 EUR (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, Tab. I1–8web). Demnach liegt die Einkommensschwelle, unterhalb derer ein Einkommen als prekär zu werten ist, für das Jahr 2014 bei rund 2000 EUR. Demnach sind rund 63 % der haupt-beruflichen Honorarkräfte (Typ 2) von Einkommensprekarität betroffen, von den Festangestellten in der Weiterbildung sind es jedoch nur rund 17 % (vgl. Abb. 1).

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193Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

Auf die Frage der subjektiven Einschätzung der Einkommenssituation hinge-gen haben rund 30 % der befragten Weiterbildner, die im Beschäftigungstyp 1 in der Weiterbildung tätig sind, angegeben, dass sie ihre Einkommenssituation als schlecht oder sehr schlecht einschätzen. Bei den hauptberuflichen Honorarkräf-ten sind es rund 43 %, die vermerkt haben, ihre Einkommenssituation als schlecht oder sehr schlecht wahrzunehmen (vgl. Abb. 2). An dieser Stelle wird deutlich, dass die Beschäftigung, die von außen prekär bewertet wird, nicht deckungsgleich ist mit der subjektiven Einschätzung der Beschäftigungssituation der Beschäftig-ten selbst. Gemeinhin ist es die Annahme, dass wissenschaftliche Forschung zur Beschäftigungslage in der Weiterbildung Beschäftigungsverhältnisse als prekär klassifiziert, die aus der subjektiven Perspektive nicht in dieser Konnotation wahr-genommen werden (vgl. Nittel 2011). Gerade in Bezug auf die fest angestellten Weiterbildner fällt jedoch auf, dass ein größerer Anteil die Einkommenssituation selbst als schlecht oder sehr schlecht bewertet als diese anhand der 60 Prozent-Grenze des Medianeinkommens als prekär einzustufen wäre. Für die Gruppe der (Solo-)Selbstständigen (Typ 2) in der Weiterbildung hingegen zeigt sich, dass weniger Personen angegeben haben, ihr Einkommen subjektiv als schlecht oder sehr schlecht wahrzunehmen, wobei auch hier deutlich wird, dass diese keine Teilmenge der objektiv als prekär eingestuften bilden.

16,5

20,5

27,6

33,4

42,7

32,7

54,1

63,0

1,0

15,7

17,6

17,3

- 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0

Soziale Sicherung prekär

Beschä�igungsfähigkeit prekär

Beschä�igungsstabilität prekär

Einkommen prekär

Typ 1 Typ 2 Gesamt Haupterwerb

Abb. 1 Bewertung der Beschäftigungsprekarität (objektiv), in Prozent Datengrundlage: wb-personalmonitor 2014, eigene Berechnungen, gewichtet nach Personen (Stufe 2)

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Selbst bei objektiv nicht feststellbarer Einkommensprekarität kann die subjek-tive Bewertung der Beschäftigungssituation ein wichtiger Indikator für die Aner-kennungsdimension der Beschäftigung sein. Gerade innerhalb des akademisch geprägten Arbeitsmarktes entsprechen die zuweilen niedrigen Einkommen nicht der erwarteten monetären Anerkennung der Bildungsinvestitionen der Beschäftigten.

Ähnlich gestaltet sich das Bild beim Blick auf die Ebene der Beschäfti-gungsstabilität. Rund 22 % der Angestellten in der Weiterbildung sind befris-tet beschäftigt. Damit ist die Befristungsquote innerhalb der Weiterbildung auf einem ähnlich hohen Niveau wie diejenige der gesamten Branche Erziehung und Wissenschaft gemäß den Befunden des IAB Betriebspanels 2012 (vgl. IAB 2013). Bei einer mittleren Befristungsquote von 9,5 % in Deutschland (vgl. IAB 2013) ist der Bereich Erziehung und Unterricht im Besonderen von Befristun-gen geprägt. Als Ausdruck der zunehmenden Flexibilisierungsinteressen aufsei-ten der Beschäftiger können auch die Befristungsquoten bei Neueinstellungen herangezogen werden. In Bezug auf Neueinstellungen ist die gesamte Branche Erziehung und Wissenschaft mit Befristungsquoten von 76 % auffällig (vgl. IAB 2013). Auch im vorliegenden Sample zeigt sich insbesondere für die Gruppe, die erstmals 2014 eine Tätigkeit in der Weiterbildung aufgenommen hat, eine hohe Quote an befristeten Einstellungen (vgl. Elias 2016). Unter den im Beschäfti-gungstyp 1 zusammengefassten Weiterbildnerinnen und Weiterbildnern befinden

7,3

4,0

16,2

17,0

6,8

20,1

1,9

8,5

8,4

20,9

23,6

36,2

18,4

26,3

24,9

31,3

21,8

26,7

35,2

19,3

25,6

20,5

30,3

30,1

22,6

28,4

13,6

18,6

25,6

17,0

25,4

19,5

39,9

20,1

11,4

8,8

23,6

16,1

17,5

10,6

0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0 80,0 90,0 100,0

Bewertung der Altersvorsorge insgesamt (Typ 2)

Bewertung der Altersvorsorge insgesamt (Typ 1)

Bewertung der Weiterqualifizierung (Typ 2)

Bewertung der Weiterqualifizierung (Typ 1)

Bewertung der Beschä�igungssicherheit (Typ 2)

Bewertung der Beschä�igungssicherheit (Typ 1)

Bewertung der Einkommenssitua�on (Typ 2)

Bewertung der Einkommenssitua�on (Typ 1)

sehr gut gut teils/teils schlecht sehr schlecht

Abb. 2 Bewertung der Beschäftigungsprekarität (subjektiv), in Prozent. Datengrundlage: wb-personalmonitor 2014, eigene Berechnungen, gewichtet nach Personen (Stufe 2)

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195Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

sich rund 18 %, die ein als unsicher zu klassifizierendes Beschäftigungsverhältnis ausüben. Es sind jedoch mehr als 33 % des Personals, die ihre Beschäftigungssi-cherheit als schlecht oder sehr schlecht einschätzen.

Auf der Ebene der Beschäftigungsfähigkeit, operationalisiert als Partizipa-tionsmöglichkeit an eigener beruflicher Weiterqualifizierung, kann man feststel-len, dass im Vergleich zu den anderen Prekaritätsmerkmalen ein vergleichsweise geringer Wert an als prekär zu klassifizierenden Beschäftigungsverhältnissen, hier als hohe Beteiligungsquote und positivere Selbsteinschätzung, vorliegt. Alle Beschäftigtengruppen in der Weiterbildungsbranche nehmen überproportional selbst an Weiterbildung teil, wobei hauptberufliche Honorarkräfte deutlich häu-figer weiterbildungsabstinent sind und dementsprechend auf dieser Ebene durch-aus Beschäftigungsprekarität droht. In der subjektiven Wahrnehmung schätzen mit rund 25 % der hauptberuflichen Honorarkräfte (Typ 2) jedoch etwas weniger Personen ihre Weiterbildungsmöglichkeiten als schlecht oder sehr schlecht ein als bei den fest angestellten Kolleginnen und Kollegen (Typ 1), von denen rund 27 % ihre Weiterbildungsmöglichkeiten schlecht oder sehr schlecht einstufen. Ein sig-nifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen besteht jedoch nicht.

In Bezug auf die Einbindung in die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere die Rentenversicherung als zentraler Baustein der Altersvorsorge, zeigt sich per Definition ein größeres Prekaritätsrisiko bei den hauptberuflichen Honorarkräften, da die angestellten Weiterbildnerinnen und Weiterbildner in die Pflichtversiche-rungssysteme eingebunden sind und im Rahmen des wb-personalmonitors nicht weiter nach ihrem Versicherungsschutz befragt wurden. Allerdings unterliegen Honorarkräfte seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert einer Rentenversicherungs-pflicht, da sie als selbstständige Lehrer als besonders schutzbedürftig im Sinne der Invaliditätsversicherung gelten.2 Dies führt auf der einen Seite dazu, dass Honorarkräfte auf Basis zum Teil geringer Honorare selbst für ihre Rentenversi-cherung aufzukommen haben, auf der anderen Seite aber auch dazu, dass immer wieder Wege gesucht und gefunden werden, diese Versicherungspflicht zu umge-hen. Rund 35 % der auf Honorar- und Werkvertragsbasis beschäftigten Perso-nen und rund 42 % der hauptberuflichen Honorarkräfte (Typ 2) zahlen nicht in die gesetzliche Rente ein. Betrachtet man nur die Honorarkräfte mit Lehranteil, die für den Fall, dass sie solo-selbstständig dauerhaft mehr als 450 EUR aus der Weiterbildungstätigkeit erwirtschaften, pflichtversichert wären, fällt auf, dass die

2Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind solo-selbstständige Lehrer rentenversicherungspflich-tig. Die Versicherungspflicht geht letztendlich auf das Invalidenversicherungsgesetz von 1899 zurück. Seitdem gelten solo-selbstständige Lehrer als besonders schutzbedürftig.

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hauptberuflichen Honorarkräfte häufiger als nebenberufliche Honorarkräfte nicht in die gesetzliche Rente einzahlen (vgl. Elias 2016). Insbesondere für diese haup-terwerbliche Gruppe ist drohende Altersarmut die Konsequenz, wenngleich die Einbindung in die Versicherungssysteme nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass bei den mancherorts geringen Einkünften aus der Tätigkeit auch für die auf dieser Ebene nicht prekär bewerteten Beschäftigten nicht selten Rentenansprüche nur knapp oberhalb des Grundsicherungsniveaus erworben werden können.

Bei der geringen Höhe der zu erwerbenden Rentenansprüche erscheint die hohe Last der alleinigen Verantwortung für die Rentenversicherungsbeiträge sicherlich für viele Beschäftigte als äußerst unattraktiv. Unterstützungsleistungen wie das „Berliner Modell“ scheinen bundesweit bisher eher Ausnahmefälle zu sein, sodass auch aus der subjektiven Perspektive die Altersvorsorge der haupt-beruflichen Honorarkräfte im Vergleich mit den anderen Prekaritätsmerkmalen am schlechtesten bewertet wurde (vgl. Abb. 2). Zugleich wird aber auch deutlich, dass obwohl die Festangestellten anhand der Prekaritätskriterien durch ihre Ein-bindung in die sozialen Sicherungssysteme nicht als prekär eingestuft werden, sie selbst ihre Altersvorsorge als schlecht oder sehr schlecht wahrnehmen. Oft zeigt sich, dass beim Versuch der objektiven Beurteilung der Beschäftigungsprekarität eben auch die subjektive Perspektive der Beschäftigten dahin gehend nicht abbil-den kann, dass diese Betrachtung die Lage als verhältnismäßig sicher einstuft, die von den Beschäftigten selbst als belastend und unsicher wahrgenommen wird. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in der unzureichenden Qualität der entspre-chenden Daten, die eine Beurteilung der konkreten Rentenansprüche im Alter zuließe, sondern eben auch in der sich ausbreitenden Unsicherheit aufgrund eines sich im Weiterbildungssystem ausweitenden Phänomens prekärer Beschäftigung.

4 Zusammenfassende Beurteilung der Prekarität der Beschäftigung und prekärer Lebenslagen

Um das Phänomen prekärer Beschäftigung in der Weiterbildung insgesamt zu beschreiben, bietet es sich an, subjektive und objektive Prekaritätsbeurteilungen zu verknüpfen. Prekär wäre demnach die Arbeit in der Weiterbildung, wenn sie nicht nur anhand einer Prekaritätsdimension objektiv prekär bewertet ist, sondern auch subjektiv von den Befragten auf der entsprechenden Dimension als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ bewertet wurde. Prekäre Arbeit ist demnach die Schnittmenge aus objektiver prekärer Beschäftigung und subjektiver Bewertung der Beschäfti-gung. Rund 103.000 haupterwerblich in der Weiterbildung tätige Personen, dar-unter rund 60.000 Honorarkräfte, sind demnach auf einer oder mehrerer dieser

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197Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

Ebenen – nicht nur aus einer externen Perspektive, sondern auch in ihrer eigenen Wahrnehmung – von prekären Beschäftigungsbedingungen tangiert. Im Vergleich zwischen den beiden haupterwerblichen Beschäftigtengruppen zeigen sich die Honorarkräfte (Typ 2) abermals als deutlich häufiger von Risikolagen betroffen als Angestellte, Beamte und Inhaber, insbesondere auf der Ebene der Einkom-men, das für rund ein Drittel der Beschäftigten als prekär angesehen werden muss (Tab. 1).

Im Vergleich der verschiedenen Perspektiven auf die Prekarität der Beschäfti-gung bleibt festzuhalten, dass Honorarkräfte, mit Ausnahme der Dimension der Altersvorsorge, ihre Beschäftigung seltener als prekär wahrnehmen, als durch den Versuch der objektiven Bestimmung von prekärer Beschäftigung eine sol-che diagnostizieren würde. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass die angestellten Weiterbildner im Trend ihre Beschäftigung häufiger schlecht und sehr schlecht bewerten, als auf den verschiedenen Ebenen Beschäftigungsprekarität identifiziert werden würde.

Während die gefühlte Unsicherheit in den stabilen Sphären des Weiterbildungs-systems, trotz relativ hoher Sicherheitsversprechen, sich eben auch aus der Angst vor dem Abstieg und expandierender Prekarität erklären lässt, die so auch eine disziplinierende Wirkung für die bisher abgesichert Beschäftigten entfaltet (vgl. Dörre 2006), ist eine Erklärung für die positive Bewertung der Beschäftigungslage

Tab. 1 Prekarität der Beschäftigung auf den einzelnen Dimensionen als Schnittmenge objektiver und subjektiver Einschätzungen (Beschäftigte im Haupterwerb); Datengrund-lage: wb-personalmonitor 2014

Typ 1 (Angestellte, Beamte und Inhaber im Haupterwerb)

Typ 2 (Honorar-kräfte und [Solo-]Selbstständige im Haupterwerb)

Haupterwerb insgesamt

Prekarität des Einkom-mens

Anzahl 14.388 33.301 47.689

Anteil 8 % 32 % 17 %

Prekarität der Beschäf-tigungsstabilität

Anzahl 20.132 27.266 47.399

Anteil 11 % 27 % 17 %

Prekarität der Beschäf-tigungsfähigkeit

Anzahl 12.874 14.496 27.370

Anteil 7 % 14 % 10 %

Prekarität der Sozialen Sicherung (Altersvor-sorge/Rente)

Anzahl 518 26.169 26.687

Anteil 0 % 26 % 9 %

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198 A. Elias

bei objektiv vorfindbarer Beschäftigungsprekarität auch in den Haushaltskontexten jenseits der reproduktiv-materiellen Dimension der Erwerbsarbeit zu finden. Denn die Prekarität der Beschäftigung führt aufgrund der oft untergeordneten Erwerbs-interessen der Beschäftigten, selbst innerhalb der Gruppen haupterwerblicher Weiterbildnerinnen und Weiterbildner, nicht zwingend zu prekären oder armuts-gefährdeten Lebenslagen im Haushaltskontext. Lediglich rund 12 % der Weiter-bildner, die aus ihrer hauptberuflichen Erwerbstätigkeit in der Weiterbildung ein prekäres Einkommen erwirtschaften, leben auch in einer armutsgefährdeten Haus-haltskonstellation. Allerdings kann auch ein auf der Beschäftigungsebene als nicht prekär klassifiziertes Einkommen im gesamten Haushaltskontext zuweilen nicht ausreichen, um ein über der Armutsgefährdungsschwelle3 liegendes Gesamtein-kommen zu erwirtschaften (vgl. Elias 2016).

Bei aller Brisanz, die die prekären Beschäftigungsformen in der Weiterbildung auf individueller und gesellschaftlicher Ebene in sich bergen, lässt die Perspek-tive prekärer Lebenslagen in den Haushaltskontexten ein etwas positiveres Bild zurück. Mit rund 7 % von Armut gefährdeten Personen zeigt sich die Weiterbil-dungsbranche als vergleichsweise sicherer Ort (vgl. Elias 2016). Aber auch an die-ser Stelle wird deutlich, dass die Beschäftigung als hauptberufliche Honorarkraft ein vergleichsweise höheres Risiko prekärer Lebenslagen birgt. Während innerhalb

3Zur Beurteilung von Armutsgefährdung wird zumeist auf das Nettoäquivalenzeinkom-men zurückgegriffen (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013). Dazu wird das Haushaltsnettoeinkommen, also die Summe aller Einkünfte im gesamten Haushalt, durch Bedarfsgewichte auf Basis der Personen im Haushalt geteilt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013, S. 324). Bei der Berechnung der Bedarfsgewichte wird zumeist die „Neue OECD-Äquivalenzskala“ (Bundesregierung 2001, S. 9) genutzt. Das Äquiva-lenzeinkommen, das zum Vergleich der Haushalte genutzt wird, berechnet sich dabei aus dem Haushaltsnettoeinkommen geteilt durch haushaltsspezifische Bedarfsgewichte. Zur Bestimmung des jeweiligen Bedarfsgewichts, das das Einsparpotenzial größerer Haushalte berücksichtigen soll, wird der ersten Person im Haushalt das Bedarfsgewicht = 1 zugeord-net und den weiteren Personen im Haushalt geringere Gewichte. Personen im Alter über 14 Jahre gehen dabei mit dem Bedarfsgewicht = 0,5 ein und Kinder unter 14 Jahren mit einem Bedarfsgewicht = 0,3 (Gerhardt et al. 2009, S. 5; Bundesregierung 2001, S. 20). Die Bedarfsgewichte beschreiben demnach den Faktor, den der Einkommensbedarf eines Mehr-personenhaushaltes über dem eines Singlehaushaltes liegt; das Nettoäquivalenzeinkommen macht so die Haushalte untereinander vergleichbar. Zur Bestimmung von Armutsgefähr-dung wird auf Basis des Nettoäquivalenzeinkommen ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen verglichen. In der Sozialberichterstattung hat sich nach EU-Konventionen die Betrachtung der relativen Einkommensarmut durchgesetzt, wonach Personen, deren bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen unterhalb von 60 % des nationalen Medianein-kommens liegt, als „armutsgefährdet“ gelten (Gerhardt et al. 2009, S. 4).

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199Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

der Gruppe der Festangestellten und Inhaber (Typ 1) nur rund 3 % in einkommen-sprekären Haushalten zu finden sind, sind es in der Gruppe der hauptberuflichen Honorarkräfte rund 15 %. Obwohl die subjektiv schlechten und sehr schlechten Einschätzungen der finanziellen Situation insgesamt mit 23 % bei den Angestellten und 51 % bei den Honorarkräften deutlich höher liegen, bildet die Verschränkung der objektiven und subjektiven Perspektive nur eine überschaubare Teilmenge von rund einem Prozent im Beschäftigungstyp 1 in der Weiterbildung arbeitenden Per-sonen, die in armutsgefährdeten Haushalten leben und diese Situation als schlecht oder sehr schlecht wahrnehmen. Im Beschäftigungstyp 2 sind es rund 8 % deren Haushaltssituation insgesamt objektiv als prekär einzustufen ist und auch von den Beschäftigten selbst in dieser Form wahrgenommen wird.

Von den insgesamt rund 103.000 Weiterbildnerinnen und Weiterbildnern, die auf einer der vier Prekaritätsebenen als prekär einzustufen sind, leben rund 8 % in armutsgefährdeten Haushalten. Diese Befunde mögen die Dramatik der prekä-ren Beschäftigungsbedingungen in der Weiterbildung auf der materiellen Dimen-sion der Erwerbsarbeit schmälern, können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ausgestaltung der Beschäftigungsbedingungen nicht dem Status und der Anerkennung entsprechen, die ein professionalisiertes Handlungsfeld erwarten ließe.

5 Fazit

Bei allen wiederkehrenden Befunden zur Prekarität in der Weiterbildungsbranche muss festgehalten werden, dass mit Blick auf die materielle Sicherheit innerhalb der Haushalte bei den Beschäftigten in der Weiterbildung vergleichsweise sichere Lebenslagen vorzufinden sind. Dies gilt nicht nur für nebenberuflich und neben-erwerbliche Weiterbildner sowie jene ohne wirkliches Erwerbsinteresse und auch für viele Weiterbildner in prekären Beschäftigungsverhältnissen.

Die Dramatik des Befundes eines übermäßigen Ausmaßes prekärer Beschäf-tigungsbedingungen in einem von akademischen Qualifikationen geprägten Arbeitsmarkt mag dies jedoch nur wenig schmälern. Vor dem Hintergrund anhal-tend hoher Erwartungen an die Weiterbildungsbranche im System Lebenslan-gen Lernens und damit einhergehender Professionalisierungsbestrebungen und -hoffnungen zeugen belegte und perzipierte prekäre Beschäftigungsbedingungen noch immer von einer mangelnden Anerkennung hauptberuflicher Weiterbil-dungsarbeit. Zweifelsohne trifft dieser Befund prekärer Beschäftigungen nicht alle Teilsegmente des Weiterbildungsarbeitsmarktes. Dass jedoch insbesondere für die Gruppen der Honorarkräfte in Integrationskursen und den Angestellten

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200 A. Elias

im Bereich öffentlich geförderter beruflicher Weiterbildung vermehrt prekäre Beschäftigungsverhältnisse attestiert werden (vgl. Alfänger et al. 2016a), zeugt jedoch in besonderem Maße davon, dass, obwohl die Bedeutung der Weiterbil-dung von politischer Seite immer wieder betont und als Erfolgsmodell gelobt wird, die Beschäftigten von dieser Bedeutungszuschreibung nur unzureichend profitieren. Dass für die Prekarität der Beschäftigung verschiedene Prozesse ursächlich sein können und der Ausgang von (De-)Professionalisierung und Pre-karisierung bislang ungeklärt scheinen, macht eine dauerhafte Beobachtung der Beschäftigungsbedingungen in der Weiterbildung wünschenswert. Die festge-stellte Divergenz zwischen objektiven und subjektiven Prekaritätsbestimmungen zeigt dabei auch, dass Prekarität in der Weiterbildung allein in der Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis auf der materiell-reproduktiven Dimension lediglich unzureichend diskutiert werden kann. Zukünftige Forschung zur Beschäftigungs-situation in der Weiterbildung sollte daher vermehrt darauf achten, die Perspek-tive der Beschäftigten selbst zu integrieren und weitere Prekaritätsdimensionen in den Blick zu nehmen. Der wb-personalmonitor hat hier eine wichtige erste Datenquelle geliefert.

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203Prekäre Beschäftigung in der Weiterbildung? …

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Über den Autor

Dr. Arne Elias Arbeitsschwerpunkte: Professionalisierung und Beschäftigung in der Weiterbildung.

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205

Weiterbildung als Nebenerwerb

Nadja Schmitz

ZusammenfassungWeiterbildung als Nebenerwerb – gibt es das überhaupt noch? Sind Nebener-werbstätige im Zuge von Professionalisierungsbestrebungen nicht ein ausster-bendes Phänomen? Die Antwortet lautet: Nein. Gezeigt wird dies in dem hier vorliegenden Beitrag anhand der Daten des wb-personalmonitor, die im Jahr 2014 erhoben worden sind. Befragt wurden Weiterbildungsbeschäftigte unab-hängig von Tätigkeitsfeld oder etwa Beschäftigungsstatus. Damit liegt nach der WSF-Studie im Jahr 2005 erstmals wieder eine umfassende Erhebung des Wei-terbildungspersonals vor. Es zeigt sich, dass auch gegenwärtig Weiterbildung nach wie vor von nicht Wenigen als Nebenerwerb betrieben wird. Vornehm-lich handelt es sich hierbei um Personen, die im Haupterwerb einer Tätigkeit außerhalb der Weiterbildung nachgehen. Viel bekannt ist über diese Beschäf-tigtengruppe aber nicht. Der Beitrag soll einen ersten Überblick liefern. Er beschäftigt sich zunächst mit der grundlegenden Frage: Warum üben Menschen überhaupt einen weiteren Erwerb neben ihrem Hauptberuf aus und was sind die Motive dafür, dies im Bereich der Weiterbildung zu tun? Im weiteren Ver-lauf werden Merkmale wie Qualifikationen, Beschäftigungsform und -umfang sowie Tätigkeitsfelder diskutiert. Außerdem wird ein Blick auf den Erwerbs-beruf außerhalb der Weiterbildung geworfen. Der Beitrag beinhaltet neben der Darstellung aktueller Forschungsergebnisse auch erste Interpretationsvor-schläge und skizziert, in welche Richtung weitere Forschung zu dem Thema

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_10

N. Schmitz (*) Arbeitsbereich 2.2 Qualifikation, berufliche Integration und Erwerbstätigkeit, Bundesinstitut für Berufsbildung, Robert-Schuman Platz 3, 53175 Bonn, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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206 N. Schmitz

gehen könnte. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob Nebenerwerbstätige mit einem Haupterwerb außerhalb der Weiterbildung möglicherweise als eine Art Schnittstelle zwischen Berufs-/Arbeitswelt und Weiterbildung fungieren.

1 Einleitung

Beschäftigt man sich mit dem Thema Weiterbildung, sieht man sich unweigerlich mit dem Begriff der Heterogenität konfrontiert. So ist „die Kennzeichnung der Weiterbildung als ‚heterogen‘ […] in der erwachsenenpädagogischen Diskussion bereits seit hundert Jahren ein gängiger Topos“ (Seitter 2009, S. 11). Auch die Auseinandersetzung mit dem Personal in der Weiterbildung ist mit diesem Begriff verbunden. Weiterbildungsbeschäftigte zeichnen sich nicht nur im Hinblick auf Beschäftigungsform und -umfang, Tätigkeitsfelder oder Arbeit- und Auftragge-ber durch eine große Spannweite aus (vgl. WSF 2005). Auch ist die Berufsbe-zeichnung nicht eindeutig, sondern vielmehr durch eine „Vielzahl und Vielfalt“ geprägt, die „symptomatisch für die heterogenen Arbeitsfelder, Aufgaben und Funktionen des Weiterbildungspersonals [ist]“ (Fischell 2014, S. 66). Zudem sind die „Zugänge zum Berufsfeld wenig einheitlich reguliert“ (Alfänger et al. 2014b, S. 41). Das Weiterbildungspersonal dennoch als eine Einheit zu betrach-ten, erscheint daher vor allem dann sinnvoll, wenn etwa eine Antwort auf die nach wie vor nicht abschließend geklärte Frage des Gesamtumfangs aller im Bereich der Weiterbildung Tätigen gefunden werden soll. Steht hingegen eine detaillier-tere Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten im Fokus des Interesses, bei-spielsweise Tätigkeitsfelder, Grad der Professionalisierung oder Fragen prekärer Beschäftigung, erscheint es vor dem Hintergrund der Heterogenität sinnvoller, Teilgruppen zu betrachten (vgl. bspw. Martin et al. 2014; Alfänger et al. 2014a). Daher haben Alfänger et al. ein Modell entwickelt, das die im Bereich der Wei-terbildung Tätigen „entsprechend ihrer zugrundeliegenden Vertragsform und dem Grad der Bedeutung des aus der Weiterbildungstätigkeit erwirtschafteten Ein-kommens“ (Alfänger et al. 2014a, S. 70) in vier verschiedene Beschäftigungsty-pen unterteilt. Dabei handelt es sich um Typ 1: „sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die aus der Weiterbildungstätigkeit ihren Haupterwerb erzielen“, Typ 2: „Selbständige beziehungsweise Freiberufler, die aus der Weiterbildungstätigkeit ihren Haupterwerb erzielen“, Typ 3: „Personen, die in der Weiterbildung tätig sind, ihren Haupterwerb aber aus einer anderen beruflichen Tätigkeit erwirtschaften“ sowie um Typ 4: „Personen, die zwar in der Weiterbildung tätig sind, ihr Hauptein-kommen aber aus anderen Quellen beziehen (z.B. Einkommen des Lebenspartners, Transferleistungen, Renten, Kapitalerträge etc.)“ (Alfänger et al. 2014a, S. 70).

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207Weiterbildung als Nebenerwerb

Elias hat eine Operationalisierung anhand der wb-personalmonitor1 Daten in sei-nem Beitrag zu dem hier vorliegenden Sammelband vorgenommen2.

Die Auswertungen der ersten Stufe des wb-personalmonitor zeigen, dass etwa ein Drittel der gut 691.000 ermittelten Beschäftigten3 Weiterbildung als Neben-erwerb betreibt, im Haupterwerb aber einer Tätigkeit außerhalb der Weiterbil-dung nachgeht. Personen, die Weiterbildung als Nebenerwerb betreiben, stellen somit einen nicht unerheblichen Anteil des Weiterbildungspersonals dar. Diese Erkenntnis ist nicht neu (vgl. bspw. WSF 2005). Dennoch besteht weiterhin For-schungsbedarf. Der wb-personalmonitor bietet zwar eine recht umfassende und aktuelle Datenbasis anhand derer Nebenerwerbstätige betrachtet werden kön-nen4. Erste Auswertungen dazu haben im Nationalen Bildungsbericht 2016 bereits Berücksichtigung gefunden (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 151 ff.). Über diese Beschäftigtengruppe ist bisher aber insgesamt relativ wenig bekannt. Im Hinblick auf ihren recht hohen Anteil am Weiterbildungspersonal und, wie sich im weiteren Verlauf des Beitrags zeigen wird, zentralen Rolle bei Lehrtätigkeiten, ist auch ihre Verortung im Kontext der Professionalisierungsfrage

1Das Projekt „Personal in der Weiterbildung: Beschäftigungssituation und Tätigkeiten – wb-personalmonitor“ wurde als Kooperation zwischen dem Deutschen Institut für Erwach-senenbildung (DIE), der Universität Duisburg-Essen (UDE) und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Zeitraum 2013 bis 2015 durchgeführt. Die quantitative Online-Befragung des Weiterbildungspersonals erfolgte in einem zweistufigen Verfahren. Zur Ziel-gruppe gehörten Personen, die zum Erhebungszeitpunkt im Bereich der Weiterbildung tätig waren, unabhängig von Beschäftigungsformen, Aufgabenfeldern oder etwa Tätigkeitspro-filen. Der Zugang zum Weiterbildungspersonal erfolgte für die erste Erhebungsstufe über den Anbieterbestand des wb-monitor. Für die zweite Befragungsstufe wurden Teilneh-mende der ersten Stufe, die in eine Folgebefragung eingewilligt hatten, direkt per E-Mail kontaktiert. Bei der ersten Befragungsstufe lagen insgesamt 6062 Teilnahmen vor. An der zweiten Befragungsstufe haben sich 1347 Personen beteiligt. Im Zuge der Datenaufberei-tung wurden entsprechende Gewichtungs- und Hochrechnungsfaktoren entwickelt. Für weitere Informationen s. Beiträge von Elias, Martin und Koscheck in diesem Band.2Für die Ermittlung der Gesamtbeschäftigung wurden dabei sowohl Daten der ersten als auch der zweiten Erhebungsstufe verwendet. Die Ermittlung des Nebenerwerbsanteils in diesem Beitrag hier beruht allein auf Daten der ersten Stufe. Daher können die Ergebnisse leicht variieren.3Hochgerechnete Werte (N, hochgerechnet = 691.271).4Ein weiteres Projekt, das sich in der jüngeren Vergangenheit mit dem Personal in der Wei-terbildung beschäftigt hat, ist „Beschäftigte in der Weiterbildung im Spannungsfeld von Professionalisierungsdruck und fortschreitender Destabilisierungstendenz in den individu-ellen Erwerbsverläufen“ (https://www.uni-due.de/biwi/bawb/p66).

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208 N. Schmitz

interessant, m. W. nach aber bisher nicht abschließend geklärt. Mit zunehmender gesellschaftlicher Bedeutung von Weiterbildung seit den 1960er Jahren und dem Konzept lebenslangen Lernens wird die Frage der Professionalisierung und damit verbunden Weiterbildung als Haupt- oder Nebenerwerb beziehungsweise Ehren-amt diskutiert (vgl. Fischell 2014, S. 69 ff.). Die „Modernisierung der Erwach-senenbildung, die eine zunehmende Verberuflichung erforderlich machte und die bis dahin verbreitete Ehrenamtlichkeit zurückdrängte, bildete zugleich den Aus-gangspunkt der bald einsetzenden Professionalisierungsdiskussion“ (Peters 2004, S. 20). Sind Nebenerwerbstätige zusammen mit Ehrenamtlichen also lediglich eine Art „Restbestand“, der langfristig von Hauptberuflichkeit absorbiert werden wird? Ein Vergleich der Anteile von Nebenerwerbstätigen bei der WSF-Studie und dem wb-personalmonitor zeigt, dass kein deutlicher Rückgang zu verzeichnen ist. Wird Nebenerwerbstätigen dann doch eine berechtigte Relevanz im Weiterbildungsge-schehen zugesprochen, weil sie unter anderem eine Schnittstelle zwischen Berufs-/Arbeitswelt und Weiterbildungsinhalten bilden? Wenn dem so sein sollte, stellt sich die Frage, ob und hinsichtlich welcher Aspekte sie bei der Professionalisie-rungsdebatte mitgedacht werden sollten. Da das zentrale Merkmal der Hauptberuf-lichkeit beim Nebenerwerb nicht greift, könnte sich eine Auseinandersetzung mit den „qualitativen Handlungsdimensionen“ (Peters 2004, S. 32) eher anbieten. So verweist beispielsweise Tietgens auf die „Anforderungen an das Berufshandeln“ und damit verbundene „Professionalität als situative Kompetenz“ (vgl. Tietgens 1988, S. 37 f.). Ein Aspekt, der auch auf Nebenerwerbstätige zutrifft.

Der hier vorliegende Beitrag wird all die mit Professionalisierung verbunde-nen Fragen nicht beantworten können. Er verfolgt aber zwei Ziele: Zum einen soll anhand der Daten des wb-personalmonitor ein aktuelles Bild der Nebener-werbstätigen unter Auswahl bestimmter Merkmale gezeichnet werden, die mitun-ter auch für Fragen der Professionalisierung relevant sind. Dementsprechend ist er deskriptiv angelegt. Er greift Merkmale, die bereits im Nationalen Bildungs-bericht dargestellt worden sind, auf, geht aber darüber hinaus. Zum anderen soll er erste Interpretationsansätze anbieten im Hinblick auf Nebenerwerbstätige selbst und ihre Rolle im Weiterbildungsgefüge, dabei auch mögliche weitere For-schungsfragen aufzeigen.

Im Fokus dieses Beitrags sollen daher Personen stehen, die Weiterbildung im Nebenerwerb betreiben, im Haupterwerb aber einer Tätigkeit außerhalb der Weiterbildung nachgehen (im Folgenden: Nebenerwerbstätige). Zur besseren Vergleichbarkeit werden daneben Ergebnisse derjenigen dargestellt, die Weiterbil-dung als Haupterwerb betreiben (im Folgenden: Haupterwerbstätige). Wenn kein anderer Hinweis erfolgt, beziehen sich die Ergebnisse im Folgenden auf die erste Erhebungsstufe des wb-personalmonitor.

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209Weiterbildung als Nebenerwerb

2 Motive für die Ausübung einer Nebenerwerbstätigkeit

Zunächst stellt sich ganz grundlegend die Frage: Warum gehen Menschen über-haupt einem Nebenerwerb neben ihrer eigentlichen Haupterwerbstätigkeit nach? Die Motive für Mehrfachbeschäftigung „sind vielfältig und kaum vollstän-dig zu erfassen“ (Hirschenauer und Wießner 2006, S. 1). Abgeschlossen ist der Forschungsstand dazu bisher nicht. Reicht das durch den Haupterwerb erwirt-schaftete Einkommen nicht aus, um den notwendigen oder gewünschten Lebens-unterhalt zu generieren, so kann die Ausübung eines Nebenerwerbs dazu dienen, die Einkommenslücke entsprechend zu füllen. Von daher ist anzunehmen, dass sowohl kurz- als auch langfristige ökonomische Aspekte relevant für Mehrfach-beschäftigung sein können (vgl. Hirsch et al. 2016, S. 1 ff.). Die Ausübung eines Nebenerwerbs kann somit Merkmal einer prekären Beschäftigungssituation sein, muss es aber nicht. Weitere Beweggründe sind ebenfalls möglich. Eine Person kann auch ganz bewusst Mehrfachbeschäftigung anstreben, weil sie durch die Ausübung verschiedener Tätigkeiten einen höheren Grad an persönlicher Zufrie-denheit erreichen möchte (vgl. Hirsch et al. 2016, S. 2; Renna und Oaxaca 2006, S. 1). Die Nebenerwerbstätigkeit zu nutzen, um das Kompetenzprofil im Haupter-werb zu schärfen beziehungsweise zu erweitern und damit die eigene Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, ist ebenfalls ein denkbares Motiv (vgl. Hirsch et al. 2016, S. 2). Es wird deutlich, dass die skizzierten Ansätze Nebenerwerb überwiegend als eine Art „Add-on“ zum eigentlichen Haupterwerb (zusätzliches Einkommen) beziehungsweise als Mittel zum Zweck (Profilschärfung) verstehen. In einer Branche wie der Weiterbildung, die sich durch einen nicht unerheblichen Anteil atypischer und mitunter prekärer Beschäftigungsverhältnisse auszeichnet, könnten noch weitere Motive zu Buche schlagen: Es ist denkbar, dass eigentlich der Wunsch besteht, Weiterbildung als Haupterwerb auszuüben, der Sprung dort-hin aus welchen Gründen auch immer aber nicht gelingt. Ebenfalls nicht auszu-schließen sind strategische Motive, etwa, dass der Nebenerwerb als eine Art „Fuß in der Tür“ dient, der längerfristig eine hauptberufliche Tätigkeit in der Weiterbil-dungsbranche ermöglicht. In beiden Fällen wäre hier der Haupt- statt der Neben-erwerb das Mittel zum (ökonomischen) Zweck. Letztendlich ist es so, dass „nur die Betroffenen selbst Auskunft geben [können]“ (Hirschenauer und Wießner 2006, S. 1).

Im wb-personalmonitor wurde daher in der zweiten Erhebungsstufe ganz konkret nach Motiven für die Ausübung der Weiterbildungstätigkeit gefragt. In Bezug auf Personen, die Weiterbildung als Nebenerwerb betreiben, zeigte sich, dass ökonomische Aspekte durchaus eine Rolle spielen: 42,5 % gaben an, dass

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210 N. Schmitz

der Grund, die finanzielle Situation verbessern zu wollen, eher beziehungsweise völlig zutreffe. Auch die Optimierung der eigenen Arbeitsmarktpositionierung ist relevant. So sah die Hälfte der Nebenerwerbstätigen (50,9 %) Weiterbildungstä-tigkeit als eine Chance, die eigene berufliche Situation zu verbessern. Für etwas mehr als die Hälfte trafen die Aussagen, dass die Aufnahme des Nebenerwerbs zur Lebensplanung passe (56,3 %) beziehungsweise sich zufällig ergeben habe (54,0 %), eher oder völlig zu. Motive, die Interaktion mit Anderen implizieren, finden sich ebenfalls: Für 49,5 % stand im Fokus, durch die Ausübung der Wei-terbildungstätigkeit anderen zu helfen. Ganz zentral scheint aber das Bedürfnis zu sein, durch die Tätigkeit eigene Erfahrungen weitergeben zu können, diese Aussage traf für 81,4 % der Nebenerwerbstätigen eher oder völlig zu. Inwieweit es sich hierbei um Erfahrungen, beispielsweise Berufserfahrung, handelt, die im Rahmen der Haupterwerbstätigkeit außerhalb der Weiterbildung erworben wurde, bliebe zu prüfen. Vergleichsweise sehr viel weniger (13,7 %) stimmten der Aus-sage völlig oder ganz zu, anhand der Weiterbildungstätigkeit den Beruf oder die Branche (13,0 %) wechseln zu wollen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die ausschlaggebenden Motive für die Aus-übung einer Weiterbildungstätigkeit neben einem Haupterwerb vielfältig sind. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Weiterbildung im Nebenerwerb eine gewisse finanzielle Attraktivität zugeschrieben wird. Dies ist insofern bemer-kenswert, als dass für Honorarkräfte im Haupterwerb mitunter prekäre Einkom-mensverhältnisse diskutiert werden (vgl. etwa Alfänger et al. 2014a). Auch die Annahme, durch den Nebenerwerb im eigentlichen Hauptberuf profitieren zu können, wird deutlich. Ein vollständiger beruflicher Wechsel in die Weiterbildung scheint hingegen als weniger erstrebenswert wahrgenommen zu werden. Deut-lich wird Weiterbildung im Nebenerwerb als Möglichkeit wahrgenommen, einen gesellschaftlichen Beitrag durch Wissensweitergabe leisten zu können. Inwieweit die Motive tatsächlich auch zielführend sind, bliebe zu prüfen.

3 Nebenerwerbstätige im Bereich der Weiterbildung

Im Folgenden werden die Nebenerwerbstätigen genauer betrachtet. Neben sozio-demografischen Aspekten werden Qualifikation (Abschn. 3.1) sowie Aspekte im Kontext der Weiterbildungstätigkeit diskutiert, beispielsweise Beschäftigungs-form und -dauer (Abschn. 3.2). Darüber hinaus erfolgt eine Darstellung des Beschäftigungsumfangs und der Tätigkeitsfelder (Abschn. 3.3).

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211Weiterbildung als Nebenerwerb

3.1 Sozio-demografische Merkmale und Qualifikation

Zunächst einige wenige sozio-demografische Angaben: Männer stellten mit 55,7 % etwas mehr als die Hälfte der Nebenerwerbstätigen im Bereich der Wei-terbildung dar. In der Gruppe der Haupterwerbstätigen waren sie hingegen mit 41,6 % etwas seltener vertreten.

Das Durchschnittsalter der Nebenerwerbstätigen lag bei 49,3 Jahren5. Damit waren sie geringfügig älter als die Haupterwerbstätigen, deren Alter im Schnitt bei 48,6 Jahren6 lag. Abb. 1 zeigt, dass etwa die Hälfte sowohl der Neben- als auch der Haupterwerbstätigen zum Befragungszeitpunkt bis zu 49 Jahre alt waren. Den größten Anteil bildeten jedoch bei beiden Gruppen Beschäftige im Alter von 50 bis 59 Jahren. Personen, die zum Befragungszeitpunkt 60 Jahre und älter waren, übten vergleichsweise seltener eine Weiterbildungsbeschäftigung aus.

Insgesamt wurde Weiterbildung als Nebenerwerb in Kombination mit einem Haupterwerb außerhalb der Weiterbildung aber anteilig häufiger von Personen mittleren Alters zwischen 40 und 60 Jahren ausgeübt als von Jüngeren oder Älte-ren, auch im Vergleich mit den Haupterwerbstätigen. Denkbar ist, dass der eigent-liche Effekt weniger im Alter als in der bis dahin gesammelten Berufserfahrung des Haupterwerbs liegt und damit für die Weiterbildung prädestiniert. Der Fall könnte vor allem dann vorliegen, wenn Komponenten des Nebenerwerbs, bei-spielsweise die Themen der gegebenen Lehrveranstaltungen, eine große Schnitt-menge mit dem ausgeübten Erwerbsberuf aufweisen. Dies bliebe zu prüfen.

Der überwiegende Teil, jeweils über 60 % sowohl der Neben- als auch der Haupterwerbstätigen, hatte ein Fachhochschul- oder Universitätsstudium absol-viert beziehungsweise eine Promotion abgeschlossen und ist damit akademisch ausgebildet (vgl. Abb. 2). Die beiden Gruppen unterscheiden sich aber hinsicht-lich der Art des höchsten erreichten akademischen Abschlusses: Während ein Viertel der Nebenerwerbstätigen einen Fachhochschulabschluss erworben hatte, waren es bei den Haupterwerbstätigen 17,7 %. Dagegen lag der Anteil an Univer-sitätsabsolventen bei den Haupterwerbstätigen mit 44,5 % deutlich über dem der Nebenerwerbstätigen. Eine Aufstiegsfortbildung (Techniker, Meister etc.) wiede-rum hatte etwa ein Fünftel der Nebenerwerbstätigen als höchste berufliche Quali-fikation durchlaufen, während es unter den Haupterwerbstätigen etwas mehr als jede/r Zehnte war.

5Standardabweichung: 9,7.6Standardabweichung: 10,4.

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212 N. Schmitz

3,6

16,5

29,4

39,0

10,2

1,24,9

17,7

26,4

34,5

15,6

0,90%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

40%

45%

19-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60-69 Jahre 70 Jahre undälter

Nebenerwerbstä�ge Haupterwerbstä�ge

Abb. 1 Altersstruktur der Weiterbildungsbeschäftigten im Haupt- und Nebenerwerb (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berechnungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

2,3

1,5

7,6

29,9

25,2

19,4

14,2

2,4

2,1

5,7

44,5

17,7

12,3

15,3

0% 10% 20% 30% 40% 50%

anderer Ausbildungsabschluss

kein beruflicher Abschluss

Promo�on

Universitätsabschluss

Fachhochschul-Abschluss

Fach-/Meister-/Technikerschule,Berufs-/Fachakademie

Lehre/Ausbildung

Haupterwerbstä�geNebenerwerbstä�ge

Abb. 2 Höchste erworbene berufliche Qualifikation der Weiterbildungsbeschäftigten, differen-ziert nach Haupt- und Nebenerwerbstätigen (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berechnungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

Page 210: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

213Weiterbildung als Nebenerwerb

Die Daten des wb-personalmonitor zeigen weiter, dass Haupterwerbstätige in der Weiterbildung zu einem höheren Anteil pädagogisch-akademisch ausgebildet sind als Personen, die Weiterbildung im Nebenerwerb betreiben. So sind für mehr als ein Drittel der Haupterwerbstätigen pädagogische Inhalte Hauptbestandteil (29,5 %) beziehungsweise im Nebenfach (7,7 %) Bestandteil des Studiums gewe-sen. Der Anteil unter den Nebenerwerbstätigen belief sich hierbei hingegen auf gut ein Fünftel. 15,8 % hatten Pädagogik im Hauptfach studiert, 6,1 % hatten ein Studium absolviert, bei dem Pädagogik Bestandteil des Nebenfachs gewesen ist7.

Insgesamt haben zwei Drittel der Nebenerwerbstätigen (66,4 %) einen Ausbil-dungsabschluss erworben, ein Drittel (33,6 %) konnte zwei und mehr Abschlüsse vorweisen (2 Abschlüsse: 27,9 %; 3 und mehr Abschlüsse: 5,6 %)8.

Möchte man die Qualifikationen grob verdichten, so lasst sich zusammenfas-send sagen: Sowohl Haupt- als auch Nebenerwerbstätige sind überwiegend for-mal hoch qualifiziert. Das Profil der Nebenerwerbstätigen zeichnet sich dadurch aus, dass ihre berufliche Qualifikation in der Tendenz stärker anwendungsbezoge-nen (Fachhochschule) beziehungsweise berufspraktischen (Aufstiegsfortbildung) Charakter hat und der Anteil an Personen mit pädagogisch-akademischer Ausbil-dung vergleichsweise geringer ist. Haupterwerbstätige zeichneten sich tendenziell stärker durch universitär erworbene Qualifikationen aus. Der Anteil an Personen mit pädagogisch-akademischer Ausbildung ist hier deutlich höher.

Neben der grundlegenden beruflichen Qualifikation werden für den Bereich der Weiterbildung auch (pädagogische) Zusatzqualifikationen diskutiert. In der zweiten Befragungsstufe des wb-personalmonitor wurden die Befragten daher gebeten, für eine ausgewählte Liste mit Zusatzqualifikationen anzugeben, ob sie diese erworben hatten oder nicht. Abb. 3 zeigt die fünf der von den Nebener-werbstätigen am häufigsten genannten Zusatzqualifikationen. Daran wird deutlich, dass sich nicht nur Haupt- sondern auch Nebenerwerbstätige (pädagogisch) wei-terqualifizieren. So besaß beispielsweise ein Drittel der Nebenerwerbstätigen die Ausbildereignung nach der Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO), knapp ein Fünftel hatte eine Coaching-Ausbildung absolviert und 14,2 % hatten sich zum systemischen Berater ausbilden lassen. Allerdings bleibt an dieser Stelle unklar, zu welchem Zweck die Zusatzqualifikationen bei den Nebenerwerbstätigen

7Jeweils zu 100 % fehlend: Personen mit abgeschlossenem Studium ohne pädagogische Inhalte (Nebenerwerbstätige: 40,7 %; Haupterwerbstätige: 30,9 %) sowie Personen mit nicht akademischer Ausbildung beziehungsweise mit abgebrochenem Studium (Nebener-werbstätige: 37,4 %; Haupterwerbstätige: 32 %).8Zu 100 % fehlend: Personen ohne beruflichen Abschluss.

Page 211: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

214 N. Schmitz

erworben worden sind. So ist einerseits denkbar, dass sie ursprünglich der Berufs-ausübung im Haupterwerb außerhalb der Weiterbildung dienen sollten, gegebe-nenfalls aber auch für die Weiterbildungstätigkeit hilfreich waren. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass der Nachweis über eine entsprechende Zusatzqua-lifikation von den Arbeit- beziehungsweise Auftraggebern im Bereich der Weiter-bildung gefordert wurde, um eine Nebenerwerbstätigkeit überhaupt ausüben zu können.

3.2 Beschäftigungsform und -dauer

In der Beschäftigungsform unterschieden sich Neben- und Haupterwerbstätige sehr deutlich voneinander. So gaben nahezu alle Nebenerwerbstätigen (97,9 %) an, auf Honorar- beziehungsweise Werkvertragsbasis tätig zu sein. Für alle weite-ren Beschäftigungsformen, beispielsweise geringfügig beschäftigt oder angestellt, lagen hier durchgängig Anteile von weniger als 1 % vor.

Bei den Haupterwerbstätigen dominierte hingegen mit 50,8 % das Angestell-tenverhältnis, weitere 41,0 % waren selbstständig auf Honorar-/Werkvertragsbasis (38,0 %) beziehungsweise als selbstständige Inhaber/Gesellschafter (3,0 %) tätig. Der Anteil an verbeamteten Beschäftigten lag bei 7,8 %.

10,4

10,4

14,2

16,0

19,8

33,3

12,3

14,0

10,6

17,3

20,6

39,4

0% 10% 20% 30% 40% 50%

Aus- und Weiterbildungspädagoge

Qualitätsmanagement-Beau�ragte/r

Ausbildung in Systemischer Beratung

Train the Trainer-Ausbildung

Coaching-Ausbildung

Ausbildereignung nach AEVO

Haupterwerbstä�ge Nebenerwerbstä�ge

Abb. 3 Top 5 der von den Nebenerwerbstätigen am häufigsten erworbenen pädagogi-schen Zusatzqualifikationen, differenziert nach Haupt- und Nebenerwerbstätigen (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berechnungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

Page 212: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

215Weiterbildung als Nebenerwerb

Die Nebenerwerbstätigen in der Weiterbildung setzen sich damit hinsichtlich der Beschäftigungsform nicht nur deutlich von den dort Haupterwerbstätigen ab. Auch im Vergleich zu allen Mehrfachbeschäftigten in Deutschland sind Hono-rar-/Werkvertragskräfte deutlich stärker vertreten. So zeigt beispielsweise Brenke anhand des Labour Force Survey, dass deutschlandweit knapp 50 % der Nebener-werbstätigkeiten als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden (vgl. Brenke 2009, S. 605). Ansonsten gängige Beschäftigungsformen des Nebenerwerbs, vornehm-lich geringfügige Beschäftigung, scheinen beim Nebenerwerb im Bereich der Weiterbildung eine untergeordnete Rolle zu spielen. Es wird somit deutlich, dass die in der Weiterbildung ohnehin recht stark verbreitete selbstständige Tätigkeit auch im Nebenerwerb greift. Inwieweit diese Beschäftigungsform sowohl sei-tens der Nebenerwerbstätigen als auch der Weiterbildungsanbieter forciert wird, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Es ist aber anzunehmen, dass dadurch für beide Seiten sowohl ein hohes Maß an Flexibilität als auch damit verbundene Unsicherheiten einhergehen.

Mehr als die Hälfte der Nebenerwerbstätigen (53,5 %) war zum Befragungs-zeitpunkt seit mehr als 10 Jahren im Bereich der Weiterbildung tätig. 42,6 % übten eine Weiterbildungstätigkeit seit 1 bis 10 Jahren aus9. Damit zeigt sich, dass ein gewisses Maß an Kontinuität in Bezug auf die Weiterbildungstätigkeit besteht. Inwieweit an dieser Stelle die eingangs diskutierten Motive zu Buche schlagen, bliebe zu prüfen. So ist nicht auszuschließen, dass mit dem Nebener-werb Einkünfte in einem Umfang generiert werden, der es möglich macht, ein durch den Haupterwerb nicht ausreichend hohes Einkommen zu kompensieren. Dementsprechend läge eine längerfristige oder sogar dauerhafte Notwendig-keit zum Nebenerwerb vor10. Daneben ist aber ebenfalls zu erwägen, dass nicht immer ökonomische Beweggründe vorliegen müssen: Auch die Überzeugung, mit der Weiterbildungstätigkeit einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, könnte dazu motivieren, dieser über einen längeren Zeitraum oder sogar kontinuierlich zusätzlich zum Haupterwerb nachzugehen. Martin et al. haben beispielsweise auf den gesellschaftlichen Wert im Kontext der ehrenamtlich Beschäftigten im Bereich der Weiterbildung hingewiesen (vgl. Martin et al. 2014, S. 54). Ein-schränkend ist allerdings zu beachten, dass es sich hierbei um eine selektive

9Zu 100 % fehlend: Personen, die eine Weiterbildungstätigkeit im Jahr der Befragung (2014) begonnen haben.10Auch wenn diese Notwendigkeit nicht besteht, ist denkbar, dass mitunter Honorare in einer Höhe erzielt werden können, die eine längerfristige Tätigkeit im Bereich der Weiter-bildung zu einem attraktiven Nebenerwerb macht.

Page 213: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

216 N. Schmitz

Gruppe handelt. Im wb-personalmonitor wurden nur Personen befragt, die zum Befragungszeitpunkt auch im Bereich der Weiterbildung tätig gewesen sind. Per-sonen, die eine Weiterbildungstätigkeit ausübten, diese aber wieder aufgegeben haben, wurden dort nicht erfasst. Insofern ist nur eingeschränkt eine Aussage über die Verweildauer möglich. Dies trifft entsprechend auch auf die Haupterwerbs-tätigen zu. Von ihnen arbeiteten 61,5 % seit mehr als 10 Jahren im Bereich der Weiterbildung und 36,7 % waren seit 1 und 10 Jahren dort tätig11.

3.3 Beschäftigungsumfang und Tätigkeitsfelder

Bei knapp zwei Drittel der Nebenerwerbstätigen belief sich der monatliche Arbeitsstundenumfang12 im Bereich der Weiterbildung auf bis zu 19 h, was einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von etwas mehr als 4 h entspricht (vgl. Abb. 4). Jede beziehungsweise jeder zehnte arbeitete 40 und mehr Stun-den pro Monat13. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass es sich hierbei nicht zwingend um ein kontinuierliches Arbeitspensum handeln muss. Es ist nahelie-gend, dass mitunter auch monatliche Durchschnittswerte vorliegen. Vor allem der hohe Anteil an Personen, die auf Honorar-/Werkvertragsbasis tätig sind, ver-stärkt diese Annahme. So kann oder muss ein Vertrag nicht unmittelbar an den nächsten anschließen. Dadurch können sich Phasen, in denen der Nebenerwerb tatsächlich aktiv betrieben wird, mit Phasen abwechseln, in denen die Nebener-werbstätigkeit ruht.

Der Umfang monatlicher Arbeitsstunden lag bei den Haupterwerbstätigen ver-gleichsweise höher (vgl. Abb. 5). Dementsprechend unterscheiden sich die gebilde-ten Kategorien der Abb. 4 und 5 voneinander. Im Schnitt waren Haupterwerbstätige

11Zu 100 % fehlend: Personen, die eine Weiterbildungstätigkeit im Jahr der Befragung (2014) begonnen haben.12Den Berechnungen liegen bei abhängiger Beschäftigung die vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden zugrunde. Bei freiberuflicher Tätigkeit wurden die geleisteten Arbeitsstun-den herangezogen. Im Fall des freiberuflich lehrenden Personals wurde darüber hinaus zusätzlich der Umfang an Vor- und Nachbereitungszeit mitberücksichtigt. Dies trifft sowohl für die Neben- als auch für die Haupterwerbstätigen zu.13Arithmetisches Mittel des gesamten Stundenumfangs bei Nebenerwerbstätigen: 18,2 h/Monat, Standardabweichung: 18,4; Median des gesamten Stundenumfangs bei Nebener-werbstätigen: 13 h/Monat.

Page 214: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

217Weiterbildung als Nebenerwerb

117,7 h pro Monat im Bereich der Weiterbildung tätig14. Die Spannweite war allerdings hier wie auch bei Nebenerwerbstätigen breit. Die größte Gruppe bilde-ten mit knapp 46 % Haupterwerbstätige, die 160 und mehr Stunden pro Monat im

10,2

7,9

16,2

30,2

35,2

0% 10% 20% 30% 40%

40 Stunden/Monat und mehr

30 - 39 Stunden/Monat

20 - 29 Stunden/Monat

10 - 19 Stunden/Monat

>0 - 9 Stunden/Monat

Nebenerwerbstä�ge

Abb. 4 Arbeitsstunden pro Monat der Nebenerwerbstätigen im Bereich der Weiterbildung (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berech-nungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

45,9

11,6

15,0

9,6

18,7

0% 10% 20% 30% 40% 50%

160 Stunden/Monat und mehr

120 - 159 Stunden/Monat

80 - 119 Stunden/Monat

40 - 79 Stunden/Monat

>0 - 39 Stunden/Monat

Haupterwerbstä�ge

Abb. 5 Arbeitsstunden pro Monat der Haupterwerbstätigen im Bereich der Weiterbildung (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berech-nungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

14Standardabweichung: 62,9; Median des gesamten Stundenumfangs bei Haupterwerbstäti-gen: 138 h/Monat.

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218 N. Schmitz

Bereich der Weiterbildung arbeiteten. Etwas weniger als ein Fünftel war mit einem Umfang von bis zu 39 h/Monat beschäftigt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass bei abhängiger Beschäftigung der vertraglich vereinbarte Stundenumfang in die Ana-lyse eingegangen ist, der tatsächlich geleistete Arbeitsumfang inklusive möglicher Überstunden hingegen nicht. Da abhängige Beschäftigungsverhältnisse bei Haup-terwerbstätigen in höherem Maße zu Buche schlagen als im Nebenerwerb, ist es denkbar, dass der tatsächliche Arbeitsumfang etwas über dem der hier vorliegenden Ergebnisse liegt.

Welchen Tätigkeiten gehen Nebenerwerbstätige im Bereich der Weiterbildung nach? Historisch gewachsen ist die Struktur, dass Nebenerwerbstätige vornehm-lich lehrende Tätigkeiten ausüben, während Haupterwerbstätige verstärkt im Bereich der Planung und Administration zu finden sind (vgl. bspw. Arabin et al. 1980). Im wb-personalmonitor wurden insgesamt neun konkrete Tätigkeitsfel-der15 und ein weiteres Feld „Sonstiges“ erhoben. Die Befragten wurden gebeten, für jedes Tätigkeitsfeld den jeweiligen prozentualen Anteil an ihrer Weiterbil-dungstätigkeit anzugeben. Die Ergebnisse sind sowohl für Haupt- als auch für Nebenerwerbstätige in vier Anteilsgruppen kategorisiert zusammengefasst wor-den (vgl. Abb. 6 und 7).

Insgesamt können für die Nebenerwerbstätigen vier Felder identifiziert wer-den, aus denen sich ihr Tätigkeitsspektrum vornehmlich zusammensetzt. Eindeu-tig hervor sticht dabei die Lehre: Über 85 % gaben an, dass die Durchführung von Seminaren oder anderen Lehrveranstaltungen die ausschließliche beziehungs-weise überwiegende Aufgabe ihrer Nebenerwerbstätigkeit sei. Darüber hinaus wurden auch administrative, betreuende sowie planende Tätigkeiten genannt. Diese nahmen allerdings einen eher untergeordneten Anteil an der Gesamttä-tigkeit ein: So schätzten beispielsweise 38,1 % ein, dass Planung (Programm-planung, Konzeptentwicklung, Seminar- oder Lehrgangsplanung) bis zur Hälfte ihrer Weiterbildungstätigkeit ausmache. Denkbar ist, dass diese Tätigkeiten überwiegend nur im Kontext der von den Nebenerwerbstätigen selbst gegebenen Lehrveranstaltungen ausgeübt werden und eher selten auch unabhängig davon. Dementsprechend würde dann etwa die Planung eines Seminars o. ä. vornehmlich

15Dabei handelte es sich um: 1) Management/Controlling, 2) Verwaltung/Administration, 3) Weiterbildungsberatung, 4) Durchführung von Seminaren, Veranstaltungen (Lehre, Trai-ning, Coaching etc.), 5) Programmplanung/Konzeptentwicklung, Seminar-/Lehrgangspla-nung, 6) Akquise von Maßnahmen und Projekten, 7) Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, 8) Teilnehmerbetreuung, 9) Personalentwicklung/Recruiting.

Page 216: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

219Weiterbildung als Nebenerwerb

die Planung des eigenen Seminars bedeuten und weniger die Konzipierung darü-ber hinaus gehender Veranstaltungen, die sich im Angebotsspektrum der Weiter-bildungseinrichtung befinden. Dies bliebe zu prüfen.

42,1 43,8 9,8

38,1

33,0

24,3

4,3

61,7

65,3

75,3

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Lehre

Planung

TN-Betreuung

Administra�on

Ausschließlich (100%) Überwiegend (51-99%)Mitunter (1-50%) Gar nicht (0%)

Abb. 6 Die vier zentralen Tätigkeitsfelder der Nebenerwerbstätigen in der Weiterbildung (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berech-nungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

11,3

4,5

31,0

3,5

36,7

60,1

43,5

35,2

58,9

34,6

39,2

58,1

19,7

61,8

34,6

55,9

22,5

40,1

65,2

59,9

37,8

80,3

0% 20% 40% 60% 80% 100%

ManagementAdministra�on

WB-BeratungLehre

PlanungAkquise

ÖATN-Betreuung

Personal

Ausschließlich (100%)Mitunter (1-50%)

Überwiegend (51-99%)Gar nicht (0%)

Abb. 7 Die Tätigkeitsfelder der Haupterwerbstätigen in der Weiterbildung (Angaben in Prozent)©. (Quelle: BIBB/DIE/UDE wb-personalmonitor 2014; eigene Berechnungen; Hochrechnungsergebnisse nach Personen)

Page 217: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

220 N. Schmitz

Abgesehen von den soeben vier genannten Tätigkeitsfeldern, scheinen die ver-bleibenden wie etwa Akquise oder Management/Controlling kaum Bedeutung zu haben: Hier gaben jeweils 85 % oder mehr an, dass diese überhaupt nicht zu ihren Aufgaben zählten (ohne Abbildung).

Bei den Haupterwerbstätigen wird hingegen ein sehr viel heterogeneres Tätig-keitsspektrum sichtbar (vgl. Abb. 7). Zwar gaben auch hier 42,3 % an, überwie-gend oder ausschließlich lehrend tätig zu sein. Insgesamt war die Spannbreite aber größer. Administration, Teilnehmendenbetreuung oder etwa die Planung und Kon-zipierung von Lehrveranstaltungen zählte häufiger mit zu ihren Tätigkeiten. Diese „Tätigkeitsprofile und Aufgabenbereiche“ der Haupterwerbstätigen sind „jenseits der ‚klassischen‘ Institutionen der Erwachsenenbildung angesiedelt“ (Seitter 2009, S. 11). Dabei handelt es sich bei diesen Tätigkeitsfeldern mitunter um sol-che, bei denen „die Frage nach den Kompetenzen und der Professionalität des dort beschäftigten Weiterbildungspersonals“ (Seitter 2009, S. 11) diskutiert wird.

Insgesamt zeigt sich zum einen, dass Haupterwerbstätige sehr viel stärker in die organisationalen Strukturen der Weiterbildungsanbieter eingebunden zu sein scheinen als Nebenerwerbstätige. Dies könnte sowohl auf die Beschäftigungs-form an sich als auch auf ein, daran geknüpft, grundlegend unterschiedliches Ver-ständnis dieser beiden Beschäftigtengruppen zurückzuführen sein. Zum anderen ist eine nach wie vor deutliche Zuweisung der Lehrtätigkeiten an Nebenerwerbs-tätige und darüber hinaus gehende, stärker organisationsbezogene Aufgaben an Haupterwerbstätige erkennbar.

4 Beschäftigung außerhalb der Weiterbildung

In einem letzten Schritt soll noch ein Blick auf den Haupterwerb der Nebener-werbstätigen geworfen werden, dem sie zum Befragungszeitpunkt außerhalb der Weiterbildung nachgegangen sind. Mehr als zwei Drittel von ihnen waren im Haupterwerb abhängig beschäftigt: 52,7 % als Angestellte und 15,7 % in einem Beamtenverhältnis. Etwas mehr als ein Viertel war selbstständig tätig, darunter 18,8 % ohne und 8,4 % mit eigenen Angestellten16. Neben der Beschäftigungs-form wurde im wb-personalmonitor auch der ausgeübte Beruf des Haupterwerbs als offene Angabe erhoben. Im Zuge der Datenaufbereitung erfolgte eine Verco-dung nach der Klassifikation der Berufe 2010. Die Auswertungen zeigen, dass der

16Zu 100 % fehlend: Auszubildende, Praktikanten, Personen in Altersteilzeit sowie Sons-tige.

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221Weiterbildung als Nebenerwerb

überwiegende Teil (71,0 %) einen Beruf ausübte, der dem Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ (42,1 %) oder „Unternehmensorganisation, Buch-haltung, Recht und Verwaltung“17 (28,9 %) zuzuordnen ist. Im Bereich „Gesund-heit, Soziales, Lehre und Erziehung“ war von den 42,1 % nicht ganz ein Fünftel (18,6 %) in lehrenden/ausbildenden Berufen18 tätig, 12,3 % gingen einem medi-zinischen Gesundheitsberuf nach. An dritter Stelle folgten mit 8,9 % Berufe im Bereich der Erziehung sowie soziale und hauswirtschaftliche beziehungsweise theologische Berufe19. Von den 28,9 % der Nebenerwerbstätigen, die einem der Berufe aus dem Bereich „Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung“ nachgingen, übten 13,4 % Berufe in der Unternehmensführung/-organisation aus. Weitere 12,0 % gingen einem Beruf im Bereich des Rechts beziehungsweise der Verwaltung nach20.

5 Fazit und Ausblick

Die Auswertungen des wb-personalmonitor haben gezeigt, dass es sich bei Wei-terbildungsbeschäftigten, die Weiterbildung als Nebenerwerb betreiben und im Haupterwerb einer Tätigkeit außerhalb der Weiterbildung nachgehen, vornehm-lich um Personen mittleren Alters handelt, die mehrheitlich akademisch ausge-bildet sind oder eine Aufstiegsfortbildung durchlaufen haben. Ein Teil von ihnen verfügt auch über pädagogische Qualifikationen, die im Rahmen des Studiums und/oder durch Zusatzqualifikationen erworben wurden. Der überwiegende Teil von ihnen hat bereits langjährige Tätigkeitserfahrung im Bereich der Weiterbil-dung. Ihre Weiterbildungstätigkeit üben sie fast ausschließlich auf Honorar-/Werkvertragsbasis aus und arbeiten überwiegend bis zu 19 h im Monat. Der Tätigkeitsschwerpunkt liegt eindeutig im Bereich der Lehre. Die traditionelle Tätigkeitsverteilung der Haupt- und Nebenberuflichen hat damit weiterhin Bestand. Nebenerwerbstätige nehmen somit eine relevante Rolle im Bereich der Weiterbildung ein.

17Berufsbereiche der KldB 2010.18Berufshauptgruppen der KldB 2010.19Zu 42,1 % fehlend: Berufe aus der Berufshauptgruppe „Nichtmedizinische Gesundheits-, Körperpflege- und Wellnessberufe, Medizintechnik“.20Zu 28,9 % fehlend: Berufe aus der Berufshauptgruppe „Berufe in Finanzdienstleistungen, Rechnungswesen und Steuerberatung“.

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222 N. Schmitz

Die Motive, einen Nebenerwerb im Bereich der Weiterbildung auszuüben, sind vielfältig. Der überwiegende Teil verfolgt aber (mitunter) das Ziel, auf diese Weise Erfahrungen weitergeben zu können. In ihrer Haupterwerbstätigkeit außer-halb der Weiterbildung sind Nebenerwerbstätige vornehmlich abhängig beschäf-tigt. Der größte Teil geht dabei lehrenden, erziehenden oder sozialen Berufen sowie Gesundheitsberufen nach. An zweiter Stelle folgen Berufe aus dem Bereich Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung.

Im Vergleich mit Haupterwerbstätigen im Bereich der Weiterbildung zeigen sich sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede. So sind bei den beiden Grup-pen Beschäftigungsform, Stundenumfang und Tätigkeitsschwerpunkte sehr unter-schiedlich gelagert. Größere Ähnlichkeiten konnten hingegen bei den beruflichen Qualifikationen sowie erworbenen pädagogischen Zusatzqualifikationen festge-stellt werden.

Da die Nebenerwerbstätigen mit ihrem Tätigkeitsschwerpunkt, der Lehre, eine zentrale Rolle im Weiterbildungsgefüge einnehmen, sollte eine bewusste Ausein-andersetzung mit der Frage nach Professionalisierung, vor allem im Hinblick auf die Vermittlung von Inhalten, nicht als irrelevant erachtet werden.

Darüber hinaus könnten auch tiefer gehende Arbeiten zu den Nebenerwerbs-tätigen als mögliche „Schnittstelle“ oder „Mittler“ zwischen Berufs- bezie-hungsweise Arbeitswelt und Weiterbildung interessant sein und zwar nicht nur im Hinblick auf berufliche, sondern auch auf allgemeine Weiterbildung. Mögli-cherweise stellt die Tätigkeit der Nebenerwerbstätigen in der Lehre eine Art Wis-senstransfer zwischen Berufswissen und Nachfragenden dar. Prädestiniert dafür wäre gerade die hier betrachtete Gruppe, da sie nicht nur auf die Kompetenzen im formal erlernten Beruf, sondern auch auf informelle, beispielsweise Berufs-erfahrung, zugreifen kann. Ein Abgleich der Themenfelder mit dem ausgeübten Erwerbsberuf könnte hier möglicherweise hilfreich sein. Durchaus denkbar ist, dass die Inhalte der Lehrveranstaltungen, Seminare, Kurse etc. mitunter in engem Zusammenhang zu dem ausgeübten Erwerbsberuf außerhalb der Weiterbildung stehen. Dafür wäre unter anderem eine Überführung von Berufen und Lehrinhal-ten in eine vergleichbare Systematik notwendig.

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Page 221: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

224 N. Schmitz

Über die Autorin

Nadja Schmitz Arbeitsschwerpunkte: Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen; bis 2015: Personal in der Weiterbildung.

Page 222: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

225

Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und Professionalität des Weiterbildungspersonals

Andreas Martin

ZusammenfassungDer Beitrag untersucht den Einfluss von Arbeitszeitvolumen auf das Risiko von Einkommensarmut und die zentrale Dimensionen von Professionalität des Weiterbildungspersonals. Die Ergebnisse zeigen, dass längere Arbeitszeiten mit einem geringeren Armutsrisiko, höherem beruflichen Ehrgeiz, einer höhe-ren Wahrscheinlichkeit pädagogischer Zusatzqualifikationen und einem gerin-geren Maß thematischer Spezialisierung einhergehen.

1 Prekarität und Professionalität

Das Personal in der Weiterbildung rückt zunehmend in den Fokus bildungspoli-tischer Akteure. Dabei dominieren vor allem zwei Themen: Zum einen wird das Personal und dessen Professionalität immer mehr als ein zentraler Faktor der Qua-lität von Weiterbildungsangeboten erkannt, zum anderen werden die Arbeitsbe-dingungen und Erwerbsformen des Weiterbildungspersonals in unterschiedlichen Untersuchungen als prekär beschrieben. Besonders im Hinblick auf die steigen-den Ansprüche an die Effektivität und Qualität von Weiterbildungsangeboten wird darum verstärkt die Frage diskutiert, inwiefern diese Kriterien mit den beobacht-baren Arbeits- und Lebensbedingungen des Personals in der Weiterbildung verein-bar sind. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Widersprüche zwischen prekären

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_11

A. Martin (*) Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V., Heinemannstraße 12–14, 53175 Bonn, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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Beschäftigungsverhältnissen und den Bestrebungen und Ansprüchen einer Profes-sionalisierung der Weiterbildung. Vor dem Hintergrund der Mindestlohndebatte in der Weiterbildung hat sich die Forschung zu diesem Feld zudem besonders auf den Zusammenhang von geringen Einkommen und einer defizitären Professiona-lisierung fokussiert (vgl. Dobischat et al. 2010a). Die dabei beschriebenen Unver-einbarkeiten dienen nicht zuletzt auch als ein Argument für die Verbesserung der Einkommenssituation, vor allem in der öffentlich geförderten Weiterbildung (vgl. Schrader 1998; Dobischat et al. 2010b).

In der Tat lässt sich anhand verschiedener Untersuchungen und unterschiedli-cher Datengrundlagen übereinstimmend zeigen, dass die Einkommen in der Wei-terbildung auch im Vergleich zu anderen Berufen, Branchen und Tätigkeitsfeldern unterdurchschnittlich sind (vgl. WSF 2005; Alfänger et al. 2014a; Martin und Langemeyer 2014; Alfänger et al. 2016; Dobischat und Elias 2016). Dies ist ein deutlicher Hinweis auf erhöhte Prekaritätsrisiken (vgl. Dörre 2005). Die Zusam-menhänge zwischen prekären Beschäftigungsverhältnissen und Defiziten der Professionalisierung des Berufsfeldes lassen sich theoretisch gut darlegen (vgl. Dobischat et al. 2010a; Schlögel und Glaser 2015). Auch der negative Einfluss von prekären Arbeitsbedingungen auf die professionelle Tätigkeitsausübung lässt sich plausibel begründen (vgl. Rosendahl 2014).

Doch das Tätigkeitsfeld der Weiterbildung ist nicht nur durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse, geringe Einkommen und kaum institutionalisierte Rahmenbedingungen geprägt, sondern hebt sich auch in anderen zentralen Merk-malen wie der Hauptberuflichkeit, den Erwerbsformen, der berufsfachlichen Dichte und den Arbeitszeiten deutlich von fast allen Berufsgruppen, Tätigkeits-feldern und Branchen ab (vgl. Langemeyer und Martin 2014, 2015). Obgleich auch von diesen Aspekten angenommen werden muss, dass sie die Lebenslagen und Professionalität des Weiterbildungspersonals stark prägen, geraten sie (zu) selten in den Fokus. Eine der auffälligsten Abweichungen betrifft dabei die im Vergleich zu allen anderen Tätigkeitsbereichen deutlich kürzeren Arbeitszeiten. Dabei ist es nicht nur naheliegend, dass besonders die Arbeitszeitvolumen einen großen Einfluss auf verfügbare Einkommen und damit die konkreten Lebens-lagen haben, sondern dass der individuelle Tätigkeitsumfang im Bereich der Weiterbildung auch einen deutlichen Einfluss auf die Anreize und Gelegenheits-strukturen zum Aufbau professioneller Kompetenzen von Erwachsenenbildnern und damit letztlich auf die Qualität von Weiterbildung hat. Es ist anzunehmen, dass ein nicht geringer Teil des postulierten (negativen) Zusammenhangs zwi-schen geringen Einkommen und professioneller Tätigkeitsausübung in der Wei-terbildung auf die geringen Arbeitszeiten zurückgeführt werden kann. In Bezug auf die Einkommensunterschiede zwischen der Erwachsenenbildung und anderen

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227Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

Semiprofessionen und Professionen konnte der Einfluss der verfügbaren Arbeits-zeiten bereits anhand der Mikrozensusdaten aufgezeigt werden (vgl. Martin und Langemeyer 2014).

Im Folgenden soll darum die Gelegenheit genutzt werden, in aller Kürze den Einfluss von Arbeitszeit auf das Risiko der Einkommensarmut sowie zentrale Aspekte professioneller Kompetenzen in der Weiterbildung zu untersuchen. Im Zentrum stehen dabei sowohl die konkreten Armutsrisiken als auch das professi-onelle Wissen sowie die beruflichen Orientierungen des Weiterbildungspersonals. Dazu stehen mit dem wb-personalmonitor die notwendigen Datengrundlagen zu Verfügung.

2 Arbeitszeitvolumen in der Weiterbildung

Den Arbeitszeiten kam im Zuge der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Arbeitsbeziehungen schon immer eine zentrale Bedeutung zu. Diese lässt sich vor allem auf die Rolle der Arbeitszeit als fundamentale Maßeinheit für den Warenwert im Konzept der Arbeitswertlehre zurückführen (vgl. Marx 1998, S. 201). Aus diesem Paradigma leitet sich die These ab, dass sowohl absoluter als auch relativer Mehrwert genau jenem Arbeitszeitvolumen entspricht, welches im gesellschaftlichen Arbeitsprozess über das für die Reproduktion der Arbeitskraft notwendige Maß hinaus geleistet wird (vgl. Marx 1998, S. 334). Diese Argumen-tationslinie ist im wissenschaftlichen Diskurs um die Organisation und Steuerung von Arbeit im modernen Produktionsprozess bis heute ein zentraler Orientie-rungspunkt (vgl. Bravermann 1980; Voß 1998; Munz 2006; Matta 2015). Der Kampf um den Normalarbeitstag (vgl. Marx 1998, S. 315) und die Begrenzung der Arbeitszeit bilden so den Nukleus der Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital im industriellen Zeitalter, welcher noch heute die Arbeitsbeziehun-gen strukturiert. Sichtbarster Ausdruck dieses Konfliktes ist der gewerkschaftliche Kampf zunächst für die Fünftagewoche in den 1960er und 1970er sowie für die 35-Stunden-Woche in den 1980er und 1990er Jahren bei vollem Lohnausgleich (vgl. Promberger et al. 1996; Hunt 1999). Doch die Begründung für kürzere Arbeitszeiten lässt sich auch über diese fundamentale Prämisse hinaus mit weite-ren Argumenten anreichern, welche vor allem an aktuelle Erfordernisse anschlie-ßen. Im Zentrum stehen dabei Forderungen nach Arbeitszeitverkürzungen oder Freistellungen, um besonderen Anforderungen im Lebenslauf gerecht werden zu können (Eltern-, Erziehungs-, Pflegezeiten, Sabaticals), um Geschlechtergerech-tigkeit herzustellen, die grundsätzliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, die Erwerbsfähigkeit auch im Alter sicherzustellen, Weiterbildung

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zu ermöglichen oder um Arbeitsplätze gegen konjunkturelle Risiken abzusichern und Arbeitslosigkeit zu verringern (vgl. Seifert 2014). Vor allem in der gewerk-schaftsnahen Programmatik ist das Streben nach einer Verkürzung von Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich grundlegend. Dies wird besonders an der Entwicklung der durchschnittlichen, tariflich vereinbarten Arbeitszeiten deutlich, die seit 1984 kontinuierlich gesunken sind (vgl. Absenger 2014).

Auch im Tätigkeitsbereich der Weiterbildung werden Arbeitszeiten – soweit sie überhaupt thematisiert werden – im Zusammenhang mit Löhnen und Hono-rarsätzen entlang dieser Argumentationslinien diskutiert. So besteht ein zentra-les Problem darin, dass geringe Stundenlöhne und Honorarsätze durch längere Arbeitszeiten ausgeglichen werden müssen, um den Lebensunterhalt sichern zu können. Dies führt zu einer Verkürzung der Arbeitszeitressourcen, welche für die Vor- und Nachbereitung von Lehrangeboten sowie die eigene Weiterbildung zur Verfügung stehen (vgl. Rosendahl 2014, S. 91). In Anbetracht der beobacht-baren strukturellen Besonderheit des Weiterbildungsbereiches scheint es jedoch fraglich, inwiefern diese Argumentationslinie ungebrochen auf die Situation in der Weiterbildung insgesamt übertragen werden kann, denn wenn es in der Wei-terbildung zunächst ein Problem nicht gibt, so sind dies zu lange Arbeitszeiten. In Abb. 1 sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten der Erwerbstätigen nach Wirt-schaftsabschnitten sowie für die Weiterbildung (WB) abgetragen. Dabei handelt es sich jeweils um die Haupterwerbstätigkeit bzw. die einzige Erwerbstätigkeit. Die Angaben zu den Erwerbstätigen in den Wirtschaftsabschnitten entstammen dem Mikrozensus 2013. Die korrespondierenden Angaben zum Personal in der Weiterbildung basieren sowohl auf dem Mikrozensus 2013 (MZ)1 als auch dem wb-personalmonitor (wbpm) 20142.

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Erwerbstätigen lag 2012 bei 35,5 h (vgl. Absänger et al. 2014; Seifert 2014). Im hier verwendeten Mikro-zensus 2013 ergibt sich der gleiche Wert. Die durchschnittlichen Wochenar-beitszeiten des Weiterbildungspersonals im Mikrozensus liegen bei 27,4 und im wb-personalmonitor bei 22,8 h. Grund für die Differenz dürften unter anderem die unterschiedlichen Grundgesamtheiten sein3. Nichtsdestotrotz machen beide

1Mikrozensus: n = 1682.2wb-personalmonitor: n = 5398.3Das Personal in der Weiterbildung lässt sich im MZ nur sehr grob über die Branche des Betriebes erfassen (WZ08 855–856). Diese umfasst neben dem Bereich der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung auch Fahr-, Flug- und Segelschulen sowie Sport- und Spiel-unterricht und bezieht sich jeweils auf Einrichtungen, die Weiterbildung hauptsächlich anbieten.

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229Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

22,8

27,4

31,4

31,7

32

32,2

32,5

32,7

34

34,6

36,1

37

37,1

37,2

37,8

38

38,7

39,4

40

41,2

0 10 20 30 40 50

WB (wbpm)

WB (MZ)

Sons�ge Dienstleistungen

Sonst. wirtschfatsnahe Dienstl.

Erziehung u. Unterricht

Gastgewerbe

Kunst & Unterhaltung

Gesundheit & Soziales

KFZ-Handel/Inst.

Immobilien

Informa�onsdienstl.

Öffentl. Verwaltung

Freiberufliche Dienstl.

Finanzdienstl.

Verarb. Gew.

Verkehr/Lagerei

Energie u. Wasser

Bau

Bergbau

Land-u. Forstw.

Wochenarbeitszeit in Stunden

Abb. 1 Durchschnittliche Wochenarbeitszeiten der ersten Erwerbstätigkeit nach Wirt-schaftsabschnitten in Stunden. (Quelle: Statistisches Bundesamt: Mikrozensus 2013; DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; gewichtet; eigene Berechnung)

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Kennzahlen deutlich, dass die Wochenarbeitszeiten in der Weiterbildung weit hin-ter den in anderen Wirtschaftsbereichen üblichen Arbeitszeiten zurückbleiben.

In Anlehnung an die oben geschilderte Problemlage müsste die Diagnose hier zunächst lauten, dass für die Finanzierung des Lebensunterhaltes bei geringen Stundenlöhnen und Honorarsätzen zwar häufig längere Arbeitszeiten nötig wären, jedoch diese Kompensation in der Weiterbildung offensichtlich nicht ohne weite-res realisierbar ist. Erwachsenenbildner sehen sich also mit einer doppelten Prob-lemlage konfrontiert.

Doch die durchschnittlichen Arbeitszeiten müssen differenziert betrachtet werden. Nicht nur, dass sich Arbeitszeiten im heterogenen Weiterbildungsbe-reich sehr unterschiedlich verteilen, sie sind vielmehr auch Ausdruck einer spezi-fischen beruflichen Praxis. Geringe Arbeitszeiten sind für Erwerbstätige, welche ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch diese Tätigkeit finanzieren, ein Prob-lem, machen die Weiterbildung jedoch auch zu einem interessanten Betätigungs-feld für jene, die aus persönlichen oder familiären Gründen eine Teilzeittätigkeit suchen (vgl. Martin und Langemeyer 2014, S. 51). Eine realistische Einschätzung der Bedeutung von Arbeitszeit (und Stundenlöhnen) muss darum immer auch den individuellen und familiären Kontext berücksichtigen. Diese Aspekte sollen im Folgenden einbezogen werden.

Klar ist jedoch auch, dass so gravierende Abweichungen in einem zentra-len Aspekt der Arbeitsorganisation, wie dies hier anhand der Arbeitszeiten zu beobachten ist, nicht ohne Folgen für die Einkommenssituation und die Quali-tät der Arbeit bleiben können.

3 Arbeitszeit und Armutsrisiko

Eine Erwerbstätigkeit in der Weiterbildung ist in besonderem Maße durch geringe Einkommen und atypische Erwerbsformen gekennzeichnet. Bereits vor der Ein-führung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes war die Weiterbildung einer der wenigen Bereiche, in denen es eine solche branchenspezifische Rege-lung gab. Doch die Geltungsbereiche der allgemeinen als auch der branchespe-zifischen Mindestlohnregelungen erstrecken sich ausschließlich auf angestellte Beschäftigte (WSI 2016). Selbstständige sind davon ausgenommen. Da der weit-aus größte Teil der Erwerbstätigen in der Weiterbildung in Form von Honorar-verträgen eingebunden ist, sind die Mindestlohnregelungen nur für einen relativ kleinen Teil der Erwerbstätigen in diesem Bereich relevant (vgl. Dobischat und Elias 2016, S. 386).

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231Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

Die Einkommenssituation in der Weiterbildung ist ebenso heterogen wie die Weiterbildung selbst. Die Risiken scheinen sich zunächst stark nach Finanzie-rungssegmenten und der Stellung im Beruf zu strukturieren (vgl. Alfänger et al. 2016). Besonders in der öffentlich finanzierten Weiterbildung sind die Einkom-men gering und gerade die Honorarkräfte müssen von diesen Einkommen neben ihrem Lebensunterhalt auch die soziale Absicherung finanzieren. Welche Lebens-lagen sich jedoch aus geringen Einkommen ergeben, hängt auch von einer Viel-zahl anderer Faktoren ab. Häufig ist die Erwerbstätigkeit in der Weiterbildung keine Haupt-, sondern eine Nebenerwerbstätigkeit. Auch dort, wo die Erwerbs-tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, dient sie häufig nur der Ergänzung des Haushaltseinkommens. Als relativ gering kann zudem die Bedeutung der Ein-kommen aus Weiterbildung für die Lebenslagen der ca. 108.000 Ehrenamtlichen gelten. Dies gilt tendenziell auch für jene 37 % der Erwerbstätigen in der Weiter-bildung (ohne Ehrenamt), für welche die Verbesserung der finanziellen Situation kein Grund für die Aufnahme der Tätigkeit in der Weiterbildung darstellte4. Sol-che Konstellationen sind jedoch nur möglich, wenn die für den Lebensunterhalt notwendigen Haushaltseinkommen anderweitig erwirtschaftet werden. Dies hängt stark von der familiären Situation ab. Aus diesem familiären Kontext und der damit verbundenen spezifischen Bedarfslage ergibt sich die Bedeutung, welche dem Einkommen aus Weiterbildung tatsächlich zuzuschreiben ist. Die Relevanz der Einkommenshöhe für die Lebenslage variiert zudem deutlich mit den unter-schiedlichen Lebenshaltungskosten in den Bundesländern. Um all diesen Aspek-ten gerecht zu werden, bietet es sich an, anhand der Familienstruktur und der Region die jeweilige bedarfsgewichtete Armutsgefährdungsschwelle zu berech-nen und mit den entsprechenden Haushaltseinkommen zu vergleichen. Auf dieser Grundlage können dann Armutsrisiken wie etwa geringe Stundenlöhne oder zu kurze Arbeitszeiten auf ihre Relevanz hin untersucht werden.

Anhand der Daten des wb-personalmonitors5 wurde diese Operationalisie-rung umgesetzt. Dabei zeigt sich zunächst, dass 6,9 % der Erwerbstätigen in der Weiterbildung (bzw. deren Haushaltseinkommen) unter der regionalen Armutsge-fährdungsschwelle liegen. Die Lebenslagen der Erwerbstätigen sind also weniger

4DIE/BIBB/UDE (2016) wb-personalmonitor n = 1110; bezieht sich auf diejenigen Erwerbstätigen, die angaben, dass die Verbesserung der finanziellen Situation kein Grund oder eher kein Grund für die Aufnahme einer Tätigkeit in der Weiterbildung war.5Die hier verwendeten Daten basieren zum Teil auf den Angaben aus einer zweiten, vertie-fenden Zusatzbefragung zum wb-personalmonitor, an der 1243 Erwerbstätige in der Wei-terbildung teilgenommen haben. Die Fallzahlen sind entsprechend geringer.

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prekär, als dies die unmittelbare Einkommenssituation vermuten lässt. Tab. 1 zeigt, worin die zentralen Armutsrisiken bestehen. Um ein höheres Maß an Vergleich-barkeit herzustellen, wurden die Arbeitszeiten und die (logarithmierten)6 Stunden-löhne standardisiert und durchschnittliche Marginaleffekte berechnet.

Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Arbeitszeiten als auch Stundenlöhne Ein-fluss auf das Armutsrisiko haben. Mit jeder zusätzlichen Standardabweichung der Arbeitszeit sinkt das Armutsrisiko eines durchschnittlichen Erwachsenenbildners

Tab. 1 Durchschnittliche Marginaleffekte der Wochenarbeitszeit auf das Risiko der Ein-kommensarmut. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

*p< 0,05; **p < 0,01;***p < 0,001

dy/dx Std. Err. 95 % CI

Arbeitszeit (z) −0,02*** 0,005 −0,030 −0,009

(log)Stundenlohn (z) −0,02*** 0,005 −0,031 −0,009

Haupteinnahmequelle (HH) WB 0,05*** 0,053 0,028 0,076

Alter 0,004 0,003 −0,002 0,009

Alter2 −0,00004 0,00003 −0,0001 −0,00002

Frau 0,005 0,005 −0,009 0,018

Kinder −0,001 0,005 −0,011 0,009

Höchster Bildungsabschluss(Ref. Beruf oder weniger)

Fachschule, Meister, Techniker −0,01 0,010 −0,025 0,016

Akademiker −0,02* 0,008 −0,034 −0,004

Stellung im Beruf(Ref. Angestellt)

Honorarkraft 0,02* 0,008 0,004 0,035

Inhaber −0,01 0,019 −0,037 0,037

Sonstige 0,01 0,065 −0,009 0,031

N 816

Pseudo R2 0,26

6Der Einfluss von Einkommen und Löhnen ist normalerweise nicht linear. Darum werden diese logarithmiert (Kohler und Kreuter 2012). Dadurch verbessert sich die Modellanpas-sung (Hackel 2005; Schendera 2008). Dies gilt auch hier: Sowohl die aufgeklärte Varianz als auch die Effektstärke nehmen durch die Transformation zu.

