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DEBUSSY »Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹« SCHUBERT 4. Symphonie »Tragische« MAHLER 4. Symphonie GERGIEV, Dirigent KÜHMEIER, Sopran Mittwoch 22_03_2017 20 Uhr Donnerstag 23_03_2017 20 Uhr

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DEBUSSY»Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

SCHUBERT4. Symphonie »Tragische«

MAHLER4. Symphonie

GERGIEV, DirigentKÜHMEIER, Sopran

Mittwoch22_03_2017 20 UhrDonnerstag23_03_2017 20 Uhr

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CLAUDE DEBUSSY»Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

(Vorspiel zu »Der Nachmittag eines Fauns«)

FRANZ SCHUBERTSymphonie Nr. 4 c-Moll D 417 (»Tragische«)

1. Adagio molto – Allegro vivace2. Andante

3. Menuetto: Allegro vivace – Trio – Allegro vivace4. Allegro

GUSTAV MAHLERSymphonie Nr. 4 in vier Sätzen

für großes Orchester und Sopransolo

1. Bedächtig. Nicht eilen2. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast

3. Ruhevoll. Poco adagio4. Sehr behaglich

3., endgültige Fassung von 1911 (Edition 1963)

VALERY GERGIEVDirigent

GENIA KÜHMEIERSopran

118. Spielzeit seit der Gründung 1893

VALERY GERGIEV, ChefdirigentZUBIN MEHTA, Ehrendirigent

PAUL MÜLLER, Intendant

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Der Traum in der Flöte des Fauns

PETER JOST

Claude Debussy: »Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

CLAUDE DEBUSSY(1862–1918)

»Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«(Vorspiel zu »Der Nachmittag eines Fauns«)

LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN

Geboren am 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye (Département Yvelines / Region Paris); gestorben am 25. März 1918 in Paris.

ENTSTEHUNG

Debussys Komposition ist der Versuch einer musikalischen Annäherung an die 1876 publizierte, 110 Alexandriner umfas-sende Ekloge »L’Après-midi d’un Faune« (Der Nachmittag eines Fauns) des franzö-sischen Symbolisten Stéphane Mallarmé (1842–1898). Ursprünglich war die um 1891 begonnene Komposition als sympho-nisches Triptychon geplant und wurde noch im Frühjahr 1894 als »Prélude, Interlude

et Paraphrase pour ›L’Après-midi d’un Faune‹« angekündigt. Zur Ausführung ge-langte aber nur der erste Teil, das im Sep-tember 1894 beendete »Prélude«.

WIDMUNG

Im Druck widmete Debussy das Werk dem Komponisten Raymond Bonheur (1861–1939), seinem Freund und ehemaligen Mit-schüler am Pariser Conservatoire National de Musique. Das handschriftliche Particell widmete er Gabrielle (»Gaby«) Dupont (1866–1945), seiner Lebensgefährtin von 1890 bis 1898, im gleichen Monat, in dem er seine erste Frau Rosalie (»Lilly«) Texier heiratete: »À ma chère et très bonne peti-te Gaby la sûre affection de son dévoué Claude Debussy / Octobre 1899« (Meiner lieben und vortreffl ichen kleinen Gaby ihr in aufrichtiger Zuneigung ergebener Clau-de Debussy / Oktober 1899).

URAUFFÜHRUNG

Am 22. Dezember 1894 in Paris in der Sal-le d’Harcourt (Orchester der »Société Na-tionale de Musique« unter Leitung von Gustave Doret).

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Claude Debussy: »Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

Marcel Baschet: Claude Debussy (1884)

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Claude Debussy: »Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

ÄSTHETISCHE WAHLVERWANDTSCHAFT

1884 gewann Claude Debussy den begehr-ten Rom-Preis als krönenden Studien-abschluss am Pariser Conservatoire, brach aber den sich anschließenden Aufenthalt in der »Ewigen Stadt« bereits im März 1887 vorzeitig ab, um nach Paris zurückzukeh-ren. Er wandte sich in den folgenden Jah-ren verstärkt den literarischen Zirkeln der französischen Hauptstadt zu und kam im Herbst 1890 in Kontakt mit Stéphane Mal-larmé, der ihn für die Mitarbeit an einer szenischen Fassung von »L’Après-midi d’un Faune« gewinnen wollte – ein Projekt, das zwar nicht verwirklicht wurde, aber letztlich Debussy die Anregung zu seinem gleichnamigen Orchesterwerk gab.

Offenbar begegneten sich hier zwei Künst-ler mit ähnlichen Vorstellungen von künst-lerischer Ästhetik – ein von Musik inspi-rierter Dichter und ein literarisch aufge-schlossener Musiker, die zahlreiche ge-meinsame Vorlieben hatten und sich gegenseitig zu schätzen wussten. Mal-larmé, der sich in der Regel über musikali-sche Werke, die seine Gedichte als Vorlagen benutzten, sehr zurückhaltend äußerte, war von Debussys kompositorischer Um-setzung tief beeindruckt und notierte in sein Druckexemplar des »Prélude« die fol-genden synästhetischen Verse: »Sylvain d’haleine première, / Si ta fl ûte a réussi, / Ouïs toute la lumière / Qu’y souffl era De-bussy !« (Waldgott, wenn schon mit dem ersten Atem / Deine Flöte erfolgreich war / Höre all das Licht, / das Debussy ihr noch einhauchen wird !).

»POÉSIE PURE«

Mallarmés Dichtung lehnt sich vordergrün-dig noch an die Schäfer-Szenerien der klassizistischen Parnasse-Lyrik an: eine idyllische Landschaft auf Sizilien an einem Sommernachmittag mit einem Faun, der träumend die Vorstellung eines ihn verlo-ckenden Nymphenpaars und die blühende Natur um ihn herum beschwört. Aber der Durchbruch zu einer völlig neuen literari-schen Richtung, zur »poésie pure« des Symbolismus, zeigt sich in der Durchfüh-rung des Themas wie auch in der Form. Die künstlerische Gestaltung ist nicht mehr an die Nachahmung der Natur gebunden, son-dern schafft sich im Traum ihre eigene Welt; das Dichten selbst wird jenseits der Abbildung von Realität zum Thema der Dichtung, wobei quasi »musikalische« Mit-tel wie suggestive Klangbezüge, wohl kal-kulierte Rhythmen, kunstvolle Pausen zum Einsatz gelangen.

