Das Problem der Syntropie von Diabetes und Carcinom

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Zeitschrift for Krebsforschung, Bd. 61, S. 587--588 (1957) Aus der Prosektur des Bezirkskrankenhauses ,,Am Sund", Stralsund (Prosektor: Dr. reed. H. GRossE) Das Problem der $yntropie yon Diabetes und Careinom Stellungnahme zur gleichnamigen Arbeit yon P. KoLB in dieser Z. 61, 81--91 (1956) Von HANs (]~OSSE (Eingegangen am 30. August 1956) KOL~ finder im Gegensatz zu mehreren gro~en Sektionsstatistiken keine Dystropie, sondern Neutropie yon Diabetes und Carcinom. Er weist vor allem darauf hin, dal] die Blastomsektionen jener Autoren keine wesentlichen Abweichungen yon der allgemeinen Diabetesmorbidi- t~t zeigen. D~riiber hinaus kommt KoL~ zu dem au~erordentlich wich- tigen Resultat, da[t man bei allen Arten yon Syntropieuntersuchungen nicht beim VergIeich innerha]b des Sektionsmaterials stehen bleiben, sondern die Morbidit~tsverh~ltnisse der GesamtbevSlkerung in Rech- nung ste]len solle, ehe man al]gemein giiltige Schliisse wage. KOLB ist entgangen, da{~ das Syntropieproblem der Sektionsstatistik yon mir in ganz anderer Weise behandelt und einer ~nderen L6sung zugefiilu~t wurde, welche bei Beachtung der Letalit~tsverh~ltnisse dureh- aus exakte Sehlfisse aus dem Sektionsgut erlaubt und die auffallenden Prozentsatzversehiebungen der Syntropief~lle im Sektionsgut befrie- digend erkl~rt 1. Bisher hielt man den Vergleich der Prozents~tze gleiehalter Sektion'sreihen ffir exakt. Gleiehe Al~erszusammensetzung ist aber nicht identisch mit gleicher Sterbeintensit~t. Wesentlich flit alle Vergleiehe ist die Zahl der Verstorbenen in der Zeiteinheit, also die ,,Sterbegesehwindigkeit" (~ Sterbeintensit~t ~ ,,Ratio"). Bei der Kom- bination verschiedener Erkrankungen oder Zust~nde mu{~ die zu er- wartende Zahl der Koinzidenzf~lle im Sektionsgut gesetzm~i]ig um so niedriger erseheinen, je hSher die SterbeintensitS, t der weniger ernsten Erkrankung is~. Handelt es sieh z. B. um die Assoziation des Krebses mit Diabetes, dann haben wir im Sektionsgut um so weniger Koinzidenz- f/~lle zu erwarten, je mehr die Diabetiker-Sterbegesehwindigkeit yon der allgemeinen Sterbegesehwindigkeit abweicht. Ist diese Sterbegesehwin- digkeit der Diabetiker etwa doppelt so hoch wie die allgemeine Sterbe- geschwindigkeit, dann ist (bei zuf~lligem Zusammentreffen) ein halb so hoher I~h'ebsprozentsatz ffir Diabetessektionen zu erwart~en wie in den 1 G~oss~, I-I.: Z. inn. Med. 10, 7, 385 (1955).

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Zeitschrift for Krebsforschung, Bd. 61, S. 587--588 (1957)

Aus der Prosektur des Bezirkskrankenhauses ,,Am Sund", Stralsund (Prosektor: Dr. reed. H. GRossE)

Das P r o b l e m der $ y n t r o p i e y o n D i a b e t e s u n d C a r e i n o m Stellungnahme zur gleichnamigen Arbeit yon P. KoLB in dieser Z. 61,

81--91 (1956)

Von HANs (]~OSSE

(Eingegangen am 30. August 1956)

KOL~ finder im Gegensatz zu mehreren gro~en Sektionsstatistiken keine Dystropie, sondern Neutropie yon Diabetes und Carcinom. Er weist vor allem darauf hin, dal] die Blastomsektionen jener Autoren keine wesentlichen Abweichungen yon der allgemeinen Diabetesmorbidi- t~t zeigen. D~riiber hinaus kommt KoL~ zu dem au~erordentlich wich- tigen Resultat, da[t man bei allen Arten yon Syntropieuntersuchungen nicht beim VergIeich innerha]b des Sektionsmaterials stehen bleiben, sondern die Morbidit~tsverh~ltnisse der GesamtbevSlkerung in Rech- nung ste]len solle, ehe man al]gemein giiltige Schliisse wage.