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233Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

um 2 %. Mit jeder zusätzlichen Standardabweichung des (logarithmierten) Stun-denlohns sinkt das Armutsrisiko ebenfalls um 2 %. Ebenfalls berichtenswert sind jedoch auch andere Armutsrisiken. Ein deutliches, zusätzliches Armutsrisiko ergibt sich – und dies mag aus einer normativen Perspektive nachdenklich stim-men –, wenn das Haushaltseinkommen zu mehr als 50 % von den Einnahmen aus der Tätigkeit in der Weiterbildung abhängen. Dies lässt sich so interpretieren, dass eine Tätigkeit in der Weiterbildung ein Armutsrisiko darstellt. Doch auch die Stellung im Beruf und die formale Qualifikation haben Einfluss auf das Armuts-risiko. Das Armutsrisiko von Akademikern liegt in der Erwachsenenbildung 2 % niedriger als bei entsprechenden Personen mit einer Berufsausbildung (Lehre) oder geringeren Abschlüssen. Honorarkräfte hingegen haben ein um 2 % höheres Armutsrisiko als Angestellte.

Wie sich das Risiko der Einkommensarmut bei einem durchschnittlichen Erwerbstätigen in der Weiterbildung entlang der Wochenarbeitszeiten verändert, verdeutlicht noch einmal Abb. 2.

0.0

5.1

.15

.2A

rmut

sris

iko

0 10 20 30 40 50Wochenarbeitszeit in Stunden

Abb. 2 Durchschnittliche Marginaleffekte der Wochenarbeitszeit auf das Risiko der Ein-kommensarmut in Stunden und 95 % CI. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

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Das Risiko von Einkommensarmut sinkt für den durchschnittlichen Erwerbs-tätigen in der Erwachsenenbildung von 6,2 % bei einer Wochenarbeitszeit von zehn Stunden auf 0,8 % bei einer Vollzeittätigkeit von 40 Wochenstunden. Wäre der durchschnittliche Erwachsenenbildner anstelle der hier beobachteten 22,8 h pro Woche 35,5 h erwerbstätig, wie dies die Erwerbstätigen in den anderen Wirt-schaftsbereichen im Mittel praktizieren, würde sich das Armutsrisiko von 2,6 % auf 1 % reduzieren.

Der ganze Umfang der Auswirkungen von geringen Arbeitszeiten lässt sich jedoch erst dann abschätzen, wenn berücksichtigt wird, dass höhere Arbeitszeiten geringe Stundenlöhne kompensieren können. Da für die Weiterbildung im Durch-schnitt sowohl geringe Stundenlöhne als auch geringe Arbeitszeiten zu beobach-ten sind, gleichen die Arbeitszeiten die geringen Stundenlöhne und Honorarsätze insgesamt nicht aus, sondern müssen stattdessen in dem hier berichteten Umfang als zusätzliches Risiko bewertet werden.

4 Arbeitszeiten und Kompetenzen

Ein besonders wichtiges Argument für die Verbesserung der Einkommenssitua-tion des Personals in der Weiterbildung ist der Einfluss der Arbeitsbedingungen und besonders der Einkommenshöhe auf die Qualität der Arbeit. Die Argu-mentation bezieht sich dabei vor allem auf den negativen Einfluss von prekärer Beschäftigung auf professionssoziologische Merkmale der Weiterbildung. Mit dieser an dem Professionsstatus des Tätigkeitsfeldes orientierten Debatte werden Aspekte der Arbeitsqualität jedoch bisher vor allem anhand der für eine profes-sionelle Tätigkeitsausübung notwendigen beruflichen Rahmenbedingungen dis-kutiert. Zentral für die Qualität der Weiterbildung sind jedoch die tatsächlichen Kompetenzen der Erwachsenenbildner, besonders der Lehrenden.

Anhand der Daten des wb-personalmonitors ist es möglich, sich einigen zen-tralen Aspekten professioneller Kompetenzen von Erwachsenenbildnern anzunä-hern. Im Folgenden soll versucht werden, den Einfluss von Arbeitszeiten, aber auch von Stundenlöhnen und weiterer rudimentärer Merkmale auf die professio-nellen Kompetenzen von Lehrenden in der Erwachsenenbildung zu untersuchen.

Als zentrale Aspekte professioneller Kompetenzen können unter anderem das Professionswissen sowie motivationale Orientierungen gelten (vgl. Baumert und Kunter 2007).

Anzunehmen ist, dass sich aus der beruflichen Praxis heraus deutliche Zusam-menhänge zwischen den Arbeitszeiten und diesen Bereichen professioneller Kompetenzen zeigen.

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235Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

4.1 Arbeitszeit und Professionswissen

Ein zentraler Aspekt professioneller Kompetenzen ist das Professionswissen. Dazu zählt das Fachwissen, fachdidaktisches Wissen, pädagogisches Wissen, Organisa-tionswissen und Beratungswissen (vgl. Baumert und Kunter 2007; Schrader und Goeze 2017). An dieser Stelle soll zunächst eine Annäherung an das fachliche, das fachdidaktische sowie das pädagogische Wissen versucht werden. Der wb-perso-nalmonitor liefert dazu erste (noch sehr rudimentäre) Anknüpfungspunkte.

Von besonderer Bedeutung für die wirksame Gestaltung von Lehr-Lernpro-zessen sind die fachlichen und fachdidaktischen Fähigkeiten der Lehrenden. Die Operationalisierung dieser Kompetenzen gelingt bisher vor allem in den stark standardisierten Bereichen schulischer Ausbildung etwa im Fachbereich Mathe-matik. Insgesamt dominieren jedoch nach wie vor Operationalisierungen des fachlichen und fachdidaktischen Wissens, in denen Fachabschlüsse von Lehren-den und deren Leistungsniveaus herangezogen werden. Unausgesprochene und im Schulbereich als selbstverständlich vorausgesetzte Bedingung von Untersu-chungen zum Einfluss von fachlichen Kompetenzen auf die Qualität der Lehre ist dabei die Annahme, dass die Lehre auch in jenem Fach stattfindet, in dem die Lehrkraft ausgebildet wurde. Da Lehrende an Schulen normalerweise nur eine sehr begrenzte Zahl unterschiedlicher Fächer unterrichten, ist diese Annahme nicht unbegründet. Grundsätzlich gilt, dass Professionswissen und im besonderen Fachwissen domänenspezifisches Expertenwissen ist (vgl. Baumert und Kunter 2007, S. 483) und ein tiefes Verständnis des Lernstoffes voraussetzt, welches weit über Schul- oder Alltagswissen hinausgeht (vgl. Kunter et al. 2009, S. 156). Die Aneignung und stetige Aktualisierung solcher Wissensbestände setzt folgerichtig eine Spezialisierung voraus, wie sie in fast allen Lehrberufen vorzufinden ist.

Es ist dementsprechend anzunehmen, dass die der Lehre zugrunde liegenden fachlichen und fachdidaktischen Kenntnisse umso geringer sind, je mehr völlig unterschiedliche fachliche Lehrinhalte durch ein und dieselbe Lehrkraft vermittelt werden. Im Zusammenhang mit den Arbeitszeiten in der Weiterbildung lässt sich vor dem Hintergrund der in diesem Bereich typischen Angebotsvielfalt und der damit verbundenen hohen externen Flexibilität vermuten, dass die für den Erwerb des Lebensunterhalts notwendigen Arbeitszeitvolumen nur erreicht werdeHaupt-komponenten Faktoranalyse ergeben sich drein können, wenn Lehrende entweder eine Spezialisierung auf Themen mit traditionell großen Stundenvolumen forcieren oder aber ein breites Themenspektrum anbieten. Schrader (1998) unterscheidet an dieser Stelle ‚Spezialisten‘ mit einem Schwerpunkt in Fachbereichen wie EDV, Yoga oder Fremdsprachen, welche ihr Angebot vor allem bei einem oder wenigen großen Anbietern durchführen, und ‚Generalisten‘ mit einem breitem Themenspektrum und

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236 A. Martin

eher ‚weichen‘ Qualifikationen. Welche dieser Strategien überwiegt, ist bei Schra-der (vgl. Schrader 1998) noch nicht ausgewiesen. Anzunehmen ist, dass höhere, den Lebensunterhalt sichernde Arbeitszeiten in der Weiterbildung tendenziell mit einer Ausweitung des Themenspektrums verbunden sind.

Im Folgenden wird eben diese Annahme überprüft. Grundlage ist hier wie-derum der wb-personalmonitor. Das Themenspektrum (AV) gibt an, wie viele unterschiedliche Themen nach der Klassifikation der Hauptfachrichtungen HFR03 (Zweisteller)7 ein Lehrender in Form von Kursen oder Seminaren in der Einrichtung durchführt, über die er im Rahmen des wb-personalmonitors kon-taktiert wurde. Um Verzerrungen zu vermeiden, wurden Lehrende, welche auch für andere Einrichtungen erwerbstätig sind (und deren fachliches Angebot hier noch nicht berücksichtigt werden kann) sowie Ehrenamtliche ausgeschlossen. Die durchschnittliche Zahl unterschiedlicher Themen liegt unter diesen Konditionen bei 2,28 pro Lehrenden8 (Tab. 2).

Einen messbaren Einfluss auf das Themenspektrum haben in diesem noch rela-tiv überschaubaren Modell nur die Arbeitszeiten und die Stellung im Beruf. Mit jeder zusätzlichen Standardabweichung der Arbeitszeit erhöht sich das Themen-spektrum um 0,48 Themen nach HFR03. Höhere Arbeitszeiten werden augen-scheinlich vor allem durch eine Ausweitung des Themenspektrums erreicht. Hier zeigt sich ein grundlegender, strukturell in der Weiterbildung angelegter Wider-spruch zwischen der aus professionssoziologischer (berufsständischer) Perspektive gewünschten Hauptberuflichkeit und der Professionalität des lehrenden Personals. Ein Zusammenhang zwischen den Stundenlöhnen und dem Themenspektrum zeigt sich nicht. Die Qualität der Weiterbildung in Bezug auf die hier zugrunde liegende Operationalisierung fachlicher und fachdidaktischer Kompetenzen der Lehrenden scheint also zunächst unabhängig von den Stundenlöhnen. Berichtens-wert ist zudem der Einfluss der Erwerbsform. Honorarkräfte bieten im Schnitt

8Lehrende sind hier alle Erwerbstätige in der Weiterbildung, zu deren Tätigkeitsspektrum auch Lehre gehört, gleich welchen Anteil diese am Gesamttätigkeitsvolumen in der Weiter-bildung hat. Anzunehmen ist dementsprechend, dass in vielen Fällen zusätzlich zur Lehre auch Tätigkeiten in anderen Feldern der Weiterbildung (Beratung, Akquise, Verwaltung….) hinzukommen. Die Schätzung der fachlichen Heterogenität ist also als sehr konservativ einzuschätzen.

7Die Hauptfachrichtungen werden unter anderem im Mikrozensus für die Klassifikation von Berufsabschlüssen (und Studienfächern) sowie der Themen von Weiterbildungsteil-nahmen verwendet. Das gesamte denkbare thematische Spektrum wird hier zu 98 Feldern zusammengefasst und reicht von Kunst und Kulturwissenschaften (1) bis zu Catering (94) und Friseurgewerbe und Schönheitspflege (95).

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237Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

0,5 Themen weniger an als Angestellte und Inhaber9. Dies ist insofern schwer zu interpretieren, als wir hier ausschließlich Honorarkräfte berücksichtigen, welche ihr Lehrangebot in nur einer Einrichtung durchführen. Dennoch lassen sich zwei Erklärungen anführen. Zum einen ist denkbar, dass wir es hier bei diesen Honorar-kräfte mit eben jenen Spezialisten zu tun haben, deren Strategie darin besteht, mit wenigen Themen größere Stundenvolumen bei ein und demselben Anbieter umzu-setzen. Andererseits kann die beobachtete Abweichung auch das Ergebnis einer spezifischen Strategie externer und interner Flexibilität bei der Programmplanung und Rekrutierung aufseiten der Einrichtung sein. In diesem Fall würden Honorar-kräfte vor allem aufgrund ihrer spezifischen fachlichen Qualifikationen für nur ein oder wenige korrespondierende Lehrangebote rekrutiert, während fest angestellte

Tab. 2 OLS Themenspektrum. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

*p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

Coef. Std. Err. 95 % CI

Arbeitszeit (z) 0,48*** 0,07 0,348 0,610

(log)Stundenlohn (z) 0,05 0,04 −0,031 0,140

Haupttätigkeit WB 0,13 0,15 −0,174 0,430

Alter −0,02 0,02 −0,072 0,026

Alter2 0,0003 0,0003 −0,0002 0,0008

Frau 0,05 0,08 −0,109 0,213

Höchster Bildungsabschluss(Ref. Beruf oder weniger)

Fachschule, Meister, Techniker −0,06 0,14 −0,336 0,225

Akademiker 0,08 0,1 −0,117 0,272

Stellung im Beruf(Ref. Angestellte/Inhaber)

Honorarkraft −0,55*** 0,14 −0,824 −0,268

Konstante 2,93*** 5,00 1,781 4,081

R2 0,147

N 1898

9Selbstständige, die als Inhaber oder Gesellschafter einer Weiterbildungseinrichtung/Orga-nisation tätig sind.

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238 A. Martin

Lehrende intern flexibel für die Durchführung thematisch unterschiedlicher Kurs-angebote herangezogen werden. In jedem Fall scheint die Aufmerksamt für die Professionalisierungspotenziale der Honorarkräfte (vgl. Nittel 2011) berechtigt. Abb. 3 verdeutlicht den Zusammenhang.

Auch hier wird noch einmal deutlich, dass Lehrende schon bei geringen Arbeitszeiten in der Regel Kurse oder Seminare zu mehr als nur einem Thema durchführen müssen. Bei den durchschnittlichen Arbeitszeiten in der Weiterbildung (22,8 Wochenstunden) müssen durchschnittliche Honorarkräfte ca. 2 unterschied-liche Themen bedienen, Angestellte sogar 2,7. Für eine 35 Stundenwoche müssten Angestellte 3 unterschiedliche Themenkomplexe abdecken, Honorarkräfte 2,4.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Professionswissens und damit der Qualität der Lehre ist das pädagogische Wissen. Diese Dimension professioneller Kom-petenzen wird in der Erwachsenenbildung bisher kaum untersucht. Erst in jüngs-ter Zeit rücken die pädagogischen Kompetenzen von Erwachsenenbildnern in

11.

52

2.5

33.

5Th

emen

spek

trum

0 10 20 30 40 50Wochenarbeitszeit in Stunden

Angestellte/Inhaber Honorarkräfte

Abb. 3 Linear Predictions (Da es keine signifikanten Interaktionseffekte zwischen Arbeitszeit und Stellung im Beruf gibt, wurde auf Konditionaleffekte verzichtet.): Zusam-menhang Arbeitszeit nach Stellung im Beruf in Stunden und Themenspektrum und 95 % CI. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

Page 236: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

239Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

den Blickpunkt und es werden Konzepte zu deren Messung implementiert (vgl. Goetze et al. 2013; Marx et al. 2016). In der Forschung werden, wo keine reliab-len und validen Messkonzepte vorliegen, vor allem Zertifikate für eine pädagogi-sche Ausbildung als Proxys verwendet (vgl. Baumert und Kunter 2007, S. 485). Dies ist auch auf der Grundlage der Daten des wb-personalmonitor umsetzbar. Hier wurden sowohl pädagogische Studienabschlüsse als auch der Erwerb päd-agogischer Zusatzqualifikationen erfasst. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Arbeitszeiten in der Phase der Erwerbstätigkeit die Bildungsaspiration und Fächerwahl von Abiturienten beeinflussen, wird hier die Wahrscheinlichkeit des Erwerbs einer erwachsenenpädagogischen Zusatzqualifikation genutzt. Eine pädagogische Zusatzqualifikation haben ca. 64 % der Erwerbstätigen in der Weiterbildung. Damit ist auch hier zunächst eine erste Annäherung an die päda-gogischen Kompetenzen möglich.

Der zu erwartende Zusammenhang zwischen Arbeitszeiten und dem Erwerb von pädagogischen Qualifikationen ist theoretisch einfach zu begründen. Aus der Perspektive der Humankapitaltheorie hängen Entscheidungen über die Investiti-onen in die eigenen Qualifikationen vor allem von den zu erwartenden Renditen ab (vgl. Becker 1975). Erwerbstätige, die ihrer Tätigkeit in Vollzeit nachgehen, können ihre erworbenen Kompetenzen auch in entsprechend größerem Umfang in ihrer Tätigkeit zur Anwendung bringen und können folglich höhere (monetäre oder nichtmonetäre) Erträge erwarten. Auch aus der Perspektive der Signaling- und Filtertheorie (vgl. Arrow 1973; Spence 1973) sind Zusammenhänge zu erwar-ten. So kann angenommen werden, dass Zertifikate erwachsenenpädagogischer Zusatzqualifikationen potenziellen Arbeitgebern ein hohes Arbeitsvermögen sowie persönliche und charakterliche Eigenschaften signalisieren, welche eine Transfor-mation von Arbeitsvermögen in Arbeit begünstigen. In diesem Fall würden sich die Erwerbschancen durch den Nachweis von Zusatzqualifikationen verbessern bzw. Bewerber ohne entsprechende Zertifikate ausgefiltert. Besonders bei Honorar-kräften, welche sich in kurzen Zeitintervallen auf dem Arbeitsmarkt um Aufträge bemühen müssen, scheint dieser Zusammenhang relevant. Allerdings hat die Befra-gung von Weiterbildungseinrichtungen zu deren Rekrutierungspraxen im Rahmen des wb-monitor gezeigt, dass solchen Zertifikaten und Qualifikationen eher wenig Bedeutung beigemessen wird (vgl. Ambos et al. 2015). Tab. 3 zeigt den Einfluss von Arbeitszeit und weiterer Merkmale auf die Chance einer Zusatzqualifikation10.

Mit jeder zusätzlichen Standardabweichung der Arbeitszeit steigt die Wahr-scheinlichkeit einer Zusatzqualifikation bei einem durchschnittlichen Erwerbstätigen

10Bezieht sich nicht nur auf Lehrende sondern auf alle Erwerbstätigen in der Weiterbildung.

Page 237: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

240 A. Martin

in der Weiterbildung um 6 %. Stundenlöhne haben hier keinen Effekt. Beachtens-wert sind jedoch auch andere Merkmale. Die Haupterwerbstätigkeit hat hier auch unter Kontrolle der Arbeitszeit einen deutlichen Einfluss. Die Wahrscheinlichkeit einer pädagogischen Zusatzqualifikation ist um 15 % höher als bei Nebenerwerbstä-tigen. Dies weist darauf hin, dass die Annahmen der Humankapitaltheorie zutreffen, denn gerade Haupterwerbstätige müssen ein Interesse an der Erhöhung ihrer Erträge aus dieser Erwerbstätigkeit haben. Ähnliches gilt für die höhere Wahrscheinlich-keit (31 % höher als bei Angestellten) einer pädagogischen Zusatzqualifikation bei Inhabern. Der positive Einfluss des Alters beschreibt wahrscheinlich einen Kumu-lationseffekt, denn mit zunehmendem Alter steigt natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwann im Erwerbsverlauf ein entsprechendes Zertifikat erworben wurde. Berichtenswert ist zudem, dass die Wahrscheinlichkeit einer Zusatzqualifikation bei Erwerbstätigen mit einem Fachschul- oder Meisterabschluss um 26 % höher ist als bei Personen mit einer einfachen Berufsausbildung oder weniger, wobei Akademiker

Tab. 3 Durchschnittliche Marginaleffekte der Wochenarbeitszeit auf die Chance einer pädagogischen Zusatzqualifikation. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

*p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

dy/dx Std. Err. 95 % CI

Arbeitszeit (z) 0,06* 0,02 0,014 0,103

(log)Stundenlohn (z) 0,02 0,02 −0,024 0,060

Haupttätigkeit WB 0,15** 0,05 0,051 0,257

Alter 0,03** 0,01 0,007 0,050

Alter2 −0,0003* 0,0001 −0,0005 −0,00004

Frau −0,007 0,03 −0,073 0,059

Höchster Bildungsabschluss(Ref. Beruf oder weniger)

Fachschule, Meister, Techniker 0,26*** 0,07 0,128 0,400

Akademiker 0,02 0,04 −0,061 0,094

Stellung im Beruf(Ref. Angestellt)

Honorarkraft 0,16** 0,05 0,067 0,247

Inhaber 0,31*** 0,08 0,150 0,482

Sonstige −0,02 0,06 −0,140 0,101

N 963

Pseudo R2 0,06

Page 238: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

241Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

keine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass hier besonders im Rahmen der beruflichen Weiterbildung hoch qualifizierte päda-gogische Arbeit geleistet wird, jedoch kein pädagogischer Ausbildungshintergrund im Zuge eines Studiums vorliegt. Der Umstand, dass Honorarkräfte eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, Zusatzqualifikationen zu erwerben als Ange-stellte, ist ein Hinweis auf die Wirksamkeit von Signal- und Filtereffekten. In diesem Fall lässt sich der Zusammenhang auf bessere Arbeitsmarktchancen und ein dadurch bedingtes höheres Stundenvolumen aufgrund pädagogischer Zusatzqualifikationen zurückführen. Zusatzqualifikationen würden unter diesen Umständen also zu mehr Arbeitszeit führen (nicht umgekehrt). Abb. 4 verdeutlicht den Zusammenhang zwi-schen Arbeitszeiten und der Wahrscheinlichkeit einer erwachsenenpädagogischen Zusatzqualifikation bei durchschnittlichen Erwachsenenbildnern.

Bei der für die Weiterbildung typischen Arbeitszeit liegt die Wahrscheinlich-keit einer pädagogischen Zusatzqualifikation eines durchschnittlichen Angestell-ten in der Weiterbildung bei knapp 57 %, bei den für Erwerbstätige insgesamt

.4.5

.6.7

.8.9

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n

0 10 20 30 40 50Wochenarbeitszeit in Stunden

Angestellte Honorarkräfte

Abb. 4 Durchschnittliche Marginaleffekte der Wochenarbeitszeit auf die Wahrscheinlich-keit einer pädagogischen Zusatzqualifikation in Stunden und 95 % CI. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

Page 239: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

242 A. Martin

üblichen 35,5 h wären es 62 %. Bei durchschnittlichen Honorarkräften mit einer Arbeitszeit von 22,8 h liegt die Wahrscheinlichkeit einer pädagogischen Zusatz-qualifikation bei 73 % und würde bei den sonst üblichen 35,5 h bei 77 % liegen.

4.2 Arbeitszeit und motivationale Orientierungen

Eine wesentliche Bedingung für die Qualität von Weiterbildung besteht nicht nur darin, dass Lehrende über das notwendige fachliche, fachdidaktische und pädago-gische Wissen verfügen, um Lehr-Lernsituationen effektiv zu gestalten, sondern dass sie dieses Wissen tatsächlich auch anwenden und kontinuierlich weiterent-wickeln. Anzunehmen ist, dass die Initiierung, Aufrechterhaltung und Überwa-chung des erwachsenenpädagogischen Handelns wesentlich von motivationalen Orientierungen abhängen (vgl. Kunter et al. 2009, S. 157). Von zentraler Bedeu-tung sind dabei berufsbezogene motivationale Merkmale (vgl. Kunter et al. 2009, S. 157). Anhand der im wb-personalmonitor aufgenommenen Kurzskala zum Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) (vgl. Schaarschmidt 2003) lässt sich dieses latente Merkmal valide und reliabel operationalisieren. Das dazu im wb-personalmonitor verwendete Instrument umfasst insgesamt drei Dimensionen von AVEM: Einstellung zur Arbeit; Verausgabungsbereitschaft sowie beruflicher Ehrgeiz. Diese werden durch jeweils vier Items abgedeckt. Grundlage für die Operationalisierung der berufsbezogenen Motivation sind die vier Items zur Erfassung des beruflichen Ehrgeizes11.

Die Annahmen zum Einfluss von Arbeitszeit auf den beruflichen Ehrgeiz las-sen sich auch hier wiederum aus der beruflichen Praxis ableiten. Anzunehmen ist, dass diese nicht unidirektional sind. Zum einen sollte sich beruflicher Ehrgeiz nur in einem Arbeitskontext entwickeln, in dem es überhaupt berufliche Entwick-lungs- und Karrierechancen gibt. Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenen-bildner, welche nur wenige Stunden in der Woche erwerbstätig sind, werden kaum größere Ambitionen entfalten. Ein Tätigkeitsfeld, in dem nur wenig Arbeitszeit zur Verfügung steht, ist zudem weniger attraktiv für Erwerbstätige, welche sich im Beruf verwirklichen wollen und eine Haupterwerbstätigkeit anstreben. Anderer-seits sind es natürlich besonders die ehrgeizigen Erwerbstätigen, welche längere

11In der rotierten explorativen Hauptkomponenten Faktoranalyse ergeben sich drei Fakto-ren, so wie dies theoretisch anhand der Annahmen von AVEM zu erwarten ist. Faktorla-dungen der 4 Items ‚beruflicher Ehrgeiz‘: 0,66–0,79; KMO: 0,84–0,88; Cronbach α: 0,77. Verwendet wird hier der Faktorscore: Min = −2,535535; Max = 2,218091; Mean = 0; STD = 0,8798574.

Page 240: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

243Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

Arbeitszeiten präferieren. In jedem Fall sollte sich also ein positiver Zusammen-hang zwischen Arbeitszeit und beruflichem Ehrgeiz zeigen. Den Einfluss von Arbeitszeit auf den beruflichen Ehrgeiz12 zeigt Tab. 4.

Die Effektstärken sind insgesamt überschaubar. Der Faktorscore des beruflichen Ehrgeizes hat eine Spannweite von −2,5 bis 2,2 bei einer Stan-dardabweichung von 0,88 und einem Mittelwert von 0. Pro zusätzlicher Stan-dardabweichung der Arbeitszeit erhöht sich der Faktorscore berufliche Ehrgeiz um 0,1 Punkte. Der Stundenlohn hat hier keinen signifikanten Einfluss. Deut-lich negativen Einfluss hat jedoch (nicht ganz erwartungswidrig) das Alter.

Tab. 4 OLS Beruflicher Ehrgeiz. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

*p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

Coef. Std. Err. 95 % CI

Arbeitszeit (z) 0,10** 0,04 0,035 0,174

(log)Stundenlohn (z) 0,07 0,04 −0,001 0,142

Haupttätigkeit WB −0,17 0,09 −0,333 0,002

Alter −0,07*** 0,02 −0,108 −0,031

Alter2 0,0005* 0,0002 0,0001 0,001

Frau 0,04 0,04 −0,072 0,153

Höchster Bildungsabschluss(Ref. Beruf oder weniger)

Fachschule, Meister, Techniker 0,19 0,10 −0,011 0,397

Akademiker 0,02 0,07 −0,113 0,162

Stellung im Beruf(Ref. Angestellt)

Honorarkraft −0,02 0,07 −0,165 0,121

Inhaber 0,35** 0,11 0,134 0,562

Sonstige 0,27** 0,10 0,069 0,477

Konstante 2,14*** 0,48 1,191 3,083

N 982

R2 0,09

12Dies bezieht sich nicht nur auf Lehrende sondern auf alle Erwerbstätigen in der Weiter-bildung.

Page 241: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

244 A. Martin

Ebenfalls sehr nachvollziehbar ist der Umstand, dass Inhaber offensichtlich einen deutlich höheren beruflichen Ehrgeiz entwickeln, denn im Vergleich zu Angestellten ist der Faktorscore 0,31 Punkte höher. Dieser Zusammenhang ist in mehrfacher Hinsicht plausibel. Zum einen kann man davon ausgehen, dass beruflicher Ehrgeiz die Voraussetzung dafür ist, eine Weiterbildungseinrichtung zu gründen und zu führen. Personen, welche ihren beruflichen Ehrgeiz in der Weiterbildung verwirklichen wollen, werden dies zuerst in dieser Erwerbsform tun. Zum anderen sind Inhaber unmittelbar dem Wettbewerb und dem damit verbundenen Konkurrenzkampf ausgesetzt. Es ist nicht unplausibel anzuneh-men, dass dies motivationale Orientierungen fördert, welche für eine aktive, erfolgsorientierte Berufsausübung typisch sind.

Welche Zusammenhänge sich daraus für unterschiedliche Arbeitszeitvolumen ergeben, macht Abb. 5 deutlich.

-.4-.2

0.2

.4.6

Ber

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her E

hrge

iz

0 10 20 30 40 50Wochenarbeitszeit in Stunden

Angestellte Inhaber

Abb. 5 Linear Predictions (Da es keine signifikanten Interaktionseffekte zwischen Arbeitszeit und Stellung im Beruf gibt, wurde auf Konditionaleffekte verzichtet.): Zusam-menhang Arbeitszeit nach Stellung im Beruf in Stunden und beruflicher Ehrgeiz und 95 % CI. (Quelle: DIE/BIBB/UDE: wb-personalmonitor; eigene Berechnung)

Page 242: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

245Zum Einfluss der Arbeitszeit auf Einkommen und …

Bei einer für die Erwachsenenbildung normalen Arbeitszeit von 22,8 h ergäbe sich für den durchschnittlichen Angestellten ein Faktorscore für beruflicher Ehr-geiz von −0,064 und bei der für alle Erwerbstätigen übliche 35,5 Stundenwoche ein entsprechender Wert von 0,02. Bei durchschnittlichen Inhabern liegt der Score ‚beruflicher Ehrgeiz‘ bei 0,28, wenn 22,8 h pro Woche gearbeitet werden. Bei den üblichen 35,5 h liegt der Wert bei 0,37.

5 Fazit

Weiterbildung ist im Vergleich zu vielen anderen Berufen und Branchen ein sehr ungewöhnliches Tätigkeitsfeld. Die Unterschiede erstrecken sich von den Erwerbsformen, Einkommen und Arbeitsbedingungen über das Maß an Haupt-beruflichkeit, die berufsfachliche Dichte und die Qualifikationen (vgl. Lange-meyer und Martin 2014, 2015) bis hin zu den Arbeitszeiten. Dies legt nahe, dass sich Weiterbildung in vielen Punkten nicht in traditionelle Heuristiken fügt. Die Beschreibung der Weiterbildungsbranche als Laboratorium moderner Arbeits-formen (vgl. Alfänger et al. 2014) trägt dem Rechnung. Doch wenn dem so ist, impliziert dies auch, dass Aspekte jenseits prekärer Arbeitsbedingungen oder geringer Einkommen stärker berücksichtigt werden müssen. Dies gilt insbeson-dere dann, wenn es um zentrale Aspekte der Weiterbildung wie die Qualität der Lehre oder die konkreten Lebensbedingungen des Personals geht.

Deutlich wurde zunächst, dass die Arbeitszeiten in der Weiterbildung so gering sind wie in keiner anderen Branche. Zugleich konnte gezeigt werden, dass geringe Arbeitszeiten ein Armutsrisiko darstellen, ebenso wie geringe Stun-denlöhne, geringe Bildung und die Stellung im Beruf. Dies gilt besonders dann, wenn die Tätigkeit in der Weiterbildung hauptsächlich der Erwirtschaftung des Haushaltseinkommens dient. Längere Arbeitszeiten jedoch reduzieren die Armutsrisiken.

Längere Arbeitszeiten zur Kompensation anderer Armutsrisiken sind aller-dings aufgrund des knappen Gesamtarbeitsvolumens nicht ohne Weiteres rea-lisierbar. Die für die Erwirtschaftung der Haushaltseinkommen notwendigen Arbeitszeiten müssen in der Regel durch ein fachlich breiteres Themenspektrum erkauft werden. Hier zeigt sich ein struktureller Widerspruch nicht nur zwischen der Ausprägung beruflicher Merkmale der Weiterbildung und der fachlichen und fachdidaktischen Professionalität der Tätigkeitsausübung, sondern zwischen Lebenschancen und erwachsenenpädagogischer Professionalität.

Page 243: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

246 A. Martin

Andererseits erhöhen längere Arbeitszeiten die Wahrscheinlichkeit erwach-senenpädagogischer Zusatzqualifikationen und damit den Aufbau pädagogi-schen Wissens. Dies zeigt (je nachdem welche kausale Richtung der beobachtete Zusammenhang hier hat), dass längere Arbeitszeiten entweder mehr Qualifikation nach sich ziehen oder aber Qualifikationen die Erwerbschancen verbessern und so das Armutsrisiko reduzieren.

Die Arbeitszeiten sind zudem ein wichtiger Einflussfaktor für motivationale Orientierungen bei der Berufsausübung. Nur dort, wo sich im Rahmen einer Voll-zeittätigkeit auch der Raum für berufliche Entfaltung bietet, können sich entspre-chende Motivationen etablieren. Dies ist jedoch eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau und die Anwendung professioneller Kompetenzen.

Insgesamt ergibt die Untersuchung ein sehr heterogenes und vor allem widersprüchliches Bild der Weiterbildung. Dabei konnten einige mögliche Ein-flussfaktoren wie etwa die unterschiedlichen Organisationsziele und Finan-zierungsformen entlang verschiedener Reproduktionskontexte der jeweiligen Weiterbildungseinrichtungen noch gar nicht berücksichtigt werden, da sich die Mehrfachbeschäftigungsverhältnisse des Weiterbildungspersonals in dieser Hin-sicht nicht rekonstruieren lassen. Dennoch wird deutlich, dass sich traditionelle Konzepte des gesamtgesellschaftlichen Verhältnisses von Arbeit und Kapital im Zuge der Auseinandersetzung um die Arbeitsbeziehungen kaum auf die Wei-terbildung übertragen lassen oder sogar hinderlich sind. Gerade dann, wenn die Verbesserung der Lebensbedingungen des Weiterbildungspersonals und die Erhö-hung der Qualität von Weiterbildung nicht unabhängig, sondern als wechselseitig voneinander abhängig aufgefasst werden, erweisen sich arbeitsorganisatorische Aspekte wie die Arbeitszeiten als zentral.

Unübersehbar jedoch sind auch aus dieser Perspektive die strukturell veran-kerten Widersprüche zwischen Arbeitsbedingungen und eingeforderter Professi-onalität. Die für die Weiterbildung typische und notwendige Flexibilität wird vor allem durch einen (aus normativer Sicht) fragwürdigen Umgang mit den Lehr-kräften in den Weiterbildungsorganisationen erkauft. Der Preis sind hohe Risiken für die Professionalität und das Engagement des Weiterbildungspersonals.

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Über den Autor

Andreas Martin Arbeitsschwerpunkte: Regionale Weiter-bildung, Personal in der Weiterbildung, quantitative Methoden.

Page 247: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

251

Ökonomisierung der Weiterbildung – eine Diagnose zur Erklärung von differenzierten Geschäfts- und Einkommenslagen?

Anna Rosendahl

ZusammenfassungIm Beitrag werden die empirischen Befunde von acht explorativen Betriebs-fallstudien bei außerbetrieblichen Weiterbildungsanbietern vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Geschäfts- und Einkommenslagen in verschiedenen Weiterbildungsfinanzierungssegmenten respektive der Faktoren, die diesbe-zügliche Differenzen nach Ansicht der Anbieter und des Personals hervorge-rufen haben und erklären. Hiermit sollen erste empirische Antworten auf die Frage gegeben werden, ob und inwieweit die interessenpolitisch immer wieder vorgebrachte These zutrifft, wonach die schlechteren Geschäfts- und Einkom-menslagen in der staatlich finanzierten Weiterbildung primär als Kausalfolge einer Ökonomisierung der Weiterbildung angesehen werden können.

1 Einleitung

Seit mehr als 10 Jahren unterscheiden sich die Geschäftsklimawerte außerbe-trieblicher Weiterbildungsanbieter und die Einkommen des dort eingesetzten Personals (vgl. BIBB/DIE 2015, S. 26; Ambos et al. 2015, S. 5; Dobischat et al. 2009; Schulz-Oberschelp 2012; Rosendahl 2013, WSF 2005). Dabei zeigt sich folgendes Lagebild: Die Geschäftsklimawerte der Anbieter und die Einkommen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_12

A. Rosendahl (*) Fakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/Berufliche Aus- und Weiterbildung, Universität Duisburg-Essen, Berliner Platz 6-8, 45127 Essen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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des Personals fallen in der überwiegend staatlich finanzierten Weiterbildung im Durchschnitt geringer aus als in der überwiegend privat finanzierten und vor allem in der betrieblich finanzierten Weiterbildung (vgl. BIBB/DIE 2015, S. 26; Ambos et al. 2015, S. 5; Dobischat et al. 2009; Schulz-Oberschelp 2012; Rosen-dahl 2013; WSF 2005). In der interessenpolitischen Auseinandersetzung wird die schlechtere Lage im staatlich-geförderten Bereich ursächlich häufig mit der fortschreitenden Ökonomisierung (wohlfahrt-)staatlicher Aufgabenbereiche kon-notiert, unter die auch die staatliche Weiterbildungsförderung subsumiert wird. In diesem Kontext wird vielfach auf die Hartz-Reformen verwiesen (vgl. ver.di 2007; BBB 2003; Dohmen 2005; Kühnlein und Klein 2003; Heisler 2013), in deren Folge es zu einer drastischen Reduktion des Fördervolumens der Bundes-agentur für Arbeit (BA) für die berufliche (Weiter-)Bildung sowie zur Etablierung eines Sets an neuen, aus der Privatwirtschaft adaptierten Steuerungsinstrumenten gekommen ist (vgl. Rosendahl 2017; Heisler 2013).

Die Diagnose einer Ökonomisierung der Weiterbildung wirft mehrere Fragen auf. So z. B. was genau Ökonomisierung eigentlich meint. Denn die Geschäfts- und Einkommenslagen in der betrieblich finanzierten Weiterbildung fallen im Durchschnitt weitaus besser aus als in der staatlich finanzierten Weiterbildung und das, obwohl die betriebliche Weiterbildung aufgrund ihrer unmittelbaren Ein-bettung in das Wirtschaftssystem seit jeher ökonomischen Prinzipien unterwor-fen ist. Insofern drängt sich die Frage auf, ob die schlechteren Geschäfts- und Einkommensbedingungen in der staatlich geförderten Weiterbildung tatsächlich primär in staatlicherseits etablierten ökonomischen Kernprinzipien und -instru-menten begründet liegen, welche Facetten von Ökonomisierung konkret dafür verantwortlich sind und ob darüber hinausgehend weitere Faktoren lagebeeinflus-send wirken.

Im Folgenden soll sich diesen Fragen angenähert werden. Dazu wird zunächst der Ökonomisierungsbegriff definiert und operationalisiert (vgl. Abschn. 2). Anschließend werden die Ergebnisse einer deduktiven qualitativen Inhaltsanalyse von acht explorativen Betriebsfallstudien bei außerbetrieblichen Weiterbildungs-anbietern vorgestellt, um die Relevanz der Ökonomisierung zur Erklärung der Geschäfts- und Einkommenslagen in verschiedenen Weiterbildungsfinanzierungs-segmenten auszuloten (vgl. Abschn. 3). Zum Abschluss werden die Ergebnisse zur These verdichtet, dass die Ökonomisierung keine erschöpfende Erklärung für die ausdifferenzierten Geschäfts- und Einkommenslagen in der Weiterbildungs-branche liefert, sondern dass dabei außerdem einrichtungs- und personenspezifi-sche Faktoren eine gewichtige Rolle spielen (vgl. Abschn. 4).

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2 Ökonomisierung: Definition und Operationalisierung

Obwohl der Begriff in der wissenschaftlichen und interessenpolitischen Debatte u. a. zur Weiterbildungsbranche sehr häufig genutzt wird, ist dessen Definition keinesfalls eindeutig (vgl. Schimank und Volkmann 2008, S. 382; Höhne 2015, S. 3 ff.). Vielmehr wird dieser Terminus in vielschichtig konnotierter Art und Weise verwendet und zwar sowohl zur Deskription als auch zur (meist kritisch-negativen) Bewertung von Veränderungen in der Steuerung, Regulierung und Finanzierung des Bildungssystems. Damit scheint der Begriff als Polysem hoch-gradig konsensfähig zu sein, ohne dass klar ist, worüber eigentlich Konsens besteht (vgl. Schimank und Volkmann 2008, S. 382; Höhne 2015, S. 4 ff.). Im Folgenden wird der Begriff in Anlehnung an Schimank und Volkmann (2008) als analytisches Konstrukt verwendet. Danach bezeichnet Ökonomisierung „(…) einen Vorgang, durch den Strukturen, Prozesse, Orientierungen und Effekte, die man gemeinhin mit einer kapitalistischen Wirtschaft verbindet, gesellschaftlich wirkmächtiger werden“ (Schimank und Volkmann 2008, S. 382).

Die in dieser Definition angesprochenen typischen Strukturen, Prozesse, Orientierungen und Effekte einer kapitalistischen Wirtschaft lassen sich in Anlehnung an Höhne (2015) anhand von sechs Ökonomisierungsmerkmalen ope-rationalisieren (vgl. Höhne 2015, S. 21 ff.):

• Effizienz: Effizienz gilt als unabdingbares Kernkriterium einer Ökonomisierung und

sie betrifft die Orientierungs-, Handlungs- und Entscheidungsmaßstäbe der Akteure im Bildungssystem. Effizienz lässt sich daran festmachen, dass bil-dungsrelevante Entscheidungen nicht mehr primär und ausschließlich danach getroffen werden, was zur Erreichung der jeweils angestrebten pädagogischen Ziele zweckdienlich, sondern was in einer bestimmten Situation die kosten-günstigste Option wäre. Das bedeutet, die Devise „Hauptsache kostengünstig“ wird zur dominanten Prämisse bei der Förderung und Gestaltung von Struktu-ren und Prozessen.

Bezogen auf die Effizienz unterscheiden Schimank und Volkmann (2008) fünf Ökonomisierungsgrade (vgl. Schimank und Volkmann 2008, S. 385 f.). Keine Ökonomisierung liegt vor, wenn Akteure ihre Handlungsentscheidungen gänzlich unberührt von Kostenüberlegungen und allein nach pädagogischen Prämissen treffen (Stufe 1). Die Stufe 2 zeichnet sich dadurch aus, dass zwar auch hier pädagogische Erwägungen im Vordergrund stehen, die Entschei-dung zwischen pädagogisch gleichwirksamen Handlungsalternativen aber auf die preisgünstigere Option fällt. Auf Stufe 3 werden Entscheidungen gegen

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pädagogische Maßnahmen aufgrund von zu hohen Kosten bzw. aufgrund zu geringer monetärer Erträge gefällt. Insofern wird hier das pädagogisch eigent-lich „Zweckmäßige“ wegen Kostendeckungs- und Ertragszielen nicht reali-siert. Noch stärker ist die Ökonomisierung ausgeprägt, wenn pädagogisch an sich zweckdienliche Bildungsangebote nur dann bereitgestellt werden, wenn eine Nachfrage von potenziellen Käufern und damit verbundene Gewinne zu erwarten sind (Stufe 4). Der höchste Ökonomisierungsgrad (Stufe 5) ist dadurch charakterisiert, dass pädagogische Ziele in der Entscheidung uner-heblich sind und nur noch die Gewinnmaximierung als Entscheidungsmaßstab fungiert (vgl. Schimank und Volkmann 2008, S. 386).

• Vermarktlichung: Dieses Kernkriterium einer Ökonomisierung betrifft die Etablierung von

(Quasi-)Bildungsmärkten (vgl. Höhne 2015, S. 21 ff.). Diese zeichnen sich dadurch aus, dass autonome Bildungsanbieter mit ihren Angeboten um poten-zielle (staatlich geförderte) Bildungsteilnehmer als zahlende Kunden konkur-rieren. Auf Quasi-Märkten tritt der Staat demzufolge maximal als Finanzier, jedoch nicht mehr als Bildungsanbieter auf.

• Wettbewerb: (Quasi-)Bildungsmärkte regulieren sich über einen Wettbewerb zwischen

autonomen Bildungsanbietern. Dieser Wettbewerb betrifft im Zuge der staat-lich kreierten Ökonomisierung nicht nur die Konkurrenz von Bildungsanbie-tern um Teilnehmer und um knapper werdende staatliche Fördermittel mittels möglichst hoher Reputation. Vielmehr schließt er auch einen Wettbewerb um möglichst große Bildungserfolge ein. Zentrale Instrumente zur Etablierung eines Wettbewerbs zwischen Bildungsanbietern sind z. B. externe Evaluatio-nen entlang zentral vorgegebener Leistungsindikatoren und Benchmarks.

• Subsidiarisierung: Auf Quasi-Märkten tritt nicht mehr der Staat als stellvertretender Entscheider

über zu fördernde Bildungsanbieter und -angebote auf. Vielmehr überträgt er die Entscheidung an die Nutzer von Bildung. Diese Verantwortungsübertra-gung schafft die nötige Basis, damit sich im Bildungssektor Quasi-Märkte etablieren können, auf denen sich Angebot und Nachfrage über Wettbewerb selbst regulieren.

• Technologisierung: Damit sich ein Wettbewerb am Bildungsmarkt etablieren kann, sind neben

autonomen Anbietern und Nachfragern auch Informationen der Nachfrager über den (vermeintlichen) Wert der am Markt angebotenen Dienstleistungen nötig. Im Bildungswesen fungieren Zertifizierung und statistische Kennzahlen und Indikatoren als vermeintliche Wert- und Leistungssignale über den Grad

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der bislang von ganzen Bildungssystemen, einzelnen Anbietern, Angeboten und/oder Lehrenden erreichten Ziele und Erfolge (vgl. Höhne 2015, S. 21 ff.).

• Enteignung/Privatisierung: Ein Effekt eines ökonomisierten Bildungssystems ist nach Höhne (2015) die

sukzessive Ablösung des Primats Bildung als öffentliches, für jedermann zugängliches Gut durch das Prinzip der Privatisierung, was bedeutet, dass die ehemals staatliche Verantwortung für die Bildungsfinanzierung, Trägerschaft, Regulierung, Steuerung und/oder Angebotserbringung in die Hände privater Akteure gelegt wird (vgl. Höhne 2015, S. 24).

3 Ökonomisierung als Erklärung von Geschäfts- und Einkommenslagen in der Weiterbildung

Im Folgenden werden die Ergebnisse aus acht qualitativen explorativen Betriebs-fallstudien (BFS) mit außerbetrieblichen Weiterbildungsanbietern vorgestellt, die im Rahmen des Projekts wb-personalmonitor im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zwischen Mai 2013 und September 2014 umgesetzt wurden1. Dargestellt werden die institutionellen Geschäftslagen (vgl. Abschn. 3.1) und die Einkommenslagen des Personals (vgl. Abschn. 3.2) sowie diesbezügliche Begründungen und Einflussfaktoren2. Dabei liegt das Hauptau-genmerk auf der Frage, ob und inwieweit die vorgestellten Ökonomisierungs-merkmale (vgl. Abschn. 2) erklärenden Charakter aufweisen.

Die Fallauswahl orientierte sich an ersten empirischen Hinweisen, wonach die Geschäfts- und Einkommensbedingungen in der Weiterbildung mit den instituti-onellen Finanzierungsstrukturen der Anbieter zusammenhängen (vgl. Dobischat et al. 2010; Rosendahl 2013; Alfänger et al. 2014). Unterschieden werden drei Weiterbildungsfinanzierungsquellen (Rosendahl 2013), für die per Zufall jeweils

1Zum Projektkonsortium gehörten das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE), das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und die Universität Duisburg-Essen (UDE). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf acht Betriebsfallstudien, die vom Projekt-partner UDE durchgeführt wurden. Zu den projektbeteiligten Personen an der UDE gehör-ten: Rolf Dobischat, Marcel Fischell, Anna Rosendahl, Julia Alfänger, Arne Elias und Robert Cywinski.2Eine Zusammenfassung der hier thematisierten acht BFS sowie sechs weiterer im gleichen Projekt realisierter Fallstudien findet sich bei Rosendahl und Lencer (2016).

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zwei bis vier außerbetriebliche Fallstudienunternehmen ausgewählt wurden, die entweder schwerpunktmäßig oder u. a. in Nordrhein-Westfalen (NRW) tätig sind:

1. Weiterbildungsanbieter im Feld der überwiegend3 betrieblich finanzierten Wei-terbildung (BFS 1 und 6);

2. Weiterbildungsanbieter im Feld der überwiegend staatlich finanzierten Weiter-bildung (BFS 2, 4 und 5);

3. Weiterbildungsanbieter, die sich überwiegend aus privaten Teilnehmer- und/oder Mitgliedsbeiträgen, aus Zuschüssen ihrer Trägerorganisationen bzw. ihrer Hauptanteilseigner finanzieren (BFS 3, 7 und 8).

Die BFS wurden in Form eines multimethodischen Designs realisiert4. Die Aus-wertung des empirischen Materials erfolgte mithilfe einer kategoriengestützten qualitativen Inhaltsanalyse (vgl. Kuckartz et al. 2008). Als Auswertungskatego-rien wurden die vorgestellten Ökonomisierungsmerkmale genutzt. Zudem wurden weitere Kategorien induktiv aus dem gewonnenen empirischen Fallstudienmate-rial gebildet.

3.1 Institutionelle Geschäftslagen in der Weiterbildung

Die institutionelle Geschäftslage setzen alle befragten Leitungskräfte mit der finanziellen Planungssicherheit als Resultat der jahresdurchschnittlichen Ein-nahmen-Ausgaben-Bilanz ihres Gesamtbetriebs gleich. Bei den angestrebten

4Die Fallstudien umfassten 1) leitfadengestützte offene Experteninterviews mit zehn Ver-tretern der Geschäftsleitung, mit sieben Angestellten der mittleren Leitungsebene bzw. in einer Stabstellenposition sowie mit sechs angestellten bzw. freiberuflichen Lehrkräften ohne Führungsverantwortung. Die Interviews dauerten pro Person in der Regel zwischen 60 und 120 min und wurden – sofern die Zustimmung des zu Interviewenden vorlag – elektronisch aufgezeichnet, danach wörtlich transkribiert, anschließend formalsprachlich fehlerbereinigt und vollständig anonymisiert. 2) wurden anonymisierte standardisierte Fragebögen zur Erfassung prägnanter institutioneller und persönlicher Eckdaten verwen-det. 3) wurden bei Bedarf Dokumentenanalysen vorgenommen, bspw. von vorliegenden Geschäftsberichten, der Webauftritte, von Dokumenten, die dem Projektteam durch die Fallunternehmen bereitgestellt wurden, sowie Informationen Dritter (z. B. Presseberichte, Zeitungsartikel etc.).

3Das Selektionskriterium überwiegend knüpft an den wbmonitor von BIBB/DIE und die dort vorgenommene Unterteilung der Weiterbildungsanbieter nach Hauptfinanzierungsquel-len an. Überwiegend ist damit gleichbedeutend mit Anbietern, die ihre Einnahmen zu min-destens 50 % aus einer der genannten Finanzierungsquellen beziehen.

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Bilanzzielen hatte die Hauptfinanzierungsquelle der Einrichtungen keinerlei Einfluss, bedeutsam war vielmehr der Zweck der Unternehmung. Während alle untersuchten gewinn-/umsatzorientierten Anbieter (BFS 1, 2, 3, 4 und 5) ihre Geschäftslage an ihren Jahresumsatzrenditen bzw. -verlusten festmachten, war für die einbezogenen gemeinnützigen und öffentlich-rechtlichen, allesamt nicht gewinnorientierten Anbieter (BFS 6, 7 und 8) der jahresdurchschnittlich erreichte Kostendeckungsgrad der zentrale Indikator. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass die Geschäftslage von allen untersuchten Einrichtungen mit dem Merkmal Effizienz assoziiert wird. Allerdings unterscheidet sich der Ökonomisierungsgrad der Anbieter je nach Unternehmenszweck. Gewinnorientierte Anbieter liegen mit ihrem Bezug auf den Gewinn bzw. Umsatz auf der Ökonomisierungsstufe 4, nicht-gewinnorientierte Einrichtungen mit ihrem Bezug zur Kostendeckung hin-gegen auf Stufe 3.

Im Folgenden werden die Ergebnisse zu den Geschäftslagen sowie diesbezüg-lich relevanten Einflussfaktoren getrennt für die drei Weiterbildungsanbietertypen vorgestellt.

3.1.1 Geschäftslagen von betrieblich finanzierten Weiterbildungsanbietern

Die betrieblich finanzierten Anbieter (BFS 1 und 6) bieten primär Angebote zur beruflichen Anpassungs- und Aufstiegsfortbildung für Erwerbstätige an, die über-wiegend durch Betriebe und nur in Ausnahmefällen ausschließlich durch einzelne Teilnehmer finanziert werden. Beide befragten Geschäftsführungen bewerten die Geschäftslage ihrer Einrichtungen positiv und begründen dies mit der kons-tant hohen Nachfrage von Teilnehmenden und der damit einhergehenden stabilen (BFS 6) bzw. wachsenden (BFS 1) Umsatz-/Einnahmeentwicklung ihrer Unter-nehmen.

Die stabil-hohe Nachfrage von Teilnehmenden bzw. Betrieben führen die interviewten Geschäftsführer weitgehend auf identische Einflussfaktoren zurück. Als diesbezügliche Grundvoraussetzung nennen die Befragten unisono eine kon-sequente Ausrichtung ihrer Angebote an den Kunden-/Teilnehmererwartungen, damit sie sich längerfristig im Wettbewerb gegenüber anderen Anbietern im glei-chen Marktsegment behaupten können. Die untersuchten Anbieter unterscheiden sich allerdings in dem Grad ihrer Kundenorientierung. Die BFS 1 konzipiert ihre Angebote immer nach den Wünschen der zahlenden Kundschaft. Demgegenüber ordnet die BFS 6 bei ihren Angebotsentscheidungen die Wünsche der Kunden den eigenen fachlich-didaktischen und damit pädagogischen Qualitätsansprü-chen unter und das, obwohl dies gegenüber Konkurrenzanbietern zuweilen Wett-bewerbs- und Einnahmenachteile mit sich bringt. Diese Haltung begründet der

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Leiter der BFS 6 mit der Rechtsform der Institution, denn pädagogische Quali-tätserwägungen könnten bei Planungsentscheidungen nur deshalb stärker gewich-tet werden als die Erwartungen der zahlenden Kunden, weil die BFS 6 nicht gewinnmaximierend, sondern lediglich kostendeckend wirtschaften muss.

Die stabil-hohe Teilnehmernachfrage wird von beiden Geschäftsführungen zudem mit der vergleichsweise konkurrenzarmen Marktposition der Anbieter erklärt. Dies führen sie zum einen auf thematische Alleinstellungsstellungsmerk-male ihrer Weiterbildungsangebote zurück. Zum anderen verweisen sie auf die hohe Reputation ihrer jeweiligen Dach- bzw. Mutterorganisation in der Gesamt-wirtschaft, die bedingt durch den Umstand, dass der Name der Dachorganisati-onen auf den von ihnen verliehenen Weiterbildungsabschlüssen und -zertifikaten genannt wird, begünstige, dass der Großteil ihrer Angebote trotz ähnlicher Inhalte stärker nachgefragt würde als die der namentlich unbekannteren Konkurrenz.

Als dritten positiv wirkenden Einflussfaktor nennen die Befragten verschie-dene Gesetze, die die Nachfrage nach ihren Weiterbildungsangeboten entweder im Sinne von Anreizen stimulieren, indem sie die Teilnahme staatlich fördern und staatlich anerkannte Abschlüsse garantieren (BFS 6), oder indem sie durch obli-gatorische Qualifizierungs- und Qualifikationsvorschriften eine Weiterbildungs-nachfrage durch Betriebe nahezu aller Wirtschaftszweige unmittelbar evozieren (BFS 1).

Zusätzlich zur günstigen Nachfrage am Weiterbildungsmarkt führen beide Anbieter ihre gute Geschäftslage auf die gesamtkonjunkturelle Lage zurück, da sich diese immer dann nachfrageförderlich auswirke, wenn sie Unternehmen und damit betrieblichen Weiterbildungsfinanziers ausreichend finanziellen und zeitlichen Spielraum einräumt, um Angestellte für Weiterbildungszeiten frei-stellen und/oder deren Weiterbildungskosten (ko-)finanzieren zu können. Dieser Einflussfaktor ist nach Ansicht der Befragten insbesondere in solchen Weiterbil-dungsthemen relevant, in denen Unternehmen keine rechtliche Verpflichtung zur Weiterbildung haben, sondern in denen die Entscheidung zur Weiterbildungsteil-nahme bzw. -finanzierung bei den Unternehmen liegt.

Ausschließlich vom Leiter der BFS 1 wurde als lagebeeinflussender Faktor außerdem die Teilnehmerzusammensetzung genannt, da sie die Gewinnmarge einzelner Weiterbildungsangebote beeinflusse. Generell hätten Weiterbildungsver-anstaltungen, die sich an Arbeitnehmer mehrerer zahlender Betriebe richten, in der Regel höhere Gewinnmargen als Inhouse-Schulungen für lediglich einen zah-lenden Betriebskunden. Der Leiter der BFS 1 begründet die gute Geschäftslage daher auch damit, dass die Mehrheit der umgesetzten Weiterbildungsveranstaltun-gen offen für Arbeitnehmer verschiedener Betriebe konzipiert ist.

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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die positive Geschäftslage der unter-suchten, überwiegend betrieblich finanzierten Weiterbildungsanbieter von bei-den Geschäftsleitungen sowohl auf einrichtungsspezifische Faktoren als auch auf Rahmenbedingungen des Marktes zurückgeführt wird. Neben der hohen Weiterbildungsnachfrage und der im Vergleich zu anderen Anbietern günstigen Wettbewerbsposition am Markt nennen sie ihre hohe Kundenorientierung, ihre diversifizierte Teilnehmerzusammensetzung sowie die positive Reputation, die ihre Trägerorganisationen im Außenraum genießen. Des Weiteren verweisen sie auf die nachfrageförderliche gesamtkonjunkturelle Situation. Beeinflusst sei ihre Lage außerdem durch Gesetze, was dokumentiert, dass der Staat in den von die-sen Anbietern bedienten Angebotssegmenten gerade keine subsidiäre Rolle und keine vollständige Privatisierung der Weiterbildungskosten vorsieht und damit keine vollständige Ökonomisierung etabliert hat. Insofern liefern die nachfrage-gesteuerte Marktorganisation und der Wettbewerb als Merkmale einer Ökonomi-sierung zwar durchaus eine Teil-, nicht aber eine erschöpfende Erklärung für die positive Geschäftslage der untersuchten betrieblich-finanzierten Weiterbildungs-anbieter.

3.1.2 Geschäftslagen von staatlich finanzierten Weiterbildungsanbietern

Im Gegensatz zu allen anderen untersuchten Weiterbildungsanbietern stellt sich die Geschäftslage der einbezogenen, überwiegend staatlich finanzierten Anbie-ter (BFS 2, 4 und 5) zum Untersuchungszeitpunkt deutlich negativer dar. Dieses machen die drei Anbieter an erheblichen Umsatzrückgängen und ihren negativen Geschäftsbilanzen in den letzten Jahren fest. Zurückgeführt wird diese Nega-tiventwicklung von den Geschäftsleitungen unisono zum einen auf die seit den Hartz-Reformen gewandelte Förderphilosophie und Nachfrage der BA als ihrem Hauptfinanzier und zum anderen auf einrichtungsspezifische Faktoren.

Speziell zur gewandelten Förderphilosophie der BA als Einflussfaktor berich-ten solche Anbieter, die ihre Weiterbildungsangebote überwiegend durch Bil-dungsgutscheine refinanzieren (BFS 2 und 5), von zum Teil anderen Effekten als der Anbieter, dessen Bildungsmaßnahmen nach Vergaberecht durch die BA bzw. die Jobcenter finanziert werden (BFS 4). Diese unterschiedlichen Effekte korrespondieren mit der differierenden Rolle der BA im Kontext dieser beiden Förderinstrumente. Während die BA mit Bildungsgutscheinen einen nachfrage-gesteuerten Quasi-Markt etabliert hat, auf dem sie selbst lediglich subsidiär als Finanzier auftritt, ist sie im Bereich der Vergabemaßnahmen nicht nur Finanzier, sondern zugleich auch Monopolnachfrager (vgl. Rosendahl 2013).

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Die Anbieter mit einer hauptsächlichen Finanzierung durch Bildungsgut-scheine (BFS 2 und 5) führen die Umsatzeinbußen auf mehrere mit den Hartz-Reformen eingeführte Ökonomisierungsmerkmale zurück:

1. Sinkende Teilnehmervolumina und kürzere Förderlaufzeiten pro Teilnehmer, die bekanntermaßen dem Streben der BA nach kurzfristiger Effizienzstei-gerung der Arbeitsförderung geschuldet sind (vgl. Rosendahl 2013; Heisler 2013).

2. Den mit Bildungsgutscheinen staatlich kreierten Quasi-Markt, der steigende Marketingausgaben der Anbieter mit sich brachte, die seitens der BA nicht durch zusätzliche Mittel kompensiert wurden.

3. Gesteigerter Wettbewerb zwischen den Anbietern um Teilnehmer.4. Subsidiäre Rolle der BA, die sich darin äußert, dass die BA seit Inkrafttreten

der Hartz-Reformen weniger Teilnehmer fördert, die Zahl der um Teilnehmer konkurrierenden Anbieter aber nicht entsprechend reduziert wurde, wodurch die Anbieter ihre Weiterbildungsangebote kaum mehr kostendeckend anbieten können.

Auch der Geschäftsführer der primär über das Vergaberecht geförderten BFS 4 führt die negative Geschäftslage auf die Effizienz als leitende, seiner Ansicht wenn nicht sogar einzige Fördermaxime der BA und auf das die Nachfrage der BA übersteigende Angebot potenzieller Anbieter am Markt zurück. Zudem begründet er die Lage mit dem im Vergaberecht quasi gesetzlich vorgeschriebe-nen Preisunterbietungswettbewerb der Anbieter5. Diese drei Ökonomisierungs-merkmale als Hauptursache der negativen Geschäftslage bringt der befragte Geschäftsführer wie folgt auf den Punkt:

Der Grund [unserer negativen Geschäftslage] ist, dass einfach weniger Geld auf dem Markt ist. (…) [D]ie Zahl und das Volumen der Ausschreibungen [sind] gesun-ken und damit ist auch unser Umsatzvolumen zurückgegangen. (…) Das ganze Aus-schreibungsgeschäft ist (…) darauf ausgelegt, dass es den Finanziers im Prinzip egal ist, ob in diesem Bereich menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Mindestlöhne möglich sind oder nicht. Irgendeinen „billigen Jacob“ gibt es immer und der wird dann auch ausgewählt. (…) Ganz nach dem Motto, die Qualität, die ich für diesen Preis bekomme, die ist es dann halt und fertig (BFS 4, I-1; Einfügungen und Auslas-sungen d. Verf.).

5vgl. dazu auch den Beitrag von Knuth in diesem Band.

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Zusätzlich führen alle drei Anbieter ihre negative Geschäftsbilanz auf staatlich vorgeschriebene externe Evaluationsverfahren zurück, da diese zu steigenden Administrations- und Personalkosten geführt haben, die ihrer Ansicht nach allein aus ihren Einnahmen von der BA nicht gedeckt werden können. Insofern ist die negative Geschäftsbilanz der untersuchten Anbieter auch vom Ökonomisierungs-merkmal Technologisierung beeinflusst, denn derartige Evaluations- und Zertifi-zierungsverfahren markieren zentrale Steuerungsinstrumente des Staates in einem ökonomisierten Bildungssystem (vgl. Höhne 2015, S. 24).

Jenseits dieser Ökonomisierungsmerkmale begründen die Befragten ihre nega-tive institutionelle Geschäftslage unisono mit drei einrichtungsspezifischen Fak-toren:

1. Geschäftsausrichtung/-strategie2. Regionale Lage3. Gesellschafterstruktur und -motive

Erstens verweisen alle drei Geschäftsleitungen auf die Geschäftsausrichtung und -strategie. Diese stufen die Befragten selbstkritisch als überdurchschnittlich krisenanfällig ein, da diese zu einseitig und zu substanziell auf die Zahlungsbe-reitschaft eines einzigen Hauptfinanziers ausgerichtet sei, wie die Aussage des Geschäftsführers der mittlerweile insolventen BFS 2 deutlich macht:

Und das ist (…) eigentlich das Problem, das die gesamte Branche und auch damals die (…) [BFS 2] gekennzeichnet hat: Man ist sehr schnell abhängig von einem Auf-traggeber, (…) [hier] ist dies die Arbeitsagentur. (…) Und in dem Moment, in dem der Hauptauftraggeber sagt, ich kann, will oder mach nicht mehr, hat die Gesell-schaft ein finanzielles Problem (BFS 2, I-1; Einfügungen und Auslassungen d. Verf.).

Die drei Einrichtungsleitungen stufen die Möglichkeiten einer Risikokompensa-tion bspw. durch Erschließen neuer Fördersegmente als sehr begrenzt ein. Dies betrifft primär den Eintritt in den betrieblich und individuell finanzierten Wei-terbildungsmarkt, da diese Märkte von der Angebotsseite her jeweils so gut wie gesättigt seien und auch das Nachfragevolumen zu klein sei, damit sie als neuer Anbieter auch ein nur annähernd gleich großes Umsatzvolumen wie vormals im BA-geförderten Bereich erreichen könnten.

Als zweiten einrichtungsspezifischen Einflussfaktor nennen die Anbieter die regionale Lage ihres/ihrer Standorts/e. So beeinflusse die Region bzw. die regionale Arbeitslosenquote zum einen das prinzipielle Markt- bzw. Nachfra-gevolumen der BA. Zum anderen verweisen sie auf die große Anbieter- bzw.

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Konkurrenzdichte in ihrem unmittelbaren Umfeld, der Metropolregion Ruhrge-biet in NRW, die das Erschließen mindestens kostendeckender Teilnehmerzahlen deutlich schwieriger mache als in ländlichen, wenig besiedelten Gebieten. Die-ses Ergebnis unterstreicht, dass die regionale Marktpositionierung der Anbieter grundsätzlich mit beeinflusst, ob und wie sich die Ökonomisierungsmerkmale Markt und Wettbewerb auf ihre Geschäftslagen jeweils auswirken.

Drittens können sich Einflussnahmen durch und die Motive der jeweiligen Hauptgesellschafter/Anteilseigner auf die Geschäftslagen von Weiterbildungs-anbietern sowohl stabilisierend als auch destabilisierend auswirken, wie dies ein Vergleich der BFS 2 und 5 deutlich macht. Beide Einrichtungen bedienen thema-tisch die gleichen Marktsegmente in derselben Region und weisen eine ähnlich negative Geschäftslage auf. Trotz vergleichbarer Lage besteht die inhabergeführte BFS 5 weiterhin fort, während die von einer Muttergesellschaft getragene BFS 2 mittlerweile insolvent ist. Diese unterschiedliche Entwicklung begründet der Lei-ter der BFS 2 mit einer Selbstausbeutungs- und Insolvenzverschleppungstendenz in inhabergeführten Unternehmen, die betriebswirtschaftlich ineffizient sei und in seinem Mutterunternehmen – anders als von Inhabern – generell nicht in Betracht kommt. Allerdings scheint das Streben nach größtmöglicher Effizienz als Ent-scheidungsmaxime nicht bei allen privatwirtschaftlichen Weiterbildungsanbietern in Trägerschaft eines anderen Unternehmens als Erklärung relevant zu sein. So hat sich die Muttergesellschaft der ebenfalls unternehmensgetragenen BFS 4 trotz jahrelang negativer Bilanzen aus sozialpolitischen Gründen und Imagemotiven heraus für eine Fortführung der Unternehmung entschieden. Insofern ist das Effi-zienzkriterium im Sinne von Gewinnmaximierung bzw. Kostendeckung nicht in jedem Fall einziger und ausschlaggebender Entscheidungsmaß der Hauptanteils-eigner, sondern bei der Frage nach dem Erhalt oder der Schließung einer eigent-lich verlustträchtigen Einrichtung spielen auch nicht monetäre Kalküle eine Rolle.

Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass die Leitungen die negative Lage der untersuchten, hauptsächlich durch die BA finanzierten Anbieter nicht nur auf die Ökonomisierung zurückführen, sondern auch auf einrichtungsspezifische Fakto-ren. Mit Blick auf die Ökonomisierung kommen als Erklärung die Effizienz und technologisierte Steuerung des Hauptfinanziers, der Quasi-Markt und der Wett-bewerb sowie speziell im Bildungsgutscheinsegment außerdem die subsidiäre Rolle des Staates bei der Anbieterauswahl zum Tragen. Als einrichtungsspezifi-sche Einflussfaktoren wurden die einseitige Geschäftsausrichtung und -strategie, die regionale Standortlage und die unterschiedlichen Supportmöglichkeiten und -bereitschaften der Hauptgesellschafter genannt. Insofern liefert die Ökonomi-sierung in diesem Finanzierungssegment zwar durchaus eine sehr zentrale, nicht aber eine ausschließliche und abschließende Erklärung für die Geschäftslagen der Weiterbildungsanbieter.

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3.1.3 Geschäftslagen von privat finanzierten Weiterbildungsanbietern

Die drei zu diesem Typus untersuchten Anbieter zeichnen sich im Vergleich zu allen anderen untersuchten Anbietern durch eine größere Mischfinanzierung aus, der Hauptteil ihrer Einnahmen stammt allerdings aus privaten Quellen wie Kur-sentgelten von Selbstzahlern und Zuschüssen ihrer Träger bzw. Hauptanteilseig-ner. Daneben beziehen sie zu kleineren Anteilen staatliche Gelder; so z. B. Mittel nach den Bildungsurlaubs- bzw. Erwachsenenbildungsgesetzen der Länder und projektbezogene Drittmittel (BFS 7 und 8), Mittel der Arbeitsagenturen basie-rend auf Bildungsgutscheinen (BFS 3) sowie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Integrationskurse (BFS 8). Die Anbieter unterscheiden sich durch ihre Rechtsformen und Angebotsschwerpunkte. Die BFS 7 ist ein gemeinnütziger Zweckbetrieb in Trägerschaft einer Arbeitnehmerorganisation und engagiert sich in der politischen Weiterbildung primär für Gewerkschafts-mitglieder und Betriebsräte. Die gemeinnützige BFS 8 steht unter kirchlicher Trägerschaft und bietet schwerpunktmäßig Angebote der Familien- und Erwach-senenbildung an. Demgegenüber ist die BFS 3 ein gewinnorientiertes Joint Ven-ture, die in der beruflich-betrieblichen Aus- und Weiterbildung primär im Auftrag einer ihrer zwei Hauptgesellschafter, einem Konzern der Automobilindustrie, und zu geringem Anteil auch für die BA tätig ist.

Die Geschäftslagen dieser drei Anbieter unterscheiden sich erheblich. Wäh-rend die befragten Geschäftsführer der BFS 7 und 8 die derzeitige Lage als stabil positiv bewerten, fällt die Lageeinschätzung in der BFS 3 verhalten und für die nahe Zukunft skeptisch aus. Die aktuelle Lage wird von allen Geschäftsführern mit der gegenwärtigen Nachfrage ihrer Teilnehmer bzw. Kunden nach den von ihnen angebotenen Veranstaltungen, d. h. mit dem Kriterium Markt, begründet. Die Nachfragesituation stellt sich in der BFS 7 und 8 als im Vergleich zu Kon-kurrenzanbietern überdurchschnittlich gut und zeitlich stabil dar, in der BFS 3 hingegen wird sie als absehbar sinkend eingeschätzt. Im Hinblick auf die derzei-tige Nachfragesituation nennen die Geschäftsführer unterschiedliche Gründe, die hochgradig einrichtungsspezifisch akzentuiert sind.

Der Geschäftsführer der BFS 7 führt die günstige Nachfragesituation seiner Einrichtung einerseits auf die niedrige Konkurrenzdichte, also auf den geringen Wettbewerb am gewerkschaftsnahen Anbietermarkt, zurück. Anderseits nennt er das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und den dort verbrieften individuel-len Rechtsanspruch von Betriebsräten auf Arbeitszeitfreistellung zum Zweck der Teilnahme an Betriebsräteschulungen, was eine ausreichende und stetige Nach-frage nach Betriebsräteschulungen analog zu den Rhythmen der Betriebsratswah-len sicherstelle. Darüber hinaus erklärt der Leiter die hohe Nachfrage mit drei

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einrichtungsspezifischen Strategien, die eine starke Wettbewerbsposition der BFS 7 gegenüber Konkurrenzanbietern garantieren:

1. Angebotsvermarktungsstrategien, die eine kontinuierliche politische Lobbyar-beit, ein permanentes Networking und eine konsequente Direktansprache der Einzelgewerkschaften und ihres Dachverbandes umfassen und intendieren, Weiterbildungsbedarfe der Zielklientel zu identifizieren, das Bildungsangebot adressatengerecht zu bewerben und Teilnehmer zu gewinnen.

2. Die Angebotsstrategie „Von Profis für Profis“ (BFS 7, I-1), die im Kern auf den Einsatz von ehrenamtlichen, im Hauptberuf in der betrieblichen Mitbe-stimmungspraxis und in der Gewerkschaftsarbeit tätigen Lehrkräften hinaus-läuft und eine hohe Praxisrelevanz des Seminarangebots als Voraussetzung für eine hohe Nachfrage von Arbeitnehmern gewährleisten soll.

3. Effizienzmaximierende Strategien, die zum einen die Infrastrukturkosten durch flexible Anmietung von Seminargebäuden und die zum anderen die Lehrpersonalkosten durch den Einsatz von ehrenamtlichen, lediglich durch eine Aufwandspauschale vergüteten Dozenten möglichst niedrig halten sollen.

Auch der Leiter der BFS 8 führt den vergleichsweisen hohen Teilnehmerzulauf seiner Institution auf die im Vergleich zu anderen Weiterbildungsanbietern vor-teilhafte Markt- und Wettbewerbsposition, auf die hohe Reputation der Institution im örtlichen Einzugsgebiet sowie auf einrichtungsspezifische Marktstrategien zurück. Anders als in der BFS 7 betreffen diese einrichtungsspezifischen Strate-gien primär das Angebotsportfolio, das unternehmensstrategisch bedingt weit über die Weiterbildung hinausreicht, denn es schließt den gesamten Bereich der außerschulischen Bildung ein, angefangen von der Kinderbetreuung über den Ganztagsschulbereich bis hin zur Erwachsenen- und Familienbildung. Mit die-ser breiten Angebotsausrichtung zeichnet sich die BFS 7 nach Auffassung des Geschäftsführers durch ein Alleinstellungsmerkmal aus, die diverse Wettbewerbs-vorteile mit sich bringt und so zur stabil-positiven Geschäftslage beiträgt. Diese Wettbewerbsvorteile ergeben sich nach seiner Auffassung insbesondere

1. aus den bereits vorhandenen Kinderbetreuungskapazitäten, die Weiterbildungs-teilnehmern als attraktive Zusatzdienstleistung angeboten werden können;

2. aus dem vorhandenen Netzwerk von Eltern der betreuten Kinder, das zur gezielten Werbung und Akquise von Weiterbildungsteilnehmern genutzt wird;

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265Ökonomisierung der Weiterbildung …

3. aus dem vorhandenen Fachkräftebestand speziell im Elementarbereich (Kin-derpfleger, Erzieher etc.), der es ermöglicht, auch Bildungsangebote zur beruflichen Aus- und Weiterbildung für nachrückende Fachkräfte im Elemen-tarbereich anzubieten.

Zusätzlich zu diesen Faktoren begründet der Geschäftsführer die positive Lage mit der spezifischen Einnahmezusammensetzung. Vorteilhaft sei die Regelför-derung durch ihren Träger und durch das Land NRW basierend auf dem Wei-terbildungsgesetz, die zusammen genommen in der Weiterbildungssparte dieser Institution zu einer hohen Planungssicherheit führen, da sie die anfallenden Fix-kosten für Infrastruktur und angestellte Mitarbeiter decken. Diese institutionellen Basisförderungen bewertet er im Vergleich zu komplett von unstetigen Teilneh-merzahlen abhängigen Einnahmen als Geschäftslage stabilisierend. Diese posi-tive Wirkung macht er im Vergleich zu der Integrationskursförderung des BAMF deutlich, denn die dort gezahlten Fördersätze pro Teilnehmer bezeichnet er als Verlustgeschäft, da diese bei weitem nicht personalkostendeckend seien. Da die Integrationskurse allerdings lediglich einen kleinen Einnahmeanteil der BFS 8 ausmachen, wirken sich die dortigen Realverluste nach Auffassung der Leitung in summa nicht geschäftsschädlich aus. Insofern ist die institutionelle Geschäfts-lage in diesem Fall nicht durch die Einnahmequelle bzw. durch die Nachfrage per se beeinflusst, sondern begründet sich vielmehr aus der relativen Bedeutung, die verschiedene Nachfrager als Einnahmequellen an den institutionellen Gesamtein-nahmen jeweils haben.

Komplementär zu den Begründungen der BFS 7 und 8 stellt sich die Erklä-rung des Leiters der BFS 3 dar, denn dieser nennt primär die sinkenden Teilneh-merzahlen als Hauptbegründung für die negative Lageeinschätzung. Allerdings gibt es in diesem Punkt eine entscheidende Besonderheit der BFS 3, denn diese bestreitet ihre Einnahmen – anders als die BFS 7 und 8 – zu 70 % mit Geldern eines einzigen privaten Finanziers und weist damit eine sehr einseitige Geschäfts-ausrichtung aus. Dies markiert der Leiter der BFS 3 als „hausgemachtes Prob-lem“, das er durch eine Ausweitung seines Angebotsportfolios und dadurch bedingt seines Teilnehmer- und Kundenkreises mittel- bis langfristig zwar lösen möchte, gleichwohl ist er diesbezüglich pessimistisch. Diese Einschätzung begründet er mit den Barrieren in den potenziellen Alternativmärkten. Zum einen gäbe es in den avisierten Bereichen der betrieblichen Weiterbildung zu viel Kon-kurrenz und zum anderen eine gesättigte Nachfrage potenzieller Kunden. Des-halb sei es für ihn eher unrealistisch, dass die BFS 3 zukünftig genug alternative Einnahmen erwirtschaften wird, um die laufenden Fixkosten der Institution zu decken, geschweige denn um Gewinne zu erzielen.

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Fallübergreifend ist festzuhalten, dass die Geschäftslage der untersuchten, überwiegend privat finanzierten Weiterbildungsanbieter primär auf die Wett-bewerbs- und Konkurrenzdichte und auf das prinzipielle Nachfragevolumen in bestimmten thematischen Weiterbildungsteilmärkten zurückgeführt wird. Inso-fern kommen in diesem Finanzierungssegment – vergleichbar zu den unter-suchten, überwiegend betrieblich finanzierten Weiterbildungsanbietern (vgl. Abschn. 3.1.1) – als Erklärung primär die Ökonomisierungsmerkmale Markt/Vermarktlichung und Wettbewerb zum Tragen. Die anderen Ökonomisierungs-merkmale hingegen spielen als Erklärung – wenn überhaupt – nur in einzelnen Marktsegmenten eine Rolle. Dies betrifft insbesondere die Merkmale Privatisie-rung und Subsidiarisierung. Dazu belegen die BFS 7 und 8, dass der Staat über Gesetze und Förderrichtlinien in einige Angebotsbereiche dieser Anbieter ein-greift und sich dieses Eingreifen auf die monetäre Bilanz der Anbieter sowohl positiv als auch negativ auswirken kann.

3.2 Einkommenslagen des Weiterbildungspersonals

Im Folgenden werden die Fallstudienergebnisse zu den Einkommenslagen des Weiterbildungspersonals sowie zu diesbezüglichen Einflussfaktoren getrennt für die drei konstruierten Anbietertypen vorgestellt. In den Fallstudien wurde das Personal als Sammelbegriff verwendet, der alle Personen einschließt, die für die Fallstudienbetriebe im Geschäftsfeld Weiterbildung entweder im Angestellten-verhältnis oder auf freiberuflicher Basis (Honorarkräfte) administrative, leitende, lehrende und/oder supportbezogene Aufgaben (z. B. in Beratung, Marketing, Qualitätsmanagement) erbringen. Die Einkommenslage wurde am Erwerbs-einkommen aus der Weiterbildungstätigkeit, bei den Angestellten am Brutto-monatseinkommen und beim freiberuflichen Personal am Bruttostunden- bzw. Bruttotagessatz, festgemacht6.

6Diese Schwerpunktsetzung knüpft an vorliegende empirische Befunde an, denen zufolge das Brutto- und nicht das Nettoeinkommen ein geeigneter Indikator der Einkommenslage verschiedener Erwerbsgruppen markiert (vgl. dazu Dobischat et al. 2010; Alfänger et al. 2016).

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267Ökonomisierung der Weiterbildung …

3.2.1 Einkommenslagen des Personals von betrieblich finanzierten Weiterbildungsanbietern

Im Segment der überwiegend betrieblich finanzierten Weiterbildung wurden sowohl zwischen als auch innerhalb der untersuchten Einrichtungen große Ein-kommensunterschiede insbesondere zwischen den Angestellten und den Hono-rarkräften festgestellt. Diese Unterschiede hängen primär damit zusammen, dass diese beiden Statusgruppen in den Einrichtungen unterschiedliche Arbeitsfelder besetzen, in denen die Institutionen jeweils eigene Vergütungspraxen nutzen.

Sozialversicherungspflichtige Angestellte sind in den untersuchten Unterneh-men entweder in leitenden, in planend-koordinierenden oder in administrativ-organisatorischen Aufgabenfeldern hauptberuflich7 tätig. Die Einkommenshöhe der Angestellten ist in beiden Institutionen jeweils tarifvertraglich geregelt; in der BFS 1 gibt es einen hauseigenen Tarifvertrag und in der BFS 6 gilt der Tarifver-trag für den öffentlichen Dienst (Bund). Zwar liegen die tariflichen Monatsbrutto-einkommen der Angestellten bei beiden Anbietern bei vergleichbaren Tätigkeiten auf einem vergleichbaren Niveau; so verdienen bspw. vollzeitbeschäftigte Bil-dungsreferenten/Fachbereichsleitungen in beiden Einrichtungen monatlich ein Tarifentgelt von rund 4300 € brutto. Allerdings bestehen zwischen den Anbietern signifikante Unterschiede im Hinblick auf die Kriterien zur Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine Tarif- bzw. Gehaltsgruppe. In der BFS 6 ergibt sich die tarifliche Eingruppierung und damit die Entgelthöhe aus dem Aufgabenfeld und geforderten Qualifikationsniveau der Stelle sowie aus der Dauer der Betriebszug-hörigkeit des Stelleninhabers. In der BFS 1 resultiert die tarifliche Einordnung hingegen ausschließlich aus der hierarchischen Position der Stelle und ist somit vom hierarchisch-funktionalen Aufgabenbereich der Beschäftigten beeinflusst, während das individuelle Qualifikationsniveau und die Dauer der Betriebszuge-hörigkeit bei diesem Anbieter keine Auswirkungen auf die Höhe des Tarifentgelts haben.

Ein weiterer, für die faktische Einkommenshöhe der Angestellten folgenrei-cher Unterschied betrifft die Option auf außertarifliche Gehaltszulagen. Diesen Gehaltsbestandteil räumt nur die gewinnorientierte privatwirtschaftliche BFS 1 ein, während die BFS 6 aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Gemeinnützig-keit der Institution nach Aussage des Geschäftsführers zum Zahlen außertarifli-cher Zulagen nicht befugt sei. Außertarifliche Gehaltszulagen werden in der BFS

7Im Folgenden bezieht sich der Terminus Hauptberuf bzw. hauptberuflich auf Erwerbstä-tige, die mindestens 50 % ihres Einkommens mit der Weiterbildungstätigkeit bestreiten und mehr als die Hälfte ihrer Gesamtarbeitszeit dafür aufwenden. Personen, auf die diese Merk-male nicht zutreffen, werden als Nebenberufler eingeordnet.

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1 zwischen dem Arbeitgeber und dem jeweiligen Arbeitnehmer individualvertrag-lich ausgehandelt und hängen nach Ansicht einer befragten Bildungsreferentin maßgeblich von den vertraglich vereinbarten Aufgabenspektrum und -pensum übersteigenden Leistungen des jeweiligen Arbeitnehmers ab.

Alle befragten Angestellten bewerten ihre Einkommen zwar als auskömmlich, gleichwohl schätzen sie diese gemessen an ihren faktisch gestiegenen Aufga-ben und Arbeitsbelastungen in den letzten Jahren wie auch vor dem Hintergrund der guten Geschäftslage ihrer Unternehmen als ausbaufähig ein. Die sich hier andeutende Unzufriedenheit mit dem Gehalt veranlasst die Befragten aber nicht zu einem Arbeitgeber- oder Branchenwechsel, was sie mit dem guten Betriebs-klima im Unternehmen wie auch mit ihrer privaten Situation (Standortgebunden-heit etc.) begründen. Dies signalisiert, dass die befragten Angestellten in diesem Weiterbildungssegment ihren Wunsch nach einer leistungsadäquateren Vergütung letzten Endes nicht monetären (Erwerbs-)Motiven und Präferenzen unterordnen und sie ihr Erwerbshandeln damit nicht allein von monetären Effizienzkalkülen abhängig machen.

Grundsätzlich anders gelagert und beeinflusst sind die Einkommen der Hono-rarkräfte, die in den untersuchten Einrichtungen ausschließlich und als einzige Personalkategorie überhaupt Lehrtätigkeiten übernehmen. Die Geschäftsleitun-gen bezeichnen den Einsatz ausschließlich von Honorarkräften im Lehrbetrieb als gezielte Unternehmensstrategie, um erstens eine hohe Personalflexibilität bei gleichzeitig geringen Kostenrisiken der Institutionen zu realisieren. Zweitens ver-sprechen sich die Anbieter hierdurch Wettbewerbsvorteile, denn über Honorar-verträge können sie nebenberufliche, ansonsten in anderen Wirtschaftszweigen haupterwerbstätige Dozenten gewinnen, die ihrer Ansicht nach die Praxisrelevanz der Lehrinhalte optimieren und somit eine nötige Voraussetzung legen, dass ihre Weiterbildungsthemen von Betrieben und Beschäftigten der freien Wirtschaft nachgefragt werden. Diese Befunde dokumentieren, dass die anbieterseitig prak-tizierte Vertragsbindungsstrategie bei den Lehrkräften eindeutig von ökonomi-schen Geschäftskalkülen und damit von Merkmalen der Ökonomie beeinflusst ist, nämlich zum einen vom Streben nach möglichst großer (Personalkosten-)Effizienz und zum anderen vom Wettbewerb und dem Erfordernis einer möglichst hohen Kundenorientierung.

Zur Höhe der Dozentenhonorare belegen die Fallstudienbefunde eine große intrainstitutionelle Bandbreite. In der BFS 6 unterscheiden sich die Honorare zwi-schen dem Angebotsbereich der Zertifikatslehrgänge und denen im Bereich der geregelten Aufstiegsfortbildung, bei denen die Dozenten immer 33 € pro Unter-richtsstunde ohne weitere Nachverhandlung erhalten, sowie dem Bereich der

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firmenspezifischen Lehrgänge, in denen die Dozenten Tagessätze zwischen 500 und 1200 € pro Tag erhalten und damit in summa deutlich mehr verdienen. In der BFS 1 erhalten alle Dozenten generell immer Tagessätze, jedoch mit einer großen Spannweite zwischen 350 und 1000 €. Diese faktischen Honorardifferenzen ver-größern sich in beiden Einrichtungen außerdem durch individuell ausgehandelte Teilnehmerzulagen, die den Dozenten ab Überschreiten einer kalkulatorisch kos-tendeckenden Mindestteilnehmerzahl pro Teilnehmer zusätzlich zum Basishono-rar gezahlt werden.

Die Höhe der gezahlten Dozentenhonorare resultiert den Befunden zufolge primär aus Effizienzerwägungen der Vertragspartner. Die Anbieter kalkulieren die angestrebte Honorarhöhe maßgeblich unter Berücksichtigung des jeweils für die Lehrveranstaltung veranschlagten Seminarpreises, wobei die Devise gilt: Höhere Seminarpreise für Teilnehmer = höhere Einnahmen des Anbieters = höhere Honorare für die Dozenten. Darüber hinaus spielt für die Anbieter bei Hono-rarverhandlungen das prinzipiell am externen Arbeitsmarkt verfügbare Dozen-tenangebot eine Rolle. Denn sie lassen sich vor allem in den Seminaren auf die Honorarvorstellungen der Dozenten ein, in denen die Nachfrage das Angebot an geeigneten Dozenten übersteigt. Spiegelbildlich zu den Verhandlungskalkülen der Anbieter stellen sich die Erwägungen der befragten Honorardozenten dar, denn auch diese legen in erster Linie Effizienzkalküle zugrunde. Hierbei stellen sie ihren nötigen Arbeitsaufwand für die Weiterbildungstätigkeit den individuel-len Verdienstmöglichkeiten innerhalb wie außerhalb der Weiterbildungsbranche gegenüber; wie folgendes Zitat eines befragten Honorarreferenten unterstreicht:

Ein Honorar kommt zustande, indem ich etwas anbiete und der andere nimmt es oder nicht und dann entwickelt sich die Honorarsituation ganz maßgeblich dadurch, wie viele Veranstaltungen stattfinden und wie viele nicht. (…) Ich habe zwei Berufe, ich bin Anwalt im Hauptberuf und ich mache Seminare und unterm Strich muss ich (…) gucken, was bringt mir Ende des Tages mehr. (:..) [I]ch mache ja nicht irgend-was, wo ich dann hinterher weniger verdiene (…) im Vergleich zu meiner anwaltli-chen Arbeit (BFS 1, I-3; Einfügungen und Auslassungen d. Verf.).

Zusammengefasst ist zur Einkommenslage des Personals in der betrieblich finanzierten Weiterbildung festzuhalten, dass die Einkommen je nach Art des Arbeitsvertrages nicht nur unterschiedlich hoch ausfallen, sondern dass je nach Vertragsform auch unterschiedliche Faktoren auf ihr Zustandekommen einwir-ken. Bei den Angestellten basieren die Einkommen hauptsächlich auf Tarifver-trägen sowie je nach betrieblichen Gepflogenheiten auf optional verhandelten Leistungszulagen. Bei den Honorarkräften hingegen resultiert die Honorarhöhe

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überwiegend aus individuellen Verhandlungen zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage, die aufseiten beider Verhandlungspartner von Effizienzabwä-gungen und von der Nachfrage am Markt dominiert werden. Insofern liefern die Ökonomisierungsmerkmale Markt und Effizienz bei den Honorarkräften in der betrieblich finanzierten Weiterbildung – zumindest bei den untersuchten Unter-nehmen – wesentliche Teilerklärungen für die Einkommenshöhe. Hingegen stehen die Einkommen der Angestellten lediglich in Bezug auf optionale indivi-duelle Gehaltszulagen in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Effizienz als Ökonomisierungsmerkmal.