Mallarmé war vor allem deshalb so angetan von Debussys Musik, weil er zunächst be-fürchtet hatte, der Komponist versuche eine illustrative »Übertragung« seiner Verse. Aber gerade das vermied Debussy: Im »Prélude« geht es um die Umsetzung der Stimmung des Gedichts, nicht seiner Handlungsmotive, um vage Andeutungen, nicht um konkrete Beschreibungen. Die von Mallarmé beschworene Szene, die einschlä-fernde Hitze des Sommernachmittags und die schwül-laszive Sphäre der Begierden und Empfindungen werden durch eine traumverlorene, oszillierende Musik ver-mittelt. Auf die Nachfrage eines Musikkri-tikers äußerte Debussy: »Ist mein Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹ nicht vielleicht das, was in der Flöte des Fauns von seinem

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Claude Debussy: »Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

Léon Bakst: Figurine für Vaslav Nijinsky, der in Sergej Diaghilews Ballett-Version des »Prélude« den Faun tanzte (1912)

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Claude Debussy: »Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune‹«

Traum zurückgeblieben ist ? Genauer ge-sagt: es ist der ›allgemeine‹ Eindruck der Dichtung !«

MAGISCHE SCHWEBEZUSTÄNDE

Die Wahl der Soloflöte als Träger des Hauptgedankens, mit dem das Stück be-ginnt, ergibt sich aus dem traditionellen Attribut der Faune, der Söhne des römi-schen Waldgottes Faunus, den man später mit dem griechischen Hirtengott Pan gleichsetzte. Dieser Hauptgedanke – von einem Thema mag man angesichts der lo-ckeren, unsymmetrischen Fügung kaum reden – besteht aus einer wiederholten, chromatisch ab- und aufsteigenden Bewe-gung sowie einer nachfolgenden diatoni-schen Wendung und enthält damit keimhaft das komplette motivische Material des ganzen Stücks. Zunächst unbegleitet ex-poniert, kehrt der Komplex in zehn Varian-ten wieder, dabei jedes Mal auf andere Weise harmonisiert. Die Anlage als Variati-onswerk wird jedoch durch andere Form-modelle überlagert: durch die Sonaten-satzform aufgrund einiger durchführungs-artiger Abschnitte sowie durch die Bogen-form, die sich durch den stark kontras-tierenden Mittelteil ergibt.

Daraus resultiert unter formalem Aspekt ein eigenartiger Schwebezustand, der durch Rhythmik und Harmonik, vor allem aber durch besondere Instrumentation noch zusätzlich bekräftigt wird. Letztere ist betont transparent und leicht gehalten; bezeichnenderweise sieht die Besetzung zwei Harfen und ein reichhaltiges Holzblä-serensemble vor, verzichtet aber auf Trom-peten, Posaunen, Tuben und Pauken. Der ganz neuartigen Klanglichkeit des »Prélu-de«, das trotz aller Vorbehalte gegenüber Schlagworten immer wieder als »Geburts-

stunde des musikalischen Impressionis-mus« bezeichnet wurde, konnte sich auch das Publikum der Uraufführung nicht ent-ziehen. Die Begeisterung war so groß, dass das Stück unmittelbar wiederholt werden musste.

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Franz Schubert: 4. SymphonieFranz Schubert: 4. Symphonie

FRANZ SCHUBERT(1797–1828)

Symphonie Nr. 4 c-Moll D 417(»Tragische«)

1. Adagio molto – Allegro vivace2. Andante3. Menuetto: Allegro vivace – Trio –

Allegro vivace4. Allegro

LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN

Geboren am 31. Januar 1797 im Himmel-pfortgrund bei Wien (heute: 9. Wiener Ge-meindebezirk / Alsergrund); gestorben am 19. November 1828 in Wien.

ENTSTEHUNG

Nach eigener Datierung im überlieferten Partiturautograph hat Schubert seine 4. Symphonie »im April 1816«, d. h. ein knap-pes Jahr nach Vollendung seiner 3. Sym-phonie, begonnen und am 27. April 1816 in Wien beendet. Er überschrieb sie selbst mit dem Beinamen »Tragische«.

URAUFFÜHRUNG

Die erste öffentliche Aufführung der Sym-phonie fand erst nach Schuberts Tod statt: Am 19. November 1849, seinem 21. Todes-tag, in Leipzig (Orchester der Musikgesell-schaft »Euterpe« unter Leitung von August Ferdinand Riccius).

Im Vertrauten das Neue entdecken

DANIELA KOREIMANN

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Franz Schubert: 4. Symphonie

BEETHOVEN UND DIE FOLGEN

1815 schrieb stellvertretend für viele der Philosoph und Musikschriftsteller Amadeus Wendt, Beethoven habe »aus der romanti-schen Instrumentalmusik sich gleichsam einen Dom bis in die Wolken erbaut. Schwer-lich wird ihn ein noch lebender Componist an Reichthum großer und ernster musika-lischer Ideen übertreffen.« Die Auseinan-dersetzung mit Beethoven bestimmte die musikalischen Entwicklungen des 19. Jahr-hunderts. An ihm, dem alles überragenden »Heros der Tonkunst«, wie ihn E.T.A. Hoff-mann 1810 umschrieb, kam kein Komponist vorbei – erst recht nicht, wenn er sich auf dem Gebiet der Symphonie versuchte, der Gattung des 19. Jahrhunderts schlechthin.

Führte bis ins 18. Jahrhundert die Vokal-musik, insbesondere die Oper, die Rang-folge der musikalischen Gattungen an, machte sich ab dem Ende des 18. Jahrhun-derts, mit den Werken von Haydn und Mozart, ein Paradigmenwechsel bemerk-bar. Die Instrumentalmusik und hier wiede-rum die Symphonie, wurde zur reinsten, von allen außermusikalischen Einflüssen befreiten und damit höchsten Kunst dekla-riert. So schrieb etwa E.T.A. Hoffmann 1806 in der Allgemeinen Musikalischen Zei- tung: »Die große, vollstimmige Orchester-symphonie, so wie sie die Welt den Deut-schen, zuerst Haydn und Mozart, verdankt, ist der höchste und glänzendste Gipfel der neuern Instrumentalmusik«; und 1810 ist in seiner berühmt gewordenen Rezension von Beethovens 5. Symphonie zu lesen: »Haydn und Mozart, die Schöpfer der neue Instrumentalmusik, zeigten uns zuerst die Kunst in ihrer vollen Glorie: wer sie da mit voller Liebe anschaute und eindrang in ihr innigstes Wesen, ist – Beethoven.«

Eine Symphonie neben oder nach Beethoven zu schreiben, erschien demnach als »schwie-rig«, »gefährlich« und gar »unmöglich« – eine Belastung, die viele Komponisten in Schaffenskrisen stürzte oder von der Kom-position von Symphonien abhielt. Auch Schubert scheint die Bürde des großen Vorbilds und den immanenten Drang zur Innovation gespürt zu haben – doch zeugen davon erst die Symphonie-Fragmente der »Jahre der Krise« ab 1818. Zu diesem Zeit-punkt aber hatte er bereits 6 Symphonien vollendet, die in keiner Weise Scheu oder Mutlosigkeit vor dem »Monument« Beetho-ven zeigen, sondern vielmehr Schuberts Auseinandersetzung mit Haydn und Mozart belegen. Insofern mag der von Joseph Spaun dem 15-Jährigen in den Mund geleg-te Ausspruch »Wer vermag nach Beethoven noch etwas zu machen ?« weniger auf sich selbst als auch seine Zeitgenossen ge-münzt gewesen sein.