KOLB ist entgangen, da{~ das Syntropieproblem der Sektionsstatistik yon mir in ganz anderer Weise behandelt und einer ~nderen L6sung zugefiilu~t wurde, welche bei Beachtung der Letalit~tsverh~ltnisse dureh- aus exakte Sehlfisse aus dem Sektionsgut erlaubt und die auffallenden Prozentsatzversehiebungen der Syntropief~lle im Sektionsgut befrie- digend erkl~rt 1. Bisher hielt man den Vergleich der Prozents~tze gleiehalter Sektion'sreihen ffir exakt. Gleiehe Al~erszusammensetzung ist aber nicht identisch mit gleicher Sterbeintensit~t. Wesentlich flit alle Vergleiehe ist die Zahl der Verstorbenen in der Zeiteinheit, also die ,,Sterbegesehwindigkeit" ( ~ Sterbeintensit~t ~ ,,Ratio"). Bei der Kom- bination verschiedener Erkrankungen oder Zust~nde mu{~ die zu er- wartende Zahl der Koinzidenzf~lle im Sektionsgut gesetzm~i]ig um so niedriger erseheinen, je hSher die SterbeintensitS, t der weniger ernsten Erkrankung is~. Handelt es sieh z. B. um die Assoziation des Krebses mit Diabetes, dann haben wir im Sektionsgut um so weniger Koinzidenz- f/~lle zu erwarten, je mehr die Diabetiker-Sterbegesehwindigkeit yon der allgemeinen Sterbegesehwindigkeit abweicht. Ist diese Sterbegesehwin- digkeit der Diabetiker etwa doppelt so hoch wie die allgemeine Sterbe- geschwindigkeit, dann ist (bei zuf~lligem Zusammentreffen) ein halb so hoher I~h'ebsprozentsatz ffir Diabetessektionen zu erwart~en wie in den

1 G~oss~, I-I.: Z. inn. Med. 10, 7, 385 (1955).

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gleichen Altersklassen des fibrigen Sektionsgutes. Ganz anMoge Be- ziehungen gelten ffir die Kombination des Krebses mit Lues, Tuber- kulose, Malaria, Silikose, ArteriosMerose, Multiple Sklerose, kurz, lfir alle Leiden hoher Sterbegeschwindigkeit. DeshMb mug zunehmende Verbesserung der Lebenserwartung, z. B. der Diabetiker (Insulin), der Perniziosakranken (Leber), der Tuberkulosekranken (Chemotherapie) zwangslgufig den Hundertsatz an mMignen Tumoren im Sektionsfalle erh6hen, weil immer weniger Patienten vorzeitig am Grundleiden ab- sterben, also immer mehr Patienten ,,ihren" malignen Tumor erleben kSnnen. Nut bei Beaehtung der LetMit/itsverh/~ltnisse, also bei Wfirdi- gung der Sterbegeschwindigkeit, erlaub~ das Sektionsgut exakte Urteile fiber Syntropie, Neutropie oder Dystropie versehiedener Erkrankungen oder Zustgnde. Es ist KOLB ZU danken, daft er den heute leider noeh allgemein fiblichen Fehler geiftelt, allein auf Grund yon Syntropie- prozentsgtzen im Sektionsgut allgemeingfiltige Sehlfisse zu wagen.

Schlu0wort Von

PETER KOLB

Daft ich die oben zitierte lesenswerte VerSffentlichung GRosses nicht kannte, m5ge mir bei der heutigen Streuung unseres Schrifttums ver- ziehen werden. Indessen sind die yon uns beschrittenen Wege weit- gehe~ld mathematisch i dentiseh. Vor allem besteh~ einerseits Einigkeit darfiber, dag ,,die auf dem Sektionsmaterial aufgebaute Lehre vonde r Syntropie oder Dystropie zahlreicher Erkrankungen" ,,einer grundlegen- den Korrektur" (G~ossn) bedarf. Andererseits sehen wir uns beide gleichermaften veranlaftt, zum Zweeke dieser Korrektur auf im weiteren Sinne klinisehe Erfahrungen (Morbidit~t bzw. LetMit~t) zurfickzugreifen. An diesen beiden Erkenntnissen wird in Zukunft keine Untersuehung yon Syntropieverh~ltnissen an Sektionsgut vorfibergehen k6nnen. Die Mgebraisehen Grundlagen vou Syntropieuntersuchungen in Sektions- und Klinikmaterial werde ich in Kfirze an anderer Stelle ausffihrlich bespreehen.

Dr. HA~s G~OSSE, Bezirkskrankenhaus ,,Am Sund", StrMsund Dr. PETER KOLB, Miinchen, ThMkirchner Str. 36