3.2.2 Einkommenslagen des Personals von staatlich finanzierten Weiterbildungsanbietern

Im Unterschied zu den untersuchten Anbietern des Finanztypus 1 nutzen nur zwei der drei Fallstudienbetriebe des zweiten Typus unterschiedliche Vertrags-bindungs- und dadurch bedingt variierende Vergütungsstrategien in Abhängig-keit vom funktionalen Aufgabenschwerpunkt ihrer Arbeitskräfte. Dies betrifft die BFS 2 und 5, die in der Lehrveranstaltungsdurchführung ausschließlich Honorarkräfte und in administrativ-leitenden Funktionsfeldern sozialversiche-rungspflichtige Angestellte einsetzen und dies übereinstimmend – vergleichbar zu den BFS des Typus’ 1 – mit der höheren (Personalkosten-)Effizienz, diskon-tinuierlichen Teilnehmerzahlen, Umsätzen und Lehrpersonalbedarfen in ihrem Hauptgeschäftsfeld, dem SGB III geförderten Bildungsgutscheinmarkt, begrün-den. In der BFS 4 ist der Einsatz von sozialversicherungspflichtigen Angestell-ten hingegen in allen Funktionsfeldern der Regelfall, was der Geschäftsführer auf die große Macht und den Einfluss des Betriebsrats auf die innerbetriebliche Personalpolitik und -strategie zurückführt. Darüber hinaus dürfte diese Einsatz-praxis auch mit den Dienstleistungsverträgen der BFS 4 mit der BA als ihrem Hauptfinanzier und den hier vereinbarten Mindestangestelltenquoten beim päd-agogischen Personal zusammenhängen (vgl. Koscheck 2015, S. 326), allerdings wurde dieser Grund in den Interviews nicht explizit genannt.

Mit Blick auf die Höhe der Einkommen gibt es analog zu den dargestellten Befunden des Typus 1 auch in den BFS des zweiten Typus große intrainstitutio-nelle Unterschiede, allerdings nur zwischen den Angestellten, während sich die Verdienste der Honorarkräfte mit durchschnittlich 20–25 € pro Unterrichtsstunde weder inter- noch intrainstitutionell signifikant unterscheiden. Als Haupterklä-rung für diese Honorarsätze nennen die Anbieter übereinstimmend die Effizienz, denn angesichts der niedrigen Fördersätze am BA-geförderten Weiterbildungs-markt könnten sie nur bei diesen Honorarsätzen eine Kostendeckung erreichen.

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271Ökonomisierung der Weiterbildung …

Die Gehälter der Angestellten sind in den drei BFS hingegen vor allem von der jeweils eingenommenen hierarchisch-funktionalen Position beeinflusst. Deutlich werden die funktionsfeldbedingten Gehaltsunterschiede z. B. in der BFS 4 (sowie in der mittlerweile insolventen BFS 2). In der BFS 4 belaufen sich die haustarif-vertraglich geregelten Monatsbruttogehälter der pädagogischen Angestellten auf 2100 bis 2800 € und fallen damit im Durchschnitt um ca. 40–55 % niedriger aus als die Gehälter der Angestellten auf der mittleren Hierarchieebene (z. B. Projekt-leiter, Vertriebspersonal).

Die Höhe der Gehälter begründen die Befragten mit verschiedenen markt-, einrichtungs- und personalbedingten Einflussfaktoren.

Als Haupteinflussfaktor nennen sie alle die angespannte institutionelle Geschäftslage (vgl. hierzu Abschn. 3.1.2) und die zum Zweck der Effizienzstei-gerung eingeleiteten Personalkostensenkungen der Anbieter. Diesen kausalen Zusammenhang zwischen der Geschäfts- und Einkommenslage begründen sie damit, dass Personalkosten im Bildungssektor den größten Ausgabenposten aus-machen, dessen Reduktion im Zuge nötiger betrieblicher Sparmaßnahmen unaus-weichlich sei. Die in den Einrichtungen in den letzten Jahren vorgenommenen Personalkostensenkungen verliefen schrittweise und umfassten unterschiedliche Maßnahmen wie pauschale (Tarif-)Lohn-/Honorarabsenkungen Streichen von ehemals gewährten monetären Zulagen (z. B. Weihnachts-/Urlaubsgeld), betriebs-bedingte Arbeitszeitreduktionen (Kurzarbeit) und/oder Personalentlassungen. Bei der Wahl und der Reichweite dieser Maßnahmen verweisen alle Befragten auf institutionelle Entscheidungsspielräume, die je nach betrieblichen Gepflogenhei-ten (u. a. soziale Beschäftigungskodizes), betriebsinternen Machtverhältnissen (Einflussmacht des Betriebsrats etc.) und je nachdem, um welche funktional-hierarchische Positionen und Arbeitskräfte es sich handelt, unterschiedlich aus-geschöpft werden. Bei Personalkostensenkungen und Gehaltseinstufungen ziehen die Geschäftsführer vor allem die im Einzelfall erwartete monetäre Rendite ihrer Personalinvestitionen in Betracht, wie dies die Äußerung eines Geschäftsführers am Beispiel des Vertriebspersonals sichtbar macht:

[F]ür einen kleinen Standort kann ich keinen Vertriebler anstellen. Auch wenn der den ganzen Tag akquirieren würde, könnte ich diesen nie bezahlen. (…) Das gibt der Standort nicht her (BFS 4, I-1; Einfügungen und Auslassungen d. Verf.).

Zusätzlich zu diesen einrichtungsspezifischen Faktoren begründen die Befrag-ten die intrainstitutionellen Gehaltsunterschiede ihres Personals mit der Ver-sorgungslage mit Fachkräften am Arbeitsmarkt. Die niedrigeren Gehälter des

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Lehrpersonals im Vergleich zu Leitungskräften führen sie darauf zurück, dass sie an das Lehrpersonal so gut wie kaum fachspezifische Qualifikationsanfor-derungen stellen und sie deshalb am Arbeitsmarkt prinzipiell aus einem gro-ßen Arbeitskräfte(ersatz)angebot wählen können, wodurch die Anbieter ihre Gehaltsvorstellungen problemlos realisieren könnten. Anders verhält es sich bei der Besetzung und Vergütung ihrer Mitarbeiter auf Stabstellen- und Leitungs-positionen; hier schätzen die Geschäftsführer die Rekrutierungsspielräume auf dem externen Arbeitsmarkt u. a. aufgrund fachspezifischerer Qualifikations- und Kompetenzanforderungen der Betriebe wesentlich kleiner ein, was das Zahlen branchenüberdurchschnittlicher Gehälter als Rekrutierungs- und Bleibeanreiz zuweilen nötig mache.

Wir haben eigentlich nie Probleme, neues Personal zu finden. Eine Ausnahme ist, wenn wir Bildungszentrums- oder Projektleiter suchen (…). Aber für unsere nor-malen Beschäftigten kommen genügend Bewerber von außen. (…) Wir sagen [Per-sonen, die sich auf pädagogisch-lehrende und beratende Tätigkeiten bewerben], das zahlen wir, das ist EUR 50 mehr als der Mindestlohn. Mehr haben wir nicht. Take it or leave it. (…) Wenn ich aber einen Projektleiter suche, dann bin ich (…) in einer anderen Gehaltsliga. Da gucke ich, wo die Bewerber stehen. (…) [E]in stellvertre-tender Abteilungsleiter im Bereich Rechnungswesen (…) kommt im Schnitt auf ca. EUR 4.000 pro Monat. Das kann ich für einen normalen Mitarbeiter nicht zahlen (BFS 4, I-1; Einfügungen und Auslassungen d. Verf.).

Doch nicht nur die Lage innerhalb der Einrichtungen und am externen Arbeits-markt, sondern auch die Eigenschaften und Voraussetzungen des Personals liefern den Befunden zufolge Teilerklärungen für die Höhe der Gehälter und Honorare. In den Interviews wurde diesbezüglich vor allem auf das Lehrpersonal eingegangen. Dessen niedrige Gehälter könnten die Anbieter nach Auskunft der Geschäftsleitungen auch deshalb weitgehend problemlos durchsetzen, weil das Lehrpersonal den Lebensunterhalt vielfach aus anderen Quellen bestreite (z. B. durch den Ehepartner) und die Höhe ihres Erwerbseinkommens deshalb kaum beeinflusse, ob und für welche Unternehmen und in welchen Branchen sie tätig werden. Weiterhin führen die Befragten das vergleichsweise gute Betriebsklima, fehlende monetär attraktivere Beschäftigungsalternativen im Weiterbildungssek-tor und generell ein hohes Interesse an der pädagogischen Arbeit als mehrheitlich prioritäre Erwerbsmotive an, denen die Lehrkräfte vielfach eine höhere Priorität einräumen als einer höher vergüteten Erwerbsarbeit.

Abschließend ist zur Lage des Personals der untersuchten, hauptsächlich durch die BA finanzierten Weiterbildungsanbieter festzuhalten, dass ihre Honorare und

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Gehälter in den letzten Jahren erheblich gesunken sind und mittlerweile insbe-sondere beim Lehrpersonal auf einem niedrigerem Durchschnittsniveau liegen als in der betrieblich finanzierten Weiterbildung. Zurückgeführt wird dies primär auf die negative Geschäftslage, auf die die Anbieter mit Personalkostensenkun-gen unterschiedlichen Ausmaßes reagiert haben, um die Unternehmenseffizienz zu optimieren. Insofern liefert das Streben der Arbeitgeber nach Effizienz als Kernmerkmal der Ökonomisierung eine zentrale Erklärung für die mittlerweile unterdurchschnittliche Einkommenslage des Personals in diesem Weiterbildungs-segment. Die festgestellten innerbetrieblichen Einkommensunterschiede bele-gen jedoch, dass außerdem weitere Einflussfaktoren Relevanz besitzen. Neben unterschiedlichen Arbeitskräfteangebot-Nachfrage-Relationen auf funktionalen externen Teilarbeitsmärkten wirken personalspezifische Faktoren einkommens-beeinflussend; dazu gehören insbesondere individuelle Erwerbsmotive und -pers-pektiven und private Lebensumstände des Weiterbildungspersonals.

3.2.3 Einkommenslagen des Personals von privat finanzierten Weiterbildungsanbietern

Vergleichbar zu den anderen BFS gibt es auch bei den untersuchten, überwiegend privat finanzierten Weiterbildungsanbietern deutliche Einkommensunterschiede des Personals primär in Abhängigkeit vom Vertragsstatus und der hierarchisch-funktionalen Position.

In administrativen, planend-koordinierenden und leitenden Aufgabenfel-dern setzen alle drei Anbieter immer sozialversicherungspflichtige Angestellte ein, während Lehrveranstaltungen nur in der BFS 3 durch Angestellte und in den anderen beiden Einrichtungen (BFS 7 und 8) zu weiten Teilen durch Honorarkräfte umgesetzt werden. Als diesbezügliche Erklärung verweisen die Geschäftsführer auch in diesem Finanzierungssegment auf nachfragebedingte Personalbedarfsschwankungen und auf die Kosteneffizienz. Während sich der Einsatz von Angestellten primär in Verwaltungs- und Leitungspositionen mit weitgehend konstantem Personalbedarf betriebswirtschaftlich rentiere, gäbe es bei Lehraufgaben einen diskontinuierlichen Personalbedarf, der durch den Ein-satz von Honorarkräften effizienter gedeckt werden könne. Außerdem seien Honorarkräfte deutlich kostengünstiger als Angestellte, da diverse Lohnneben-kosten hierdurch entfallen (z. B. Sozialabgaben, Jahressonder- und Entgelt-fortzahlungen im Falle von Krankheit). Die BFS 7 begründet den Einsatz von Honorarkräften im Lehrbetrieb zudem damit, dass sie strategisch primär Dozen-ten mit i. d. R. besser bezahltem Hauptberuf in anderen Branchen einsetzt (vgl. Abschn. 3.1.3).

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Die Einkommenshöhe des angestellten Weiterbildungspersonals resultiert bei allen drei Anbietern in erster Linie aus geltenden Tarifverträgen; speziell in der BFS 3 außerdem aus optionalen außertariflichen Leistungszulagen für einzelne Arbeitnehmer. In der BFS 7 und 8 gilt jeweils ein Tarifvertrag des Trägers, der grundsätzlich auf alle Angestelltenverhältnisse angewendet wird. Demgegenüber unterliegen die Beschäftigten der BFS 3 je nach Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit unterschiedlichen Tarifverträgen. Haupteinflussfaktoren auf die tarifliche Eingrup-pierung sind bei allen Anbietern der Funktions- und Aufgabenbereich der Stelle und die individuelle Dauer der Betriebszugehörigkeit, wohingegen das individu-elle Qualifikationsniveau und -profil für die Entgelteinstufung in keinem Fall von Belang ist. Die Höhe des monatlichen Tarifentgelts erreicht in der BFS 7 und 8 bei vergleichbaren Positionen und Beschäftigungsdauern ein ähnliches Niveau; bspw. verdienen vollzeitbeschäftigte Fachbereichsleitungen in beiden Institutionen zwischen 3400 und 4000 € brutto pro Monat. Demgegenüber erhalten Angestellte auf vergleichbaren Positionen in der BFS 3 je nach angewendetem Tarifvertrag entweder ca. 2100 € oder rund 5000 € brutto monatlich. Die große Einkommens-spreizung in der BFS 3, die wie beschrieben eine durchweg negative Geschäftslage aufweist (vgl. Abschn. 3.1.3), lässt vermuten, dass die Einkommensunterschiede der Angestellten nicht unmittelbar aus der Geschäftslage folgen. Vielmehr resultie-ren die Einkommen unmittelbar aus Tarifverträgen, deren Konditionen allerdings durchaus mit den längerfristigen Geschäftslagen und -perspektiven der arbeitge-berseitigen Tarifpartei zusammenhängen können.

Noch deutlich heterogener stellt sich die Einkommenshöhe der Honorar-lehrkräfte in der BFS 7 und 8 dar. Dies betrifft zum einen die Art der Honorare. Während die BFS 7 grundsätzlich Tagespauschalen zahlt, vergütet die BFS 8 ihre Dozenten pro Unterrichtsstunde. Begründet wird dies mit den Veranstaltungs-laufzeiten und den sich hieraus ergebenden unterschiedlichen Lehrkräftebedarfen der Anbieter. Zum anderen steht die Höhe der Honorare in beiden Institutionen jeweils in Abhängigkeit zu den Seminarthemen. Die BFS 7 zahlt allen Dozen-ten im Bereich der Basis-Betriebsratsschulungen eine Ehrenamtspauschale von 100 € pro Schulungstag. In Spezialthemen wie Arbeitsrecht hingegen erhalten die Dozenten je nach Teilnehmerzahl in ihren Angeboten zwischen 700–900 € pro Schulungstag. In der BFS 8 erhalten die Integrationskursdozenten die höchs-ten Honorare und zwar ausnahmslos 22 € pro Unterrichtsstunde, die Dozenten in allen anderen Weiterbildungsangeboten verdienen mit 13–15 € pro Unterrichts-stunde hingegen deutlich weniger. Die Höhe der Honorare wird – ausgenommen in den Integrationskursen, in denen die Honorare durch Mindesthonorarvorga-ben des BAMF vorgegeben sind – in allen Fällen durch die Anbieter definiert.

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Ihr Honorarangebot machen sie von zwei verschiedenen Faktoren abhängig. Zum einen, ob das verfügbare Dozentenangebot am externen Arbeitsmarkt ausreicht, um den institutionellen Lehrkräftebedarf der Anbieter zu decken. In Fällen einer absehbaren Fachkräfteunterdeckung zahlen die Anbieter höhere Honorare als eigentlich kalkuliert. Zum anderen machen sie die Honorarhöhen von den Semi-narpreisen, den Teilnehmerzahlen und den Kostendeckungsgraden in einzelnen Veranstaltungen abhängig, womit sich die Effizienz einzelner Weiterbildungsan-gebote unmittelbar auf die Honorarhöhe der dafür eingesetzten Dozenten nieder-schlägt, wie das folgende Zitat belegt.

15 [Euro] für Normalsterbliche und 22 [Euro] für die BAMF Dozentinnen. (…)Wir haben aber auch Ausnahmen, wenn die Kurse schlecht besucht sind (…). In diesem Fall müssen wir (…) die Dozentin/Dozent darum bitten, dass sie Honorar gleich Gebühr machen, das heißt, das was wir kriegen, kriegen sie als Honorar und das ist in der Regel weniger, als das, was sie in der Regel bekommen würden. (…) [D]a arbeiten die Dozentinnen teilweise für 13 Euro (…). [Im] BAMF[-Bereich hinge-gen] (…) müssen [wir] eine bestimmte Summe zahlen für die Dozenten (BFS 8 I-2; Einfügungen und Auslassungen d. Verf.).

Vergleichbar zu den Befragten bei überwiegend staatlich finanzierten Weiterbil-dungsanbietern (vgl. Abschn. 3.2.2) liefern die individuellen Erwerbsmotive und Lebensumstände des Personals auch im Bereich der privat finanzierten Weiterbil-dung Teilerklärungen für die Höhe der Gehälter und Honorare. So seien insbeson-dere die Honorarkräfte häufig über den Ehepartner oder über sonstige Einkünfte (z. B. Rente) monetär abgesichert, was begünstige, dass sich diese Dozenten auf die vergleichsweise niedrigen Honorare einlassen. Daneben wurde immer wie-der das hohe Interesse an der pädagogischen Arbeit als prioritäres Erwerbsmotiv zahlreicher Dozenten angeführt, das meist stärker wiege als das Motiv, möglichst viel zu verdienen. Bei den Angestellten wurde primär das gute Betriebsklima als im Vergleich zur Verdiensthöhe zentraleres Erwerbsmotiv angeführt.

Zusammengefasst zeigen die Befunde, dass die Einkommen des Personals von überwiegend privat finanzierten Weiterbildungsanbietern bei vergleichbaren Positionen im Durchschnitt niedriger ausfallen als bei den anderen untersuchten Weiterbildungsanbietern und das, obwohl die Anbieter z. T. eine deutlich bessere Geschäftslage aufweisen. Dieser Befund lässt sich dahin gehend interpretieren, dass die Einkommenshöhe keine unmittelbare Kausalfolge der institutionellen Geschäftslage ist. Vielmehr sind weitere Faktoren zentral. Bei den Angestellten sind es insbesondere Tarifverträge, deren Entgeltkonditionen – dies zeigt das Bei-spiel der BFS 3 – zwar über lange Sicht mit der Geschäftslage der vertragsschlie-ßenden Partei zusammenhängen, allerdings nicht derart, dass sich Veränderungen

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in der Geschäftslage sofort und dann auch auf die Einkommen aller Beschäftig-ten in gleicher Intensität auswirken. Anders verhält es sich mit den Einkommen der Honorarkräfte. Dazu ist anbieterübergreifend festzustellen, dass die Honorar-höhe im Regelfall unmittelbar erstens vom Markt, also von der Weiterbildungs-nachfrage bzw. den Teilnehmerzahlen wie auch von der Fachkräftenachfrage am Arbeitsmarkt, und zweitens von der realisierten Kosteneffizienz in einzelnen Veranstaltungen beeinflusst ist. Insofern kommen die Ökonomisierungsmerkmale Markt und Effizienz in diesem Anbietersegment zur Erklärung der Einkommens-höhe der Angestellten lediglich in Bezug auf optionale Gehaltszulagen zum Tra-gen, für die Verdienste der Honorarkräfte hingegen liefern diese Merkmale eine unmittelbare Erklärung. Darüber hinaus sind aber auch in diesem Segment jen-seits der Ökonomisierung weitere Einflussfaktoren relevant, die primär die indivi-duellen Lebensumstände und Erwerbsmotive des Arbeitskräfteangebots betreffen.

4 Fazit

In diesem Beitrag wurden explorative empirische Befunde vorgestellt, um Ant-worthinweise auf die viel diskutierte Frage zu geben, welche Faktoren die Geschäfts- und Einkommenslagen in der Weiterbildung beeinflussen und welche Erklärungskraft hierbei der in der interessenpolitischen Debatte immer wieder kritisierten Ökonomisierung der Weiterbildung zukommt. Als übergreifende Ant-wort auf diese Frage lässt sich festhalten, dass die Diagnose, die Ökonomisierung der Weiterbildung begründe die schlechteren Geschäfts- und Einkommenslagen in der staatlich geförderten Weiterbildung kausal, zu verkürzt und außerdem zu undifferenziert ist.

Den Fallstudienbefunden zufolge greift die Ökonomisierungsdiagnose zur Erklärung der Geschäftslagen schon allein deshalb zu kurz, weil institutionelle Geschäftslagen in allen Fördersegmenten u. a. von identischen Ökonomisierungs-kriterien, nämlich Markt und Wettbewerb, beeinflusst werden. Insofern scheint es ausgeschlossen, dass diese beiden Ökonomisierungsmerkmale abschließend und für sich allein genommen erklären, warum die Geschäftslagen derart unterschied-lich und speziell von staatlich geförderten Anbietern im Durchschnitt schlechter ausfallen als die Lage der privat und betrieblich finanzierten Anbieter. Vielmehr dokumentieren die Befunde divergierende Markt- und Wettbewerbsbedingun-gen der Anbieter in verschiedenen Weiterbildungsangebotssegmenten. Insofern sind institutionelle Geschäftslagen deshalb auch ein Ergebnis davon, mit welcher

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Geschäfts- und Angebotsstrategie und -ausrichtung sich die Anbieter am Weiter-bildungsmarkt positioniert haben. Das bedeutet, dass neben den genannten Merk-malen der Ökonomisierung auch einrichtungs- und trägerspezifische Aspekte lagebeeinflussend wirken. Allerdings zeigen die Fallstudien auch, dass die schlechteren institutionellen Geschäftslagen speziell der BA-finanzierten Weiter-bildungsanbieter ebenfalls aus den Ökonomisierungsmerkmalen Effizienz, Tech-nologisierung und speziell im Bereich der Bildungsgutscheinmaßnahmen zudem aus der subsidiären Rolle des Staates (bzw. der BA als ihrer Behörde) resultie-ren. Dies unterstreicht, dass die Zahl der Geschäftslage beeinflussenden Ökono-misierungsmerkmale im staatlich geförderten Segment deutlich höher ausfällt als in den anderen Segmenten. In eine vergleichbare Richtung deutet das Ergeb-nis, dass die vergleichsweise positive Lage der untersuchten privat und betrieb-lich finanzierten Anbieter auch damit zusammenhängt, dass der Staat in den von diesen Anbietern schwerpunktmäßig besetzten Angebotsbereichen gerade keine vollständige Ökonomisierung bezogen auf die Merkmale Privatisierung und Sub-sidiarisierung etabliert hat. Vielmehr greift er in einigen Angebotssegmenten über Ordnungs- und Fördergesetze in die Nachfrage des Marktes ein und schreibt den Anbietern z. T. effizienzbeeinflussende Preiskorridore vor. Diese staatlichen Ein-griffe qua Gesetz können den Befunden zufolge die Geschäftslagen der Anbieter sowohl positiv als auch negativ beeinflussen und zwar umso stärker, desto mehr die Anbieter ihre Angebote in einem einnahmerelevanten Umfang in diesen staat-lich (teil-)regulierten und/oder finanzierten Bereichen erbringen.

Auch für die Einkommenslagen des Weiterbildungspersonals greift die Öko-nomisierung als Pauschalerklärung den vorgestellten empirischen Befunden nach zu kurz und ist zugleich zu undifferenziert. So resultieren die Einkommen zwar durchaus aus dem ökonomischen Prinzip (Arbeits-)Markt und bei nicht tarifge-bundenen Arbeitskräften (u. a. Honorarkräfte) und Arbeitgebern auch aus dem Kriterium Effizienz. Die Angebot-Nachfrage-Relation auf (Arbeits-)Märkten als Einflussfaktor auf die Einkommenslage gilt bekanntlich aber nicht nur für die Weiterbildung, sondern für alle kapitalistischen Arbeitsmärkte. Darüber hinaus dokumentieren die Befunde, dass das Passungsverhältnis zwischen Arbeitskräfte-angebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt individuelle Einkommensunterschiede des Weiterbildungspersonals nur in Kombination mit einrichtungsspezifischen Umständen erklären kann. Besonders gewichtig sind die Einflussfaktoren Markt und Effizienz den Befunden zufolge dann, wenn die Einkommen individuell zwi-schen den Vertragsparteien ausgehandelt werden; dies betrifft im Sample all die Personen, die in der Weiterbildung entweder als Freiberufler, Ehrenamtler oder als Angestellte ohne Tarifbindung und ggf. mit außertariflichen Zulagen tätig

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sind, bei denen die Vertragspartner in ihrer Gehaltsfindung weitestgehend frei sind. Hingegen wirken sich die Effizienz und das Passungsverhältnis am Arbeits-markt im Einzelfall dann weniger einkommensbeeinflussend aus, wenn die Ein-kommen auf kollektiven Tarifen oder Mindesteinkommensvorgaben basieren, die pauschal für alle funktional gleich eingesetzten Arbeitskräfte gelten. Die übrigen vier Ökonomisierungsmerkmale spielen als Einflussfaktor auf die Einkommens-höhe so gut wie kaum eine Rolle. Vielmehr hängen die Einkommen des Perso-nals auch von personalspezifischen Faktoren ab, die jenseits der Ökonomisierung bestehen; so z. B. der individuelle Arbeitszeitumfang, das individuelle Qualifika-tions- und Kompetenzprofil, das dominierende Erwerbsmotiv und die Absiche-rung durch andere Erwerbsarbeit und/oder durch die Familie.

In Zukunft wird es darauf ankommen, die vorgestellten explorativen Befunde durch empirisch repräsentative Mehrebenenuntersuchungen zu verifizieren bzw. zu falsifizieren. Sofern die vorgestellten Ergebnisse hierdurch bestätigt werden, ergäbe sich mit Blick auf die wissenschaftlichen und interessenpolitischen Debat-ten über geeignete Ansätze zur Verbesserung der Geschäfts- und Einkommensla-gen in der (staatlich geförderten) Weiterbildung ein Bedarf an zwei wesentlichen Richtungsänderungen.

Erstens stellen die Ergebnisse die immer wieder unterstellte positive Ein-kommenswirkung der schon seit Jahren im Raum stehenden Forderung nach einer Ausweitung der staatlichen institutionellen Regelförderung infrage. So begründet die institutionelle Regelförderung in einem untersuchten Fall (BFS 8) zwar durchaus die stabile Geschäftslage des Anbieters und die hohe Beschäfti-gungsstabilität des dort angestellten Weiterbildungspersonals, auf die Höhe der Gehälter und Honorare der Angestellten hat diese institutionelle Regelförderung hingegen keinen Einfluss. Vielmehr ist sogar festzustellen, dass dieser Anbieter im Vergleich zu allen anderen untersuchten Unternehmen die niedrigsten Hono-rarsätze und eher mittlere Gehälter zahlt. Größere Einflusskraft auf die Gehälter und Honorare als eine institutionelle Regelförderung haben den Befunden zufolge Mindestgehalts- und Honorarvorschriften, die zumindest in solchen Angebotsbe-reichen etabliert werden könnten, in denen der Staat als Weiterbildungsfinanzier auftritt. Daneben könnte eine Steigerung der Gehälter der Angestellten auf der tarifvertraglichen Ebene forciert werden, wobei sich in diesem Zusammenhang zunächst die Herausforderung stellt, den sozialpartnerschaftlichen Bindungsgrad der Angestellten wie auch der Anbieter in der Weiterbildung über den Einzelbe-trieb hinaus zu erhöhen. Momentan gelten in der Weiterbildung vielfach Haus-tarifverträge oder aber solche des jeweiligen Einrichtungsträgers, in denen die Tarifentgelte der Angestellten stärker als bspw. bei Branchentarifverträgen von der jeweiligen Geschäftslage des einzelnen Anbieters abhängen und daher zu erheblichen Einkommensungleichheiten in der Weiterbildungsbranche beitragen.

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Zweitens konnten die Fallstudien aufdecken, dass formelle pädagogische Qualifizierungen und Qualifikationen des Lehrpersonals von Weiterbildungsan-bietern zwar als probater Ansatz zur Qualitätsverbesserung der Weiterbildungs-angebote eingeschätzt werden. Auf die Höhe der Einkommen hat das Vorliegen pädagogischer Qualifikationen hingegen keinen Einfluss (vgl. Rosendahl und Lencer 2016). Insofern müssten die Erwartungen auf Einkommens- und Sta-tusverbesserungen, die gegenwärtig zumindest implizit mit den Debatten und (Projekt-)Initiativen zur individuellen Professionalitätsentwicklung und Profes-sionalisierung des Weiterbildungspersonals verknüpft werden, gesenkt werden. Nicht die pädagogische Kompetenz – diese wird von den untersuchten Anbietern mehr oder weniger vorausgesetzt -, sondern die fachliche Expertise im Themen-feld der Weiterbildungsangebote und das Nachfragevolumen des jeweils bedien-ten Marktes sind es den Befunden nach, die die individuelle Positionierung der Lehrenden am Weiterbildungsmarkt und ihre dortigen Einkommenschancen maß-geblich beeinflussen. Daran schließen sich ganz generelle kritische Fragen an den gegenwärtigen Mainstream in Weiterbildungsforschung und -politik an. Welche Bezugskategorie soll die Basis für die geforderte kollektive Professionalisierung der Weiterbildung legen, wenn die pädagogischen Kompetenzen und Qualifika-tionen bei der Honorar- und Gehaltsfestsetzung im Arbeits- und Handlungsfeld weitgehend irrelevant sind? Ist die gegenwärtige Forderung, eine Professionali-sierung des gesamten Weiterbildungspersonals anzustreben, angesichts der aktu-ellen Fachkräftesituation in der Weiterbildung passend oder müsste diese nicht vielmehr kleinschrittiger an der Professionalisierung des Personals in einzelnen Angebotssegmenten ansetzen? Sind Ansätze zur pädagogischen Professionalisie-rung des Weiterbildungspersonals per grundständiger Studiengänge sinnvoll oder sollte es angesichts der zahlreichen Nebenerwerbstätigen in dieser Branche nicht eher darum gehen, Wege auszuloten, wie die pädagogische Professionalisierung unterschiedlich formal qualifizierter Erwerbstätiger mittels praxisnaher/-integrier-ter Fortbildungsmaßnahmen gefördert werden kann?

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Über die Autorin

Dr. Anna Rosendahl Arbeitsschwerpunkte: Politik, Steu-erung und Finanzierung der beruflichen Aus- und Weiter-bildung.

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Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung: Individuelle und kollektive Perspektiven

Josef Schrader und Franziska Loreit

ZusammenfassungDie Themen Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung sind kon-tinuierliche Begleiter der Wissenschafts-, Politik- und Praxisdiskurse zum Personal der Erwachsenen- und Weiterbildung. Der vorliegende Beitrag lie-fert zunächst eine knappe Darstellung des aktuellen Standes der Professiona-litätsentwicklung des Lehrpersonals. Um die strukturellen und individuellen Bedingungen für eine wechselseitige Beförderung der Entwicklung von Pro-fessionalität und gesellschaftlicher Anerkennung bestimmen zu können, werden als Vergleichsfolie zunächst die Etablierungsprozesse bei den klassi-schen Professionen der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen sowie der Mediziner skizziert. Auf Basis des wb-personalmonitor erfolgt anschließend eine empirische Analyse zu den strukturellen, institutionellen und individu-ellen Einflussfaktoren auf die Professionalisierung des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Aktuelle Projektvorhaben des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, die individuelle und kollektive Prozesse der Professionalisierung zu fördern suchen, werden abschließend vorgestellt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_13

J. Schrader (*) Wissenschaftlicher Direktor, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V., Heinemannstraße 12−14, 53175 Bonn, DeutschlandE-Mail: [email protected]

F. Loreit Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V., Heinemannstraße 12−14, 53175 Bonn, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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1 Professionalisierung der Erwachsenen- und Weiterbildung – Aspekte einer andauernden Debatte

Während Angehörige „klassischer“ Professionen kontinuierlich unter berufssozio-logischer Beobachtung stehen, aber selten über ihren beruflichen Status debattie-ren, verhält es sich in der Erwachsenen- und Weiterbildung umgekehrt: Der Diskurs über Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung gehört seit langem zu den identitätsstiftenden Debatten in Wissenschaft, Politik und Praxis der Erwach-senenbildung (Deutscher Bildungsrat 1970; Schulenberg et al. 1972; Harney et al. 1987; Nittel 2000; Dobischat und Hufer 2014). Die Berufssoziologie hingegen interessiert sich allenfalls am Rande für diesen Bildungsbereich. Die Erwachsenen-bildung befindet sich in dieser Hinsicht in der Gesellschaft weiterer „nachholen-der“ akademischer Berufe (vgl. Nittel 2000, S. 49–70), z. B. der frühen Bildung, der sozialen Arbeit oder Berufen des Gesundheitswesens. Demgegenüber debat-tieren die Angehörigen weithin etablierter Professionen über ihren Status zumeist erst dann, wenn sie Deprofessionalisierung fürchten (exemplarisch für die Medizin: Bundesärztekammer 2012; Siepmann und Groneberg 2012) oder Autonomieverlust beklagen (für die Lehrerinnen und Lehrer: Leemann et al. 2016).

Der vorliegende Sammelband schließt an die Traditionen der erwachsenen-pädagogischen Professionalisierungsforschung an, indem er – wie die Einladung zur Mitarbeit an die Autorinnen und Autoren deutlich betont – theoretische und empirische Analyse mit berufspolitischem Engagement verbindet. Das knüpft an Praxen der „engagierten Reflexion“ (Flitner 1954, S. 18) an, wie sie für die geisteswissenschaftliche Pädagogik charakteristisch waren. Die enge Verbindung von datengestützter Analyse und wertender Stellungnahme findet sich aber nicht nur in Forschung und Praxis der Erwachsenenbildung, sondern auch in offiziel-len Dokumenten der Bildungspolitik. Dies zeigt sich u. a. an der jüngsten Aus-gabe des Nationalen Bildungsberichts. Nach Auftrag und Selbstverständnis zwar auf indikatorengestützte Berichterstattung verpflichtet, formulieren die Verfasse-rinnen und Verfasser (in diesem Fall aus dem Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen) gleichwohl zur Weiterbildung. Dieser Bildungsbereich wirke „trotz seiner hohen Akademikeranteile eher semiprofessionell, da ein Einheit stiftendes Professionalitätskriterium nicht erkennbar [sei]“ (Autorengruppe Bildungsbe-richterstattung 2016, S. 155).

Diese Formulierungen haben – nicht überraschend – teils heftigen Wider-spruch sowohl in Praxis und Politik, aber auch in der Wissenschaft hervorgeru-fen. Die Einen kritisieren die als abwertend empfundene Darstellung der Praxis, die Anderen zeigen sich irritiert von chronischen Klagen über ein mangelndes

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öffentliches Engagement für die Erwachsenenbildung, die Dritten vermissen einen präzisen Umgang mit professionstheoretischen Begriffen. Ein Problem der Darstellung im Nationalen Bildungsbericht besteht darin, dass der Fokus auf ver-meintliche oder tatsächliche Defizite im professionellen Status der Beschäftigten in der Erwachsenenbildung gelegt wird („semiprofessionell“) und die Ursache dafür in einer mangelnden Professionalität (Nicht-Erkennbarkeit eines „Einheit stiftenden Professionalitätskriteriums“) gesehen wird, obwohl der Bericht, der sich auf den wb-personalmonitor (Autorengruppe wb-personalmonitor 2016) stützt, keinerlei Informationen über ein „einheitsstiftende Professionalitätskrite-rium“ bereithält.

Für Streit der skizzierten Art ist die Erwachsenen- und Weiterbildung ebenso anfällig wie andere Bildungsbereiche, da Politik, Praxis und Wissenschaft zwar dieselben Begriffe verwenden, ihnen aber oft nicht derselbe Sinn unterliegt. Dies mag ein Grund dafür sein, dass es in der Debatte zur Professionalisierung der Erwachsenenbildung immer auch Vorbehalte gab, ob mit dem Professionsbegriff die Fragen ihrer Beruflichkeit angemessen adressiert werden. So votierte z. B. Hans Tietgens – von Beginn an und unbeirrt – für die Entwicklung und Förde-rung von Hauptberuflichkeit. Er kritisierte die professionspolitische Instrumen-talisierung eines berufssoziologischen Konzepts zu einem „Kampfbegriff“, für dessen Umsetzung in der Realität der (öffentlich verantworteten) Erwachsenen-bildung (Ende der 1980er Jahre) fast alle Voraussetzungen fehlten (vgl. Tietgens 1988, S. 36 f.). Schließlich wollte er die analytischen Einbußen nicht hinnehmen, die mit einem auf beruflichen Status eingeschränkten Begriff von Profession einhergingen. Forschung und Praxis sollten sich vielmehr auf die Frage konzen-trieren, wie – auch mit den Mitteln der Wissenschaft – die Professionalität des pädagogischen Personals gefördert werden könne.

Wir wollen an dieser Stelle nicht auf die Frage eingehen, welche wissen-schaftlichen und praktischen Diskursstrategien die unbestreitbar notwendige gesellschaftliche Anerkennung der Erwachsenen- und Weiterbildung begünstigen (können). Diese Frage hätte einen eigenen Beitrag verdient. Vielmehr greifen wir den gut begründeten Appell von Hans Tietgens auf, Profession und Professiona-lität analytisch zunächst zu trennen (so u. a. Nittel 2000, S. 22–85). Theoretisch wird damit die Option offengehalten, dass professioneller Status und professio-nelles Wissen und Können mehr oder weniger eng gekoppelt sein können. Vor allem aber gerät dann die Frage in den Blick, ob und wie sich Professionalisie-rung und Professionalitätsentwicklung wechselseitig befördern (können). Dann interessieren die Entwicklung und das Zusammenspiel von Prozessen der indi-viduellen mit solchen der kollektiven Professionalisierung. Bei der individuellen Professionalisierung geht es um den Aufbau von berufsspezifischer Kompetenz,

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die nach den Annahmen und Befunden der Expertiseforschung als ein kumu-lativer Lernprozess verstanden werden kann, der eine solide Basis wissen-schaftlichen Wissens erfordert, an berufliche Erfahrung gebunden ist, stark von (praktischen) Lerngelegenheiten und ihrer Reflexion sowie von wohlüberlegten Übungen spezifischer Teilfertigkeiten abhängig ist (Ericsson et al. 1993). Dem-gegenüber ist mit kollektiver Professionalisierung zumeist ein machtpolitischer Prozess gemeint, in dem Angehörige von Berufsständen danach streben, die Bear-beitung gesellschaftlicher Aufgaben zu dominieren oder gar zu monopolisieren und darüber Anerkennung zu finden (Nittel 2000; Stichweh 2013).

Dieses Zusammenspiel von kollektiver Professionalisierung und dem indivi-duellen Aufbau von Professionalität haben die Herausgeber des Sammelbandes in den Mittelpunkt gerückt. Insbesondere sollte analysiert werden, in welchem Verhältnis die individuelle Ebene der Professionalität zur kollektiven Ebene der Professionalisierung aktuell steht. Diese Anregung greifen wir gern auf und len-ken in dem folgenden Beitrag in einem ersten Schritt den Blick auf die Entwick-lung klassischer Professionen wie die der Medizin sowie des Lehrerstandes, um mehr über Verläufe und institutionelle Bedingungen von Professionalisierungs-prozessen zu erfahren. Dabei gehen wir auch der Frage nach, welche Bedeutung der zugeschriebenen oder dokumentierten Kompetenz der Angehörigen dieser Professionen zukommt. Dies kann hier nur knapp geschehen, soll aber dafür sen-sibilisieren, welche institutionellen, rechtlichen, wissenschaftlichen, berufspoliti-schen und individuellen Faktoren die Durchsetzung der Dominanz oder gar eines Monopols in der Hierarchie von Berufen beeinflussen (Stichweh 2013).

Anschließend werden empirische Befunde zum Stand der Professionalisierung der Erwachsenen- und Weiterbildung präsentiert. Wir konzentrieren uns dabei auf die Lehrkräfte in diesem Bildungsbereich, weil die Professionalisierungsdyna-mik hier derzeit am größten scheint. Dabei geht es u. a. um die Frage, wie sich die Beschäftigungssituation des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiter-bildung darstellt und welchen Einfluss strukturelle und institutionelle Faktoren sowie individuelle Aspekte von Professionalität auf die Beschäftigungssituation des Lehrpersonals haben.

Im abschließenden Schritt werden wissenschafts- und professionspolitische Positionierungen am Beispiel laufender Forschungs- und Entwicklungsprojekte des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebens-langes Lernen e. V. (DIE) aufgezeigt, die sich sowohl der forschungsbasierten För-derung der Entwicklung von Professionalität als auch dem Aufbau von Strukturen und Verfahren zur Dokumentation und Anerkennung von Kompetenzen widmen, also mit den Mitteln der Wissenschaft einen Beitrag sowohl zu individuellen als auch zu kollektiven Prozessen der Professionalisierung zu leisten versuchen.

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2 Die Etablierung von Professionen – ausgewählte Beispiele

Um einen Eindruck von Einflussfaktoren auf Prozesse der Professionalisierung zu gewinnen, wird im Folgenden der Blick auf die Entwicklung sogenannter „Leit-professionen“ (Stichweh 1996) gerichtet. Dies geschieht etwas ausführlicher für Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, knapper für Mediziner.1 Während Lehrerinnen und Lehrer sich am Modell des Berufsbeamtentums oder allgemei-ner am Angestelltenmodell des öffentlich-rechtlichen Sektors orientieren, über-wiegt in der Medizin das Modell der Freiberuflichkeit (vgl. Stichweh 2013); da beide Beschäftigungsformen derzeit auch von Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung praktiziert werden, können solche Erfahrungen für Professionali-sierungsstrategien in diesem Feld hilfreich sein. Die Herausbildung und Entwick-lung des Lehrer- sowie des Arztberufes und deren Professionalisierungsprozesse verweisen zwar auf strukturelle Ähnlichkeiten ausgebildeter Merkmale dieser beiden Berufsgruppen (Entwicklung standardisierter Ausbildungsgänge, Verwis-senschaftlichung, Entwicklung einer Standesvertretung etc.), aber keineswegs auf einen gleichförmigen oder gar stringent gesteuerten Entwicklungsverlauf. Nicht nur der Vergleich zwischen, sondern auch innerhalb dieser zwei Berufsstände ver-deutlicht heterogene und zum Teil zeitlich versetzte Entwicklungsverläufe.

Blickt man auf den Bildungsbereich, so sind bis ins 19. Jahrhundert hinein an Latein- und Gelehrtenschulen akademisch gebildete Theologen und in niederen Schulen (bspw. Volksschulen) hauptsächlich Küster, Handwerker oder ehemalige Soldaten ohne einschlägige Ausbildung lehrend tätig gewesen (Sandfuchs 2004; Drewek 2006; Blömeke 2009; Ortenburger 2016). Unterrichtet wurde sowohl in den mit der Reformation aufgekommenen Volksschulen als auch in den Gymna-sien nicht auf Basis einer systematisch erworbenen pädagogischen Qualifikation. Vielmehr stellte die Lehrtätigkeit ein nebenberufliches, meist niedrig besoldetes Tätigkeitsfeld von Handwerkern bzw. ein „Übergangsamt“ (vgl. z. B. Titze 1991) von Theologen dar. Eine heterogene Lehrerschaft, niedrige Besoldung und gering standardisierte Ausbildungspraxen sind damit der Ausgangspunkt der Verberuf-lichung, die zunächst lediglich bei den Lehrern der höheren Schulen einsetzte.

1Da die im nachfolgenden beschriebenen Berufe im betrachteten Zeitraum überwiegend von Männern ausgeübt wurden, (historische) Quellen das Geschlechterverhältnis nur begrenzt dokumentieren und nicht immer stringent eine Unterscheidung vornehmen, wird in diesem Abschnitt bei der Nennung von Berufszeichnungen auf die sprachliche Gleich-stellung der Geschlechter verzichtet.

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Die Vereinheitlichung und Normierung des Berufszugangs verlief regional- und landesspezifisch. Je nach Schulform bildeten sich unterschiedliche Formen der Ausbildung, Zugangsregelungen und -berechtigungen heraus (Titze 1991; Sand-fuchs 2004). Erste Ansätze einer staatlich organisierten und systematisierten Ausbildung des Lehrpersonals, die über die Weitergabe von Erfahrungswissen und erfahrungsbasierten Methoden hinausgehen, datiert die historische Lehrer-forschung für die höheren Schulen auf den Beginn des 19. Jahrhunderts. Mit der Einführung einer Prüfungsordnung in Bayern (1809) und dem Erlass des „Exa-men pro facultate docendi“ in Preußen (1810) (Sandfuchs 2004; Blömeke 2009; Kemnitz 2011) konstituierte sich der Beruf des Lehrers an Gymnasien erstma-lig als qualifizierte, spezialisierte, Einkommen sichernde und zunehmend sozial anerkannte Tätigkeit (Kemnitz 2011, S. 35). Durch diese berufsqualifizierende Staatsprüfung im Anschluss an ein (fachlich nun weiter ausdifferenziertes) Uni-versitätsstudium erwarben angehende Gymnasiallehrer eine allgemeine Lehr-befähigung (Sandfuchs 2004, S. 18) und damit eine formale Berechtigung für eine lehrende Tätigkeit an höheren Schulen. Die Begrenzung auf Personen mit einem abgeschlossenen Studium und einer erfolgreich abgeschlossenen staatli-chen Prüfung wird dabei als staatlich regulierter Schließungsprozess gegenüber traditionellen Zugängen, wie sie bei den Volksschullehrern möglich waren (mit zeitlicher Verzögerung der faktischen Umsetzung), wirksam. Weitere Regulie-rungen im Sinne einer praxisorientierten Akademisierung der bislang fachwis-senschaftlich geprägten Ausbildung folgten mit der Einführung eines Probejahrs (Preußen, 1826) sowie eines Seminarjahres (Preußen, 1890) (Titze 1991, S. 348) und der Ergänzung um praktische Prüfungsanteile (Preußen 1917) (Sandfuchs 2004, S. 19; Lundgreen 2011, S. 13–14). Gleichwohl bestanden weiterhin Unter-schiede hinsichtlich der Besoldung innerhalb des Berufsstandes zwischen Ober- und Unterstufenlehrern sowie hinsichtlich der berufsständischen Position. Erst auf standespolitische Initiative hin wurde eine fachbezogene und nicht mehr klas-senstufenabhängige Lehrbefähigung eingeführt (Preußen, 1898) und der beam-tenrechtliche Status im Hinblick auf Gehalt und Ausbildungsverlauf an den der Richter angeglichen (bis 1909) (Bettermann und Goessl 1963, S. 69; Titze 1991; Lundgreen 2011, S. 14). Während die Ausbildung der Lehrkräfte höherer Schulen bereits vor dem 19. Jahrhundert traditionell ein (fachwissenschaftliches) Studium umfasste, mangelte es im Bereich der Volksschulen auch bis ins 19. Jahrhun-dert hinein an vereinheitlichten Ausbildungsgängen und Zugangsberechtigungen (Sandfuchs 2004, S. 20). Lokal existierten bereits (außeruniversitäre) Lehrersemi-nare, aber erst mit der Einführung einer einheitlichen Seminarabschlussprüfung und einer Lehramtsprüfung nach drei Jahren Schulpraxis (Preußen, 1826) wurden

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289Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

Abschlüsse standardisiert. Es bestanden jedoch weiterhin starke Verdienstunter-schiede zwischen Stadt und Land und eine Anbindung der Ausbildung an die Uni-versität setzte sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch.

Im Bereich der Medizin stand bis ins 19. Jahrhundert hinein eine geringe Zahl akademisch ausgebildeter und approbierter Ärzte einer großen Zahl handwerk-lich ausgebildeter Chirurgen, Wundärzte, Barbiere sowie einer Vielzahl von Laien gegenüber. Aufgrund des Fehlens fundierter Erkenntnisse über Erkrankungen und diagnostische Verfahren bestand zudem kein großer Unterschied in den Erfolgs-aussichten von Behandlungsmethoden der Experten und der Laien (Huerkamp 1980, 1985; Eckart 2009). Begünstigt durch staatliche Prüfungs-, Approbations- und Niederlassungsverordnungen (hier insb. das Preußische Prüfungsreglement von 1825), die Herausbildung einer Standesvertretung sowie die Weiterent-wicklung der mehr und mehr naturwissenschaftlich geprägten Fachwissenschaft setzte die Formierung eines einheitlichen, akademisch gebildeten medizinischen Berufsstandes ein. Mit dem Preußischen Prüfungsreglement differenzierte sich beispielsweise zunächst das Berufsbild der sogenannten Wundärzte in zwei Klas-sen aus, wurden die Qualifikations- und Zulassungsvoraussetzungen erhöht sowie praktische Ausbildungsanteile eingeführt (Huerkamp 1985). Eine steigende Zahl von Absolventen und die dadurch wachsende Konkurrenz vor allem in den Städ-ten führten nach Huerkamp (1980, 1985) dann in der Folge zur Ausprägung des praktischen Arztes, der sowohl als Arzt als auch als Wundarzt approbiert war. Unter dem Einfluss der Ärzteschaft (Medizinalreformbewegung), die insbeson-dere die ungleiche Gebührenordnung bei ähnlicher Qualifikation und den nied-rigeren sozialen Status nicht-promovierter Ärzte kritisierte, wurde schließlich der Einheitsstand eingeführt. Die Einführung der Krankenversicherung (1883), die lediglich die Behandlung eines approbierten Arztes anerkannte, trug zudem zur wachsenden Anerkennung der Berufsgruppe bei (Huerkamp 1980; Eckart 2009).

Wenngleich es lokale Bestrebungen zur Verbesserung der Ausbildungssituation für den Beruf des Arztes und des Lehrers gab, so sind es letztlich jeweils staat-liche Verordnungen, die eine flächendeckende Vereinheitlichung und Strukturie-rung von Ausbildungswegen und eine Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis fixierten. Begleitet von der Entwicklung und Ausdifferenzierung der Wissenschaf-ten und der Bildung berufsständischer Interessenvertretungen wuchsen vormals getrennte Berufe zusammen und Status und Besoldung verbesserten sich. Für die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Professionalisierung der Lehrtätigkeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung scheinen uns drei Aspekte dieser Entwicklungen von Bedeutung: Die zunehmende Bindung der Ausbildung an universitäres Wissen zeigt sich als eine unabdingbare Voraussetzung für die

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290 J. Schrader und F. Loreit

Konstituierung von Professionen und macht Wissenschaft zur relevanten institu-tionellen Umwelt; Professionen gingen, gestützt auf korporative Selbststeuerung, unterschiedlich gelagerte Bündnisse mit dem Staat ein, der maßgeblichen Einfluss auf ihre öffentliche und rechtliche Legitimation nahm; schließlich verdrängten nationale Regelungen lokale Vereinbarungen des Berufszugangs und der Berufs-ausübung (vgl. Stichweh 2013).

3 Professionalisierung und Professionalität bei Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung

Der kurze historische Rückblick am Beispiel von Lehrern und Medizinern zeigt, dass Professionen beim Übergang von frühmodernen zu modernen Gesellschaften entstehen und auf einen strukturellen Bedarf moderner Gesellschaften an perso-nenbezogenen Dienstleistungen verweisen, die sich auf die physische, psychische, juristische oder pädagogische Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Inte-gration von Individuen in gesellschaftliche Strukturen richten (Stichweh 2013). Nur schrittweise bildeten sich für spezifische Integrationsleistungen klar definierte Berufsbilder heraus. Dabei handelte es sich jeweils um lang dauernde, diskontinu-ierliche und tätigkeitsbezogen wie regional variierende Prozesse, bei denen sich die Akteurskonstellationen und die institutionellen Reglementierungen von (Teil-)Arbeitsmärkten deutlich unterscheiden. Würde man die vorliegende Skizze um internationale Perspektiven erweitern, so würde sich etwa am Beispiel der Juris-ten zeigen, dass der Staat in Kontinentaleuropa für die Etablierung von Profes-sionen eine deutlich größere Rolle spielt als im angloamerikanischen Raum, in dem eher Berufsverbände entscheidenden Einfluss nehmen (vgl. Stichweh 1996; Heisig 2016). Gleichzeitig unterscheiden sich die Arbeitsmärkte für Juristinnen und Juristen international nach den jeweils dominierenden Beschäftigungsmodel-len: Während in Deutschland neben dem Modell des Staatsbeamten das Modell der Freiberuflichkeit überwiegt, wird der angelsächsische Arbeitsmarkt stärker von sogenannten Law Firms bestimmt (vgl. u. a. Mieg 2016, S. 31). Es ist anzu-nehmen, dass mit solchen Differenzen in den Akteurskonstellationen sowie in den institutionellen Arrangements von Arbeitsmärkten auch unterschiedliche Anforde-rungen an das Wissen und Können der Professionellen einhergehen.

Diese Befunde lassen sich theoretisch in zweifacher Hinsicht rahmen. In der Professionalisierungsforschung wurden Phänomene der kollektiven Professionali-sierung mithilfe von Phasenmodellen beschrieben; so folgen nach Wilensky (1972) Hauptberuflichkeit, wissenschaftlich-theoretische Fundierung von Ausbildungswe-gen sowie die Gründung von Berufsverbänden aufeinander. Andere Modelle, die

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291Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

nicht nur an der Folge von Phasen, sondern an den Wirkfaktoren interessiert sind, betonen, dass solche Prozesse keineswegs einem einheitlichen Muster folgen; viel-mehr variieren sie nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Professionen. Die Unterschiede werden sowohl durch kulturelle und kognitive als auch durch sozialstrukturelle Faktoren bestimmt. Kognitive Faktoren verweisen auf den Auf-bau und die Weiterentwicklung von Qualifikationen und Kompetenzen der Berufs-tätigen, die für die individuelle Professionalitätsentwicklung bedeutsam sind; dazu gehört u. a. die Relevanz wissenschaftlich fundierter Ausbildungen für die Aner-kennung am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit. Sozialstrukturelle oder insti-tutionelle Faktoren verweisen auf korporative oder staatliche Instanzen, die den Berufszugang und die Berufsausübung regeln.

Einen ergänzenden, über die Professionalisierungsforschung im engeren Sinne hinausgehenden theoretischen Hintergrund bietet die Arbeitsmarktsoziologie. In diesem Forschungsfeld wird der Blick nicht nur auf professionelle Berufe, son-dern auch auf andere Formen beruflicher und angelernter Tätigkeit gerichtet. Im Anschluss an die grundlegenden Arbeiten von Max Weber (1976) besteht die zentrale Annahme darin, dass die Beschäftigungsbedingungen von Personen und Berufsgruppen nicht nur von individuellen, sondern auch von strukturellen und institutionellen Faktoren abhängig sind. Strukturelle und institutionelle Faktoren können sich auf Regulationen des Marktzugangs (z. B. auf Lizenzierungen wie bei Professionen, die vor allem auf den Schutz der Adressaten vor mangelnder Qualität zielen und zugleich vor Konkurrenten schützen) und/oder auf Regulati-onen der Preisbildung (z. B. durch Tarifverträge, Honorarordnungen usw.) bezie-hen. Für den bundesdeutschen Arbeitsmarkt konnte u. a. gezeigt werden (z. B. Groß 2009; Haupt 2016), dass Lizenzierungen die Wahrscheinlichkeit niedriger Einkommen senken, vor allem bei freiberuflich Tätigen, weniger bei Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern, und zudem zu einer Stauchung der Einkom-mensunterschiede führen, wovon vor allem die unteren Einkommensgruppen profitieren, indem (zu) niedrige Einkommen verhindert werden.

Die skizzierten historischen Befunde sowie die theoretischen Modelle nutzen wir im Folgenden, um die Beschäftigungsbedingungen des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung zu analysieren. Dabei ist der Fokus auf den Sta-tus gerichtet, weil zur Entwicklung derzeit keine verallgemeinerbaren quantitati-ven Daten vorliegen. Da detaillierte Befunde zur sozialen Situation der planend und lehrend Tätigen in der Erwachsenen- und Weiterbildung in einigen anderen Beiträgen dieses Sammelbandes vorgestellt werden, beschränken wir uns hierbei auf wenige Informationen. Nach einigen, teils bereits älteren, oft kontextspezifi-schen Bestandsaufnahmen stammen die aktuellsten Daten aus dem wb-personal-monitor (Autorengruppe wb-personalmonitor 2016). Diese zweistufige Befragung

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292 J. Schrader und F. Loreit

stützte sich auf die Anbieterdaten des wbmonitor mit einem Adressbestand von mehr als 20.000 Weiterbildungsanbietern. Nur marginal berücksichtigt ist aller-dings der große Bereich der innerbetrieblichen Weiterbildung. Nach den Daten dieser Erhebung arbeiteten im Jahr 2014 hochgerechnet ca. 700.000 Beschäftigte in der Weiterbildung, darunter ca. 530.000 Lehrkräfte, auf die ca. 1,3 bzw. 1,1 Mio. Beschäftigungsverhältnisse entfallen. Die Gruppe der Lehrenden arbeitet überwiegend nebenberuflich, zumeist auf der Basis von Honorarverträgen oder auch ehrenamtlich, zum geringeren Teil hauptberuflich, angestellt bzw. zuneh-mend freiberuflich. Das Personal insgesamt, aber auch das Lehrpersonal ist hoch qualifiziert. So verfügen zwei Drittel der Lehrkräfte über einen akademischen Abschluss, zu einem höheren Anteil bei den angestellten oder verbeamteten und zu einem geringeren Teil bei den nebenberuflich Tätigen. Etwa ein Viertel der Lehrkräfte hat ein pädagogisches bzw. erziehungswissenschaftliches Studium abgeschlossen. Zusätzlich haben ca. sieben Prozent pädagogische Studienanteile im Neben- oder Beifach im Rahmen anderer Studiengänge besucht. Ca. ein wei-teres Drittel hat nicht-pädagogische akademische Studiengänge abgeschlossen, wobei das Themenspektrum von der Wirtschaftswissenschaft und technischen Berufen über das Recht, die Psychologie, die Informatik, die Sprach- und Kultur-wissenschaften bis zu den Naturwissenschaften reicht.

Wenn man an den Einflüssen von strukturellen, institutionellen und individu-ellen Merkmalen auf die Beschäftigungsbedingungen des Lehrpersonals in der Erwachsenen- und Weiterbildung interessiert ist, genügen deskriptive Befunde der skizzierten Art allerdings nicht. Sie geben lediglich einen Gesamtüberblick mit Durchschnittswerten für alle beschäftigten Lehrkräfte bzw. für Teilgruppen von ihnen und informieren noch nicht über die Zusammenhänge und Beziehungen zwi-schen unterschiedlichen Dimensionen ihrer Beschäftigungssituation. Um solche differenzierteren Einblicke zu erhalten, fragen wir zunächst nach dem Einfluss von strukturellen und institutionellen Faktoren auf die Beschäftigungsbedingungen.2

Als zentralen Indikator für die Beschäftigungsbedingungen nehmen wir das Einkommen. Einkommen ist ein informativer, wenn auch selbstverständlich nicht erschöpfender Indikator für gesellschaftliche Anerkennung der Beschäftigten, der Hinweise auf eine Synchronisation von Leistung und gesellschaftlicher Aner-kennung liefert (vgl. Nittel 2000, S. 61). In verschiedenen empirischen Untersu-chungen konnten deutliche Spreizungen im Nettoeinkommen des Lehrpersonals belegt werden. So zeigten etwa Martin und Langemeyer (2014) auf der Basis des

2Für die Durchführung und Bereitstellung der statistischen Analysen danken wir Andreas Martin herzlich.

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293Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

Mikrozensus, dass etwa 50 % der Lehrkräfte über ein Nettoeinkommen von bis zu 1100 € verfügen; gleichzeitig verdienen aber immerhin noch 10 % mehr als 2300 €. Neben einer großen Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse, vor allem in den Bereichen der öffentlich finanzierten Weiterbildung, findet sich gleichzei-tig eine kleine Gruppe von Spitzenverdienern vor allem in der innerbetrieblichen Weiterbildung (vgl. Alfänger et al. 2016a, b).

Wie kommt es zu dieser sehr heterogenen Einkommenssituation der Lehr-kräfte? Für die folgenden Analysen gehen wir davon aus, dass unter den heteroge-nen institutionellen Bedingungen der Erwachsenen- und Weiterbildung als einem Wohlfahrtsmarkt (vgl. Nullmeier 2003) strukturelle Merkmale wie die Zahlungs-bereitschaft und die Zahlungsfähigkeit der beschäftigenden Einrichtungen einen großen Einfluss auf das Einkommen haben. Um solche strukturellen Effekte zu erfassen, orientieren wir uns an einem Modell der Reproduktionskontexte der Erwachsenen- und Weiterbildung (Schrader 2010). In Abhängigkeit von der Form der Beschaffung von Ressourcen und Legitimationen lassen sich vier Reprodukti-onskontexte unterscheiden: der Kontext der Gemeinschaften oder Korporationen, der Kontext des Staates bzw. des öffentlich-rechtlichen Bereichs, der Kontext der Unternehmen sowie der Kontext des Marktes. In jedem dieser Kontexte agieren unterschiedliche Typen von Organisationen (unterschiedlich im Blick auf Träger, Rechtsform, öffentlich-rechtlicher Status usw.) mit je spezifischen Geschäftsmo-dellen.

Um institutionelle Einflussfaktoren auf das Einkommen zu analysieren, fragen wir nach dem Einfluss des Grades berufsständischer Organisation des Lehrperso-nals. Aus empirischen Studien sowie aus der Beobachtung des Feldes wissen wir, dass der Grad berufsständischer Organisation zwischen Berufen und Kontexten deutlich variiert und positive Effekte auf das Einkommen erzielt (vgl. Martin und Langemeyer 2014, S. 56).

Vor diesem Hintergrund gehen wir erstens von der Hypothese aus, dass in der Erwachsenen- und Weiterbildung strukturelle Faktoren wie die Kontextzuge-hörigkeit von Anbietern einen großen Einfluss auf das Einkommen haben, dass sich also die Zahlungsbereitschaft und die Zahlungsfähigkeit der beschäftigenden Anbieter recht ungebremst auf das Einkommen der Lehrkräfte auswirken, wäh-rend zweitens der Einfluss institutioneller Arrangements wie berufsständische Vertretungen oder tarifvertragliche Vereinbarungen schwächer ausgeprägt ist.

Antworten auf die skizzierten Fragen suchen wir anhand einer multiplen Regressionsanalyse. Multiple Regressionsanalysen erlauben Antworten auf die Frage, in welcher Weise eine abhängige Variable (in diesem Fall das Einkom-men) durch mehrere unabhängige Variablen (in diesem Fall strukturelle und ins-titutionelle Aspekte des Arbeitsmarktes von Lehrkräften der Erwachsenen- und

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294 J. Schrader und F. Loreit

Weiterbildung) vorhergesagt werden kann. Zu betonen ist, dass die Vorhersagen Beschreibungen darstellen, die erst auf der Grundlage theoretischer Annahmen kausal interpretiert werden dürfen. An dieser Stelle begnügen wir uns jedoch mit der Beschreibung empirischer Zusammenhänge, um Arbeitshypothesen für die weitere Forschung anzuregen.

Die in Tab. 1 dokumentierten Befunde zeigen zunächst im Sinne der Annah-men, dass sich die Beschäftigung von Lehrkräften bei kommerziellen oder betrieblichen Anbietern (nach dem Modell der Reproduktionskontexte also Anbieter aus den Kontexten des Marktes und der Unternehmen) positiv auf ihr Einkommen auswirkt. Der negative Effekt der Arbeitszeit auf das Einkommen kann möglicherweise dadurch erklärt werden, dass Lehrkräfte eine niedrige Ver-gütung über eine höhere Arbeitszeit und Mehrfachbeschäftigungen auszugleichen versuchen (vgl. Brenke 2012, S. 5). Letzteres wird im Folgenden jedoch nicht weiter betrachtet.

Die genannten Kontextunterschiede verweisen auf die voneinander abwei-chende Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft privatwirtschaftlich agierender Wei-terbildungseinrichtungen gegenüber öffentlich-rechtlichen oder korporativen Einrichtungen. Entgegen der ursprünglichen Annahmen wird das Einkommen der Lehrkräfte aber vor allem dann positiv beeinflusst, wenn sie bei Berufs-, Fach- oder Hochschulen beschäftigt werden, bei Einrichtungen also, die wir dem öffent-lich-rechtlichen Kontext zuordnen. Dieser Befund ist allerdings nicht primär auf die höhere Zahlungsbereitschaft öffentlicher Anbieter im Vergleich zu privaten Anbietern zurückzuführen. Vielmehr ist hier zu vermuten, dass die gesetzlich oder tarifvertraglich geregelten Beschäftigungsbedingungen und Gehaltsrege-lungen sich in Berufs-, Fach- und Hochschulen auf das Personal insgesamt auswirken; das sowohl das Einkommen des primär begünstigten fest angestell-ten Personals als auch – als Nebeneffekt – das Einkommen des nebenberuflich beschäftigten (Lehr-)Personals beeinflusst wird.

Insgesamt sprechen diese Befunde dafür, dass sich institutionelle Regelun-gen, wie sie z. B. in Tarifverträgen getroffen werden, positiv auf das Einkommen und – so darf man folgern – auf die gesellschaftliche Anerkennung der Arbeit von Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung auswirken, auch dann, wenn sie gleichsam stellvertretend erfolgen. Insgesamt zeigen die Befunde aber die typi-schen Merkmale gering reglementierter Arbeitsmärkte, die zu einer großen Sprei-zung im Einkommen führen. Als Indikatoren für die geringe Reglementierung der Beschäftigungsverhältnisse kann darauf verwiesen werden, dass Frauen durch-schnittlich ein niedrigeres Einkommen erzielen als Männer und sich zudem das Alter – anders als z. B. in den üblichen Beschäftigungsverhältnissen des öffentli-chen Dienstes – nicht positiv auf das Einkommen auswirkt.

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295Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

Die zweite Frage, der wir uns zuwenden wollen, bezieht sich auf den Stellen-wert individueller Professionalität für das Einkommen. Damit ist u. a. die Frage angesprochen, welche Rolle – neben strukturellen Merkmalen des Arbeitsmarktes sowie beruflicher Erfahrung, die wir im Folgenden nicht näher betrachten – Qua-lifikationen allgemein bzw. spezifisch erwachsenenpädagogische Qualifikationen

Tab. 1 Strukturelle und institutionelle Einflüsse auf das Einkommen von Lehrkräften in der Erwachsenen- und Weiterbildung. (Quelle: wb-personalmonitor; eigene Berechnungen)

Anmerkung. *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

OLS

Variablen Coef. SE

Wochenarbeitszeit −0,0259*** 0,0015

Alter, in Jahren 0,0709*** 0,0109

Alter, quadriert −0,0007*** 0,0001

Geschlecht: weiblich(Referenz: männlich)

−0,2720*** 0,0352

Haupterwerb in der Weiterbildung(Referenz: Nebenerwerb)

0,2151*** 0,0568

Höchster Bildungsabschluss:Universität/Fachhochschule(Referenz: alle, außer Akademiker)

0,1358*** 0,0365

Stellung im Beruf: Honorarkräfte(Referenz: Angestellte)

−0,0763 0,0448

Einrichtungstyp: Privat-kommerziell(Referenz: Volkshochshule)

0,1577* 0,0555

Einrichtungstyp: Privat-gemeinnützig(Referenz: Volkshochshule)

−0,0456 0,0637

Einrichtungstyp: Betrieblich(Referenz: Volkshochshule)

0,1371* 0,0618

Einrichtungstyp: Berufs-/Fach-/Hochschulen(Referenz: Volkshochshule)

0,3599*** 0,0657

Einrichtungstyp: Einrichtung einerPartei/Kirche/Gewerkschaft(Referenz: Volkshochshule)

−0.2546*** 0,0562

Konstante 2,0282*** 0,2689

N 2932

R2 0,1826

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296 J. Schrader und F. Loreit

für das Einkommen der Lehrkräfte spielen. Hier geht es also um die Frage, ob sich Indikatoren für Professionalität auch dann positiv auf die Beschäftigungs-bedingungen bzw. das Einkommen auswirken, wenn – wie gesehen – Formen der institutionellen Reglementierung und der berufsständischen Schließung von Arbeitsmärkten noch schwach sind. Auch für die Beantwortung dieser Frage stützen wir uns auf die Daten des wb-personalmonitor. Der wb-personalmoni-tor erfasst u. a., über welche genuin pädagogischen Zusatzqualifikationen die Beschäftigten in der Erwachsenen- und Weiterbildung verfügen. Dazu zählen u. a. Ausbildereignungsprüfungen nach der AEVO, Aufstiegsfortbildungen zum IHK-Aus- und Weiterbildungspädagogen, Train-the-Trainer- oder Coaching-Aus-bildungen, Ausbildungen in Systemischer Beratung, im Neurolinguistischen Pro-grammieren, im Qualitätsmanagement, in der Mediation, in der Fortbildung zum ProfilPASS-Berater oder Zusatzzertifikate für Deutsch als Zweit- oder Fremd-sprache. Nach den Daten des wb-personalmonitor verfügen insgesamt 59 % der Weiterbildungsbeschäftigten über mindestens eine Zusatzqualifikation; häufiger gilt das für die pädagogisch vorgebildeten als für die fachfremd pädagogisch arbeitenden, was dafür spricht, dass sich innerhalb dieses Bildungsbereichs tätig-keitsspezifische Spezialisierungen und Karrieren abzeichnen, wie das auch bei Lehrern und Medizinern beobachtet werden konnte, hier orientiert an der Vertie-fung genuin pädagogischer oder daran anschließender Formen wissenschaftlichen und professionellen Wissens. Die Frage ist nun, ob und wie sich diese Zusatz-qualifikationen auf das Einkommen auswirken, genauer, ob diejenigen, die über solche Zusatzqualifikationen verfügen, ein höheres Einkommen erzielen als jene, bei denen das nicht der Fall ist.

Um diese zweite Frage nach der Relevanz individueller Professionalität auf das Einkommen bei Lehrkräften zu untersuchen, stützen wir uns auf ein Propensity Score Matching (PSM). Dieses statistische Verfahren erlaubt es, Daten aus Quer-schnittsbefragungen in Analogie zu randomisierten oder quasi-experimentellen Studien zu analysieren (grundlegend Rosenbaum und Rubin 1983). Mit dem PSM wird jede Person, die über die genannte Zusatzqualifikation verfügt („Experimen-talgruppe“), mit einer anderen Person im Datensatz verglichen, die mit Blick auf die Wahrscheinlichkeit einer Zusatzqualifikation in ausgewählten Merkmalen mit dieser Person möglichst übereinstimmt, aber nicht über die entsprechenden Zusatz-qualifikationen verfügt („Kontrollgruppe“) (vgl. Shadish et al. 2002, S. 161–165). Um eine solche Vergleichbarkeit herzustellen, wurden alle Variablen zur Schätzung der Kontrollgruppe berücksichtigt, von denen angenommen werden kann, dass sie das Kriterium (Einkommen) beeinflussen. Konkret gingen in das Matching-Ver-fahren die folgenden Variablen ein: standardisierte Arbeitszeit; Alter; Geschlecht;

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297Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

Erwachsenen-/Weiterbildung als Haupterwerb; Qualifikation/höchster (berufli-cher) Bildungsabschluss; beschäftigende Weiterbildungseinrichtung. Die Analy-sen beruhen auf einem Vergleich von Personen mit gleichen bzw. vergleichbaren Ausgangsbedingungen, um Effekte pädagogischer Zusatzqualifikationen auf das Einkommen möglichst restriktiv zu schätzen. Bei der Interpretation der Daten beschränken wir uns daher auf diesen Aspekt. Das PSM weist dabei einen guten Overlap und damit eine hohe Anzahl vergleichbarer Fälle auf (Abb. 1).

In Tab. 2 zeigen die Befunde zunächst, dass sich Qualifikationen generell „auszahlen“. Aufgrund der heterogenen Voraussetzungen der Lehrkräfte der Erwachsenen- und Weiterbildung haben wir nicht pädagogische Qualifikationen als Indikator genommen, sondern den höchsten erreichten Bildungsabschluss. Die Befunde aus Tab. 1 haben bereits gezeigt, dass sich ein akademischer Abschluss positiv auf das Einkommen auswirkt. Noch spezifischer sind wir aber an der Frage interessiert, ob sich nicht nur Qualifikationen allgemein, sondern erwach-senenpädagogisch spezifische Zusatzqualifikationen „auszahlen“. Hier weisen die Befunde darauf hin, dass der Nachweis von Zusatzqualifikationen, die für

Abb. 1 Overlap des Propensity-Score-Matchings. (Quelle: wb-personalmonitor; eigene Berechnungen)

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298 J. Schrader und F. Loreit

eine Lehrtätigkeit einschlägig sind, das Einkommen fördert. Dieser Effekt ist schwach, aber statistisch signifikant und für individuelle Professionalisierungs-strategien insofern ermutigend, als er zeigt, dass sich der Aufbau (non-)formal erworbener Expertise lohnen kann – und dies bereits unter den Bedingungen eines Arbeitsmarktes, in dem Standards für eine Lehrtätigkeit noch nicht allge-mein durchgesetzt sind. Zu erwarten ist also, dass sich der Nachweis spezifi-scher erwachsenenpädagogischer Qualifikationen bei fortschreitender kollektiver

Tab. 2 Individuelle Einflüsse auf das Einkommen von Lehrkräften in der Erwachsenen- und Weiterbildung. (Quelle: wb-personalmonitor; eigene Berechnungen)

Anmerkung. *p < 0,05; **p < 0,01; ***p < 0,001

OLS PSM-ATE

Variablen Coef. SE Coef. SE

ErwachsenenpädagogischeZusatzqualifikation

0,01086 0,00787 0,009* 0,004

Haupterwerb in der Weiterbildung(Referenz: Nebenerwerb)

−0,01432 0,01175

Standardisierte Arbeitszeit −0,01069* 0,00474

Alter, in Jahren 0,00528* 0,00260

Alter, quadriert −0,00005* 0,00003

Geschlecht: weiblich (Referenz: männlich) −0,02103** 0,00773

Höchster Bildungsabschluss: Universität/Fach-hochschule(Referenz: Lehre oder weniger)

0,01119 0,00935

Höchster beruflicherBildungsabschluss:Meister/Fachschule/Techniker(Referenz: Lehre oder weniger)

−0,01266 0,01392

Stellung im Beruf: Honorarkräfte(Referenz: Angestellte)

0,00065 0,00997

Stellung im Beruf: Inhaber(Referenz: Angestellte)

0,01789 0,01478

Sonstige Erwerbstätige: Ehrenamt, geringfügig beschäftigt

−0,00566 0,01390

Konstante −0,15483* 0,06353

N 967

R2 0,0321

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299Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

Professionalisierung noch positiver auf die gesellschaftliche Anerkennung der Berufstätigen auswirken kann.

Soweit einige Befunde, die gängige deskriptive, gruppen- und kontextüber-greifende Darstellungen um Analysen zu Wechselbeziehungen zu ergänzen suchen. Einschränkungen ergeben sich aus der Tatsache, dass die vorhandenen Daten des wb-personalmonitor keine Mehrebenenanalysen erlauben: Organi-sationale Einflussfaktoren konnten nicht berücksichtigt werden, da die wb-per-sonalmonitor-Daten zwar auf der Basis von Anbieterdaten erhoben wurden, die Fallzahl der beschäftigten Lehrkräfte in den Einrichtungen aber zumeist zu klein war; viele Lehrkräfte waren zudem bei mehreren Anbietern tätig, sodass ein-deutige Zuordnungen nicht vorgenommen werden konnten. Da der Zuwachs an Professionalität anhand der verfügbaren Daten nur anhand des Vorliegens von pädagogischen Zusatzqualifikationen erfasst werden konnte, können wir zudem nicht entscheiden, ob es die Zertifikate oder die darin dokumentierten Kom-petenzen sind, die sich positiv auf das Einkommen auswirken, ob die Befunde also eher im Sinne von Signal- und Filter oder eher im Sinne von Theorien des Humankapitals erklärbar sind (vgl. Becker 2012).

4 Strategien der Förderung individueller und kollektiver Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung

Die Analysen zum Stand und zu den Bedingungen individueller und kollektiver Professionalisierung bei Lehrkräften in der Erwachsenen- und Weiterbildung zeigen zum einen, dass aufgrund des geringen Ausmaßes an institutionellen Regulierungen (staatlicher und tarifvertraglicher Art) strukturelle Bedingungen wie z. B. Marktverhältnisse, die sich zum einen aus variierenden Geschäfts-modellen von Weiterbildungsanbietern, zum anderen aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Lehrkräften ergeben, relativ ungebremst auf das Einkommen durchschlagen. Zum anderen machen die Befunde deutlich, dass sich auch individuelle Faktoren wie professionelle Expertise, hier erfasst in Form nachweisbarer Zusatzqualifikationen, positiv auf die Beschäftigungsbe-dingungen auswirken. Was in der Darstellung im Nationalen Bildungsbericht, der einleitend zitiert wurde, angezweifelt wurde – wenn auch auf unsicherem empirischen Fundament – findet in den hier präsentierten Daten eine gewisse empirische Evidenz – wenn auch nicht auf der kollektiven, so doch auf der indi-viduellen Ebene: Professionalität von Lehrkräften kann zum gesellschaftlichen Status dieser beruflichen Tätigkeit beitragen.

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300 J. Schrader und F. Loreit

Interpretiert man die hier berichteten Befunde vor dem Hintergrund von Professionalisierungsoptionen bei Lehrkräften in der Erwachsenen- und Wei-terbildung, so möchten wir nachfolgende Einschätzungen festhalten. Die fortschreitende Institutionalisierung des lebenslangen Lernens lässt für Erwach-senenbildnerinnen und Erwachsenenbildner grundsätzlich mit den traditionellen Professionen vergleichbare Professionalisierungsoptionen möglich erscheinen. Die fortschreitende Ausdifferenzierung eines Funktionssystems Weiterbildung, verbunden mit einer wachsenden Zahl hauptberuflich Beschäftigter, wäre dafür eine wichtige Voraussetzung (vgl. Stichweh 2013).

Einschränkend ist allerdings zu bedenken, dass die gesellschaftlichen Bedarfe wandelbarer und vielfältiger erscheinen als bei der Juristen-, Mediziner- oder Lehrerschaft. Zwar handelt es sich, um einige Beispiele aufzugreifen, bei der Bewältigung des demografischen und technologischen Wandels, der andauernden Zuwanderung oder der Digitalisierung der Arbeits-, Lebens- und Lernwelten um mittel- bis langfristige Prozesse, die ohne lebenslanges Lernen nicht bewältigt werden können. Gleichzeitig gibt es aber erhebliche konjunkturelle und inhaltliche Schwankungen. Dies ist derzeit u. a. an den Herausforderungen ablesbar, die mit Zuwanderung, Flucht und Vertreibung einhergehen (vgl. Schrader 2016). Diese erzeugen einen so hohen Bedarf an qualifizierten Lehrkräften z. B. für Sprach-kurse, dass dieser nur noch durch die Mobilisierung ehrenamtlichen Engagements bewältigt werden kann (vgl. Brost et al., Die Zeit, 12. Mai 2016); gleichzeitig werden damit Professionelle und Laien in ein Konkurrenzverhältnis zueinander gesetzt. Zudem können die oft projektförmig bereitgestellten öffentlichen Mittel (etwa durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) die Beschäftigungs-bedingungen der Lehrkräfte zwar (kurzzeitig) verbessern, gleichzeitig aber ihr Abwandern in den sozial sichereren Kontext der Schule nicht verhindern. Und schließlich ist derzeit schwer abzuschätzen, für welche Herkunftsländer und Sprachfamilien mittelfristig ein Bedarf an qualifiziertem Unterricht besteht und welche Bedeutung arbeitsplatznahen Qualifizierungsformaten zukommen wird. Insgesamt zeigt dies zwar, dass es derzeit insbesondere die Lehrkräfte sind und nicht die planend-disponierenden Mitarbeiter, die in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten, wenn Integrationsleistungen der Erwachsenen- und Weiterbildung ausdrücklich nachgefragt werden. Man kann dies als Ausdruck der weit verbreiteten und empirisch gut gesicherten Annahme deuten, dass es insbe-sondere von der Qualität der Lehrkräfte abhängt, ob Lehr-Lernprozesse erfolgreich gestaltet werden können (Lipowsky 2006; Hattie 2008). Allerdings wird die Frage schwieriger zu beantworten sein, ob sich unter den Bedingungen von beruflicher und ehrenamtlicher Arbeit ein einheitliches Berufsbild herausbilden kann, von welchen Akteuren es repräsentiert wird und ob es – wenn das gelingt – eher auf

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301Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

die fachlichen (wie bei den Juristen und Medizinern) oder die allgemein-pädago-gischen Anteile (wie es wenn auch nicht ausschließlich, so aber doch auch bei den Lehrerinnen und Lehrern der Fall ist) stützt.

Man könnte daher versucht sein, von der zeitlosen Gültigkeit einer eher skep-tischen Einschätzung auszugehen, die Fritz Borinski (2014; zuerst 1944/1945; S. 146) Mitte des vergangenen Jahrhunderts formuliert hat: „The success of an adult education movement depends on the quality of its tutors, upon their status, their payment, and their training. As was shown in the previous section, status and salary were both uncertain and unsatisfactory“. Allerdings zeigen uns die jüngeren Daten und empirischen Befunde auch einen bemerkenswerten Wandel: Dazu gehört eine Zunahme der Akademisierung unter Lehrkräften, eine wach-sende Zahl von Freiberuflern, die Lehrtätigkeit als Hauptberuf praktizieren, sowie die beschäftigungsbezogene Relevanz erwachsenenpädagogischer Zusatzqualifi-kationen. Und vor allem machen sie deutlich, dass sich Elemente der kollektiven und der individuellen Professionalisierung positiv auf die Beschäftigungsbedin-gungen auswirken, auch wenn ihre Effekte noch schwach sind. Nicht zuletzt hat sich die Wissenschaft in den vergangenen Jahren wieder stärker mit den professi-onellen Kompetenzen von Lehrkräften beschäftigt.

Daher möchten wir abschließend noch kurz auf die Rolle des DIE in kollek-tiven und individuellen Professionalisierungsprozessen eingehen, um die uns die Herausgeber des Sammelbandes gebeten haben. Wenn man aus den skizzierten Befunden Strategien ableiten möchte, wie die Professionalisierung der Lehrkräfte in der Erwachsenen- und Weiterbildung gefördert und unterstützt werden kann, so lassen sich zwei zentrale Aufgaben erkennen: Hilfreich für die gesellschaftli-che Anerkennung einer Lehrtätigkeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung sind zum einen Hilfen bei der Durchsetzung institutioneller Arrangements zur Rege-lung des Berufszugangs und der Berufsausübung, zum anderen – ganz im Sinne des eingangs von Hans Tietgens zitierten Votums – Angebote zum Aufbau und zur Förderung individueller Professionalität. Wie sich das DIE in beiden Feldern engagiert, soll im Folgenden anhand zweier Projekte skizziert werden.

In dem ersten Projekt – GRETA (Grundlagen zur Entwicklung eines träger-übergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenzen Lehrender in der Erwachsenen-/Weiterbildung) – arbeitet das DIE, finanziert vom Bundesministe-rium für Bildung und Forschung und gemeinsam mit Berufs- und Trägerverbänden aus allen Kontexten der Erwachsenen- und Weiterbildung, an der Frage, wie in die-sem weithin ungeregelten und „offenen“ Beschäftigungsfeld formell oder informell erworbene Kompetenzen von Lehrkräften anerkannt und Standards der Berufsaus-übung etabliert werden können. Dieses Projekt zielt darauf, wissenschaftlich fun-dierte Grundlagen für solche Prozesse zu erarbeiten, die nicht ohne ein Engagement

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der Akteure im Feld umgesetzt werden können. In einem ersten Schritt ist dafür ein Strukturmodell theoriegeleitet und in Abstimmung mit Experten aus Wissen-schaft und Praxis entwickelt worden, das Kompetenzen von Lehrenden in typischen Anforderungssituationen abzubilden vermag (Lencer und Strauch 2016). Grundle-gend hierfür ist ein von Baumert und Kunter (2006) entworfenes und für die Wei-terbildung weiterentwickeltes Modell professioneller Handlungskompetenzen und ihrer Entwicklung (Schrader und Goeze in Vorbereitung). Die Modellbildung zielt auf eine kontext- und fachunabhängige Konkretisierung des Wissens und Könnens von Lehrkräften, um sowohl handlungsrelevante Wissensbestände als auch Kompe-tenzanforderungen zunächst im Sinne des Bekanntmachens des „Funktionsbild[es]“ (Tietgens 1970, S. 146) abzubilden und schließlich Mindestanforderungen für Lehrtätigkeiten in allen Bereichen der Erwachsenen- und Weiterbildung ableiten zu können. Aufbauend auf diesem Modell werden in den nächsten Projektphasen Verfahren der Akkreditierung von formellen Weiterbildungsangeboten sowie der Validierung von informell erworbenen Kompetenzen entwickelt. Die enge Koopera-tion mit Berufs- und Trägerverbänden und die Unterstützung durch das Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschung sind dabei von essenzieller Bedeutung. Denn in Deutschland hat der Staat bislang nur sehr eingeschränkt eine rechtliche Bezie-hung zum Personal der Erwachsenen- und Weiterbildung aufgebaut. Institutionelle Arrangements zur Reglementierung des Berufszugangs und der Berufsausübung sind daher derzeit am ehesten von Berufsverbänden und Tarifvertragsparteien zu erwarten. Wissenschaft kann solche Prozesse dadurch unterstützen, dass Berufsbil-der gefördert und valide, reliable und ökonomische Verfahren zur Anerkennung von Kompetenzen entwickelt werden.

In einem zweiten Projekt geht es um die Frage, wie die professionelle Kom-petenz von Lehrkräften der Erwachsenen- und Weiterbildung gefördert werden kann. In Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung entwickelte das DIE von 2014 bis 2016 im Rahmen des Projekts KELLE (Konzeptionelle Grundlagen für die Einrichtung eines Lernportals für Lehrkräfte der Erwachsenenbildung) das Infor-mations- und Vernetzungsportal wb-web. Seit Dezember 2015 steht das Portal zur Verfügung und stellt neben Dossiers zu aktuellen Themen, wissenschaftlich fun-dierten und didaktisch aufbereiteten Wissensbausteinen, didaktisch-methodischen Handreichungen und Materialien ein Forum sowie eine Kommentarfunktion zur Förderung kollegialer Vernetzung bereit. Über wb-web stehen damit einer-seits Angebote zur handlungsorientierten Wissenserweiterung und andererseits eine Infrastruktur zum Aufbau von Kontakten über regionale und fachbezogene Grenzen hinweg zur Verfügung. Hierfür wurde zunächst eine Zielmarktstudie mit einer von der Eberhard Karls Universität Tübingen realisierten Bedarfserhebung (Schöb et al. 2015) durchgeführt, um an das Internetportal gerichtete Erwartun-gen von Lehrkräften zu ermitteln. Die anschließende Konzeption und technische

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303Professionalisierung bei Lehrkräften der Erwachsenen …

Umsetzung wurde kontinuierlich von Vertretern aus Verbänden, Wissenschaft und Praxis begleitet. Die Entwicklung und Implementierung eines Instrumen-tariums zur Kompetenzförderung als weiteres Angebot von wb-web wird mit dem Projekt EULE (Entwicklung einer webbasierten Lernumgebung für Wei-terbildung, Kompetenzerwerb und Professionalisierung von Lehrenden in der Erwachsenenbildung; Laufzeit 2016 bis 2019) umgesetzt. Das in wb-web integ-rierte Online-Fall-Laboratorium bietet den Nutzern zudem die Möglichkeit, ihre Diagnosekompetenz anhand von authentischen Videofällen selbst gesteuert und in kollegialem Austausch weiterzuentwickeln. Die im Rahmen einer Interven-tionsstudie von der Universität Tübingen in Kooperation mit der Katholischen Erwachsenenbildung Deutschland entwickelte, computergestützte Lernplattform ist über mehrere Jahre in Evaluationsstudien und quasi-experimentell auf Wirk-samkeit und Akzeptanz empirisch erprobt worden (Schrader et al. 2010; Het-fleisch et al. 2014, 2017).

Darüber hinaus engagiert sich das DIE dauerhaft in der Systembeobachtung, um Strukturen und Wandlungsprozesse der Erwachsenen- und Weiterbildung nachzuzeichnen. Während lange Zeit der Fokus auf Anbieter und Angebote (z. B. VHS- und Verbund-Statistik: Huntemann und Reichart 2015; wbmonitor: Ambos et al. 2016) bzw. auf die Teilnahme (Mitarbeit im AES-Konsortium 2016) gerich-tet war, wurde mit dem wb-personalmonitor erstmals auch der Blick auf das Per-sonal gelenkt.

Das DIE betrachtet die individuelle und kollektive Professionalisierung des Personals in der Erwachsenen- und Weiterbildung als ein notwendiges Ziel, um durch eine wissenschaftlich fundierte Aus- und Fortbildung sowie durch Rege-lungen des Berufszugangs und der Berufsausübung für eine verlässliche Qualität personenbezogener Dienstleistungen zu sorgen und zugleich die Beschäftigungs-bedingungen, den beruflichen Status und die gesellschaftliche Anerkennung der handelnden Akteure zu fördern. Professionen entstanden bekanntlich beim Über-gang von traditionalen zu modernen Gesellschaften. Welche Möglichkeiten der Nachahmung sogenannter Leitprofessionen unter gänzlich anderen historischen Rahmenbedingungen bestehen, bedarf daher einer gründlichen Analyse der struk-turellen, institutionellen und individuellen Rahmenbedingungen und ihres Zusam-menspiels (vgl. Stichweh 2013, S. 335). Zu bedenken ist zudem, dass auch die klassischen Professionen sich verändern und unter Modernisierungsdruck gera-ten. So lässt sich die Forcierung des Qualitätsmanagements durch die Politik nicht nur im (Weiter-)Bildungs-, sondern auch im Gesundheitsbereich als Hin-weis darauf interpretieren, dass Organisationsentwicklung als funktionales Äqui-valent zur Professionalitätsentwicklung betrachtet wird (vgl. Stichweh 2005). Und die Veröffentlichung berufsspezifischer Wissensbestände in digitalen Medien

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stellt den Status aller wissensbasierten Berufe infrage, nicht nur der Ärzte, die derzeit am stärksten von dieser Entwicklung betroffen scheinen.

Letztlich ist es eine Frage der spezifischen Kompetenzen der Berufstätigen sowie ihrer gesellschaftlichen Macht, die darüber entscheidet, ob individuelle und kollektive Professionalisierung gelingt. Wissenschaft und Forschung können dazu als relevante institutionelle Umwelten von Professionalisierungsprozessen ihren Beitrag leisten. Das DIE betrachtet es als Aufgabe und Verpflichtung, im Sinne von Hans Tietgens dazu beizutragen – aus Verantwortung gegenüber einem Sys-tem der Erwachsenen- und Weiterbildung, in dem jeder lernen kann, was er ler-nen will, soll und selbst auch kann.

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308 J. Schrader und F. Loreit

Über die Autoren

Prof. Dr. Josef Schrader Arbeitsschwerpunkte: Empiri-sche und theoretische Forschung zum Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung, Professionalisierung des Per-sonals in der Weiterbildung und Struktur und Steuerung des Weiterbildungssystems.

Franziska Loreit Arbeitsschwerpunkte: Institutionen- und Strukturforschung sowie Adressaten- und Teilnehmer-forschung in der Weiterbildung.