AUF DEM WEG ZUR NEUEN SYMPHONIE

Im April 1816 beendete Schubert in einem Zeitraum von weniger als 30 Tagen seine 4. Symphonie – ob er sie selbst, vielleicht bei einem Konzert des von Otto Hatwig ge-leiteten Privatorchesters, jemals gehört hat, ist fraglich. Ungewöhnlich für die da-malige Zeit (und erschwerend für die Auf-führung durch ein Liebhaberorchester !) war die von Schubert geforderte Beset-zung mit 4 Hörnern – eine Besetzung, die Beethoven erst in der 9. Symphonie vor-schrieb und die in Haydns Werk ebenfalls nur einmal, nämlich in der »Jagdsymphonie« Nr. 95, in Erscheinung tritt. Ungewöhnlich und folgenschwer auch die explizite Be-nennung der Symphonie als »Tragische«, was in Verbindung mit der Grundtonart c-Moll zum Hauptbeweis einer »Herauf-

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Franz Schubert: 4. Symphonie

Moritz von Schwind: Franz Schubert im 17. Lebensjahr (1814)

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Franz Schubert: 4. Symphonie

beschwörung« Beethovens avancierte. Ein junger Wiener Komponist, der eine c-Moll- Symphonie mit dem Titel »Tragische« über-schreibt, kann nur eine Auseinanderset-zung mit Beethovens »Fünfter« im Sinn gehabt haben – so lautete die fast einhel-lige Expertenmeinung seit der Leipziger Uraufführung im November 1849.

Schuberts »Tragische« sei »ein Werk der Beunruhigung durch Beethoven – den Beet-hoven der c-Moll-Werke, vor allem des Streichquartetts op. 18/4 und der Coriolan- Ouvertüre«, schrieb noch der Musikwissen-schaftler Alfred Einstein 1951. Dass sich Schubert mit der Bezeichnung »tragisch« lediglich in der Tradition der zeittypischen Tonartencharakteristik bewegte und c-Moll nicht anders einsetzte, als es Haydn und Mozart vor ihm getan hatten, gehört zu den zahlreichen Missverständnissen der Rezeptionsgeschichte. Neuere Forschun-gen hingegen, die in der »Vierten« einen strukturellen Neubeginn von Schuberts Kompositionsverfahren erkennen wollen, gelangen wieder zu ganz anderen Bewer-tungen: Schubert, der zunehmend die Re- geln der klassischen Sonatenhauptsatz-form in Frage stelle, ja sich von ihnen zu befreien suche, habe die komplexere Moll- Tonart gewählt, um an ihr und mit ihr neue harmonische Lösungen zu erproben.

So stellt Schubert nicht wie üblich den Moll-Dur-Kontrast der Themen aus, son-dern versucht ihn in den Satzverlauf als fließenden Prozess zu integrieren. Gegen-sätze erscheinen damit nicht mehr unver-söhnlich, sondern als zwei Seiten ein und desselben Ausgangspunkts. Die Polarität des Dur-Moll-Wechsels wird aufgegeben und mutiert zu einem Wechsel der Klang-farben, wird zum kompositorischen Mittel des Ausdrucks. Ziel dieses Prozesses ist

nicht das Aufzeigen thematischer Gegen-sätze, sondern vielmehr die Verdeutlichung ihres doppelbödigen Zusammenhangs. Das ist das Neue, »Romantische«, an Schuberts Kompositionstechnik, und es wird in der 4. Symphonie bereits unüberhörbar manifest.

HINTER DEN MASKEN DER KONVENTION

So fällt am Kopfsatz die Kürze der Durch-führung – ansonsten klassischer Schwer-punkt motivisch-thematischer Arbeit ! – und die damit verbundene Gewichtsverla-gerung auf Exposition und Reprise auf. In keiner Weise dem Schema des Sonaten-satzes entspricht die harmonische Disposi-tion, und konträr zu Beethoven erweist sich auch die Gestaltung des motivisch prägnanten und periodisch geschlossenen Hauptthemas: Für Beethoven war die »Offenheit« eines Themas die Vorausset-zung für sich entwickelnde motivische Ar-beit – was Schubert zunehmend weniger oder gar nicht interessierte, was ihn aber immer wieder vor die Problematik der inne-ren Dynamisierung des Satzverlaufs stellte.

Auch im »himmlisch« langen, schon ganz vom sehnsuchtsvollen Romanzen-Ton des späteren Schubert erfüllten Andante stellt sich der Komponist der Frage nach neuen satzinternen Entwicklungsmöglichkeiten außerhalb der von Haydn, Mozart und Beethoven vorgezeichneten Bahnen. Erst-mals bricht er hier das gewohnte Rondo-schema auf und erweitert es zur 5-teiligen Wiederholungsform – ein Schema, das er bis zur »großen« C-Dur-Symphonie bei-behält.

Im Finalsatz wagt Schubert dann eine Art Synthese aus einer primär rhythmisch orientierten Satzanlage und einer motivisch

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Franz Schubert: 4. Symphonie

Schuberts Geburtshaus im Wiener Vorort Himmelpfortgrund

Blick über den Himmelpfortgrund mit der Lichtentaler Pfarrkirche

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Franz Schubert: 4. Symphonie

bestimmten Satzentwicklung, wie sie im Gefolge Haydns und Beethovens traditio-nell den Satzzusammenhang sichert. Die Durchführung dieses Satzes weist eine ungewöhnliche Dichte auf – sie wird aller-dings nicht durch Verarbeitung im Sinne von Veränderung des motivischen Materials oder durch Kontrastierung von Themen-teilen erreicht, sondern durch Übereinan-der schichtung verschiedener rhythmisch prägnanter Teile des Themas.

SCHUBERT, DER FORTSCHRITTLICHE

Wenn Schubert dem Ideal der großen »romantischen« Symphonie nach Beethoven nacheiferte – und es spätestens mit seiner 8. Symphonie auch erreichte – , so sind seine frühen Symphonien als Prozesse zuneh-mender Individualisierung, eines Sich-Los-lösens von Vorbildern zu begreifen. Es ist längst an der Zeit, dem allzu vertrauten Schubert-Bild eine neue Facette hinzuzu-fügen: die des früh Experimentierenden, des früh Innovativen, der hinter der müh-sam aufrecht erhaltenen Fassade von Kon-vention und Tradition diese latent aufzu-brechen versucht. Vielleicht gelingt dies, indem wir anfangen, bewusster zu hören und im Vertrauten das Neue zu entdecken.

Weil er zu vertraut war,wird er nun fremd.

Seine Wanderer trafenauf wenig Freundlichkeit,immer verschlossen sichdie Häuser, die Nachbarnwaren aus Stein,die Mädchen, deren Bilder bewahrte, gehörtenandern, undsein Winter endetenicht.

Er wusste, die Erdekühlt aus.

Peter Härtling: »Schubert«

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GUSTAV MAHLER(1860–1911)

Symphonie Nr. 4 in vier Sätzen für großes Orchester und Sopransolo

1. Bedächtig. Nicht eilen2. In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast3. Ruhevoll. Poco adagio4. Sehr behaglich

3., endgültige Fassung von 1911 (Edition 1963)

LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN

Geboren am 7. Juli 1860 (nach unbestä-tigten Vermutungen schon am 1. Juli) als zweites von zwölf Kindern im Dorf Kalischt an der böhmisch-mährischen Grenze (heute: Kalište in Tschechien); gestorben am 18. Mai 1911 in Wien.

TEXTVORLAGE

Anstelle eines normgerechten Finales fungiert das Sopransolo »Wir genießen die himmlischen Freuden«, das Mahler auf den Text eines »Bairischen Volkslieds« aus der von Ludwig Achim von Arnim (1781–1831) und Clemens Brentano (1778–1842) ge-sammelten Gedichtanthologie »Des Knaben Wunderhorn« komponierte. Der Gesangs-text, der bei Arnim / Brentano »Der Himmel hängt voll Geigen«, bei Mahler hingegen »Das himmlische Leben« betitelt ist, folgt seiner Vorlage weitgehend textgetreu und ist nur geringfügig gekürzt.

ENTSTEHUNG

Die Idee zu seiner 4. Symphonie fasste Mahler während eines Sommeraufenthalts

Gustav Mahler: 4. Symphonie

»Was für eine Schelmerei, verbunden mit dem

tiefsten Mystizismus !«STEPHAN KOHLER

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

in Aussee (Steiermark) im Jahr 1899; im Sommer 1900 wurden die Ausseer Skizzen in Maiernigg am Wörther See (Kärnten) zum Particell erweitert. Diese erste, sehr vorläufige Version beendete Mahler am 5. August 1900, um sie im darauf folgen-den Winter in Wien sogleich einer Umarbei-tung zu unterziehen. Während eines Gene-sungsurlaubs, den Mahler im Frühjahr 1901 in Abbazia an der dalmatinischen Küste verbrachte (heute: Opatija / Kroati-en), überarbeitete er sein Werk erneut und brachte es in die Form, in der es im Novem-ber 1901 uraufgeführt wurde.

FASSUNGEN

Nach der Uraufführung besorgte Mahler 1902 im Musikverlag Doblinger, Wien, die erste Drucklegung der Partitur (= 1. Fas-sung). Eine noch vom Komponisten über-wachte zweite Drucklegung erfolgte 1911 in der Wiener Universal Edition (= 2. Fas-sung). Letzte Revisionen Mahlers wurden erst 1963 bei Drucklegung der Symphonie im Rahmen der Kritischen Mahler-Gesamt-ausgabe berücksichtigt (= 3., endgültige Fassung).

URAUFFÜHRUNG

Am 25. November 1901 in München im »Großen Kaim-Saal« (Verstärktes »Kaim- Orchester« unter der Leitung von Gustav Mahler; Solistin: Rita Michalek, Sopran); aus dem nach seinem Gründer und Förderer Franz Kaim benannten Orchester gingen die Münchner Philharmoniker hervor, die mit der Uraufführung der 4. Symphonie ihre Mahler-Tradition begründeten.

VOM »HIMMEL VOLL GEIGEN« ZUM »HIMMLISCHEN LEBEN«

Zwischen den Entstehungszeiträumen sei-ner 3. und 4. Symphonie klafft eine unge-wöhnliche und für Mahler eher untypische Zäsur, gemessen an der kontinuierlichen Abfolge, in der sich seine Werke ansonst überlappten oder gar überkreuzten. Und dennoch verbindet beide Symphonien die Idee Mahlers, sie mit einem bereits 1892 in Hamburg entstandenen Orchesterlied zu beschließen: »Das himmlische Leben«, auf den Text eines »Bairischen Volkslieds« aus »Des Knaben Wunderhorn« komponiert, am 12. März 1892 während der Arbeit an der 2. Symphonie, der »Auferstehungssym-phonie«, vollendet und am 27. Oktober 1893 in Hamburg uraufgeführt. Die frühe Komposition für Sopran und Orchester, de-ren Textvorlage ursprünglich den naiven Volksliedtitel »Der Himmel hängt voll Gei-gen« trug, gehört zu einer Gruppe von »Wunderhorn«-Liedern, die Mahler mit der ambivalenten, höchst deutungsbedürfti-gen Gattungsbezeichnung »Humoreske« versah. Das Verspielte der Vorlage war in-dessen alles andere als »humoristisch« gemeint; erst recht nicht Mahlers kom-positorisch herbeigeführter Bedeutungs-schub ins Hintergründig-Philosophische, den schon die Umformulierung des Titels zu »Das himmlische Leben« markiert.

Hinter der Maske des Kindlich-Naiven, die sich Mahler in bewährter »Wunderhorn«- Manier vorhält, schwingt sein stets viru - lentes Assoziationsspektrum des »Jen-seitigen« mit. Das Resultat ist ein »Himm-lisches Leben« aus ironisierter, doppel - bödiger Perspektive – so als sollte parallel zum theologischen Pathos der »Auferste-hungssymphonie« ein märchenhaft-idylli-sches Szenarium entworfen werden, eine

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Gustav Mahler im Vorjahr der Entstehung seiner 4. Symphonie (1898)

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Art »Wunderhorn«-Korrektur des von Mah-ler in seiner 2. Symphonie benutzten Tex-tes von Friedrich Gottlieb Klopstock – aber nicht weniger gläubig oder weniger ernst-haft den »letzten Dingen« zugewandt als dieser. Das Gedicht, das Goethe in seiner »Wunderhorn«-Rezension fast schon be-wundernd »eine christliche Cocagne, nicht ohne Geist« genannt hat, ein religiös über-höhtes Schlaraffenland also, muss Mahler über die Komposition als Orchesterlied hin-aus so fasziniert haben, dass er es immer wieder als Baustein in eine der folgenden Symphonien zu integrieren versucht hat: »Man sieht es diesem auf den ersten Blick unscheinbaren Ding gar nicht an«, so Mah-ler zu seiner getreuen Chronistin Natalie Bauer- Lechner, »was alles darin steckt. Und doch erkennt man den Wert eines sol-chen Keimes darin, ob er ein vielfältiges Leben in sich schließt wie gerade dieses ›Himmlische Leben‹, das nach einiger Stag-nation dem lang verhaltenen Schaffens-quell entsprang.«

»SPIELEN MIT BAUSTEINEN«

Wenn auch das »Himmlische Leben« seine letztendliche Bestimmung erst als Final-satz der 4. Symphonie erlangte, so rang Mahler dennoch jahrelang um eine weltan-schaulich motivierte und architektonisch sinnfällige Platzierung des Orchesterlieds im Rahmen seiner 3. Symphonie. Dort soll-te das »Himmlische Leben« in der Stufen-leiter der möglichen Existenzformen – von der Primitivität des Elementar-Naturwüch-sigen bis hinauf zum Seelenleben der er-lösten, verklärten Menschheit an der Seite Gottes – entweder an vorletzter oder an letzter und damit »höchster« Stelle stehen. Mit dem 6. Satz »Was mir die Liebe erzählt«, in der Kosmologie Mahlers identisch mit

»Was mir Gott erzählt«, war bereits »die Spitze und die höchste Stufe bezeichnet, von der aus die Welt gesehen werden kann. Es beginnt bei der leblosen Natur und stei-gert sich bis zur Liebe Gottes ! Und so bildet mein Werk eine alle Stufen der Entwicklung in schrittweiser Steigerung umfassende musikalische Dichtung !« Wenn Mahler zeit-weilig versucht war, die »Liebe Gottes« mit einem 7. Satz »Was mir das Kind erzählt« zu übergipfeln, dann unterstreicht dies nur den hohen Stellenwert, den in seiner Philosophie die kindliche Psyche, die reine und unverstellte Naivität kindlichen Den-kens einnahm.