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309

Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung. Segmentationstheoretische Überlegungen und empirische Befunde

Ina Krause

ZusammenfassungDer vorliegende Beitrag untersucht die Arbeitsverhältnisse in der Weiter-bildung vor dem Hintergrund segmentationstheoretischer Überlegungen und möchte auf dieser Basis auf die häufig entgegenlaufenden betrieblichen Bestrebungen des Aufbaus flexibler Beschäftigungsstrukturen und der Ent-wicklung pädagogischer Dienstleistungsqualität im Sinne einer Professiona-lisierung des Weiter- und Erwachsenenbildungspersonals hinweisen. Hierbei wird die auffindbare Heterogenität in der Weiterbildungsbranche einerseits aus seiner historischen Entwicklung heraus begründet und andererseits das Augenmerk auf die Bedeutung unterschiedlicher Finanzierungsquellen für die Strukturierung der Beschäftigung in der Weiter- und Erwachsenenbildung gelenkt. Auf der Basis von empirischen Befunden kann gezeigt werden, dass sich der Weiterbildungssektor aber insgesamt in besonderem Maße durch eine hohe extern-numerische Flexibilität des Personals im Kernbereich der Beschäftigung, d. h. bei dem Personal, welches Erwachsenen- und Weiterbil-dungskurse und -maßnahmen durchführt, auszeichnet. Hier zeigt sich einer-seits ein hoher Anteil an befristeter Beschäftigung und andererseits ein hoher Einsatz von freien Mitarbeitern. Auch lässt sich ein Trend der Herausbildung

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_14

I. Krause (*) Lehrstuhl für Makrosoziologie, Technische Universität Dresden, Chemnitzer Straße 46a, 01187 Dresden, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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310 I. Krause

von Stamm-Randbelegschaftsstrukturen in den Institutionen der Erwachse-nen- und Weiterbildung nachvollziehen. Die Befunde der zitierten quantitati-ven und qualitativen Studie (vgl. Krause, I. 2013; Krause, A. 2012) verweisen darüber hinaus deutlich darauf, dass die beobachtete höhere extern-numerische Flexibilität der Personalressourcen in diesem Beschäftigungssegment häufiger nicht durch das Verhalten der Arbeitnehmer verursacht wird, sondern arbeitge-berseitig indiziert ist, um den Anforderungen der Fördergeldgeber sowie der Privat- und Firmenkunden flexibel nachkommen zu können. Es wird vorge-schlagen, diese Befunde in der weiteren Debatte um die Professionalisierung in der Weiterbildung fruchtbar aufzugreifen. Lösungsansätze zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Weiter- und Erwachsenenbildung soll-ten die Etablierung einer kooperativen Struktur aller Akteure in den Blick neh-men, die der Weiterbildung eine bedeutende Rolle im Prozess der Bearbeitung gesellschaftlicher und sozialer Problemlagen und Umbrüche zusprechen.

1 Einleitung

Den Institutionen der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie der politischen und allgemeinen Erwachsenenbildung kommt in der modernen Arbeitsgesell-schaft eine große Bedeutung im Hinblick auf die Bearbeitung sozialer und gesellschaftlicher Umbrüche und Wandlungsprozesse zu. Einerseits wollen Wei-terbildungsträger den Ansprüchen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber genügen und als Partner in einem kooperativen System zum Erhalt des Qualitätsstandorts Deutschland beitragen. Andererseits kommen den Einrichtungen der Weiter- und Erwachsenenbildung auch gleichzeitig sozial- und gesellschaftspolitisch bedeu-tende Rollen bei der Umsetzung von Maßnahmen der Arbeitsmarktförderpolitik, Sozialpolitik und im Bereich der politischen Bildung zu.

Dabei stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese Bildungsinstitutionen das ihnen zugeschriebene Aufgabenspektrum umsetzen können und unter wel-chen Bedingungen Beschäftigte in der Aus- und Weiterbildung sowie der Erwach-senenbildung ihren verantwortungsvollen Aufgaben nachkommen. Es soll das Ziel dieses Beitrags sein, einen Blick auf die Beschäftigungs- und die Arbeits-marktstrukturen in diesem Tätigkeitssegment zu werfen und hierdurch einen

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311Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

Erkenntnisbeitrag zur Debatte um die Professionalisierung1 in der Weiterbildung (Dobischat et al. 2009; Kraft et al. 2009) zu leisten.

Die Datenbasis der folgenden Untersuchungen bilden das IAB Betriebspanel (Fischer et al. 2009) und das SFB580-B2-Betriebspanel (Struck et al. 2015; Krause, I. 2013; Krause, I. 2008).. Ersteres stellt einen repräsentativen Forschungsdatensatz dar, der im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit jährlich zur Untersuchung der Struktu-ren und Wandlungsprozesse der deutschen Betriebs- und Wirtschaftsstruktur erhoben wird. Zweit genannter Betriebsdatensatz wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Betrieb und Beschäftigung im Wandel“ – angesiedelt am Sonderforschungsbereich 580 der Universität Jena – als kleinerer, aber im Hinblick auf die Analyse betriebli-cher Beschäftigungssegmente tiefer gehender quantitativer Betriebsdatensatz auf der Basis explorativer qualitativer Vorstudien erhoben. Zur Vertiefung der Fragestellung des Forschungsprojektes wurde nach Abschluss der quantitativen Befragungen des SFB580-B2-Betriebspanel einige Fälle für eine erneute leitfadengestützte qualitative Befragung der Personalverantwortlichen der bereits mehrfach befragten Betriebs-stätten herangezogen (Krause, A. et al. 2012). Einige zentrale Befunde aus dieser Anschlussstudie, welche sich unter anderem explizit auf den Weiterbildungssektor bezog, werden weiter unten ebenfalls zusammengefasst dargestellt.

2 Der Weiterbildungssektor – ein heterogenes Tätigkeitssegment

Das Aus- und Weiterbildungssystem im deutschsprachigen Raum weist im inter-nationalen Vergleich eine große Besonderheit auf. Seine Struktur ist insbesondere im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung sehr stark ausdifferenziert und mit der klein- bis mittelbetrieblichen Struktur der Industrie- und Dienstleis-tungslandschaft eng verbunden (Greinert 2013; Lutz und Sengenberg 1974). Die formale Gestaltung der beruflichen Aus- und Weiterbildung wird in einem koope-rativen System von gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Akteuren ausgehandelt (Hoeckel und Schwartz 2010; für Deutschland: Brater 2010) und

1Professionalisierung wird hier verstanden als ein Prozess der Qualitätsentwicklung päda-gogischer Dienstleistungsarbeit, in dem pädagogische Prozesse in der Erwachsenenbildung im Fokus stehen, deren wesentliche Voraussetzung aber die Organisationsqualität ist. Die professionelle Ausübung der Tätigkeiten in der Erwachsenenbildung erfordert, dass das notwendige erwachsenenpädagogische Wissen beschrieben und in Form von spezifischen erwachsenenpädagogischen Kompetenzprofilen benannt und eingefordert wird (Kraft et al. 2009, S. 16).

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312 I. Krause

dient dabei dem Zweck einer „realistischen Bildung“ (Greiner 2013). Das heißt einem „Lehrkonzept, das vor allem die Qualifikationsbestände in Betracht zieht, die den Menschen befähigen, Lebenssituationen zu bewältigen … und ihn also explizit in Gesellschaft und Geschichte einbinden“ (Greiner 2013, S. 8).

Dies hat allerdings zur Folge, dass der Aus- und Weiterbildungssektor in den deutschsprachigen Ländern sehr stark zergliedert ist, da er den vielseitigen Ansprüchen der gestaltenden Akteure aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik gerecht werden muss. Die Ansprüche, die an das Berufsbildungssystem heran-getragen werden, reichen von einem hohen Qualitätsanspruch an die berufliche Aus- und Weiterbildung vonseiten der Betriebe bis hin zur Bearbeitung sozialpo-litischer Problemlagen wie der Aktivierung von lernbenachteiligten Jugendlichen, Langzeitarbeitslosen und Rehabilitanden für die Erst- und Wiedereingliederung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bei gleichzeitig intensiver Kontrolle. Zudem sieht sich das System der dual organisierten beruflichen Aus- und Weiterbildung einem großen Anpassungsdruck an einen stetig stattfindenden technologischen Wandel in der Wirtschafts- und Arbeitswelt ausgesetzt. Aber auch von den Insti-tutionen der allgemeinen und politischen Erwachsenenbildung, welche historisch betrachtet andere Wurzeln haben als die Institutionen der beruflichen Aus- und Weiterbildung (Seittner 2007), wird von politischer Seite zunehmend die Eigen-finanzierung in Form von Einwerbung von Drittmitteln eingefordert (Alfänger et al. 2016). Hierdurch entstehen teilweise auch Konkurrenzsituationen zwischen Bildungsträgern der politischen sowie allgemeinen Erwachsenenbildung und der beruflichen Aus- und Weiterbildung. In diesem Spagat zwischen Konkurrenz-druck und gesellschaftlichem Qualitäts- und Professionalitätsanspruch suchen die Bildungsinstitutionen eigene Wege der Organisation und Planung ihres Tages-geschäftes, die die Interessen der Beschäftigten und Erwerbstätigen nicht immer vordergründig berücksichtigen können.

Es lohnt sich somit, einen Blick auf die Struktur und Arbeitsverhältnisse in der Aus- und Weiterbildung zu werfen, um zu verstehen, welche Professionali-sierungsansprüche an dieses System realistischer Weise herangetragen werden können. Dabei gilt es insbesondere zu beachten, dass es sich hierbei um ein sehr heterogenes Tätigkeitssegment handelt. Alfänger et al. (2016) sprechen von drei Teilarbeitsmärkten mit alternierenden Bedingungen: die öffentlich geförderte berufliche Weiterbildung, die privat bzw. betrieblich finanzierte Weiterbildung sowie die öffentlich geförderte allgemeine Weiterbildung (Alfänger et al. 2016).

Ganz besonders die allgemeine und politische Erwachsenenbildung ist im Hin-blick auf die Finanzierung ihres Bildungsangebotes regelmäßig auf eine öffent-liche Förderung von mindestens einem Drittel angewiesen (Horn et al. 2015, S. 1), wobei diese Finanzierung häufiger über kommunale und länderspezifische

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313Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

Förderprogramme ausgeschüttet wird (Horn et al. 2015, S. 53 f.). Teilweise ent-scheiden aber auch EU Förderprogramme wie die ESF Förderprogramme über das Überleben von einzelnen Bildungsinstitutionen.

In der beruflichen Aus- und Weiterbildung spielt demgegenüber häufiger die Förderpolitik der Bundesagentur für Arbeit eine entscheidende Rolle für die Pla-nungshorizonte in den Bildungseinrichtungen. Maßgeblich wirkt sich auch die 2004 (BGBl Teil I, Nr. 28, 2004) eingeführte und 2012 nochmals reformierte Pra-xis (BGBl Teil 1, Nr. 15, 2012) einer Zulassungspflicht für Bildungsträger und Bildungsmaßnahmen, die von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden, auf die betriebliche Personalpolitik aus. Insbesondere die Praxis der Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen in den zwei Gutscheinverfahren (Bildungsgut-schein, Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein) auf einer Berechnungsbasis von Bundesdurchschnittskostensätzen und einer Mindestteilnehmerzahl von in der Regel 15 Teilnehmern sowie die Einführung des Mindestlohns für sozialversiche-rungspflichtig Beschäftigte in der Weiterbildung veranlasst Weiterbildungsinstitu-tionen sehr stark zur Flexibilisierung von Personalressourcen, um kostendeckend zu wirtschaften (Alfänger et al. 2016; Rosendahl 2013).

Andererseits sind diese Bildungsträger oftmals gleichzeitig auch wichtige Partner der regionalen Wirtschaft in Ausbildungsverbünden, beispielsweise bei der Organisation von prüfungsrelevanten Speziallehrgängen im Kontext der Dua-len Ausbildung oder des Dualen Studiums. Letztlich bestimmt die regionale Wirt-schaftslage und auch das Netzwerk der Bildungsinstitution, welche der beiden Finanzierungsquellen, öffentliche oder betrieblich finanzierte Aus- und Weiterbil-dung, die Geschäftspolitik maßgeblicher beeinflusst.

Für beide Systeme, sowohl die allgemeine und politische Erwachsenenbildung sowie die berufliche Weiterbildung, gilt, dass kostendeckende Teilnehmerbeiträge von Privatpersonen in den seltensten Fällen als einzige Finanzierungsgrundlage angesehen werden können. So spiegelt auch die wbmonitor Umfrage des Jahres 2015 wider, dass in drei Viertel aller befragten Weitbildungseinrichtungen Teil-nehmer durch eine öffentliche Förderung teilweise oder vollständig finanziert werden (Ambos et al. 2016, S. 9 f.).

Eine hohe Flexibilität der Beschäftigung von Mitarbeitern und der Beauftra-gung von Dozenten ist für Weiterbildungseinrichtungen sehr häufig überlebens-wichtig und wird aus den oben dargestellten Gründen, anders als in anderen eng an externe Arbeitsmärkte angeschlossenen Beschäftigungssegmenten mit hohen Fluktuationsraten wie den Künstlerarbeitsmärkten (Apitzsch 2010; Haak 2005; Haunschild und Eikhof 2004), maßgeblich arbeitgeberseitig indiziert (hierzu Krause, A. et al. 2012, S. 39). Dies bedeutet: Von Beschäftigten und Selbstständi-gen in der Kreativwirtschaft – in den sogenannten Künstlerarbeitsmärkten – wird

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314 I. Krause

die projektförmige Arbeitsorganisation, die sich aufgrund des Gegenstands der Arbeit ergibt und welche mit einer hohen Flexibilität der Beschäftigten verbunden ist, als ein zentrales Element ihrer Professionskultur verstanden und ist somit in der Organisation der Arbeit stark verankert. Demgegenüber haben die Beschäf-tigten in der Weiterbildung, insbesondere der beruflichen Weiterbildung (Haak und Schmid 1999) zumeist ein großes Interesse an einer längerfristigen Beschäf-tigungsperspektive, um sich in ihrer Arbeit entfalten zu können und gefundene Lösungsansätze sowie Lehr- und Lernmethoden langfristig zu etablieren. Die dennoch beobachtbare hohe Quote an befristet Beschäftigten und Honorarkräf-ten in der Weiterbildung sprechen dafür, dass sich hier arbeitgeberseitig indizierte Flexibilisierungsstrategien widerspiegeln, die auf extern-numerische Flexibilisie-rung setzen, um den Anforderungen der Fördergeldgeber sowie der Privat- und Betriebskunden nachkommen zu können. Diese Beobachtungen sollen in den fol-genden Abschnitten anhand empirischer Befunde unterlegt werden.

3 Verbreitungsmuster atypischer Beschäftigung

Der hohe Flexibilisierungsbedarf von Weiterbildungsinstitutionen kann empirisch durch eine Betrachtung der Beschäftigungsformen in der Weiterbildungsbranche nachvollzogen werden.

In Abb. 1 sowie in Tab. 1 wird zunächst der Anteil von Betrieben im gesam-ten Sektor „Erziehung und Unterricht“ für den Zeitraum der Jahre 2002 bis 2014 abgezeichnet, die die jeweils sogenannten „atypischen“ Beschäftigungsformen „Befristung“, „geringfügige Beschäftigung“ sowie „freie Mitarbeit“ nutzen2. Diese Graphen werden kontrastiert mit den Anteilen der Betriebe bezogen auf die gesamte Stichprobe des IAB-Betriebspanels, jeweils im Querschnitt der Erhe-bungsjahre im selben Zeitraum.

Diese Gegenüberstellung macht deutlich, dass in der Branche „Erziehung und Unterricht“ der Anteil der Betriebe, die auf Befristung (ca. 60 %) und freie Mitarbeiter (25 %) zurückgreifen, im Betrachtungszeitraum nahezu durchgängig wesentlich höher ist als in der Vergleichsgruppe. Im Vergleich zu diesen häufig genutzten Beschäftigungsformen liegt der Anteil der Betriebe in der Branche „Erziehung und Unterricht“, die geringfügig Beschäftigte einstellen (rund 40 %

2Leiharbeit wird in der Branche so gut wie nicht genutzt, weswegen die Anteile soweit dar-stellbar zwar in Tab. 1 angegeben werden, aber nicht in der Abb. 1 dargestellt werden.

Page 310: Das Personal in der Weiterbildung: Im Spannungsfeld von Professionsanspruch und Besch¤ftigungsrealit¤t

315Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

Quelle: IAB-Betriebspanel, eigene Berechnungen

0

10

20

30

40

50

60

2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

Befristung (alle Betriebe)Befristung (Erziehung/Unterricht)Geringfügige Beschä�igung (alle Betriebe)Geringfügige Beschä�igung (Erziehung/Unterricht)Freie Mitarbeit (alle Betriebe)Freie Mitarbeit (Erziehung/Unterricht)

Abb. 1 Anteil der Betriebe an Gesamtstichprobe mit Nutzung atypischer Vertragsformen im Zeitraum 2002–2014, geringfügige Beschäftigung erst ab 2006 erfasst. (Quelle: IAB-Betriebspanel, eigene Berechnungen)

Tab. 1 Anteil Betriebe. (Quelle: IAB Betriebspanel, eigene Berechnungen)

ak.F. kleine Fallzahl, Wert kann nicht ausgewiesen werden

Anteil der Betriebe mit Vertragsform… (IAB-Betriebspanel)

2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014

Befristung (alle Betriebe) 39,3 40,4 40,9 39,8 36,4 38,8 37

Befristung (Erziehung/ Unterricht) 59,9 59,3 61,5 60,5 56,4 61,1 56,6

Geringfügige Beschäftigung (alle) 48,7 51,4 52,3 55,5 57,7

Geringfügige Beschäftigung (E/U) 41,9 44,6 47,5 50,6 54

Freie Mitarbeit (alle Betriebe) 8,6 9,8 10,7 10,2 9,7 10,6 10,2

Freie Mitarbeit (Erziehung/Unterricht) 24,3 24,4 25 25,7 24,5 25,8 26

Leiharbeit (alle Betriebe) 11,3 11,6 13,5 14,7 12,4 13,8 13

Leiharbeit (Erziehung/Unterricht) k.F.a 3,4 k.F.a k. F.a 3,4 3,9 k. F.a

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316 I. Krause

im Jahr 2006 und 50 % im Jahr 2014), etwa 5 % unter dem Durchschnittswert für alle Betriebe des Samples.

Anhand der Daten des SFB580-B2-Betriebspanels kann für die Jahre 2002, 2004 und 2006 ein Blick auf eine kleinere Stichprobe von Bildungsträgern aus-schließlich aus der Weiter- und Erwachsenenbildung (N = 74, 69, 88) geworfen werden, die aus den Regionen Bayern, Sachsen, Thüringen, Niedersachsen-Bremen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zufällig ausgewählt wurden. Es handelt sich hierbei um Bildungseinrichtungen, deren Betriebsgröße im Jahr 2002 um den Median von 20 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verteilt ist. 60 % der Bildungseinrichtungen im Sample sind in den beobachteten ostdeutschen Regionen angesiedelt, 40 % in den ausgewählten westdeutschen Regionen3. Im Mittel bestehen die Einrichtungen im Jahr 2002 in den ostdeut-schen Regionen seit elf Jahren in der vorgefundenen Rechtsform und Eigentü-merstruktur und seit 15 Jahren in den westdeutschen Regionen. Die historische Erstgründung liegt in den ostdeutschen Regionen im Mittel ebenfalls elf Jahre zurück, kann also auf den Zeitraum der politischen Wende 1990/1991 zurückda-tiert werden. In den westdeutschen Regionen fand die Gründung meist sehr viel früher, im Mittel 23 Jahre zuvor, statt. 89 % der Weiterbildungsbetriebe geben im Jahr 2002 als Finanzierungsquelle öffentliche Gelder, 70 % private Personen und 52 % andere Betriebe4 an.

Ein Blick auf die Anteile der Einrichtungen, die ausschließlich in der Weiter-bildung beziehungsweise Erwachsenenbildung tätig sind und die auf Befristung und freie Mitarbeit zurückgreifen, zeigt, dass die Werte im Vergleich zu den Daten aus dem IAB – Betriebspanel noch wesentlich höher liegen. Zwischen 68 und 76 % der Betriebe setzen zum erfassten Stichtag 30.09.2002 bis 2006 befris-tete Beschäftigte ein und zwischen 76 und 83 % der Betriebe arbeiten zu den gleichen Stichtagen mit freien Mitarbeitern zusammen5.

4Leider wurde nicht nach der vorrangigen Finanzierungsquelle gefragt.5Leiharbeiter werden auch in Betrieben dieses Samples nur von einem marginalen Anteil an Betrieben (unter 3 %) eingesetzt.

3Im Sample wurde eine Gleichverteilung von ost- und westdeutschen Einrichtungen angestrebt. Die Erreichbarkeit und Antwortbereitschaft war daher in ostdeutschen Bil-dungseinrichtungen höher. In den multivariaten Analysen wurde dieser Effekt durch die Berücksichtigung der Variable Ost-West kontrolliert. In den deskriptiven Analysen wird der Kontexteffekt, der sich für ostdeutsche Bildungseinrichtungen ergibt, überschätzt. Auf die Unterschiede in der Beschäftigungsstruktur von Ost- und Westdeutschen Weiterbildungs-einrichtung in der weiteren Entwicklung kann im Rahmen der vorliegenden Auswertungen nicht weiter eingegangen werden. Diese wurden bislang noch nicht systematisch untersucht.

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317Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

Noch deutlicher wird die intensive Nutzung atypischer Beschäftigungsfor-men im Bildungssektor allgemein und im Weiterbildungssektor speziell, wenn man sich die Durchschnittswerte für das Verhältnis der Anzahl der Beschäftig-ten in einer der genannten Formen atypischer Beschäftigung jeweils bezogen auf die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt im Betrieb anschaut. Im Durchschnitt aller im IAB-Betriebspanel befragten Einrichtungen, die der Branche „Erziehung und Unterricht“ zugeordnet werden, liegt der Anteil befristet Beschäftigter an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2002 bei 0,155 (15,5 %) und steigt bereits im Jahr 2006 auf 0,20 (20 %) an und verharrt dann in den Jahren 2008, 2010 und 2012 auf einem Wert von 0,19–0,20 (19–20 %). Gleichzeitig liegt das Verhältnis von freien Mitarbeitern zu sozial-versicherungspflichtigen Mitarbeitern im Jahr 2002 bei 0,31 (etwa 3 freie Mit-arbeiter bei 10 sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitern) und steigt im Jahr 2010 sogar auf 0,46 (etwa 5 freie Mitarbeiter auf 10 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte) an. Dieser Wert bleibt nicht stabil, sondern schwankt im betrachte-ten Zeitraum um den Wert von 0,3. Damit liegen die durchschnittlichen Anteile an befristeten und freien Mitarbeitern im Bildungssektor weit über dem Durch-schnittswert des Samples. Wenngleich die Verteilungsmaße (Quartile und Zentile) darauf hindeuten, dass nur 10 % der Betriebe freie Mitarbeit und Befristung sehr intensiv nutzen. Der Wert für das 9. Zentil zeigt, dass jeweils 10 % der Betriebe regelmäßig mehr als 50 % befristet Beschäftigte und mehr als 25 % an freien Mit-arbeitern haben.

Demgegenüber liegt das durchschnittliche Verhältnis von geringfügig Beschäf-tigten zu sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (ohne geringfügig Beschäf-tigte) mit 0,16 im Jahr 2002, 0,20 im Jahr 2010 und 0,16 im Jahr 2014 bei nur etwa zwei Dritteln des Durchschnitts aller Betriebe.

Die Verteilungsmaße für die Anteilswerte des kleineren Samples an Weiterbil-dungsbetrieben im SFB580-B2-Betriebspanel (Abb. 2a, b) zeigen nochmals die sehr breite Streuung bei der intensiven Nutzung von freier Mitarbeit (Abb. 2b) und die noch intensivere Nutzung von befristet Beschäftigten (Abb. 2a) in den Weiterbildungsbetrieben.

Wie sich zusammenfassend feststellen lässt, sind die Vertragsformen Befris-tung und freie Mitarbeit im Weiterbildungssektor im Vergleich zu anderen Branchen sehr verbreitet. Geringfügige Beschäftigung wird im Bildungs- und Weiterbildungssektor ebenfalls sehr häufig genutzt, aber nicht häufiger bzw. intensiver als in anderen Branchen. Zeitarbeiter werden in der (Weiter-)Bildung nur in einem nicht darstellbaren marginalen Umfang eingesetzt.

Die Flexibilisierung der Beschäftigungsbeziehungen in Form von Befristung oder freier Mitarbeit stellt somit eine Besonderheit des Beschäftigungssektors Weiterbil-

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318 I. Krause

dung dar, was aus einer segmentationstheoretischen Perspektive (Köhler und Krause, A. 2010) zu der Frage führt, ob die Weiterbildungsträger innerhalb ihrer Belegschaft unter-schiedlichen Beschäftigtengruppen unterschiedliche Beschäftigungsoptionen bieten und somit zur Herausbildung einer Stamm-Randbeschäftigungsstruktur ( Köhler und Preisendörfer 1988) in der Branche beitragen. Anders formuliert, veranlasst der oben

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

2002

2006

2004

(a)

0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8 8,5 9 9,5 10

2006

2002

2004

(b)

Abb. 2 a (oben) und b (unten): Verteilungsmaße p25, p50, p75, p90 (Boxplot) und Mittel-wert (schwarze Markierung) für Anteil befristet Beschäftigter (a) und das Verhältnis freie Mitarbeit/ sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (b) in Weiterbildungsbetrieben (N = 74, 69, 88). (Quelle: SFB 580-B2-Betriebspanel, eigene Berechnungen)

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319Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

dargestellte Befund, danach zu fragen, ob im Beschäftigungssegment Weiterbildung Drehtür- und Einsperreffekte für befristet Beschäftigte und freie Mitarbeiter beobacht-bar sind, die zu einer Ausdifferenzierung von Beschäftigungs-, Aufstiegs- und Wei-terbildungschancen führen und zur Benachteiligung und Prekarisierung der befristet Beschäftigten und freien Mitarbeiter beitragen (Struck und Dütsch 2014; Krause, I. 2011; Krause, I. 2013; Krause, A. et al. 2012).

Für die nähere Analyse der Beschäftigungsbedingungen in der Weiterbildung bietet die multivariate Untersuchung der Nutzungszusammenhänge von freier Mitarbeit einige interessante Befunde. So zeigen Auswertungen im Kontext des Forschungsprojektes „Betrieb und Beschäftigung im Wandel“ (Krause, I. 2013, S. 263 ff.), dass gerade die Vertragsform ‚freie Mitarbeit‘ in wissensintensiven Branchen wie der Weiterbildung arbeitgeberseitig als Instrument der Personalfle-xibilisierung eingesetzt wird, um konjunkturelle, aber vor allem unregelmäßige Schwankungen im Arbeitsvolumen (Anzahl der Aufträge) auszugleichen. Wurde ‚freie Mitarbeit‘ einmal implementiert, so findet gerade bei unregelmäßigen Auf-tragsschwankungen eine intensive Nutzung statt. Gleichzeitig ist die Flexibili-sierung von Beschäftigung über die Beschäftigungsform ‚freier Mitarbeit‘ auch voraussetzungsvoll. In den multivariaten Analysen zur näheren Untersuchung der Nutzungszusammenhänge freier Mitarbeit in wissensintensiven Branchen zeigt sich, dass vor allem der Indikator für die Standardisierung von Arbeitsprozessen, der „Anteil der Beschäftigten mit kurzer Einarbeitungszeit von unter 1 Monat“, in einem signifikant positiven Zusammenhang zur Nutzungshäufigkeit (Anzahl der Betriebe) und Nutzungsintensität (Anteil freier Mitarbeiter bezogen auf die Gesamtbeschäftigung) von ‚freie Mitarbeit‘ in wissensintensiven Branchen steht. Außerdem besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Anteil freier Mit-arbeiter und dem Anteil Hochqualifizierter im Betrieb (Krause, I. 2013, S. 267 f.). Diese Zusammenhänge lassen sich letztlich so interpretieren, dass die intensive Nutzung von freiberuflichen Mitarbeitern vor allem dort stattfindet, wo es mög-lich ist, die Tätigkeit der hoch qualifizierten Kräfte sehr stark zu standardisieren und hierdurch eine feste Einbindung dieser Arbeitskräfte in die Arbeitsorganisa-tion nicht mehr nötig ist.

Für die Weiterbildungsbetriebe des Samples zeigt sich darüber hinaus konkre-ter, dass eine intensive Nutzung von freier Mitarbeit vor allem in Betrieben statt-findet, die bereits Formen von Gruppen- und Projektarbeit in der betrieblichen Organisationspraxis umgesetzt haben. Dies verhindert aber nicht die Herausbil-dung von Stamm-Randbelegschaftsstrukturen. Gerade in den konjunkturstärkeren Jahren des Untersuchungszeitraums geht ein intensiver Einsatz von freien Mit-arbeitern mit einem höheren Anteil an langfristig Beschäftigten im Verhältnis zu

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320 I. Krause

kurz- bis mittelfristig Beschäftigten der sozialversicherungspflichtig angestellten Belegschaft einher (Krause, I. 2013, S. 269).

Um diesen Befund nochmals näher zu hinterfragen, wird im folgenden Abschnitt die Ausdifferenzierung von Beschäftigtengruppen mit unterschiedli-chen Beschäftigungsperspektiven in den Institutionen der Weiterbildung anhand des Indikators der Beschäftigungsdauer auf Basis des SFB580-B2-Betriebspanels näher untersucht.

4 Beschäftigungsdauer und Beschäftigungsstabilität

Die Beschäftigungsdauer ist ein guter Indikator, um die Schließung von Arbeits-marktsegmenten und Beschäftigungssystemen zu untersuchen. Im Rahmen des SFB580-B2-Betriebspanels wurde diesbezüglich ein Indikator auf Basis von qualitativ explorativen Vorstudien entwickelt, der die Beschäftigungsdauer nicht rechtszensiert, sondern als „Erfahrungswert“ misst. Im SFB580-B2-Betriebspa-nel wurde die Frage nach Gruppen von Beschäftigten gestellt, die erfahrungsge-mäß „kurzfristig“ (nicht länger als zwei Jahre), „mittelfristig“ (zwischen zwei und zehn Jahren) oder „langfristig“ (länger als zehn Jahre) im Betrieb beschäf-tigt werden. Interviewpartner der Befragung waren Personalverantwortliche und Geschäftsführer, welche mit dem angebotenen Instrument sehr gut zurechtka-men. Eine zentrale Zielstellung dieser auf dem Konzept „betrieblicher Beschäfti-gungssysteme6“ aufbauenden Betriebsbefragung war es, die Tätigkeitsfelder und Tätigkeitsmerkmale der so identifizierten Beschäftigtengruppen vergleichend zu analysieren und somit Rückschlüsse auf die Entstehung und Erhaltungsbedingun-gen betrieblicher Beschäftigungssysteme mit offenen bzw. stärker geschlossenen Strukturen zu erhalten (Struck und Köhler 2004; Struck 2006; Köhler et al. 2008; Köhler und Krause, A. 2010; Krause, I. et al. 2012; Krause, I. 2013).

6Der Begriff betriebliche Beschäftigungssysteme fasst eine Allokationseinheit von Arbeits-plätzen und Tätigkeiten, die sich innerhalb von betrieblichen Organisationen als sozioöko-nomische Allokationseinheit herausbilden und sich durch distinkte Regeln der Allokation, Qualifikation und Gratifikation von Arbeitskraft auszeichnen. Sie bilden einen zentralen Baustein von Teilarbeitsmärkten. Dabei können betriebliche Beschäftigungssysteme auf der horizontalen Dimension entlang des Kriteriums der Mobilität von Arbeitskraft in offene und geschlossen Beschäftigungssystem unterschieden werden sowie auf der vertikalen Dimension entlang des Kriteriums der Entlohnung von Tätigkeiten in „good jobs“ und „bad jobs“ (Krause, A. und Köhler 2012, S. 12 f.).

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321Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

Die oben geschilderten multivariaten Befunde zum Zusammenhang von Tätig-keitsmerkmalen und der arbeitgeberseitigen Nutzung unterschiedlicher Beschäf-tigungsarrangements (Krause, I. 2013) lassen sich durch deskriptive Befunde des kleinen Teilsamples von Weiterbildungsbetriebe im SFB580-B2-Betriebspanel nochmals unterlegen (Tab. 2, Abb. 3).

Zunächst lässt sich für das Teilsample von Weiterbildungsbetrieben beob-achten, dass die Verteilung der Beschäftigten in diesen Betrieben auf die drei Dauergruppen kurz-, mittel- und langfristige Beschäftigung signifikant von der Vergleichsgruppe abweicht. Mit einem Anteil von durchschnittlich nur 55,5 % an langfristig Beschäftigten, bezogen auf alle Beschäftigten und Tätigen (auch Befristete und freie Mitarbeiter) im Jahr 2006, liegt der Wert signifikant7 unter dem Durchschnitt von 65 % für alle anderen Branchen (weitere Verteilungsmaße Tab. 2).

Auch der Blick auf die Qualifikations- und Tätigkeitsstruktur der den drei Dau-ergruppen zugeordneten Beschäftigten und Tätigen (Befristete und freie Mitarbeiter zählen hier explizit zur betrachteten Gruppe) (Abb. 3) verweist auf eine Besonder-heit dieses Beschäftigungssegments. Es zeigt sich deutlich, dass sich das Personal in der Weiterbildung, vor allem im Hinblick auf die Qualifikationen, maßgeblich

Tab. 2 Daueranteile bezogen auf Gesamtbeschäftigung für die Erhebungsjahre 2002, 2004, 2006. (Quelle: SFB 580-B2-Betriebspanel, eigene Berechnungen)

Weiterbildung

Jahr Anteil an Kurzfristigen Anteil an Mittelfristigen Anteil an Langfristigen

Min Max Mittelwert Min Max Mittelwert Min Max Mittelwert

2002 0 60 6,5 0 100 43,2 0 100 50,1

2004 0 100 5,7 0 100 44,2 0 100 50,1

2006 0 100 4,7 0 100 40,3 0 100 54,9

Alle Branchen

Jahr Anteil an Kurzfristigen Anteil an Mittelfristigen Anteil an Langfristigen

Min Max Mittelwert Min Max Mittelwert Min Max Mittelwert

2002 0 60 6,3 0 100 34,7 0 100 57,9

2004 0 100 6,4 0 100 30,4 0 100 63,3

2006 0 100 5 0 100 31,8 0 100 63,3

7Die Signifikanz wurde anhand eines doppelten T-Tests geprüft.

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322 I. Krause

vom Personal in anderen Branchen unterscheidet. Der Anteil an Hochqualifizierten liegt in allen drei Dauergruppen bei über 50 % und der Anteil der Un- und Ange-lernten ist nur marginal, wenngleich es eine Gruppe von durchschnittlich etwa 15 % der in der Weiterbildung Tätigen gibt, die „berufsfremde“ Qualifikationen einbrin-gen. Der Anteil an „Berufsfremden“ ist mit durchschnittlich 19 % in der Gruppe der kurzfristig Beschäftigten etwas höher als in der Gruppe der langfristig Beschäf-tigten, wo er bei 14 % liegt. Gleichzeitig differenziert sich der Anteil der Beschäf-tigten mit betriebsspezifischem Wissen nur sehr viel schwächer als in anderen Branchen zwischen den Dauergruppen aus.

Die erfragten Tätigkeitsmerkmale zeichnen für die Ausdifferenzierung der drei Dauergruppen in der Weiterbildung ein sehr klares Bild. Deutlich wird, dass vor allem Führungskräfte, Beschäftigte mit Tätigkeiten in der Verwaltung sowie Beschäftigte, die an der Weiter- und Neuentwicklung von Produkten und Prozessen

Tä�gkeitsmerkmaleFührungstä�gkeit

Entwicklung/VerbesserungVerwaltung

Servicetä�gkeitenKernbereich

F&E AufgabenUnabhängig arbeiten

in enger Koopera�on arbeitenKontrolle im Arbeitsprozess

Kontrolle anhand ArbeitsergebnisLeistungszuschreibung direkt

Leistungszuschreibung GruppeHohe Verantwortung

kurze Einarbeitungszeit

Qualifika�onenHochqualifziert

BerufsfachlichUn- und angelernt

Betriebsspezifisches WissenBerufsfremde Tä�gkeit

0 50 100 0 50 100

Abb. 3 Tätigkeits- und Qualifikationsmerkmale in der Branche Weiterbildung (links) & alle anderen Branchen des Samples (rechts) im Jahr 2006 als Anteile in den Dauergruppen auf einer Skala von 0 bis 100 % (Langfrist = schwarz; Mittelfrist = grau gestrichelt; Kurzfrist = grau). (Quelle: SFB 580-B2-Betriebspanel, eigene Berechnungen)

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323Arbeitsmarkt und Arbeitsverhältnisse in der Weiterbildung …

beteiligt sind, und solche mit Kostenverantwortung zu einem größeren Anteil der Gruppe der langfristig Beschäftigten angehören. Demgegenüber übernehmen kurz- und mittelfristig Beschäftigte in der Weiterbildung eher Tätigkeiten im Kernbereich dieses Beschäftigungssegments, also die Durchführung von Kursen und Weiter-bildungsmaßnahmen. Wobei sich die Tätigkeiten der mittelfristig Beschäftigten maßgeblich durch eine kurze Einarbeitungszeit von unter einem Monat und auch häufiger durch das Merkmal der Unabhängigkeit der Ausführung von anderen Mit-arbeitern in der Einrichtung auszeichnen.

Diese Befunde aus dem Jahr 2006 sprechen für eine Ausdifferenzierung der Beschäftigungschancen unterschiedlicher Beschäftigtengruppen in der Weiterbil-dung und die Herausbildung einer Stamm-Randbelegschaftsstruktur, die über die Vereinbarung von flexiblen Vertragsarrangements wie freie Mitarbeit und Befris-tung arbeitgeberseitig indiziert wird. Es ist zu vermuten, dass sich bei Fortsetzung des Trends der zunehmenden Anzahl an atypisch Beschäftigten (insbesondere Befristung) in der Branche auch im Zuge der weiteren Umsetzung der Hartz-Gesetzgebung dieser Ausdifferenzierungsprozess weiter verfestigt und es zu einer Spaltung in der Gruppe der Beschäftigten im Weiterbildungsbereich kommt. Hierfür sprechen auch die Befunde aus der qualitativen Studie, die im Rahmen des Projektes „Betrieb und Beschäftigung im Wandel“ aus dem Sample der oben dargestellten quantitativen Betriebsbefragung heraus entwickelt wurde (Krause, A. 2012, S. 123 f.; Krause, A. et al. 2012).

Die qualitativen Interviews, die im Zeitraum Herbst 2010 bis Frühjahr 2011 mit Personalverantwortlichen in zehn ausgewählten Betriebsstätten der Weiter-bildungsbranche geführt wurden, verweisen auf eine Differenzierung zwischen einem offenen Beschäftigungssystem für die Gruppe der Dozenten und einem wei-teren offenen Beschäftigungssystem für die Gruppe der Sozialarbeiter (Krause, A. et al. 2012). Beide Gruppen befinden sich durch eine überdurchschnittlich häufige Vereinbarung, einerseits von freien Mitarbeiterverhältnissen und andererseits von befristeten Arbeitsverträgen, in hochgradig auf persönliche Flexibilität setzen-den Arbeitsbeziehungen und akzeptieren häufig gleichzeitig die Verlagerung der Verantwortung für die eigene Weiterbildung und Anpassung an neue Qualifikati-onsanforderungen in ihren privaten Bereich. Dabei wird die Motivation und der Leistungsanreiz für die Tätigkeit vor allem bei Dozenten aus der „Freude an der Wissensvermittlung“ (Krause, A. 2012, S. 128) und bei den Sozialarbeitern über die „Identifikation mit ihrem Beruf“ (Krause, A. 2012, S. 131) erzeugt.

Für die Professionalisierungsdebatte hat dieser Befund weitreichende Bedeu-tung. Es bleibt zu diskutieren, welche Mechanismen und Rahmenbedingungen notwendig sind, um den häufig nur nebenberuflich oder übergangsweise in der

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324 I. Krause

Weiterbildung Tätigen Anreize zu bieten, in die eigene Weiterbildung und die Weiterentwicklung der Professionalisierung der Weiterbildung zu investieren.

5 Fazit

Der vorliegende Beitrag zielt darauf, die Situation der Beschäftigten in der Wei-terbildungsbranche aus einer segmentationstheoretischen Perspektive heraus näher zu beleuchten und in den Kontext der Debatte um die Professionalisie-rung der Weiterbildung zu stellen. Der Beitrag stützt sich auf die theoretischen Überlegungen und empirischen Studien, die im Rahmen des Forschungsprojektes „Betrieb und Beschäftigung im Wandel“ in den Jahren 2002 bis 2012 am Sonder-forschungsbereich 580 zur Untersuchung offener und geschlossener betrieblicher Beschäftigungssysteme durchgeführt wurden.

Die dargestellten empirischen Befunde verweisen darauf, dass der Weiterbil-dungssektor in weiten Teilen ein offenes Beschäftigungssystem darstellt, wel-ches durch eine von Arbeitgeberseite starke Flexibilisierungsstrategie geprägt ist. Das bedeutet, dass die Umsetzung des Professionalisierungspostulats in diesem Beschäftigungssegment eine besondere Herausforderung darstellt.

Aber was braucht es, um diesen von der Wirtschaft und Politik dringend gefor-derten Aufholprozess zu bewältigen und wo liegen die strukturellen Defizite des Systems?

Die umgesetzte Analyse der Beschäftigungsstrukturen im Beschäftigungsseg-ment der beruflichen und allgemeinen Weiterbildung hat gezeigt, dass die häu-fig unsichere Finanzierungsgrundlage des Tagesgeschäftes in der Weiterbildung durch eine hochgradig auf externe Flexibilität setzende Beschäftigungsstrategie direkt an die Beschäftigten und Dozenten weitergegeben wird. Hierdurch ent-steht ein Beschäftigungssystem, welches den Dozenten und den häufig befristet Beschäftigten nur geringe Karriere- und Stabilitätsversprechen liefert. Die zusätz-lich häufig nicht vorhandene Einbindung in ein überbetriebliches Netzwerk zur sozialen Absicherung schafft daher einen Übergangsarbeitsmarkt, der vor allem von Arbeitskräften bedient wird, die ihren Haupterwerb aus einer anderen Quelle beziehen oder aber die eine Erwerbstätigkeit in diesem Beschäftigungssegment nur als eine Übergangsphase in ihrer Erwerbsbiografie wahrnehmen und bei ent-sprechenden Gelegenheiten auch schnell wieder verlassen.

Für die Lage der Beschäftigten in der Weiterbildung bedeutet dieser Befund, dass neben der Verbesserung der sozialen Absicherung der Beschäftigten in der Weiterbildung über die institutionelle Verankerung von Qualifizierungsangebo-ten vor allem für freiberufliche Dozenten oder regelmäßig in Projekten befristet

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Beschäftigte nachgedacht werden sollte. Die Beschäftigungsstruktur in der Wei-terbildungsbranche zeichnet sich im Kernbereich durch hohe Fluktuationsraten und durch auf kurz- bis mittelfristige Dauer angelegte Beschäftigungsbeziehun-gen aus, sodass sich die Dozenten und Projektmitarbeiter häufiger in einem überbetrieblichen Arbeitsmarkt bewegen und eigenverantwortlich Maßnahmen zur Erhaltung ihrer Beschäftigungsfähigkeit und zur Qualifikationsanpassung ergreifen müssen. Zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Weiterbildungsbe-dingungen dieser Gruppe von Weiterbildnern können und werden Weiterbildungs-institutionen aufgrund ihrer häufig sehr unsicheren Finanzierungsgrundlage selbst nur einen geringen Teil ihrer Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Debatte um die Professionalisierung in der Weiterbildung sollte diesen Befund aufgreifen und Lösungsansätze zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen der in der Weiter- und Erwachsenenbildung Tätigen diskutieren. Dabei sollte die Etablie-rung einer kooperativen Struktur aller Akteure, die der Weiterbildung eine bedeu-tende Rolle im Prozess der Bearbeitung gesellschaftlicher und sozialer Umbrüche zusprechen, Gegenstand dieser Debatte sein.

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Über die Autorin

Dr. Ina Krause Arbeitsschwerpunkte: Organisationsfor-schung, Arbeitsmarktforschung, Bildungsforschung, Metho-denforschung (insbes. quantitative Betriebsbefragungen).

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Professionalität und Professionalisierung des betrieblichen Weiterbildungspersonals

Dick Moraal

ZusammenfassungDas Weiterbildungspersonal nimmt für die berufliche Bildung und die Qua-lität von Bildungsprozessen in Unternehmen eine zentrale Rolle ein. Bis-her liegen allerdings nur wenige empirische Erkenntnisse über das Personal in der betrieblichen Weiterbildung vor. Auf Grundlage der Daten der vierten europäischen Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS4 [Die euro-päischen Erhebungen zur betrieblichen Weiterbildung (CVTS = Continuing Vocational Training Survey) stellen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (und weiterer interessierter Staaten) vergleichbare Daten zu den Struk-turen der betrieblichen Weiterbildung in Unternehmen zur Verfügung. Unter betrieblicher Weiterbildung wird dabei vorausgeplantes, organisiertes Lernen verstanden, das vollständig oder teilweise von den Unternehmen finanziert wird. Erfasst werden Angaben zur Weiterbildungspolitik der Unternehmen und zu den verschiedenen Formen der Weiterbildung (Lehrveranstaltungen in der Form von Kursen und Seminaren sowie andere Formen der betrieblichen Wei-terbildung wie Einarbeitung und Unterweisung durch Vorgesetzte und andere Beschäftigte, Weiterbildung durch Teilnahme an Lern- und Qualitätszirkeln, durch selbstgesteuertes Lernen, durch Jobrotation oder Austauschprogramme/Abordnungen und durch den Besuch von Informationsveranstaltungen). Zu den drei ersten europäischen Weiterbildungserhebungen (CVTS1-3) führte

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_15

D. Moraal (*) Arbeitsbereich 2.3: Kosten, Nutzen und Finanzierung von Aus- und Weiterbildung, Bundesinstitut für Berufsbildung, Robert-Schuman Platz 3, Bonn 53175, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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das BIBB jeweils nationale Zusatzerhebungen durch, die ergänzende Frage-stellungen zu qualitativen Aspekten der Weiterbildung behandelten. Die vierte europäische CVTS4-Haupterhebung, die in 2011/2012 mit dem Referenzjahr 2010 stattfand, wurde ebenfalls durch eine nationale Zusatzerhebung erwei-tert. Hauptziel dieser Zusatzerhebung war es, die Kerndaten der betrieblichen Weiterbildung, die in der europäischen Haupterhebung ermittelt wurden, mit ergänzenden Angaben zur betrieblichen Bildung in Unternehmen zu vertiefen. 261 Interviews mit den weiterbildenden Unternehmen der CVTS4-Haupterhe-bung konnten letztendlich realisiert werden.]) und der deutschen Zusatzerhe-bung zu CVTS4 wird in diesem Beitrag untersucht, wie institutionalisiert die betriebliche Weiterbildung in den Unternehmen in Deutschland ist und wie professionell die Unternehmen bei der Auswahl, dem Aufgabenzuschnitt und der Kompetenzerweiterung ihres Weiterbildungspersonals vorgehen.

1 Weiterbildungspersonal: Professionalität/Professionalisierung und Forschungslücken

Über die Professionalität und Professionalisierung des Personals in der berufli-chen Weiterbildung wird schon lange diskutiert. Faulstich (1999) stellte z. B. fest, dass die betriebliche Weiterbildung, die im Weiterbildungsbereich eine zentrale Rolle einnimmt, kaum an Professionalisierungsdiskussionen beteiligt war und vor allem die öffentliche Erwachsenenbildung, die Volkshochschule, im Mittelpunkt der Professionalisierungsdebatte stand (vgl. Faulstich 1999, S. 185). Krekel und Beicht (1995) betonen, dass das betriebliche Weiterbildungspersonal als wichti-ges Bindeglied in der Durchführung der betrieblichen Weiterbildung ein Schlüs-selfaktor für die Weiterbildungsqualität darstellt. Käpplinger und Lichte (2012) weisen darauf hin, dass die Organisation und Planung der Weiterbildung in der Regel professionales Wissen erfordert (vgl. Käpplinger und Lichte 2012, S. 377). „Professionelle Weiterbildungsstrukturen seien daher wohl kaum ohne qualifizier-tes Weiterbildungspersonal denkbar“ (Käpplinger und Lichte 2012, S. 379).

Das Problem ist aber, dass ausführliche empirische Daten über das Weiter-bildungspersonal bis vor kurzem nicht zur Verfügung standen. Erst die jüngst veröffentlichten Ergebnisse einer Befragung der Beschäftigten in der Weiterbil-dung (wb-personalmonitor) im Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2016“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 151–160) schließen diese Forschungslücke, zumindest mit Blick auf die Beschäftigungsformen, Arbeitsbe-dingungen, Tätigkeiten und das Qualifikationsniveau des Weiterbildungspersonals. Der Bildungsbericht stellt u. a. fest, dass die Situation des Weiterbildungspersonals

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in Deutschland beeinflusst wird durch „starke institutionelle Heterogenität der Wei-terbildungsanbieter, große Vielfalt in den Beschäftigungsformen des Personals mit Schwerpunkt auf Nebenerwerbstätigkeit, ein durchschnittlich niedriges Einkom-mensniveau mit hohen Disparitäten nach Geschlecht und Weiterbildungsträgern und ein hohes Maß an Unterschiedlichkeit in den fachlichen Schwerpunkten (…)“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 159 f.).

Der Bildungsbericht weist aber auch darauf hin, dass im wb-personalmonitor „offensichtlich das Personal des Hauptsektors der Weiterbildung, der betrieb-lichen Angebote und Aktivitäten, unterrepräsentiert ist und nicht gesondert aus-gewiesen ist, sodass über dessen Arbeitsbedingungen und Qualifikation so gut wie nichts bekannt ist“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 160). Unternehmen investieren jährlich erhebliche Summen in das Weiterbil-dungspersonal. Käpplinger und Lichte (2012) schätzen mit den Daten der IW-Weiterbildungserhebung, dass die Unternehmen im Jahr 2010 einen Betrag von 2,68 Mrd. EUR für Weiterbildungspersonal aufgewendet haben (vgl. Käpplinger und Lichte 2012, S. 377). Das Statistische Bundesamt (2014) hat unter Nutzung der CVTS4-Daten für 2012 direkte Kosten der Unternehmen für die betriebliche Weiterbildung in Höhe von 10,4 Mrd. EUR1 geschätzt. 21 der direkten Kosten entfielen 2010 auf das interne Weiterbildungspersonal. Dieser Anteil ist in den letzten 20 Jahren relativ konstant geblieben. Für 2012 können daher die Kosten für das interne Weiterbildungspersonal auf rund 2,2 Mrd. EUR geschätzt werden.

Obwohl das Weiterbildungspersonal zentral für die Implementierung der betrieblichen Weiterbildung ist und die Aufwendungen der Unternehmen für das Weiterbildungspersonal nicht unerheblich sind, gibt es bis dato nur wenige empirische Daten und weitergehende Analysen über die Rolle und Funktion des betrieblichen Weiterbildungspersonals. Käpplinger und Lichte (2012) stellen resümierend fest, „dass einerseits über das betriebliche Weiterbildungspersonal empirisch wenig bekannt ist und es andererseits aber immer wieder als ein Faktor benannt wird, der zur Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung beitragen kann“. Die Autoren fordern dazu auf, durch entsprechende Forschungsaktivitäten, „mehr Licht auf diese im Schatten stehende Personengruppe zu werfen“ (Käpplinger und Lichte 2012, S. 376). Die europäische CVTS4-Erhebung und die deutsche CVTS4-Zusatzerhebung liefern neue Erkenntnisse zur Professionalisierung des Weiterbildungspersonals in der betrieblichen Weiterbildung, die nachfolgend referiert werden (Moraal et al. 2015).

1Diese Zahl ist eine Schätzung der Kosten für Weiterbildung (ohne Personalkosten der Teil-nehmenden) auf der Basis der Erwerbstätigen (ohne Auszubildende) laut Mikrozensus und den durchschnittlichen Weiterbildungskosten je Beschäftigtem laut CVTS4.

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2 Strukturelle Merkmale der betrieblichen Weiterbildung

Die betriebliche Weiterbildung ist der größte Bereich der beruflichen Weiterbil-dung in Deutschland.2 Ein Charakteristikum sind relativ kurze Anpassungsmaß-nahmen. Ein Teil dieser Anpassungsmaßnahmen ist gesetzlich vorgeschrieben; gesetzlich oder anderweitig vorgeschriebene Lehrveranstaltungen aus dem Bereich „Gesundheit und Arbeitsschutz“ machten 2010 gut ein Fünftel der gesam-ten Teilnahmestunden an Lehrveranstaltungen aus. In Deutschland werden die Weiterbildungsveranstaltungen relativ häufig intern organisiert. Die betriebliche Weiterbildung konzentriert sich zudem auf die Fach- und Führungskräfte, weniger auf die un- und angelernten Beschäftigten (Moraal et al. 2015).

Diese charakteristische Struktur der betrieblichen Weiterbildung in Deutsch-land hat auch Auswirkungen auf die innerbetrieblichen organisatorischen Rah-menbedingungen der betrieblichen Weiterbildung und damit auf die Rolle und Funktion des internen Weiterbildungspersonals.

3 Institutionalisierung der betrieblichen Weiterbildung als organisatorische Voraussetzung für eine professionelle Durchführung der betrieblichen Weiterbildung

Die CVTS-Erhebungen liefern auch quantitative Informationen zur Organisation der innerbetrieblichen Weiterbildung und zur Weiterbildungspolitik der Unter-nehmen. Der Begriff „Institutionalisierung“ bezieht sich in diesem Artikel auf die innerbetriebliche Organisation der betrieblichen Weiterbildung. Der Grad der Ins-titutionalisierung der betrieblichen Weiterbildung wurde in der CVTS4-Zusatzer-hebung (vgl. Moraal et al. 2015) untersucht. Um diesen zu messen, werden die Ergebnisse von acht Fragen zur Organisation von Weiterbildung und Weiterbil-dungspolitik genutzt (vgl. Tab. 1).

Die Ermittlung des Qualifikationsbedarfs des Unternehmens, die Überprü-fung des Bildungsbedarfs der einzelnen Beschäftigten sowie die Erstellung eines

2So entfallen nach dem AES 2014 70 % aller Weiterbildungsaktivitäten auf die betriebliche Weiterbildung. Da die betriebliche Weiterbildung jedoch meist durch relativ kurze Weiter-bildungsaktivitäten geprägt ist, umfasst sie nur gut die Hälfte der insgesamt für Weiterbil-dung aufgewendeten Zeit (vgl. BMBF 2015, S. 43).

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schriftlichen Weiterbildungsplans sind sogenannte Input-Indikatoren. Eher orga-nisatorische Indikatoren sind die Existenz einer bestimmten Person oder Orga-nisationseinheit, die für die betriebliche Weiterbildung verantwortlich ist, die Nutzung eines Bildungszentrums, das Vorhandensein eines Jahresbudgets für betriebliche Weiterbildung sowie das Vorhandensein von tarifvertraglichen oder Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Weiterbildung. Ein Output-Indikator ist die Bewertung der Ergebnisse von Weiterbildungsaktivitäten. Mit diesem Set von Indikatoren kann eine Typisierung der Unternehmen nach dem Grad der Institutionalisierung3 (Pole: keine bzw. niedrige Institutionalisierung – hohe Ins-titutionalisierung) vorgenommen werden. Tab. 2 zeigt das Spektrum der Instituti-onalisierung betrieblicher Weiterbildung in weiterbildenden Unternehmen.

Tab. 1 Indikatoren zur Messung der Institutionalisierung betrieblicher Weiterbildung. (Quelle: Fragen der CVTS4-Haupterhebung, Statistisches Bundesamt 2013)

Indikator 1 Ermittlung des zukünftigen Bedarfs an Qualifikationen innerhalb des Unter-nehmens in weiterbildenden Unternehmen (Bedarfsermittlung als Teil des allgemeinen Planungsprozesses)

Indikator 2 Überprüfung des Bildungsbedarfs der einzelnen Beschäftigten in weiterbil-denden Unternehmen (Überprüfung hauptsächlich durch Mitarbeitergesprä-che)

Indikator 3 Schriftlicher Weiterbildungsplan bzw. Weiterbildungsprogramm in weiterbil-denden Unternehmen

Indikator 4 Existenz einer bestimmten Person oder Organisationseinheit, die für betrieb-liche Weiterbildung verantwortlich ist, in weiterbildenden Unternehmen

Indikator 5 Nutzung eines Bildungszentrums für die betriebliche Weiterbildung in wei-terbildenden Unternehmen

Indikator 6 Jahresbudget mit Mitteln für die betriebliche Weiterbildung in weiterbilden-den Unternehmen

Indikator 7 Tarifvertragliche oder Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Weiterbil-dung in weiterbildenden Unternehmen

Indikator 8 Bewertung der Ergebnisse von Weiterbildungsaktivitäten in weiterbildenden Unternehmen (Bewertung nach jeder Maßnahme + Bewertung nur nach einigen Maßnahmen)

3Einen hohen Institutionalisierungsgrad weisen Unternehmen auf, die bei sieben oder acht Indikatoren „Ja“ angekreuzt haben. Zur mittleren Kategorie zählen die Unternehmen, in denen es vier bis sechs Instrumente/Maßnahmen gibt. Über einen niedrigen Institutionali-sierungsgrad verfügen die Unternehmen, die bei höchstens drei Indikatoren „ja“ angekreuzt haben.

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334 D. Moraal

10 % der weiterbildenden Unternehmen haben angegeben, dass keiner der Indikatoren in ihrem Unternehmen zutrifft. In lediglich 8 % der weiterbildenden Unternehmen wird der höchste Grad der Institutionalisierung der betrieblichen Weiterbildung erreicht. Zur mittleren Kategorie gehören 35 % der Unternehmen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen (57 %) weist jedoch nur einen niedrigen oder gar keinen Institutionalisierungsgrad auf.

4 Qualitätssicherung und betriebliche Weiterbildung – Weiterbildungspersonal und externe Weiterbildungsanbieter

In der CVTS4-Haupterhebung wurden einige Fragen zu Maßnahmen zur Siche-rung der Qualität der betrieblichen Weiterbildung gestellt (vgl. Tab. 3). Für die weiterbildenden Unternehmen ist dabei der Aspekt, dass die betriebliche Weiter-bildung auf anerkannten Normen bzw. Standards basiert, am wichtigsten. Zwei weitere Bereiche sind für einen Teil der Unternehmen relevant: die regelmäßige Weiterbildung des internen Weiterbildungspersonals (38 %) und die Zertifizie-rung der externen Weiterbildungsanbieter (40 %).

Tab. 2 Grad der Institutionalisierung der betrieblichen Weiterbildung (in % der weiterbil-denden Unternehmen). (Quelle: CVTS4-Zusatzerhebung 2014, eigene Berechnungen)

Keine Institutionalisierung (0 Indikatoren) 10 %

Niedriger Institutionalisierungsgrad (1, 2 oder 3 Indikatoren) 47 %

Mittlerer Institutionalisierungsgrad (4, 5 oder 6 Indikatoren) 35 %

Hoher Institutionalisierungsgrad (7 oder 8 Indikatoren) 8 %

Tab. 3 Aspekte der Qualitätssicherung der betrieblichen Weiterbildung 2010 (in % der weiterbildenden Unternehmen). (Quelle: Statistisches Bundesamt 2013 [Mehrfachnennun-gen waren möglich])

Betriebliche Weiterbildung basiert auf anerkannten Normen bzw. Standards (wie z. B. eine Zertifizierung oder ein Qualitätssiegel) 45 %

Zertifizierung der externen Anbieter 40 %

Regelmäßige Weiterbildung des internen Weiterbildungspersonals 38 %

Sonstige Aspekte 26 %

Keine Berücksichtigung besonderer Aspekte 28 %

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In der CVTS4-Zusatzerhebung wurden zu diesen beiden Bereichen weitere Fragen gestellt. Bei der Auswahl externer Weiterbildungsanbieter nutzen 47 % der weiterbildenden Unternehmen, die externe Lehrveranstaltungen anbieten, Beratungsmöglichkeiten: 24 % nutzen Branchennetzwerke und 15 % regionale Netzwerke. Drei Kriterien zur Auswahl externer Weiterbildungsanbieter, näm-lich Inhalte, Empfehlung sowie Kosten, sind ungefähr gleich wichtig (26 % bzw. 25 %), weniger wichtig ist das Renommee des Weiterbildungsanbieters (15 %). Überraschend ist, dass das Kriterium Zertifizierung nur von 8 % dieser Unterneh-men genannt wurde, obwohl in der CVTS4-Haupterhebung 40 % der weiterbil-denden Unternehmen eine Zertifizierung der externen Anbieter als einen wichtigen Aspekt zur Qualitätssicherung der betrieblichen Weiterbildung einstuften.

Fragt man die weiterbildenden Unternehmen in der CVTS4-Zusatzerhebung, die externe Lehrveranstaltungen nutzen, direkt, ob sie bei der Auswahl dieser Weiterbildungsangebote auf die gesonderte Zertifizierung des jeweiligen Weiter-bildungsanbieters achten, bejahen dies 38 % der Unternehmen. 34 % achten auf eine gesonderte Zertifizierung der jeweiligen Maßnahme, 28 %, ob das jeweilige Weiterbildungspersonal zertifiziert ist. 70 % evaluieren und bewerten regelmäßig und systematisch die Erfahrungen mit den beauftragten externen Weiterbildungs-anbietern.

5 Professionalität des Weiterbildungspersonals

Der Einsatz des Weiterbildungspersonals ist eng verknüpft mit der innerbe-trieblichen Institutionalisierung der betrieblichen Weiterbildung. Da Unter-nehmen kaum direkten Einfluss auf und Informationen über die Tätigkeiten des Weiterbildungspersonals externer Weiterbildungsanbieter haben, wird nachfolgend vor allem das interne Weiterbildungspersonal betrachtet. Inter-nes Weiterbildungspersonal ist nach der Definition der CVTS-Erhebungen ausschließlich (hauptamtliches Weiterbildungspersonal) oder teilweise (neben-amtliches Weiterbildungspersonal) mit der Konzeption, Organisation und Durch-führung von Lehrgängen, Kursen und Seminaren beschäftigt. Zu ihm gehören Geschäftsführer/-innen und andere Führungskräfte, die mit dem Weiterbildungs-management befasst sind, Schulungsleiter/-innen, Dozentinnen und Dozenten, alle Mitarbeiter/-innen von Schulungszentren sowie andere Kolleginnen und Kol-legen, die im Bereich der Weiterbildung tätig sind.

Die Zuständigkeit für die betriebliche Weiterbildung liegt in der Mehrheit der in der CVTS4-Zusatzerhebung befragten Unternehmen bei der Personalabteilung

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336 D. Moraal

(65 %), in 20 % der Unternehmen ist die Unternehmensleitung zuständig. Ledig-lich in 9 % der Unternehmen existiert eine selbstständige Weiterbildungsabtei-lung oder eine eigens dafür ausgewählte Person ist zuständig (5 %).

Alle befragten weiterbildenden Unternehmen setzen hauptamtliches und/oder nebenamtliches Personal für die betriebliche Weiterbildung ein. In 81 % der wei-terbildenden Unternehmen übernehmen Vorgesetzte neben ihrer normalen Arbeit Weiterbildungsaufgaben, in 68 % Kolleginnen und Kollegen. 49 % der Unterneh-men beschäftigen hauptamtliches Personal für Weiterbildungsaufgaben.

Die Tätigkeiten des hauptamtlichen und nebenamtlichen Weiterbildungsperso-nals weisen unterschiedliche Profile auf. In fast drei Viertel der Unternehmen mit nebenamtlichem Weiterbildungspersonal wird dieses für die Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen eingesetzt. In 62 % dieser Unternehmen ist es auch mit der Weiterbildungsplanung beschäftigt. Das hauptamtliche Weiterbildungs-personal wird nur in knapp der Hälfte der Unternehmen mit hauptamtlichem Weiterbildungspersonal mit der Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen beauftragt, jedoch ist es in nahezu allen Unternehmen für organisatorische Aufga-ben wie die Weiterbildungskoordination, Administration, Weiterbildungsplanung oder Weiterbildungsevaluation zuständig (vgl. Tab. 4).

Ist das interne Weiterbildungspersonal mit der Durchführung von Weiter-bildungsmaßnahmen befasst, wird es in den meisten Unternehmen für interne Lehrveranstaltungen, Informationsveranstaltungen und Unterweisungen/Ein-arbeitungen eingesetzt. Dies gilt sowohl für das hauptamtliche als auch für das nebenamtliche Weiterbildungspersonal. Kaum eine Rolle spielt das interne Wei-terbildungspersonal bei der Durchführung von externen Lehrveranstaltungen und arbeitsplatznahen/-integrierten Lernformen wie Job-Rotation oder Austauschpro-gramme.

Unter Nutzung von insgesamt sechs Fragen zum internen Weiterbildungsper-sonal aus der CVTS4-Zusatzerhebung kann ermittelt werden, wie professionell weiterbildende Unternehmen das Weiterbildungspersonal einsetzen (vgl. Tab. 5).

Die interne Rekrutierung des Weiterbildungspersonals ist ein Hinweis darauf, dass das Unternehmen das Weiterbildungspersonal für die Arbeit und die Aufga-ben betriebsnah schult. In 51 % der weiterbildenden Unternehmen mit hauptamt-lichem Weiterbildungspersonal wird dieses aus dem Personalbestand rekrutiert, extern rekrutieren 35 % der Unternehmen. Beide Rekrutierungsmöglichkeiten nutzen 14 % der Unternehmen.

Die Zusammenarbeit des internen hauptamtlichen Weiterbildungspersonals mit den Fachabteilungen deutet auf eine gute innerbetriebliche Vernetzung hin. In 94 % der weiterbildenden Unternehmen mit hauptamtlichem Weiterbildungspersonal arbeiten diese regelmäßig und systematisch mit den Fachabteilungen zusammen.

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Tab.

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Auch der Einsatz des internen Weiterbildungspersonals für die berufliche Erstausbildung weist auf eine systematische Bildungspolitik des Unternehmens hin. In 70 % der weiterbildenden Unternehmen mit betrieblicher Ausbildung wird das interne Weiterbildungspersonal auch mit Tätigkeiten in der betrieblichen Erstausbildung betraut.

Mitarbeitergespräche sind ein wichtiges Instrument der betrieblichen Weiterbildung, um die Bedarfe der Beschäftigten zu ermitteln. Die Teil-nahme des internen Weiterbildungspersonals an ihnen spricht für einen guten Informationsfluss zwischen dem internen Weiterbildungspersonal und den Weiterbildungsnotwendigkeiten/-wünschen der Beschäftigten. Mitarbeiterge-spräche werden regelmäßig in 80 % der weiterbildenden Unternehmen durch-geführt. In 42 % der Unternehmen mit Mitarbeitergesprächen nimmt auch das interne Weiterbildungspersonal an diesen teil.

Die regelmäßige Weiterbildung des Weiterbildungspersonals und die Förde-rung der pädagogischen Kompetenz deuten auf eine Erweiterung der Kompeten-zen des internen Weiterbildungspersonals durch das Unternehmen hin. In 69 % der Unternehmen mit internem Weiterbildungspersonal nimmt dieses regelmä-ßig an Maßnahmen zu seiner Weiterbildung teil. 25 % der Unternehmen fördern gezielt die pädagogische Kompetenz des internen Weiterbildungspersonals.

Mit diesem Set von Indikatoren kann eine Typisierung der Unternehmen mit internem Weiterbildungspersonal nach dem Grad des professionellen Einsatzes des

Tab. 5 Indikatoren zur Professionalität des Weiterbildungspersonals. (Quelle: CVTS4-Zusatzerhebung 2014)

Indikator 1 Interne Rekrutierung des hauptamtlichen Weiterbildungspersonals aus dem Personalbestand

Indikator 2 Regelmäßige und systematische Zusammenarbeit der hauptamtlichen Weiterbildner mit den Fachabteilungen

Indikator 3 Internes Weiterbildungspersonal mit Tätigkeiten in der betrieblichen Erstausbildung betraut

Indikator 4 Regelmäßige Mitarbeitergespräche, an denen das interne Weiterbildungspersonal auch teilnimmt

Indikator 5 Regelmäßige Teilnahme des internen Weiterbildungspersonals an Maßnahmen zu seiner Weiterbildung

Indikator 6 Gezielte Förderung der pädagogischen Kompetenz des internen Weiterbildungspersonals

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339Professionalität und Professionalisierung des betrieblichen …

internen Weiterbildungspersonals4 erfolgen (vgl. Tab. 6). In 11 % dieser Unterneh-men trifft keiner der Indikatoren zu. Lediglich in fünf Prozent der Unternehmen wird der höchste Grad der Professionalisierung des internen Weiterbildungsperso-nals erreicht: Zur mittleren Kategorie gehören 36 % der Unternehmen und einen niedrigen Wert weisen 49 % der befragten Unternehmen auf.

Vor allem größere Unternehmen, die hauptamtliches Weiterbildungspersonal einsetzen, setzen internes Weiterbildungspersonal professionell ein. In mittel-großen Unternehmen mit hauptamtlichem Weiterbildungspersonal ist der Orga-nisierungsgrad betrieblicher Weiterbildung ausgeprägter als bei mittelgroßen Unternehmen, die nur nebenamtliches Weiterbildungspersonal einsetzen.

6 Zusammenfassung

Die Ergebnisse der CVTS-Erhebungen zeigen, dass eine professionelle Durch-führung der betrieblichen Weiterbildung auf der Basis einer durchorganisierten Weiterbildungsstruktur und Weiterbildungspolitik in Unternehmen in Deutsch-land nicht sehr verbreitet ist. Obwohl die betriebliche Weiterbildung der wich-tigste Bereich der beruflichen Weiterbildung in Deutschland ist, zeigen die Ergebnisse der europaweiten CVTS-Erhebungen seit mehr als 20 Jahren, dass die betriebliche Weiterbildung bei allen Leistungsindikatoren im unteren Drit-tel der europäischen Länderskala angesiedelt ist. Dies gilt auch für die inner-betriebliche Organisation und Durchführung der betrieblichen Weiterbildung

Tab. 6 Grad der Professionalität des internen Weiterbildungspersonals in weiterbildenden Unternehmen. (Quelle: CVTS4-Zusatzerhebung 2014, eigene Berechnungen)

Keine Indikatoren angegeben 11 %

Niedriger Professionalisierungsgrad (1/2 Indikatoren) 49 %

Mittlerer Professionalisierungsgrad (3/4 Indikatoren) 36 %

Hoher Professionalisierungsgrad (5/6 Indikatoren) 5 %

4Einen hohen Professionalisierungsgrad des internen Weiterbildungspersonals weisen Unternehmen auf, die bei fünf oder sechs Indikatoren „Ja“ angekreuzt haben. Zur mittleren Kategorie zählen die Unternehmen, in denen es drei bis vier Instrumente/Maßnahmen gibt. Über einen niedrigen Professionalisierungsgrad verfügen jene Unternehmen, die bei höchs-tens zwei Indikatoren „ja“ angegeben haben.

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340 D. Moraal

in Unternehmen in Deutschland. Dieser Befund kann mit den Ergebnissen der CVTS4-Zusatzerhebung noch weiter differenziert werden. Lediglich in einem Zehntel der weiterbildenden Unternehmen gibt es eine systematische Strukturie-rung der innerbetrieblichen Organisation der betrieblichen Weiterbildung. Dar-über hinaus kann nur bei einer kleinen Minderheit der Unternehmen von einem professionellen Einsatz des internen Weiterbildungspersonals gesprochen wer-den. Professionelles Handeln setzt aber auch eine gute Aus- und Weiterbildung des Weiterbildungspersonals voraus. Die CVTS4-Zusatzerhebung zeigt, dass nur 35 % der weiterbildenden Unternehmen in Deutschland ihr Weiterbildungsper-sonal extern rekrutieren. Dies hängt wohl auch damit zusammen, dass geeigne-tes Weiterbildungspersonal auf dem Arbeitsmarkt kaum zu finden ist. Die neuen Fortbildungsordnungen „Geprüfter Aus- und Weiterbildungspädagoge“ und „Geprüfter Berufspädagoge (IHK)“ aus dem Jahre 2009 können eine gewisse Professionalisierung des Weiterbildungspersonals zur Folge haben. Allerdings haben in den Jahren 2009 bis 2012 lediglich 1000 Absolventen/Absolventinnen diese Aus- und Fortbildung abgeschlossen.

Insgesamt gilt, wie Käpplinger und Lichte (2012) prägnant zusammenfassen: „Professionalität lässt sich nicht durch fixierte Strukturen regeln, sondern muss durch professionell handelnde Personen immer wieder situationsspezifisch her-gestellt werden“ (Käpplinger und Lichte 2012, S. 380). Professionell handelndes Weiterbildungspersonal benötigt jedoch institutionalisierte Rahmenbedingungen der betrieblichen Weiterbildung.

Literatur

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Bundesministerium für Bildung und Forschung. (BMBF) (Hrsg.) (2015). Weiterbildungs-verhalten in Deutschland 2014. Ergebnisse des Adult Education Survey – AES Trend-bericht. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. https://www.bmbf.de/pub/Weiterbildungsverhalten_in_Deutschland_2014.pdf. Zugegriffen: 6. Juli 2016.

Faulstich, P. (1999). Qualität und Professionalität des Personals in der Erwachsenenbil-dung. In R. Arnold & W. Gieseke (Hrsg.), Die Weiterbildungsgesellschaft. Bd. 1: Bil-dungstheoretische Grundlagen und Analysen (S. 185–203). Neuwied: Luchterhand.

Käpplinger, B., & Lichte, N. (2012). Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung durch pro-fessionelles Weiterbildungspersonal. WSI-Mitteilungen, 2012(5), 374–381.

Krekel, E. M., & Beicht, U. (1995). Lehrkräfte als Schlüssel der Weiterbildungsqualität. In R Vua Bardeleben (Hrsg.), Weiterbildungsqualität (S. 137–149). Bielefeld: GRIN Verlag.

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341Professionalität und Professionalisierung des betrieblichen …

Moraal, D., Beuer-Krüssel, M., & Weber-Höller, R. (2015). Nationale Zusatzerhebung zur vierten europäischen Weiterbildungserhebung in Unternehmen (CVTS4-Zusatzerhe-bung – CVTS4-Z). Abschlussbericht. https://www2.bibb.de/bibbtools/tools/dapro/data/documents/pdf/eb_23304.pdf. Zugegriffen: 15. Mai 2015.

Statistisches Bundesamt. (2013). Berufliche Weiterbildung in Unternehmen Vierte europäi-sche Erhebung über die berufliche Weiterbildung in Unternehmen (CVTS4). Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bildung-ForschungKultur/Weiterbildung/WeiterbildungUnternehmen5215201109004.pdf?__blob=publicationFile. Zugegriffen: 20. Apr. 2015.

Statistisches Bundesamt. (2014) (Hrsg.). Bildungsausgaben. Budget für Bildung, For-schung und Wissenschaft 2011/2012. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt.

Über den Autor

Dick Moraal Arbeitsschwerpunkte: Berufliche Weiterbil-dung, internationaler Vergleich.

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Teil IVStrukturelle Kontexte

von Professionalisierung und Prekarisierung

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Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen als Legitimationsbeschaffung

Matthias Knuth

ZusammenfassungEin bisher wenig diskutierter Aspekt der Umgestaltung nationaler Arbeits-marktpolitiken unter dem „Aktivierungsparadigma“ ist die Veränderung der Transaktionsformen zwischen Arbeitsverwaltung und Trägern. Unabhängig davon, ob gleichzeitig auch eine Aufgabenverlagerung von der öffentlichen Arbeitsverwaltung auf Dritte, also eine „Privatisierung“ stattfindet, kommt es aufgrund der Orientierung an Prinzipien des New Public Management zur „Vermarktlichung“: Die Transaktionen zwischen Arbeitsverwaltung und Drit-ten werden zunehmend über staatlich inszenierte Quasi-Märkte abgewickelt. Die konkrete Ausgestaltung und Struktur dieser Märkte bleibt jedoch bemer-kenswert unterschiedlich und zeigt keine Anzeichen von Konvergenz. Die in Dänemark, Großbritannien und Deutschland zu beobachtenden Marktformen lassen sich weniger mit „Wohlfahrtsregimes“ gängiger Typologien in Verbin-dung bringen, als dass sie von nationalen Traditionen, der Struktur und Ver-fasstheit der jeweiligen staatlichen Akteure und von nationalen „Spielarten des Liberalismus“ abzuhängen scheinen. Den durch Einführung marktförmi-ger Transaktionsformen induzierten Preissenkungen bzw. –dämpfungen ste-hen Transaktionskosten, Qualitätsrisiken und andere nicht intendierte Effekte in einem Ausmaß gegenüber, das die Rechtfertigung der Vermarktlichung durch Effizienzgewinne infrage stellt. Eher scheint es darum zu gehen, staat-liche Entscheidungen zu legitimieren bzw. gegen Kritik zu immunisieren:

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_16

M. Knuth (*) Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ), Universität Duisburg-Essen, Forsthausweg 2, 47057 Duisburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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Vermarktlichung ersetzt das Risiko von „Staatsversagen“ durch das Risiko von „Marktversagen“, für das kein Entscheidungsträger Verantwortung trägt. Die Reichweite möglicher Reformvorschläge bleibt beschränkt auf das, was in der jeweiligen nationalen Diskursarena als legitim gelten kann. Vermarkt-lichung hat die Denkweisen aller beteiligten Akteure verändert, einschließlich derer, die ihre Folgen beklagen. Jedoch öffnet das neue Europäische Vergabe-recht den Blick auf zulässige Varianten, die bisher in Deutschland nicht ausge-schöpft sind.

1 Einleitung

Die „aktivierende Wende“ der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland, die in den Hartz-Reformen kulminierte, ist in mehr als einem Jahrzehnt seit ihrer vorläufi-gen Vollendung von vielen Seiten kritisch beleuchtet worden. Der dabei wohl am wenigsten beachtete Aspekt betrifft die Umstrukturierung der Beziehungen zwi-schen der öffentlichen Arbeitsverwaltung und den für sie und ihre Klienten täti-gen Dritten. Die Gestaltung dieser Beziehungen hat offensichtlich unmittelbaren Einfluss auf die Produktionsbedingungen von Arbeitsmarktdienstleistungen und damit darauf, wie Arbeitsmarktpolitik umgesetzt wird und welche Wirksam-keit sie entfalten kann. Bereits seit Ankündigung der Hartz-Reformen findet eine schrittweise und immer mehr Instrumente erfassende „Vermarktlichung“ der Beziehungen zwischen Arbeitsverwaltung und externen Dienstleistern („Trägern“) statt: An die Stelle von Verwaltungsentscheidungen bezüglich der Förderung oder Beauftragung von Trägern treten staatlich inszenierte Quasi-Märkte. Die übli-che Rechtfertigung dieser Transformation, aus der neoklassischen Ökonomie in das „New Public Management“ übernommen, rekurriert auf die Stimulation von Ressourceneffizienz und Innovation durch Wettbewerb. Empirische Nachweise, dass staatlich inszenierte Märkte diese Wirkungen haben, sind rar und metho-disch auch nur schwer konzipierbar: Schritte zur Vermarktlichung treffen meistens zusammen mit Änderungen der Instrumente, sodass Vorher-Nachher-Vergleiche auf große Schwierigkeiten stoßen würden. Der Entstehungskontext der Vermarkt-lichung in Deutschland, der „Vermittlungsskandal“ von 2002, verweist auf eine andere Fährte: Es ging und geht – so meine zentrale These – in erster Linie um die Beschaffung von Legitimation in einem politisch-ideologischen Umfeld, in dem heute Märkte mehr Vertrauen genießen als öffentliche Verwaltungen. Soweit mit der Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen auch Kosteneinsparungen verbunden sein mögen, ist dieses ein willkommener Nebeneffekt, aber nicht das hauptsächlich Ziel der durchaus aufwendigen Veranstaltung.

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347Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen …

Die folgende Darstellung basiert auf einem von der Hans-Böckler-Stiftung von 2013 bis 2015 geförderten Forschungsprojekt, in dem die Mechanismen und Prozesse der Vermarktlichung in drei Ländern vergleichend untersucht1 wur-den: Dänemark, Großbritannien und Deutschland.2 Diese Auswahl von Ländern lässt sich damit begründen, dass sie jeweils prononcierte Beispiele für Esping-Andersens (1990) Typologie von nationalen Wohlfahrtsregimen darstellen. Wenn diese Typologie heute noch Relevanz besitzt, so sollte man erwarten, dass sich die Art und Weise, wie Marktbeziehungen bei der Beschaffung von Arbeitsmarkt-dienstleistungen gestaltet und genutzt werden, zwischen den drei Ländern in einer Weise unterscheidet, die sich auf zentrale Charakteristika der drei Wohlfahrtsre-gimes zurückführen lässt. In mehr praktischer Intention bestand die mit dem Pro-jekt verbundene Erwartung darin, dass man für die bis heute in Deutschland heiß umkämpfte Gestaltung der Transaktionen zwischen Arbeitsverwaltung und Trägern aus den anderen Ländern etwas lernen könne. Diese Hoffnung hat sich in anderer Weise erfüllt als erwartet: Ein Transfer von Praktiken aus einem der beiden Län-der erscheint weder ratsam noch möglich, aber der Vergleich verhilft zu einem tie-feren Verständnis der deutschen Situation, ihrer Besonderheit und ihrer Stärken und Schwächen.

Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Die folgenden drei Abschnitte sind jeweils der Darstellung und Analyse der Vermarktlichung in den drei Ländern gewid-met. Im ersten dieser Abschnitte, dem über Deutschland, werden zudem zent-rale Kategorien unserer Analyse eingeführt. Es folgt in Abschn. 5 der Versuch eines Vergleichs im Lichte von gängigen Typologien nationalstaatlicher Regime des Wirtschaftens und der sozialen Sicherung. Dieses führt in Abschn. 6 zu der zentralen These, dass es bei der Vermarktlichung im Kern um Legitimations-beschaffung geht. In Abschn. 7 kehren wir zu den technischen Details des in Deutschland bei der wettbewerblichen Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen zur Anwendung kommenden Entscheidungskalküls zurück und fragen nach qua-litätsförderlichen Alternativen, die sich aber als eher bescheiden und inkrementell herausstellen. Abschn. 8 enthält einen kurzen Ausblick.

1Das Projekt beruht auf Fallstudien bei Trägern von Arbeitsmarktdienstleistungen, Exper-tengesprächen mit Akteuren aller Ebenen und Rollen, Dokumentenanalysen, statistischen Auswertungen sowie im dänischen Teil auf einer schriftlichen Umfrage bei den Kommunen.2Die ausländischen Partner waren: Ian Greer, während der Laufzeit des Projekts Universität Greenwich, und Flemming Larsen, Universität Aalborg. Als Mitarbeiter/-innen im Projekt beteiligt waren Johannes Kirsch (Uni Duisburg-Essen), Karen Nielsen Breidahl (Universi-tät Aalborg), Graham Symon und Lisa Schulte (Universität Greenwich). Als Gesamtbericht des Projekts siehe Greer et al. 2017. Tatsachenaussagen ohne Quellenangabe in diesem Aufsatz beziehen sich stets auf diese Publikation.

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2 Deutschland – zugleich Einführung in die Begrifflichkeiten unserer Analyse

Im Unterschied zu den meisten anderen Ländern mit entwickelter Arbeitsmarkt-politik sind in Deutschland die einzelnen Arbeitsmarktdienstleistungen, die die Arbeitsverwaltung teils selbst zu erbringen hat, teils durch Dritte erbringen lassen muss (Anspruchsleistungen – inzwischen nahezu abgeschafft3) oder kann (Ermes-sensleistungen), im Detail gesetzlich normiert.4 Auch die hier näher zu untersu-chende Vermarktlichung der Transaktionen zwischen Arbeitsverwaltung und Dritten geht auf gesetzgeberische Akte zurück. Dabei ist die deutsche Situation dadurch geprägt, dass die Arbeitsteilung zwischen öffentlicher Arbeitsverwaltung und „Trägern“ eine lange Tradition hat. Im Arbeitsförderungsgesetz von 1969 wurden die Träger der beruflichen Bildung als Akteure eigenen Rechts betrach-tet.5 Im Bundessozialhilfegesetz war der Grundsatz der Subsidiarität6 öffentlicher Sozialfürsorge im Verhältnis zur freien Wohlfahrtspflege und den Kirchen aus-führlich verankert (§§ 10 und 93 Abs. 1 BSHG). In stark abgeschwächter Form finden sich Reste dieses Subsidiaritätsprinzips im SGB II (§ 17 Abs. 1 SGB II) wieder, das bezüglich der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten das Erbe des BSHG angetreten hat.

Vor dem Hintergrund dieser Tradition einer in wesentlichen Teilen durch Dritte umzusetzenden Arbeitsförderung besteht der entscheidende Wandel hin

3Beispiel: Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein für Arbeitslose mit Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb von drei Monaten – § 45 Abs. 7 SGB III.4Neben dem deutschen Hang zum Legalismus dürfte dieses auch darauf zurückzuführen sein, dass wegen der Verfasstheit der deutschen Sozialversicherungen als Körperschaften öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung eine direkte ministerielle Steuerung nur sehr begrenzt möglich ist, weshalb sich die Ministerialbürokratie in zahlreichen Details des Gesetzgebers bedient. Die Hartz-Reformen haben diese Tendenz verstärkt: Der Abbau der Regelungskompetenz der Selbstverwaltung erhöhte die Gesetzgebungsintensität im Rechts-kreis des SGB III und die Einbeziehung der Kommunen in die Umsetzung des SGB II hat den gleichen Effekt, da der Bund die Kommunen nicht administrativ, sondern nur durch Gesetz steuern kann.5„Die Bundesanstalt … soll dabei [bei der Förderung der beruflichen Bildung – d. V.] mit den Trägern der beruflichen Bildung zusammenarbeiten; deren Rechte bleiben durch die Vorschriften dieses Unterabschnittes unberührt“ (§ 33 Abs. 1 Satz 2 AFG).6Zu Begriff, historischer Entstehung und Rechtsqualität des Subsidiaritätsbegriffs in seiner Bedeutung für das Verhältnis zwischen Staat und nicht staatlichen Akteuren auf dem Gebiet sozialer Dienstleistungen vgl. Sachße (2003), Münder (2007), Strachwitz (2015).

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349Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen …

zu einer „Vermarktlichung“ von Arbeitsmarktdienstleistungen in Deutschland nicht in einer grundlegenden Verschiebung der Produktionsanteile zwischen Staat und Trägern. Es geht also – anders als z. B. zeitweise in Dänemark (s. u.), in längerfristiger Betrachtung auch in Großbritannien (s. u.)7 – in Deutschland nicht um „Privatisierung“ oder „Outsourcing“8, sondern um eine schrittweise, aber weitreichende Veränderung des Transaktionsmodus. Dieser Begriff umfasst die Rechtsfiguren und Organisationsformen, unter denen nicht staatliche Träger Dienstleistungen für Klienten der öffentlichen Arbeitsverwaltung erbringen und im Gegenzug staatliche Finanzmittel erhalten. Es liegt nahe zu erwarten, dass diese institutionellen Veränderungen Auswirkungen haben auf Machtverhält-nisse und Verkehrsformen zwischen Arbeitsverwaltung und Trägern, Arbeitsbe-dingungen bei den Trägern, Inhalt und Qualität der erbrachten Dienstleistungen sowie das Verhältnis zwischen Fachkräften der Träger und den ihnen anvertrauten Klient/-innen.

Als Transaktionsmodi, die einerseits historisch aufeinander folgten, anderer-seits weiterhin in verschiedenen Bereichen der Arbeitsmarktpolitik nebeneinander existieren, unterscheiden wir:

1. Kostenerstattung: Dass ein Träger die Aufgabe hat, bestimmte Leistungen für bestimmte Gruppen zu erbringen (z. B. die Berufsausbildung für behinderte Jugendliche in Internatsform), ist grundsätzlich und unbefristet akzeptiert; ver-handelt wird darüber, welche Kostenarten erstattungsfähig und welche Kosten-sätze angemessen sind.

2. Zuwendung: Ein Träger erhält auf Antrag einen zweckgebundenen Zuschuss, der bis zu 100 % der Kosten erreichen kann; er hat die zweckentsprechende Mittelverwendung nachzuweisen, schuldet aber keinen bestimmten Erfolg. Es handelt sich wie bei der Kostenerstattung um ein öffentlich-rechtliches, kein privatrechtliches Verhältnis – Beispiele: öffentlich geförderte Beschäftigung; verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Berufsausbildung.

7Als extremes Beispiel gilt Australien (vgl. Considine 2005).8Die viel beachtete und kontrovers diskutierte Zulassung und später auch Förderung priva-ter Arbeitsvermittlung ist im Gesamtbudget der Ausgaben für aktive Arbeitsförderung völ-lig marginal geblieben. Hier handelt es sich eher um neoliberale Symbolpolitik sowie die Etablierung einer latenten, als Ansporn wirkenden Konkurrenz für die staatliche Arbeitsver-waltung.

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3. Direkte Beauftragung – „freihändige Vergabe“ (§ 3 Abs. 5 VOL-A): Es handelt sich um ein privatrechtliches Auftragsverhältnis mit definierten Leistungen oder Ergebnissen; dieses kommt aber nicht durch öffentliche Ausschreibung und ein wettbewerbliches Verfahren zustande. Diese Form war vorherrschend in der beruflichen Weiterbildung vor Einführung des Bildungsgutscheins, kam aber auch noch bei dem 2001 (JobAQTIV-Gesetz) eingeführten Instrument „Beauftragung Dritter mit der Vermittlung“ zur Anwendung.

4. Beauftragung nach öffentlicher Ausschreibung und wettbewerblicher Auswahl: Dieser Transaktionsmodus ist seit 2003 (damals: Personal-Service-Agenturen; Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen) für mehr und mehr Maßnahmearten gesetzlich verpflichtend gemacht worden.

5. Gutscheine: Einführung von Vermittlungsgutscheinen 2002 in Reaktion auf den „Vermittlungsskandal“ bei der Bundesanstalt für Arbeit (Art. 3 des Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Auf-sichtsrat), von Bildungsgutscheinen 2003 (Erstes Gesetz für moderne Dienst-leistungen am Arbeitsmarkt, 23.12.2002).

Abb. 1 zeigt, wie die Anzahl der „vermarktlichten“ Instrumente, die entweder durch wettbewerbliche Vergabe oder durch Gutscheine umgesetzt werden, ab 2002 anstieg – obwohl gleichzeitig einige dieser Instrumente wieder abgeschafft wurden (Personal-Service-Agenturen) oder in anderen Instrumenten aufgingen (Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen). Inzwischen gibt es drei Arten von Gutscheinen, wobei zwei der durch diese Gutscheine umgesetzten Instrumente alternativ auch durch Vergabe realisiert werden können; weitere drei Instrumente unterliegen ausschließlich der wettbewerblichen Vergabe.