Die Vision eines kindlich-märchenhaften »Lebens nach dem Tode« als idyllischer Kon-trapunkt zur monumentalen Welt gerichts-szenerie der 2. Symphonie schien Mahler aber dann doch zu »humoresk« zu sein, um die an räumlicher Ausdehnung und phi-losophischem Anspruch alle Maße spren-gende 3. Symphonie zu beschließen oder gar zu krönen. Er erkannte instinktsicher, dass das ironische Gegenkonzept zum es-chatologischen Tribunal, die fast schon unerträgliche »Leichtigkeit« über irdischen Seins, nach einem eigenen Werk verlangte, in dem sich die hier angepeilte, quasi »vo-gelleichte«, auf Olivier Messiaen voraus-deutende »lächelnde« Transzendenz ent-falten konnte: »Komponieren ist wie ein Spielen mit Bausteinen, wobei aus densel-ben Steinen immer ein neues Gebäude ent-steht !« Das »Himmlische Leben« wurde folglich zum Ausgangspunkt einer eigenen, neuen, der 4. Symphonie. Statt die konträ-ren Aspekte des »Jenseitigen« reißver-schlussartig in einem Werk zu verknüpfen, sollte nun der Kindheitstraum einer »christ-lichen Cocagne« ausschließlich für sich be-stehen: ideologisches Ziel einer insgesamt

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Gustav Mahler auf Bootsfahrt vor Abbazia (Opatija) an der dalmatinischen Küste (1901)

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

leichtfüßigeren, aber deshalb noch lange nicht leichtgewichtigeren Symphonie, als deren »sich ganz verjüngende Spitze« ihn Mahler verstanden wissen wollte.

»DIE WELT OHNE SCHWERE«

Ein Vorgang von erheblicher Konsequenz für Mahlers durchsichtigstes und klanglich entschlacktestes Werk: Da das »Himmlische Leben«, obschon seit 1892 als Orchester-lied bekannt, nun als gezielt vorzuberei-tender Höhepunkt einer neuen Symphonie figurierte, musste in den vorgeschalteten, neu komponierten Sätzen symphonisch be-gründet werden, warum im letzten Satz ein »Himmel« besungen wird, der »voll Geigen« hängt. Eine sehr frühe, von Paul Bekker publizierte Programm skizze der »Vierten« war – wie die kurz zuvor vollendete »Dritte« – noch insgesamt 6-sätzig geplant:

Symphonie Nr. 4 (Humoreske)

Nr. 1 Die Welt als ewige Jetztzeit, G-durNr. 2 Das irdische Leben, es-mollNr. 3 Caritas, H-dur (Adagio)Nr. 4 Morgenglocken, F-durNr. 5 Die Welt ohne Schwere, D-dur (Scherzo)Nr. 6 Das himmlische Leben, G-dur

Das für einen Finalsatz äußerst schlichte Lied – man könnte ohne Übertreibung von einem Finale sprechen, das allen Finale- Erwartungen widerspricht – färbte aber schließlich und letztendlich auf den Gesamt-charakter der Symphonie ab, indem etwa auf der Ebene der formalen Struktur die Rückkehr zur klassischen Viersätzigkeit ge-sucht wurde und indem die bei Mahler fast schon erwartbaren Grenzüberschreitungen der zeitlichen und klang lichen Expansion hier tunlichst vermieden sind: Die »Vierte«

ist die kürzeste seiner Symphonien und verzichtet zugunsten eines sehr üppig be-setzten Streicherquintetts auf schweres Blech und hyper trophes Schlagzeug. Die Atmosphäre des gezielten »als ob« ver-langte nach speziellen Verfahren artifizi-eller Stilisierung, die von den durchaus affirmativ gemeinten, unverhüllt blechge-panzerten Klangkatarakten der Sympho-nien 1 – 3 demonstrativ weg- und zu den luziden Klangprojektionen einer gleichsam »überhöhten« Einfachheit in der 4. Sym-phonie bewusst hinführten.

»MAN WIRD KOMPONIERT«

Mahlers Idee, das »Himmlische Leben« zum Höhepunkt einer neuen, 4-sätzigen Sym-phonie zu bestimmen, ließ ihn von Anfang an eine motivisch-thematische Vernet-zungstechnik praktizieren, die die Sätze 1 – 3 als zwar eigenständige, aber den letz-ten Satz doch deutlich »präludierende« Einheiten behandelte. Der Publizist Georg Göhler, der eine Einführung in die 4. Sym-phonie verfasste und Mahlers Antizipa tions-verfahren offensichtlich nicht erkannte, musste sich vom Komponisten rügen lassen: »Eins vermisse ich: haben Sie die themati-schen Zusammenhänge, die für die Idee des Werks so überaus wichtig sind, übersehen ? Oder glaubten Sie bloß, das Publikum mit >technischen< Erklärungen verschonen zu sollen ? Jeder der drei Sätze hängt thema-tisch aufs innigste und bedeutungsvollste mit dem letzten zusammen !« So bewusst Mahler bei der strategischen Planung sei-ner auf das »Himmlische Leben« zustreben-den Symphonie auch vorging – gerade im Maiernigger Sommer 1900 passierte es ihm, dass sich Unvorhersehbares, »Merk-würdiges« ereignete: »Durch die zwingende Logik einer Stelle, die ich umwandeln muss-te«, so Mahler im Gespräch mit Natalie

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Partiturseite aus dem 4. Satz: »Sankt Peter im Himmel sieht zu !«

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Bauer-Lechner, »verkehrte sich mir alles Darauffolgende derart, dass ich plötzlich zu meinem Erstaunen gewahrte, ich befin-de mich in einem völlig anderen Reich: wie wenn du meinst, in blumigen elysischen Ge-filden zu wandeln, und siehst dich mitten in die nächtlichen Schrecken des Tartaros versetzt... Ich sehe immer mehr: man kom-poniert nicht, man wird komponiert !«

So war es letztlich unwesentlich, ob Mahler »Programme« seiner Symphonien veröf-fentlichte, sie später wieder zurückzog und im Freundeskreis dennoch auf ihnen insistierte – aus seinen Äußerungen gegen-über Ehefrau Alma, Assistent Bruno Walter und unzähligen anderen Freunden, vor allem aber gegenüber seiner Seelenfreundin und Chronistin Natalie Bauer-Lechner, geht deutlich hervor, dass Mahler seine »Vierte« als »symphonische Meditation« über das »Leben nach dem Tod« verstand: »Es ist die Heiterkeit einer höheren, uns fremden Welt darin« – heißt es bei Bauer-Lechner – , »die für uns etwas Schauerlich-Grauen-volles hat. Im letzten Satz (im ›Himmlischen Leben‹) erklärt das Kind, welches im Pup - penstand doch dieser höheren Welt schon angehört, wie alles gemeint sei...!« Als Mahler im Frühjahr 1901 in Abbazia (Opa-tija) an der dalmatinischen Küste die Fol-gen eines Blutsturzes mit anschließender Operation auskurierte und dabei letzte Änderungen in der Partitur seiner »Vierten« vornahm, wurde auch die ursprünglich »be-scheiden« vertonte Humoreske vom »Himm-lischen Leben« großzügiger und opulenter instrumentiert – »wie ein altes Bild auf Gold-grund... !« Dabei riss das »Wunderhorn«- Gedicht seinen Komponisten bei nächtli-chen Strandpromenaden mit Natalie Bauer- Lechner erneut zu Tiraden der Begeisterung hin: »Was für eine Schelmerei, verbunden mit dem tiefsten Mystizismus ! Es ist alles

auf den Kopf gestellt, die Kausalität hat ganz und gar keine Gültigkeit ! Es ist, wie wenn du plötzlich auf jene uns abgewandte Seite des Mondes blicktest...!«

»KIRCHLICH-KATHOLISCHE STIMMUNG«

Als unmittelbar vorangehendes Podest für die mystischen Schelmenweisen des Finales dienten Mahler ein 1. Satz, den er mit dem »Strahlenmeer von tausend Lichtern und Farben« verglich, wie es die Sonne aus den Tauperlen einer Frühlingswiese zaubert; ein Scherzo, so »mystisch, verworren und unheimlich, dass euch dabei die Haare zu Berge stehen werden«; und schließlich ein Andante, »durch das eine göttlich heitere und tief traurige Melodie geht, dass ihr dabei nur lachen und weinen werdet«: In der Strategie des »gradus ad parnassum«, des sich immer höher wölbenden, immer mehr vergeistigenden Bauprinzips der 4. Symphonie, kommt in der Tat dem An-dante die Funktion des »symphonischen Türöffners« zum »Himmlischen Leben« zu. Die heilige Ursula, von der im anschlie-ßenden »Wunderhorn«-Text des Finales die Rede ist, scheint schon hier, im 3. Satz der Symphonie, ikonenhaft portraitiert: Natalie Bauer-Lechner wusste zu berich-ten, dass das Andante »die Gesichtszüge der heiligen Ursula trage«. Auf ihre Frage, ob ihm die Heiligenvita Ursulas denn über-haupt geläufig sei, meinte Mahler: »Nein, sonst wäre ich gewiss nicht imstande und in der Stimmung gewesen, mir ein so be-stimmtes und herrliches Bild von ihr zu machen !« In Wahrheit aber habe er in Ursula seine über alles geliebte Mutter portraitieren wollen, die »auch unendlich gelitten, aber alles immer liebend aufgelöst und vergeben habe«, und deren tief trau-riges und »wie durch Tränen lachendes Ant-

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Gustav Mahler meditiert über das Jenseits (um 1900)

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

litz« ihm beim Komponieren vorgeschwebt sei. Den seiner jüdischen Mutter gewidme-ten Ursula-Satz nannte der zum Christen-tum konvertierte Mahler »die größte Far-benmischung, die je da war«, und feierte sein »sphärisches Ausklingen« als Apo-theose einer »fast kirchlich-katholischen Stimmung«.

Als der Musikschriftsteller Ludwig Schieder-mair Mahler 1901 um Aufklärung über die Gedankenwelt der 4. Symphonie bat, beauf-tragte der Vielbeschäftigte seinen Assis-tenten, Freund und nachmaligen Exegeten Bruno Walter mit der Niederschrift einer Antwort. Unter »konjunktivischem« Vor-behalt teilte Walter Schiedermair mit, »dass die drei ersten Sätze der IVten Sym-phonie ein himmlisches Leben schildern könnten: man könnte sich im ersten Satz den Menschen denken, der es kennen lernt; es waltet darin eine unerhörte Heiterkeit, eine unirdische Freude, die ebenso oft an-zieht wie befremdet, ein erstaunliches Licht und eine erstaunliche Lust, der frei-lich auch menschliche und rührende Laute nicht fehlen. – Der zweite Satz könnte die Bezeichnung finden: ›Freund Hein spielt zum Tanz auf‹; der Tod streicht recht ab-sonderlich die Fiedel und geigt uns in den Himmel hinauf. – ›Sankt Ursula selbst dazu lacht‹ könnte der dritte Satz genannt wer-den: die ernsteste der Heiligen lacht, so heiter ist diese Sphäre, d. h. sie lächelt nur, und zwar lächelt sie so, wie die Monu-mente der alten Ritter oder Prälaten, die man beim Durchschreiten alter Kirchen mit über der Brust gefalteten Händen sieht, und die das kaum bemerkbare, friedvolle Lächeln des zu ruhiger Seligkeit hinüber-geschlummerten Menschenkindes haben; feierliche, selige Ruhe, ernste, milde Hei-terkeit ist der Charakter dieses Satzes, dem auch tief schmerzliche Kontraste –

wenn Sie so wollen, als Reminiszenzen des Erdenlebens – , sowie eine Steigerung der Heiterkeit ins Lebhafte nicht fehlen. – Wenn der Mensch nun verwundert fragt, was das alles bedeutet, so antwortet ihm ein Kind mit dem vierten, letzten Satze: Das ist das ›Himmlische Leben‹.« »Feier-liche, selige Ruhe« und »ernste, milde Heiter keit« lesen sich wie Paraphrasen aus-gewählter Textstellen aus Arthur Schopen-hauers »Die Welt als Wille und Vorstellung«, wo die »Verneinung des Willens zum Leben« als Voraussetzung für einen Gemütszu-stand gepriesen wird, in dem »ein uner-schütterlicher Friede, eine tiefe Ruhe und innige Heiterkeit« dominieren.

KLASSISCHE NORM UND NEUE EINFACHHEIT

Von außen betrachtet ist Mahlers »Vierte« sicherlich seine einfachste und »zurück-genommenste« Symphonie. Sie dauert rund 50 Minuten und ist damit, wie Mahler selbst bemerkte, kaum länger als der 1. Satz seiner 3. Symphonie. Ihre Viersät-zigkeit scheint ein Tribut an die Gattungs-norm der Wiener Klassik zu sein; auch scheinen die einzelnen Satzcharaktere – vitaler Kopfsatz, Scherzo, langsamer Satz und Finale – durchaus gewollt dem »klas-sischen« Muster zu entsprechen; auch Mahler fiel auf, dass insbesondere der 1. Satz »trotz seiner Freiheit mit der größ-ten, fast schulmäßigen Gesetzmäßigkeit« aufgebaut ist. Die vermeintliche »Simpli-zität« der Symphonie war schließlich auch der Grund, warum die Münchner Urauffüh-rung vom 25. November 1901 zu einem Misserfolg geriet, da von Mahler offenbar »Ausgefalleneres« erwartet wurde. Der Komponist, der sich laut eigener Aussage die Klangtransparenz des späten Verdi (»Falstaff«) zum Vorbild genommen hatte,