Die tatsächliche Entwicklung der von Dritten erbrachten Arbeitsmarktdienst-leistungen ist durch einen starken, im Verhältnis zu den Arbeitslosenzahlen deutlich überproportionalen Rückgang geprägt (Abb. 2). Während das Ausga-benvolumen nahezu halbiert wurde, nahmen die Ausgaben für im engeren Sinne „vermarktlichte“ Instrumente, die durch Gutscheine oder durch wettbewerbliche Vergabe umgesetzt werden, immer größere Anteile ein.

Vermittlungsgutscheine9 sind in Deutschland das einzige Instrument, das ausschließlich erfolgsabhängig vergütet wird. Die Vergütung von 2000 EUR

9Seit 2012 in reichlich verschraubter gesetzlicher Terminologie als „Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein bei einem Träger, der eine ausschließlich erfolgsbezogen vergütete Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung anbietet“ – § 45 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB III.

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351Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen …

wurde seit Einführung des Vermittlungsgutscheins im Jahre 2002 nicht erhöht; bei Vermittlung von Langzeitarbeitslosen und behinderten Menschen kann die Vergütung auf bis zu 2500 EUR festgelegt werden. 1000 EUR können nach sechswöchiger, der restliche Betrag nach sechsmonatiger Dauer eines sozi-alversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in Rechnung gestellt werden.10 Die finanziellen Konditionen zwingen private Arbeitsvermittler, Gut-scheininhaber abzuweisen, deren Vermittlung wenig aussichtsreich erscheint. Arbeitslose mit Anspruch auf Arbeitslosengeld, die nach einer Arbeitslosigkeit von sechs Wochen noch nicht von der Arbeitsagentur vermittelt sind, haben Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein; ansonsten ist die Ausstellung eines

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Beratung und Kenntnisvermi�lung für Selbständige(§ 16c Abs.2 SGB II)

Beau�ragung von Trägern mit Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung (§ 16 Abs. 3a SGB II)

Berufseins�egsbegleitung (§ 49 SGB III)

Unterstützung und Förderung der Berufsausbildung (§ 74-76 SGB III: abH u. BaE

Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen einschl. Hauptschulabschluss (§§ 51, 53 SGB III)

Maßnahmen zur Ak�vierung und beruflichen Eingliederung (§ 45 Abs. 3 SGB III, Vergabe-Variante)

Beau�ragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen

Personal-Service-Agenturen

Bildungsgutschein (§ 81 Abs. 4 SGB III)

Ak�vierungsgutschein (§ 45 Abs. 4 SGB III)

Vermi�lungsgutschein (§ 45 Abs. 4 SGB III)

Abb. 1 Anzahl vermarktlichter Instrumente der aktiven Arbeitsförderung, 2001–2012. (Quelle: Eigene Darstellung auf Grundlage der Gesetzgebungsgeschichte SGB II und SGB III; Gesetzesverweise beziehen sich auf die aktuellen Fassungen)

10Die Gesetzesformulierung „wird gezahlt“ entspricht nach Auskunft privater Vermittler nicht der Praxis: Die Zahlungen lassen oft auf sich warten.

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solchen Gutscheins eine Ermessensleistung der Arbeitsagenturen und Jobcen-ter. Im Jahre 2015 wurden gerade einmal rund 30.000 Vermittlungsgutscheine eingelöst (bei knapp 48.000 ausgegebenen Gutscheinen), davon etwa 2/3 im Rechtskreis SGB II und 1/3 im Rechtskreis SGB III (Bundesagentur für Arbeit –

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Gutscheine we�bewerbliche VergabeZuwendung (geförderteBeschä�igung)direkte Beau�ragung Kostenersta�ung

Abb. 2 Struktur der Ausgaben für Arbeitsmarktdienstleistungen nach Transaktionsmo-dus, 2008–2013. (Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Daten zu den Eingliederungsbilanzen 2008–2013, für SGB II ohne Daten der zugelassenen kommunalen Träger; ohne Maßnah-men nach dem SGB IX; eigene Berechnungen)

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Statistik 2016).11 Darüber, wie viele davon auf dem erwähnten Rechtsanspruch beruhen, liegen keine Informationen vor.

Bildungsgutscheine können eingesetzt werden bei Trägern, die sowohl die Trägerzulassung nach § 178 SGB III durchlaufen haben als auch für die auf dem Gutschein bezeichnete Maßnahme eine Zulassung nach §§ 179 und 180 SGB III besitzen. Die Festsetzung der Preise erfolgt im Zuge der Maßnahmezulassung durch eine „fachkundige Stelle“, die auch die Angemessenheit der Kosten zu prü-fen hat. Dabei orientiert sie sich an regelmäßig von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Durchschnittskostensätzen pro Teilnehmerstunde, die zwischen Berufsgruppen und angestrebten Tätigkeitsniveaus mit einer Spannweite von mehr als Faktor 2 differieren.12 Anträge auf Maßnahmezulassung, die die Durch-schnittskostensätze überschreiten, bedürfen der Zustimmung durch die Bundes-agentur. Dadurch entsteht zwar kein Preisdruck nach unten, aber es kommt zu einer Preisdeckelung. Träger werden von Innovationen abgeschreckt, da neuartige Maßnahmen oder zielgruppenspezifische Kombinationen von Maßnahmeelemen-ten mit höherem Aufwand und größerem Risiko der Nichtzulassung verbunden sind. Ansonsten besteht das Risiko für den Träger darin, dass nicht genügend Gut-scheine ausgegeben werden oder nicht genügend Gutscheininhaber den Weg zum Träger finden, um kostendeckende Teilnahmezahlen zu erreichen. Durch Modula-risierung von Maßnahmen und Zusammenlegen ähnlicher Module versucht man, Unterbesetzungen auszugleichen, was für die Anleitungskräfte die Belastung und für die Teilnehmenden die Häufigkeit des Wechsels der Lehrpersonen erhöht. Gleichwohl ziehen die von uns Befragten ebenso wie die im Rahmen von Work-shops in die Diskussion einbezogenen Träger, die sowohl unter dem Gutschein-system als auch unter dem Vergaberecht agieren, den Bildungsgutschein vor, da der Wettbewerb um Teilnehmende als weniger ruinös erfahren wird als der Wett-bewerb um Aufträge.

Der Einkauf von Arbeitsmarktdienstleistungen durch wettbewerbliche Ver-gabe ist bei der Bundesagentur für Arbeit seit 2007 konzentriert in fünf Regio-nalen Einkaufszentren (REZ), deren regionale Zuständigkeit teilweise mit den

12Vgl. Bundesagentur für Arbeit (2015).

11Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung waren die Ein-lösequoten 2004 und 2007 noch erheblich ungünstiger, nämlich unter 10 % der ausgegebe-nen Gutscheine. Die aktuelle BA-Statistik ist zumindest für den Rechtskreis des SGB III unplausibel, da hier die ausgewiesenen Werte für ausgegebene und eingelöste Gutscheine identisch sind. Danach würden im SGB III alle ausgegebenen Gutscheine nicht nur ihren Weg zum Vermittler finden, sondern auch zum Erfolg führen.

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Regionaldirektionen übereinstimmt, während ansonsten die Gebiete jeweils mehrerer Regionaldirektoren bedient werden. Die Agenturen für Arbeit müssen die REZ für ihre Vergabeprozesse nutzen; die Jobcenter, soweit sie in der Form der Gemeinsamen Einrichtung organisiert sind, stehen seitens der Bundesagen-tur unter starkem Druck, die REZ zu nutzen, sind aber als rechtlich selbststän-dige Einheiten frei, auch andere Wege zu gehen, entweder durch Nutzung der Vergabestelle des kommunalen Partners oder durch Vergabe in Eigenregie. Letz-teres ist offensichtlich nur für sehr große Jobcenter realisierbar, da ohne fachli-che Spezialisierung und ohne Routinisierung durch häufige Wiederholung kaum rechtsfehlerfrei und wirtschaftlich darstellbar. Die rein kommunalen Jobcenter („zugelassene kommunale Träger“) können die Dienstleistungen der Bundesagen-tur nicht nutzen und müssen ihre Vergabeprozesse daher selbst organisieren. Die folgende Darstellung bezieht sich auf die von den REZ durchgeführten Verfahren.

Die Beschaffung beginnt mit der Entscheidung des örtlichen Bedarfsträgers (Arbeitsagentur oder Jobcenter), welche Arbeitsmarktdienstleistungen benö-tigt werden. Hierzu kann der Bedarfsträger aus einem allmählich wachsenden Katalog von standardisierten „Produkten“ auswählen, für die bereits Leistungs-beschreibungen existieren; er kann bereits definierte Produkte modifizieren; und er kann bei entsprechenden besonderen Bedarfen Produkte neu definieren. Die Hürde, sich der Mühe für Letzteres zu unterziehen, ist bei Vorhandensein eines Standardkatalogs hoch. Der Bedarfsträger gibt die Parameter der Durchführung vor (Definition der Zielgruppe; voraussichtliche Teilnehmerzahl; Zeitraum). Die Erstellung und Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung erfolgt dann durch das REZ. Bekanntmachung und Angebotsabgabe erfolgen ausschließlich elek-tronisch über eine entsprechende Internet-Plattform. Beteiligen können sich nur Anbieter, die über eine Trägerzulassung nach § 178 SGB III verfügen.

Das REZ prüft die formale Vollständigkeit und Korrektheit der Angebotsunter-lagen sowie die geforderten Angaben zur Bietereignung. Teilweise wird auch mit Preisobergrenzen gearbeitet, deren Überschreiten zum Ausschluss aus dem wei-teren Verfahren führt. Die inhaltliche Bewertung der Maßnahmekonzepte erfolgt jedoch durch Fachkräfte des Bedarfsträgers anhand einer von der Bundesagen-tur vorgegebenen, je nach Maßnahmeart modifizierten Bewertungsmatrix. Diese muss den Bietern mit den Vergabeunterlagen bekannt gemacht worden sein. Pro Wertungskriterium werden Punktwerte von „0“ bis „3“ vergeben. Die Wahl der Bewertungsextreme „0“ und „3“ bedarf der schriftlichen Begründung, was einen Anreiz darstellen kann, zu mittleren Bewertungen zu tendieren. Unter Anwendung von Gewichtungsfaktoren für die Wertungskriterien führt die Evaluation zu einem Leistungspunktewert für jedes Angebot. Eine Bewertung mit „0“ bei bestimm-ten, vorab definierten Wertungskriterien führt zum Ausschluss aus dem weiteren

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Verfahren („k.o.-Kriterien“); ebenso eine Gesamtpunktzahl von weniger als 85 % des Wertes, der bei durchgängiger Bewertung mit „2“ erreicht würde. Die in den einzelnen Agenturen oder Jobcentern mit der Evaluation befassten Fachkräfte wissen, um welchen Bieter es sich jeweils handelt, erfahren aber vom REZ nicht den Angebotspreis. Sie wissen also, welchen Bieter sie durch ihre Bewertungen mit „0“ bei k.o.-Kriterien oder durch häufigere Wahl der Bewertung „1“ ggf. aus dem Rennen werfen, aber wenn danach mehrere Bieter übrig bleiben, wissen sie nicht, welcher gewinnt. Die Ermittlung des „wirtschaftlichsten Angebots“ erfolgt durch das jeweils zuständige REZ nach der „Erweiterten Richtwertmethode“ unter Berücksichtigung des Angebotspreises. Die Funktionsweise dieses Algorithmus wird in Abschn. 7 gesondert diskutiert. Die weiteren Schritte – Information der unterlegenen Bieter, Vertragsabschluss mit dem erfolgreichen Bieter, Vertragsma-nagement während der Durchführung der Maßnahme – liegen dann wieder beim REZ. Evtl. Einsprüche unterlegener Bieter und evtl. Verfahren vor den Vergabe-kammern werden ebenfalls vom REZ bearbeitet.

Aus der Perspektive der Bundesagentur verbindet dieses Verfahren in idealer Weise dezentrale Verantwortung für die Definition von Dienstleistungsbedarfen und für die Einschätzung der Bedarfsgerechtigkeit eingereichter Angebote mit zentral gewährleisteter Verfahrenssicherheit. Die zentral vorgegebene Struktur des Verfahrens von der Definition der Standardprodukte über die Definition der Wer-tungskriterien und ihre Gewichtung bis zur Vorgabe der Wertungsskala und der Begründungspflichtigkeit nur der extremen Wertungen prägt natürlich auch den Inhalt der Angebote, die Aussicht auf Erfolg haben. Andererseits berichten Trä-ger, die in mehreren Regionen identische Angebote für dasselbe Standardprodukt abgegeben haben, von ganz unterschiedlichem Ausgang der Verfahren. Das liegt einerseits daran, dass der Ausgang jeweils davon abhängt, welche anderen Ange-bote im Feld sind, aber es kann (und soll nach den Vorstellungen der Bundes-agentur) eben auch so sein, dass Evaluatoren an unterschiedlichen Orten aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrungen und unterschiedlicher Gegebenheiten des Arbeitsmarktes identische Angebote unterschiedlich bewerten. Durch Wertung mit „0“ bei k.o.-Kriterien (begründungspflichtig) oder durch ausreichend häufige Wahl der Bewertung „1“ (nicht begründungspflichtig) haben die örtlichen Evalu-atoren sogar die Möglichkeit, Anbieter, mit denen in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht wurden oder deren Eintritt in den örtlichen Markt uner-wünscht erscheint, aus dem Rennen zu werfen. Dieses setzt allerdings voraus, dass der Evaluationsprozess bei den einzelnen Einrichtungen strategisch koordi-niert wird, was nach unserem Eindruck überwiegend nicht der Fall ist. Stattdessen dominiert auch bei den örtlichen Bedarfsträgern die Erfahrung, vom Ausgang der Verfahren überrascht zu werden.

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Aus der Perspektive der Träger und ihrer Betriebsräte hat die Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen durch wettbewerbliche Vergabe zu Preisdruck und Preisverfall geführt. Die Arbeits-, Beschäftigungs- und Entlohnungsbedin-gungen haben sich massiv verschlechtert: Höhere Arbeitsbelastungen, Zunahme befristeter Arbeitsverträge oder von Honorarverträgen, niedrigeres Entlohnungsni-veau. Nicht von ungefähr wurden „Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch“ nach einem längeren Prozess in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen, um Rechtsnormen des Tarif-vertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal zur zwingen-den Arbeitsbedingung für die Branche zu erklären. Dass die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Träger so viel schwieriger geworden sind und dass viele Träger inzwischen aufgeben mussten, dürfte allerdings nicht nur an der Implementation von Marktmechanismen liegen, sondern ebenso daran, dass der Markt im frag-lichen Zeitraum massiv geschrumpft ist (s. o.). Aus der einzelbetrieblichen Sicht lassen sich diese beiden Einflüsse nicht unterscheiden, denn das Ergebnis ist in jedem Falle, dass man einen Auftrag nicht bekommt, auf den man zur Weiterbe-schäftigung des vorhandenen Personals dringend angewiesen gewesen wäre. Und wenn ein anderer Träger den Auftrag bekommt, dann liegt die Annahme nahe, dass dessen Angebot preislich niedriger gewesen sein muss – obwohl es auch sein kann, wie wir unten zeigen werden, dass dessen Angebot qualitativ besser bewer-tet wurde.

Eine statistische Bewertung der Frage, ob es wirklich zu einem Preisver-fall gekommen ist, stößt auf große Schwierigkeiten. Zwar lassen sich mit den von der Bundesagentur veröffentlichten „Daten zu den Eingliederungsbilanzen“ Durchschnittskosten pro Teilnahmemonat für einzelne Jahre berechnen; jedoch verhindert die Dynamik der diversen „Instrumentenreformen“ die Aufstellung längerer Zeitreihen für stabil definierte Instrumente. Soweit sich Entwicklun-gen über einige Jahre betrachten lassen, gibt es sowohl Instrumente, die teurer, als auch solche, die billiger werden. Die Bundesagentur erklärt in einschlägigen Diskussionsveranstaltungen, dass es sehr selten sei, dass das preislich niedrigste Angebot den Zuschlag erhalte; es wird aber nicht dargelegt, ob hierbei die vorab wegen Unterschreitens der Mindestqualität ausgeschlossenen Angebote mitge-zählt werden. Die Bieter werden über die Wertung des eigenen Angebots infor-miert, aber nicht über die Verteilung der Wertungen und Preise im Gesamtfeld der Angebote, sodass sie nicht wissen, warum ein anderes Angebot als das „wirt-schaftlichste“ bewertet wurde.

An einem aktuellen Einzelfall lässt sich die Wirkung von Wettbewerb auf den Preis demonstrieren: Beim Programm „Perspektiven für Junge Flüchtlinge im Handwerk“, das auf einer Kooperationsvereinbarung zwischen BMBF, BA und

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dem Zentralverband des Deutschen Handwerks beruht und ausschließlich von den Überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks durchgeführt wird, ist ein einheitlicher Auftragspreis pro Teilnehmer und Monat vorgegeben. Die inhaltlich nahezu identischen „Perspektiven“-Maßnahmen außerhalb des Handwerks wer-den dagegen wettbewerblich vergeben mit dem Resultat, dass in einer Region ein um 30 % niedrigerer Zuschlagspreis zustande kam (Knuth 2016).

3 Dänemark

Die Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen in Dänemark ist eingebet-tet in eine Gebietsreform (Reduzierung der Anzahl der Gemeinden von 270 auf 98) sowie die Kommunalisierung der öffentlichen Arbeitsverwaltung (vgl. Knuth und Larsen 2010). Als Hintergrund ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitslosen-versicherung in Dänemark nach dem „Gent-System“ (vgl. Leonardi 2006; Clasen und Viebrock 2006) organisiert ist: Für die Auszahlung von Versicherungsleis-tungen blieben die (überwiegend gewerkschaftsnah organisierten) Arbeitslosen-kassen zuständig. Durch die 2009 von der damaligen Mitte-Rechts-Regierung durchgesetzte Kommunalisierung von Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung für die Versicherten sollten die Kommunen veranlasst werden, auch die Bezieher/-innen von Sozialhilfe stärker zu „aktivieren“. Damit verbunden war die Auflösung der regional gegliederten staatlichen Arbeitsverwaltung, wodurch die Sozialpart-ner ihren bisherigen institutionell gesicherten Einfluss auf die Arbeitsmarktpolitik verloren. Das Arbeitsministerium, bis dahin unmittelbar zuständig für die Arbeits-verwaltung, sollte durch deren Kommunalisierung aus der Schusslinie der Kritik an „Bürokratie“, „Ineffektivität“ und „Ineffizienz“ genommen werden.

Zwar genießen die Kommunen in Dänemark Selbstverwaltungsstatus wie in Deutschland, aber die dänische Regierung hat gegenüber den Kommunen weiter-gehende Steuerungsmöglichkeiten als die Bundesregierung, da zwischen ihr und den Kommunen keine Länder stehen. Die zentralstaatliche Steuerung der Kom-munen erfolgt traditionell eher indirekt durch finanzielle Anreize, z. B. indem die grundsätzliche Kostenteilung für die Sozialhilfe von 50:50 zeitweilig differenziert wurde in 65 % staatliche Erstattung für Bezieher/-innen in Aktivierungsmaß-nahmen, aber nur 35 % für diejenigen ohne Maßnahme. Inzwischen werden die Aktivitäten der Kommunen über Zielvereinbarungen und Kennzahlenmonitoring gesteuert. Die formell weiterhin unabhängigen Arbeitslosenkassen wurden in dieses System finanzieller Steuerung eingebunden, indem die traditionell hohen zentralstaatlichen Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung über die kommunalen Kassen geleitet und mit Zielvereinbarungen versehen werden.

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Die Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen ist Teil der zentral-staatlichen Steuerungsversuche gegenüber Arbeitsverwaltung, Kommunen und Arbeitslosenkassen. Sie beginnt 2002, noch vor der Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung, mit Vorgaben zur Kontaktdichte, die mit vorhandenem Perso-nal nicht zu erfüllen waren, sowie der Anforderung, jederzeit mindestens 10 % der versicherten Arbeitslosen in Aktivierungsmaßnahmen bei „anderen Akteu-ren“ zugewiesen zu haben. Der Begriff „andere Akteure“ (im Deutschen würde man wohl sagen: „Dritte“) wurde geprägt, um den Begriff „Privatisierung“ oder „private Dienstleister“ zu vermeiden und die Hoffnung des non-profit-Sektors einschließlich gewerkschaftsnaher Einrichtungen auf „ein Stück vom Kuchen“ zu wecken. Deshalb wurde die Reform von den Gewerkschaften zunächst mitgetra-gen, obwohl es um das Outsourcing bisher öffentlich erbrachter Dienstleistungen und insofern sehr wohl um Privatisierung ging (Larsen et al. 2014). Bei großer regionaler Variation wurden teilweise sogar Kernaufgaben wie die Aufnahme von Arbeitsuchendmeldungen an „andere Akteure“ vergeben. Zeitweilig (2005) wur-den 46 % der versicherten Arbeitslosen extern betreut.

Die regionalen Einheiten der Arbeitsverwaltung waren in dieser Phase in der Definition der Maßnahmen und der Gestaltung der Vergabeverfahren völlig frei, was zu Kritik an deren Intransparenz (u. a. durch den Rechnungshof) und zur Skandalisierung von inhaltsleeren und für die Teilnehmenden entwürdigenden Aktivierungsmaßnahmen in den Medien führte. Deshalb wurde der Einkauf der Dienstleistungen ab 2005 auf gesamtstaatlicher Ebene zentralisiert. Im Ergebnis von Ausschreibungen wurden mit Anbietern Rahmenvereinbarungen geschlossen, auf deren Grundlage die örtlichen Arbeitsverwaltungen ihre Maßnahmen bestel-len konnten. Administrative Aufgaben durften nicht mehr outgesourct werden und 80 % der Vergütungen wurde an kurzfristig erzielte Beschäftigungsaufnah-men gekoppelt. Die ergebnisabhängige Vergütung erhöhte nicht nur Erfolgsdruck und -risiken, sondern stellte kleine und insbesondere gemeinnützige Anbieter vor unlösbare Finanzierungsprobleme, da man auf die Rückflüsse bereits geleisteter Ausgaben bis zu sechs Monate warten musste. Die verschärfte Konkurrenz unter den Anbietern führte nicht zur Innovation, sondern zur Standardisierung der Maß-nahmen und zur Verlagerung des Wettbewerbs ausschließlich auf den Preis.

Die Umstellung auf zentralisierte Vergabe ging einher mit drastischen Mit-telkürzungen um 50 % und führte zur Reduzierung des Marktanteils von non-profit-Anbietern von ca. 25 % auf 11 %. Insbesondere gewerkschaftsnahe Anbieter wurden praktisch marginalisiert. Allerdings kann man vermuten, dass diese Träger ihren Marktanteil auch nicht allzu entschieden verteidigten, da die Gewerkschaften angesichts des schlechten Rufs von Aktivierungsmaßnahmen in der vorangegangenen Phase (s. o.) begannen, ihre Mitglieder gegen solche

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Maßnahmen zu verteidigen und sich an ihrer öffentlichen Skandalisierung zu beteiligen. Die Finanzkrise 2008 und die Kommunalisierung 2009 führten zu einer weiteren Kontraktion des Marktes für Arbeitsmarktdienstleistungen, der in Dänemark generell von einem starken Auf und Ab gekennzeichnet ist.

Nach der 2009 erfolgten Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung (s. o.) und der „Zusammenführung“ zwar nicht der Geldleistungen, aber der Dienst-leistungen für versicherte Arbeitslose und für Bezieher/-innen von Sozialhilfe bei den Kommunen begann ab etwa 2010 eine neue Phase der Vermarktlichung. Die Zuweisung in Maßnahmen bei Dritten wurde für einige Zielgruppen ver-pflichtend und die Kommunen wurden durch finanzielle Anreize (s. o.) dazu gebracht, möglichst viele Kund/-innen zu aktivieren und hierbei möglichst star-ken Gebrauch von externen Maßnahmen zu machen. Das System des zentralen Einkaufs, ursprünglich entwickelt für die staatliche Arbeitsverwaltung, wurde für die nunmehr kommunalisierte Arbeitsverwaltung zunächst beibehalten. Der Markt expandierte wieder, bis die 2011 gewählte Regierung unter sozialdemo-kratischer Führung dieses System abschaffte. Seitdem sind die Kommunen frei in der Entscheidung, ob sie Maßnahmen selbst durchführen oder extern durchführen lassen wollen und sie können den dabei anzuwendenden Transaktionsmodus frei wählen, d. h. sie sind nicht zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet oder an eine bestimmte Vergabeart gebunden.

Die vollständige Dezentralisierung des Marktes ist mit dem Verlust jeglicher statistischer Transparenz verbunden, sodass sich für die Zeit seit 2011 kaum Aus-sagen über die quantitative Marktentwicklung machen lassen. Eine im Rahmen unseres Projekts von den dänischen Partnern durchgeführte nicht-repräsentative Umfrage bei Kommunalverwaltungen deutet auf einen Rückgang sowohl in der Beteiligung von Dritten überhaupt als auch in der Nutzung wettbewerblicher Ver-gabeverfahren hin, die gleichwohl weiterhin in der Mehrzahl der Fälle Anwen-dung finden. Die Tendenz geht dahin, Dritte nur noch für bestimmte Zielgruppen und für sehr spezielle Maßnahmen einzusetzen, bei denen die Beauftragung Dritter weiterhin vorgeschrieben ist (vgl. Rosendahl 2013, S. 54). Die Kommu-nen berichten von mehr „partnerschaftlichen“ Formen der Zusammenarbeit mit Dritten, erwarten aber zugleich ein weiteres Schrumpfen des Marktes für Arbeits-marktdienstleistungen.

Ein zusammenfassender Vergleich mit den Entwicklungen in Deutschland könnte wie folgt formuliert werden: Der Übergang zum Aktivierungsparadigma der Arbeitsmarktpolitik, die Vermarktlichung der Beziehungen zwischen Arbeits-verwaltung und Trägern, die Stärkung der Rolle der Kommunen in der Arbeits-marktpolitik und die Zurückdrängung des Einflusses korporativer Akteure sind in Dänemark in ähnlicher Weise miteinander verwoben wie in Deutschland.

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Dabei erscheint jedoch der dänische Entwicklungspfad sowohl im Hinblick auf Strukturen als auch auf Quantitäten wesentlich erratischer als der deutsche und er schlägt zeitweilig in Extreme aus, die in Deutschland bisher nicht erreicht wur-den: Privatisierung auch von administrativen Aufgaben; bis fast zur Hälfte der Kund/-innen in Maßnahmen bei Dritten; vorübergehend hoher Anteil erfolgs-abhängiger Vergütungen; volle Kommunalisierung der Arbeitsverwaltung ein-schließlich der Zuständigkeit für die Förderung von Versicherten; vollständige Rücknahme aller Vorgaben zum Outsourcing sowie zur Anwendung des Verga-berechts; weitgehende Verdrängung gemeinnütziger und korporativer Akteure aus dem Markt für Arbeitsmarktdienstleistungen. – Die berufliche Weiterbildung kommt in dieser Darstellung nicht vor, da sie in Dänemark überwiegend unab-hängig von den Maßnahmen der Arbeitsverwaltung organisiert ist.

4 Großbritannien

In Großbritannien13 sind die versicherungsförmigen Elemente der sozialen Siche-rung bei Arbeitslosigkeit seit 1996 darauf reduziert, dass bei Vorliegen entspre-chender Beitragszeiten (National Insurance) in den ersten bis zu sechs Monaten des Leistungsbezugs von Jobseeker’s Allowance14 keine Bedürftigkeitsprüfung erfolgt; die Leistungen sind allemal Festbeträge, beinhalten also keine relative Statussicherung durch Bezug zum früheren Verdienst.15 Seit den Sozialstaats-reformen nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es keine kommunale Sozialhilfe mehr, sondern einheitliche zentralstaatliche Leistungen; der in Dänemark wie in Deutschland relevante Gegensatz von Versicherung und Grundsicherung und die kommunale Tradition der letzteren spielen also in Großbritannien keine Rolle. Berufliche Weiterbildung war und ist in wechselnden organisatorischen For-men und mit diskontinuierlicher Intensität auf regionaler Ebene, außerhalb der

13Die in Deutschland gebräuchlichere Bezeichnung „Großbritannien“ (statt „Vereinigtes Königreich“) ist in diesem Falle korrekt, da die Entwicklung in Nordirland in mancher Hinsicht abweicht (vgl. Wiggan 2015) und hier nicht behandelt wird.14Die von 2013 bis 2017 erfolgende Umstellung auf die neue Leistungsart „Universal Cre-dit“ (vgl. Dwyer und Wright 2014), die u. a. Aufstockungszahlungen für Geringverdiener integriert, liegt zeitlich nach unseren Untersuchungen.15Faktisch ist es wohl eher so, dass die Mittelschicht im Falle von Arbeitslosigkeit das Sys-tem überwiegend gar nicht in Anspruch nimmt – der „residuale“ Wohlfahrtsstaat ist nur etwas für die Unterschicht. Das erklärt die im Vergleich zu Dänemark und Deutschland geringe öffentliche Aufmerksamkeit für die Arbeitsmarktpolitik.

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Arbeitsverwaltung organisiert (vgl. für Jugendliche Rosendahl 2013, Kap. 4). Die Jobcenter bilden seit 2011 eine Abteilung des Arbeitsministeriums.

Die 1997 ins Amt gewählte „New Labour“-Regierung initiierte unter der Marke „New Deals“ eine Abfolge von zielgruppenspezifischen Aktivierungs-programmen (Finn et al. 2005). Soweit diese durch Dritte durchgeführt wurden, handelte es sich mit Wohlfahrtsorganisationen, Bildungsträgern, kommunalen Einrichtungen und privatwirtschaftlichen Akteuren um eine Trägerlandschaft, die durchaus Ähnlichkeiten mit der deutschen aufwies. Über die Form der Transaktion mit Dritten (Zuwendung oder Auftrag, Vergabe nach öffentlicher Ausschreibung oder freihändig) liegen für diese Periode keine Informationen vor. Im Vergleich zu Deutschland ist die Sensibilität der Akteure für die rechtliche Einordnung ihres Tuns sowohl in Großbritannien als auch in Dänemark erheblich geringer als in Deutschland, sodass entsprechende Informationen schwierig zu bekommen sind.

Von 2000 bis 2007 wurden 15 regionale Modellprojekte unter der Bezeich-nung „Employment Zone“ durchgeführt.16 In diesen Modellregionen wurden verschiedene Gruppen von Langzeitarbeitslosen (teils auf freiwilliger Basis, z. B. Alleinerziehende, teils verpflichtend und sanktionsbewehrt) an Träger unter-schiedlicher Provenienz zugewiesen, die auf der Grundlage von Beschäftigungs-aufnahmen von mindestens 13 Wochen Dauer honoriert wurden. Anders als bei den „New Deals“ war die Art der Dienstleistung nicht vorgeschrieben; es lag im Interesse der Träger, die Teilnehmenden möglichst rasch und kostengünstig in Arbeit zu bringen („black box“-Ansatz). Da in jeder Region mehrere Träger beteiligt waren, hatten die freiwillig Teilnehmenden eine Wahlmöglichkeit bezüg-lich des Trägers; erst spät wurde dieses auch den verpflichtend Teilnehmenden zugestanden (Griffiths und Durkin 2007).

Der 2006 in Auftrag gegebene „Freud-Report“ empfahl, dass die Jobcenter sich auf die Vermittlung arbeitsmarktnaher Kunden konzentrieren sollten und die Unterstützung für die arbeitsmarktferneren an private und frei-gemeinnüt-zige Träger ausgelagert werden solle (Freud 2007, S. 10). Es entwickelte sich eine blühende politische Rhetorik über die Potenziale des Dritten Sektors für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Gemeinsam traten die Vereinigung der Führungskräfte der Wohlfahrtsverbände und der Unternehmensverband der pri-vaten Arbeitsmarktdienstleister für die vollständige Privatisierung von Arbeits-marktdienstleistungen nach australischem Vorbild ein (Davies 2008, S. 140).

16Vorgeschaltet war eine Pilotphase in fünf Regionen von 1998 bis 2000, die von einer stär-ker netzwerkartigen Kooperation der Träger sowie Freiwilligkeit und mehr Wahlmöglich-keiten der Teilnehmenden geprägt war (vgl. Wiggan 2007).

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Doch die reale Entwicklung lief schon ab 2007 gegen die gemeinnützigen Träger: Die Einkaufsfunktion wurde den Jobcentern entzogen und beim Arbeits-ministerium zentralisiert und professionalisiert. Zwecks Steigerung der Effizienz des Einkaufs strebte man eine Reduzierung der Anzahl von Vertragspartnern an. Gleichzeitige Mittelkürzungen bei Kommunen, regionalen Entwicklungsge-sellschaften und in der beruflichen Weiterbildung trafen zum Teil die gleichen gemeinnützigen Träger, die auch den wachsenden Druck durch die Einkaufs-praktiken des Ministeriums zu bewältigen hatten. Andererseits vermehrte sich die Zahl potenzieller Adressaten arbeitsmarktpolitischer Fördermaßnahmen durch die Reformen von 2007 und 2009, mit denen angestrebt wurde, Bezieher/-innen von bis dahin als „inaktiv“ definierten Unterhaltsleistungen (Alleinerziehende, Erwerbsgeminderte) für den Arbeitsmarkt zu aktivieren (vgl. Grover und Piggott 2010; Wright 2011).

Die 2010 gewählte konservativ-liberale Regierung löste ab 2011 die von Labour initiierten Arbeitsmarktprogramme durch ein einheitliches Programm ab, das „Work Programme“. Für seine Umsetzung griff man auf bis dahin nicht realisierte Empfehlungen aus dem Freud-Report (s. o.) zurück, ein zweistufiges Vergabemodell einzuführen: Durch wettbewerbliche Ausschreibung wurde eine überschaubare Zahl von Generalunternehmern ermittelt, die große Auftragslose für größere geografische Gebiete mit mehreren Jahren Laufzeit erhielten. Diese Generalunternehmer bilden nach eigenem Ermessen und zu ihren eigenen Kon-ditionen Konsortien mit örtlichen Trägern (einschl. kommunaler Einrichtungen) als Subunternehmer (Freud 2007, S. 62). Das Vergaberecht gilt nur für die öffent-liche Auftragsvergabe an die Generalunternehmer, nicht für die privatrechtlichen Beziehungen zwischen General- und Subunternehmer.

Obwohl Freud in seinem Report bereits angedeutet hatte, dass für die Rolle der Generalunternehmer private Unternehmen wohl eher infrage kommen wür-den als gemeinnützige Einrichtungen, machten sich einige Wohlfahrtsverbände Hoffnungen und beteiligten sich im Februar 2011 als Konsortialführer an der Ausschreibung für das Work Programme. Es zeigte sich jedoch, dass es bei der Vergabeentscheidung weniger auf arbeitsmarktpolitische Kompetenz als auf Management- und IT-Kapazitäten sowie auf Liquidität und Zugänge zum Kapi-talmarkt ankam. Die Kernaufgabe der Generalunternehmer besteht darin, die Aktivitäten der Konsortien zu koordinieren und in einer für die IT-Systeme der Regierung kompatiblen Form datentechnisch abzubilden. Der erhebliche Vorfi-nanzierungsaufwand bei erfolgsabhängigen Vergütungsmodellen konnte nur von umsatzstarken Unternehmen gestemmt werden, die für Banken als kreditwürdig galten. Deshalb hatten u. a. Unternehmensberatungsfirmen und Großanbieter von Sicherheitsdiensten mehr Chancen in diesem Wettbewerb als professionelle

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Arbeitsmarktdienstleister. Arbeitsmarktdienstleistungen wurden zu einem Seg-ment von Dienstleistungen für die öffentliche Hand; ihre Spezifik als soziale Dienstleistungen spielte keine Rolle mehr.

Für 18 geografische Einheiten des Vereinigten Königreichs (aber ohne Nord-irland) wurden 40 Lose ausgeschrieben, also zwei bis drei pro Region. Es gin-gen 176 Angebote ein. Die Vergabeentscheidung für die Konsortien erfolgte nach einem Punktesystem, bei dem die Hälfte der Punkte für qualitative Aspekte des Angebots (vor allem Management und Organisation, nur 10 % – also 5 % der Gesamtwertung! – für Dienstleistungsqualität gegenüber den Arbeitsuchenden) und die andere Hälfte für den Preis vergeben wurde. Zur Bewertung des Preises wurden die von den Anbietern gewährten Rabatte auf in den Vergabeunterlagen veröffentlichte Richtpreise mit Punkten bewertet. Der Bieter mit dem höchsten Rabatt erhielt das größte Los von 22 % des gesamten Programms und es wird geschätzt, dass die Rabatte im Durchschnitt 40 % betrugen. Im Ergebnis wurden die 40 Lose an 18 Konsortien vergeben, wobei vier von multinationalen Unter-nehmen angeführte Konsortien etwas mehr als 50 % Marktanteil auf sich verei-nen. Fusionen zwischen Generalunternehmern während der Programmlaufzeit reduzierten die Zahl der Akteure, auf die die Regierung sich verlassen muss, noch weiter. Der Vertrag mit dem kleinsten Marktanteil (mit einem Anbieter aus dem Bildungssektor) wurde von der Regierung vorzeitig beendet.

Manche Generalunternehmer erbringen Teile der Dienstleistungen am Kunden (für bestimmte Kundengruppen oder bestimmte Teilregionen) mit eigenem Perso-nal, während andere sich vollständig auf ihre Rolle des Konsortialmanagements beschränken. Diese privatwirtschaftlichen Großunternehmen agieren gewisser-maßen als Mittler zwischen der Regierung und frei-gemeinnützigen bzw. kom-munalen Trägern, soweit es sich bei den Subunternehmern nicht selbst um private handelt.17 Die Vertragsbedingungen mit erfolgsabhängiger Vergütung, aber ohne Garantie der Zuweisungszahlen verlagern erhebliche Risiken und Unwägbarkeiten auf die Konsortien, die natürlich von den Generalunternehmern an die Subunter-nehmer weitergereicht werden. Auf der Ebene des Gesamtprogramms hat sich die Regierung in den Verträgen mit den Generalunternehmern vorbehalten, bis zu 5 %

17Subunternehmer der „ersten Ebene“ übernehmen die gesamte Dienstleistung für eine definierte Gruppe von Kunden, während Dienstleister der „zweiten Ebene“ Spezialaufga-ben wie die Schuldnerberatung durchführen. Statistisch erfasst ist nur die erste Ebene. Im Januar 2012, zu Beginn des Programms, umfasste sie 387 Verträge (16 % öffentliche, 43 % gemeinnützige und 41 % private Träger). Bei erheblicher Fluktuation kam es bis September 2013 zu einem Schwund um 79 Verträge, wovon die öffentlichen und gemeinnützigen Trä-ger etwas stärker betroffen waren als die privaten, die folglich ihren Anteil erhöhten.

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des Vertragsvolumens auf andere Konsortien zu verlagern. Das Work Programme hat nur etwa die Hälfte des Volumens der Programme, die es abgelöst hat, und die Zuweisungen von Teilnehmenden blieben deutlich unter den ursprünglichen Ankündigungen. Die Generalunternehmer können sich von Subunternehmern trennen und deren Aufträge auf andere, als erfolgreicher angesehene Subunterneh-mer verlagern. Die arbeitsrechtliche Folge ist dann ein Betriebsübergang, d. h. der einspringende Subunternehmer muss die Beschäftigten zu bisherigen Konditio-nen übernehmen: Hier zeigt sich ausnahmsweise ein Vorteil der privatrechtlichen Natur der Beziehungen zwischen General- und Subunternehmern und der langen Vertragslaufzeit zwischen Regierung und Generalunternehmern.18

Wie der „Erfolg“, also die Beschäftigungsaufnahme erreicht wird, bleibt den Trägern überlassen, einschließlich der Wertung öffentlich geförderter Beschäfti-gung als Erfolgsfall (Rosendahl 2013, S. 102); der Inhalt der Dienstleistungen ist nicht definiert („black-box-Modell“). Statt zu Variation und Innovation hat diese „Freiheit“ zu einer weitgehenden Standardisierung auf die üblichen kurzfristig orientierten Aktivierungsmaßnahmen geführt. Für Investitionen in die Fähigkeiten von Teilnehmenden steht kein zusätzliches Budget zur Verfügung, sondern diese müssen – bzw. müssten – aus der Trägervergütung finanziert werden.19 Durch die Aktivierung von bisher von der Verpflichtung zur Arbeitsuche befreiten Gruppen (s. o.) werden die bei den Teilnehmenden zu überwindenden Arbeitsmarktbarri-eren immer höher. Der Ausgleich durch höhere Erfolgsprämien für die Integra-tion dieser Gruppen20 bewirkt nichts, wenn deren Integration schlicht unmöglich erscheint. Für die Träger ist es finanziell am sichersten, ihre Aktivitäten auf die arbeitsmarktnäheren Teilnehmenden zu konzentrieren und die anderen bestenfalls formal zu betreuen („creaming and parking“).21

18In Deutschland kann ein solcher Trägerwechsel nur durch erneute Ausschreibung zustande kommen und das gilt selbst bei identischem Inhalt der Maßnahmen nicht als Betriebsübergang.19Soweit in Großbritannien Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose gefördert werden, handelt es sich um ein separates Programm außerhalb des Work Programme – vgl. Rosen-dahl (2013, S. 88 ff.)20Das Vergütungsmodell ist außerordentlich komplex und wurde im Verlauf immer wei-ter elaboriert. Dadurch ist es vielleicht (sach-) „gerechter“ geworden, aber die tatsächli-che Steuerungswirkung nimmt in dem Maße ab, wie die Funktionsweise des Modells im Arbeitsalltag nicht mehr nachvollziehbar und handlungsleitend ist.21Der Nationale Rechnungshof stellte z. B. fest, dass 46 % der Teilnehmenden seit mindes-tens zwei Monaten überhaupt keinen Kontakt zum Träger gehabt hatten (National Audit Office 2014, S. 34).

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Im Vergleich zu Deutschland ist hervorzuheben, dass die britische Regierung gewissermaßen die Rolle der Regionalen Einkaufszentren an private Dienstleis-tungsunternehmen outgesourct hat. Soweit die Generalunternehmer nicht selbst „Arbeit am Kunden“ durchführen, haben die Kunden es mit Trägern zu tun, die nicht nach Vergaberecht, sondern nach Privatrecht beauftragt wurden. Um ihren Berichtspflichten gegenüber dem Ministerium nachzukommen, müssen die Gene-ralunternehmer Datenströme organisieren, deren Zulässigkeit nach deutschem Datenschutzrecht wohl mehr als fragwürdig wäre. Risiken und Unwägbarkeiten werden in großem Umfang von der Regierungsebene über die Generalunternehmer bis auf die Subunternehmerebene abgewälzt. Während einzelne Subunternehmer leicht austauschbar sind, ist die Regierung in hohem Maße von ihren Generalun-ternehmern abhängig: Eine etwaige Skandalisierung eines der größeren Konsortien würde rasch auf die politische Ebene durchschlagen („too big to fail“). Die Unter-nehmensspitzen der Generalunternehmer haben einen direkten Zugang zu den Ver-antwortlichen im Ministerium und verkehren mit ihnen „auf Augenhöhe“.

Die Fördermaßnahmen beschränken sich ganz überwiegend auf die Akti-vierung zur raschen Arbeitsaufnahme. Ein hoher Anteil erfolgsabhängiger Ver-gütungen, breite Definition der zugewiesenen Zielgruppen und das Fehlen von Vorgaben zum Inhalt der Maßnahmen machen das „Rosinenpicken“ für Träger sowohl notwendig als auch möglich. Der Widerspruch zwischen professionel-lem und ethischem Anspruch der Fachkräfte, insbesondere bei den gemeinnützi-gen und öffentlichen Trägern, und den Bedingungen, unter denen das Programm durchgeführt wird, dürfte größer sein als in Deutschland. Nicht sicher ist dage-gen, ob auch der wirtschaftliche Druck generell größer ist: Die langfristige Anlage des Programms, die wechselseitige Abhängigkeit der Akteure und die pri-vatrechtliche Natur der Verträge zwischen General- und Subunternehmern dürf-ten auch manche Härten abmildern. Da Transparenz und Gleichbehandlung im Verhältnis zwischen General- und Subunternehmern den staatlichen Auftraggeber nicht interessieren, ist der Spielraum für Verhandlungen größer und die jeweilige Geschäftspolitik der verschiedenen Generalunternehmer dürfte einige Variation in den Rahmenbedingungen der Subunternehmer erzeugen.

5 Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen im Lichte von Spielarten des Liberalismus

Auf den ersten Blick scheinen die Entwicklungen in Dänemark wenig zu tun zu haben mit verbreiteten Vorstellungen vom „skandinavischen“ oder „universalisti-schen“ Wohlfahrtsmodell, dem Dänemark gemeinhin zugeordnet wird. Natürlich

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könnte man argumentieren, dass der Paradigmenwechsel von der traditionell „akti-ven“ zur „aktivierenden“, auf kurzfristige Arbeitsmarktintegration orientierten Arbeitsmarktpolitik eine Abkehr vom skandinavischen Modell, insbesondere von Esping-Andersens (1990) zentraler Kategorie der „Dekommodifizierung“, darstelle und dass die zehnjährige Regierungszeit von Mitte-Rechts-Regierungen (2001 bis 2011) genutzt wurde, um diese Wende herbeizuführen. Man könnte aber auch ein-wenden, dass die außerhalb Skandinaviens verbreitete Vorstellung vom skandina-vischen Modell als einer Art „demokratischen Staatssozialismus“ von vornherein irreführend ist. Insbesondere für Dänemark gilt, dass es sich um eine eher liberale Marktordnung mit schwacher Regulierung (z. B. kein gesetzlicher Kündigungs-schutz), aber (trotz Rückbau auch heute noch) vergleichsweise starker finanzieller Absicherung gegen Marktrisiken handelt.

Das britische Beispiel passt durchaus ins Bild liberaler Marktökonomien. Nur darf man nicht dem Irrtum verfallen, dass „liberal“ eine maximale Entfaltung von Wettbewerb und Märkten als Staatsziel beinhalten würde. Bei der Vermarkt-lichung von Arbeitsmarktdienstleistungen beobachten wir eher das Gegenteil: Lange Vertragslaufzeiten von fünf Jahren bewirken, dass das Ritual des staatlich inszenierten Wettbewerbs nur selten wiederholt werden muss. Das Vergabever-fahren begrenzt faktisch die Zahl der Anbieter erster Ebene und mit der zweiten Ebene haben staatliche Stellen nichts unmittelbar zu tun. Die Regierung begibt sich in die Abhängigkeit von Großauftragnehmern, die „too big to fail“ sind und mit ihr auf Augenhöhe verhandeln. Der Bedarf an Vorfinanzierung bei erfolgsab-hängiger Vergütung führt zur Finanzialisierung von Arbeitsmarktdienstleistungen, d. h. sie werden Teil des finanzkapitalistischen Systems.

Deutschland – der „konservative“ Wohlfahrtsstaat (Esping-Andersen 1990), die „koordinierte“ Marktökonomie (Hall und Soskice 2004), das „wohlfahrtskorpora-tistische“ Modell (Heinze und Olk 1984) – lässt sich im Vergleich der drei Länder am ehesten unter dem Begriff des „Ordoliberalismus“ kennzeichnen.22 Diese Tradi-tion führt dazu, dass die Vermarktlichung von Arbeitsmarktdienstleistungen, einmal begonnen, in Deutschland im Vergleich mit den beiden anderen untersuchten Län-dern am konsequentesten betrieben wird. Sie bedeutet im deutschen Kontext nicht Privatisierung oder Verringerung der Rolle des Staates, sondern eine starke Rolle des Staates als Regisseur von staatlich inszenierten Märkten. Die Vermarktlichung

22Während dieser Begriff in Deutschland selbst kaum noch eine öffentliche Bedeutung hat, sehen ausländische Beobachter diese Denk– und Politiktradition als sehr lebendig und wirksam u. a. im Umgang mit der Eurokrise – vgl. Lechevalier (2015) – siehe aber auch Ptak (2010) und als Vertreter der Praxis Weidmann (2013).

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von Arbeitsmarktdienstleistungen wird vom Gesetzgeber mit zwei alternativen For-men – Vergabe und Gutscheine – beschlossen und durch Subsumtion von mehr und mehr Förderinstrumenten unter das Marktregime vorangetrieben. Die Ankoppelung des einen Teilmarktes an das bestehende Vergaberecht macht die Inszenierung von marktbasierten Entscheidungen zu einer eigenständigen Aufgabe der Arbeitsver-waltung, die nicht allein nach arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeiten ausge-richtet wird, sondern ihre eigene ordnungspolitische Logik entwickelt. Die aus der Tradition des subsidiären Wohlfahrtspluralismus ererbte Kleinteiligkeit der Träger-struktur wird bewahrt durch die Vergabe von Dienstleistungen in eher kleinen, regi-onalen Losen. Im Ergebnis wird die Intensität des Wettbewerbs hoch gehalten, d. h. der öffentliche Auftraggeber zieht finanziellen Nutzen aus der Trägerstruktur, die er faktisch schützt. Dadurch bleibt der deutsche Markt trotz strikter Erfüllung der EU-Vorgaben zur Markttransparenz und EU-weiten Ausschreibung für multinational operierende große Anbieter schwer zugänglich bzw. eher unattraktiv. Die globalen Player der Arbeitsmarktdienstleistungen sind in Großbritannien stark, in Dänemark sind sie anzutreffen, aber in Deutschland sind sie bisher marginal geblieben. Das Preisniveau wird von ihnen als im internationalen Vergleich niedrig eingeschätzt und die Kleinteiligkeit und Vielfalt der Vergabeprozesse verursacht aus der Pers-pektive von neu in den Markt Eintretenden hohe Transaktionskosten.

Aufgrund der Spezialisierung von Instrumenten und der fachlichen Gliederung der beruflichen Weiterbildung bleiben Vergabe- wie Gutscheinverfahren eng auf den Inhalt der Maßnahmen bezogen. Auch wenn die Durchführungsqualität im Ergebnis von Preiswettbewerb grundsätzlich bedroht ist, spielt doch die Input-Qualität (Qualifikation des Personals, dessen Einsatz zugesichert werden muss) im deutschen Vergabeverfahren eine große Rolle. Allein schon die detaillierten gesetzlichen Vorgaben zu den einzelnen Förderinstrumenten machen „black-box“-Ansätze nach britischem Muster unmöglich. Erfolgsabhängige Vergütungen spielen eine untergeordnete Rolle und wurden nach anfänglichen Versuchen sogar wieder zurückgefahren.

6 Vermarktlichung als Legitimationsbeschaffung

Die Elaboriertheit der in Deutschland praktizierten Verfahren der Träger- und Maß-nahmezertifizierung sowie der Auswahlentscheidung im Vergabeprozess machen vielleicht deutlicher als die Praktiken in den beiden anderen Ländern, worum es bei der Vermarktlichung neben der Beschaffung von Dienstleistungen immer auch geht: Die entsprechenden Abteilungen der Bundesagentur beschaffen nicht nur Arbeits-marktdienstleistungen, sondern sie beschaffen auch Entscheidungslegitimation für

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die Bundesagentur und indirekt für die Bundesregierung gegenüber drei Gruppen von Akteuren: 1) Gegenüber den um Aufträge konkurrierenden Trägern, 2) gegen-über den Anspruchsberechtigten oder „Kunden“ und 3) gegenüber der politischen Öffentlichkeit. Gegenüber den Anbietern von Arbeitsmarktdienstleistungen und damit in kurzfristiger operativer Perspektive geht es um die Durchführung gerichts-fester Prozeduren, d. h. um die Vermeidung von Kosten und Verzögerungen in der Umsetzung von aktiver Arbeitsförderung aufgrund von Verfahrenseinsprüchen. Dazu muss entweder ein unangreifbares Vergabeverfahren durchgeführt werden oder man delegiert im Gutscheinverfahren die letztliche Auswahl des Trägers an den „Kunden“, der sich für seine Wahl nicht rechtfertigen muss. Nach erfolgter „Kon-sumentenwahl“ findet der Konsument auch weniger Berechtigung, sich über das Ergebnis zu beklagen.

Sowohl gegenüber den Adressaten der Dienstleistungen als auch gegenüber der politischen Öffentlichkeit transformiert die Vermarktlichung das Risiko des „Staatsversagens“ – eine Verwaltung wählt den falschen Auftragnehmer oder gerät gar in den Verdacht, ihre Entscheidung aufgrund sachfremder Erwägungen getroffen zu haben – in das Risiko des „Marktversagens“: Wegen der Intranspa-renz des Weiterbildungsmarktes und der Natur von Bildung als Vertrauens- und Erfahrungsgut kann der im Besitz eines Gutscheins befindliche Kunde keine wirklich rationale Wahl treffen, aber Verwaltung und Politik sind nicht mehr in der Verantwortung. Wenn im Zuge eines Vergabeverfahrens ein Anbieter ausge-wählt wird, dessen Leistung enttäuscht, dann liegt es daran, dass sein schriftli-ches Angebot kein Unterschreiten der qualitativen Mindestkriterien erkennen ließ und dass qualitativ höherwertige Angebote entweder nicht vorlagen oder so teuer waren, dass sie bei der Anwendung der „Erweiterten Richtwertmethode“ (siehe Abschn. 7) außer Betracht blieben. Wenn es im Ergebnis zu einer subopti-malen Vergabeentscheidung kommt, dann ist das keine Fehlentscheidung öffent-licher Stellen, sondern es liegt an den Marktverhältnissen. In Dänemark waren Kommunalisierung, Privatisierung und Vermarktlichung Teil einer Strategie des Arbeitsministeriums, sich von der unmittelbaren Verantwortung für die Arbeits-marktpolitik zu entlasten. Und in Großbritannien hat die Regierung mit den Dienstleistern der zweiten Ebene, die überwiegend die Dienstleistung am „Kun-den“ erbringen, nichts unmittelbar zu tun.

Der Anspruch des New Public Management, dass durch die staatliche Inszenie-rung von Dienstleistungsmärkten ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis erreicht würde, d. h., dass der Steuerzahler mit möglichst wenig Einsatz möglichst viel „Sozialstaat“ erhält, lässt sich weder beweisen noch widerlegen. Ebenso wenig lässt sich beweisen, dass vor Einführung der Vermarktlichung qualitativ bessere Arbeitsmarktdienstleistungen erbracht wurden. Vorliegende Reformvorschläge

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von Interessenorganisationen der Träger (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. 2010, 2015) laufen auch gar nicht auf eine Abschaffung der Vergabe hin-aus und das dürfte nicht nur der realistischen Einschätzung geschuldet sein, dass die Forderung nach dem Ausstieg aus der Vergabe wenig Aussicht hätte, gehört zu werden. Vielmehr könnten auch die Anbieter am staatlich inszenierten Markt für Arbeitsmarktdienstleistungen eine Auftragsvergabe „nach Gutsherrenart“, d. h. durch Entscheidung der Geschäftsführungen von Arbeitsagenturen und Job-centern, heute nicht mehr als legitim empfinden. Die Vorstellungen von Legitimi-tät haben sich gewandelt und lassen sich nicht zurückdrehen; der staatlich nach strengen Regeln inszenierte „Markt“ genießt heute mehr Legitimität als die Weis-heit und Integrität einer Behördenleitung. Die Debatte konzentriert sich folglich auf eine Modifikation der Entscheidungsregeln. Deshalb gehen wir im folgenden Abschnitt noch einmal detailliert auf den bei wettbewerblicher Vergabe von der Bundesagentur für Arbeit angewendeten Entscheidungsalgorithmus ein.

7 Erweiterte Richtwertmethode: Fallstricke und Entwicklungsmöglichkeiten

Die Bundesagentur für Arbeit wendet bei ihren Vergabeentscheidungen eine Variante der „Erweiterten Richtwertmethode“ an. Dabei wird die Qualität der im Angebot beschriebenen Leistung nach einem differenzierten, je nach Art der Dienstleistung unterschiedlich strukturierten Kategoriensystem in zahlrei-chen Dimensionen mit jeweils 0–3 Punkten bewertet und unter Anwendung von Gewichtungsfaktoren eine Gesamtpunktezahl für „Qualität“ berechnet. Die erreichbare Gesamtpunktezahl kann also je nach Gegenstand unterschiedlich sein.

In den ersten beiden Entscheidungsschritten spielt Mindestqualität eine ent-scheidende Rolle: Angebote, die in bestimmten Schlüsseldimensionen („k.o.-Kriterien“) die Wertung „Null“ erhalten haben, werden vom weiteren Verfahren ebenso ausgeschlossen wie Angebote, die weniger als 85 % der Punktezahl errei-chen, die sich bei durchgängiger Bewertung mit „2“ ergeben würde. In Abb. 3 ist letzteres durch die waagerecht gepunktete Linie dargestellt: Die Ange-bote A und B kommen in diesem fiktiven Beispiel nicht zum Zuge, weil sie die 85 %-Schwelle einer durchgängigen Bewertung mit „2“ nicht erreichen.23

23In unserer grafischen Veranschaulichung in Abb. 3 wurde von Gewichtungsfaktoren abs-trahiert und davon ausgegangen, dass bei einer durchgängigen Bewertung der Qualität mit „2“ insgesamt 100 Punkte erreicht werden. Dann ist die 85 %-Schwelle unmittelbar ables-bar und die maximal erreichbare Gesamtpunktezahl beträgt 150.

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Für die verbleibenden Angebote wird der Quotient aus Qualitätspunkten und Preis gebildet. In Abb. 3 sind die Angebote als Wertepaare von Qualität und Preis im Diagramm repräsentiert. Diese Darstellung macht deutlich, dass die populäre Forderung nach einer höheren Gewichtung der Qualität im Vergleich zum Preis an der relativen Positionierung der Angebote im zweidimensionalen Raum nichts ändern würde: Man würde die Achsen lediglich strecken oder stauchen. Deshalb wurde in der Abbildung auf die Darstellung einer Skalierung bei der Preisachse verzichtet.

Das Angebot mit dem günstigsten Leistungs-Preis-Verhältnis definiert das wei-tere Verfahren. Bei der Darstellungsform in Abb. 3 wird das günstigste Leistungs-Preis-Verhältnis durch die Gerade mit der höchsten Steigung repräsentiert, die durch den Nullpunkt und den Preis-Leistungs-Punkt eines Angebots geht. In unse-rem Beispiel ist dieses das Angebot F; ohne Anwendung der 85- Prozent-Mindest-schwelle von Qualität, die das Angebot B ausschließt, würde dieses Angebot – das billigste und qualitativ zweitschlechteste – das Verfahren dominieren.

Die Gerade, die durch das Angebot des „Verfahrensführers“ F geht, definiert einen Korridor, in dem andere Angebote den Zuschlag bekommen können. Bei der grundsätzlichen Gestaltung des Verfahrens waren an dieser Stelle zwei Optio-nen zu entscheiden: Wie breit soll der Korridor sein? Die Bundesagentur definiert

0

10

20

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Mindestqualität

Wertungskorridor

Leistungs-Preisverhältnisdes Korridorführers

Abb. 3 Erweiterte Richtwertmethode. (Quelle: Eigene Darstellung nach Ferber 2015)

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ihn mit 10 %, was üblich ist (vgl. Ferber 2015, S. 222), aber keineswegs zwin-gend. Die andere Frage ist, was innerhalb dieses Korridors den Ausschlag geben soll: Die Qualität oder der Preis? Die Bundesagentur hat sich für die Qualität entschieden, was bei Anwendung der Erweiterten Richtwertmethode keineswegs selbstverständlich ist.24

Den Zuschlag erhält dasjenige Angebot, das im Wertungskorridor liegt und mehr Qualitätspunkte erhalten hat als das Angebot, das den Wertungskor-ridor definiert – sofern es ein solches weiteres Angebot im Korridor überhaupt gibt, sonst gewinnt der Korridorführer. In unserem Beispielfall in Abb. 3 erhält Angebot G den Zuschlag: Es liegt im Wertungskorridor und wurde besser einge-schätzt als F. Das ist ein für die Qualität relativ günstiges Ergebnis: Zwar gibt es noch das qualitativ etwas bessere Angebot H, das jedoch aufgrund seines Prei-ses außerhalb des Korridors liegt; aber mit G gewinnt das qualitativ zweitbeste Angebot, obwohl es erheblich teurer ist als das Angebot F. Das Beispiel macht aber auch deutlich, wie bei den unterlegenen Bietern der Eindruck entsteht, dass Preis über Qualität dominiert: G gewinnt gegenüber H aufgrund des geringeren Preises, obwohl H bessere Qualität verspricht. Solange Preis überhaupt eine Rolle spielt, wird eine solche Konstellation immer auftreten können. Eine Vergabeent-scheidung ohne Berücksichtigung des Preises ist aber nicht zulässig und die For-derung, dass höhere Angebotsqualität sich zu jedem beliebigen Preis durchsetzen müsse, dürfte auch kaum legitimierbar sein.

Das Beispiel in Abb. 3 macht aber auch die Fallstricke der Erweiterten Richt-wertmethode deutlich: Wenn es das Angebot G nicht gäbe, würde F den Zuschlag erhalten, ein Angebot, das nur knapp ein qualitatives Mindestniveau erreicht. Das Gleiche wäre der Fall, wenn man eine Preisobergrenze definiert hätte (was zuläs-sig und üblich ist), die eine Berücksichtigung von G ausschließt. In einer solchen Konstellation, bei der Mindestqualität den Zuschlag erhält, würde ein privater Auf-traggeber, der Wert auf Qualität legt, wahrscheinlich seinen Wertungsalgorithmus modifizieren, falls ein solcher überhaupt im Vorhinein streng formalisiert wurde: Man würde die Preisobergrenze verschieben oder den Wertungskorridor erweitern, um statt F entweder G oder – wenn es das Angebot G nicht gäbe – H den Zuschlag geben zu können. Ein öffentlicher Auftraggeber darf jedoch eine solche nachträg-liche Anpassung der Entscheidungskriterien an die Angebotslage nicht vorneh-men. Er muss seine Wertungskriterien und seinen Entscheidungsalgorithmus vorab

24Wenn innerhalb des Korridors der Preis den Ausschlag geben würde, müsste der gestri-chelte Korridor oberhalb statt unterhalb der Geraden gezogen werden.

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festlegen und veröffentlichen und er muss daher ggf. eine offensichtlich subopti-male Vergabeentscheidung treffen.

Vor diesem Hintergrund wäre es geboten und legitim, die Forderung nach einer stärkeren Gewichtung von Qualität dahin gehend zu übersetzen, dass die Bundesagentur für Arbeit den Wertungskorridor von derzeit 10 % auf 15 oder 20 % erweitert. Dadurch würden die Chancen qualitativ höherwertiger Angebote vergrößert, sich durchzusetzen. Gleichwohl ist, wie Abb. 3 veranschaulicht, auch bei einem erweiterten Korridor immer die Konstellation denkbar, dass ein quali-tativ schwaches Angebot den Zuschlag erhält, weil ein qualitativ besseres nicht vorliegt oder aufgrund seines Preises gerade eben außerhalb des Wertungskorri-dors liegt.

Ebenso wenig lässt sich das Problem grundsätzlich lösen, dass im Vergabever-fahren Preiswettbewerb eine Rolle spielt und dass Preisverfall die produzierbare Qualität nach unten drücken und in Widerspruch zu der im Angebot beschrie-benen bringen kann. Zwar realisiert in unserem Beispiel der Anbieter G einen beträchtlichen Mehrpreis gegenüber dem Korridorführer F, aber bei der Kalkula-tion seines Angebots kann G diese Konstellation ja nicht vorhersehen und kennt daher seinen Spielraum nicht. Er muss immer befürchten, sich aus dem Rennen zu kalkulieren, und wird daher seine Versprechungen bezüglich besonderer Inno-vationen oder Extraleistungen auf das beschränken, was einen guten Eindruck macht, aber wenig kostet.

Da Preise und beurteilte Qualität unterschiedliche Skalenniveaus aufweisen, kann es grundsätzlich kein formalisiertes Verfahren geben, das zwischen diesen beiden Parametern optimiert.25 Deshalb wird bei Standardprodukten die Qualität vorgegeben und es entscheidet der Preis. Bei nicht standardisierbaren Dienstleis-tungen könnte man diese Logik umdrehen: Man gibt das Budget vor und es erhält den Zuschlag, wer für diesen Preis das beste Angebot abgibt. Natürlich bleibt die im Einzelfall vorgenommene Bewertung umstritten, aber es kann hier nicht zu unplausiblen Entscheidungen aufgrund der Konstellation der Angebote kom-men. Es kann aber sein, dass keines der Angebote die Erwartungen erfüllt, weil der vorgegebene Preis zu niedrig war. Und natürlich würde nun die Preisvorgabe zum Politikum: Unnötig viel „Luft“ für die Anbieter? Oder zu niedrig, um dafür überhaupt etwas Sinnvolles machen zu können? Es gibt keine Lösung, die alle zufrieden stellt und niemandem Angriffspunkte bietet.

25Vgl. Ferber (2015, S. 142): Von den Methoden, die überhaupt die Qualität berücksich-tigen, werden nur die Einfache und die Erweiterte Richtwertmethode als generell nutzbar empfohlen.

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8 Ausblick

Seit Einführung der Vermarktlichung wird in Deutschland um die konkreten Ver-fahrensweisen und Entscheidungskriterien gerungen. Dabei geht es um die Ver-teidigung von Qualität und Professionalität gegen die Zwänge des inszenierten Marktes, aber natürlich auch um die betrieblichen Interessen der Träger und die beruflichen Perspektiven ihrer Beschäftigten. Erreichte Teilveränderungen wie die Möglichkeit der verstärkten Berücksichtigung von Erfahrungen der Vergangen-heit bei den Zuschlagskriterien (Novelle der Vergabeverordnung im Jahre 2013) sind durchaus zweischneidig, weil neu auftretende Anbieter mit „weißer Weste“ kommen und nicht deswegen diskriminiert werden dürfen, weil noch keine Erfah-rungen mit ihnen vorliegen.

Wie in Abschn. 7 gezeigt wurde, kann es aus prinzipiellen Gründen kein for-malisiertes Verfahren geben, das nach einem ex ante exakt definierten Kalkül zu optimalen Entscheidungen zwischen Preis und Qualität führt. Der Einsatz von staatlich inszenierten Märkten zur Legitimationsbeschaffung für Verwaltungs-entscheidungen setzt aber den Einsatz eines solchen Algorithmus voraus und das Vergaberecht schreibt ihn für die wettbewerbliche Vergabe vor. Das EU-Verga-berecht sieht Alternativen wie das Verhandlungsverfahren vor, für das sich auch die Trägerverbände von Arbeitsmarktdienstleistungen für nicht abschließend beschreibbare Maßnahmen stark gemacht haben (Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit e. V. 2010, 2015). Im Verhandlungsverfahren muss letztlich doch wieder ein Verhandlungsführer – oder eine Verhandlungskommission – die Verantwor-tung für das Ergebnis übernehmen. Aus der Einschätzung, dass Vermarktlichung in ihren derzeitigen Formen wesentlich die Funktion hat, Legitimation durch Ver-fahren zu erzeugen bzw. Schuldzuweisungen an konkrete Akteure für „schlechte“ Ergebnisse zu vermeiden, könnte man die Forderung ableiten, dass Vergabeent-scheidungen wieder ein Gesicht bekommen müssen, begründungspflichtig sein sollen und diskutierbar gemacht werden müssen. Eine Garantie für die „optimale“ Entscheidung – falls man sich überhaupt auf einen Maßstab verständigen könnte, wie diese zu beurteilen sei – entsteht aber auch daraus nicht.

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376 M. Knuth

Über den Autor

Prof. Dr. Matthias Knuth Arbeitsschwerpunkte: Arbeits-marktstruktur und –dynamik, Arbeitsmarktpolitik und die Umgestaltung des Altersübergangs

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377

Millionenmarkt Qualitätsmanagement als Kontext einer „anderen“ Professionalisierung?

Bernd Käpplinger, Eva-Christine Kubsch und Martin Reuter

ZusammenfassungDie Mehrzahl der deutschen Weiterbildungseinrichtungen verfügt über min-destens eine und oft sogar mehrere Qualitätszertifizierungen. Eine Vielzahl an öffentlichen Förderprogrammen erfordert dies. Welchen Einfluss nimmt diese starke Verbreitung von Zertifizierungen und dadurch veränderte organisati-onale Prozesse auf die Professionalisierung des heterogenen Weiterbildungs-personals? Auf Grundlage einer eigenen empirischen Studie, die den Zugang über Selbsteinschätzungen von QM-Anbietern einerseits und einen Vergleich von Qualitätsmanagementsystemen (QMs) hinsichtlich der Berücksichtigung der Kategorie „Personal und dessen Entwicklung“ andererseits wählt, geht der Artikel dieser Frage nach. Darüber gelingt eine Schätzung der jährlichen Kosten für QM-Zertifizierungen. Allein eine sehr konservative Berechnung ermittelt einen Millionenmarkt. Darüber hinaus zeigt sich, dass QMs interne Formen der Fortbildung begünstigen und es stellt sich die Frage, inwiefern diese zur Professionalisierung beitragen. Zwei Alternativstrategien werden aufgezeigt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_17

B. Käpplinger (*) · M. Reuter Professur für Weiterbildung, FB03/Institut für Erziehungswissenschaft, Justus-Liebig-Universität Giessen, Karl-Glöckner-Str. 21 B, 35394 Giessen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. Reuter E-Mail: [email protected]

E.-C. Kubsch Bereich Human Resources: Abteilung für Berufungsangelegenheiten, Goethe-Universität Frankfurt, Theodor-W.-Adorno-Platz 1, 60323, Frankfurt am Main, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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378 B. Käpplinger et al.

1 Einführung

Qualitätsmanagement und -entwicklung sind aus der Weiterbildungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Viele öffentliche Förderprogramme verlangen von Weiterbildungsanbietern mindestens eine Qualitätszertifizierung. Gemäß dem wbmonitor von 2010 (Ambos et al. o. J., S. 3) haben rund 80 % aller Weiterbil-dungseinrichtungen in Deutschland mindestens ein Qualitätsmanagementzertifi-kat. Fast drei Viertel haben sogar zwei oder mehr verschiedene Anerkennungen. Ein Viertel von ihnen verfügt über mindestens vier Anerkennungen. Schmidt-Hertha (2011, S. 164) postuliert, dass die „Qualitätsentwicklung zweifelsfrei als ein wesentlicher Motor der Professionalisierung“ einzuschätzen sei und „Qualitätsmanagement erhöht somit die Anforderungen an diejenigen, deren Professionalität es weiterzuentwickeln versucht.“ Er prognostiziert, dass in den Qualitätsagenturen und Akkreditierungsverbänden eine neue Profession entsteht, die angesichts der in allen Bildungsbereichen nachvollziehbaren Konjunktur von QMs weiter wachsen dürfte. Der Qualitätsdiskurs hat – politisch nachdrücklich gewollt und gefördert – in den letzten Jahrzehnten eine zentrale Rolle bei der Steuerung des Weiterbildungsbereichs gespielt (vgl. Hartz 2011, S. 22 ff.; Klieme und Tippelt 2008). Leitende Annahmen waren:

• aus der Wirtschaft entlehnte Qualitätssysteme und Neuentwicklungen sind auf die Weiterbildung übertragbar,

• organisationale und pädagogische Prozesse und Ergebnisse werden dadurch effizienter und effektiver,

• staatliche Förderentscheidungen können mit der Existenz von Qualitätsma-nagementsystemen besser begründet werden und

• Lernende sowie nachfragende Unternehmen erhalten durch Qualitätssiegel eine Entscheidungshilfe auf dem intransparenten Weiterbildungsmarkt, um bei der Kurs- oder Anbieterwahl gute von schlechten Weiterbildungsanbietern unterscheiden zu können.

Weitere Unterscheidungen werden im Diskurs wie folgt aufgemacht: „Grund-sätzlich kann man eine inhaltliche, eine professionstheoretische, eine ökonomi-sche und eine ordnungspolitische Orientierung in den Auseinandersetzungen unterscheiden“ (Hartz und Meisel 2006, S. 7 f.). Letztlich sind die verschiede-nen Motive für die QMs eng miteinander verwoben und ordnungspolitische Ent-scheidungen sind inhaltlich, ökonomisch und professionstheoretisch folgenreich. Forneck und Wrana (2005) haben darauf hingewiesen, wie komplex sich die neue Steuerungsform auswirkt und dass sie die professionelle Autonomie in organisati-onalen Kontexten herausfordert (vgl. Forneck und Wrana 2005, S. 172).

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379Millionenmarkt Qualitätsmanagement als Kontext …

Trotz dieser Konjunktur des Qualitätsdiskurses und der Vielzahl an kritischen und zustimmenden Positionen dazu gab es lange nur wenige empirische Analy-sen zu dem Qualitätsboom. Insbesondere in den letzten Jahren wurden einige Stu-dien vorgelegt (vgl. Bosche 2007; Bender und Zech 2007; Behrmann 2008; Hartz et al. 2008; Klieme und Tippelt 2008; Stiftung Warentest 2008; Hartz 2011; Töp-per 2012; Aust et al. 2014). Kritischere, synoptische Diskussionen der Befunde sowie Sekundäranalyen liegen international und national vor (vgl. Egetenmeyer und Käpplinger 2011; Käpplinger 2017).

Das Weiterbildungspersonal umfasst in einer Hochrechnung ca. 700.000 Beschäftigte (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 151) und es ist eine enorm heterogene Gruppe. Das Personal unterscheidet sich wesentlich, z. B. hinsichtlich des Vertragsverhältnisses (angestellt oder freiberuflich), des berufli-chen Status (haupt-, nebenberuflich oder ehrenamtlich), des Aufgabenspektrums (z. B. Programmplanung, Leitung, Verwaltung oder Lehre) sowie der Qualifika-tion (pädagogisch oder fachwissenschaftlich). Als eine Optimierungsstrategie mit Blick auf das Weiterbildungspersonal werden Professionalisierung und Professi-onalität diskutiert und verfolgt (z. B. Gieseke 2010, Nittel 2000). Professionali-sierung beschreibt den Prozess, eine selbstständige Profession herauszubilden nach den klassischen Mustern. Professionalität meint, den Status quo nehmend, eher wissen- und auch kompetenzbasiertes Handeln in bestimmten Situationen und Kontexten.

Wenngleich bei den Professionsmerkmalen, ihrer Anzahl und Ausprägungen kein kompletter Konsens besteht, lassen sich Kernkriterien identifizieren: Eine gemeinsame (wissenschaftliche) Wissensbasis, relative Handlungsautonomie, Handlungs-/Ethikkodexe, Anerkennung/Status am Arbeitsplatz oder Zugehörig-keit zu Berufsverbänden. Die Differenz zwischen Organisation und Profession ist wichtig, sodass Qualitätsentwicklung und Professionalisierung nicht zusammen-gefasst bzw. vermengt werden sollten (vgl. Egetenmeyer und Käpplinger 2011). Komplementaritäten und wechselseitig positive Einflüsse bleiben vielmehr zu prüfen: „Qualitätssicherung kann zu einem institutionsbezogenen Instrument von Professionalität werden, muss sich aber dabei in Zukunft des Bürokratisierungs-verdachts erwähren“ (Gieseke 2010). Professionalität ist kein einmal zu errei-chender und festzuschreibender Zustand, sondern eine situative Kompetenz von Personen, die sich immer wieder neu als berufliche Leistung im Wandel bewäh-ren und weiterentwickelt werden muss (vgl. Tietgens 1988). Dies sollte nicht allein erfahrungsbasiert erfolgen, sondern bedarf der laufenden Rezeption von neuem Wissen und Erkenntnissen, die nicht nur aus dem begrenzten beruflichen oder orga-nisationalen Kontext stammen. Erfahrungen sind handlungsförderlich, aber auch begrenzend, da sie sich z. T. nur auf zufalls- und willküranfällige Alltagstheorien

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stützen können, die oft ihren Ursprung in organisationalen Traditionen und Rou-tinen haben, die kaum noch oder nicht mehr hinterfragt und ihre Angemessenheit geprüft werden. Fortbildungen sind für die Professionalisierung – gerade nach dem Berufseinstieg – wichtig. Letzterer ist in der Weiterbildung oft von Quer-einstiegen ohne oder mit geringen pädagogischen Vorkenntnissen geprägt, sodass erwachsenenpädagogische Fortbildungen umso wichtiger sind. Von diesem profes-sionstheoretischen Verständnis ist unser Forschungszugang informiert.

Im folgenden Artikel wollen wir uns auf Basis einer empirischen Eigenmittel-studie mit dem ganzen Zertifizierungsmarkt1 befassen und die Frage sondieren, welche Auswirkungen die Qualitätszertifizierungen für die Professionalisierung des Weiterbildungspersonals haben. Wir verfolgen die Hypothese, dass die Qua-litätsentwicklung Einfluss auf die Professionalisierung hat. Dabei reflektieren wir kritisch-rationaler, ob „Qualitätsentwicklung zweifelsfrei als ein Motor der Pro-fessionalisierung in verschiedenen pädagogischen Handlungsfeldern bezeichnet werden kann“ (Schmidt-Hertha 2011, S. 164). Dieser Artikel von Schmidt-Hertha liefert leider keine umfassenden Belege für diese vollmundige Aussage. Wir sehen die Einflüsse dagegen nicht so eindeutig positiv und gehen vielmehr von einem komplexeren Wirkungsverhältnis aus, das gerade nicht „zweifelsfrei“ ist, d. h. dass Qualitätsentwicklung nicht generell Professionalisierung befördert und ggf. auch kontraproduktiv sein kann, was im Folgenden empirisch geprüft werden soll.

2 Befragung von QM-Anbietern

2.1 Methodisches Vorgehen

QM-Anbieter wurden durch uns per Selbstauskunft schriftlich befragt, was die jeweiligen QM-Zertifizierungen bei ihnen kosten und wie viele Zertifizierungen an Weiterbildungseinrichtungen vergeben wurden. Damit wollten wir über eine Schätzung ermitteln, wie groß der Zertifizierungsmarkt jährlich mindestens ist

1Mit dem ganzen Zertifizierungsmarkt ist gemeint, dass alle zentralen Anbieter oder Zerti-fizierer berücksichtigt werden. In der Weiterbildungsforschung ist LQW (Lernerorientierte Qualitätsentwicklung – LQW) sehr gut erforscht bzw. eher überforscht, während zu ande-ren Zertifizierungsverfahren wie z. B. ISO oder EFQM vergleichsweise wenige Befunde vorliegen. Dies ist u. a. dem Umstand geschuldet, dass der Aufbau von LQW über Modell-projekte und wissenschaftliche Begleitungen öffentlich unterstützt war.

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und welcher Umfang an Ressourcen vonseiten der Weiterbildungseinrichtungen hierfür mindestens aufgewendet werden muss. Zudem haben wir die QM-Anbie-ter nach ihrer Einschätzung befragt, wie die Weiterbildungseinrichtungen die Zer-tifizierungskosten refinanzieren.

Der Selbstauskunftsbogen enthielt die Anzahl der ausgestellten Zertifikate für 2015, differenziert nach Erst-, Rezertifizierungen und verschiedenen Kostengrup-pen2, die Gesamtzahl der ausgestellten Zertifikate, die Gültigkeitsdauer derselben, Kosten für die Erst- und Rezertifizierung und eine Einschätzung zu den zusätzli-chen Beratungs- und/oder Fortbildungskosten. Wir haben nur direkte Kosten, d. h. Gebühren u. Ä. erfragt. Indirekte Kosten wie die investierte Arbeitszeit zur Ein-führung von Qualitätsmanagementprozessen haben wir nicht erhoben, da dies von Externen unseres Erachtens nicht verlässlich geschätzt werden kann. Trotzdem ist mündlichen Erfahrungsberichten aus Weiterbildungseinrichtungen folgend von hohen zusätzlichen indirekten Kosten auszugehen, da dies von der Vorbereitung der Zertifizierungen über das Schreiben der Qualitätsberichte, der Organisation von Begehungen bis hin zu abschließenden Audits arbeitszeitintensiv ist. Es wäre interessant, auch dieses Zeitvolumen einmal für eine Kosten-Nutzen-Bilanz zu den Zertifizierungen hochzurechnen, was jedoch den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde.3

Die Eingrenzung auf Weiterbildungsorganisationen, die bei den branchenüber-greifenden Zertifizierern zum Tragen kam, wurde definitorisch an den wbmonitor angelehnt: „Darunter verstehen wir alle institutionalisierten oder betrieblich ver-fassten Weiterbildungsanbieter/-dienstleister, die Weiterbildung als Haupt- oder Nebenaufgabe regelmäßig oder wiederkehrend offen zugänglich anbieten. Das umfasst alle organisierten Bildungsangebote, die sich an ausgebildete oder erfah-rene Erwachsene richten“ (BIBB 2016, o. S.).

Im Anschluss an die Untersuchung „Qualitätsmanagementsysteme in der Wei-terbildung“ (vgl. Stiftung Warentest 2015) wurden die zentralen elf Zertifikatsan-bieter zunächst per E-Mail und telefonisch kontaktiert. Diese waren:

2Kostengruppen beziehen sich z. B. auf gestaffelte Kosten je nach Einrichtungsgröße.3Im Bildungssystem haben insgesamt die organisationale Anerkennungs-, Evaluierungs-, Zertifizierungs- und Akkreditierungspraxen sehr zugenommen, die vom Bildungsperso-nal oft in der normalen Arbeitszeit erledigt werden müssen. Wir kennen keine Hochrech-nung, welche die Personalkosten dafür hochgerechnet hätte. Korrespondiert der Nutzen mit diesen vermutlich sehr hohen Kosten? Welche pädagogischen Arbeiten im engeren Sinne mussten z. B. aufgrund des Schreibens an Qualitätsberichten oder einer Begehung vernach-lässigt werden?

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• ArtSet – Lernorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung (LQW),• Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben mit dem QVB-Branchenmodell,• Dachverband der Weiterbildungsorganisation – Geprüfte und ausgezeichnete

Fach-Qualität in der Weiterbildung (DVWO),• Deutsche Institut für Normung – DIN EN ISO 9001,• Deutsche Institut für Normung – DIN ISO 29990,• European Foundation for Quality Management – mit dem EFQM-Excellence-

Modell,• Gütesiegelverbund Weiterbildung mit dem Qualitätsmanagement-System nach

Gütesiegelverbund,• Qualität in Bildung und Beratung mit QESplus,• Qualitätsgemeinschaft Berufliche Bildung -Mitglied der Qualitätsgemein-

schaft (Weiterbildung Köln),• Geprüfte Weiterbildungseinrichtung (Weiterbildung Hamburg) und• Geprüfte Weiterbildungseinrichtung (Weiterbildung Hessen).4

Herausfordernd war dabei, dass Herausgeber des Zertifikats bzw. der Norm und Zertifizierungsstellen nicht unbedingt identisch sind. Besonders bedeutsam ist dies bei der ISO-Normenreihe, da es hier keine übergeordnete Instanz gibt, die einen Gesamtüberblick über die ausgestellten Zertifikate besitzt.5 Entsprechend mussten die diversen Zertifizierungsstellen für ISO 9001 und ISO 29990 über die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) als die nationale Akkreditie-rungsstelle der Bundesrepublik Deutschland recherchiert werden. Dies ergab 70 akkreditierte Stellen6, die nach ISO 9001 im Scope 37 (Erziehung und Unter-richt) zertifizieren und zehn Stellen, die nach ISO 29990 zertifizieren, wobei neun davon auch ISO 9001 zertifizieren. In der Summe wurden somit 71 ISO-Zertifi-zierer angefragt. Diejenigen Stellen, die nicht von der DAkkS akkreditiert sind wurden nicht berücksichtigt7. Neben ISO kam das Phänomen der Ausgliederung

4Damit wurden die genuinen QM-Systeme berücksichtigt. Ausgeschlossen blieben die AZAV Zertifizierungen, die zwar das Vorhandensein eines QM-Systems beinhalten, selbst aber kein explizites QM darstellen, obwohl es mittlerweile vom BAMF als QM-Zertifikat für die Kursträgerzulassung anerkannt wird (vgl. BAMF 2014).5Das gilt auch für QESplus, deren Marktanteil deutlich geringer ausfällt als bei ISO (vgl. Ambos et al. o. J.).6Stand 06.05.2016.7Der Grund für die nicht Berücksichtigung ist, dass unserer Recherche nach keine Über-sicht über alle Zertifizierungsstellen in Deutschland existiert.

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an unterschiedliche Zertifizierungsstellen auch bei Qualität in Bildung und Bera-tung – QESplus zum Tragen. Hier konnten vier Zertifizierungsstellen recherchiert werden. Als ein Teilergebnis unserer Recherchen kann festgehalten werden, dass der Zertifizierungsmarkt selbst unübersichtlich ist, was z. T. an der marktförmi-gen Verfasstheit liegen dürfte.

Insgesamt wurden 83 Fragebögen im ersten Halbjahr 2016 verschickt. Dar-aufhin kam es nach einem wiederholten Anschreiben der Zertifizierer und der Verlängerung des Befragungszeitraums zu 27 Rückmeldungen (Rücklaufquote: 33 %). Von diesen konnten 13 verwertet werden. Gründe für die nicht-Verwert-barkeit sind: Keine aktuelle Kundschaft aus dem Weiterbildungssektor, keine Daten aufgeschlüsselt nach Weiterbildungseinrichtungen verfügbar, keine Kos-tenübersicht verfügbar oder kein Teilnahmewunsch an der Befragung. Wir möch-ten uns an dieser Stelle herzlich für die Auskunftsbereitschaft der Antwortenden bedanken.

2.2 Erstes Hauptergebnis: Es gibt einen Millionenmarkt für die QM-Zertifizierungen

Die Auswertung der Fragebögen hat ergeben, dass rund 3,2 Mio. EUR von Weiterbildungseinrichtungen für Qualitätsmanagementsysteme in Deutsch-land allein für das Jahr 2015 ausgegeben wurden (unsere exakte Kalkulation: 3.166.715,70 EUR). Dabei handelt es sich um eine sehr konservative, vorsichtige Kalkulation auf gesicherter Basis. Insgesamt wurden 861 durchgeführte Zertifi-zierungen in 2015 berücksichtigt, wovon 320 von den branchenspezifischen und 541 Zertifizierungen von den branchenübergreifenden Zertifizierern durchge-führt wurden. Der Mittelwert der Zertifizierungskosten liegt damit bei 3678 EUR, wobei dieser mit Vorsicht zu interpretieren ist, da die Spanne je nach Modell, Organisationsgröße, Gültigkeitsdauer des Zertifikats (ein bis vier Jahre) ext-rem differiert.8 Es war uns methodisch wichtig, einen realistischen Mindestwert und keine vage Schätzung vorzunehmen. Zwei Drittel der befragten Zertifizie-rer haben uns trotz mehrfacher Erinnerung nicht geantwortet und wir haben aus methodischen Gründen nur die direkten Kosten und nicht die indirekten Kosten

8Ein weiterer Aspekt ist, dass bei angegeben Mittelwerten seitens der Zertifizierer auch die jährlich stattfindenden Überwachungsaudits inbegriffen sind. Auch kann durch die angege-benen Mittelwerte keine verlässliche Spanne der Zertifizierungskosten angegeben werden kann.

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erhoben. Die Erfassung von Erst- und Rezertifizierungen in 2015 mit den jeweils damit verbundenen Kosten (differenziert nach Kostengruppen, vgl. Fußnote 1) ermöglichte eine relativ genaue Umsatzschätzung. Konnte diese Differenzierung seitens der Zertifizierer nicht geleistet werden, wurde ein Mittelwert von ihnen erbeten. Tatsächlich ist der QM-Markt sicherlich deutlich größer zu schätzen, als der hier zugrunde liegende (kleinere) Teil, auf dem die Umsatzschätzung beruht. Außerdem wurden die zusätzlich aufzuwendenden Beratungskosten nicht berück-sichtigt. Laut den Einschätzungen der Zertifizierer liegen diese bei Erstzertifizie-rungen im Durchschnitt bei ca. 2000 bis 3000 EUR und bei Rezertifizierungen „deutlich geringer“ zwischen „weniger bis nichts“ (Zitate aus der Befragung) und 1000 EUR. Zu verweisen ist auch auf die Verbandsarbeit und Mitgliedschaften bei den branchenspezifischen Anbietern, mit denen auch „interne“ Angebote und Unterstützungsleistungen verbunden sind, was die Kosten schwer separat kalku-lierbar macht. Trotz des geschätzten geringeren Beratungsbedarfs bei den Rezer-tifizierungen ist auch hier ein durchaus stattlicher Markt vorhanden, der noch einmal zusätzlich im Millionenbereich liegen dürfte. Der vorsichtig errechnete Gesamtumsatz (in 2015) im Bereich von Weiterbildungsorganisationen beträgt somit mindestens ca. 3,2 Mio. EUR. Davon setzten die branchen-/weiterbil-dungsspezifischen Zertifizierer knapp 1 Mio. EUR und die branchenübergreifen-den entsprechend gut 2,2 Mio. EUR um. Es kann somit trotz unserer konservativ durchgeführten Schätzung ein Millionenmarkt sicher belegt werden. Bei einer Hochrechnung und unter Berücksichtigung weiterer Kosten (Beratung, indirekte Kosten u. a. durch Arbeitszeitkosten, etc.) liegt die Größe des Marktes gemessen am Umsatzvolumen der Zertifizierer jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit jähr-lich deutlich im zweistelligen Millionenbereich. „QM-Systeme aufzubauen erfor-dert zusätzliche Arbeit und kostet Geld!“ (KAW 2001, S. 1), so ein Bericht nach der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen auf Basis des Bremer Weiter-bildungsgesetzes. Auch Hartz (2011) kommt in ihrer Analyse zur Akzeptanz und Wirkung von LQW zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte der 52 Einrichtungen, die das Testierungsverfahren vorzeitig abgebrochen haben, diesen Abbruch „mit dem nicht aufzubringenden finanziellen, personellen und zeitlichen Aufwand“ (Hartz 2011, S. 208) begründet haben. Insofern spricht einiges dafür, dass wir mit unserer zuverlässigen, aber konservativ-vorsichtigen Schätzung die Spitze eines Eisbergs an direkten und indirekten Kosten ermittelt haben.

Auffällig war beim Rücklauf, dass die Zertifizierer der ISO-Norm (9001) trotz ihrer unterrepräsentierten Teilnahme an unserer Befragung in finanzieller Pers-pektive jedoch über die quantitativ größeren Marktanteile verfügen. Wird dies mit

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385Millionenmarkt Qualitätsmanagement als Kontext …

der wissenschaftlichen Auseinandersetzung verglichen, so ist dagegen eine Unter-erforschung von ISO u. a. zu konstatieren, da sich die meisten (vertiefenden) Arbeiten mit den weiterbildungsspezifischen QM-Modellen, primär dem nahezu übererforschten LQW, auseinandersetzen (exemplarisch Hartz 2011). Dies ist u. a. dem Umstand geschuldet, dass LQW durch seine Genese öffentlich bzw. für die Forschung leichter zugänglich ist als rein privatwirtschaftliche QM-Modelle. Ähnliches konnten wir bei der Auskunftsbereitschaft in unserer Befragung fest-stellen.

Es gibt leider keine Schätzungen oder gar verlässliche Zahlen, was Weiterbil-dungseinrichtungen jährlich für die Fortbildung ihres eigenen Personals ausge-ben. Befragungen haben allerdings ermittelt, „dass ständige Weiterqualifizierung eine nicht unbedingt leichthin zu realisierende Voraussetzung für das Personal in der Weiterbildung selbst ist, unterstreichen weitere Aussagen der Anbieter, wonach vielfach Kompetenzentwicklungsbedarfe des Personals besondere Her-ausforderungen für die Einrichtungen darstellen“ (Ambos 2009, S. 5). Ambos verweist zudem auf die „Finanznöte“ von vielen Weiterbildungseinrichtungen zwischen Einsparungen bei vielen Kostenträgern, höheren Qualitätsanforderun-gen, allgemein steigenden Kosten sowie steigenden Personalkosten. Vor diesem Hintergrund könnten die zusätzlichen Aufwendungen einerseits für Zertifizie-rungen zu einer Reduzierung der einrichtungsinternen Fortbildungsetats führen. Andererseits könnten die Zertifizierungen, wie von Schmidt-Hertha angenom-men, ein Motor für Fortbildungen sein, da eine definierte Personalentwicklung von den Qualitätszertifizierern explizit in Qualitätsrichtlinien verlangt wird. Um dem nachzugehen, haben wir in unserer Befragung der QM-Anbieter einen zwei-ten Themenkomplex erfragt. Tab. 1 enthält zusammenfassend einen Überblick über die von uns erfassten und nicht-erfassten Kosten.

Tab. 1 Durchschnittlichen Ausgaben der WB-Anbieter für Qualitätszertifizierung. (Eigene Darstellung, eigene Datenerhebung)

Direkte Zertifizierungskosten (pro Anbieter) 3678 EUR(errechneter Mittelwert, s. o.)

Beratungsbedarf (pro Anbieter) 2000 bis 3000 EUR(mittlere Spanne, bezogen auf Erstzertifi-zierungen, von Zertifizierern geschätzt)

Indirekte Kosten (Arbeitszeit zum Schreiben der Qualitätsberichte, Schulungen für Qua-litätsbeauftragte, interne Qualitätszirkel, etc.)

Nicht erhoben

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2.3 Zweites Hauptergebnis: Refinanzierung von QM-Kosten beeinflusst das Verhältnis von internen zu externen Fortbildungen9

Es wird nun die Frage diskutiert, wie Weiterbildungsorganisationen QM-Systeme – ggf. über öffentlich geförderte Modellprojekte hinaus – refinanzieren bzw. welche Auswirkungen der zusätzliche Kostenposten mit sich bringt. Die Relevanz dieser Frage leitet sich aus den Befunden des wbmonitors ab, wonach „hohe Kosten und bürokratische Verfahren“ die häufigsten Gründe sind, auf Anerkennungen gänzlich zu verzichten (vgl. Ambos et al. o. J., S. 4)10. Dies betrifft zwar gegenwärtig nur (noch) eine Minderheit von 15 % aller Weiterbildungsanbieter11, es ist aber davon auszugehen, dass der Finanzierungsaspekt auch bei vielen anderen, bereits zertifi-zierten Einrichtungen eine bedeutsame Rolle einnimmt.

Die deutlichste Einschätzung der befragten Zertifizierer bezieht sich auf den „Ausbau interner, kostengünstigerer Fortbildungen“ (1), gefolgt von „mehr Umsatz“ (2). Der Aspekt der „Reduzierung anderer Kostenposten“ (3) findet in der Tendenz Zustimmung, wohingegen die Aspekte der „Reduzierung externer Fortbildungskosten“ (6) und des „Wegfalls von Einrichtungen ohne Qualitäts-managementsystem“ (7) und als zumeist eher nicht zutreffend bewertet werden. Uneindeutig fallen die Aspekte zu „höheren Gebühren“ (4) und der „öffentlichen Förderungen/Zuschüsse“ (5) aus. Die achte, offene Antwortmöglichkeit mit der Möglichkeit weitere relevante Aspekte anzuführen, wurde von keinem Zertifi-zierer genutzt, was bedeuten könnte, dass unsere angeführten Antwortoptionen inhaltlich alles Wesentliche erschöpfend abbilden (Abb. 1).

Die sehr häufige Nennung des Ausbaus kostengünstigerer interner Fortbildung scheint das Argument zu bestärken, dass Qualitätszertifizierungen ein Motor für Professionalisierung sind. Zumindest wenn man Professionalisierung mit

9Im Fragebogen wurden interne und externe Fortbildungskosten folgendermaßen erfasst:„Wie finanzieren die Weiterbildungseinrichtungen die QM-Zertifizierungskosten?

Durch:- einen Ausbau interner, kostengünstigerer Fortbildungen für das Personal (QM-Zirkel,

etc.), [und]- die Reduzierung externer Fortbildungskosten des eigenen Personals (weniger Reise-

kosten, Personalausfallkosten und Teilnahmegebühren)“.Antwortmöglichkeiten: trifft voll zu, eher, eher nicht, nicht.

10Zur Ausdifferenzierung der Gründe siehe wbmonitor 2010.11Bezugspunkt im wbmonitor sind Anerkennungen (wie bspw. nach der AZWV, dem WB-Gesetz etc., vgl. Ambos et al. o. J. S. 1), die häufig ein QMs voraussetzen. Durch den engen Zusammenhang erscheint es uns legitim, den Finanzierungsaspekt auf QMs zu übertragen.

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Fortbildungsbemühungen allgemein gleichsetzt. Unsere Frage zu den externen Fortbildungsbemühungen wurde aus methodischen Gründen anders gepolt abge-fragt. Immerhin ein Drittel der Befragten sieht eine Reduzierung der externen Fortbildungskosten. Im Verhältnis zueinander profitieren somit durch die Quali-tätszertifizierungen deutlich die internen gegenüber den externen Fortbildungen. Dies ist schlüssig, da viele dieser Zertifizierungen organisatorisch mit internen Qualitätszirkeln verbunden sind, was den Trend zur internen Fortbildung – allen-falls unterstützt durch externe Mediatoren oder Supervisoren – zusätzlich verstär-ken dürfte.

Ansonsten werden durch die Antworten z. T. so erwartbare Nutzenprogno-sen der Anbieter berichtet. Die Einrichtungen würden durch die Zertifizierungen mehr Umsatz erzielen. Wie dies in einem in den letzten Jahren stagnierenden bis nur leicht wachsenden Weiterbildungsmarkt, in dem rund 80 % aller Weiterbil-dungseinrichtungen in Deutschland mindestens ein Qualitätsmanagementzertifi-kat haben (Ambos et al. o. J., S. 3), möglich sein soll, kann man kritisch dahin

0123456789

10

höhere GebührenAusbau interner,kostengüns�gerer

Fortb.

mehr Umsatz durchmehr

Angebote/mehr TN

Reduzierunganderer

Kostenposten

öffentl. Förderungen/

Zuschüsse

Reduzierung ext.Fortbildungskosten

Wegfall von WB-Ein-

richtungen ohneQM

Anzahl QMAnbieter

Einschätzung, wie Weiterbildungseinrichtungendie Zerfizierungskosten für QM-Systeme

finanzieren

Tri� voll zu Tri� eher zu Tri� eher nicht zu Tri� nicht zu

Abb. 1 Einschätzung, wie Weiterbildungseinrichtungen die Zertifizierungskosten für QM-Systeme finanzieren. (Eigene Abbildung, eigene Datenerhebung [Aufgrund von Auslassun-gen kam es zu unterschiedlichen Fallzahlen. n (v. l. n. r.): 12, 11, 13, 12, 13, 12, 13. Trotz der geringen Fallzahl ist zu beachten, dass die einzelnen befragten Zertifizierer auf Basis unserer Erhebung z. T. bis zu 442 Zertifizierungen pro Jahr durchführen. Insofern sind die einzelnen Angaben sehr gewichtig])

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gehend hinterfragen, ob dies eine typische Legitimation der Zertifizierer ist oder wirklich empirische Realität? Eine Art „Marktbereinigung“, d. h. der Wegfall von Anbietern ohne QM aus dem Weiterbildungsmarkt, wird jedenfalls von den Zerti-fizierern deutlich verneint. Interessant wäre noch näher zu wissen, welche „ande-ren Kostenposten“ reduziert werden können, um die Zertifizierungen zu bezahlen. Infrastruktur- oder Werbungskosten scheinen in einem umkämpften Markt mit wachsenden Qualitätsansprüchen der Lernenden und Kunden jedenfalls kaum reduzierbar. So sehen die Befragten kaum Möglichkeiten, höhere Gebühren zu verlangen. Vielleicht meint dies eine Reduzierung bei den Personalkosten. Jeder zweite Zertifizierer sieht noch Re-Finanzierungschancen über „öffentliche Förde-rungen und Zuschüsse“, was ggf. die steuerliche Anrechnung der Zertifizierungs-kosten als Betriebsausgaben meint.

Insgesamt kann empirisch das Argument – Qualitätszertifizierungen seien ein Motor für die Professionalisierung – nicht vollständig widerlegt werden. Folgt man empirisch den erfragten Einschätzungen fast aller Zertifizierer, steigt die absolute Bedeutung von internen Fortbildungen und dies auch relativ im Ver-hältnis zu externen Fortbildungen. Von einer Reduzierung der externen Fortbil-dungen berichtet zumindest ein Drittel der Befragten. Damit lässt sich festhalten, dass sich durch die Qualitätszertifizierungen die Gewichte zwischen internen und externen Fortbildungen verschieben. Professionalisierung mit seinen Kernkri-terien folgt dem Bezug auf Externes (wissenschaftliches Wissen, Ethikkodexe, Berufsverbände, etc.). Die Profession ist ein Stück weit ein Schutz vor organi-sationalen Zumutungen und macht die Idee der professionellen Handlungsauto-nomie stark. Qualitätszertifizierungen sind dagegen stark organisational bezogen und so ist es nur schlüssig, dass interne Fortbildungen wie Qualitätszirkel an Bedeutung gewinnen. Die Herausforderung oder Forschungsfrage ist dabei, inwiefern hier Lernanreize und Wissen von innen heraus entstehen und wie diese bearbeitet werden. Besteht nicht die Gefahr, dass interne Fortbildungen primär erfahrungsorientiert erfolgen, was im Extremfall zugespitzt nicht zur professio-neller und situativer Handlungsautonomie, sondern organisationalem Autismus führen könnte? Können Qualitätsauditoren als eine Art externe Professionelle Anreize geben, dass dies nicht stattfindet? Hier besteht Forschungsbedarf über die genauen Wirkungen von internen, erfahrungsorientierten Fortbildungen für die Professionalisierung des Personals. Zweifel hinsichtlich der Güte bzw. als Pro-fessionalisierungsbeitrag erscheinen angebracht. Profitieren alle Personalgruppen in der Weiterbildung gleichermaßen durch interne Fortbildungen? Käpplinger (2017) zeigt durch Sekundäranalysen auf, dass eher Verwaltungs- und Leitungs-kräfte sowie Qualitätsbeauftragte durch die QMs gestärkt werden, während pla-nendes und lehrendes Personal oft wenig beteiligt werden bzw. Einschränkungen

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durch Standardisierungen erfahren. Auch dies sollte zu bedenken geben und genauer differenzieren lassen, inwiefern QMs allein Professionalisierungsmoto-ren sind, sondern die Professionalisierung mancher Personalgruppen nicht eher behindern.

2.4 Drittes Ergebnis: Offener Raum für organisationsspezifische Auslegungen von Professionalisierung

Um herauszufinden, ob die elf bereits genannten QM-Systeme vom Grundkon-zept und der dahinter liegenden Zielsetzung her zur Professionalisierung des Wei-terbildungspersonals beitragen, wurden diese Systeme abschließend genauer in den Blick genommen. Die im Internet frei verfügbaren Informationen wie Selbst-beschreibungen der Qualitätsmanagementsysteme, Qualitätsmanagement-Leitfä-den und Qualitäts-Kriterienkataloge wurden verglichen.

Dabei wurden erste Schritte einer Dokumentenanalyse durchgeführt, bei der das Material die Funktion eines „Bedeutungsträgers“ einnimmt (Hoffmann 2012). Die Dokumentenanalyse orientiert sich am interpretativen Paradigma und wurde in diesem Kontext mit Rückgriff auf Mayrings inhaltsanalytisches Vorgehen (2008) für eine erste Orientierung im Material herangezogen.

Ordnende Kriterien waren die Kategorie „Personal“ (explizite Thematisierung sowie Differenzierung nach Personalgruppen in Bezug auf Weiterqualifizierung), die Kategorie „Fortbildung/Personalentwicklungsmaßnahmen“ und die Kategorie „Sicherstellung der Personalentwicklung durch QM-Systeme“.

Nachfolgend werden Trends beschrieben, die sich durch diesen Vergleich gezeigt haben. Dabei wird nicht expliziert, welche Zertifizierungsstelle bestimmte Qualitätskriterien abdeckt oder nicht abdeckt, sondern das analytische Gesamt-bild betrachtet. Übergeordnetes Ziel war, die QMs aus Sicht der Professionalisie-rung dahin gehend zu prüfen, ob sie zur „Logik der Professionalisierung“ einen Beitrag leisten oder wie es sich darstellen müsste, wenn die QMs Professionali-sierung umfassender in den Blick nähmen.

Die Sichtung der elf Qualitätsmanagementsysteme zeigt, dass fast alle QM-Systeme einen eigenen Qualitätsbereich für das jeweilige „Personal“ vorsehen. Zwischen verschiedenen Personalgruppen und Professionen wird jedoch kaum differenziert. Die Qualitätsbereiche beinhalten Kriterien wie aufgabenbezogene Qualifikations- und Kompetenzanforderungen für die hauptberuflichen und in der Regel auch nebenberuflichen Mitarbeiter/-innen, welche regelmäßig zu über-prüfen und bei Bedarf zu überarbeiten sind. Den Kriterien kommt vor allem bei

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der Personalgewinnung eine tragende Rolle zu, da durch diese der Zugang zu den jeweiligen Tätigkeitsbereichen geregelt werden soll. Es ist außerdem fest-zustellen, dass Fortbildungen/Personalentwicklungsmaßnahmen bei zehn von elf der betrachteten Qualitätsmanagementsysteme thematisch verankert sind und damit von Einrichtungen, die ein entsprechendes Zertifikat des QMs anstreben, zu dokumentieren und kontinuierlich weiterzuentwickeln sind. Das lässt zunächst den Schluss zu, dass durch diese Verankerung von Fortbildungen bzw. durch die Auflage zur Weiterentwicklung der Kompetenzen der Mitarbeitenden die Teil-nahme an solchen Maßnahmen durch das Personal angeregt wird und somit auch zur Professionalisierung des Personals beiträgt.

Jedoch ist diese Schlussfolgerung zu hinterfragen. Bei den elf QMs gibt es Unterschiede auf der Ebene der inhaltlichen Differenzierung der beschriebenen Qualitätskriterien, die sich auf den Personalbereich und dessen Weiterqualifizie-rung erstrecken. Dabei wird in der Regel unterschieden (auch wenn nicht genau ausgeführt), was unter dem Kriterium „Kompetenzentwicklung/Weiterentwick-lung von Mitarbeitenden“ zu verstehen ist bzw. woran sich eine adäquate Fort-bildungsplanung auf Basis der jeweiligen Bedarfslage bemisst, um letztlich die Professionalität des pädagogischen Handelns und übergeordnet die Professiona-lität der Leistung der Weiterbildungseinrichtung zu sichern. Qualitätskriterien sind in QM-Systemen abstrakt gefasst und „Richtlinien zur Qualitätsentwick-lung so allgemein [… formuliert], dass sie mehr oder weniger unabhängig von Wirtschaftszweig, kommerzieller Ausrichtung und Art des hergestellten Pro-dukts bzw. der angebotenen Dienstleistung Gültigkeit beanspruchen können“ (Schmidt-Hertha 2011, S. 154). Demnach liegt es in der Logik der Sache, dass individuelle und professionelle Bedarfslagen zur Entwicklung von Kompetenzen der Mitarbeitenden eben nur organisatorisch festgestellt werden können. Dabei bleiben große, organisatorische Interpretationsspielräume hinsichtlich des Inhalts der Fortbildungsmaßnahmen für das Personal, der Art (intern, extern, allein, mit anderen, etc.) und des Umfangs (lang, kurz, einmalig, aufeinander aufbauend, mit oder ohne Leistungsnachweis, systematisch oder nicht didaktisiert, etc.) beste-hen. Auch regelt zwar ein Großteil der QMs die Art der Nachweiserbringung von Fortbildungsteilnahmen der Mitarbeitenden, aber auch hier bleibt zu fragen, was genau diese Nachweise denn wirklich qualitativ genau nachweisen sollen. Oder ob es allein um die primär quantitative Sammlung von Nachweisen geht.

Einige QMs erfordern eine systematische Fortbildungsplanung seitens der Einrichtung für alle Beschäftigungsgruppen und nutzen Tools wie „Entwick-lungsvereinbarungen“, durch die vom jeweiligen Mitarbeitenden zu entwickelnde Fähigkeiten festgehalten (Zielformulierung); die Maßnahme dokumentiert, die dieses Ziel ermöglicht; der Zeitpunkt, bis wann das Ergebnis erreicht sein soll,

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und Indikatoren, die für das erreichte Ergebnis stehen, ersichtlich werden. Damit könnte angenommen werden, dass die Anlage der so vorgehenden QM-Systeme dem Einzelfall Rechnung trägt. Fragt man aber, inwiefern hier systematisch Stan-dards einer Profession greifen, wird es unklar. Tätigkeitsbeschreibungen und zu erfüllende Anforderungen durch das Personal werden in der Zertifizierungspraxis nicht durch die Profession, sondern von den jeweiligen Weiterbildungseinrich-tungen bzw. der Leitung oder Qualitätsbeauftragten vorgenommen. Auch hier ist die Frage zu stellen, welche Logik damit bedient wird und ob hier in der Zerti-fizierungspraxis im Sinne „der Profession“ oder „der Organisation“ agiert wird. Unterschiedliche Handlungslogiken hinsichtlich des Verständnisses und der davon abhängigen Möglichkeit Qualität sicherzustellen, lassen sich aber auch bei einer Differenzierung von Ebenen (Organisations- und Interaktionsebene) iden-tifizieren, wie sie von Hartz in Rückgriff auf Kuper (2002) und Luhmann (1997) vorgeschlagen wird. Dabei geht es auf der Ebene der Interaktion vorrangig um das Handeln in der konkreten Anforderungssituation, während die Organisations-ebene den Rahmen stellt, in dem dieses Handeln vor- und nachbereitet werden kann, aber auch stattfindet. Die Verbindung zur Diskussion über QM-Systeme und Professionalisierung lässt sich darüber herstellen, dass QM-Systeme nach Hartz (2004) Handlungslinien der Organisationsebene folgen, die auf Standardi-sierung von Prozessen und planvoller Fehlerverhütung abzielen. Professionalität hingegen, als die auf Qualität zielende Größe im situativen, klientenorientierten Handeln folgt der Handlungslogik der Interaktionsebene, wenngleich kontextuell eingebunden. Während Kennzeichen einer Profession unter anderem also darin bestehen, eine hohe Autonomie in der Berufsausübung zu haben und Arbeitsbe-dingungen selbst kontrollieren zu können, wirkt ein QM-System genau diesen beiden Faktoren über Standardisierungsabsichten entgegen, die bis hin zu einer Bürokratisierung reichen können (vgl. Gieseke 2010). Beide Handlungslogiken (Interaktions- und Organisationsebene) stehen demnach in einem diametralen Verhältnis zueinander und beeinflussen sich wechselseitig. Diesem Widerspruch bzw. dieser Komplementarität ist die Diskussion um Professionalisierung und Qualitätsmanagement unterworfen (vgl. Egetenmeyer und Käpplinger 2011). Nimmt man dagegen an, QM-Systeme fungierten nur „zweifelsfrei“ als fördern-des Instrument der Professionalisierung (vgl. Schmidt-Hertha 2011), müsste sich der dargestellte Widerspruch der Handlungsebenen in der Konzeption der QM-Systeme niederschlagen. Auffällig ist dagegen aber, dass ein expliziter – auch theoretischer Bezug – zwischen Qualitätsmanagement und Professionalisierung des Weiterbildungspersonals nur bei einem einzigen Qualitätsmanagementsystem hergestellt wird. Daraus lässt sich ableiten, dass diese Komplementarität in der Regel bei der Realisierung von QM-Systemen nicht systematisch reflektiert wird,

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sondern Professionalisierung lediglich als ein Unterpunkt von QM begriffen wird. Damit ist eine Ignoranz der Ebenenlogiken und deren wechselseitige Abhängig-keit erkennbar, da in den QM-Systemen eine Nichtthematisierung von Professio-nalisierung und Professionalität vorherrscht.

Kritisch zu hinterfragen bleibt zudem, inwiefern Fortbildungsstatistiken für das QM-„Papier“ und damit für den Zertifikatserhalt lediglich „bedient“ werden, indem sie über „Inhouse-Schulungen“ nur intern nachgewiesen werden. Mögli-cherweise trägt es nicht direkt zur Professionalisierung bei, wenngleich es unter dem Label „Fortbildung“ verbucht wird.

Wie die Ausführungen gezeigt haben, bleiben bei der Ausgestaltung der durch QM geforderten Fortbildungen des Personals (Inhalte und Umfang) viele Spiel-räume für die Organisationen bzw. Leitungen. Für welche Ziele diese Spielräume genutzt werden, ist empirisch bislang unklar. Ein Ziel kann, wie bereits angedeu-tet, darin bestehen, dass ein Minimum an Aufwand betrieben wird, um formal die Anforderungen für eine Erst-Zertifizierung oder Rezertifizierung zu erfüllen. Der Nachweis interner Fortbildung erscheint relativ einfach und kostengünstig(er) im Vergleich zu externen Fortbildungen. Externe Fortbildungen für das Personal könnten relativ und vielleicht auch in absoluten Zahlen an Bedeutung verlieren. Damit schließt sich die Frage an, worin der tatsächliche Beitrag der QMs für die Professionalisierung des Personals besteht – jenseits der Zählung von Teilnah-mefällen an Fortbildungsmaßnahmen (Fortbildungsstatistik und -planung). Die inhaltliche Füllung des Qualitätsbereichs Personal und inwiefern dies Professi-onalisierung wirklich befördert, bleibt ungewiss. Insofern erscheint es mehr als gewagt, eine zweifelsfrei positive Wirkung von Qualitätsentwicklung auf Profes-sionalisierung zu konstatieren. Trotzdem ist es anregend, die Zusammenhänge zwischen Professionalisierung und QM zu thematisieren und wichtig, den Blick auf die Rolle der Qualitätsauditoren/Berater zu richten (vgl. Schmidt-Hertha 2011).

3 Fazit: Umfangreiche und aufwendige Qualitätsentwicklungen beeinflussen die Professionalisierung – Zwei weiterführende Strategien

Insgesamt kommen wir empirisch zu dem Hauptergebnis, dass QM-Systeme tendenziell eine andere Art der Mitarbeiterfortbildung befördern. Es sind vor allem die internen Fortbildungen, die von den QM-Systemen profitieren.

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Externe Fortbildungen verlieren dagegen relativ und vielleicht auch absolut an Bedeutung. Dies alles kann man als eine „andere Art von Professionalisie-rung“ interpretieren. Aus dem Blickwinkel klassischer Professionstheorien ist dies problematisch, da externe- gegenüber organisationsinternen Regelungen an Bedeutung verlieren. Professionalisierung braucht aber den Bezug auf externe Referenzgrößen wie Berufsverbände oder wissenschaftliches Wissen. Die Pro-fession soll ein Schutz vor den Zumutungen der Organisation und Tyranneien der Erfahrungen und der organisationalen Regeln bieten. Diese Wirkung der Einführung von QMs im Kontext von Professionalisierung wurden unseres Erachtens bislang wenig thematisiert.

Eine Strategie könnte sein, die QMs und ihren Umgang mit Professionalisie-rung kritischer und systematischer als bisher zu prüfen. Inwiefern und um wel-che Aspekte sind Qualitätskriterien von QM-Systemen für die Weiterbildung zu verändern, um die Kluft zwischen den Anforderungen an eine Professionalisie-rung und der bisherigen QM-Logik auf Organisationsebene zu verringern? Theo-retisch müsste ein QM, das zur Professionalisierung der Mitarbeitenden beitragen möchte, jeweils erforderliches Fachwissen des Bereichs und des jeweiligen Tätig-keitsbereichs einzelner Mitarbeiter identifizieren und prüfen (u. a. qualifikatori-sche Voraussetzung in Form theoretisch fundierter Aus- und Fortbildungsgänge für spezifische Tätigkeiten). Oder es müsste definieren, inwiefern und durch welche Maßnahmen dieses Fachwissen systematisch zu entwickeln ist. Dabei müsste dann auch das Weiterbildungspersonal hinsichtlich verschiedener Teil-gruppen (planend, beraten, lehrend) und der dafür notwendigen Qualifikationen differenziert werden. Stattdessen wird in vielen QMs pauschal von dem Personal gesprochen, was ignoriert, dass in einer Organisation oft verschiedene Berufe und Professionen versammelt sind. Des Weiteren wäre zu berücksichtigen, wie Frei-räume für professionelle Autonomie durch ein organisationales QM nicht bedroht werden. Gleichzeitig braucht es eine intelligente Genügsamkeit der QM-Systeme, der Auditoren und der Qualitätsbeauftragen an den Grenzen zur Profession. QMs müssen nicht alles im Detail regeln und standardisieren, sondern sollten Aufgaben in die Professionen hinein delegieren können bzw. dort belassen, um diese damit zudem zu stärken. So könnten z. B. vorhandene professionsethische Standards genutzt bzw. eingefordert werden, statt neue organisationsspezifische Regeln zu entwickeln.

Eine andere, vielleicht noch bessere Strategie wäre, dass nach rund zwei Dekaden öffentlicher Förderung von QMs nun der Professionalisierung von Politik, Praxis und Wissenschaft wieder deutlich mehr Aufmerksamkeit gewid-met wird. Vielleicht ist es zu gewagt, den „zum Stoppen gebrachten Prozess der

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Professionalisierung und nach 2000 trotz verbal steigender Ansprüche an WB sogar rückläufigen“ Prozess (Gieseke 2000) in eine antiproportionale Relation zum QM-Boom zu stellen. So oder so zeigt die Empirie (vgl. Hartz 2011), dass QMs den Kern pädagogischer, professioneller Arbeit viel zu wenig erreichen und zudem eher verwaltende/leitende Personalgruppen gegenüber den eigentlich pädagogisch planend, beratend oder lehrend Tätigen bevorteilen (vgl. Käpplin-ger 2017). Entsprechend sollte umgesteuert werden, was u. a. durch Projekte wie GRETA (www.die-bonn.de/greta) schon verfolgt wird, aber auch zu prüfen bleibt. Es bedarf unterschiedlicher Professionalisierungsstrategien für die verschiedenen Personalgruppen (haupt-/nebenberuflich) sowie Handlungsformen (planend, bera-tend, lehrend). Pauschalisierende und zugleich tendenziöse Globalaussagen zum Weiterbildungspersonal wie im Bildungsbericht (Autorengruppe 2016, S. 155) sind uninformiert, da es nicht die Weiterbildungstätigkeit gibt. Trialoge und Kooperationen zwischen Politik, Praxis und Wissenschaft sind auszubauen (vgl. Robak und Käpplinger 2015). Das betriebliche Weiterbildungspersonal ist zudem stärker als bisher in den Blick zu nehmen (Käpplinger und Lichte 2012), wenn-gleich die öffentliche Verantwortung und der öffentliche Bildungsauftrag priori-tär bleiben. Eine stärkere Eigenverantwortung der Wirtschaft für das betriebliche Weiterbildungspersonal ist anzuregen, aber es kann nicht Aufgabe öffentlicher Fördermittel sein, hier zu substituieren und Kernbereiche der Erwachsenenbil-dung weiter so zu vernachlässigen, wie es in den letzten Jahren in Bezug auf die Ländergesetze zu Weiterbildung z. T. zu beobachten war.

Die von Schmidt-Hertha (2011) formulierte These, dass Qualitätszertifizierer mittlerweile eine eigene Profession wären, erscheint doch arg überdehnt und ent-wertet indirekt auch den Professionsbegriff. Zwar besteht eine politisch gewollte große Marktbedeutung der QMs, aber es kann kaum behauptet werden, dass wis-senschaftliches Wissen und Ausbildung Grundlage für das Handeln dieser Markt-teilnehmer wäre. Eher eklektische Wissensbestände bestehen und ökonomische Interessen dominieren hier. Professionen werden aber nicht primär durch Märkte, sondern durch Disziplinen, empirisch erforschte und gesicherte Wissensbestände konstituiert, die öffentlich zugänglich sind. Nichtsdestotrotz ist im Fortbildungs-markt ein eigenes Segment für die Aus- und Fortbildung von Auditoren etc. ent-standen. Beratungsagenturen flankieren vorbereitend und begleitend Audits. Darüber hinaus sind sie diejenigen, welche die Spielräume der QM-Leitfäden interpretieren und den Unternehmen anpassen. Es wäre interessant zu untersu-chen, wie sich die Wissens-/Kompetenzentwicklung dieser Auditoren und Berater gestaltet, die bislang nicht einmal als verberuflicht bezeichnet werden können.

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Methodisch wäre interessant, unsere Analyse (Befragung der QM-Zertifizie-rer) mit einrichtungsbezogenen Erhebungen wie dem wbmonitor zu vergleichen. Dies würde ermöglichen, die Perspektive der Einrichtungen mit derjenigen der Zertifizierer prüfend zu kontrastieren. Dazu wäre es hilfreich, monetäre Eckda-ten der Einrichtungsetats zu erheben, die z. B. nach QM-Kosten, internen sowie externen Fortbildungskosten differenzieren. Ob man solche sensiblen Daten in der quantitativen Breite bekommen kann, bleibt jedoch fraglich. Ggf. müsste hier eher mit methodisch gut ausgewählten Fallbeispielen gearbeitet werden. Generell besteht ein Forschungsbedarf, um die Wirkungen der QMs auf die Professionali-sierung präzise einschätzen zu können. Wir hoffen hierzu einen kleinen Beitrag geleistet zu haben, der die Komplexität der Wirkungen andeutet.

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Über die Autoren

Prof. Dr. Bernd Käpplinger Arbeitsschwerpunkte: Betrieb-liche Weiterbildung, Programmforschung, Bildungsberatung, abschlussbezogene Weiterbildung sowie internationale Ver-gleichsforschung.

Dr. Eva-Christine Kubsch Arbeitsschwerpunkte: Hoch-schulforschung mit dem Schwerpunkt auf Wissenschaftli-chem Nachwuchs/Nachwuchsförderung, Lerntheorien mit besonderem Fokus auf Subjektwissenschaft, Adressaten-forschung in der Erwachsenen- und Weiterbildung.

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Martin Reuter Arbeitsschwerpunkte: Pädagogische Organisationsberatung, Struktur und Steuerung des Weiter-bildungssystems, Lehren und Lernen in der Erwachsenen-bildung, Weiterbildungsadressaten und -teilnehmende.

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Betriebliche und verbandliche Personalentwicklung bei unvollendeter Professionalisierung am Beispiel der Münchner Volkshochschule

Klaus Meisel und Regine Sgodda

ZusammenfassungDie Bedeutung der Personalentwicklung des haupt- und freiberuflichen Perso-nals wird in der Weiterbildung – wie in anderen Branchen auch – als entschei-dende Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit einer Organisation gesehen. Der Beitrag zeigt die derzeitigen Kontextbedingungen für Personalentwick-lungsmaßnahmen in der öffentlichen Weiterbildung auf und konkretisiert aus betrieblicher Sicht am Beispiel der Münchner Volkshochschule sowie auf ver-bandlicher und überregionaler Ebene Elemente einer systematischen Personal-entwicklung sowohl für hauptberuflich Beschäftigte als auch für freiberufliche Honorarkräfte in der Weiterbildung. Neben den institutionellen, monetären und gesellschaftlichen Anforderungen und Entwicklungen, die eine systematische Personalentwicklung begründen, werden auch die Mangelbedingungen sowie prekären Beschäftigungsverhältnisse, unter denen derzeit Personalentwicklung durchgeführt wird, thematisiert. Der Beitrag fordert eine kontinuierliche, plan-mäßige und überregionale Qualitätsentwicklung. Um dieser jedoch gerecht wer-den zu können, müssen auch gegenüber der Bildungspolitik die wesentlichen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_18

K. Meisel (*) Managementdirektion, Müncher Volkshochschule, Kellerstr. 6, 81667 München, DeutschlandE-Mail: [email protected]

R. Sgodda Referentin der Managementdirektion, Münchner Volkshochschule, Kellerstr. 6, 81667 München, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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Voraussetzungen für eine weitergehende Professionalisierung und Professiona-litätsentwicklung eingefordert werden.

1 Einleitung

Der aktuelle Bildungsbericht (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016) beschreibt treffend die Personalstruktur im Weiterbildungssektor, „(…) die sich wie in keinem anderen Bildungssektor durch eine Vielfalt der Beschäftigungsver-hältnisse, Arbeitsformen und professionelle Profile der Beschäftigten auszeich-net“ (ebd. 2016, S. 151). Für die Volkshochschulen wird festgestellt, dass 90 % des Personals als selbstständige Honorarkräfte arbeitet (ebd. 2016, S. 152). In einer Einkommensskala nimmt die öffentliche Weiterbildungseinrichtung Volks-hochschule das Schlusslicht ein, obwohl hier prozentual gesehen doppelt so viel Personal über einen pädagogischen bzw. erwachsenenpädagogischen Studienab-schluss verfügt als im wirtschaftsnahen und kommerziellen Bereich. Nüchtern hält die Autorengruppe fest:

Der Bereich wirkt trotz seiner hohen Akademikeranteile eher semiprofessio-nell, da ein Einheit stiftendes Professionalitätskriterium nicht erkennbar ist. In der Vergangenheit galten die unkonventionellen Erwerbsformen und Beschäfti-gungsverhältnisse als eine Bedingung für Flexibilität und Innovativität von Wei-terbildungsangeboten (…). Auf der anderen Seite steht die Frage nach einem professionellen Kern und einer professionellen Identität, die berufspolitisches Han-deln in diesem institutionell heterogenen wie auch wichtigen Bildungsbereich bün-deln könnte (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 155).

Geht man von kompetenztheoretisch ausgerichteten Professionalitätsmodellen aus, so zeigt ein Blick über die Veröffentlichungen zu Themen der Personal- und Professionalitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen (vgl. z. B. Pielorz 2009; Kraft et al. 2009; von Hippel und Tippelt 2009; Zech 2010), dass es qua-litative Aspekte des beruflichen Handelns sind, die zu einem gefestigten „pro-fessionellen Kern“ oder „einer professionellen Identität“ führen könnten. Die zunehmende Bedeutung der Fort- und Weiterbildung des haupt- und freiberufli-chen Personals wird – wie in anderen Branchen auch – als entscheidende Voraus-setzung für die Zukunftsfähigkeit der Organisation gesehen.

Im Folgenden werden zunächst anhand wesentlicher Kontextbedingungen Herausforderungen der Personalentwicklung in der öffentlichen Weiterbildung begründet (Abschn. 2), um anschließend Elemente einer systematischen Perso-nalentwicklung aus betrieblicher Sicht zu konkretisieren (Abschn. 3) sowie auf

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überregionaler bzw. verbandlicher Ebene zu erörtern (Abschn. 4). Beispielhaft wird das Personalentwicklungskonzept der Münchner Volkshochschule darge-stellt. Aufgrund der Größe der Einrichtung und der entsprechenden Ausstattung ist das Konzept sicherlich nicht ohne Abstriche auf andere öffentliche Einrich-tungen zu übertragen. Viele Einrichtungen haben gleichwohl vergleichbare stra-tegische Wege eingeschlagen. In einem Fazit wird zwar die Auffassung vertreten, dass die öffentliche Erwachsenenbildung nicht umhin kommen wird, auch unter Mangelbedingungen von innen heraus eine systematische Personalentwicklung zu betreiben. Um jedoch ihrem Anspruch einer kontinuierlichen Qualitätsent-wicklung gerecht zu werden, müssen sich die Volkshochschulen und insbesondere deren Verbände verstärkt der Herausforderung stellen, gegenüber der Bildungspo-litik die Voraussetzungen einzufordern, die für eine weitergehende Professionali-sierung und Professionalitätsentwicklung unabdingbar sind (Abschn. 5).

2 Zentrale Herausforderungen der Personalentwicklung

Die in der Einleitung angesprochenen Merkmale des öffentlichen Weiterbildungs-bereichs lassen sich mit einem genaueren Blick auf die Situation im öffentlichen Volkshochschulbereich erhärten. Folgende zentrale Kontextbedingungen und damit einhergehende Personalentwicklungsprobleme seien hervorgehoben (vgl. hierzu auch Meisel 2009):

Zunehmende Belastung: Wie die Daten der Volkshochschul-Statistik 2014 (Huntemann und Reichart 2015) zeigen, konnten die Volkshochschulen im letz-ten Jahrzehnt die Anzahl der Veranstaltungen, Belegungen und durchgeführten Unterrichtsstunden steigern, obwohl sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der hauptberuflich pädagogischen Mitarbeitenden vermindert hat, während das Ver-waltungspersonal nur eine leichte Steigerung aufweisen kann (Abb. 1).

Ein personalpolitisches Dilemma: Die steigende Nachfrage an Volkshoch-schulangeboten spiegelt sich nicht in der Anzahl der hauptberuflich tätigen Päd-agogen und Pädagoginnen wider. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Belastung des Personals anhält und sich spezifische Aufgaben der Fort- und Weiterbildung aufgrund inhaltlicher Anforderungen stellen. Sich ausdifferenzie-rende Lernbedürfnisse der Lernenden, ein ausgeweitetes Angebotsspektrum (z. B. Grundbildung und Alphabetisierung) und sich ausdifferenzierende Lernsettings (z. B. blended learning, neue Zeitorganisationsformen) sind ebenso wie auch sich erhöhende Managementanforderungen (Organisationsentwicklung, Budgetierung, Bildungsmarketing, Qualitätsmanagement etc.) zu nennen.

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402 K. Meisel und R. Sgodda

Strukturelle Unterfinanzierung: Verfolgt man die jährlich erscheinende Volkshochschul-Statistik langfristig, so lässt sich feststellen, dass in den letzten Jahren der Anteil des zeitlich befristeten hauptberuflichen Personals wieder ver-ringert werden konnte, was zuvorderst auf die abgesenkten arbeitsmarktpolitisch inspirierten Qualifizierungsmaßnahmen zurückzuführen ist. Insbesondere dritt-mittefinanzierte Qualifizierungsmaßnahmen haben an den Volkshochschulen zu einem hohen befristeten Stellenanteil geführt. Abb. 2 zeigt die Prozentanteile des (un-)befristeten Personals am Gesamtpersonalstamm im jeweiligen Jahr.

Diesem Trend entsprechend stellt die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016, S. 160) zu Recht fest, dass man nicht verallgemeinernd vom Vorhanden-sein eines Weiterbildungsprekariats sprechen kann. Auch der prozentual sehr hohe Anteil an freiberuflichen Honorarkräften legt das personalpolitische Problem der öffentlichen Erwachsenenbildung nur teilweise offen. Denn sicherlich zählt sich nicht jede Honorarkraft zum in den letzten Jahren oft beschriebenen Prekariat in der Weiterbildung (vgl. Dobischat et al. 2010; GEW o. J.), das gekennzeichnet ist durch ungesicherte Lebensverhältnisse, instabile Erwerbstätigkeit und fehlende soziale und berufliche Perspektiven. Denn sehr viele Dozentinnen und Dozenten üben ihre Lehrtätigkeit nebenberuflich trotz nicht gut bezahltem Nebenverdienst, aber mit Spaß an der pädagogischen Arbeit mit Erwachsenen aus. Dieter Nittel (2011) bestätigt in diesem Zusammenhang, dass eine Beschäftigungssituation, die von außen als prekär bewertet wird, von den Beschäftigten selbst nicht unbedingt in dieser negativen Konnotation wahrgenommen wird. Dennoch bestehen seit lan-gem und mit Bezugnahme auf bildungs-, arbeits- und sozialpolitische Kriterien

Abb. 1 Entwicklung des hauptberuflichen Personals (ohne Leitung) 2005 bis 2014. (Quelle: Sonderauswertung der DIE-Volkshochschulstatistik)

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zu Recht Forderungen des Deutschen Volkshochschul-Verbands nach einer der Ausbildung, der Tätigkeit und des Engagements angemessenen Honorierung des freiberuflichen Personals (vgl. DVV 2011, S. 21). Denn die niedrigen Honorare sind insbesondere gegenüber den freiberuflichen Dozentinnen und Dozenten, für die diese einen erheblichen Teil der Einkünfte ausmachen, kaum zu legitimieren. Dieser Teil der freiberuflichen Mitarbeitenden arbeitet häufig in unterrichtsstunden-intensiven Projekten zur Förderung bildungsbenachteiligter Zielgruppen. Über-spitzt formuliert werden in der Erwachsenenbildung sozialpolitisch begründete Förderprojekte für Bildungsbenachteiligte auf dem Rücken erheblich unterbe-zahlter Honorarkräfte realisiert. Eine Weiterqualifizierung für Kursleitungen, die an vielen Volkshochschulen sowie über die Verbände angeboten wird, hat in der Regel keinen Einfluss auf die Honorierung. Spannend wird es aus aktueller Sicht, weil der Staat eine professionsfördernde Intervention unternommen hat, indem er für die erheblich nachgefragten Integrationskurse für Migrantinnen und Migranten den Dozentinnen und Dozenten ein Mindesthonorar von 35,00 € pro Unterrichts-stunde ermöglicht hat. Die sich damit abzeichnende hohe Spreizung der Honorare zwischen dem Integrationskursbereich auf der einen Seite und den weiteren Ange-botsfeldern auf der anderen Seite offenbart aber nun das eigentliche Dilemma der strukturellen Unterfinanzierung der öffentlichen Weiterbildung insgesamt. Und: Die Spannungen werden in die Einzeleinrichtung per Dekret des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hineingetragen, aber nur rudimentär überinsti-tutionell diskutiert und behandelt.

Abb. 2 Entwicklung der unbefristeten und befristeten hauptberuflichen Stellen (ohne Leitung) 2005 bis 2014. (Quelle: Sonderauswertung der DIE-Volkshochschulstatistik)

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Generationswechsel: Will man die personalpolitischen Probleme der deut-schen Volkshochschulen insgesamt erfassen, sind weitere Entwicklungen mit zu berücksichtigen. Bei den Volkshochschulen handelt es sich um eine Bildungs-organisation, die alle Merkmale einer alternden Organisation erfüllt (vgl. Kade 2004; Schäffer 2015). Aufgrund des in den 1980er Jahren abrupt gestoppten Aus-baus der Erwachsenenbildung zur sogenannten vierten Säule des Bildungswesens (vgl. Deutscher Bildungsrat 1972) und der daraus resultierten starken Einschrän-kung der Mobilität in diesem spezifischen und kleinen Arbeitsmarktsegment, weist das hauptberuflich pädagogische Personal ein hohes durchschnittliches Alter auf. Die über mehrere Jahrzehnte individuell aufgeschichtete Planungskom-petenz geht den Einrichtungen derzeit innerhalb weniger Jahre verloren. Da es für neues pädagogisches Personal in der Erwachsenenbildung im Vergleich zu ande-ren pädagogischen Berufen (z. B. Erzieher, Lehrer) keine systematische, überins-titutionell vergleichbare Berufseinführung gibt, stehen die Volkshochschulen vor der Herausforderung, im Rahmen ihrer internen Personalentwicklung, quasi prä-ventiv, ein systematisches Übergangsmanagement einzuführen.

Beschäftigungsstruktur: Die hier nur grob skizzierten personalpolitischen Trends sind im Lichte weiterer signifikanter Merkmale der Personalsituation zu sehen. Es muss festgestellt werden, dass je prekärer die Beschäftigungssituation ist, desto höher ist der Anteil an Frauen (vgl. Huntemann und Reichart 2015, S. 2, 5). Bildungsorganisationen, die als Werthaltung „Diversity“ und in deren Ver-bänden entsprechende Ausschüsse vorhalten, können mit dieser Situation nicht zufrieden sein. Birgit Aschemann (2015, S. 2–3) hat das Phänomen treffend mit „Solidarität light unter hohem Ökonomisierungsdruck“ bezeichnet. „Es fragt sich, ob die Erwachsenenbildung so schlecht bezahlt wird, weil sie ‚weiblich‘ ist, oder sie angesichts der schlechten Bedingungen fast nur von Frauen angestrebt wird – oder ob einfach beide Faktoren einander fixieren bzw. verstärken“ (Asche-mann 2015). Strukturell ist darüber hinaus eine weitere Schwierigkeit angelegt, die auch bildungspolitisch von den Verbänden der Volkshochschulen mitbedacht werden muss: Zwar wird die flächendeckende Präsenz der Volkshochschulen als positives Merkmal der Bildung in öffentlicher Verantwortung in verbandlichen Selbstdarstellungen positiv hervorgehoben (vgl. DVV 2011, S. 17), gleichzeitig wird jedoch ignoriert, dass immer noch zahlreiche Volkshochschulen ehrenamt-lich geleitet werden oder von Verwaltungskräften „nebenher noch mitbetreut“ werden. Es gibt derzeit auch kaum eine verbandliche Thematisierung der voll-ständig unterschiedlichen Eingruppierung und Bezahlung des pädagogischen Personals. Werden diese in den großstädtischen Einrichtungen im Regelfall ana-log den Eingruppierungen von Lehrern beschäftigt, so werden sie in ländlichen Regionen trotz abgeschlossener akademischer Ausbildung und vergleichbarer

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inhaltlicher Arbeit und Verantwortung häufig nur wie gehobene Verwaltungs-kräfte bezahlt. Werden für hauptberuflich pädagogische Beschäftigte seitens der Verbände wenigstens noch Möglichkeiten zum bundesweiten oder landeswei-ten Fachaustausch geboten, so reduziert sich das Angebot für Verwaltungskräfte enorm. Obwohl auch diese über überinstitutionell vergleichbare Qualifikati-onsbündel wie die verwaltungsmäßige Begleitung der pädagogischen Planung, Anmeldung, Raumorganisation, Abwicklung der vertraglichen Aufgaben mit frei-beruflichen Kursleitungen etc. verfügen müssen, existiert weder eine systemati-sche Qualifizierung in diesen Arbeitsfeldern noch eine systematische Fortbildung, die die Tatsache berücksichtigt, dass diese Personalgruppe weitgehend ohne spe-zifische Qualifizierung durchaus auch im Feld der Programmplanung und Kun-denberatung eingesetzt wird (vgl. Dietsche 2015, S. 100–104).

Sichtbar wird insgesamt der Grundwiderspruch zwischen der allseits prokla-mierten wachsenden Bedeutung der Erwachsenenbildung in einem System des lebenslangen Lernens einerseits, und der aufgrund einer erheblichen Unterfinan-zierung der Erwachsenenbildung insbesondere für das freiberufliche Personal völ-lig unzulänglichen Arbeitsbedingungen andererseits sowie der Herausforderung, ohne systematische, überinstitutionelle Qualifikationsprofile neue Berufsein-steiger für die Volkshochschulen zu akquirieren (vgl. Schlögl und Gläser 2015). Zugespitzt formuliert: „Kann das denn sein, ist Professionalisierung trotz Preka-risierung möglich?“ (Aschemann 2015, S. 2–6). Wie eine systematische Personal-entwicklung trotz der herausfordernden Kontextbedingungen angegangen werden kann, wird im Folgenden auf betrieblicher Ebene skizziert.

3 Elemente einer systematischen betrieblichen Personalentwicklung für die öffentliche Erwachsenenbildung am Beispiel der Münchner Volkshochschule

In der Literatur sind sehr unterschiedliche Verständnisse von Personalentwick-lung vorfindbar. In diesem Beitrag wird hierunter die Qualifikations- und Kom-petenzvermittlung verstanden, die die qualitätsvolle Bewältigung der aktuellen und zukünftigen beruflichen Aufgaben ermöglicht sowie beruflich, persönlich und sozial förderlich ist. Personalentwicklung wird zudem als eine weitergehende, die Organisationsentwicklung begleitende Personalförderung verstanden, die betrieb-liche und persönliche Ziele berücksichtigt (vgl. z. B. Bröckermann 2009; Becker 2009).

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Bezogen auf die Volkshochschulen muss deren spezifische Personalstruktur berücksichtigt werden. Geht man von einem traditionellen, betriebswirtschaftlich geprägten Organisationsbegriff aus, der von einer vertraglich vereinbarten Zuge-hörigkeit ausgeht, gehört eigentlich nur das hauptberufliche Personal zur Organi-sation. Wir wissen aber selbstverständlich, dass es in erster Linie die Dozentinnen und Dozenten sind, die mit ihrem bildungspraktischen erwachsenenpädagogi-schen Engagement die Qualität der Einrichtungen gegenüber den Teilnehmenden vermitteln (vgl. Harmeier 2005; von Hippel und Tippelt 2009), sodass deren För-derung – sicherlich unter Berücksichtigung ihres rechtlichen Status als freiberuf-liche Honorarkräfte – bei der Konzeptionalisierung der Personalentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen verstärkt zu berücksichtigen ist.

Bezogen auf das hauptberufliche Personal in Weiterbildungseinrichtungen stellte Pielorz vor einigen Jahren nüchtern fest: „Bisher hat Personalentwicklung vorwiegend in Unternehmen ihren Stellenwert, in Weiterbildungseinrichtungen wird sie erst noch zu etablieren sein. (…) [D]ie wenigsten Weiterbildungsein-richtungen betreiben bisher Personalentwicklung – und zwar weder den Einsatz einzelner Maßnahmen noch eine systematische Personalentwicklung“ (Pielorz 2009, S. 11). Auch wenn man vor dem Hintergrund der Beteiligung an einem regelmäßigen und intensiven überregionalen Austausch mit zahlreichen Einrich-tungsvertretern diese skeptische Einschätzung für überzogen halten kann, muss ein konzeptioneller und praktischer Nachholbedarf festgestellt werden. Aus älte-ren Volkshochschul-Statistiken geht hervor, dass die deutschen Volkshochschu-len nur 0,2 % der Gesamtausgaben in die Personalentwicklung investieren (vgl. Volkshochschul-Statistik Arbeitsjahr 2009). In neueren Statistiken werden hierzu keine Angaben mehr gemacht. Von einer signifikanten Veränderung des Anteils kann jedoch nicht ausgegangen werden.

3.1 Personalentwicklung: hauptberufliches Personal

Die Münchner Volkshochschule (MVHS) arbeitet schon einige Jahre an einer sys-tematischen Personalentwicklung, ohne den Anspruch erheben zu wollen, ein fer-tiges und direkt übertragbares Konzept vorlegen zu können. Ausschlaggebend für das Vorantreiben einer systematischen Personalentwicklung, die also aus aufein-ander bezogenen und miteinander verbundenen Elementen besteht sowie planmä-ßig und zielorientiert erfolgt, waren folgende Begründungsfaktoren. Wie andere Weiterbildungsorganisationen auch steht die MVHS in einem dynamischen Ver-änderungsprozess mit zahlreichen Spannungsfeldern. Zu nennen sind

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• erstens die sich verändernden Bedingungen der öffentlichen Weiterbildung: der zunehmende Wirtschaftlichkeitsdruck, die sich verändernden Finanzie-rungsstrukturen mit einem höheren Anteil an privater und Projektfinanzierung, die sich verändernden Marktbedingungen, sich schneller verändernde Bedarfe und Bedürfnisse der Teilnehmenden, der Trend zur Kooperation in regionalen Netzwerken und eine fortschreitende Entgrenzung in den Übergangsbereichen zu anderen Bildungssektoren.

• zweitens die Altersstruktur der Belegschaft: ganze Berufskohorten mit ihrer jahrzehntelang angereicherten und geronnenen Berufskompetenz verlassen derzeit die Einrichtung.

• zum dritten verlangen ausdifferenzierende Lernsettings und medial unter-stützte Lernorganisationsformen (z. B. blended-learning), der Ausbau der Beratungsleistungen (z. B. Bildungsberatung, Lernberatung), die beabsichtigte erweiterte Weiterbildungsbeteiligung (zusätzliche Zielgruppen, Geflüchtete) und inhaltlich ausgerichtete Organisationsentwicklungsprozesse (z. B. inter-kulturelle Weiterentwicklung der Organisation) ein erweitertes Kompetenz-spektrum des Personals.

Die Anstrengungen einer verstärkten Förderung und Weiterbildung des Personals sind in die betrieblich – auch mit dem Betriebsrat – vereinbarten Grundlagen der Personalarbeit wie regelmäßige Mitarbeitergespräche eingebettet, in denen u. a. jährlich der Fortbildungsbedarf erhoben wird. Auf dieser Grundlage werden ein Fortbildungsplan für die innerbetriebliche Fortbildung sowie individuelle Förder-pläne für die einzelnen Beschäftigten entwickelt. Die Betriebsvereinbarung zur leistungsorientierten Bezahlung (LOB) konzentriert sich auf das Erreichen von Teamzielen, die aus den jährlichen mit dem öffentlichen Auftraggeber vereinbar-ten Organisationszielen abgeleitet werden. Im Rahmen des eingeführten betrieb-lichen Gesundheitsmanagements wird alle drei bis fünf Jahre eine anonymisierte Mitarbeiterbefragung durchgeführt, um u. a. Stressfaktoren und gesundheits-gefährdende Arbeitsbedingungen zu erfassen und geeignete Gegenstrategien zu entwickeln. In Gesundheitszirkeln werden die formulierten Stressfaktoren reflek-tiert und mögliche Konsequenzen für die eigene Arbeitsplanung und den organi-satorischen Support formuliert. Zur Förderung einer konstruktiven Konfliktkultur wurden auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung in der MVHS sogenannte „Fairnessbeauftragte“ fortgebildet, die unabhängig von Betriebsleitung und Betriebsrat Aufgaben einer präventiven Konfliktarbeit übernehmen. Um Mitarbei-tenden zu ermöglichen, Erfahrungen in anderen Berufswelten zu machen, sich um dringende Familienerfordernisse zu kümmern oder ganz einfach einmal „aufzu-tanken“, besteht an der MVHS die Möglichkeit, die im Tarifvertrag vorgesehenen

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Instrumente der Personalentwicklung wie Freistellungen auf Zeit und Sabbatzei-ten zu realisieren.

Zur Nachwuchsförderung wurde die Anzahl der Berufsausbildungsplätze im Verwaltungs- und IT-Bereich erhöht. Auszubildende werden gezielt auf den zukünftigen Bedarf hin ausgewählt: z. B. für den Programmbereich „Integration, Migration, Deutsch als Fremdsprache“ Auszubildende mit Sprachkompetenzen aus typischen Einwanderungsländern oder für den Programmbereich „Sprachen“ Auszubildende mit englischer Muttersprache. Im pädagogischen Bereich wurde gemeinsam mit der Ludwig-Maximilians-Universität ein systematisches Prakti-kumsprogramm für Studierende entwickelt und umgesetzt. Vor dem Hintergrund der Altersstruktur der pädagogischen Mitarbeitenden ist das Praktikumspro-gramm auch ein Nachwuchsförderungsprogramm:

• die MVHS definiert lernintensive Praktikumsaufgaben (z. B. Programmevalu-ationen, Marktforschungen, Innovationsentwicklungen),

• sie stellt sich im Rahmen einer universitären Veranstaltung vor,• interessierte Studierende werden zu einer Informationsveranstaltung in die

Volkshochschule eingeladen,• Studierende stellen sich in Programmbereichen vor,• Praktikumsvereinbarungen berücksichtigen die formalen Voraussetzungen der

Universität, die inhaltlichen Interessen der Studierenden und das betriebliche Interesse der MVHS,

• Themen für wissenschaftliche Qualifizierungsarbeiten können praxisnah bear-beitet werden.

Perspektivisch ist daran gedacht, ehemaligen Praktikanten mit abgeschlosse-ner wissenschaftlicher Ausbildung auch ein bezahltes „Volontariatsjahr“ in der MVHS anzubieten.

Da die MVHS im Gegensatz zu den meisten Weiterbildungsorganisationen über relativ viele Arbeitsplätze verfügt (2015: 385 Personen), bestehen für die Beschäftigten vielfältige Möglichkeiten für eine „job rotation“. Jährlich wech-seln etwa 10 % der Belegschaft intern auf einen anderen Arbeitsplatz.

Bei den vielfältigen Fortbildungsaktivitäten unterscheidet die MVHS drei Typen: Fortbildung in direktem betrieblichen Interesse (hier übernimmt die MVHS Kosten und Arbeitszeit), Fortbildung auch in betrieblichem Interesse und persönliche Fortbildung (diese Fortbildungstypen werden von der MVHS in unterschiedlicher Weise unterstützt).

Inhaltlich lässt sich das betriebliche Fortbildungsangebot in arbeitsplatz-, organisations-, professionsbezogene und persönliche Fortbildungen differenzieren (Abb. 3).

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Bei der arbeitsplatzbezogenen Fortbildung standen in der letzten Zeit The-men des Projektmanagements, Selbstmanagements, Führungsfortbildungen für Mitarbeitende mit Leitungsfunktion oder beispielsweise Arbeitsplatzorganisation und Zeitmanagement im Mittelpunkt. Im Rahmen des betrieblichen Gesund-heitsmanagements wird auch die Teilnahme an Angeboten einer präventiven Gesundheitsbildung gefördert (wie z. B. Gymnastik für Büroarbeitsplätze, Augengymnastik, Rückenschule). In den letzten zehn Jahren haben sich die Teilnahmen an einer innerbetrieblichen Fortbildung in der MVHS von 348 Tage (2006) auf 719 Tage im Jahr 2015 erhöht. Dementsprechend erhöht hat sich auch das Fortbildungsbudget.

Für neue Mitarbeitende führt die Geschäftsführung Einführungsveranstaltun-gen durch. Alle Mitarbeitenden erhalten zudem je nach Bedarf Schulungen und Auffrischungen zu den betriebsinternen EDV-Systemen. Ergänzend zur Einar-beitung „into the job“ werden neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von einem Mentor oder einer Mentorin beratend begleitet. Häufig handelt es sich dabei auch um „Generationen-Tandems“, mit der Möglichkeit, Erfahrungswissen und berufs-biografisch aufgebaute Kompetenzen weiter zu vermitteln.

Abb. 3 Elemente einer systematischen Personalentwicklung des hauptberuflichen Perso-nals. (eigene Darstellung)

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Umfassende Organisationsentwicklungsprozesse werden stets durch entspre-chende organisationsbezogene Qualifizierungsmaßnahmen flankiert. So wur-den beispielsweise schon vor Jahren im Zusammenhang mit der Einführung des EFQM-Qualitätsmanagements mehr als 20 EFQM-Assessoren ausgebildet. Qua-litätsmanagementsysteme wie EFQM, aber auch LQW oder die DIN EN ISO 9001 rücken zugleich die Qualifizierung der pädagogischen Planer, der Verwal-tungskräfte als auch der Kursleitungen „als eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige Bildungsangebote stärker in den Fokus“ (Schmidt-Hertha und Aust 2012, S. 38). So formuliert beispielsweise das sogenannte Befähigerkriterium 3b des EFQM-Modells als wesentliche Voraussetzung für eine exzellente Organisa-tion: „Das Wissen und die Fähigkeiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wer-den entwickelt.“ Im Rahmen der interkulturellen Weiterentwicklung der MVHS werden diesem Anspruch gemäß entsprechende interkulturelle Trainings angebo-ten, die Einführung einer neuen Verwaltungssoftware zieht nicht nur veränderte Prozessabläufe, sondern auch vielfältige Schulungen nach sich und eine Moderni-sierung des Webseitenauftritts geht mit der Notwendigkeit einher, die zuständige Abteilung, z. B. in Bezug auf Social Media-Anforderungen, fortzubilden.

Bei den professionsbezogenen Fortbildungen stehen bereichsdidaktische Fragen im Mittelpunkt. Erste Erfahrungen werden damit gesammelt, solche Veranstaltungen auch in Zusammenarbeit mit anderen großstädtischen Volks-hochschulen (München, Augsburg, Nürnberg) durchzuführen – wobei der über-regionale Erfahrungsaustausch von Konzepten, Problemen und Lösungswegen einen besonderen Nutzwert hat. Programm- und fachbereichsübergreifend führt die MVHS im Rahmen eines kommunal geförderten Organisationsentwicklungs-projektes mit dem Namen „Pädagogisches Netz“ systematisch mediendidaktische Schulungen durch, um neue Lernorganisationsformen auf der Grundlage erwei-terter didaktischer Kompetenzen auch qualitätsvoll einführen und umsetzen zu können. Speziell für die in zielgruppenbezogenen Bildungsprojekten arbeiten-den Sozialpädagogen und -pädagoginnen finden jährliche berufsfeldbezogene Fortbildungsinitiativen statt. Zur professionsbezogenen Fortbildung gehören des Weiteren sogenannte Reflexionstage für pädagogische Teams in Projekten und Teamsupervisionen.

Unregelmäßig findet ein sogenannter MVHS-Studientag statt, an dem ein die gesamte Einrichtung übergreifendes Thema (z. B. Bildungsarbeit mit Älteren, interkulturelle Weiterentwicklung der Organisation) mit externer Fachexpertise und interner „Interdisziplinarität“ bearbeitet wird.

Natürlich besuchen die Beschäftigten auch zahlreiche externe Fortbildun-gen. Bei Fortbildungen, die auch in betrieblichem Interesse sind, übernimmt die MVHS Anteile wie die direkten Veranstaltungskosten, während die Fortbildung

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selbst nicht als Arbeitszeit angerechnet wird. Dies ist etwa der Fall, wenn Mit-arbeitende zu interessanten überregionalen Veranstaltungen fahren, die sich nicht originär auf ihre Tätigkeit beziehen, oder wenn Mitarbeitende berufsbegleitend ein Studium absolvieren, das auch der persönlichen Weiterentwicklung dient.

Eine persönliche Fortbildung wird nicht nur mit einer arbeitszeitlichen Flexi-bilität durch die MVHS unterstützt. Soweit Teilnahmeplätze frei sind, haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, im Rahmen eines jährlich definierten Fortbil-dungsbudgets kostenfrei an einer selbstbestimmten Auswahl der 16.000 Bildungs-angebote der Münchner Volkshochschule teilzunehmen.

3.2 Förderung des freiberuflichen Personals

Die WSF-Studie aus dem Jahr 2005 zur sozialen Situation der Weiterbildungs-beschäftigten zeigt, dass viele der freiberuflichen Mitarbeitenden über keine pädagogische, geschweige denn eine erwachsenenpädagogische Qualifikation verfügen (ca. 30 %) (vgl. WSF Wirtschafts- und Sozialforschung 2005, S. 49). Gieseke stellte ebenfalls 2005 fest, dass die trägerübergreifende Professionsstruk-tur nicht den Standard von 1960 überschreitet und es häufig an grundständigem, erwachsenenpädagogischem Wissen fehlt: theoretisch, empirisch, praktisch (vgl. Gieseke 2005, S. 45). Die Qualitätsanstrengungen der letzten 15 Jahre konzen-trierten sich eher auf die Organisationsqualität, weshalb eine weiterführende Professionalitätsentwicklung als die konsequente Fortsetzung der Qualitätsent-wicklung gefordert wird (vgl. Meisel und Dollhausen 2006; Schmidt-Hertha und Aust 2012). An dieser Stelle kann auf die erfolgten Anstrengungen der Verbände verwiesen werden, wie etwa die überregionale Entwicklung und Anwendung eines Kursleiterportfolios oder die Aktualisierung und Umsetzung einer modular aufgebauten erwachsenenpädagogischen Grundausbildung.

Die Münchner Volkshochschule unterstützt die Teilnahme an dem vom Bay-erischen Volkshochschulverband angebotenen Kursleiterfortbildungsprogramm, insbesondere die modularisierte Ausbildung zum Lehren und Lernen mit Erwach-senen. In den letzten Jahren hat die MVHS gemeinsam mit dem Verband in München mehrere überregionale Fortbildungsworkshops (z. B. einen Sprachen-kongress, einen Fachtag Deutsch, eine Fachtagung zur beruflichen Weiterbil-dung) veranstaltet, an denen z. T. mehrere Hundert Kursleiter und -leiterinnen teilgenommen haben. An der MVHS selbst sind die Fortbildungsangebote für die Honorarkräfte in ein Gesamtkonzept eingebunden. Hierzu gehören regelmäßige Kursleiterkonferenzen mit Fortbildungsworkshops in den Fachgebieten und Stadt-teilen und eine im Turnus von drei Jahren durchgeführte Kursleiterbefragung.

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Ergänzend zur Förderung der Teilnahme an den überregionalen Angeboten bietet die MVHS ein eigenes Fortbildungsprogramm an, das aus fünf Schwer-punkten besteht (Abb. 4).

Programmbereichsübergreifend finden allgemeine Einführungsveranstaltun-gen statt, in denen das Leitbild, das Programm, die Organisationsstruktur, die ver-schiedenen Lernorte, die Teilnehmerstruktur, aktuelle Umfrageergebnisse aus den Teilnehmer- und Dozentenbefragungen sowie Fortbildungsmöglichkeiten vorge-stellt werden. Darauf aufbauend besteht die Möglichkeit, ein breites Spektrum an einführenden Fortbildungen zur Didaktik und Methodik der Erwachsenenbildung wahrzunehmen. Dabei geht es beispielsweise um Themen wie „Arbeiten mit und in kultureller Vielfalt“, „Rhetorik und Körpersprache“, „Interaktive Lernmetho-den“, „Die Rolle als Kursleitung“ oder „Von der Idee zum Unterrichtskonzept“.

Speziell für das von den Unterrichtsstunden her gesehen umfangreichste Ange-botssegment, dem Programmbereich Sprachen, hält die MVHS ein ausgesprochen differenziertes und fachspezifisches Fortbildungsangebot vor. Dieses beinhaltet didaktisch-methodische Schulungen und Workshops, den Umgang mit ausgewähl-ten Lehrwerken, Themen wie „Lehren und Lernen mit besonderen Zielgruppen“

Abb. 4 Elemente einer systematischen Personalentwicklung der Honorarkräfte. (eigene Darstellung)

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bis hin zu einer systematischen Sprachlehrerausbildung für die Weiterbildung, die das „Certificate in English Language Teaching to Speaker of Other Languages“ (CELTA) umfasst.

Eine spezifische Einführung wird auch im Programmbereich Gesundheit und Umwelt konzipiert und realisiert.

Im Zusammenhang mit dem erwähnten kommunalen Projekt „Pädagogisches Netz“ werden Kursleitungen aus allen Programmbereichen mediendidaktisch und -pädagogisch fortgebildet. Dabei geht es um den kompetenten Umgang mit internetgestützten Lernplattformen, das Ausfüllen der Rolle als Onlinetutor, den Einsatz sogenannter „Mobiler Klassenzimmer“ oder den fachgerechten Umgang mit technisch unterstützten Präsentationen oder „interaktiver Whiteboards“.

Entsprechend den Bedarfen und Bedürfnissen der Kursleitungen führt die MVHS auch spezifische abschlussbezogene systematische Fortbildungen durch, die z. T. auch neu entwickelt werden. Erwähnt sei z. B. das modulare Fortbil-dungskonzept für Lehrende in der Alphabetisierung und Grundbildung, das mittlerweile von zahlreichen Volkshochschul-Landesverbänden im ganzen Bun-desgebiet angeboten wird. Ein anderes Beispiel ist die Ausbildung zum „Lern-begleiter und Lernberater“. Im Zusammenwirken mit dem Bildungszentrum Nürnberg und der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg ermöglichte die MVHS einer Gruppe von Dozentinnen und Dozenten diese Fortbildung mit dem abschließenden Erhalt eines Hochschulzertifikats. Aktuell hat die MVHS einen Pilotlehrgang zur Qualifizierung von „Deutsch als Fremdsprache Dozenten und Dozentinnen“ in Zusammenarbeit mit der Telc GmbH des Deutschen Volkshoch-schul-Verbandes erprobt. Das Angebot für die Deutschdozentinnen und -dozenten wird nun aufgrund des wachsenden Bedarfs systematisch ausgebaut. Im Grunde genommen sollten abschlussbezogene Qualifizierungsbemühungen, wie sie die Münchner Volkshochschule wie auch andere einzelne Volkshochschulen durch-führen, überregional und verbandsübergreifend angeboten werden, um möglichst einrichtungsübergreifend Kursleitungen zu erreichen und um Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln.

Alle Kursleitungen der MVHS haben außerdem die Möglichkeit, mit einer durchschnittlichen Ermäßigung von 50 % an einem der zahlreichen Kursangebote der MVHS teilzunehmen.

Die Fortbildungen für Honorarkräfte hat die MVHS bewusst auch für andere Weiterbildungsträger geöffnet. Das Angebot stößt auf eine gute Resonanz und erhält sehr positive Rückmeldungen. Die Kursleitenden wissen es zu schätzen, dass ihre Volkshochschule sie dabei unterstützt, die pädagogischen Kompetenzen weiterzuentwickeln, und ihnen kostenfreie Angebote unterbreitet. Natürlich kön-nen die Fortbildungsteilnehmenden die erworbenen Kompetenzen auch bei Enga-gements außerhalb der Volkshochschulen einsetzen.

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4 Professionalitätsanforderung auf überregionaler und verbandlicher Ebene

Unter Professionalitätsentwicklung ist die Aneignung von Qualifikationen und Kompetenzen zur qualitätsvollen Gestaltung der pädagogischen Praxis zu ver-stehen. Von Professionsentwicklung hingegen ist zu sprechen, wenn der Prozess zur Verberuflichung der Tätigkeit, gesellschaftlichen Anerkennung, gemeinsa-men Wertegrundhaltung und zum sozialen Status mit vergleichbarer Bezahlung gemeint ist. Professionalisierung integriert beide Perspektiven.

Den freiberuflichen Dozentinnen und Dozenten bieten die meisten Einzelein-richtungen zahlreiche Möglichkeiten zur kooperativen Professionalitätsentwick-lung (vgl. hierzu auch Feigl 2015). Ergänzend zu Einführungsveranstaltungen werden Hospitationen und kollegiale Beratungen durchgeführt. Interessierten Kursleitungen wird die Teilnahme an erwachsenenpädagogischen Grundqualifizie-rungen, die von den Volkshochschul-Landesverbänden in unterschiedlicher Inten-sität durchgeführt werden, ermöglicht. Mittlerweile können freiberuflich Lehrende ihre individuelle Kompetenzaufschichtung noch mithilfe des neuen Webportals für Kursleitungen in der Erwachsenenbildung (gefördert von der Bertelsmann Stiftung und durchgeführt vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung) anreichern (https://wb-web.de). Doch hier entscheidet das Grundprinzip der Freiwilligkeit. Da es derzeit weder seitens der Verbände noch überörtlich vereinbarte Kompe-tenzstandards gibt, nutzen nur solche Dozentinnen und Dozenten die Angebote, die diese für sich selbst als Kompetenzanreicherung sehen und dafür auch die Zeit aufbringen möchten, während der sie keine Kurse geben können. Es ist also immer noch eher die „individuelle Professionalitätsentwicklung, die seit Jahren den noch verbliebenen Professionalisierungsdiskurs prägt und anführt. Weiterbildung fun-giert demnach als das probate Mittel, um ‚gekonnte Beruflichkeit‘ individuell zu entwickeln“ (Aschemann und Schmid 2015, S. 1–3).

Schmidt-Hertha und Aust (2012, S. 39) kritisieren demnach zurecht, dass die Gruppe der Honorarkräfte oftmals noch nicht explizit in Perspektiven der syste-matischen Personalentwicklung einbezogen wird und sowohl Weiterbildungsein-richtungen als auch Verbände die breit eingeführten Qualitätsmanagementmodelle als „Aufforderung zur Verantwortungsübernahme“ (Schmidt-Hertha und Aust 2012, S. 39) auch gegenüber ihren Kursleitungen verstehen müssen. Es reicht nicht aus, wenn freiberuflich Lehrende in der öffentlichen Weiterbildung auf sich selbst zurückgeworfen werden und alleinig für ihre Weiterqualifizierung zustän-dig sind. Zu groß ist die Heterogenität der Qualifikationsbiografien, zu ausgeprägt die Biografiebezogenheit des Kursleiterhandelns, zu hoch die Verantwortung, die Kursleitungen gegenüber den zahlenden Teilnehmenden haben und zu prekär sind die Beschäftigungsverhältnisse eines Teils der Freiberuflichen.

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Bislang zeigt sich jedoch eine wesentliche Professionalisierungsschwäche in der Erwachsenenbildung: Eigendefinierte Selbstverpflichtungen werden nicht ent-wickelt. Wenn die Anforderung aber von außen kommt, werden Standards umge-setzt. So definieren mittlerweile Politikfelder wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder Krankenkassen für die nach § 20 Sozialgesetzbuch V geför-derte präventive Gesundheitsbildung Mindeststandards (vgl. Kraft und Seitter 2009, S. 190).

Gerne wird in der Bildungslandschaft mit dem Argumentationsmuster gear-beitet, man möge die Selbstbestimmung und Autonomie der Erwachsenenbildung nicht selbst durch eigendefinierte Vorgaben einschränken. Vielmehr ist es jedoch die Differenziertheit der Trägerlandschaft, die es nicht schafft, eine systematische Professionsentwicklung voranzutreiben und sich auf gemeinsame Standards der Professionalitätsentwicklung zu verständigen. „Die bestehenden Interessenvertre-tungen im Sektor sind ähnlich zersplittert wie der Sektor selbst; in beiden Fäl-len behindert die Segmentierung die Entwicklung einer gemeinsamen Stimme“ (Aschemann und Schmid 2015, S. 1–4). Dies spiegelt sich auch in den einzelnen, unverbunden nebeneinander stehenden Maßnahmen und Projekten wider, die es bundesweit gibt:

• Überregional relevante abschlussbezogene Fortbildungen, die als Voraus-setzung für die Kursleitertätigkeit angesehen werden, existieren bislang, wie oben beschrieben, nur im Grundbildungsbereich oder bei Fortbildungsinitia-tiven zur Vorbereitung von Deutschdozentinnen und -dozenten zur Zulassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).

• IHK-Fortbildungslehrgänge, z. B. zum Aus- und Weiterbildungs- und anschlie-ßend zum Berufspädagogen, richten sich zwar explizit an in der Weiterbildung Tätige. Hierbei handelt es sich jedoch eher um eine klassische Aufstiegsfort-bildung, die in einer Festanstellung münden, zu einer Verbesserung der finan-ziellen Situation oder einer höheren Position führen soll, als dass diese als Grundvoraussetzung für freiberufliche Honorarkräfte definiert werden könnte.

• Zur systematischen auch abschlussbezogenen Qualifizierung des freiberuf-lichen Personals wurde vor einem Jahrzehnt eine Initiative des Innovations-kreises Weiterbildung beim Bundesministerium für Bildung und Forschung angesiedelt. Diese kam zunächst aber nicht über eine vorbereitende Machbar-keitsstudie (vgl. Kraft et al. 2009) hinaus. Die Studie hatte eine vergleichbare Strategie empfohlen, die in Österreich zu einer trägerübergreifenden Grün-dung einer Weiterbildungsakademie geführt hat (vgl. Heilinger 2008). Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung hat dieses Konzept nun in ein wei-teres Entwicklungsprojekt (GRETA – Grundlagen für die Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungsverfahrens für die Kompetenz Lehrender in

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der Erwachsenen- und Weiterbildung) aufgenommen, sodass immer noch offen ist, welche Ergebnisse für die Professionalisierungsdebatte zu erwarten sind.

• Ein vom Deutschen Volkshochschul-Verband vor ca. zwei Jahren initiier-ter modularisierter Lehrgang zum Weiterbildungsmanagement wurde bis-her dreimal durchgeführt, sodass bundesweit knapp 50 hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, sich gemeinsam mit überinstitutionellen Handlungsfeldern wie Veränderungsmanagement, Pro-grammplanung, Bildungsmarketing und Controlling auseinanderzusetzen.

Die wenigen Beispiele, die sich teilweise noch in der Pilotphase befinden, zeigen, dass eine Berufseinführung bzw. feldbezogene Grundqualifizierung derzeit weit-gehend direkt vor Ort geleistet werden muss, was kaum zu einer überinstitutionel-len Berufsidentität führen kann. Das war jedoch nicht immer so: In den 1970er und 1980er Jahren existierten noch bundesweite systematische Einführungsveran-staltungen für neue pädagogische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, veranstaltet von der Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, die durch Selbststudienmaterialien (SESTMAT) begleitet wurden. Die heutigen regionalen Fortbildungsstrategien der Verbände konzentrieren sich dagegen viel-mehr auf akute Handlungsprobleme (z. B. Umgang mit einem neuen Projektpro-gramm) oder auf einen programmbereichsbezogenen überregionalen Austausch (z. B. im Sprachenbereich, in der beruflichen oder kulturellen Bildung).

Es ist demnach auch keine Überraschung, wenn Helsper und Tippelt (2011) provokativ vom „Ende der Profession und Professionalisierung“ sprechen.

5 Bildungspolitische Perspektiven

Will sie nicht die eigenen Ansprüche an eine kontinuierliche Qualitätsentwick-lung hintergehen, kommt die öffentliche Erwachsenenbildung um eine systema-tische Personalentwicklung nicht herum. Denn: „Der Fachkräftemangel ist in den Weiterbildungseinrichtungen angekommen“ (Ambos 2009, S. 5).

Viele der zuvor genannten Indizien sprechen für die Vermutung, dass sich die Fachverbände der öffentlich verantworteten Erwachsenenbildung vom Pro-fessionalismus weitgehend verabschiedet haben: „Die Weiterbildungsbranche steht dabei exemplarisch für einen Zustand, der einem ‚Laboratorium moderner Arbeitsformen‘ (vgl. Alfänger et al. 2014) für Effekte flexibilisierter Arbeits-organisationen gleicht“ (vgl. Elias et al. 2015, S. 4). Da es den Verbänden nicht gelingt, eine gemeinsame bildungspolitische Strategie zu entwickeln und umzu-setzen, werden die Probleme in die Einzeleinrichtung hineingetragen, ohne dass dort eine entsprechende Gestaltungskraft vorhanden ist.

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Nimmt man die Forschungsergebnisse zu Professionalisierungsprozessen ernst, so erscheinen unabhängig von den teilweise erfolgreich entwickelten inner-betrieblichen Fortbildungsstrukturen, das Wiederbeleben des theoriegestützten Diskurses zur Professionalisierung auf Verbandsebene sowie eine trägerübergrei-fende und überregionale Schaffung eines persönlichen und beruflichen Anreiz- und Anerkennungssystems als Entwicklungsbedarf in der Profession unerlässlich zu sein (vgl. von Hippel und Tippelt 2009; Kraft et al. 2009). Volkshochschulen müssen sich neben internen Bemühungen auch verstärkt der Herausforderung stellen, gegenüber der Bildungspolitik die Voraussetzungen zu fordern, die für eine weitergehende Professionalisierung unabdingbar sind. Denn das zeigen auch die überschaubaren Ergebnisse der Professionalisierungsanstrengungen in der deutschen Erwachsenenbildung in den letzten Jahrzehnten; eine erfolgreiche Pro-fessionalisierung ohne staatliche Unterstützung ist kaum möglich (vgl. Elias et al. 2015, S. 4–6). „Der Makroebene, also den verantwortlichen politischen Akteuren fällt dabei die Aufgabe zu, für adäquate Rahmenbedingungen und Anreizstruk-turen zu sorgen, die Bildungsträger bei der Weiterqualifizierung ihres pädagogi-schen Personals unterstützen“ (Schmidt-Hertha und Aust 2012, S. 39). Nicht nur die finanzielle Unterstützung ist hierbei gemeint – denn Mindestqualifikationsan-forderungen gehen mit einer qualifikationsgerechten Honorierung einher -, son-dern auch die Anerkennung langjähriger Berufspraxis und auf informellem Wege erworbener Kompetenzen (Kraft und Seitter 2009, S. 191). Begründete Konzepte hierzu liegen vor (vgl. Kraft et al. 2009), von Modellen aus Nachbarländern wie der „Weiterbildungsakademie“ in Österreich (vgl. Heilinger 2008) kann man ler-nen. Die Umsetzung solcher Konzepte sollten Bildungspolitik, Verbände und Trä-ger rasch und gemeinsam angehen.

In Zeiten begrenzter öffentlicher Mittel für die Erwachsenenbildung ist diese mehr denn je auf Kohärenz angewiesen – also auf koordiniertes, schlüssiges Handeln und auf Zusammenhalt der Akteurinnengruppen und Segmente. Kohärenz im genannten Sinn wird umso wichtiger je eher Erwachsenenbildner/innen unter den Bedingungen der Knappheit (ver-)handeln müssen. Eine koordinierende Zusammenarbeit aller Akteurinnengruppen bildet die Basis einer umfassenden Professionalisierung und damit die Voraussetzung, um den gegenwärtigen Aufgaben der Erwachsenenbildung gerecht zu werden (Aschemann und Schmid 2015, S. 1–6).

Es bleibt abzuwarten, ob sich aus diesem Spannungsfeld ein erneuter Professio-nalisierungsschub entwickeln kann. Wünschenswert wäre dies. Denn wenn die Erwachsenenbildung im Kontext des lebensbegleitenden Lernens eine bedeutende Rolle bei der Sicherstellung einer aktuellen Allgemeinbildung zur Fundierung des

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demokratischen Zusammenlebens als Voraussetzung einer weltoffenen Gesellschaft einerseits und der individuellen Beschäftigungsfähigkeit andererseits einnehmen soll, dann ist eine unvollendete Professionalisierung bei struktureller Unterfinanzie-rung des gesamten Bildungssektors eine schlechte Voraussetzung.

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Über die Autoren

Prof. Dr. Klaus Meisel Arbeitsschwerpunkte: Weiterbil-dungsmanagement, Organisations- und Personalentwick-lung.

Dr. Regine Sgodda (vormals Mickler) Arbeitsschwer-punkte: Weiterbildungsmanagement, Kooperations- und Qualitätsmanagement.

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Teil VDas Personal in der Weiterbildung

aus der Sicht kollektiver Akteure

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Qualifizierungsberatung für Kleine und Mittlere Unternehmen. Ergebnisse und Erfahrungen zur Qualifizierung und Professionalisierung der Weiterbildungsarbeit in KMU

Karl Düsseldorff und Marcel Fischell

ZusammenfassungDer Beitrag rekapituliert die Ergebnisse eines Entwicklungsprojektes in NRW, in dem über eine standardsetzende Basisqualifizierung für KMU-Qualifizie-rungsberater_innen die Marktfähigkeit der Dienstleistung „Qualifizierungs-beratung für KMU“ befördert werden könnte und zeigt auf, dass diese, auf Professionalisierung setzende Initiative, keine formale Verstetigung erzielen konnte, u. a., weil dafür kein institutioneller Akteur eine entsprechende Legiti-mation bzw. Verantwortlichkeit zugesprochen bekam.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_19

K. Düsseldorff (*) Fakultät für Bildungswissenschaften; Fachgebiet Wirtschaftspädagogik/Berufliche Aus- und Weiterbildung, Universität Duisburg-Essen, Berliner Platz 6–8, 45127 Essen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

M. Fischell Geschäftsführer, Evangelisches Bildungswerk im Kirchenkreis Duisburg, Hinter der Kirche 34, 47058 Duisburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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1 Ausgangslage

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland bilden nicht nur das beschäftigungspolitische Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sondern sie sind zunehmend auch als Wettbewerbs- und Innovationstreiber auffällig. Zudem sind KMU der wichtigste Akteur in der dualen Ausbildung. Zurückhaltender hinge-gen ist ihre Rolle in der betrieblichen Weiterbildung zu bewerten. Hier sind seit Jahrzehnten betriebsgrößenabhängige Aktivitätsprofile offensichtlich (Rosen-bladt 2012), und es gelingt KMU auch nicht, die generell wirksamen selektiven Partizipationsmuster der Weiterbildungsbeteiligung betrieblich aufzulösen oder Diskriminierungseffekte zu kompensieren. Kurz: Die Investitionen der KMU in die Humankapitalentwicklung durch betriebliche Weiterbildung sind quantitativ eingeschränkt, sie gelten eher als reaktiv im Sinne von probleminduziert und sie verweisen auf typisierbare Investitionsmuster (hohe Investitionen in Ausbildung laufen oft parallel zur Höhe der Weiterbildungsinvestition; hohe Innovationsin-vestitionen sind oft an Weiterbildungsinvestitionen gekoppelt, hohe Rekrutie-rungsinvestitionen verlaufen oft parallel mit geringen Investitionen in betriebliche Weiterbildung usf.). Durch dieses defensive Weiterbildungsverhalten, so eine seit Jahren artikulierte Vorhaltung, schränken KMU ihre Innovations- und Wettbe-werbspotenziale ein und geraten in die Gefahr eines Modernisierungsrückstandes (Dobischat und Düsseldorff 2013a).

Als mitverantwortlich dafür gelten qualitative und quantitative Ressourcen-defizite der betrieblichen Personalpolitik in kleinen und mittleren Unterneh-men. Sowohl das Fehlen von einschlägigen Funktionsstellen als auch interne Kompetenzdefizite für eine nachhaltige Personalpolitik, die auf kontinuierliche Personalentwicklung setzt, verursachen die o. a. relativ konstant verbleibende Weiterbildungsdistanz der KMU.

Diese allgemeinen Zuschreibungen, die die Ausgangslage der KMU für das Entwicklungsprojekt bestimmt haben, können durch jüngere Untersuchungen bestätigt und präzisiert werden, u. a. wenn man in diesem Kontext den Blick selbst auf weiterbildungsaktive Unternehmen wendet. Denn dann zeigt sich auch hier ein fatales größenabhängiges Risiko, das es im o. a. Sinne zu minimieren gilt, will man die betriebliche Weiterbildung qualitativ und quantitativ befördern. Denn, wie jüngste Daten der nationalen Zusatzerhebung zur vierten europäischen Weiterbildungserhebung in Unternehmen (Moraal et al. 2015) verdeutlichen, fehlt es besonders den deutschen KMU an einer Institutionalisierung der betrieb-lichen Weiterbildung, was sich in Anlehnung an die CVTS Haupterhebung etwa im Fehlen eines Jahresbudgets, einer systematischen Weiterbildungsplanung, einer exklusiven Funktions- bzw. Organisationsintegration oder beispielsweise in

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geregelten Bedarfsanalysen äußert (Moraal et al. 2015, S. 24). So ergaben die in der Zusatzerhebung zusammengestellten Befunde, dass selbst bei weiterbildungs-aktiven Unternehmen der Anteil der Betriebe ohne Institutionalisierungsgrad in der kleinsten Betriebsgrößenklasse (10 bis 49 Beschäftigte) bei 15 % lag, wäh-rend nur 6 % der Großbetriebe (500 und mehr Beschäftigte) sich hier instituti-onalisierungsfrei einordnen ließen (Moraal et al. 2015, S. 25). Da auch nur sehr wenige der befragten Betriebe einen hohen Institutionalisierungsgrad der betrieb-lichen Weiterbildung für sich reklamieren können (ebd.), ist zu vermuten, dass Weiterbildung nach wie vor von oft kontingenten Rahmenbedingungen abhängt und eher probleminduziert als systematisch realisiert wird.

Galten über einen längeren Zeitraum die Intensivierung und Spezialisierung öffentlicher Förderinstrumente für die betriebliche Weiterbildung von KMU als ein möglicher Impulsgeber und als Ausweg aus der mittelständischen Risikolage, so wird seit mehr als einem Jahrzehnt externe Qualifizierungsberatung für KMU als alternative Lösung diskutiert, systematisch beforscht, strategisch und opera-tiv modelliert und partiell erprobt (Döring und Rätzel 2007). Weiterbildner/innen und Unternehmensberater/innen reklamieren hier ihre Zuständigkeit für eine Unternehmensdienstleistung, deren Funktionen und Inhalte aber bislang auf ein kaum definiertes Leistungsprofil, instabile und diskontinuierliche Rahmenbedin-gungen und auf sehr heterogene „professionelle“ Merkmale des Anbietermark-tes verweisen. Für Letzteren, den Anbietermarkt, gilt zudem, dass eines seiner Kernrisiken in einer weitgehend ungeklärten Professionalität der Berater/innen zu sehen ist, weil weder inhaltlich-thematische noch methodische Standards als professionelle Mindestvoraussetzungen gesetzt noch qualifikatorische Ein-gangshürden für den Anbietermarkt wirksam sind, was von Baderschneider et al. (2012, S. 37) wie folgt moniert wird: „Die Kompetenzen der Berater sowie das Qualitätsverständnis variieren teilweise erheblich. Diese Charakteristika beschrei-ben damit eine bedingte Marktfähigkeit einer Dienstleistung, die aber positive Impulse für das gesamtwirtschaftliche und -gesellschaftliche Gleichgewicht lie-fern soll“ (vgl. auch Fischel 2012b).

Der nachfolgende Beitrag beschreibt die Forschungs- und Entwicklungsarbeit im Kontext der Qualifizierungsberatung für KMU des letzten Dezenniums, pointiert hier besonders das Themenfeld der Qualifizierung der Berater/innen und bilanziert rückblickend eine Fallstudie eines NRW-Verbundprojektes, in dessen Mittelpunkt die Qualifizierung externer Akteure für die KMU-Qualifizierungsberatung gestan-den hat. Dabei wird speziell herausgestellt, dass die externe Dienstleistung Qualifizierungsberatung für KMU Betrieben nur dann für die Wettbewerbshe-rausforderungen (wie: Technik- und Technologieentwicklung – Demografie – Fachkräftesicherung, operative Optimierung und strategische Intensivierung [auch

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im Kontext der Globalisierung]) als wirksamer Support offen steht, wenn auf der Anbieterseite Anforderungen an eine grundständige Professionalität der Berater/innen erfüllt und dies durch qualitative Standards curricular gesichert werden kann. Dass eine erfolgreiche Modellierung und Erprobung Standard setzender Qualifizie-rungsarbeit mit und für Berater_innen allein aus dem Dilemma des quantitativ und qualitativ teilweise unbefriedigenden Weiterbildungsengagements von KMU nicht hinausführt, haben die nachfolgend skizzierten Projektergebnisse und -erfahrungen, wie abschließend bilanziert wird, aber auch gezeigt.