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

Emil Orlik: Gustav Mahler unterbricht völlig entgeistert eine Probe (1901)

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Gustav Mahler: 4. Symphonie

war von der Aufnahmefähigkeit und instru-mentalen Kapazität des Kaim-Orchesters, der nachmaligen Münchner Philharmoni-ker, zutiefst enttäuscht: »Auf diesem toten Schuttkegel«, so klagte Mahler verzweifelt, »muss ich eine blühende Welt erstehen las-sen !«

Die Münchner Philharmoniker, die üblicher-weise und sicher nicht zu Unrecht als das »Mahler-Orchester der ersten Stunde« bezeichnet werden, waren aus der Sicht des Komponisten ein damals offenbar sehr unzulängliches Ensemble ! Natalie Bauer- Lechner, die Mahler auch nach München begleitet hatte, vertraute ihrem Tagebuch die wenig schmeichelhaften Zeilen an: »Er war unglücklich über das Orchester dort, bei dem es, um die Symphonie aus dem Gröbsten herauszubringen, der Arbeit bedurfte, die etwa ein Bildhauer von den ersten Meißelschlägen des unbehauenen Blocks bis zur Vollendung der Statue hat. Die Unzulänglichkeit der Spieler machte sich erst recht fühlbar bei der subtilen Feinheit und Schwierigkeit dieses Werkes in allen Instrumenten. Ganz besonders schlecht war der Konzertmeister, dem es durchaus an Initiative und Impuls fehlte. Bläser und Schlagwerk und der Harfenist waren unter aller Kritik ! So musste er sein Werk mit den mäßigsten Kräften machen, worunter nicht nur der Fluss und Glanz der Technik litt, sondern vor allem auch die Klangschönheit, welche durch Mischung und Anwendung der Instrumente so zaubrisch

und selbst im Vergleich mit seinen eige-nen Werken so unerhört ist.« Kein Wunder, dass nach dem Münchner Desaster Mahler die Berliner Erstaufführung, für die ihm Richard Strauss sein Berliner Tonkünstler- Orchester zur Verfügung gestellt hatte, als eigentliche Uraufführung der »Vierten« pries.

»VON NEUEM LERNEN FÜR DAS NEUE«

Nichts lag Mahler ferner, als mit seiner »Vierten« einen Beitrag zur Mode des um 1900 grassierenden »Neoklassizismus« zu liefern – wie es etwa Ermanno Wolf-Ferrari, Max Reger und Richard Strauss oder später Ottorino Respighi, Sergej Prokofjew und Igor Strawinsky taten. Die besondere Ver-fasstheit der »Vierten«, ihre singuläre Stellung im Schaffen Mahlers, resultiert ausschließlich aus dem »Sujet« des Werks, der Imagination subtilster »jenseitiger« Seelenzustände, nicht jedoch aus wohlfei-len zeitgenössischen Modeslogans wie »Zurück zu Mozart !« Auch Mahler war sich der Sonderstellung seiner »Vierten« voll bewusst. Weil er »in jedem neuen Werk neue Bahnen« durchmessen wolle, schrieb er an Nina Spiegler, sei sie »so grundver-schieden von meinen anderen Symphonien«: »Darum wird es im Anfang immer so schwer, ins Arbeiten hinein zu kommen. Alle Routine, die man sich erworben, nützt einem nichts. Man muss von neuem erst wieder lernen für das Neue. So bleibt man ewig ›Anfänger‹...!«

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Der Gesangstext

4. SATZ: SEHR BEHAGLICH (SOPRANSOLO)

Wir genießen die himmlischen Freuden,Drum tun wir das Irdische meiden.Kein weltlich’ GetümmelHört man nicht im Himmel !Lebt Alles in sanftester Ruh’ !Wir führen ein englisches Leben !Sind dennoch ganz lustig daneben !Wir tanzen und springen,Wir hüpfen und singen !Sankt Peter im Himmel sieht zu !

Johannes das Lämmlein auslasset,Der Metzger Herodes d’rauf passet !Wir führen ein geduldig’s,Unschuldig’s, geduldig’s,Ein liebliches Lämmlein zu Tod !Sankt Lukas den Ochsen tät schlachtenOhn’ einig’s Bedenken und Achten,Der Wein kost’ kein HellerIm himmlischen Keller,Die Englein, die backen das Brot.

Gut’ Kräuter von allerhand Arten,Die wachsen im himmlischen Garten !Gut’ Spargel, FisolenUnd was wir nur wollen !Ganze Schüsseln voll sind uns bereit’ !

Gut’ Äpfel, gut’ Birn’ und gut’ Trauben !Die Gärtner, die Alles erlauben !Willst Rehbock, willst Hasen,Auf offener StraßenSie laufen herbei !

Sollt’ ein Fasttag etwa kommen,Alle Fische gleich mit Freuden angeschwommen !Dort läuft schon Sankt PeterMit Netz und mit KöderZum himmlischen Weiher hinein.Sankt Martha die Köchin muss sein !

Kein Musik ist ja nicht auf Erden,Die uns’rer verglichen kann werden.Elftausend JungfrauenZu tanzen sich trauen !Sankt Ursula selbst dazu lacht !Cäcilia mit ihren VerwandtenSind treffliche Hofmusikanten !Die englischen StimmenErmuntern die Sinnen,Dass alles für Freuden erwacht.

Textvorlage: Aus der Gedichtsammlung »Des Knaben Wunderhorn«: »Der Himmel hängt voll Geigen«, Bairisches Volkslied

Der Gesangstext

»Wir genießen die himmlischen Freuden«

»DES KNABEN WUNDERHORN« – GUSTAV MAHLER

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Künstlerbiographie

DIRIGENT

Valery Gergiev

In Moskau geboren, studierte Valery Gergiev zunächst Dirigieren bei Ilya Musin am Lenin-grader Konservatorium. Bereits als Student war er Preisträger des Herbert-von-Karajan Dirigierwettbewerbs in Berlin. 1978 wurde Valery Gergiev 24-jährig Assistent von Yuri Temirkanov am Mariinsky Opernhaus, wo er mit Prokofjews Tolstoi-Vertonung »Krieg und Frieden« debütierte.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten leitet er nun das legendäre Mariinsky Theater in St. Pe-tersburg, das in dieser Zeit zu einer der

wichtigsten Pfl egestätten der russischen Opernkultur aufgestiegen ist.

Mit den Münchner Philharmonikern verbindet Valery Gergiev seit der Saison 2011/12 eine intensivere Zusammenarbeit. So hat er in München mit den Philharmonikern und dem Mariinsky Orchester alle Symphonien von Dmitrij Schostakowitsch und einen Zyklus von Werken Igor Strawinskys aufgeführt. Seit der Spielzeit 2015/16 ist Valery Gergiev Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Als »Maestro der Stadt« wendet er sich seit-dem mit Abo- und Jugendkonzerten, Öffent-lichen Generalproben, »Klassik am Odeons-platz« und dem Festival MPHIL 360° sowohl an die Münchner Konzertbesucher als auch mit regelmäßigen Livestream- und Fernseh-übertragungen aus der Philharmonie im Ga-steig an das internationale Publikum.