2 Grundlegende Annahmen und Ziele des Projekts

Seit mehr als einem Jahrzehnt wird die Bedeutung der betrieblichen Weiterbil-dung für die Wettbewerbssicherung mittelständischer Betriebe in Deutschland thematisiert (Düsseldorff 2006) und herausgestellt, dass externer Support in der Form der Qualifizierungsberatung einen kritischen Erfolgsfaktor für eine Inten-sivierung der klein- und mittelbetrieblichen Weiterbildung darstellt (Dobischat und Düsseldorff 2013a, b). In diesem Kontext steht aber auch der Befund, dass Qualifizierungsberatung als erkennbare Dienstleistung und als Geschäftsmodell weder eine Marktreife (Loebe und Severing 2011) noch eine qualitativ erkenn-bare Produktreife (Döring 2009) signalisieren kann und Qualifizierungsberatung als potenzielle externe Dienstleistung für KMU geradezu zwangsläufig auch eine Professionalisierungsdebatte in der Weiterbildung auslöst, da u. a. danach gefragt wird, über welche Kompetenzen und Qualifikationen Berater_innen in diesem Tätigkeitsfeld verfügen bzw. verfügen müssten, um KMU angemessen unterstüt-zen zu können (Fischell 2012b). Insofern war es folgerichtig, die insgesamt im letzten Jahrzehnt umfangreich vorliegenden Forschungsbefunde zur KMU Qua-lifizierungsberatung bilanzierend auszuwerten und ein Qualifizierungsmodell als Basismodell zu entwickeln, das exemplarisch inhaltliche und methodische Qualifizierungsstandards für KMU Qualifizierungsberater_innen setzt, um eine qualitative Anbietertransparenz als Diskussionsfolie zur Verfügung zu stellen. Damit verknüpft ist auch zu sehen, ggf. über Leistungsstandards für einschlä-gige Förderlinien für die KMU Qualifizierungsberatung zu verfügen. Dabei galt als Ziel einer entsprechenden Initiative auf Landesebene NRW, ein entsprechen-des Modellvorhaben, das erste Erfahrungen und Modellprofile für die Erzeugung von Beratungskompetenz für KMU-Qualifizierungsberatung abbilden könnte, zu erproben, um dies nach Projektende erweitern, korrigieren, variieren, spezialisie-ren etc. zu können.

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In einem größeren Zusammenhang gesetzt und thematisch in diesen Band eingebunden, signalisiert das Entwicklungsprojekt unter Professionalisierungs- und Professionalitätsgesichtspunkten das Folgende: Qualifizierungsberatung für KMU als eindeutig abgrenzbare marktfähige Beratungsdienstleistung von Wei-terbildner_innen leidet am Defizit eines Profils, das Auskunft über notwendige Qualifikationsmerkmale der Dienstleistungsanbieter_innen gibt, ermöglicht keine eindeutige Eingrenzung der Produktnachfrage bzw. der Produktbeschaffenheit und kann nicht auf ein erkennbares, verbindliches fachliches und methodisches berufliches bzw. tätigkeitsbezogenes Wissenssystem reduziert werden. Damit sind sowohl die Anbieterseite als auch die Nachfrageseite qualitativ relativ beliebig, was die Markteintrittsbedingungen (der Anbieter_innen) und die Marktfähigkeit (der Beratungsdienstleistung) sowohl auf der Akteursseite als auch auf der Pro-duktseite als offenes Projekt verbleiben lässt.

Diese Marktfähigkeit indessen wäre idealtypisch auf mindestens zwei ver-schiedenen Wegen zu erzeugen: Würden Qualifizierungsberater entweder mittel bis langfristig eine anhand spezifischer Merkmale bestimmbare Profession bilden können, wäre der eine Weg beschritten. Würde hingegen wegen der nachfolgend belegten Ausweglosigkeit über die Professionsbildung eine Professionalisierung Platz greifen und eine damit ausweisbare hinreichende Professionalität konturier-bar, wäre der andere Weg beschritten.

Verständigt man sich darauf, dass weder in der Weiterbildung noch in der betrieblichen Weiterbildung von einer Profession im engeren Sinne gesprochen werden kann, da hier die Merkmale eines akademischen Berufs, einer einschlä-gigen berufsbezogenen Sozialisation und ein eindeutiges identitäres Profil einer Berufsgruppe fehlen (vgl. Nittel in diesem Band), hier auch Mitgliedschaftsregeln für die Berufsgruppe und eindeutige Wissenssysteme nicht erkennbar sind, kann unterstellt werden, dass Qualifizierungsberater als Teil der Weiterbildner nicht als Profession auszumachen sind. Somit wäre der erste der idealtypisch gangba-ren Wege verstellt. Das Projekt verfolgte hingegen den zweiten der angedeuteten möglichen Wege: Gelänge es, den Tatbestand der oben formulierten „ungeklärten Professionalität“ zu kompensieren und in einem ersten explorativen Ansatz ein konsensfähiges Qualifizierungsmodell zu skizzieren und erfolgreich zu erproben, der qualitativ das notwendige Handlungsvermögen für eine Dienstleistung, hier die Qualifizierungsberatung für KMU identifiziert, fachlich und methodisch aus-gestaltet und curricular übersetzt (und probeweise erfolgreich umsetzt), wäre der zweite Weg beschritten. Auf diesem sollten die oben beschriebenen Unschärfen, die die Marktfähigkeit der Dienstleistung KMU-Qualifizierungsberatung belas-ten, partiell abgebaut und durch ein konstruktives erstes Lösungsangebot modell-haft erprobt werden.

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3 Projektskizze

2012 bis 2014 wurde demgemäß im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Integ-ration und Soziales (MAIS) des Landes NRW ein Projekt durchgeführt, in dem unter anderem das Ziel verfolgt wurde, ein bedarfsgerechtes Schulungsangebot für die Qualifizierungsberatung zu entwickeln und dieses in den drei Projekt-Modellregionen Köln, Dortmund und Westmünsterland zu erproben und zu eva-luieren. Diese Aufgaben in dem Projekt übernahm die Universität Duisburg-Essen in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (G. I. B.).

Den ersten Schritt im Projektverlauf bildete eine „Bildungsbedarfserhebung“ in den drei Regionen, um das vorliegende Profil sowie die Bedarfs- und Inter-essenlage der potenziellen Schulungsteilnehmer erfassen zu können. Über das Anforderungsprofil und dessen inhaltliche und kompetenzorientierte Dimension liegen zur Weiterbildungsberatung im Allgemeinen und zur Qualifizierungsbera-tung im Speziellen bereits Erkenntnisse vor (Schröder 2012, S. 176 ff.; Fischell 2012a; Lampe 2009; Schiersmann et al. 2008; Repetto 2008; Niedlich et al. 2007).

Für die betriebliche Qualifizierungsberatung ergibt sich aus der Konstitution und Konturierung ihres angestrebten Leistungsspektrums ein interdisziplinär-fachliches Kompetenzprofil (Fischell 2012b; Loebe und Severing 2008). Die besondere Anforderung liegt in der Verbindung und Zusammenführung erzie-hungswissenschaftlich und betriebswirtschaftlich grundlegender Basiskompe-tenzen sowie spezieller, anforderungsgerechter weiterführender Befähigungen. Loebe und Severing (2011, S. 56 f.) differenzieren hier klassisch zwischen den vier Dimensionen der Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und den personalen Kompetenzen. Neben fachwissenschaftlichen Kenntnissen der Pädagogik, Psychologie und Beratungstheorie werden betriebswirtschaftliche Kenntnisse gefordert, die durch Kenntnisse über die (regionalen) Wirtschaftsent-wicklungen und den Arbeits- und Bildungsmarkt ergänzt werden sollen (vgl. auch Döring 2009). Eingeschlossen werden auch notwendige Branchenkenntnisse, Wissen über Organisations- und Steuerungsprozesse und Betriebs- und Organisa-tionsstrukturen. Berufliche Erfahrungen außerhalb des Qualifizierungs- und Bera-tungsmarktes waren ebenfalls erwünscht.

Dieser recht ambitionierte Anforderungskatalog würde eine zeitlich sehr umfangreiche Weiterbildungsmaßnahme erfordern, die – so die vorherrschende Skepsis im Projekt und auch seitens des Auftraggebers- von den Teilnehmern und dem Markt nicht angenommen worden wäre und die Projektumsetzung hätte

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gefährden können. Somit bestand die Zielsetzung und Intention der Bedarfsana-lyse in der Überprüfung und Priorisierung der vorliegenden Kompetenzdimensi-onen und Inhalte und es sollte ermittelt werden, welche Bedeutung und Relevanz den einzelnen Kompetenzen in der Beratungstätigkeit zukommt, um diese ent-sprechend in der Qualifizierungsmaßnahme zu berücksichtigen. Bei der Priori-sierung der Inhalte eines Kompetenz- und Anforderungskatalogs zeigte sich, dass besonders die personenbezogenen Kategorien (Beratungskompetenz, Personal-entwicklung, Bildungsbedarfsanalyse) eine hohe Zustimmung erfahren haben, während Kenntnisse z. B. über regionale Arbeits- und Wertschöpfungsmärkte vergleichsweise zurückhaltend bewertet wurden. Für die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zeigt sich analog eine hohe Zustimmung.

Die inhaltliche Entwicklung des Curriculums und die Erprobung der Qualifi-zierungsmaßnahme wurden von einer im Projekt gegründeten Curriculum-Ent-wicklungsgruppe verantwortet, der neben Vertretern der genannten Projektpartner auch externe Experten angehörten.

Aus den Erkenntnissen der Bildungsbedarfsanalyse wurden für die Entwick-lung des Curriculums die folgenden Anker- und Orientierungspunkte abgeleitet: Die Beratungskompetenz wurde als Teilnahme- und Zugangsvoraussetzung defi-niert. Auf der einen Seite bildet diese die Grundvoraussetzung für die Durch-führung von Beratungsdienstleistungen und sollte daher bereits durch andere Qualifizierungsmaßnahmen – vom Studium bis zur zertifizierten Weiterbil-dungsmaßnahme – oder durch eine nachweisbare, längerfristige berufliche Bera-tungserfahrung vorhanden sein. Eine besonders hohe Kompetenzausprägung schrieben sich die Befragten in der Personalentwicklung und in den Kenntnis-sen über Strukturen und Prozesse in der Weiterbildung zu. Trotz dieses Ergeb-nisses entschied sich die Curriculum-Entwicklungsgruppe, diese Themenfelder mit aufzunehmen, da auch Beraterinnen und Berater als Adressaten der Qualifi-zierungsmaßnahme angesprochen werden sollen, die noch keine Erfahrung in der Weiterbildung sammeln und damit vorweisen können. Ebenfalls entschloss man sich, betriebswirtschaftlichen Inhalten, mit denen auch Aspekte und Inhalte der betrieblichen Organisationsentwicklung verknüpft werden sollten, einen ver-gleichsweise großen Raum zu geben. Diese Entscheidung wurde getroffen, da einerseits aus umfangreichen Qualifizierungserfahrungen mit Berater_innen (etwa Schulungen für die Nutzung von Instrumenten für betriebliche Reorganisations-maßnahmen oder Schulungen im Kontext der strategischen Personalentwicklung) eine oft nur marginale betriebswirtschaftliche Basiskompetenz auffällig geworden war und weil andererseits häufig die Qualifikationsprofile von KMU Berater_innen keine oder nur geringe betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse offenlegten.

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430 K. Düsseldorff und M. Fischell

4 Rahmencurriculum der Basisqualifizierung für die Qualifizierungsberatung

4.1 Strukturelle, organisatorische und didaktische Rahmung

Aus dem Projektkontext und dem im Projekt entwickelten Verständnis von Qua-lifizierungsberatung wurden die Zielsetzung der Qualifizierungsmaßnahme, die Adressaten- und Teilnehmergruppe und die Teilnahmevoraussetzungen abgeleitet. Die Adressatengruppe der Qualifizierungsmaßnahme sind Beraterinnen und Bera-ter, die erwerbsmäßig – unabhängig von ihrem Beschäftigungsverhältnis (selbst-ständig, angestellt, verbeamtet sowie haupt- oder nebenberuflich) – vornehmlich KMU dabei beratend unterstützen wollen, betriebliche Qualifizierungsstrukturen, -strategien und -maßnahmen zu entwickeln, zu realisieren, zu kultivieren und damit nachhaltig zu verankern. Die Teilnehmenden sollen dazu befähigt werden, im Rahmen betrieblicher Wettbewerbssicherung und der Sicherung und Stärkung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit betriebliche Qualifizierungsbedarfe zu ermitteln und anhand der Steuerung betrieblicher Weiterbildung diese mit pass-genauen Bildungsmaßnahmen und -aktivitäten zusammenzuführen. Aufgrund des inhaltlichen Umfangs und der interdisziplinären Komplexität des Beratungsfeldes stellt die Qualifizierungsmaßnahme keine Maßnahme einer beraterischen Grund-ausbildung dar, sondern ist als eine Vertiefung und Spezialisierung einschlägig vorgebildeter und/oder berufserfahrener Beraterinnen und Berater angelegt. Somit wurden neben einem formalen Berufs- oder Hochschulabschluss über nachgewie-sene Referenzen eine fünfjährige berufliche Beratungserfahrung oder bei Vorlage einer zertifizierten Beraterausbildung eine mindestens zweijährige Erfahrung für die Teilnahme vorausgesetzt.

Die Qualifizierungsmaßnahme ist in einer modularen Struktur aufgebaut, die an einen idealtypischen Verlauf eines Beratungsprozesses angelegt ist. Die Module sind in Präsenz- und Selbstlernphasen unterteilt. Während in den Prä-senzphasen die praktische Übung im Vordergrund der methodischen Ausrichtung steht, werden in den Selbstlernphasen die Inhalte, Fragestellungen und Sachver-halte flankierend vor- und nachbereitet. Für die Vor- und Nachbereitung sowie die Arbeit in den Veranstaltungen erhalten die Teilnehmenden die Arbeitsmaterialien digital und in Papierform in einem Seminarordner. Neben Foliensätzen, Präsen-tationen, Handouts und Fachliteratur umfasst der Ordner auch Übersichtsdarstel-lungen (z. B. tabellarische Auflistung von unterstützenden Handlungsformen) sowie Checklisten und Handlungsleitfäden für die Beratungsarbeit. Neben der Verwendung in der Qualifizierung soll das Arbeitsmaterial auch in der Berufspra-xis eingesetzt werden können, um so den Praxis-Transfer zu erleichtern.

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431Qualifizierungsberatung für Kleine und Mittlere Unternehmen …

Die Qualifizierung setzt sich didaktisch und methodisch aus inputorientierten, wissensvermittelnden Abschnitten und aus ressourcen- und kompetenzorientier-ten, anwendungsbezogenen Abschnitten zusammen. Die Präsenzveranstaltungen sind grundsätzlich auf eine anwendungsbezogene und aktive Beteiligung der Teilnehmer ausgerichtet. Flankiert durch fachliche und thematische Inputs der Lehrenden und die selbst vorbereiteten Seminarinhalte steht der aktive und anwendungsbezogene Lernprozess im Vordergrund der Veranstaltungen, der von Methodenvielfalt geprägt ist. Anhand verschiedener fiktiver und realer Fallstudien werden Praxisnähe und Anwendungsorientierung hergestellt sowie die Erprobung und Reflexion der Seminarinhalte hierdurch in den Vordergrund gerückt.

Aufgrund der Interdisziplinarität und des inhaltlichen Umfangs war es gebo-ten, verschiedene Fachexperten als Lehrende einzusetzen, da in der Quantität und Qualität das inhaltliche Spektrum von einer Person nicht hätte abgedeckt werden können. Durch den Wechsel der Lehrpersonen würde eine Verbindung zwischen den Modulen und Präsenzveranstaltungen erschwert, da Inhalte, Erkenntnisse und Wissenszuwächse der Teilnehmer, Probleme und Schwierigkeiten etc. der voran-gegangenen Module und Präsenzveranstaltungen nicht wieder hätten aufgegrif-fen, berücksichtigt und weiter bearbeitet werden können. Es wurde die Gefahr gesehen, dass sich die Qualifizierungsmaßnahme zu einer losen Addition einzel-ner Veranstaltungstermine hätte entwickeln könnte. Schließlich würde sich auch die Gruppendynamik und -entwicklung in der Qualifizierungsmaßnahme einer Steuerung entziehen – gerade vor dem Hintergrund einer (regionalen) Vernetzung und Kooperation der Unternehmens- und Weiterbildungsberater im Kontext von Qualifizierungsberatung und der damit verbundenen regionalen Strukturbildung als wesentliche Projektziele konnte dieser Aspekt nicht vernachlässigt werden. Aufgrund dessen entschieden sich die Mitglieder der Curriculum-Entwicklungs-gruppe dafür, in allen Seminarterminen eine Seminarmoderation einzusetzen, die die Seminargruppe über die gesamte Qualifizierungsmaßnahme hinweg begleitet. Deren Funktion bestand darin, die inhaltliche Verknüpfung zwischen den einzel-nen Veranstaltungsterminen zu sichern und damit die Klammer der Qualifizie-rungsmaßnahme aufrechtzuerhalten.

4.2 Modulare Grundstruktur und Inhalte der Qualifizierung

Die Qualifizierungsmaßnahme ist inhaltlich und organisatorisch in fünf Module gegliedert. Ausgehend von der Bildungsbedarfsanalyse wurden Lern- und Bil-dungsziele erarbeitet, von denen die Modulinhalte abgeleitet und daran anknüp-fend die inhaltliche Struktur der Module entworfen wurde.

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432 K. Düsseldorff und M. Fischell

Die inhaltliche Struktur orientiert sich an einem idealtypischen Verlauf einer Qualifizierungsberatung, wie er in Handlungsleitfäden zur Qualifizierungs-beratung (Dobischat et al. 2008; Loebe und Severing 2007) abgebildet ist. Beginnend beim Zugang in die Unternehmen und dem Einstieg in den Beratungs-prozess (Modul 1) werden die Bedarfserhebung und -analyse (Modul 3) und daran anknüpfend die Umsetzung in Weiterbildung und Personalentwicklung bis hin zur Evaluation und Transfersicherung (Modul 4) thematisiert. Ergänzt werden diese Themenfelder durch anwendungsbezogene, betriebswirtschaftliche und organi-sationsbezogene Grundlagen (Modul 2), um das für eine organisationsbezogene Beratung notwendige Hintergrund- und Grundlagenwissen zu vermitteln. Den Abschluss bilden die Reflexion und der Transfer des Erlernten in die Beratungs-praxis sowie das Abschlusskolloquium, in dem einschlägige Abschlussarbeiten präsentiert und diskutiert werden (Modul 5).

Kennzeichnend für das Curriculum ist zudem, dass es inhaltlich und thema-tisch nicht über eine input-, sondern über eine outcome-definierte Struktur verfügt (in Analogie zu hochschulischen Modulhandbüchern).

Modul 1 „Grundlagen und Einstieg in die Qualifizierungsberatung für KMU“1

Das erste Modul der Qualifizierungsmaßnahme umfasst nach dem Einstieg in die Qualifizierungsmaßnahme die Themenblöcke „KMU und Weiterbildung“, „Qua-lifizierungsberatung als Organisationsberatung“, „Regionale und gesellschaftliche Strukturmerkmale“, „Qualifizierungsberatung als Bestandteil des betrieblichen Beratungsprozesses“, „Qualifizierungsberatung & arbeitsplatznahes Lernen“ und „Aufgaben- und Kompetenzprofile in der Qualifizierungsberatung“, unterneh-mensbezogene Merkmale von KMU sowie die Besonderheiten und Anforderun-gen an die Weiterbildung in KMU.

Modul 2 „Anwendungsbezogene betriebswirtschaftliche und organisations-bezogene Grundlagen“Im zweiten Modul werden mit einer praxisorientierten Perspektive Grundlagen unternehmerischen Handelns und Denkens sowie instrumentelles Handlungs-wissen der Betriebswirtschaftslehre und vor allem der Organisationsentwicklung vermittelt. Hierbei werden neben den betriebswirtschaftlichen und organisations-bezogenen Strategien, Instrumenten und Methoden vor allem unternehmerische Entscheidungen nachvollziehbar thematisiert und diskutiert.

1Bei der folgenden Darstellung der Module handelt es sich um eine auf Basis der Evaluati-onsergebnisse (siehe hier Abschn. 4) überarbeitete Fassung.

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Modul 3 „Unternehmensstrukturanalyse, Bildungsbedarfsanalyse“Nach den Grundlagen der Betriebswirtschafts- und Organisationslehre knüpft das Modul 3 inhaltlich an den im Modul 1 behandelten Einstieg in die Qualifi-zierungsberatung an. Im Mittelpunkt des dritten Moduls stehen die Erhebung und Auswertung organisations- und personenbezogener Daten zur Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs. Inhaltlich-strukturell ist dieses Modul in zwei Teile gegliedert. Zunächst sollen die Teilnehmenden zur Unternehmensstrukturanalyse Kenntnisse über und die Nutzung von Methoden, Instrumenten und Vorgehens-weisen zur Ermittlung und Auswertung organisations- und unternehmensbe-zogener (Rahmen- und Struktur-)Daten und Kennzahlen erwerben. Im zweiten Teil werden zur Bildungsbedarfsanalyse Quellen, Instrumente und Verfahren zur Erfassung von Kompetenzbedarfen auf der einen Seite und dem vorhanden Kom-petenzangebot und Entwicklungspotenzial auf der anderen Seite vermittelt.

Modul 4 „Weiterbildungsmanagement“Im Kontext der Themenfelder von Personalentwicklung und beruflich-betriebli-cher Weiterbildung setzt das vierte Modul den idealtypischen Ablauf eines Qua-lifizierungsberatungsprozesses fort. Bei einer entsprechenden Bedarfslage sollten die Qualifizierungsberater_innen ebenso die Weiterbildungsaktivitäten beratend unterstützen; die Durchführung der Weiterbildung obliegt nicht dem originären Beratungsprozess und sollte zur Vermeidung von Interessenkonflikten instituti-onell von der beratenden Organisation getrennt sein. Konkret werden zunächst Strukturmerkmale des Weiterbildungssystems vorgestellt und die Effekte für die Weiterbildung diskutiert. Im zweiten Schritt wurden institutionelle und organi-satorische Bedingungen betrieblicher Weiterbildung mit dem Fokus auf KMU thematisiert. Im weiteren Verlauf wurden der “klassische” Weiterbildungsprozess von der Ableitung von Bildungszielen aus Bildungsbedarfen, über die Programm- und Angebotsplanung und die verschiedenen Weiterbildungs- und Lernformen bis hin zur Evaluation und Transfersicherung des Gelernten in die Praxis, bearbeitet.

Modul 5 „Reflexion und Transfer in die Beratungspraxis“Zur Förderung und Unterstützung der angehenden Qualifizierungsberater endete die Qualifizierungsmaßnahme mit einem Modul zur Reflexion und zum Transfer der Inhalte und Methoden in die Beratungspraxis. So wurde die Qualifizierungs-maßnahme vor dem Hintergrund reflektiert, wie die Qualifizierungsberatung in das vorhandene Beratungs- und Geschäftsprofil des eigenen Unternehmens/des eige-nen Arbeitshandelns integriert werden kann. In diesem Zusammenhang standen noch einmal anknüpfend an Modul 1 der Zugang in die Betriebe und das eigene Marketing auf dem Seminarplan. Zudem wurden in der Gruppe Möglichkeiten

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434 K. Düsseldorff und M. Fischell

und Wege der Kooperation mit anderen Beraterinnen und Beratern auch im Kon-text der im Projekt entwickelten Kooperations- und Koordinationsstrukturen aus-gelotet.

Im Rahmen dieses letzten Moduls wurde am zweiten und insgesamt letz-ten Seminartag das Kolloquium durchgeführt, in dem die Teilnehmenden ihre Abschlussarbeiten präsentierten und im Kollegium diskutierten.

5 Evaluationsergebnisse

Bei der entwickelten und durchgeführten Schulungsmaßnahme handelt es sich um ein Modellvorhaben, das im Rahmen des Projektes evaluiert worden ist. Hierfür wurden zum einen durch die Seminarmoderatoren am Ende jedes einzel-nen Seminartages mündliche Feedbackrunden durchgeführt und die Ergebnisse schriftlich dokumentiert. Zum anderen fand zum Ende jedes Moduls eine schrift-liche Befragung der Teilnehmenden statt.

Insgesamt zeichnet sich bei der Evaluation eine hohe Teilnehmer_innenzufrie-denheit ab. Über vier Fünftel der 41 Teilnehmer_innen waren mit der Qualifizie-rungsmaßnahme zufrieden oder sehr zufrieden. Nicht nur in Bezug auf die gesamte Qualifizierungsmaßnahme, sondern auch in Bezug auf die einzelnen abgefragten Aspekte sind die Rückmeldungen der Teilnehmer_innen überwiegend positiv. Aus der schriftlichen Befragung ergab sich in der Tendenz eine hohe Zustimmung zu den behandelten Inhalten der Module und der Qualifizierungsmaßnahme insge-samt. So wurde der Lerneffekt von vier Fünfteln positiv bewertet sowie für über 90 % der Teilnehmer_innen die angekündigten Ziele in den Modulen erreicht. Ein wesentliches Kriterium für den Erfolg einer Qualifizierungsmaßnahme bil-den der Praxistransfer und die Praxisrelevanz der Inhalte – auch hier zeichnete sich ein überaus positives Bild ab. Der Innovationsgrad der Inhalte wurde dage-gen von den Teilnehmern_innen tendenziell niedrig eingestuft. Diese Beurteilung korrespondiert mit der Selbsteinschätzung der Befragten, dass sie bereits ein hohes Vorwissen über die Modulinhalte besitzen würden, was sich durch die Beratungs-erfahrung der Adressaten erklären lässt. Für die Curriculum-Entwicklungsgruppe bestätigt sich damit ihre Einschätzung und Konzipierung der Qualifizierungsmaß-nahme, deren Innovationsgrad nicht allein in den Inhalten selbst, sondern in der Zusammenführung interdisziplinärer Perspektiven, Methoden und Instrumente bestand. Insofern setzte sich der Schwierigkeitsgrad aus dem inhaltlichen Umfang und der durch die Interdisziplinarität zu bearbeitenden systemischen Komplexität zusammen. Beide Aspekte waren nach Ansicht der Teilnehmer_innen in der Ten-denz weder zu hoch noch zu niedrig angesetzt, wodurch sie sich weder über- noch

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unterfordert gefühlt haben. In den mündlichen Rückmeldungen wurde in Teilen auf Redundanzen zwischen den Modulen hingewiesen. Zudem wiesen einzelne Personen auf die nicht immer eindeutige Kohärenz der Qualifizierungsmaßnahme hin, die durch einzelne Exkurse sowie durch in Teilen fehlende inhaltliche Ver-bindungen zwischen den Seminaren beeinträchtigt gewesen sei. Im Kontext des Gesamtprojektes bildete die Vernetzung und Kooperation der Beraterinnen und Berater ebenfalls ein Ziel der Qualifizierungsmaßnahme. Hier zeigt sich, dass die Seminare bei fast allen Seminarteilnehmer–innen einen wesentlichen Beitrag zur Vernetzung und zum Austausch leisten konnten. Dazu trugen auch speziell die Moderatoren bei, die die Vernetzung und den regelmäßigen Austausch explizit anregten und aktiv unterstützten. Ihre Rolle und Funktion wurde als überaus wich-tig, hilfreich und wünschenswert eingestuft. Durch die Seminarmoderation, so die überwiegende Mehrheit der Rückmeldungen, konnte sich die beschriebene Qualifi-zierungsmaßnahme von vielen anderen Seminaren qualitativ absetzen.

6 Abschließende Bewertung und Ausblick zum Projekt

Mit dem vorliegenden Curriculum konnte eine bedarfs- und adressatengerechte Qualifizierungsmaßnahme entwickelt werden, die sich in der Erprobung bewährt hat. Nach kleinen Anpassungen und Ergänzungen konnte dem Projektträger ein Konzept und Curriculum vorgelegt werden, dass es nun gilt, in ein Regelange-bot zu überführen. Die Intention der Projektarbeit war es, (regionale) Strukturen zu entwickeln, zu etablieren und nachhaltig zu verankern, um die Angebots- und Trägerlandschaft der Qualifizierungsberatung zu ordnen, zu verstetigen und damit die Voraussetzungen für ein marktfähiges Angebot zu schaffen. Hierbei kommt der Ausbildung der Qualifizierungsberater eine wesentliche Bedeutung zu, auch um den Vorwurf der mangelnden Professionalität und der mangelnden Profilbildung entgegentreten und entkräften zu können. In der Ordnung eines Dienstleistungsmarktes spielt die Qualifikation der handelnden Arbeitskraft eine entscheidende Rolle. Der Qualifikationsnachweis signalisiert ein Kompetenz- und Wissensprofil des Qualifikationsträgers und schafft damit bei dem Abnehmer Ver-trauen und Zuversicht in den Erfolg und die Qualität der Beratungsdienstleistung. Somit bildet ein etabliertes, reguläres Qualifizierungsangebot einen wesentlichen Initialzünder einer Marktentwicklung und zur Schaffung einer Angebotsland-schaft für die Qualifizierungsberatung für KMU.

Nicht hingegen konnte das erfolgreich durchgeführte, erprobte, evaluierte und abschließend überarbeitete Qualifizierungsmodell als standardsetzendes Angebot

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sowie als qualifikatorischer Basisnachweis (etwa für Qualifizierungsberatungs-Förderlinien) genutzt und verstetigt werden. Entgegen der ursprünglichen Hoff-nungen und Intentionen der Projektinitiatoren (beauftragendes Ministerium und Projektgruppe) ergab sich bislang keine auch nur ansatzweise als Regulierung oder als Formalisierung erkennbare Folge aus den Projektergebnissen. Diese hät-ten aus der Perspektive der aktiven Arbeitsmarktpolitik, der Weiterbildungspolitik und/oder aus der Wirtschaftspolitik aufgegriffen und mit Blick auf die manifesten „Professionalisierungsdefizite“ respektive der Professionalitäts- und Qualitätsun-sicherheiten der Weiterbildung ja durchaus genutzt werden können. Hier wären etwa die Akteure der Mittelstandspolitik als Promotoren denkbar; auch wäre möglich gewesen, dass Branchen und/oder Verbände, die in den Projektbeiräten der Modellregionen als Mitglieder fungierten, mögliche Treiber von Anschluss-handlungen geworden wären. Auch bestand die Option, die Qualifizierung als „Kammermodell“ oder als Referenzmodell für die HWKs und IHKs (Handwerks-kammern bzw. Industrie- und Handelskammern), die ebenfalls Mitglieder in die Beiräte delegiert hatten, für ihre mittelständigen Unternehmen anzubieten und für die Betriebsberater_innen der Kammern zu nutzen. Allein dazu fehlten wohl der Wille oder die Umsetzungsbereitschaft.

Damit ist ein grundsätzliches und bislang nicht gelöstes Manko erneut und unterlegt angesprochen: Solange Qualifizierungsberatung für KMU zwar als kri-tischer Erfolgsfaktor für die Intensivierung der betrieblichen Weiterbildung eti-kettiert wird, die nach wie vor offene Qualitätsfrage der Qualifizierungsberatung auf der Anbieterseite festgestellt und bedauert wird, dass der Beratungsmarkt sich einer Konsolidierung durch Formalisierung und Standardisierung auf der Profes-sionsebene entzieht und „Curricularisierung“ als Teil der Weiterbildungsprofessi-onalisierung als ein ungelöstes Medium verbleibt, werden betriebliche Supports für mittelständische Unternehmen qualitativ weiterhin als kontingente, „zufallsof-fene“ Beratungsdienstleistung verbleiben. Und gerade dieser Fehlstellung sollte das Projekt entgegenwirken (und hätte es gekonnt, denn sowohl die Qualifizierten als auch die in den Beiräten eingebundenen Akteure sowie die weiteren „Beob-achter“ des Projekts wie die Wirtschaftsvertreter in den Regionen, die Arbeit-nehmervertreter und einzelne Betriebe, die in der Praxisphase der Qualifizierung sowie der Transferphase eingebunden waren, zollten dem Ansatz ihre inhaltliche und methodische Zustimmung).

Damit verweist dies auf die von Dieter Nittel in diesem Band beschriebenen Schwierigkeiten in der Weiterbildung, professionelles Handeln und Professio-nalität zu institutionalisieren, das Mandat der Handelnden formal zu legitimieren und Berufsrollenträger zu lizenzieren. In der Qualifizierungsberatung für KMU hätte hier ein kleiner Ansatz zur exemplarischen Überwindung der Probleme vor-liegen können, leider geht aus diesem Beitrag aber eine Bestätigung hervor, dass

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437Qualifizierungsberatung für Kleine und Mittlere Unternehmen …

dies – ein weiteres Mal – nicht gelungen ist. Und gerade diesen Beleg wollten die Projektbeteiligten eigentlich nicht (erneut) liefern. Es wäre aber zukunftsweisend angezeigt, die Ursachen für das angedeutete Scheitern aufzulösen. Nur: Das bedeu-tete ein völlig neues und anderes Forschungsprojekt, würde aber der Professionali-sierungsforschung in der Weiterbildung ggf. interessante Befunde bereitstellen.

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Über die Autoren

Prof. Dr. Karl Düsseldorff Arbeitsschwerpunkte: Weiter-bildungsforschung, historische Jugendforschung, Betrieb-liche Weiterbildungsforschung.

Dr. Marcel Fischell Arbeitsschwerpunkte: Beschäftigung und Professionalisierung in der Weiterbildung, System-struktur und Steuerung in der Weiterbildung, Qualifizie-rungsberatung.

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Die Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen

Ernst Dieter Rossmann

ZusammenfassungDer Beitrag rückt das Weiterbildungspersonal an Volkshochschulen vor dem Hintergrund der bestehenden spezifischen Strukturen und Herausforderun-gen aus Sicht der einzelnen VHS und des Deutschen Volkshochschulverban-des (DVV) als ihrem Interessenverband in den Mittelpunkt. Im Zentrum steht dabei insbesondere das Spannungsverhältnis, das zwischen der historisch gewachsenen diversifizierten Angebots- und Nachfragestruktur und nebenbe-ruflichen Verfasstheit des Weiterbildungspersonals auf der einen Seite sowie der gegenwärtigen Herausforderung der VHS auf der anderen Seite besteht, ihren steigenden Personalbedarfen und –konkurrenzen mit neuen Personalent-wicklungs- und Bindungsstrategien begegnen zu müssen. Vor diesem Hinter-grund werden im Beitrag Zukunftsperspektiven zum Weiterbildungspersonal und entsprechend benötigte politische und institutionelle Strategien vorgestellt, damit die VHS ihrem breiten Bildungsauftrag auch zukünftig durch einen qua-litativ wie quantitativ angemessenen Personalbestand gerecht werden können.

1 Vorbemerkung

So viel Vorbemerkung muss sein: Als aktiver Vorsitzender des Deutschen Volkshoch-schulverbandes (DVV), des Dachverbandes der 16 Landesorganisationen und ihrer über 900 eigenständigen Volkshochschulen, und als aktiver Bundestagsabgeordneter,

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_20

E. D. Rossmann (*) Vorsitzender, Deutscher Volkshochschulverband, Jakob-Kaiser-Haus 2, Platz der Republik, 11011 Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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der wissenschaftlicher Arbeit schon lange entwöhnt ist, ist es wahrlich nicht einfach, zur Personalfrage als einem zentralen Thema aller Volkshochschulen mit einer ver-bandspolitischen, einer wissenschaftlichen und natürlich letztlich auch allgemeinen politischen Haltung Stellung zu nehmen. So reizvoll die Verbindung der verschie-denen Aufgaben und deren Ausgestaltung an den verschiedenen „Fronten“ ist, so schnell können sich dann die verschiedenen Zugänge und Rollen vermischen und dazu beitragen, dass glasklare Antworten und kohärente Zukunftskonzepte nicht so einfach zu entwickeln sind. Dies gilt umso mehr, als insbesondere Personalfragen immer sehr komplex sind, in ihrer Ausformung in der Regel sehr differenziert und in ihrer programmatischen wie praktischen Umsetzung gerade im Bereich der Volks-hochschulen obendrein noch sehr an die jeweiligen lokalen Bedingungen und Mög-lichkeiten gebunden. Eine mit quasi Vorstandsautorität versehene programmatische Positionsbestimmung, die dann für alle Landesverbände und alle Volkshochschulen in Deutschland gelten könnte, verbietet sich dabei nicht nur aus der Gesamtstruktur des Volkshochschulwesens in Deutschland, sondern auch aus pragmatischen Grün-den und aus (verbands-)politischer Klugheit.

Dass die Volkshochschulen um einen solchen besonderen Beitrag gebeten worden sind, steht für die herausragende Bedeutung der Volkshochschulen in der Vielfalt der Weiterbildungslandschaft. Die Erfahrungen beim Schreiben eines sol-chen Beitrags zeigen zugleich, dass die Volkshochschulen in ihren Einrichtungen wie auf jeder Verbandsebene zusammen mit allen Betroffenen und Beteiligten die Fragen der Rekrutierung, der Unterstützung und der Entwicklung ihres Personals noch intensiver diskutieren müssen, um zu bündigen Positionen und Strategien zu kommen.

2 Die Volkshochschulen – eine erstaunliche Institution im Bildungswesen

2.1 Das Leitmotiv der freien Erwachsenenbildung

Im Jahre 2019 können die deutschen Volkshochschulen ihr hundertjähriges Bestehen feiern. Nachdem es bereits vorher schon zu Initiativen im deutschen Bildungsbürgertum wie in der klassischen Arbeiterbewegung gekommen war, der allgemeinen Weiterbildung von Erwachsenen einen institutionellen Rahmen zu geben, erfolgte mit der neuen demokratischen Reichsverfassung von 1919, in der die Förderung des Bildungswesens einschließlich der Volkshochschulen erstmals zur gesamtstaatlichen Verpflichtung und Gestaltungsaufgabe wurde, dann der politische Durchbruch. Die Volkshochschulen als Organisationen von

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441Die Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen

Selbstbestimmung im Lernen und von Freiheit in der Bildung sind von ihrer Geschichte wie ihrem Wesen her „Kinder der Demokratie“. Dieses historische Herkommen hat die Volkshochschulen bis in die Gegenwart hinein geprägt: Mit ihrem humanistischen Bildungsverständnis und ihrer Besinnung auf die Prin-zipien von Aufklärung und Rationalität. Mit ihrem Eintreten für das Recht auf Bildung und Weiterbildung für jeden Menschen. Mit ihrer Ausrichtung an der Gemeinnützigkeit und der kommunalen Verankerung und mit ihrer weitreichen-den Flexibilität in der Organisation und der prinzipiellen Pluralität ihrer Teilneh-merschaft. Volkshochschule ist von den Teilnehmenden her entstanden und muss immer wieder auf die Teilnehmenden zurückbezogen und von deren Interessen und Bedürfnissen her gedacht werden.

Rita Süssmuth, die langjährige Präsidentin des DVV, führt hierzu in der aktuell gültigen Standortbestimmung der deutschen Volkshochschulen von 2011 program-matisch aus:

Volkshochschulen in öffentlicher Verantwortung sind Orte gesellschaftlicher Integration. Sie sind Orte ganzheitlichen Lernens, nicht in homogenen, sondern heterogenen Lerngruppen mit unterschiedlichen Ausgangspositionen und Bildungs-bedürfnissen. Volkshochschulen trennen nicht, sondern verbinden, teilen nicht auf nach sozialer Herkunft, akademischer und nicht–akademischer Ausbildung. Gemeinsam lernen ist kein Slogan, sondern Praxis mit dem Anspruch der indivi-duellen Förderung und der Differenzierung im Unterricht. Für die einen beginnt es mit einem Alphabetisierungskurs oder einem nachholenden Schulabschluss, für die anderen mit Sprachenlernen oder Interesse an modernen Medien, Gesundheits- oder Umweltbildung. Beides ist möglich: Lernen als zweite Chance sowie erweiterndes und fortschreitendes Lernen. Was Volkshochschulen ausmacht, ist die Art des Ler-nens, der Umgang zwischen Dozentinnen und Dozenten und Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Lernen und Begegnung bilden eine Einheit. Lernen in der Volkshoch-schule beruht weitgehend auf Freiwilligkeit, der Freiheit, das zu wählen, was dem individuellen Bildungsbedürfnis entspricht oder als dringliche Notwendigkeit ange-sehen wird. Menschen spüren, welches Wissen und welche Kompetenzen sie für ihre Teilhabe am beruflichen, sozialen, politischen oder kulturellen Leben brauchen (DVV 2011, S. 6 f.).

Entsprechende Orientierungen hatten sich bereits vorher auch in den vielen Leit-bildern zur Volkshochschularbeit auf Landesebene gefunden, wie sie gerade seit der Jahrhundertwende mit dem wachsenden Legitimationsdruck auf die allge-meine Weiterbildung in vermeintlicher Konkurrenz zur beruflichen Weiterbildung und dem Bedürfnis nach Identitätsschärfung von den Landesverbänden und ein-zelnen Volkshochschulen verabschiedet worden sind (vgl. z. B. Landesverband der Volkshochschulen Niedersachsens 2004).

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442 E. D. Rossmann

2.2 Die Struktur der Volkshochschulen: Vielfalt in der Einheit

Das Grundmodell der VolkshochschulenDie Vielfalt im Inhalt, dem Niveau und der Qualität der Angebote und dem didaktischen und methodischen Lernarrangement wie auch im gesamten institu-tionellen Binnenklima und erweiterten kommunalen Umfeld führen in der Perso-nalfrage dazu, dass es eine große Verschiedenheit in dem Status der Beschäftigten und Mitarbeitenden an Volkshochschulen geben muss. Von ihrer Gründung an haben Volkshochschulen die Breite, die Aktualität und die Flexibilität ihres Ange-botes dadurch sichergestellt, dass sie sich auf eine große Zahl von themenbezo-genen Dozentinnen und Dozenten gestützt haben, die nur mit einem Teil ihrer Wochen- wie Lebensarbeitszeit an Volkshochschulen gearbeitet haben.

Auch darin unterscheiden sich Volkshochschulen von allen anderen Bildungs-einrichtungen, in denen das Personal bis auf wenige Ausnahmen mit ihrer über-wiegenden Arbeitszeit an diese Institutionen gebunden ist, und zwar dauerhaft oder jedenfalls über eine längere Zeit, mit einer explizit auf die Institution bezo-genen Ausbildung bzw. Studium und mit einschlägigen arbeits- und sozialrecht-lichen Rechten und Pflichten. Das VHS–Modell ist auch deshalb so stark in der Freiberuflichkeit verankert, weil diese nicht nur zur breiteren Verankerung in der Gesellschaft beiträgt, sondern besonders vielfältig und aktuell Kompetenzen aus der Tätigkeit in anderen Berufsfeldern oder der selbstständigen Spezialisierung einbezieht.

Professionalisierung und HauptamtlichkeitDie Professionalisierungsdebatte und die fortschreitende Professionalisierung in der Erwachsenenbildung, wie sie in der beruflichen Weiterbildung begonnen hat und dann partiell auch in der allgemeinen Weiterbildung angekommen ist, haben dazu geführt, dass es eine zunehmende Zahl von hauptberuflichen Leitungskräf-ten gegeben hat. Dies ist erfolgt, um insbesondere die Programmentwicklung und deren Umsetzung mit der Vielfalt der freien Dozentenschaft zu garantieren und auf ein bestimmtes notwendiges Niveau zu heben. Diese Hauptamtlichkeit setzt dann allerdings eine bestimmte Größe der jeweiligen Einrichtungen oder des ortsübergreifenden Verbundes voraus. Mit zunehmender Mobilität von Lernenden wie Lehrenden und den wachsenden Ansprüchen an Kompetenz, Qualität und Spezialisierung ist zu erwarten, dass das Verhältnis zwischen gebundener Haupt-amtlichkeit in Lehre, Management, Beratung und Begleitung in erweiterten Kom-munikations- und Lernwelten und freier selbstständiger Dozenten-Tätigkeit auch für den Bereich der Volkshochschulen Veränderungen erfahren wird.

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Dabei wird dann zu unterscheiden sein zwischen Professionalität, die immer schon ein Merkmal von qualitätsvoller Erwachsenenbildung in Volkshochschu-len gewesen ist, und Professionalisierung über feste umfassende Stellen, die in ausschließlicher Form zu den traditionellen Stärken und Qualitäten von Volks-hochschularbeit in Gegensatz treten könnten. Neue Entwicklungen und Rah-menbedingungen führen zwar dazu, dass im Bereich der Lehre insbesondere bei langlaufenden Kursen mit einer hohen Zahl von Unterrichtsstunden Festanstel-lungen vorangetrieben werden, aber eben nicht im Sinne einer Ausschließlichkeit. Denn eine Volkshochschule nur mit hauptamtlichen Dozenten in Festanstel-lung wäre nicht mehr Volkshochschule in der freien Vielfalt von Angeboten der Dozenten und von Nachfragen der Teilnehmenden, sondern ein Erwachsenenbil-dungsträger im Bereich der allgemeinen Weiterbildung, wie es sie im beruflichen Bildungsbereich vielfach schon gibt.

Die kommunale Verankerung und die Pluralität in der OrganisationDie grundsätzlich freie Zugänglichkeit zu Volkshochschulen für Menschen in all ihrer Verschiedenheit und ihr freies Anrecht auf die Nutzung der Angebote sind sicherlich die größte Besonderheit der Volkshochschule. Ein weiteres Merkmal ist, getreu dem Herkommen aus kommunaler Verantwortung und der Nähe zu den jeweiligen besonderen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Gemeinden, Kreise und Städte, die ganz unterschiedliche Breite im Angebot der Veranstaltungen im engeren und der Lernwelten im erweiterten Sinne. Das Spektrum in Deutsch-land reicht hier von der größten Volkshochschule in München bis zu einer der kleinsten auf der Hochseeinsel Helgoland mit ihren einzigartigen Bedingungen. In ihrem Kern sind die Volkshochschulen kommunal initiiert und kommunalpoli-tisch verantwortet, mag die jeweilige Organisationsform dabei durchaus verschie-den sein zwischen Volkshochschulen als Teil einer Verwaltung, als Eigenbetrieb, als gemeinnützige GmbH oder als selbstständiger Verein.

Volkshochschulen waren und sind nicht über Gesetze und Verordnungen nor-miert, wie es alle anderen Institutionen im Bildungsweg der Menschen sind, angefangen von den Kindertagesstätten über die Schulen, die beruflichen Bil-dungseinrichtungen bis zu den Hochschulen. Sie stehen auch nur dort unter den rechtlichen Bedingungen aus Bund wie Ländern, wo sie besondere Aufgaben nach den Arbeitsförderungsgesetzen oder dem Staatsbürgerschaftsrecht bzw. den Integrationsgesetzen wahrnehmen. Besondere Erwachsenenbildungsförderungs-gesetze auf Landesebene sind allerdings die Ausnahme. Der Begriff der Volks-hochschule ist nicht rechtlich geschützt.

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Die Vielfalt der PersonalverhältnisseDas Bemühen und die prinzipielle Berechtigung, vor Ort in kommunaler Verant-wortung eine je ganz eigene und besondere Struktur der Volkshochschularbeit zu finden und zu verankern, bringt zwangsläufig eine sehr große Vielfalt der Per-sonalverhältnisse mit sich, die auch nicht von oben her, sei es über den Dach-verband oder die einzelnen Landesverbände, zu vereinheitlichen ist. Hier sind vielmehr verbandlich angestoßene und gegebenenfalls auch in harten Auseinan-dersetzungen Schritt für Schritt freiwillig oder aus der Notwendigkeit geborene strukturelle Anpassungen zu beobachten, um eine bestimmte sinnvolle Größe, Angebotsbreite, Professionalität und Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Kreisvolks-hochschulen, Volkshochschulverbünde oder das vielfach gewählte Modell der Volkshochschule mit Außenstellen sind hier die Lösungen der Wahl. Für die Per-sonalfragen heißt dieses aber, dass in deren Bewertung und Weiterentwicklung differenzierte Bedingungen einzubeziehen und zu respektieren sind.

Der Gesetzgeber auf Bundesebene und vor allen Dingen auf Landesebene, die von der Zuständigkeit für die allgemeine Weiterbildung hierzu das Recht und eigentlich auch die Pflicht hätte, allgemeine Weiterbildung und auch spezi-ell Erwachsenenbildung in Volkshochschulen abzusichern, kommt dieser Aufgabe noch nicht durchgängig und konsistent nach. Entsprechend gilt es, hier erst recht mit der föderalen Vielfalt der Bundesstaaten umzugehen.

Der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) und die Eigenständigkeit der Volkshochschulen und der LandesverbändeEigenständigkeit hat auch einen hohen Stellenwert gegenüber dem Dachver-band der Volkshochschulen, in dem nicht einzelne Volkshochschulen, sondern nur die jeweiligen 16 Landesorganisationen der Volkshochschulen Mitglieder sind. Diese Landesorganisationen sind zwischen Stadtstaaten und Flächenlän-dern vielfach sehr verschieden verfasst. Personalfragen, die über den gesetzlichen und tariflichen Regelungsbereich hinausgehen, sind deshalb nicht für alle Volks-hochschulen einheitlich geregelt, sondern hängen von den jeweiligen örtlichen Bedingungen und Möglichkeiten, von der Konzeption und dem Selbstverständnis der einzelnen Volkshochschulen und ihren Landesverbänden und der Bereitschaft zu gemeinsamen Diskursen und Beschlüssen auf der Landesebene und auf der Bundesebene des DVV ab.

Das schließt sehr konkrete Initiativen und Festlegungen im Einzelfall und an bestimmten Schlüsselstellen der Personalgestaltung und –entwicklung aber nicht aus. Denn die Stärke der Volkshochschulen als nationale Organisation der all-gemeinen Weiterbildung macht aus, dass sie bei aller Vielfalt diese bundesweite Einheit immer wieder neu bestimmen und weiterentwickeln kann. Damit ist sie

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auch „im internationalen Vergleich … in Organisationstiefe und –breite eine ein-malige Institution“ (Bastian et al. 2004, S. 14).

3 Die Dimensionen der Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen

3.1 Die Empirie des Status quo

Zur Trägerstruktur und FinanzierungWie die letzte verfügbare Volkshochschulstatistik aus dem Jahr 2014 (Huntemann und Reichardt 2015) ausweist, auf die sich die folgenden Ausführungen im Wesentlichen beziehen, ist die Zahl der Mitgliedseinrichtungen leicht rückläufig. War die Zahl von 1000 Volkshochschulen in Deutschland jahrelang der Standard, sind aktuell 907 Mitgliedseinrichtungen in den 16 Volkshochschul–Landes-verbänden registriert. Der Rückgang ist dabei allerdings nicht gleichzusetzen mit einem entsprechenden Rückzug aus der Fläche, sondern dürfte vielmehr zu einem relevanten Teil auf Übernahmen, Zusammenschlüsse und Kooperationen zurückgehen.

Die Trägerstruktur der Volkshochschulen zeigt sich dagegen als sehr stabil. Seit langem und nur mit geringen Schwankungen im Jahresvergleich befinden sich mehr als drei Fünftel der Volkshochschulen in kommunaler Trägerschaft (Gemeinde, Kreis) oder in interkommunaler Kooperation als Zweckverband. Bei knapp einem Drittel der Volkshochschulen ist der Rechtsträger ein eingetragener Verein. Die Zahl der GmbHs oder sonstiger privater Träger liegt bei 5 %.

Die Finanzierung erfolgt zu 40,5 % aus Teilnahmegebühren. 40,4 % kommen aus öffentlicher Förderung, wobei die Gemeinden mit 21,7 % den größten Anteil stellen, die Landeszuschüsse bei 13,7 % liegen und die Kreise 5 % beisteuern. Drittmittel von Bund, Förderungen nach dem Sozialgesetzbuch, EU–Mittel und sonstige Einnahmen belaufen sich auf 19,1 %.

Die Ausgaben der Volkshochschulen liegen im Jahr 2014 bei 1,05 Mrd. EUR. Davon entfallen 73,1 % auf Ausgaben für Personal. Die Ausgaben für das haupt-berufliche Personal bleiben konstant bei 41,7 %. Honorare und Reisekosten für freie Mitarbeitende erreichen leicht erhöht einen Anteil von 30,8 % an den Gesamtausgaben. Diese Ausgabenpositionen sind nach Bundesländern sehr unter-schiedlich gewichtet. Für hauptberufliches Personal wenden die Volkshochschu-len beispielsweise in Brandenburg und in Sachsen–Anhalt über die Hälfte ihrer Ausgaben aus, in Berlin sind es dagegen weniger als 30 %.

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Die Personalstruktur in den Volkshochschulen und anderen Weiterbildungs-einrichtungen im VergleichDer Weiterbildungsbereich in Deutschland, wie im Übrigen auch in vielen ande-ren Ländern, ist kein klar strukturierter und abgrenzbarer Bereich, in dem es nicht nur eine große Trägervielfalt und sehr differierende Finanzierungsformen gibt, sondern auch eine Fülle an Bezeichnungen für das Weiterbildungspersonal wie Erwachsenbildnerin, Weiterbildnerin, Bildungsmanagerin, Dozentin, Lehrende, Kursleiter, Trainer, Berater, Lernbegleiter, Moderator, Coach etc. Diese bei Kraft (2009) genannten Titulierungen sind weder präzise definiert noch handelt es sich um geschützte Berufsbezeichnungen.

Zur Durchdringung der Beschäftigungssituation bietet sich deshalb an erster Stelle nicht eine Analyse nach diesen frei flottierenden Bezeichnungen an, son-dern nach den Erwerbsformen, der Form der Beschäftigungsverhältnisse, den unterschiedlichen Funktionen und der Professionalisierung.

Der jüngste Nationale Bildungsbericht (Autorengruppe Bildungsberichterstat-tung 2016, S. 151 ff.) enthält erstmals nähere Informationen zur Personalsituation in der Weiterbildung und nimmt in seiner Darstellung die entscheidende Diffe-renzierung von Haupt- und Nebenerwerbstätigkeit auf. Die annähernd 700.000 Beschäftigten des Weiterbildungssektors, die aufgrund von Mehrfachbeschäfti-gungen etwa 1,3 Mio. Beschäftigungsverhältnisse repräsentieren, gliedern sich nach den Hochrechnungen des Personalmonitors von BIBB, DIE und der Univer-sität Duisburg–Essen danach zu gleichen Teilen in Haupt-und Nebenerwerbstä-tige mit 41 % bzw. 42 % und zu 17 % in Sonstiges (z. B. ehrenamtlich Tätige, Praktikanten etc.).

Hiervon weichen die Volkshochschulen sehr stark ab. Der mit 87 % höchste Anteil an den Beschäftigten der Volkshochschulen entfällt auf die selbstständigen Honorarkräften. Festangestellte machen dagegen nur einen Anteil von 6 % aus. Der Rest verteilt sich auf sonstige und geringfügig Beschäftigte. Die Ehrenamt-lichen, die im gesamten Weiterbildungsbereich zu 10 % das Personal stellen, und hier vor allen Dingen bei Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Ver-bänden, sind bei den Volkshochschulen dagegen nur minimal im Einsatz.

Auch bei den Arbeitszeiten unterscheiden sich die Volkshochschulen stark von dem Durchschnitt der übrigen Weiterbildungseinrichtungen. Die durchschnitt-lichen wöchentlichen Arbeitszeiten schwanken bei Nebenerwerbstätigen je nach Einrichtung zwischen 4,7 und 7,7 h, wobei die Volkshochschulen mit 5,2 im unte-ren Bereich und die privaten gemeinnützigen und privaten kommerziellen Einrich-tungen deutlich im oberen Bereich anzutreffen sind. Eine gleiche Relation findet sich auch bei den Haupterwerbstätigen, die im Durchschnitt 31 h die Woche arbei-ten, mit einer Schwankungsbreite von 23 Wochenstunden bei den Volkshochschu-len und 34 h bei den privaten gemeinnützigen wie betrieblichen Einrichtungen.

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Eine Erklärung kann hier auch in den deutlich höheren Anteilen von Frauen an den Haupt- wie Nebenerwerbstätigen im Volkshochschulbereich und der stärkeren Inanspruchnahme von Teilzeitstellen durch Frauen liegen.

Die Relation von hauptberuflichem und neben- bzw. freiberuflichem Perso-nal in den VolkshochschulenZu den geschätzten 280.000 hauptamtlich Beschäftigten im gesamten Weiterbil-dungsbereich steuern die Volkshochschulen den relativ geringen Teil von 3160 Stellen für pädagogisch Mitarbeitende und von 3900 Stellen für hauptamtlich Mitarbeitende in der Verwaltung bei. Dabei ist annähernd jede vierte hauptberuf-liche Stelle bei den pädagogisch Tätigen befristet, was Stellen mit lehrenden Auf-gaben mit 13,6 % häufiger betrifft als solche mit planenden Aufgaben. Bei den Verwaltungsstellen ist die überwiegende Zahl dagegen unbefristet (91,2 %). Ins-gesamt 689 Volkshochschulen wurden im Jahr 2014 hauptberuflich geleitet, was einem Anteil von 76,6 % entspricht. Bei den 210 nebenberuflich geleiteten Volks-hochschulen handelt es sich überwiegend um Einrichtungen mit einem Unter-richtsvolumen unter 5000 h.

Auch hier zeigen sich sehr unterschiedliche Stellenaufteilungen in den einzel-nen Bundesländern. Haben die kleinen Bundesländern wie das Saarland und Bre-men oder auch Bundesländer mit relativ kleinteiligen Volkshochschulstrukturen wie Schleswig–Holstein um die 90 % der hauptamtlichen Kräfte nur in der Lei-tungstätigkeit, weisen große Bundesländer wie Bayern, Baden–Württemberg und NRW einen signifikanten Personalanteil mit ausschließlich pädagogisch–planen-den Tätigkeitsfeldern auf.

Im Unterschied zu den übrigen Weiterbildungsträgern ist bei den Volkshoch-schulen der Anteil des neben- und freiberuflichen Personals besonders hoch. Von den geschätzten 280.000 Neben- und Freiberuflern insgesamt stellen alleine die Volkshochschulen rund 188.000. Setzt man diese Zahl in Beziehung zu den durchgeführten Kursveranstaltungen, so ergeben sich 3,2 Veranstaltungen pro Kursleitung. Die Zahl der Kursleitenden ist dabei in dem Zeitraum von 1991 bis 2009 deutlich um 20.000 Personen angestiegen. Der Höchststand wurde 2004 erreicht mit knapp 200.000 Personen. Aktuell pendelt sich die Zahl bei rund 190.000 ein.

Qualifizierung und professionelle Basis der MitarbeiterschaftEine akademische Laufbahndefinition für Weiterbildende existiert nicht, wie der Nationale Bildungsbericht 2016 (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016) noch einmal feststellt. Deshalb wird die Professionalität der in der Weiterbil-dung Tätigen auf Basis eines Personalmonitorings anhand von zwei Merkmalen

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beschrieben: dem allgemeinen Ausbildungsniveau und dem Abschluss eines päd-agogischen Studiums. Über alle Weiterbildner hinweg ist das durchschnittliche Ausbildungsniveau des Personals relativ hoch. Knapp zwei Drittel haben ein Stu-dium absolviert und auch das letzte Drittel hat einen beruflichen Abschluss, die Hälfte davon sogar einen Meister- oder Technikerabschluss.

Die Volkshochschulen liegen hierbei mit einem Personalanteil von 67 % ohne pädagogisches Studium nur einen Punkt unter dem Durchschnittswert aller Wei-terbildungseinrichtungen. Auch beim pädagogischen Nebenfachstudium mit 6 % und beim Hauptfachstudium mit 26 % liegen sie jeweils dicht an den allgemeinen Durchschnittswerten. Konkret zum Umfeld der Beschäftigung weist die Struk-tur der Kursleitenden dabei 2014 über 7200 Personen aus, die im Hauptberuf als Lehrer beschäftigt sind, über 8500 examinierte Lehrkräfte, die aber nicht im Lehrberuf arbeiten, und über 171.000, die aus anderen nicht lehrenden Berufen bzw. Branchen kommen.

Einkommen des Personals an VolkshochschulenZur Einkommenssituation in der Weiterbildung stellt der Nationale Bildungsbe-richt zusammenfassend fest:

Nach Weiterbildungsinstitutionen differiert die Einkommensstruktur beträchtlich. Gemessen an den beiden höchsten und niedrigsten Einkommensgruppen stehen die privaten kommerziellen wie auch die privaten gemeinnützigen Einrichtungen sowie die Berufsschulen/Hochschulen mit in etwa der Hälfte der Erwerbstätigen in den beiden höchsten Einkommensgruppen in der oberen, die betrieblichen/wirtschafts-nahen Einrichtungen sowie die zivilgesellschaftlichen Weiterbildungsorganisationen und die Volkshochschulen – an letzter Stelle – in der unteren Hälfte (s. Autoren-gruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 154).

Die Zahlen für die Volkshochschulen lauten hier konkret, dass ein Bruttoeinkom-men über 2750 EUR von 19,6 % der Haupterwerbstätigen erzielt wird, von 1751 bis 2750 15,8 %, von 851 bis 1750 EUR 21,4 %, von 451 bis 850 14,9 % und bis 450 EUR 28,4 %. Damit unterscheiden sich die Volkshochschulen im Ein-kommensgefüge markant von allen anderen Weiterbildungsträgern. Die höheren Bruttoeinkommen werden sich im Wesentlichen auf das hauptamtliche Personal beziehen, das in der Regel den einschlägigen Tarifvereinbarungen für den kom-munalen öffentlichen Dienst unterliegt oder in Anlehnung hieran bezahlt wird.

Die Durchschnittssätze pro Unterrichtsstunde werden differenziert von media-fon, einem ver.di-Beratungsservice für Selbstständige (mediafon, Schulz-Ober-schelp 2012) ermittelt und vom Netzwerk Weiterbildung in ver.di ausgewertet.

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Auch wenn die konkreten Honorarsätze sich über die letzten sechs Jahre schon durch die Preissteigerungen allgemein nach oben entwickelt haben dürften, sind die Relationen über die verschiedensten Bereiche für sich genommen interes-sant. EDV, Hochschulunterricht, berufliche und politische Bildung lagen damals schon im oberen Bereich über 20,00 EUR pro Unterrichtsstunde, VHS–Kurse im Durchschnitt dagegen unter 20 EUR. Nach dieser Studie sollen die Honorare für Fremdsprachen und VHS–Kurse in Relation zu anderen Kursen dann leicht gesunken sein, während die Honorare in den Bereichen Deutsch als Fremdspra-che und Integrationskurse moderat angestiegen sein sollen. Aktuelle Zahlen über die Honorarsätze in den Volkshochschulen der verschiedenen Bundesländer und der verschiedenen Größen und Strukturen liegen dagegen nicht vor. Sie sind auch nicht Gegenstand der Volkshochschulstatistik des DIE.

Geschlecht und Herkunft im WeiterbildungspersonalDie annähernd 700.000 Beschäftigten des Weiterbildungssektors verteilen sich ausweislich des Nationalen Bildungsberichts zu annähernd gleich großen Teilen auf Männer und Frauen. Der Anteil der Männer an den Haupterwerbstätigen liegt danach bei 43 %, bei den Nebenerwerbstätigen bei 54,7 % und bei dem sonsti-gen Personal bei 16,5 %. Davon weichen die Volkshochschulen allerdings in viel-facher Hinsicht ab. Denn bei diesen sind bei den hauptberuflichen allgemeinen Leitungskräften 50,8 % Frauen, bei den hauptberuflichen pädagogischen Kräften 70,3 % und im Verwaltungsbereich Frauen 80,5 %. Bei den Kursleitenden schließ-lich liegt der Frauenanteil in den letzten fünf Jahren konstant bei 67 %. Damit ist die Volkshochschule nicht nur vom Geschlecht der Teilnehmenden zu 75,3 % weiblich, sondern auch vom Personal her (vgl. Huntemann und Reichardt 2015).

In Bezug auf einen Migrationshintergrund erweist sich die Erwachsenenbil-dung im Vergleich zu allen Erwerbstätigen als eher unauffällig, wobei es über alle anderen Bildungsbereiche hinweg sehr deutliche Abweichungen gibt. Für alle Erwerbstätigen liegt dieser Wert bei 17,6 % und in der Erwachsenenbildung bei 20,5 %. Im Primarbereich hat man dagegen nur einen Anteil von 11,5 % und im Sekundarbereich von nur 8,5 % feststellen können (vgl. DIE 2014).

3.2 Einige Trends und Zusammenhänge

Diese Fülle an Einzeldaten lässt sich in einigen Zusammenhängen bündeln und zu absehbaren Trends zusammenfassen:

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1. Die Volkshochschulen sind mit ihren Angeboten zur allgemeinen Weiterbil-dung auch in Konkurrenz zu anderen Weiterbildungsträgern flächendeckend und ortsnah vertreten und sie haben alle Chancen, dieses auch in Zukunft zu sein. Denn der demografische Wandel mit längeren Weiterbildungszeiten in der Bildungs- und Sozialbiografie erfordert ein ortsnahes Netz an Institu-tionen. Serviceeinrichtungen in Kombination mit digitalisierten Lernforma-ten werden wichtiger werden. Die aktive Rekrutierung des hauptamtlichen Personals in Konkurrenz zu anderen Weiterbildungseinrichtungen und des nebenberuflichen Personals sowie der Kursleiter in Konkurrenz zu anderen Aktionsfeldern wird dabei einen höheren Stellenwert bekommen.

2. Die kommunale Verankerung der Volkshochschulen wird bleiben und damit auch eine sehr große Verschiedenheit in Größe, Angebotsstruktur und Perso-naleinsatz. Über ganz unterschiedliche Bedingungen hinweg gehende Nor-mierungen in Status und Finanzfragen des Personals werden gleichzeitig genügend Flexibilität beinhalten müssen, damit die Divergenz zwischen den Einrichtungen nicht noch größer wird und alle Einrichtungen die notwendi-gen Anpassungen an Veränderungen mitgehen können. Entscheidend wird hier sein, wie weit die kommunale Finanzkraft so gestärkt werden kann, dass die große Zahl der Volkshochschulen den „frontrunnern“ in nachvollziehbarer Zeit mit folgen kann.

3. In den Volkshochschulen wird es weiterhin ein für die Weiterbildung insge-samt untypisches Zahlenverhältnis von hauptberuflichen, nebenberuflichen und selbstständigen Kräften geben. Die nebenberuflichen Kräfte werden im Strukturmodell der Volkshochschulen weiterhin die tragende Säule eines attraktiven Angebots sein. Sie müssen in besonderer Weise in der Personalent-wicklung gepflegt und gefördert werden. Das Reservoir und das „Kollegium“ der Kursleiter wird auch weiterhin ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal der Volkshochschulen unter den Weiterbildungseinrichtungen ausmachen.

4. Die Volkshochschulen als „weibliche Institution“ werden sich diversifizieren. Die gewandelten Weiterbildungsbedürfnisse und –erfordernisse werden auch männliche Teilnehmer stärker für die Weiterbildung mobilisieren. Die zuneh-mende Diversität in allen Bereichen von den Teilnehmern bis zu den Kurs-leitern, den leitenden Mitarbeitern und dem Verwaltungs- und technischen Personal steht in einem Wechselverhältnis zur wachsenden gesellschaftlichen Diversität. Dadurch wird auch eine neue Dynamik in der Personalentwicklung ausgelöst.

5. Die Volkshochschulen werden in Konkurrenz um kompetente und engagierte Menschen, die sich als Weiterbildner hauptamtlich wie nebenamtlich oder als Selbstständige einbringen wollen, ihre Honorierung verbessern müssen,

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um die unverzichtbaren Qualitätsmerkmale, Konstanz und Verfügbarkeit zu erreichen. Insbesondere die selbstständigen Lehrkräfte, die sich in der Wei-terbildungsbranche als wachsende Berufsgruppe entwickeln werden, sind hier stärker in den Fokus der Personalentwicklung zu nehmen und in ihrer beson-deren prekären Lage besser abzusichern.

6. Die Übernahme von besonderen quasi staatlichen Aufgaben im Bildungsbe-reich, von den nachgeholten Schulabschlüssen über die Alphabetisierungsmaß-nahmen bis hin zu den Integrationskursen, trägt eine andere Struktur in das bisherige Personalgefüge von Volkshochschule hinein, die die Organisation und die Personalentwicklung insgesamt verändern wird. Die Volkshochschulen werden sich zu einer Organisation mit einer stärkeren Binnendifferenzierung nach Arbeitsbereichen und Auftragslagen weiterentwickeln.

4 Aufgaben, Baustellen, Konflikte – die Personalfragen in der Organisationsentwicklung und der Verbandspolitik

4.1 Profession, Professionalität und Professionalisierung: Die Positionsentwicklung bei den Volkshochschulen

Profession, Professionalität und Professionalisierung – an diesen Begriffen haben sich seit Mitte der 1970er Jahre mittlerweile schon zwei Generationen von Wei-terbildnern abgearbeitet und das nicht zuletzt auch in den Volkshochschulen. Dass sich mit dem Begriff der Profession sowohl die Bedeutung von Beruf und Gewerbe verbindet wie auch die von Leidenschaft, macht ihn durchaus reizvoll für das Spannungsfeld, in dem die Mitwirkenden an Volkshochschulen nach wie vor stehen. Denn Erwachsenenbildung in Volkshochschulen sollte eben nicht eine Dienstleistung wie viele andere sein, sondern schon vom Selbstverständ-nis der Beteiligten her mit einer Leidenschaft für die Sache der Bildung und der Volkshochschulen getragen werden. Deshalb haben die Volkshochschulen in ihrer aktuellen Standortbestimmung aus dem Jahr 2011 sehr bestimmt formuliert: „Profession und Professionalität sind zentrale Ansprüche der Volkshochschulen an sich selbst. Hochqualifizierte und professionelle Fachkräfte machen die Insti-tution leistungsfähig und innovationsfreudig“ (Deutscher Volkshochschulverband 2011, S. 21).

Leidenschaft und Fachlichkeit haben das Selbstverständnis von Volkshoch-schulen dabei schon seit ihrer Gründung in ihrem Selbstverständnis geprägt,

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mochte diese Qualität guter Erwachsenbildung auch in anderer Sprache gefasst worden sein. Mit dem Aufkommen der Professionalisierung als zentrales Thema in der Erwachsenbildung seit Mitte der 1970er Jahre hat diese Diskussion dann eine neue Qualität gewonnen, die sich in zwei Richtungen entfaltet hat und die in ihren Nachwirkungen bis in die Gegenwart anhält und die Volkshochschulen immer noch umtreibt. Professionalisierung wurde dabei nach Kraft (2006) einer-seits als Entwicklung erwachsenenpädagogischer Professionalität verstanden (vgl. Kraft 2006, S. 5 ff.). Sie zielt damit auf eine Verbesserung des Handelns und der Weiterbildungspraxis und damit auf die Qualitätsentwicklung erwachsenen-pädagogischen Handelns. In einem anderen Sinne wurde Professionalisierung als Entwicklung eines klaren Berufsfeldes Erwachsenenbildung/Weiterbildung ver-standen. Hierzu stellte Kraft im Jahr 2006 fest:

Die Etablierung einer Profession Erwachsenen/Weiterbildung kann heute sicher kein ernsthaftes Ziel mehr sein. Zum einen treffen einige der für Berufe definierten Kri-terien einfach nicht zu, zum anderen gibt es aktuell Auflösungstendenzen und Auf-weichungen des Berufskonzeptes… Auch in der subjektiven Wahrnehmung der in der Weiterbildung Tätigen bestätigt sich dies: Fallstudien, Berichte und Analysen, die die subjektive Sicht der Weiterbildnerinnen und ihre jeweilige subjektiv wahrge-nommene Berufssituation darstellen, zeigen,dass kaum ernsthaft von einem gemein-sam getragenen Professions-Selbstverständnis der Weiterbildnerinnen gesprochen werden kann, wie dies beispielsweise in Berufen wie Ärzte, Juristen u. a. der Fall ist (vgl. Kraft 2006, S. 6).

Für die Volkshochschulen war vor allen Dingen die Debatte um die Professiona-lität wichtig, wie sie von Hans Tietgens in den 1980er Jahren angeführt wurde, der damit kompetentes pädagogisches Handeln unabhängig vom Einstellungs-verhältnis als Standard setzen wollte (Gieseke 1999, S. 385). Die vielfältigen Anstrengungen zur Qualitätssicherung mit Zertifizierungen etc. sind noch von dieser Orientierung getragen. Im engen Zusammenhang damit steht die Weiter-führung der Debatte zur Professionalisierung in den Volkshochschulen als Auf-bau von hauptamtlichen Strukturen, die genau zu dieser Qualitätsentwicklung und -garantie beitragen sollten. Insbesondere von den Gewerkschaften wurde und wird diese Diskussion um Hauptamtlichkeit im Sinne von ausreichender Bezah-lung und arbeitsrechtlicher Absicherung vertieft, wobei auch die Gewerkschaf-ten das Grundmodell von Volkshochschulen durchaus anerkennen und auch sehr wohl nachvollziehen können, dass eine Abdeckung der Weiterbildungsbedarfe und –angebote nur mit Vollzeitstellen nicht sachgerecht sein würde.

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Da diese Debatte um professionalisierte Strukturen mit der Veränderung von kleineren, nicht in allen Punkten den hohen Qualitätsanforderungen genügenden Strukturen einherging und auch das früher deutlich stärker verbreitete Konzept einer ehrenamtlichen Führung von Volkshochschulen in Gegensatz zu den neu aufgebauten hauptamtlichen Leitungen geriet, hat diese Reform durchaus für Härte, Schärfe und teilweise Verbitterung in der Diskussion und Umsetzung von Strukturreformen gesorgt. Mittlerweile ist hier aber ein weitgehender Konsens eingetreten, dass eine Hauptamtlichkeit in der Leitung bis hin in die Führung von Fachbereichen nicht nur Qualität sichert, sondern auch entlastend für alle übrigen Beteiligten ist.

4.2 Hauptberufliche und freiberufliche Lehrkräfte als Säulen der VHS-Arbeit

In der Konsequenz dieser Positionsentwicklung stellt die Standortbestimmung der deutschen Volkshochschulen aus dem Jahr 2011 die hauptberuflichen Fachkräfte deshalb den freiberuflichen Lehrkräften gegenüber und definiert diese beiden tra-genden Gruppen in ihren Aufgaben wie folgt:

a) „Volkshochschulen werden von hauptberuflichem Personal professionell gemanagt und gesteuert. Hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter/innen haben in der Regel eine einschlägige pädagogische oder fachspezifische Uni-versitätsausbildung. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der systemati-schen, innovativen Programmentwicklung, in der Gewinnung und Fortbildung von Lehrkräften, in der Beratung, in Bedarfsrecherchen und im Marketing sowie im Aufbau von Kooperationen, etwa mit kommunalen Bildungs- und Kultureinrichtungen. Verwaltungsfachleute mit unterschiedlicher beruflicher Qualifikation ermöglichen und unterstützen das pädagogische Geschehen und sichern die organisatorischen Abläufe sowie den Kundenservice, der zuneh-mend auch die Programmgestaltung umfasst. Ihre Identifikation mit der Wei-terbildung macht ihre Arbeit besonders wertvoll. Regelmäßige Fortbildung gehört zum Selbstverständnis des hauptberuflichen Personals und ist ein fester Bestandteil ihrer Arbeit“ (Deutscher Volkshochschulverband 2011, S. 21).

b) „Die freiberuflichen Lehrkräfte geben der Volkshochschule ihr Gesicht und verankern sie mitten in der Gesellschaft. Sie bringen Erfahrungen aus ihrem Hauptberuf sowie ihre eigene Kompetenz und Problemnähe in die Volkshoch-schularbeit ein. Die Volkshochschulen bieten ihnen die für ihre Lehrtätigkeit not-wendige Professionalität in Form von Fortbildung und Beratung. Nur mit dem

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Engagement der freiberuflichen Lehrkräfte und ihrer Nähe zur Teilnehmerschaft ist das flächendeckende Weiterbildungsangebot der Volkshochschulen kosten-günstig zu realisieren. Das Honorar wird in der Regel weder der Ausbildung noch der Leistung der Lehrkräfte gerecht“ (Deutscher Volkshochschulverband 2011, S. 21).

Die selbstkritische Feststellung in der Standortbestimmung, dass das Honorar der freiberuflichen Lehrkräfte weder der Ausbildung noch der Leistung der Lehr-kräfte gerecht wird, ist nicht wohlfeil gemeint, sondern hat einen ernsten Hin-tergrund, wie auch die Empirie zum Status quo aufzeigen konnte. Damit wird zugleich auf ein Problem hingewiesen, das sich nicht immer in dieser Schärfe gestellt hat. Als Volkshochschulen noch in einem höheren Maß bei den Leitun-gen wie bei den Kursleitern durch Nebenamtler wahrgenommen wurde, die sich aus einer anderen, vielfach auch pädagogischen Festanstellung heraus auch an Volkshochschulen engagierten, waren die Honorare nicht derart existenziell, denn die soziale Absicherung war in der Regel im anderen Berufsverhältnis garantiert. Dies hat sich geändert und wird sich durch Veränderungen im Programmangebot noch zuspitzen, wenn z. B. im größten Programmbereich der Volkshochschulen, dem Gesundheitsbereich, aber auch im Bereich Bewegung und Kultur, noch mehr freiberufliche Lehrkräfte aktiv werden.

Hier werden die Volkshochschulen zu Honorarverbesserungen kommen müs-sen, wenn sie in der Konkurrenz mit anderen Anbietern um „gutes“ Lehrpersonal bestehen wollen. Zugleich werden sie darauf achten müssen, ihre Dozentenschaft durch eine gute organisatorische Dienstleistung, durch interne und öffentliche Anerkennung, ein gutes Betriebsklima und auch Angebote zur Weiterbildung an sich zu binden.

4.3 Status, Bezahlung und soziale Absicherung: Die prekären Selbstständigen und der Konflikt um die Integrationskurse

Solo-Selbstständige und Prekarität„Prekär kann die Lage jener freiberuflich Tätigen werden, die von den Honoraren einen großen Teil ihres Lebensunterhalts bestreiten müssen“ (Deutscher Volks-hochschulverband 2011, S. 21). Diese Feststellung beschreibt aus Sicht des DVV eine Problemlage, mit der sich die Volkshochschulen immer häufiger konfrontiert sehen, denn ihre Dozentenschaft setzt sich zunehmend aus Solo-Selbstständigen zusammen, die auf keine abgesicherte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit

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zurückgreifen können. Für sie stellt sich das Problem, wie sie aus den Stunden-honoraren nicht nur einen auskömmlichen Lebensunterhalt finanzieren, sondern auch eine ausreichende soziale Absicherung sicherstellen können. Auch sind Urlaubsansprüche und Zeiten von Vor- und Nachbereitung und insbesondere sol-che der Weiterbildung in den Honorarsätzen vielfach nicht abgedeckt.

Die naheliegende Antwort könnte sein, dass die Volkshochschulen über eine entsprechende öffentliche Bezuschussung in Kombination mit sozial verträgli-chen Teilnehmerentgelten sicherstellen müssten, dass diese unabdingbaren Ange-bote zur Weiterbildung auch von diesen Honoraren bezahlt werden können, um eine annähernde Gleichstellung mit fest angestellten Lehrkräften gleicher Quali-fikation und gleicher Leistung zu erreichen. Weil diese gleichwertige Bezahlung an den einzelnen Volkshochschulen wegen der fehlenden Mittel vielfach nicht geleistet werden kann, bleibt hier eine unbefriedigende Einkommenssituation für viele Solo-Selbstständige unter den Dozenten, die dann mit erhöhtem Zeitein-satz versuchen müssen, aus ihrer prekären Lebenslage herauszukommen. Das ist natürlich dann auch damit verbunden, auf dem Weiterbildungsmarkt Engage-ments zu finden, die bessere Konditionen bieten und jedenfalls nicht bei Volks-hochschulen zu bleiben, die nicht entsprechende Konditionen vorweisen können. Dass diese Konkurrenzsituation zwischen unterschiedlich finanzstarken Volks-hochschulen mit Phänomenen wie Dozentenfluktuation und Überlastungsstress der Weiterbildungsqualität und Personalbindung als aktuelle Herausforderungen der Volkshochschulen (vgl. Abschn. 3.2) nicht gut tut muss hier nicht extra betont werden.

Die Integrationskurse und einige paradigmatische KonflikteWelche Spannungen hier in den Volkshochschulen selbst entstehen können, lässt sich exemplarisch an den Honorarsätzen für die Kursleitenden an den Integra-tionskursen nachzeichnen. Diese sind lange Zeit so prekär gewesen, dass voll qualifizierte akademische Fachkräfte nach den Honorarsätzen, die vom Bun-desamt für Migration und Flüchtlingswesen als untere Vergütungen akzeptiert worden waren, bei einer vollen Stundenzahl dennoch in die Situation kommen konnten, Leistungen nach dem Arbeitslosengeld zusätzlich als sogenannte Auf-stocker beantragen zu müssen. Nachdem sich Verbandsspitze, Landesverbände, viele Volkshochschulen und auch die Betroffenen selbst und ihre Organisations-kreise ebenso fachlich überzeugend wie vehement und penetrant dafür eingesetzt hatten, dass der Bundeshaushaltsgeber endlich genügend Mittel zur Verfügung stellt, konnte hier letztlich eine Anhebung des Mindesthonorars pro Unterrichts-stunde von 23 auf 35 EUR durchgesetzt werden, die mit entsprechenden Kaute-len durch den Haushaltsausschuss des Bundestages verbindlich gemacht wurde.

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Damit hatten die Träger der Erwachsenenbildung und die Volkshochschulen an erster Stelle wirklich einen großen Erfolg errungen. Und dennoch blieb der Bei-fall für diesen Erfolg in den Kreisen der Volkshochschulen anders als bei ande-ren Trägern nicht ungeteilt, denn mit den 35 EUR Garantie für eine Sprachstunde vergrößerte sich die Differenz in den Honorierungen zu den anderen Kursleitern, die solche Honorare, z. B. als solo-selbstständige Fremdsprachendozenten, kei-neswegs überall erreichen, zumal nicht in kleineren Volkshochschulen.

Für die Auflösung dieser Spannung kann es allerdings keine einfache Lösung geben. Eine Umstellung von Honorardozenten auf feste Lehrkräfte könnte da, wo es dauerhafte fest umrissene Aufgaben mit einem ausreichenden Volumen in den einzelnen Volkshochschulen oder einem Verbund sind, eine Perspektive sein, die zunehmend eingefordert und auch praktiziert wird. Diese würde allerdings zusätzliche Geldmittel erfordern, die von den Volkshochschulen nicht so einfach zu mobilisieren sind. Der Vergleich von Stundensätzen zwischen einzelnen Volks-hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen würde damit allerdings nicht obsolet, sondern nur mit anderen Bezugsgrößen weitergeführt werden. Dafür würde in einer solchen befristeten oder unbefristeten Festanstellung ein anderes Personalproblem strukturell gelöst werden, was in den Volkshochschulen immer wieder für Unruhe sorgt. Die Frage nämlich, inwieweit ein Programm vorstruktu-riert sein darf, damit es noch unter den Bedingungen der Freiberuflichkeit durch-geführt werden kann und wo die Grenze zur Scheinselbstständigkeit liegt.

Die Rechtsprechung der oberen Gerichte sieht derzeit noch eine freiberufliche Lehrtätigkeit in den Integrationskursen als möglich an, sofern bestimmte Vor-aussetzungen beachtet werden. Die Versuche von Betroffenen, sich in den Sta-tus eines Arbeitnehmers einzuklagen, was dann für viele Volkshochschulen zu bedeutenden Zahlungen an die Sozialversicherungen führen und große Probleme hervorrufen könnte, sind bisher noch ohne Erfolg geblieben. Dennoch sollte hier schon jetzt eine politische Lösung gesucht werden, die eine mögliche juristische Neubewertung antizipiert und zu einer besseren sozialen Absicherung beiträgt. So wie in einzelnen Bundesländern bei den Integrationsdozenten als freiwillige Leis-tung des Landes ein Zuschuss zu den Sozialversicherungskosten gezahlt wird, könnte dieses ein grundsätzlich angewandtes Modell sein, dass in der Perspektive über eine neu gegründete Dozenten–Sozialkasse analog der Künstlersozialkasse eine soziale Mindestabsicherung garantieren würde.

Eine weitere Perspektive könnte darin liegen, grundsätzlich für alle Selbst-ständigen einen subventionierten Zugang zur Rentenversicherung zu ermögli-chen, worunter dann auch die wachsende Zahl der Selbstständigen im Bereich der Erwachsenenbildung fallen würde. Gleiches würde auch für eine Pflichtversiche-rung für Selbstständige in der Rentenversicherung bei gleichzeitiger Entlastung in

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457Die Personalfrage aus der Sicht der Volkshochschulen

der Krankenversicherung gelten, indem hier ein viele Selbstständige entlastender Einkommensbezug bei den Krankenversicherungsbeiträgen hergestellt wird.

4.4 Nach vorne denken und proaktiv werden

Für die Volkshochschulen in ihrer Gesamtheit wird es wichtig sein, sich mit den dargestellten Herausforderungen und Fragen zu ihrem Personal intensiver als in der Vergangenheit auf Ebene des Dachverbandes, aber auch in den Landesver-bänden auseinanderzusetzen. So werden die Volkshochschulen nämlich in der Zukunft nicht mehr davon ausgehen können, dass ihr klassisches Modell einer durch andere Quellen abgesicherten nebenamtlichen Dozentenschaft, die durch wenige hauptamtliche Kräfte in der Leitung, in den Programmbereichen und im Management organisiert wird, noch Bestand hat. Denn es wird ganz sicher einen weiteren Zuwachs von professionellen Solo-Selbstständigen im Weiterbildungs-bereich geben.

Gezielte Projektmaßnahmen in der Weiterbildung, vom Bund wie von den Ländern initiiert, werden über die Volkshochschulen mit anderen Personalstruk-turen als im klassischen Kurssystem umgesetzt werden, wozu dann auch mehr befristete hauptamtliche Beschäftigungsverhältnisse gehören werden. Auch die Beratungstätigkeit an den Volkshochschulen wird im Zuge des allgemeinen Ausbaus der Weiterbildung und der wachsenden Digitalisierung in den erwei-terten Lernwelten zunehmen. Diese Tätigkeit in der Bildungsberatung wird aber genauso wenig durch klassische Kursleiter–Honorarverhältnisse abgedeckt wer-den, sondern eher in eine Kombination von Festanstellungen und hochwertigen Honoraren für selbstständige Bildungsberater münden, wie auch das Bildungsma-nagement in der Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen, Unternehmen, Stadtteileinrichtungen etc. strukturell neue hauptamtliche Anstellungsverhältnisse hervorbringen wird. Auch der technische Bereich erfährt im Zuge der Digitali-sierung eine größere Bedeutung und wird zu einer Aufgabe für einen erweiterten Personalaufbau an den Volkshochschulen.

5 Volkshochschule 2030 – ein Blick in die Zukunft

Personalfragen, wie sie eben erörtert wurden, werden für die Volkshochschulen in Zukunft allein schon durch die Konkurrenz zu anderen Weiterbildungsträgern und deren Möglichkeiten bedeutsamer werden. Neben der materiellen Absicherung der neuen Professionalität, sei es nebenamtlich oder aus einer Festanstellung bzw.

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der Selbstständigkeit heraus, wird es auch darauf ankommen, Volkshochschul–Identität in der Konkurrenz zu anderen Weiterbildungsträgern immer wieder neu zu festigen und gleichzeitig weiter zu entwickeln. Veränderungsbereit und zugleich unverwechselbar ist hier das Schlagwort, unter dem die Personalrekru-tierung und die Personalentwicklung in das nächste Jahrzehnt hinein zu gestalten sein wird. Der jetzt bereits anlaufende erneute größere Personalwechsel in den Leitungen der Volkshochschule muss dann dazu beitragen, nicht nur die hohe Kompetenz in der Führung von immer diverser werdenden Personalkollegien zu erneuern und auszubauen, sondern auch die konzeptionelle Arbeit an einem Perso-nalmodell Volkshochschule 2030 voranzutreiben.

Die Volkshochschulen waren der Nachkriegsgeneration durch stark idea-listisch und politisch geprägte Leitungen und Vorstände gekennzeichnet. Die nächste Generation suchte ihren Weg zwischen emanzipativem Aufbruch und gewerkschaftlich orientierter Professionalisierung. Mit Blick auf den allgemei-nen Wandel in der Arbeitswelt und die speziellen Entwicklungen bei den Volks-hochschulen wird es für eine neue Generation darauf ankommen müssen, das Grundmodell der freien Erwachsenenbildung mit ihrem einmaligen System von Themenvielfalt und Dozentenkompetenz in Verbindung mit gebundenen Bil-dungsmaßnahmen und ihrer ganz anderen Dozentenstruktur möglichst span-nungsfrei, sozial gerecht und erfolgreich zu managen. In diesem Prozess sind vor allen Dingen die verschiedenen Gruppen von Lehrpersonal und Dozenten einzu-beziehen, um den vergrößerten und differenzierten Lehrkörper auch weiterhin für die Bildungsidee der Volkshochschulen zu gewinnen. Nicht Dienstleisterhaltung und Kundenmentalität in einer beliebigen Weiterbildungseinrichtung, sondern Teilhabebewusstsein und Mitverantwortung für die unverwechselbare öffentliche kommunale Bildungseinrichtung Volkshochschule müssen gefördert werden.

Als Ergänzung zu den gut eingeführten Weiterbildungsprogrammen der Lan-desverbände der Volkshochschulen, die sich an ein hoch qualifiziertes Bildungs-angebot an Dozenten und Fachkräfte richten, sollte hier eine über die einzelnen Landesverbände hinausgreifende Weiterbildungsakademie aufgebaut werden, die sich speziell diesen Fragen von Personalentwicklung, Volkshochschulfüh-rung und Bildungsidentität widmet. Auch die Strategien zur Gewinnung von mehr öffentlicher Unterstützung, angefangen beim kommunalen Bereich in Politik und Verwaltung, der für die Volkshochschulen zentral ist, bis hin zu den Parlamenten und wichtigen Partnern in Wirtschaft und Gesellschaft, gehören dazu. Denn der intensive und zielgerichtete Kontakt wird in den pluralen und flexiblen Netzwerk-Strukturen der Zukunft immer wichtiger, um Unterstützung für die Volkshochschu-len und deren Personal nachhaltig zu mobilisieren. Um endlich die überfälligen 1 % der öffentlichen Bildungsausgaben für die allgemeine Erwachsenenbildung

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zu erreichen, muss dieser strategische Dialog gelernt sein. Vor allen Dingen aber muss gelernt sein, die Identifikation mit diesen Bildungseinrichtungen und die Wertschätzung für das Personal in den Volkshochschulen immer wieder neu her-zustellen. Denn ohne ein Personal, das sich in seiner Profession fair behandelt und respektiert fühlt und in seiner Motivation Ansporn und Bestätigung erfährt, kann keine gute Volkshochschule entstehen.

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Über den Autor

Dr. Ernst Dieter Rossmann, MdB, Dipl. Psychologe

Funktionen im Deutschen Bundestag:Ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung und ForschungSprecher der AG Bildung und Forschung der SPD- BundestagsfraktionMitglied des Vorstandes der SPD-BundestagsfraktionSprecher der Landesgruppe Schleswig-Holstein der SPD-BundestagsfraktionStellv. Mitglied des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur

Weitere Funktionen und Ämter:Vorsitzender des Deutschen VolkshochschulverbandesVorsitzender des SPD-Ortsvereins Elmshorn

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Aktivitäten des Bildungsverbandes BBB im Rahmen bestehender Weiterbildungsstrukturen hinsichtlich der Auswirkungen auf das beschäftigte Personal

Walter Würfel

ZusammenfassungIm Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Sicht des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung e. V. – Bildungsverband (BBB) hinsichtlich des Weiterbil-dungspersonals. Beim BBB handelt es sich um einen von zahlreichen Unter-nehmensverbänden, der die Interessen der Anbieter im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung gegenüber Politik, Verwaltung und Gesellschaft ver-tritt. Die vom BBB angestoßenen Aktivitäten betreffen schwerpunktmäßig den Bereich der staatlich geförderten Berufsbildung, von denen zahlreiche Impulse auch für die Situation des bei seinen Mitgliedsunternehmen beschäftigten Wei-terbildungspersonals ausgehen.

1 Einleitung

Seit den 1970er Jahren existiert die Forderung, teilweise sogar als Gegenstand von Koalitionsverträgen, die Weiterbildung als vierte Säule des Bildungssys-tems auszubauen. Hierfür wäre ein bundesweites Weiterbildungsgesetz – analog

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_21

W. Würfel (*) Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e. V., Hannoversche Str. 19a, 10115 Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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zum Berufsbildungsgesetz – notwendig. Ein solches Gesetz müsste Regelungen zur Teilhabe an Weiterbildung und zu den Möglichkeiten ihrer Finanzierung ent-halten. Es müsste die Anbieter und die Angebote der allgemeinen, politischen, kulturellen, beruflichen und betrieblichen Weiterbildung bündeln und bundesland-übergreifend allgemein verbindlich regeln.

Ein derart konturiertes Bundesrahmengesetz zur Weiterbildung gibt es bis heute nicht. Nach wie vor zeichnet sich die Weiterbildung – im Unterschied zu den anderen Sektoren des formalen Bildungssystems – vielmehr durch die Prin-zipien staatlicher Subsidiarität, Pluralität und Marktorganisation aus. Dies findet seinen Ausdruck in zahlreichen punktuellen Einzelgesetzen auf Bundes- und Län-derebene, die jeweils auf bestimmte Zielgruppen, Angebote und/oder einzelne Trägertypen und Anbieterinstitutionen zugeschnitten sind. Die fragmentierte staatliche Regulierung der Weiterbildung führt in Kombination mit ihrer weit-gehenden Marktorganisation zu einer Vielfalt an Themen und Institutionen und damit verbunden zu einer Pluralität von Partikularinteressen, die in die Weiterbil-dung hineinreichen bzw. in ihr wirken (Fischell 2013; Dobischat et al. 2015).

Diese Akteurs- und Interessenvielfalt hat zahlreiche politische Konsequenzen, auch für die Artikulation der Erwartungen an Weiterbildung. Dies betrifft auch die Anbieter, deren Interessen an der politischen Gestaltung und Weiterentwick-lung der Weiterbildung u. a. über Verbände kommuniziert werden. Einer dieser Verbände ist der Bundesverband der Träger beruflicher Bildung – Bildungsver-band BBB e. V.

2 Ziele und Mitgliederstruktur des BBB

Der Bundesverband der Träger beruflicher Bildung – Bildungsverband BBB e. V. ist ein Zusammenschluss maßgeblicher Anbieter von Bildungsprogrammen in Deutschland. Er vertritt die Interessen der Anbieter aus bestimmten Segmen-ten der (beruflichen) Weiterbildung. Hauptsächlich bieten seine Mitgliedsunter-nehmen Arbeitsmarktdienstleistungen (AMDL) an, unter die bekanntlich u. a. Angebote der beruflichen Vorbereitung, der Aus- und Weiterbildung, fallen, die durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) und/oder die Jobcenter finanziert wer-den. Das Angebotsportfolio der BBB-Mitglieder umfasst u. a. die gesamte Palette von Ausbildungsberufen des Dualen Systems (als außerbetriebliche Ausbildung für Jugendliche oder verkürzt als Umschulung für Erwachsene), ebenso Berufs-ausbildungen nach Landesregelungen (z. B. Altenpflege). In der beruflichen Ein-gliederung von Menschen mit Behinderungen sind die BBB-Mitglieder ebenso

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tätig wie in Kursen und Lehrgängen, die dezentral mit Kammer-Abschlüssen oder sonstigen Zertifikaten angeboten werden. Außerdem sind die Mitgliedsunterneh-men im Bereich von technischen und IT-Schulungen aktiv, auch in solchen, die von bestimmten Firmen zugelassen sind (Microsoft, Cisco, SAP etc.). Einige der Mitgliedsunternehmen sind (oder betreiben) Hochschulen oder Fachhochschulen mit ganz unterschiedlichen Studiengängen.

Eine wesentliche förderrechtliche Grundlage der Aktivitäten der Mitglieder ist in der Regel das Sozialgesetzbuch (SGB) II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) und/oder das SGB III (Arbeitsförderung). Im Jahr 2016 hatte der BBB insgesamt 83 Mitgliedsunternehmen. Als Hauptfinanzquelle des Verbandes fungieren die Jahresbeiträge seiner Mitgliedseinrichtungen, deren Höhe nach den Umsätzen der Mitglieder gestaffelt ist. Der am 17. Mai 2002 in Hamburg gegründete Bundes-verband der Träger beruflicher Bildung e. V. ist das Produkt und die logische Wei-terentwicklung einer Kooperation, die in den neunziger Jahren als „Arbeitskreis Überregionaler Bildungsträger“ begann.

3 Entstehungshintergründe und Arbeitsspektrum des BBB

Aufgrund seiner Mitgliederstruktur steht die Entstehung sowie das gegenwärtige Arbeits- und Aufgabenspektrum des BBB in einem engen Zusammenhang zur Förderpolitik der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Bereich der AMDL und der hierüber finanzierten beruflichen Aus- und Weiterbildung. Im Folgenden werden deshalb zunächst die in diesem Fördersegment geltenden Förderinstrumente und hierin begründet liegende Herausforderungen der Bildungsanbieter aus Sicht des BBB vorgestellt (Abschn. 3.1). Daran schließt sich ein Überblick über die aktuel-len Aktivitäten und Aufgaben des BBB an (Abschn. 3.2).

3.1 Marktbedingungen und -herausforderungen der BBB-Mitgliedsunternehmen

Wie skizziert liegt der Angebotsschwerpunkt der BBB-Mitgliedsunternehmen u. a. im Bereich der über das SGB II und SGB III geförderten beruflichen Bil-dungsmaßnahmen, die seit Inkrafttreten der Hartz-Gesetze als Dienstleistungen bezeichnet werden und deren Erbringung durch Bildungsanbieter seitdem im Wesentlichen über zwei Förderinstrumente monetär abgegolten werden. Je nach

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Art der Maßnahme finanziert die Arbeitsverwaltung entweder komplette Maß-nahmen mit bestimmten Teilnehmerzahlkontingenten, die an Unternehmen am ‚freien‘ Markt per Ausschreibungsverfahren nach Vergaberecht als Auftrag ver-geben werden. Oder aber die Arbeitsagenturen geben an potenzielle (Weiterbil-dungs-)Teilnehmer Bildungsgutscheine und neuerdings auch „Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine“ (AVGS) aus, die bei zugelassenen Bildungsträgern ihrer Wahl eingelöst werden können und durch die BA gemäß der bundesweit geltenden Durchschnittskostensätze pauschal refinanziert werden. Beiden För-derinstrumenten liegt der Gedanke der Marktsteuerung zugrunde, die bei den Unternehmen dieser Branche, so auch in der Mehrheit der BBB-Mitgliedseinrich-tungen, und bei ihrem Personal spürbare Verwerfungen hervorgebracht hat.

Mit Blick auf die Vergabe per Ausschreibungsverfahren ist festzuhalten, dass mittlerweile die deutliche Mehrheit der AMDL in Deutschland nach diesem Ansatz gefördert wird. Dabei werden die Maßnahmen nicht von den einzelnen lokalen Arbeitsverwaltungen (Arbeitsagenturen und Jobcenter) eingekauft, son-dern seit 2004 erfolgt die Ausschreibung der meisten AMDL zentral durch vier (früher sieben) Regionale Einkaufszentren (REZ) der BA und zwar für Gebiete, die jeweils mehrere Bundesländer umfassen. Hintergrund der Umstellung auf eine zentralisierte Auftragsvergabe war nicht nur der sogenannte „Vermittlungs-skandal“ im Jahr 2001, sondern auch der Bericht „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ der Hartz-Kommission, in dessen Folge die damalige Bundesan-stalt für Arbeit in eine Agentur umgebaut wurde, deren Arbeitsweise und Steu-erung von nun an der eines modernen betriebswirtschaftlich-rational geführten Unternehmens gleichen sollte. Maßgeblich für den Bereich der AMDL war dabei die Annahme, dass die Kosten eines Unternehmens (unter anderem) durch einen zentralen Einkauf der günstigsten Dienstleistungen am freien Markt reduziert werden können. Zentralisierung bedeutet in diesem Fall in erster Linie, dass die Leistungsbeschreibung für Bildungsmaßnahmen, also das, was die BA als Auf-traggeber einkaufen möchte, in ganz Deutschland identisch ist. Für den Einkauf der AMDL ist also unerheblich, ob die Zielgruppe bspw. einer von der BA geför-derten außerbetrieblichen Berufsausbildung eher aus Migranten aus einer städti-schen Problemregion besteht oder eher aus deutsch geprägten Jugendlichen mit Jugendhilfebedarf, ob männliche oder weibliche Jugendliche. Für die Individuali-sierung und die Ausrichtung der Maßnahme auf die Bedürfnisse der heterogenen Zielgruppen ist ausschließlich der mit der Durchführung der Maßnahme beauf-tragte Anbieter zuständig.

Für die Bildungsanbieter hat das zentrale Einkaufsverfahren zahlreiche Kon-sequenzen für ihre Auf- und Ausgabenstruktur, Planungssicherheit und damit

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zusammenhängend für die Beschäftigungskonditionen ihres Personals. Ausge-wirkt hat sich dieses Verfahren bspw. auch auf die pädagogische Arbeit, denn die Anbieter müssen die ausgeschriebenen, bundesweit uniformierten Bildungsmaß-nahmen in kompletter Eigenleistung auf die Bedürfnisse und Voraussetzungen der Teilnehmer (deren individuelle Problemlagen sich oft erst im Verlauf der Maß-nahme herausstellen) anpassen. Daneben bringt diese Art der Vergabe von AMDL unter dem Aspekt der Bildung als eine personenbezogene Dienstleistung noch ein anderes, ganz grundlegendes Dilemma mit sich: Die Qualität von Bildung reali-siert sich nur in „Koproduktion“ mit den Teilnehmenden. Wenn seitens der Teil-nehmenden keine Mitarbeit erfolgt und keine Motivation vorhanden ist, kann auch kein entsprechendes u. a. von der BA als Fördervoraussetzung der Anbieter bzw. ihrer Angebote eingefordertes Maßnahmeergebnis (z. B. Bestehen der Prüfung, Stärkung der Persönlichkeit, Vermittlung in reguläre Ausbildung oder Beschäfti-gung usw.) erreicht werden. Fehlende Motivation und Mitarbeit der Teilnehmer stellen sich für die Bildungsanbieter erst in der tatsächlichen Umsetzung der Maß-nahme heraus. Angebotskonzept und Preisangebot müssen seitens der Bildungsan-bieter bei Ausschreibungsverfahren aber naturgemäß vor Beginn der Maßnahmen abgegeben werden, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Anbieter die Teilnehmen-den noch nicht kennt. Dieses Dilemma ist nicht auflösbar, wird aber von der BA und ihrem „Strategischen Einkauf“ billigend in Kauf genommen, denn anderen-falls könnte man die Maßnahmen nicht ausschreiben, zumindest nicht nach die-sem Verfahren. Das Verfahren ist aber so gewollt und wird nicht hinterfragt – es wird übrigens keinesfalls von der Europäischen Union (EU) so vorgegeben, wie lange behauptet. Dies konnte durch eine Studie nachgewiesen werden, die die faktisch begrenzte und damit geringe Reichweite des europäischen Vergabe- und Wettbewerbsrechts für den Bereich AMDL in verschiedenen EU-Staaten doku-mentiert (vgl. Rosendahl 2013). Doch nicht nur die Notwendigkeit zur individu-ellen pädagogischen ‚Übersetzung‘ der Standardmaßnahmen hat die Arbeit der Anbieter verändert, sondern auch die seitens der BA eingesetzten bzw. einge-forderten bürokratischen Verfahren haben das Arbeitsvolumen der Anbieter und damit verbunden deren Kosten zur Erbringung der AMDL vergrößert. In diesem Kontext zu nennen ist nicht nur das Zulassungsverfahren für Anbieter und Ange-bote nach AZAV, sondern auch der Prüfdienst AMDL der BA, die beide – nicht nur bei den Anbietern, sondern vermutlich auch bei der BA selbst – zu einem Zuwachs der für die AMDL anfallenden Bürokratiekosten geführt haben. Die geschilderten Folgen der BA-Ausschreibungsverfahren haben sich bei den Bil-dungsanbietern letzten Endes in steigenden Personalkosten niedergeschlagen, die von den Anbietern allerdings nicht komplett auf die kalkulierten Maßnahmepreise umgelegt werden (können). Hintergrund ist, dass der angebotene Maßnahmepreis

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in den Ausschreibungsverfahren als maßgebliches Zuschlagskriterium fungiert1, weswegen die Anbieter ihre Angebote preislich möglichst niedrig und oft nicht mehr kostendeckend kalkulieren.

Etwas anders stellen sich die Herausforderungen dar, die sich für Bildungs-anbieter und ihr Personal durch die Bildungsgutscheine ergeben. Bildungs-gutscheine sind ein direktes ‚Produkt‘ der Hartz-Reformen und als solche ein weiteres Mittel zur Vermarktlichung der AMDL. Hintergrund ihrer Einführung war ebenfalls der „Vermittlungsskandal“ und die Befürchtung, dass sich die Bil-dungsunternehmen der Gewerkschaften und Arbeitgeber über den Verwaltungs-rat der Bundesanstalt, vor Ort aber auch die Arbeitsämter und Träger, in engen verfilzten bis korrupten Kooperationen die Weiterbildungsmaßnahmen zuschanz-ten. In der Folge wurde die Auswahl der Weiterbildungsanbieter individualisiert, indem einzelne Personen von nun an Bildungsgutscheine erhielten, die sie bei einem der zahlreichen zugelassenen Anbieter einlösen können. Ausgewirkt hat sich dies auf die Bildungsanbieter insofern, als dass sie in der Regel zu wenig Teilnehmer mit Bildungsgutscheinen haben, um die entstehenden Kosten der Maßnahmen vollständig zu decken. Dies führte in den Jahren 2002 bis etwa 2006/2007 zu zahlreichen Insolvenzen, weil sich viele Bildungsanbieter nicht so schnell auf die Vermarktung und die nun notwendige eigene Teilnehmerakquise einstellen konnten. Mittlerweile hat sich vor Ort vielfach eine Arbeitsteilung zwi-schen den noch verbliebenen Bildungsanbietern herausgebildet, was das Anbieten bestimmter Kursthemen betrifft, wodurch die Kurse in der Regel wieder kosten-deckend durchführbar sind.

Vor dem Hintergrund, dass der Anteil der Personalkosten an den Maßnahme-kosten im Bildungsbereich im Durchschnitt zwischen 75 und 85 % liegt, wird nachvollziehbar, warum sich die sowohl durch die Ausschreibungsverfahren als auch durch die Bildungsgutscheine veränderte Kosten- und Einnahmestruktur der Bildungsanbieter seit dem Jahr 2004 direkt auf die Löhne und Gehälter ihres Personals durchgeschlagen hat. Verschärft wurde dies durch einen erheblichen Rückgang der Fördermittel der BA für die AMDL um etwa ein Drittel des vor den Hartz-Reformen investierten Niveaus. Eine Folge bei den Anbietern – und so auch bei den Mitgliedsunternehmen des BBB – waren dramatische Gehaltskür-zungen des in diesem Bereich eingesetzten Personals. Allerdings können tarif-gebundene Träger die Löhne ihrer Mitarbeitenden nicht mit einem Federstrich entsprechend reduzieren, was ja auch skandalös wäre. Die Folge war: Es wur-den Tarifverträge gekündigt, Löhne reduziert und es gab viele Insolvenzen von

1vgl. hierzu u. a. den Beitrag von M. Knuth in diesem Sammelband.

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Bildungsträgern. Andere haben sich aus diesem Geschäftsbereich ganz zurück-gezogen. Es wurden außerdem viele Ausgründungen in neue Gesellschaften vor-genommen, die keiner Tarifbindung unterlagen. Diese Entwicklungen waren in ihren Folgen so dramatisch, dass selbst die CDU-FDP-Regierung im Jahr 2013 ihre Zustimmung zu einem Mindestlohn in der Aus- und Weiterbildungsbranche nach SGB II und III gab, den die Zweckgemeinschaft des BBB mit GEW und ver.di verhandelt hatte. Dieser Mindestlohn wurde auf Grundlage des Arbeitnehme-rentsendegesetzes (AEntG) per Rechtsverordnung durch das BMAS für allgemein verbindlich erklärt. Der derzeit geltende Mindestlohntarifvertrag läuft noch bis zum 31.12.2017. Er legt Stundenlöhne für das pädagogische Personal fest, diese liegen (bis 2017 noch nach Ost und West getrennt) bei 14,00 € (im Westen) bezie-hungsweise 13,50 € (im Osten), ab dem 01.01.2017 gleichermaßen 14,60 € (vgl. dazu auch Abschn. 4), ab dem 01.01.2018 15,27 €.

3.2 Aufgaben- und Aktivitätenspektrum des BBB

Das gegenwärtige Spektrum an Themen und Aktivitäten des BBB hat sich über die Jahre hinweg u. a. aus den geschilderten Marktbedingungen und -herausforde-rungen im Bereich der AMDL ergeben. Die gegenwärtigen Arbeitsschwerpunkte des BBB betreffen im Kern folgende Aspekte:

• Mitwirkung an der Qualitätssicherung der beruflichen Weiterbildung• Mitwirkung an Projekten und in Gremien• Interessenvertretung – Lobbyarbeit – Politikberatung• Deutscher Weiterbildungstag• Engagement für das Personal in der Weiterbildung

Mitwirkung an der Qualitätssicherung der beruflichen WeiterbildungBereits seit seiner Gründung beteiligt sich der BBB aktiv an der Qualitätsdiskus-sion in der beruflichen Bildung. Diese Debatten stehen u. a. in einem direkten Zusammenhang zur Förderpolitik der BA, die mit ihren Auflagen und Anforde-rungen bekanntlich immer auch auf die Qualitätssicherung der Weiterbildungs-anbieter respektive der dazu genutzten Instrumente Einfluss genommen hat. So fordert die BA von Bildungsträgern in diesem Förderbereich bereits seit den 1990er Jahren Selbstverpflichtungen und entsprechende Erklärungen der Träger zur Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards ein. Vor diesem Hintergrund haben die Mitglieder des BBB gemeinsame Qualitätsgrundsätze festgeschrieben (vgl. hierzu BBB 2015), die zuletzt im Jahr 2015 aktualisiert wurden und auf deren Einhaltung sich alle seine Mitglieder verpflichtet haben.

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Darüber hinaus hat der BBB zu Beginn der ebenfalls durch die BA befeuer-ten Debatte über externe Qualitätszertifizierungsverfahren und verschiedene organisationale Qualitätsmanagementsysteme in der Weiterbildung einen eigenen Bildungs-Qualitäts-Management-Standard (BQM) entwickelt, der regelmäßig überarbeitet wird. Dieser Standard formuliert eine Synthese aus der damaligen Norm ISO 9000 (jetzt: DIN EN ISO 9001:2015) und dem EFQM-Modell der European Foundation for Quality Management. Grund dafür war, dass diese bei-den Systeme die Qualitätsanstrengungen der Mitglieder am besten repräsentier-ten. Mittlerweile sind alle im Bereich der AMDL agierenden Bildungsanbieter nach bestimmten Qualitätsmanagementsystemen zertifiziert/zugelassen, der BQM ist eines davon.

Ebenfalls im Zusammenhang zu den Qualitätszertifizierungsauflagen für Bil-dungsträger steht die Mitarbeit des BBB im AZAV-Anerkennungsbeirat der BA, dem u. a. die Sozialpartner und die Verbände der Bildungsträger angehören. In einem rollierenden System vertritt der BBB hier ab Mitte 2018 die Bildungsträ-ger. 2016 ist dies der Deutsche Volkshochschulverband (DVV), 2017 der Verband deutscher Privatschulverbände (VdP). Mit beiden besteht eine enge Zusammen-arbeit; so ist der DVV bspw. auch BBB-Mitglied. In diesem Zusammenhang hat der BBB einen trägerübergreifenden AZAV-Gesprächskreis gebildet. Außerdem finden in regelmäßigen Abständen Expertenworkshops zu Qualitätsthemen statt.

Zusätzlich zu den genannten Aktivitäten engagiert sich der BBB seit der Ver-gaberechtsreform 2015/2016 im „Bündnis für eine qualitätsorientierte und sozial ausgewogene Vergabe“ im Bereich der AMDL. In diesem Zusammenhang findet ein kontinuierlicher und konstruktiver Diskussionsprozess zwischen den Bündnis-mitgliedern und dem Strategischen Einkauf der BA u. a. zu den Erfolgskriterien und zur Ausgestaltung der Ausschreibungen statt. Dieser Austausch betrifft u. a. die von der BA vorgesehenen Trägerbewertungen im Rahmen ihres „Lieferan-tenmanagements“. Das Bündnis versucht in diesem Prozess darauf einzuwirken, dass die Erfolgs- und Bewertungskriterien für Bildungsanbieter stärker inhaltlich und weniger numerisch-kennzahlenorientiert-formal akzentuiert sind.

Projektbeteiligungen und Mitgliedschaften des BBB in GremienEin weiteres Aktionsfeld des BBB markiert die Mitarbeit in laufenden Projekten und die Beteiligung an diversen Interessengremien im Bereich der beruflichen Weiterbildung.

Dazu gehört die Mitgliedschaft des BBB im Deutschen Institut für Erwach-senbildung (DIE). Hier ist der BBB Projektpartner in verschiedenen Projekten, die im Wesentlichen die Professionalitätsentwicklung des Personals in der Wei-terbildung unterstützen. Eines dieser Projekte ist GRETA (Grundlagen für die

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Entwicklung eines trägerübergreifenden Anerkennungssystems von Kompetenzen der Lehrkräfte in der Weiterbildung), das besonders die non-formal und informell erworbenen Kompetenzen des Lehrpersonals in der Weiterbildung erfassen und sichtbar machen möchte. Leitende Fragestellungen dieses Projektes sind: Was müssen Lehrkräfte über formale Abschlüsse und Zulassungen hinaus können, um ihre Aufgaben qualitativ angemessen wahrnehmen zu können? Welche Kompe-tenzen müssen sie, auch außerhalb der Unterrichtsgestaltung und Curriculum-Entwicklung, haben? Relevant werden diese Kompetenzen besonders dann, wenn Lehrkräfte auf Honorarbasis arbeiten, also selbstständige Unternehmer sind. Auch bei der Entwicklung von webbasierten Plattformen zur Unterstützung von Lehrkräften ist der BBB als Projektpartner beteiligt (www.wb-web.de).

Seit 2014 ist der BBB zudem Mitglied im europäischen Verband beruflicher Bildungsträger (EVBB) mit Sitz in Brüssel. Dieses Netzwerk von insgesamt 38 Bildungsunternehmen und -institutionen, auch über Europa hinaus, existiert seit über 20 Jahren; es wurde von Gründungsmitgliedern des BBB ins Leben gerufen. Der EVBB setzt sich für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen der Weiter-bildung im internationalen Bereich ein (vgl. hierzu www.evbb.eu). Eine Mitglied-schaft des BBB in der EFEE (european foundation of education employers), dem europäischen Arbeitgeberverband Bildung, wird zurzeit diskutiert.

Der BBB ist ferner Mitglied im Vorstand des Vereins nfb – Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung. Leitendes Motiv für diese Mit-gliedschaft ist, dass die Beratung zu einem sehr wichtigen flankierenden Baustein der Weiterbildung geworden ist und sie teilweise sogar erst ermöglicht. Eine qua-lifizierte und qualitativ hochwertige Beratung der (potenziellen) Teilnehmer ist nach Ansicht des BBB gerade in der fragmentierten Förderlandschaft dringend notwendig, damit Teilnehmende Zugang zu den für sie jeweils sinnvollen und passenden Angeboten einer beruflichen, aber auch allgemeinen Weiterbildung erhalten.

Interessenvertretung – Lobbyarbeit – PolitikberatungDer BBB versteht sich im Kern als Lobbyverband, Interessenverband und mit sei-ner Zweckgemeinschaft (nicht alle BBB-Mitglieder sind auch in der Zweckge-meinschaft Mitglied, siehe dazu Abschn. 4) auch als Arbeitgeberverband für die Unternehmen der Aus- und Weiterbildungsbranche nach den Sozialgesetzbüchern II und III. Von Bedeutung ist er aber zugleich für die Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, denn in seinem Selbstverständnis geht er davon aus, dass den Inte-ressen der an Weiterbildung Teilnehmenden am besten gedient ist, wenn die Rah-menbedingungen für die Weiterbildung möglichst optimiert sind – was aus Sicht des BBB allerdings bei weitem (noch) nicht der Fall ist.

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Lobby ist als Begriff insofern ambivalent, als der Missbrauch von Macht/Marktmacht durch die Lobby von solventen Interessenverbänden (Automobilin-dustrie, Banken/Versicherungen etc.) den Begriff auch diskreditiert hat. Lobby im Sinne von Interessenvertretung und Politikberatung ist allerdings aus Sicht des BBB gerade für die Weiterbildung notwendig und insofern nicht negativ besetzt. Bei der Komplexität verschiedenster Gesetzgebungsverfahren sind die Parlamen-tarier auf Information und Beratung u. a. des BBB angewiesen und fragen des-halb auch immer wieder Informationen ab, um z. B. die möglichen Auswirkungen von Gesetzgebungsverfahren auf Bildungsträger abschätzen zu können. Ein gutes Beispiel für eine solche notwendige und sinnvolle Lobbyarbeit des BBB ist das im April 2016 abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen in deutsches Recht, kurz „Vergaberechtsreform“ genannt. In diesem Zusammenhang hat sich, maßgeblich durch den BBB mitinitiiert, ein „Bündnis für eine qualitätsorientierte und sozial ausgewogene Vergabe“ gebildet, das die weit überwiegende Mehrheit von Weiter-bildungsanbietern vertritt. Dem Bündnis gehören an: BBB, Bundesarbeitsgemein-schaft (BAG) Arbeit, Verband deutscher Privatschulverbände (VdP), GEW, ver.di, DGB, BAG Evangelische Jugendsozialarbeit, BAG der Berufsbildungswerke, BAG der Freien Wohlfahrtspflege mit den Wohlfahrtsverbänden, Kooperations-verbund Jugendsozialarbeit, Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration (EFAS), Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge und der Evangelische Erziehungsverband (EREV). Weil dieses Bündnis so breit ist und sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerorganisationen der Branche umfasst, hat es im parlamentarischen Raum, bei Abgeordneten und Ausschüssen, aber auch bei der Administration (Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMAS, BA) eine nachhaltige Wirkung. So hat sich bspw. trotz des mittlerweile abge-schlossenen Gesetzgebungsverfahrens aus dem Bündnis heraus ein kontinuierli-cher Dialog mit der BA entwickelt, der weitergeführt wird und bei dem Fragen der Ausgestaltung der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen und Qualitäts-kriterien auf Augenhöhe diskutiert werden. Darüber hinaus hat der BBB, alleine oder im Bündnis, bereits verschiedene parlamentarische Anfragen an die Bundes-regierung initiiert und wird außerdem als Sachverständiger in Fragen der beruf-lichen Weiterbildung eingeladen. Ein Beispiel dafür ist die Anhörung des BBB zum „Arbeitslosenversicherungs- und Weiterbildungsstärkungsgesetz“ (AWStG) im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 9. Mai 2016.

Zusammengefasst bedeutet Lobbyarbeit gegenüber der Administration für den BBB insofern regelmäßige Kontakte und Diskurse in BMAS und BMBF, aber auch mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und einer Vielzahl ande-rer mit Fragen der beruflichen Bildung befasster Institutionen.

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471Aktivitäten des Bildungsverbandes BBB …

Deutscher WeiterbildungstagUm die gesamte Breite der Weiterbildung darzustellen und ihre Bedeutung zu betonen, organisiert der BBB im zweijährigen Rhythmus den Deutschen Weiter-bildungstag. Hier treten Unternehmen und Institutionen als Veranstalter auf; sie gestalten und finanzieren die entsprechenden Aktivitäten. Ein konkretes Thema des Weiterbildungstages wird gemeinsam festgelegt (2014: „Europa bilden“, 2016: „Weiterbildung 4.0 – fit für die digitale Welt“) und die Mitgliedsunterneh-men des BBB sind aufgerufen, dezentral in ihren Einrichtungen Aktivitäten zu diesen Themen durchzuführen. Dies können Tage der Offenen Tür, Workshops, Wettbewerbe, Vorführungen oder auch andere Weiterbildungsevents sein, um die Breite des Arbeitsfeldes darzustellen. Die zentrale Auftaktveranstaltung des deutschen Weiterbildungstages findet jeweils in Berlin in einem größeren und festlichen Rahmen statt. Die Schirmherrschaft hatte 2014 die EU, in einigen vor-herigen Weiterbildungstagen der Bundespräsident. Über den Weiterbildungstag wird die Weiterbildung – hier nicht nur berufliche Weiterbildung, sondern auch die politische, kulturelle, allgemeine Bildung/Weiterbildung – in all ihren Facet-ten sichtbar und erlebbar. Er wird mittlerweile von 21 Mitveranstaltern getragen.

Engagement für das Personal in der WeiterbildungEin zentrales Aktionsfeld des BBB betrifft die Förderkonditionen in der Weiterbil-dungsbranche sowie die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für die Beschäfti-gung des Personals in seinen Mitgliedsunternehmen2. Der Begriff Branche ist nicht eindeutig bestimmt: Im Sinne des allgemein verbindlich erklärten Mindestlohns nach Arbeitnehmerentsendegesetz ist die Aus- und Weiterbildung nach SGB II und SGB III gemeint. Die Branche meint aber eigentlich mehr als nur die Aus- und Weiterbildung nach den Sozialgesetzbüchern II und III, denn Weiterbildung, auch berufliche Weiterbildung, ist bekanntlich viel breiter gefächert. Zur Branche zu

2Anzumerken ist, dass dem BBB derzeit kaum exakte Daten zum Personal in den Mit-gliedsunternehmen vorliegen. Gleichwohl lässt sich basierend auf der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Grünen zur Kontrolle des Mindestlohnes (Bundestags-drucksache 18/3280 vom 26.11.2014, S. 2) eine ungefähre Größenordnung zu den in der SGB III und II geförderten Weiterbildung insgesamt Beschäftigten angeben. Danach gab es im Jahr 2012 zwischen 22.500 bis 26.000 Beschäftigte in diesem Bereich. Diese Grö-ßenordnung erscheint aus Sicht des BBB plausibel, zumal sie auch in Analogie steht zu den vom BBB selbst erhobenen Mitarbeiterzahlen in der Aus- und Weiterbildungsbranche, die zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Mindestlohns zu recherchieren waren. Damit repräsentiert der BBB Anbieter mit insgesamt etwa 20.000 Angestellten in der beruflichen Weiterbildung, überwiegend im Bereich der AMDL.

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rechnen wären die Sprach- und Integrationskurse, die gerade jetzt durch die Flücht-lingssituation stark expandieren. Dazu gehören außerdem die Leistungen zur beruf-lichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen. Die Volkshochschulen und die Einrichtungen der politischen Bildung sind ebenfalls dazuzurechnen, außerdem die kulturelle Bildung. Finanziert werden jeweils Kurse, Seminare oder komplette Fördermaßnahmen. Da diese Maßnahmen sehr „volatil“ sind, nämlich in Kursbe-setzung und Maßnahmedauer oft unsicher oder oft nur für bestimmte Zeiträume und nicht dauerhaft finanziert, ist der Status der Mitarbeitenden in diesen Maßnah-men sehr heterogen.

In den Mitgliedsunternehmen gibt es in Folge der unterschiedlichen För-derquellen daher sowohl fest angestellte Mitarbeitende mit befristeten als auch mit unbefristeten Arbeitsverträgen. Dabei ist auffällig, dass die Quote derjenigen mit befristeten Arbeitsverträgen in der Weiterbildung grundsätz-lich höher ist als in der Gesamtwirtschaft. Neben Angestellten finden sich in den Mitgliedsunternehmen außerdem selbstständige Honorarlehrkräfte. Diese wurden in den Mitgliedseinrichtungen ursprünglich primär zur Erfüllung von besonderen Zusatzanforderungen in bestimmten Bildungsmaßnahmen einge-setzt. Mittlerweile gibt es aber eine Reihe an Weiterbildungsmaßnahmen (z. B. Sprachkurse), die fast ausschließlich mit Honorarlehrkräften betrieben werden. Dabei stellt sich für die Lehrkräfte das Problem der Finanzierung von Steu-ern, Kranken- und Rentenversicherung. Also müssten die hier gezahlten Stun-densätze um 30 % höher sein als der reine „Stundenlohn“, was oft nicht der Fall ist. Vor diesem Hintergrund hat der BBB zusammen mit dem Deutschen Volkshochschulverband (DVV) und der Gewerkschaft Erziehung und Wissen-schaft (GEW) ein Bündnis geschlossen, das sich dafür einsetzt, dass Bildungs-maßnahmen, hier insbesondere Integrationskurse, besser finanziert werden und zwar über die Stundensätze für die Lehrkräfte, aber auch über Trägerpauscha-len, um die Planungssicherheit der Träger zu erhöhen und so mehr Festanstel-lungen zu ermöglichen.

4 Die Zweckgemeinschaft des BBB als Arbeitgeberverband

Jenseits der skizzierten Aktivitäten als Bildungsverband tritt der BBB in der Wei-terbildungsbranche als Arbeitgeberverband auf. Zu diesem Zweck hat er aus dem Kreis seiner Mitgliedsunternehmen eine Zweckgemeinschaft gegründet, deren Entstehungsgeschichte, Selbstverständnis, Aufgaben sowie Perspektiven für die Zukunft im Folgenden vorgestellt werden.

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473Aktivitäten des Bildungsverbandes BBB …

4.1 Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Selbstverständnis der Zweckgemeinschaft

Der aus dem BBB heraus gebildeten Zweckgemeinschaft gehören derzeit 60 seiner insgesamt 83 Mitgliedsunternehmen an. Kernaufgabe der Zweckgemeinschaft ist die Vereinbarung tariflicher Regelungen, die für ihre Mitglieder verbindlich sind. Dieser tarifliche Schwerpunkt begründet, warum die übrigen 23 Mitgliedsunterneh-men des BBB nicht Teil dieser Gemeinschaft sind, denn sie unterliegen teilweise anderen Regelungen: Sofern die Mitglieder nämlich beispielsweise als Bildungsträ-ger der christlichen Kirchen organisiert sind (Beispiel: BBB-Mitglied Christliches Jugenddorfwerk), gelten für sie die arbeitsrechtlichen und tariflichen Regelungen der Kirchen, an die sie gebunden sind.

Die Zweckgemeinschaft wurde im Jahr 2004/2005 aufgrund des großen, in erster Linie auf die damalige Vergabepraxis der BA zurückzuführenden Preis-drucks im Bereich der AMDL gegründet und fungiert seitdem als (einziger) Arbeitgeberverband der Weiterbildungsbranche. Tarifpolitisch ist die Zweckge-meinschaft Verhandlungspartner für die Arbeitgeberseite, die Gewerkschaften GEW und ver.di sind die Verhandlungspartner auf Arbeitnehmerseite.

Die Zweckgemeinschaft hat im Jahr 2013 den Mindestlohn in der Aus- und Weiterbildungsbranche durchgesetzt, das ist ihr bislang größter Erfolg. Basis dafür war ein Tarifvertrag, mit dem in Bezug auf die Bezahlung des (pädagogi-schen) Personals eine „untere Haltelinie“ gesetzt wurde. Der Mindestlohn ver-steht sich für dieses Fördersegment als Lohnuntergrenze, die von (fast) keinem Unternehmen mehr unterschritten werden kann.

4.2 Perspektiven der Zweckgemeinschaft

Fernziel der tariflichen Arbeit der Zweckgemeinschaft ist jedoch nicht nur ein Mindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz, sondern war und ist immer der Abschluss eines Branchentarifvertrages gewesen, der als Grundlage für die gesamte Aus- und Weiterbildungsbranche gilt und der dann nach dem Tarifver-tragsgesetz (TVG) für allgemein verbindlich erklärt wird. Das würde bedeuten, dass dieser Branchentarifvertrag die gesamte Branche bindet und als Rahmen dient. Oberhalb dieses Rahmens wäre es den Arbeitgebern freigestellt, andere – bessere – tarifliche Bedingungen vorzugeben/zu übernehmen, aber unterhalb des im Branchentarifvertrag geregelten Lohns dürfte kein Arbeitgeber seine Mitarbei-ter vergüten.

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Aus verschiedenen Gründen, die auch in der Zersplitterung der Branche lie-gen, konnte ein Branchentarifvertrag bis heute nicht realisiert werden. Ein für allgemein verbindlich erklärter Branchentarifvertrag hat nämlich wesentlich höhere Hürden zu überwinden als der Mindestlohn nach Arbeitnehmerentsen-degesetz. Notwendig wäre hierfür bspw. die Aufnahme von Regelungen eines Manteltarifvertrages, die wesentlich weiter gehen als die einfache Festlegung eines Lohns. Der Regelungsgegenstand (Leitungskräfte, Verwaltungsmitarbei-ter, Beschäftigungszeiten; Lohnfortzahlung usw.) würde wesentlich komplexer, gleichzeitig müsste der Geltungsbereich überprüft werden. Von der Sache her müssten beispielsweise solche AMDL, die in den Bereich der beruflichen Ein-gliederung von Menschen mit Behinderung fallen, auch unter den Mindestlohn fallen; sie sind heute davon ausgenommen.

Aus den regelmäßigen Gesprächen mit der BA – als Kostenträger muss sie ja über die angebotenen Preise indirekt die Löhne der Mitarbeiter finanzieren – wissen wir, dass ein solcher Branchentarifvertrag von der BA aus Gründen der Einheitlichkeit, der Überschaubarkeit und auch der Gleichbehandlung befürwor-tet würde – es bleibt abzuwarten, wie sich die Verhandlungen dazu in Zukunft entwickeln werden.

5 Fazit

Die voranstehenden Ausführungen machen deutlich, dass der BBB immer wie-der Chancen bei der Gestaltung der beruflichen Weiterbildung erkennt und reali-siert. Dies findet auf der einen Seite im berufsbildungspolitischen Rahmen statt: Durch Mitsprache bei Gesetzesvorhaben, im Bereich des Vergaberechts, bei der Qualitätsentwicklung und der Zulassung von Weiterbildungsträgern und im poli-tischen Raum durch Aktivitäten mit und für Parlamentarier und Entscheider. Auf der anderen Seite geschieht dies aber immer auch, wie beschrieben, im Sinne der Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Personal und die Bildungs-unternehmen. In seiner Funktion als Arbeitgeberverband bildet er Bündnisse mit Gewerkschaften und leistet tarifpolitische Arbeit, auch hier unterstützt durch Poli-tikberatung/Lobbyarbeit im parlamentarischen Raum und gegenüber der Admi-nistration und den Förderinstitutionen. Dies zeigt: Der Bildungsverband ist in Politik und Administration präsent, seine Expertise in berufsbildungs- und tarif-politischen Themen wird zunehmend nachgefragt.

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Literatur

Bundestagsdrucksache 18/3280. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann(…) und der Fraktion DIE LINKE „Neuausrichtung der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen“, Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, vom 26.11.2014

Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) (BBB) (Hrsg.). (2015). Qualitätsgrundsätze der Mitglieder im Bildungsverband BBB. Berlin. http://www.bil-dungsverband.info/de/system/files/dateien/QualitaetsgrundsaetzeBBBSept2015.pdf. Zugegriffen: 23. Sept. 2016.

Dobischat, R., Fischell, M., & Rosendahl, A. (2015). Einführung in das Recht der Weiter-bildung. Wiesbaden: Springer.

Fischell, M. (2013). Die Architektur Lebenslangen Lernens unter weiterbildungsrechtlicher Regulation. Baltmannsweiler: Schneider-Hohengehren.

Rosendahl, A. (2013). Finanzierungs- und Vergabemodalitäten im Bereich ausgewählter Qualifizierungsangebote zur Erleichterung des Übergangs an der ersten Schwelle – Expertise zu den Ländern Dänemark, England und Österreich. Expertise im Auftrag des Internationalen Bunds, Essen. http://www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/Expertise_IB_BAG_OeRT_Vergabe.pdf. Zugegriffen: 23. Sept. 2016.

Über den Autor

Walter Würfel geb. 3.5.1952 Studium der Germanistik, Geschichte und Geographie in Tübingen und Heidelberg, erstes und zweites Staatsexamen für das Lehramt an Gym-nasien.

1982–1987 Tätigkeit als Fachlehrer (Metall-, Elektro- und Bauberufe) in der sozialpädagogisch orientierten außer-betrieblichen Ausbildung im Berufsbildungszentrum des Internationalen Bundes (IB) in Mannheim.

1987–2014 Leitungstätigkeiten in der Ausbildung. Abteilungsleiter in der Zentralen Geschäftsführung des IB in Frankfurt. Zuständig für Berufliche Integrationsförde-rung und Jugendsozialarbeit.

2007–2014 Sprecher des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit, eines Zusammenschlusses von sieben bundesweiten Trägern (AWO, DRK, Parität, BAG EJSA, BAG KJS, BAG Ört, IB).

2015 Geschäftsführer des Bundesverbandes der Träger beruflicher Bildung (Bildungsverband) e.V. in Berlin.

Mitglied im Vorstand des nfb-Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf, Beschäftigung; Mitglied im Redaktionsbeirat der Zeitschrift „Erwachsenenbildung“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung.

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Die Branche Weiterbildung: Entgeltentwicklung und tarifpolitische Perspektiven

Roland Kohsiek

ZusammenfassungDer Beitrag widmet sich aus Gewerkschafts-Perspektive den gegenwärtigen Beschäftigungsbedingungen in der SGB II und III geförderten beruflichen Weiterbildung sowie diesbezüglichen gewerkschaftlichen Gegenstrategien. Nach einer Verortung der SGB geförderten beruflichen Weiterbildung im Wei-terbildungsgesamtsystem sowie einer Rekapitulierung der einschneidenden Veränderungen bei den Fördervolumina und -instrumenten der BA in diesem Fördersegment und ihrer Folgen für Anbieter und Beschäftigte liegt der Fokus auf dem Mindestlohntarifvertrag, dessen Entstehungsgeschichte und dies-bezüglichen Konfliktlinien und -punkten sowie auf dessen Wirkungen in der Weiterbildungslandschaft.

1 Einleitung

Der Widerspruch zwischen Anspruch und politischer Bedeutungszuschreibung einerseits und den Lern- und Arbeitsbedingungen in der Branche Weiterbildung andererseits ist eklatant; die Bedingungen für die TeilnehmerInnen oder Lernen-den, wie immer man diese Gruppe auch bezeichnen mag, und für die Beschäftig-ten in den Weiterbildungseinrichtungen hängen zumindest mittelbar voneinander ab. Die Politik weist in verschiedenen Zusammenhängen auf die besondere

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 R. Dobischat et al. (Hrsg.), Das Personal in der Weiterbildung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-17076-9_22

R. Kohsiek (*) ver.di Hamburg, Besenbinderhof 60, 20097 Hamburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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Bedeutung der Weiterbildung hin, vom Dresdner Bildungsgipfel 2008 der Bun-desregierung, auf dem die Bildungsrepublik Deutschland ausgerufen wurde (DGB 2011), bis hin zu den aktuellen Integrationsunterstützungen für Flüchtlinge bzw. Zuwanderer. Im Gegensatz zu diesen positiven Bedeutungszuschreibungen sind die Bedingungen, unter denen die Beschäftigten in der Weiterbildung arbeiten, mittlerweile durchgängig eher als prekär zu beschreiben, mit verschiedenen Abstufungen in den verschiedenen Segmenten. Die Statistik der Bundesagen-tur für Arbeit (BA) spiegelt diese Entwicklungen zumindest partiell wider: Dort wird mittlerweile auch der Grad der Prekarisierung von Beschäftigungsverhält-nissen erfasst und zwar mit dem Indikator der Anzahl der befristeten Beschäf-tigungsverhältnisse in der jeweiligen Branche (Brückner et al. 2013, S. 170 f.). Zwar vermeidet die BA den Begriff der prekären Beschäftigungsverhältnisse und spricht von atypischen Beschäftigungsverhältnissen in Abgrenzung zum norma-len Beschäftigungsverhältnis, inhaltlich werden aber genau die zentralen Aspekte prekärer Beschäftigung, nämlich Beschäftigungsstabilität, Beschäftigungsfähig-keit und soziale Sicherung, in den Auswertungen benannt (Brehmer und Seifert 2007). Nach diesen Statistiken belegt die Branche Erziehung und Bildung mitt-lerweile den Spitzenplatz (und nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, die Gastronomie, die Hotellerie oder die Wach- und Sicherheitsdienste). Innerhalb dieser zugegeben etwas vagen Branchendifferenzierung sind es offensichtlich der Hochschulbereich mit den enormen Befristungen bei den wissenschaftlichen Mit-arbeitern (u. a. aufgrund des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes) und die Weiter-bildung, die aufgrund von deutlich unterdurchschnittlicher Entlohnung und einer hohen Befristungsquote für diese Ausprägung von prekären Beschäftigungsver-hältnissen verantwortlich sind.

2 Die Weiterbildung

Der Versuch, die Weiterbildung insgesamt als einen (zentralen und eben nicht beigeordneten) Bildungsbereich zu erfassen, erweist sich als schwierig. Zwar gibt es keinen Mangel an Material, es ergibt sich aber ein bestenfalls mosaikar-tig zusammengesetztes Bild (Reichardt und Gnahs 2014). Die Weiterbildung ist weitgehend ungeregelt und nur in Teilbereichen wirken die Vorgaben der ver-schiedenen Finanziers strukturierend. Präzisere Aussagen über die Größe dieses Bildungsbereichs, also zur Anzahl der Betriebe, der Beschäftigten oder der Teil-nehmenden, liegen nicht vor, wobei die dokumentierten Teilbereiche (zum Bei-spiel Volkshochschulen) nicht übersehen werden, ebenso wenig wie die aus der Wissenschaft kommenden Beiträge zur Sichtung und Bewertung der disparaten

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479Die Branche Weiterbildung: Entgeltentwicklung …

Datenlage sowie die Ansätze zu präziseren Schätzungen oder Hochrechnungen. Allerdings können auch sie nur Beiträge zur besseren Interpretation und Gewich-tung oder zur Sichtung von Teilaspekten leisten. Dabei ist der wbmonitor, betrie-ben vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und dem Deutschen Institut für Erwachsenbildung (DIE), ein großer Schritt vorwärts. Aber auch hier wird pri-mär auf Aussagen der Arbeitgeber zum Geschäftsklima (u. a.) zurückgegriffen, die oftmals nur sehr begrenzt brauchbar sind, da es Selbstauskünfte und oftmals eher interessegeleitet von Zweckoptimismus geprägt sind. Selbst die aktuellste Untersuchung (Horn et al. 2016) vermag den generellen Mangel nicht zu kom-pensieren, obwohl hier einzelne Daten für bestimmte Bereiche der Weiterbildung präziser und damit aussagekräftiger sind – zu den Eckpunkten für die gesamte Branche findet sich leider kaum Neues.

Zur Erfassung der Größe und damit auch der Bedeutung der Weiterbildung als Arbeitsfeld ist immer noch die WSF-Untersuchung von 2005 ein wichti-ger Bezugspunkt, die sich allerdings ausschließlich auf Lehrkräfte in der außer-betrieblichen Weiterbildung bezieht (vgl. WSF 2005). Zwar liegen auch hier keine gesicherten Zahlen vor, doch die gut begründeten Schätzungen gehen von 165.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und einer mehr als dreifa-chen Zahl von Honorarkräften bzw. Selbstständigen aus. Damit wird eines sehr deutlich: die Weiterbildung ist kein neben- oder beigeordneter Teil der Bildung, sondern ein eigenständiger Bildungsbereich, auch wenn dieser Bereich sehr hete-rogen und schwer abzugrenzen ist. Möglicherweise ist die Weiterbildung unter dem Gesichtspunkt der Anzahl der dort beschäftigten Personen inkl. Honorardo-zenten der größte Bildungsbereich.

Allein aus der Personalstruktur ergibt sich ein weiteres Charakteristikum der Branche Weiterbildung. Honorarbeschäftigung muss überwiegend als prekär bewertet werden und damit prägen prekäre Beschäftigungsverhältnisse die Wei-terbildung. Verschärft wird diese Einschätzung durch den extrem hohen Anteil an befristeten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Und diese Beschäftigungsformen ziehen mittlerweile auch in den anderen Bildungs-bereichen ein; so führt in Hamburg die Etablierung der Ganztagsschule auch zu Honorarbeschäftigung in einem nicht unbeträchtlichen Umfang (Kohsiek 2011).

2.1 Differenzierungen und Untergliederungen

Für eine erste Differenzierung der Weiterbildung ist die Unterscheidung nach Finanzierungsquellen in öffentlich geförderte und private oder privat finan-zierte Weiterbildung hilfreich. Streng genommen ist selbst diese Differenzierung

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schwierig, da viele Unternehmen in der Weiterbildung zwar schwerpunktmäßig eher in dem einen oder anderen Bereich tätig sind, aber durchaus Bildungsmaß-nahmen durchführen, die beide Finanzierungsmöglichkeiten nutzen. Gemeinsam ist aber beiden Bereichen die durchgängige Vermarktlichung, sprich die Verfasst-heit des gesamten Bereichs der Weiterbildung als Markt. Insofern ist es nur kon-sequent, von einem Weiterbildungsmarkt zu sprechen (Brügmann 2002).

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit der Weiterbildung ist die traditio-nelle Unterteilung in allgemeine, politische und beruflich-betriebliche Weiterbil-dung, allerdings hilft diese nur begrenzt weiter, denn die beruflich-betriebliche Weiterbildung ist gemessen am Förder- und Teilnehmervolumen wie auch an der Zahl der Anbieter der weitaus größte Teil der Weiterbildung. Unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungsbedingungen ist die Differenzierung öffentlich vs. privat von größerer Bedeutung, da allein die Entlohnungsbedingungen sehr unterschiedlich sind: bei einer etwas größeren Streuung im Bereich der privaten Weiterbildung sind die Gehälter dort deutlich höher als für die Beschäftigten in der öffentlich finanzierten Weiterbildung (Alfänger et al. 2016). Dabei sind auch Wechselwirkungen zwischen den Bereichen festzustellen. So ist bei Trägern, die in einem größeren Umfang privat finanzierte Weiterbildung durchführen, auch die Entlohnung in den öffentlich refinanzierten Kursen oftmals auch höher.

2.2 Die öffentlich-finanzierte berufliche Weiterbildung

Der nicht einmal größte, aber zentrale Bereich der öffentlich-finanzierten Weiter-bildung ist die nach dem Sozialgesetzbuch II und III geförderte berufliche Weiter-bildung. Streng genommen müssen zu diesem Bereich auch Bildungsmaßnahmen gezählt werden, die mit Mitteln der Europäischen Union (oftmals Europäischer Sozialfonds), des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesminis-teriums für Bildung und Forschung (erst seit einigen Jahren), der Bundesländer und auch der Kommunen, auch in Mischfinanzierung oder nur kofinanziert, unter-stützt werden. Innerhalb dieses Marktsegments bilden die Aufträge der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter den größten und prägendsten Teil. Sie werden auch in der Öffentlichkeit so wahrgenommen. Zur Erfassung der Entwicklung die-ses Bereichs der öffentlich geförderten Weiterbildung bieten sich verschiedene Perspektiven an.

Peter Faulstich (2010) schlägt eine Gliederung entlang der wechselnden Motive der Arbeitsmarktpolitik vor, immerhin gibt es diesen Zweig der Wei-terbildung spätestens seit 1969 mit der Verabschiedung des Arbeitsförderungs-gesetzes (AFG). Dieses Gesetz war das am häufigsten geänderte Gesetz in den

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1970er und 1980er Jahren mit allein 220 Änderungen im Zeitraum von 1969 bis 1989 – so Peter Kleinschmidt in einem Kommentar im Hessischen Rundfunk 1989 (inhaltlich s. Oschmiansky und Ebach 2012, S. 92 f.). Das weist darauf hin, dass die Förderung und die Rahmenbedingungen der Weiterbildung immer politisch begründet waren.

Eine andere Perspektive ergibt sich aus Sicht der Beschäftigten und auch der Unternehmen oder Bildungsträger in der Weiterbildung, wenn man die Ein-nahme- und Ausgabenentwicklung der BA und damit verbunden das öffentliche Fördervolumen in Betracht zieht. Nach einer kontinuierlichen Ausweitung der Mittel bis Mitte der 1980er Jahre erfolgte nach der ersten sog. Qualifizierung-soffensive 1987 ein erster Einschnitt. Der nächste sehr gravierende Einschnitt erfolgte 1993. Die Ausweitung des Geltungsbereichs des AFG und die Anwen-dung der Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik nach dem Beitritt der neuen Bundesländer 1990, verbunden mit enormen zusätzlichen finanziellen Mitteln, führte im Januar 1993 zu einer „Vollbremsung“ der Förderung (Bothfeld et. al. Anhang S. 376 f.; auch Olschmiansky und Ebach 2012, S. 93 f.). Allein aufgrund dieser beiden Einschnitte mussten die Beschäftigten in der Weiterbil-dung erste deutliche Erfahrungen mit Einschränkungen und Arbeitsplatzabbau, sprich auch mit betriebsbedingten Kündigungen, machen. Allerdings fielen diese finanziellen Einschnitte bei den einzelnen Bildungsträgern sehr unterschiedlich aus. In den Jahren danach erfolgte kein neuer Anstieg oder eine Stabilisierung der Förderung, sondern es setzte eine Förderung mit starken Schwankungen ein: die sog. stop-and-go-Politik (Faulstich 2010, S. 80; auch Olschmianky und Ebach 2012, S. 93). Längerfristige Perspektiven der Bildungsträger wurden erschwert, Planungen bezogen sich oftmals nur auf ein oder maximal zwei Jahre. Die Beschäftigten erfuhren dies als Unsicherheit; Schließung von Einrichtungen und Personalabbau wurden zum Standardgeschäft der Betriebsräte. Zwei Veränderun-gen wurden parallel zur instabilen Förderung durchgesetzt: einerseits begannen einzelne Arbeitsämter (so die damalige Bezeichnung) mit der Ausschreibung von Bildungsmaßnahmen, was zu einem erheblichen Druck auf Gehälter bzw. Tarif-verträge führte und mit neuen Anforderungen an die Unternehmensführungen einherging. Zum anderen wurde die Zielsetzung der Bildungsmaßnahmen für Erwerbslose Schritt für Schritt verschoben. Während es noch im AFG von 1969 um die möglichst abschlussbezogene Qualifizierung von Erwerbslosen ging, nämlich als Voraussetzung, Veränderungen am Arbeitsmarkt besser entsprechen zu können, wurde in den 90er Jahren das Ziel der unmittelbaren Vermittlung in den Arbeitsmarkt durchgesetzt – ein schleichender Paradigmenwechsel, so widersprüchlich es sich auch anhört (Olschmiansky und Ebach 2012, S. 95; auch Dobischat et al. 2014).

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482 R. Kohsiek

3 Die Hartz-Gesetze

Mit den Hartz-Gesetzen erfolgte ein von vielen Beteiligten nicht für möglich gehaltener Einbruch. Auch wenn sich deutlichere Veränderungen mit dem sog. Job-AQTIV-Gesetz, in Kraft getreten am 01.01.2002, bereits andeuteten, so waren die Veränderungen durch die Hartz-Gesetze und die bereits im Umfeld der Arbeit der Hartz-Kommission durchgesetzten Einzelschritte für die gesamte Wei-terbildung katastrophal. In der politischen Diskussion ab Ende 2001 ging es dann nicht nur um die Solidität der statistischen Erfassungen der BA über ihre eigene Arbeit und deren Wirkungen auf die Arbeitsvermittlung, auch die Weiterbildung geriet unter Pauschalverdacht, an den Bedarfen des Arbeitsmarktes vorbei zu qualifizieren und eher Trägerinteressen zu dienen. Die beiden denunziatorischen Begriffe in der Hartz-Ära waren Qualifizierung auf Halde und die Arbeitslosen- bzw. Weiterbildungsindustrie.

In dieser politisch aufgeladenen Stimmung wurden die Fördermittel der BA für die berufliche (Weiter-)Bildung mehr als halbiert und gleichzeitig wurde die Ausschreibungspraxis nach dem Vergaberecht weitestgehend durchgesetzt. Ein massiver Verdrängungs- und Unterbietungswettbewerb zwischen den Bildungs-trägern setzte sich durch und führte bei diesen zu einem massiven Einbruch der gesamten Geschäftstätigkeit. In der Folge wurden diese Mechanismen um die Bil-dungsgutscheine ergänzt und sog. Durchschnittskostensätze in der Vergabepraxis der BA etabliert. Dabei wirkten und wirken die Bildungsgutscheine widersprüch-lich; einerseits konnte damit die generelle Durchsetzung des Ausschreibungsver-fahrens begrenzt werden, zum anderen wurde darüber quantitativ und in Bezug auf die Finanzierung vonseiten der BA restriktiv agiert. Treffend wird das Zusam-menwirken dieser Mechanismen bei Alfänger u. a. zusammengefasst:

„Durch das bundesweite Ausschreibungs- und Vergabeverfahren und das Bil-dungsgutscheinsystem wurde der Wettbewerb unter den Bildungseinrichtungen befeuert. Hinzu kommt die gewünschte Ergebnisorientierung, die mit den Instru-menten der Bildungszielplanung und den Durchschnittskostensätzen erreicht wer-den sollen“ (Alfänger et al. 2016, S. 98).

Bei allen Trägern wurden massiv Kapazitäten reduziert, Einrichtungen geschlossen und beträchtliche Teile des teilweise langjährig beschäftigten Per-sonals abgebaut. Eine nicht bekannte Zahl von Trägern ist in die Insolvenz geraten; andere haben die Geschäftstätigkeit eingestellt und sind vom Markt verschwunden. Die Bezahlung sowie die Tarifverträge und die Beschäftigungs-bedingungen gerieten bei allen Trägern unter enormen Druck; die drastisch ver-schlechterte Refinanzierung wurde unmittelbar an die Beschäftigten weitergeben (Kohsiek 2014). Auffangversuche mit Notlagentarifverträgen konnten nur in

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wenigen Fällen und meist auch nur vorübergehend den Druck auffangen, oft-mals eine Art Galgenfrist. Alle großen, überregional tätigen Träger kündigten oder froren die Tarifverträge ein; das operative Geschäft wurde zu guten Teilen in nicht tarifgebundene Tochtergesellschaften ausgelagert. Die Befristungsquote, die schon vorher überdurchschnittlich hoch war, wurde enorm ausgeweitet; ebenso die Honorarbeschäftigung. Dieser Beinahe-Zusammenbruch der öffent-lich geförderten Weiterbildung vollzog sich sowohl bei den einzelnen Trägern als auch regional unterschiedlich. Insgesamt hat sich die Branche Weiterbildung von diesem Einbruch bis 2015 nicht erholt; oder aber, die wahrscheinlich realis-tischere Betrachtung, die Branche Weiterbildung ist nach der Krise 2003–2007 eine andere geworden.

Um diese Entwicklung auch in den Folgejahren zu verdeutlichen: Die Trä-gerlandschaft, also die Träger, die schwerpunktmäßig die SGB III-geförderten Weiterbildungsmaßnahmen durchführten, war nie einheitlich oder gar durchstruk-turiert. Das gilt insbesondere für Entlohnungs- und Beschäftigungsbedingun-gen. Dennoch hatten sich in den 1970er und 80er Jahren gewisse, relativ stabile Entlohnungs- und Beschäftigungsstandards herausgebildet. Es gab zwar keinen Branchentarifvertrag, aber zahlreiche Träger waren über Haustarifverträge tarif-gebunden, entweder unmittelbar über den seiner Zeit geltenden Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), oder aber an diesen angelehnt. Andere Träger hatten eigenständige Haustarifverträge mit einer anderen Struktur, beispielsweise eine geringere Bezahlung der LehrerInnen und eine höhere Bezahlung der AusbilderInnen, aber insgesamt auf einem Niveau, dass noch „in Reichweite“ des BAT lag. Zwar gab es auch schon länger Träger mit einer erheblich schlechteren Bezahlung, diese waren aber eher die Ausnah-men. Seit Ende der 90er Jahre gab es bereits einen nicht unerheblichen Druck auf die Gehälter, so wurden bei einzelnen Trägern die vereinbarten Regelungen zu einer betrieblichen Altersversorgung geschlossen und Tariferhöhungen einfach „ausgelassen“. Auch wurde die reine Lehrtätigkeit zunehmend auf Honorarbe-schäftigung umgestellt, sodass die Zahl der LehrerInnen stetig sank. Aber für die Mehrzahl der Beschäftigten gab es ein akzeptables oder zumindest akzeptiertes Gehalt, wenn auch unter dem BAT-Niveau. In Zahlen und umgerechnet auf das heutige Tarifniveau bedeutet dies: während vor der Krise noch ein Gutteil der Beschäftigten deutlich über € 3000 erhielt, bei BAT-Anwendung und langjähri-ger Beschäftigung auch gut über € 4000, sank innerhalb weniger Jahre das Gehalt bei Neueinstellungen auf € 2000 und darunter. Einzelne Träger rühmten sich, die € 2000-Grenze nie unterschritten zu haben. Trotz aller Stadt-Land-Unterschei-dung wurden auch in Großstädten Einstiegsgehälter, die dann auch zu Standard-gehältern wurden, von € 1850 gezahlt. Verbürgt ist der Fall von € 1500 in einer

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Landeshauptstadt und das bei einer 40 Std.-Woche und möglichen 40 h Unter-richt. Nicht verbürgt, aber als hartnäckiges Gerücht halten sich € 1200 und einmal der „Schnäppchen-Preis“ von € 999 in Mecklenburg-Vorpommern. Von einem regelrechten Verfall der Gehälter um 30–50 % zu sprechen, ist demnach keine Übertreibung, sondern – leider – die schlichte Wahrheit (Kohsiek 2013, 2014). Parallel zu den Gehältern sind auch die Honorare gesunken; sie liegen um die 20 €, oftmals aber auch darunter. Gleichzeitig wurde vielfach die Grundlage des Stundenhonorars von 45 min auf eine Zeitstunde ausgeweitet, was einer Kürzung um 33 % entspricht.

4 Gegenmaßnahmen: Ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag

Anlässlich der beschriebenen Situation infolge der Hartz-Reformen rückte bei den Gewerkschaften (u. a.) zunehmend die zentrale Frage ins Blickfeld, wie dem durch den Unterbietungswettbewerb angeheizten weiteren Absinken der Gehälter begegnet werden könnte. Dabei wurde von den Gewerkschaften ver.di und GEW die Zahl der in der Weiterbildung vertretenen Gewerkschaften durch die Gründung von ver.di 2001 deutlich reduziert und auf die Idee eines allge-mein verbindlichen Tarifvertrages zurückgegriffen. Ein für allgemein verbindlich erklärter Tarifvertrag gilt ausnahmslos für alle Beschäftigten in dem Geltungs-bereich des Tarifvertrages und zwar unabhängig davon, ob der jeweilige Arbeit-geber Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband ist. Dabei ergaben sich zwei Wege: einmal über das Tarifvertragsgesetz(TVG); der Weg dahin führt über einen Mehrheitsbeschluss im sog. Tarifausschuss, einem paritätisch aus Arbeitge-ber- und Gewerkschaftsvertretern besetzten Gremium, das dem Bundesarbeitsmi-nisterium zugeordnet ist. Der zweite Weg führt über eine Aufnahme der Branche in das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) von 1996. In diesem Fall kann der Bundesarbeitsminister unabhängig vom Votum des Tarifausschusses die Allge-meinverbindlichkeit des Tarifvertrags für alle Betriebe und Beschäftigten dieser Branche per Verordnung erlassen. Der erste Weg erschien aufgrund einer generel-len Ablehnungshaltung der Arbeitgeberverbände als wenig Erfolg versprechend.

Grundsätzlich war die Idee eines allgemein verbindlichen Tarifvertrages nicht neu. Bereits 1993 hatten sich die Betriebsräte aller größeren Bildungsträger dieses Ziel zu eigen gemacht und erste Eckpunkte eines möglichen Tarifvertra-ges wurden diskutiert und formuliert. Allerdings verlief diese Idee zunächst im Sande, denn es fehlte eine zentrale Voraussetzung für ein solches Projekt, näm-lich ein Arbeitgeberverband, der auch das Ziel einer tariflichen Regulierung der

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Weiterbildungsbranche verfolgt hätte. Zwar gab es auch hier etwa zur gleichen Zeit einen Ansatz zur Gründung eines Arbeitgeberverbandes, der dann aber nicht weiter verfolgt wurde, daher blieb es bei einer informellen Arbeitsgruppe der Geschäftsführungen. Auch mit Vertretern dieser Arbeitsgruppe führten die Betriebsräte, hier der Arbeitskreis der Betriebsräte überregionaler Weiterbil-dungsträger, verschiedene Gespräche. Konstruktive Schritte hin zu einem tariffä-higen Arbeitgeberverband und dann zu einem Branchentarifvertrag kamen nicht zustande. Erst in der Krise und angesichts der Bedrohung aller Träger gründete sich im Mai 2002 der Bundesverband der Träger beruflicher Bildung (BBB), kurz Bildungsverband. Dieser Verband gründete dann auch einen Zweckverband, der explizit tariffähig war. Dieses Verfahren, einen Arbeitgeberverband als Interes-senverband mit Lobbyfunktion zu gründen und über eine untergeordnete, zweite Mitgliedschaft die Tariffähigkeit festzuschreiben, ist bei bundesdeutschen Arbeit-geberverbänden nicht unüblich.

In der Folge wurden verschiedene Aktivitäten vom Bildungsverband und den Gewerkschaften ver.di und GEW zur Rettung der Weiterbildungsbranche und gegen die ruinöse Verdrängungskonkurrenz durchgeführt. Dabei wurde auch die Perspektive eines allgemein verbindlichen Tarifvertrages weiterverfolgt, jedoch auf der Grundlage des Entsendegesetzes. Damit war ersichtlich, dass es zunächst um einen Mindestlohntarifvertrag für die Weiterbildung geht.

Nach zahlreichen Gesprächen und Interventionen bei den verschiedenen poli-tischen Gremien und Repräsentanten konnte 2009 die erste Hürde genommen werden. Im April 2009 wurden die Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten und Dritten Sozialgesetzbuch in das AEntG aufgenommen. Kurz danach wurde ein bereits vereinbarter Tarifvertrag als gemeinsamer Antrag vom Bildungsverband und den Gewerkschaften ver.di und GEW zur Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) eingebracht. Angesichts verschiedener Widerstände wurde dieser Antrag dann noch einmal zurückgezogen, umformuliert und erneut eingereicht. Dabei wurde auch eine aus Sicht der Gewerkschaften unerwünschte Veränderung vorge-nommen, nämlich die Einschränkung des Geltungsbereiches des Tarifvertrags auf das pädagogische Personal.

Im Juli 2012 folgte der Durchbruch. Am 20.07.2012 unterzeichnete das Bun-desarbeitsministerium den Erlass, mit dem der Mindestlohntarifvertrag Weiter-bildung ab 01.08.2012 nach dem AEntG für allgemein verbindlich erklärt wurde (ver.di 2012). Die politische Dimension dieser Entscheidung wird dadurch deut-lich, dass die Bundesarbeitsministerin einen solchen Erlass erst nach Zustimmung des Bundeskabinetts unterschreiben darf und einer solchen Entscheidung geht

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eine sog. Ressortabstimmung voraus, d. h. mehrere möglicherweise betroffene Ministerien werden im Vorfeld der Kabinettsentscheidung beteiligt.

5 Der Mindestlohntarifvertag

In dem für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag können lediglich Stunden-löhne und Erholungsurlaub geregelt werden – so der Rahmen des AEntG. Festge-schrieben wurde für das pädagogische Personal ein Stundenentgelt von € 12,60 für die westlichen Bundesländer einschließlich Berlin und € 11,25 für die neuen Bundesländer sowie 26 Urlaubstage. Zwar sind die Betriebsräte gegen die Diffe-renzierung West-Ost, allerdings musste diese Differenzierung akzeptiert werden, denn anders war ein Konsens mit den Arbeitgebervertretern nicht zu erreichen. Auch ist das Lohnniveau aus Betriebsratssicht auf das Jahr 2012 alles andere als befriedigend; aber die erste Vereinbarung stammte von 2007 und orientierte sich an der zu diesem Zeitpunkt geltenden mittleren Einstiegseingruppierung eines Tarifvertrages eines großen Trägers und lag damit schon mehrere Jahre zurück.

Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist immer an die Laufzeit des Tarif-vertrages gebunden, da aber die Allgemeinverbindlichkeit aufgrund des Verord-nungscharakters keine Nachwirkung kennt wie andere Tarifverträge, die lediglich nach dem Tarifvertragsgesetz abgeschlossen werden, musste schon frühzeitig mit dem Verhandeln eines Folgetarifvertrages begonnen werden. Mittlerweile sind zwei Folgeanträge positiv entschieden worden. Seit dem 01.01.2016 gilt der dritte Tarifvertrag, jetzt mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2017. Die Stundenlöhne wurden auf € 14,00 West und € 13,30 Ost festgesetzt und ab dem 01.01.2017 gilt ein einheitlicher Stundenlohn von € 14,60, womit zumindest die West-Ost-Differenzierung ab 2017 aufgehoben werden wird. Das Urlaubsvolumen konnte auf 29 Tage ab dem 01.01.2016 erhöht werden. Weitere Verbesserungen wie die Aufnahme weiterer Regelungsbereiche jenseits des Entgelts und des Urlaubs sind nach dem Entsendegesetz nicht möglich. Auf eine mögliche Veränderung, näm-lich die Aufnahme einer Steigerungsstufe für das Entgelt nach einer definierten Betriebszugehörigkeit, die auch im Rahmen des Entsendegesetzes möglich ist, wurde bewusst verzichtet, denn das hätte das komplizierte Genehmigungsver-fahren erschweren können. In diesem Fall wäre der Antrag möglicherweise als Neuantrag und eben nicht als Folgeantrag gewertet worden. Bei allen Schritten des Genehmigungsverfahrens musste immer wieder mit massiven Widerständen gerechnet werden, denn vor allem arbeitgeberseitig ist der Mindestlohntarifver-trag bei weitem nicht akzeptiert.

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5.1 Die Widerstände

Von Anbeginn dieses langen Weges gab es erhebliche Widerstände gegen diesen Mindestlohntarifvertrag für die SGB II/SGB III geförderte Weiterbildung. Das galt zunächst auch für das Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit (BA). In der BA zeichneten sich zwei Haltungen ab. Während die einen dem Projekt wohlwollend gegenüber standen, wohl auch basierend auf dem Wis-sen um die Situation bei den Bildungsträgern, reagierte die andere Seite grund-sätzlich ablehnend und fasste ihre Position mit dem schönen Satz „Das Tarifrecht ist dem Vergaberecht wesensfremd“ zusammen, so ein leitender Vertreter der Bundesagentur 2009. Mittlerweile hat sich die erste Position durchgesetzt; von-seiten der BA wird der Mindestlohn unterstützt und zwar sowohl offiziell als auch politisch aus ihrer eigenen Interessenlage heraus.

Gravierender und nach wie vor anhaltend ist der Widerstand verschiedener Arbeitgeber gegen den Mindestlohntarifvertrag. Konkurrierende Arbeitgeberver-bände wie der Wuppertaler Kreis e. V., ein Zusammenschluss von eher arbeitge-berorientierten Bildungsträgern, hat sich bei allen im Genehmigungsverfahren vorgeschriebenen Anhörungen negativ zum Mindestlohntarifvertrag geäußert. In den verschiedenen Stellungnahmen von 2009, Februar und Dezember 2011, April 2013 bis zu September 2015 werden weitestgehend ähnliche Argumente aufge-führt. Die notwendige und vorgeschriebene Dokumentation der Arbeitszeiten behindere „moderne Formen des Arbeitszeitmanagements“ und führe zu höheren Kosten, flexible Arbeitszeitregelungen würden eingeschränkt, „die Personaldispo-sition erschwert“, Beschäftigte „müssen auf bisherige Einkommensmöglichkeiten durch Überstunden verzichten“, Wettbewerbsverzerrungen wären aufgrund eines möglichen Unterlaufens des Mindestlohntarifvertrages zu erwarten (Wuppertaler Kreis e. V., Stellungnahme 2015, S. 4–5). Diese Argumente vorzutragen, ist inter-essenpolitisch motiviert und in der Auseinandersetzung legitim. Allerdings haben sich nach knapp vier Jahren Mindestlohntarifvertrag keine der Befürchtungen bestätigt.

Darüber hinaus wurden seitens des Wuppertaler Kreises weitere Argumente anführt; zwei dieser Argumente sollen hier genannt werden: „Ein allgemein ver-bindlich erklärter Branchentarif wird dem sehr differenzierten und individuellen Profil der überwiegend mittelständisch geprägten Weiterbildungsanbieter nicht gerecht. Eine Vereinheitlichung zielt auf Nivellierung und wäre kontraproduktiv für Marktnähe, Flexibilität und Differenzierung“ (Wuppertaler Kreis e. V. 2008, Herv. i. O.). Diese argumentative Richtung ist bemerkenswert, zielt doch ein Tarifvertrag auf die Vereinheitlichung der Gehälter auf einem möglichst hohen

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Niveau, eben gerade um die Konkurrenz zwischen oder unter den Beschäftigten zu reduzieren. Diese gewollte und angestrebte Vereinheitlichung hat aber mit der Marktorientierung und Unternehmenspolitik nichts zu tun. Und ein weiteres Argument: „Die mit dem Entsendegesetz verbundenen staatlichen Kontrollen durch den Zoll werden durch die Institute als unpassend erlebt. Den Wissensun-ternehmen wird damit ein unseriöser Umgang mit den Beschäftigten unterstellt – ein Verdacht, für den es keinerlei Grundlage gibt“ (Wuppertaler Kreis e. V. 2015). Die Kontrollmöglichkeiten durch den Zoll sind im Verfahren der Umsetzung vorgesehen und warum sollte die Weiterbildung ausgenommen werden, kommen doch selbst die Kontrollen der BA zu ganz anderen Ergebnissen (Prüfberichte Bundesrechnungshof 2007/2008) – so seriös ist die Branche Weiterbildung offen-sichtlich nicht.

Angesichts dieser wiederholt vorgetragenen Stellungnahmen ist es nicht ver-wunderlich, dass eine Gruppe von Arbeitgebern, auch einzelne Mitglieder des Wuppertaler Kreises, den juristischen Weg beschritten haben, um so die Allge-meinverbindlichkeit zu verhindern. Bemerkenswert ist, dass die Beklagte in diesem Fall die Bundesarbeitsministerin ist. Das zentrale Argument lautet, die Bundesarbeitsministerin habe ihren Ermessensspielraum bei der Bewertung des öffentlichen Interesses an einer Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit deutlich überschritten. Bislang hat die Klägergemeinschaft alle Verfahren verloren, ob aber damit die juristischen Auseinandersetzungen beendet sind, ist offen, denn eine Klage bezieht sich immer nur auf jeweils eine Entscheidung des BMAS, auch wenn schon ein Folgeantrag auf Allgemeinverbindlichkeit positiv beschie-den worden ist. In jedem Fall muss mit weiterem Widerstand von Teilen der Arbeitgeber gerechnet werden.

5.2 Die Umsetzung und Umdeutung des Mindestlohntarifvertrages

Die politischen Auseinandersetzungen um die erste Erklärung der Allgemeinver-bindlichkeit wurden von allen Seiten in der Branche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Die Mehrzahl der Träger stellte sich auf die Umsetzung ein, allerdings wurden dann noch zahlreiche Fragen aufgeworfen und mussten geklärt werden, etwa verschiedene Arbeitszeiten innerhalb eines Unternehmens, denn der Min-destlohntarifvertrag legt einen Stundenlohn fest. Lediglich ein großer Träger wei-gerte sich, den Mindestlohn zu zahlen, schließlich habe, so meinte er, seine Klage aufschiebende Wirkung. Nach einigen Monaten folgte er dann offensichtlich doch

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den Ratschlägen seiner Juristen und zahlte seinem angestellten Lehrpersonal die vereinbarten Mindestentgelte.

Insgesamt, so lautet die Zwischenbilanz, ist der Mindestlohn ein beachtlicher (Teil-)Erfolg. Einerseits ist es gelungen, die Abwärtsspirale bei den Einstiegs-gehältern aufzuhalten und sogar in Teilen begrenzte Erhöhungen der Gehälter durchzusetzen; andererseits ist aus Arbeitnehmersicht selbst mit den Tarifsteige-rungen zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 noch bei weitem keine den Anfor-derungen und geforderten Qualifikationen entsprechende Bezahlung erreicht. Nimmt man den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst als Referenzgröße, dann sind das gewaltige Unterschiede – vor allem bei langjähriger Beschäftigung.

Parallel zur Umsetzung der Regelungen des Mindestlohntarifvertrages setzte sich aber noch eine andere Tendenz durch. Der Mindestlohntarifvertrag wurde umgedeutet als Branchentarifvertrag. Zwar hatten die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften damit gerechnet, dass ein für allgemein verbindlich erklärter Mindestlohntarifvertrag einen gewissen Druck auf höhere Gehälter und Hausta-rifverträge mit einer über dem Mindestlohn liegenden Gehaltsstruktur entfalten würde. Dass eine solche Umdeutung in weiten Teilen der Branche recht zügig vollzogen wurde, war doch erstaunlich, zumal selbst noch tarifgebundene Träger in das „hohe Lied“ des Mindestlohnes unbekümmert einstimmten, wohl in der Hoffnung, jetzt vielleicht einen weiteren Hebel zur Absenkung der (noch) höhe-ren Gehälter, oftmals in der Nachwirkung gekündigter Tarifverträge, zu haben. Aus diesem Grund sind im dem ab 01.01.2016 geltenden Mindestlohntarifver-trag die Steigerungen wichtig. Denn wenn die Gefahr besteht, dass die Gehälter dieses Mindestlohntarifvertrages zu einem eigenen Entgeltstandard umdefiniert werden, dann muss alles versucht werden, das Niveau deutlich anzuheben. Diese Auseinandersetzungen halten weiter an und prägen die laufenden Kon-flikte um Lohn und Gehalt des pädagogischen Personals in der SGB II und III geförderten Weiterbildung.

6 Ein Branchentarifvertrag für die Weiterbildung

Die Idee eines Tarifvertrages besteht gerade darin, die Lohnkonkurrenz zwischen den Beschäftigten verschiedener Betriebe, aber auch zwischen einzelnen Ange-stellten innerhalb eines Betriebs zu reduzieren bzw. auszuschalten. Zudem wirkt ein umfassender Branchentarifvertrag immer auch strukturierend auf diese gesamte Branche. Als der erste Mindestlohntarifvertrag zwischen den Gewerkschaften ver.di und GEW sowie dem Zweckverband des Bildungsverbands 2007 verhandelt und abgeschlossen wurde, war allen Beteiligten klar, dass ein Mindestlohntarifvertrag

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nur ein erster Schritt gegen die Abwärtsspirale der Gehälter sein konnte und dass zwingend ein zweiter folgen müsste, nämlich ein für allgemein verbindlich erklär-ter Branchentarifvertrag für die Weiterbildung. Diese Einsicht wurde auch in einer Protokollnotiz in Form einer Verhandlungsverpflichtung festgeschrieben. Nun war mit der Einführung des Mindestlohnes in der Weiterbildung das Interesse bei zahl-reichen Geschäftsführungen an einem Branchentarifvertrag erlahmt. Einerseits wurde ganz offen argumentiert, man könne in der aktuellen Situation mit dem Min-destlohn ganz gut leben; andererseits wurde auf die generelle ablehnende Haltung der großen, übergeordneten Arbeitgeberverbände zu neuen allgemein verbindlichen Tarifverträgen verwiesen.

Trotz dieser arbeitgeberseitigen Vorbehalte wollte der Zweckverband im Bil-dungsverband die Verhandlungsverpflichtung nicht einfach ignorieren, weswegen in den Jahren 2013 und 2014 mehrfach verhandelt wurde. Zunächst ging es nur um Regelungen im Manteltarifvertrag. Die absehbar schwierigeren Fragen von Entgeltstruktur und Entgeltniveau sollten erst in einem zweiten Schritt bearbei-tet werden. War anfangs noch eine gewisse Bereitschaft zu ernsthaften Verhand-lungen auf beiden Seiten erkennbar, stockten die Verhandlungen dann doch sehr bald. Eine Einigungsbereitschaft war kaum mehr zu erkennen. Dabei ist es in gewisser Weise eine Ironie der (Tarif-)Geschichte, dass ein Stolperstein ausge-rechnet die tarifliche Festschreibung eines Rechtsanspruchs auf Weiterbildung für in der Weiterbildung Tätige in einem Tarifvertrag für die Branche Weiterbildung war. Zurzeit sind die Verhandlungen lediglich ausgesetzt, aber nicht gescheitert oder beendet. Momentan sind die Gewerkschaften ver.di und GEW nicht durch-setzungsfähig genug, diesen Tarifverhandlungen druckvoll neuen Schwung zu verleihen. Von deren Seite besteht uneingeschränkt die Bereitschaft zur zügigen Fortsetzung der ins Stocken geratenen Verhandlungen. Die Gewerkschaften hal-ten an einem umfassenden Branchentarifvertrag fest, denn die faktische Bezah-lung in der Branche ist trotz Mindestlohntarifvertrag in jeder Hinsicht völlig unzureichend. Zum anderen ist die strukturierende Wirkung eines Branchentarif-vertrages in dieser weitgehend ungeregelten Branche dringend notwendig.

7 Perspektiven und Ausblick

So schwierig ein Ausblick auch sein mag, einige Eckpunkte und absehbare Ent-wicklungslinien sollen hier zumindest abgesteckt werden:

• Der Mindestlohntarifvertrag muss zwingend über den 31.12.2017 hinaus fortgeschrieben werden, mit weiteren Erhöhungen und natürlich allgemein

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verbindlich im Sinne des Entsendegesetzes, zumindest im jetzt fixierten Gel-tungsbereich, und das ist die SGB II und III geförderte Weiterbildung. Das muss bereits jetzt zügig in Angriff genommen werden, denn die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit auf der Grundlage des Entsendegesetzes kennt keine tarifliche Nachwirkung wie im Tarifvertragsgesetz. Mittlerweile ist ein Folge-tarifvertrag mit einer Erhöhung um 4,5% vereinbart worden; das Verfahren für die Erlangung der Allgemeinverbindlichkeit ist beim BMAS eingeleitet worden.

• Gleichzeitig muss versucht werden, einen akzeptablen Tarifvertrag für die Branche Weiterbildung durchzusetzen. Dazu zählen aus Sicht der Gewerk-schaften zunächst eine den Anforderungen und der Qualifikation entspre-chenden Entlohnung, üblicherweise in einer Tabelle geregelt, die sowohl unterschiedliche Tätigkeiten als auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Berufserfahrung widerspiegelt. Darüber hinaus sind neben den in einem Manteltarifvertrag geregelten Fragen wie Wochenarbeitszeit und Urlaub auch für die Tätigkeit in der Weiterbildung wichtige Fragen wie die Arbeitszeit ohne TeilnehmerInnen, die sog. Vor- und Nachbereitungszeit, die Dauer von Unter-richtseinheiten mit in der Regel 45 min sowie ein Rechtsanspruch auf ein defi-niertes Volumen von Weiterbildung zu vereinbaren. Weiter ist eine Begrenzung der befristeten Beschäftigungsverhältnisse festzuschreiben; das ist zwar tarifpo-litisches Neuland, nach dem Tarifvertragsgesetz aber problemlos möglich und angesichts der Befristungsquoten von über 80 % bei einzelnen Trägern zwin-gend geboten. Aufgrund der Heterogenität der Arbeitgeber und ihrer zersplitter-ten Interessenvertretungen (aktuell beanspruchen zumindest drei Verbände, für die Branche oder zumindest große Teile zu sprechen) wird der Abschluss eines Branchentarifvertrages ohne die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit dann nach dem Tarifvertragsgesetz ausgesprochen schwierig werden; für die Erklä-rung der Allgemeinverbindlichkeit müsste aber die faktische Verweigerungshal-tung der übergeordneten Arbeitgeberverbände überwunden werden.

• Das ‚Elend‘ der Honorarkräfte muss eingedämmt und drastisch reduziert wer-den; das heißt zunächst die weitgehende Umwandlung von honorar- in sozi-alversicherungspflichtige Beschäftigung. Dabei kann eine Begrenzung der Honorarquote sowohl durch die Auftraggeber vorgegeben (das gilt bereits jetzt bei einigen ausgeschriebenen Bildungsmaßnahmen für Jugendliche) als auch tarifvertraglich begrenzt werden. Darüber hinaus und als Sofortmaß-nahme müssen die Honorare deutlich erhöht, eine Form von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub und bei gesetzlichen Feiertagen sowie die Sozi-alversicherungsbeiträge, hier Renten- und Krankenversicherungsbeiträge, zusätzlich zu den Honorarsätzen vergütet werden. Auch diese Regelungen können tariflich fixiert werden; ein Weg wäre die tarifliche Regelung für

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arbeitnehmerähnliche Beschäftigte nach § 12a Tarifvertragsgesetz. Zumindest für einen Teil der Honorarkräfte wäre das eine erste Schutzbestimmung.

• Durch eine Entscheidung der Europäischen Union 2014 war die Bundesregie-rung verpflichtet, das geltende Vergaberecht anzupassen; seit April 2016 sind die Regelungen, Gesetz und Verordnung, neu gefasst. Der DGB, ver.di und die GEW haben versucht, die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen als eine gesonderte Form von Vergabe getrennt in einer eigenen Vergabeverordnung zu regeln; das ist nicht gelungen, aber immerhin sind soziale Dienstleistun-gen jetzt getrennt aufgeführt. Mit diesem neuen Vergaberecht besteht die Mög-lichkeit, soziale und umweltpolitische Anforderungen zum Gegenstand einer Ausschreibung zu machen. Zurzeit laufen Gespräche zwischen der BA und Trägern, Trägerverbänden und Gewerkschaften über die mögliche Ausgestal-tung von Kriterien bei der Vergabe von aktiven Arbeitsmarktdienstleistungen. In den nächsten Ausschreibungsrunden wird sich zeigen, ob die ‚Allmacht des Preises‘ reduziert wurde und soziale Gesichtspunkte deutliche Berücksichti-gung bei der Vergabe gefunden haben.

• Schließlich bleibt die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für die Weiterbildung aktuell. Bereits seit 1998 gibt es zum Teil ausformulierte Vor-schläge für ein Bundesrahmengesetz für die Weiterbildung (Vorschläge für Bundesregelungen in der beruflichen Weiterbildung 2002). Geregelt werden sollte der Zugang zu Weiterbildung, die Transparenz des Marktgeschehens und die Verfasstheit oder auch Seriosität der Anbieter sowie die Rahmenbe-dingungen für Beschäftigung und Qualifikationen. Diese Vorschläge wurden aus Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und aus der Branche selbst breit unterstützt; leider ist diese Initiative im Sande verlaufen. Politisch ist die Weiterbildung weiterhin weitgehend ungeregelt und ohne größere öffentliche Aufmerksamkeit geblieben – allen Sonntagsreden zum Trotz. Dabei ist den Beschäftigten und den Kennern der Weiterbildungsbranche klar, dass sich die prekären Beschäftigungsbedingungen massiv auf die Qualität der Bildungs-maßnahmen auswirken; daran hat auch das mittlerweile vorgeschriebene Qualitätsmanagement nichts ändern können. Selbst die BA musste sich vom Bundesrechnungshof bescheinigen lassen, dass es mit der Qualität der von ihr vergebenen Arbeitsmarktdienstleistungen nicht zum Besten steht (Bundesrech-nungshof: Mitteilung über die Prüfung vom 26.04.2007).

Jenseits dieser letztlich regulatorisch bei den Arbeits- und Beschäftigungsbedin-gungen des Personals ansetzenden Entwicklungslinien gilt es, an dieser Stelle einen vorsichtigen Ausblick auf die Entwicklung des öffentlichen Fördervolu-mens für die berufliche Weiterbildung zu wagen.

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Mit der hohen Zahl an Flüchtlingen und Zuwanderern im Jahr 2015 und absehbar auch in 2016 haben sich die Rahmenbedingungen für die Weiterbildung deutlich verändert; die Politik formulierte Anforderungen an die öffentlich geför-derte Weiterbildung und stellte Mittel zur Verfügung, schließlich sei berufliche Weiterbildung einer der Schlüssel zur Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Nach Jahren der Reduzierung der Förderung weitet sich der Markt für Arbeits-marktdienstleistungen nun wieder stark aus; gleiches gilt für das Marktsegment der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) betriebenen Kurse Deutsch als Fremdsprache bzw. Deutsch als Zweitsprache. Zahlreiche Träger ori-entieren sich auch auf diesen Bereich. Im Bereich der Schulen werden in einem spürbaren Umfang Neueinstellungen vorgenommen, vor allem auch mit Bewer-bern, die zuvor für Weiterbildungsträger tätig waren. Diese Einstellungspra-xis an Schulen führt bei den Weiterbildungsanbietern wieder zu einer erhöhten Fluktuation mit der Folge, dass neu eingestellte Beschäftigte in der Weiterbil-dung individuell Gehälter deutlich über dem Mindestlohn durchsetzen können. Selbst Honorarkräfte können von dieser Entwicklung profitieren, sie müssen sich weniger um die Akquise neuer Aufträge kümmern, sondern werden oftmals von Weiterbildungsanbietern aktiv nachgefragt. Auch sind die Honorare aus der Sink-bewegung wieder heraus und steigen begrenzt an. Wie diese Entwicklung wei-tergehen wird, ist zurzeit nicht abzusehen. Die BA geht von einer Phase von ca. fünf Jahren aus, in der besondere Anstrengungen in Form von Bildung und Qua-lifizierung zur Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt notwendig sind. Es bleibt zu hoffen, dass diese Anstrengungen nicht (allein) von den prekär in der Weiterbildung Beschäftigten geleistet werden müssen. Die öffentliche und mate-rielle, sprich tarifliche Anerkennung wäre ein Schritt vorwärts.

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Über den Autor

Roland Kohsiek ver.di Landesbezirk Hamburg, Arbeits-marktpolitik, von 2001 bis Ende 2016 Leiter des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung im Landesbezirk Ham-burg; von 1981 bis 2001 beim Berufsfortbildung des DGB GmbH;

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