Seit September 2016 liegen die ersten CD- Aufnahmen des orchestereigenen Labels MPHIL vor, die seine Arbeit mit den Münchner Philharmonikern dokumentieren. Weitere Aufnahmen, bei denen besonders die Sym-phonien von Anton Bruckner einen Schwer-punkt bilden, sind in Vorbereitung. Reisen führten die Münchner Philharmoniker mit Valery Gergiev bereits in zahlreiche europä-ische Städte sowie nach Japan, China, Korea und Taiwan.

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Der Gesangstext

Nach ihrem Studium an der Salzburger Musikuniversität »Mozarteum« und an der Wiener Universität für Musik und darstel-lende Kunst legte die gebürtige Salzburge-rin mit dem ersten Preis beim Salzburger Mozart-Wettbewerb (2002) den Grund-stein für ihre solistische Karriere. Noch im selben Jahr feierte Genia Kühmeier mit der Diane in Glucks »Iphigénie en Aulide« unter Riccardo Muti ihr erfolgreiches Debüt an der Mailänder Scala. 2003 wurde die Stipen-diatin der Herbert-von-Karajan-Stiftung

SOPRAN

bereits Ensemblemitglied an der Wiener Staatsoper, und schon wenig später erhielt sie für ihr Debüt als Inès in Donizettis »La Favorite« die Eberhard-Waechter- Medaille. Ebenfalls in Wien verkörperte Genia Küh-meier erstmals die Pamina in Mozarts »Zauberflöte« – eine Partie, mit der sie seither bei den Salzburger Festspielen und an zahlreichen führenden Opernhäusern auftrat.

Bei den Salzburger Festspielen wurde Genia Kühmeier darüber hinaus für die Gestaltung der Euridice in Glucks »Orfeo ed Euridice« (2010) und der Contessa in Mozarts »Le Nozze di Figaro« (2011) ge-feiert. Weitere wichtige Rollen ihres Re-pertoires sind die Ilia in »Idomeneo«, die Micaëla in »Carmen«, die Sophie im »Rosenkavalier« (u. a. unter der Leitung von Christian Thielemann) und die Zdenka in »Arabella«. Im Konzertsaal arbeitete Genia Kühmeier u. a. mit Colin Davis, Niko-laus Harnoncourt, Simon Rattle, John Eliot Gardiner, Riccardo Muti, Mariss Jansons, Seiji Ozawa, Roger Norrington, Mark Minko-wski, Kirill Petrenko und Marek Janowski zusammen. Darüber hinaus ist Genia Küh-meier in vielen Musikmetropolen mit Lieder-abenden zu Gast.

Genia Kühmeier

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Tanja Windorfer

Münchner Klangbilder

TITELGESTALTUNG ZUM HEUTIGEN KONZERTPROGRAMM

»Der heimatlose Schubert streift durch das unbekannte Land, auf der Suche nach einem erfüllten Ort, an dem er sich Zu-hause fühlt. Viele Entscheidungen und gemischte Gefühle begleiten seine Reise. Sanfte Klänge tragen ihn über Wiesen und Berge, die durch die lauten kräftigen Töne der Menschen, die ihm begegnen, aufgewühlt werden. Die grüne verzweig-te Form symbolisiert das Land, durch das er wandert. Vielfältig und leicht, ziehen sich die Äste der Bäume durch die Natur. Gleichzeitig werden sie als die Wege Schuberts interpretiert. Von weitem er-kennt man die Form als einen Fleck auf einer Weltkarte. Die schwarze Form des Logos, die dynamisch auf dem Land steht, verschmilzt farblich mit dem Landkarten-

fleck und symbolisiert die aufgewühlten Emotionen, die Schubert auf seiner Reise erlebt. Enttäuscht von der Welt lösen sich seine Vorstellungen nach einem Land seines Glückes auf, wie auch die Form der Abstraktion.

Das Motiv wurde mit Acrylfarbe durch experimentelle Drucktechnik auf Papier erstellt. Dadurch bildeten sich die Höhen und Tiefen der Struktur auf der grünen Fläche. Die Logo-Form entstand mit Hilfe schneller Pinselstiche mit schwarzer Acrylfarbe auf Papier. Beide Elemente wurden abfotografiert und nachträglich digital zu einer Komposition zusammen-gesetzt.« (Tanja Windorfer, Junior Art Director, Heye, 2017)

DIE KONZERTPLAKATE DERSPIELZEIT 2016/17

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Vorschau

Montag27_03_2017 19 Uhr3. Jugendkonzert

MAURICE RAVEL»La Valse«Konzert für Klavier und Orchester G-DurFRANZ SCHUBERTSymphonie Nr. 4 c-Moll »Tragische«

VALERY GERGIEVDirigentPIERRE-LAURENT AIMARDKlavier

Dienstag 28_03_2017 20 Uhr g4

MAURICE RAVEL»La Valse«Konzert für Klavier und Orchester G-DurGUSTAV MAHLERSymphonie Nr. 4 G-Dur

VALERY GERGIEVDirigentPIERRE-LAURENT AIMARDKlavierGENIA KÜHMEIERSopran

Mittwoch 29_03_2017 20 Uhr a

RICHARD STRAUSS»Don Juan« op. 20MAURICE RAVELKonzert für Klavier (linke Hand) und Orchester D-DurLUDWIG VAN BEETHOVENSymphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 »Eroica«

VALERY GERGIEVDirigentPIERRE-LAURENT AIMARDKlavier

Freitag 21_04_2017 20 Uhr c Samstag *22_04_2017 19 Uhr f

DMITRIJ SCHOSTAKOWITSCHSymphonie Nr. 13 b-Moll op. 113 »Babij Jar«LUDWIG VAN BEETHOVENOuvertüre zu »Coriolan« op. 62Chorfantasie op. 80

MICHAEL SANDERLINGDirigentMATTHIAS GOERNEBaritonHERBERT SCHUCHKlavierPHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHENEinstudierung: Andreas Herrmann

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Das Orchester

1. VIOLINENSreten Krstič, KonzertmeisterLorenz Nasturica-Herschcowici, KonzertmeisterJulian Shevlin, KonzertmeisterOdette Couch, stv. KonzertmeisterinClaudia SutilPhilip MiddlemanNenad DaleorePeter BecherRegina MatthesWolfram LohschützMartin ManzCéline VaudéYusi ChenIason KeramidisFlorentine LenzVladimir TolpygoGeorg Pfirsch

2. VIOLINENSimon Fordham, StimmführerAlexander Möck, StimmführerIIona Cudek, stv. StimmführerinMatthias Löhlein, VorspielerKatharina ReichstallerNils SchadClara Bergius-BühlEsther MerzKatharina SchmitzAna Vladanovic-Lebedinski

Die MünchnerPhilharmoniker

Bernhard MetzNamiko FuseQi ZhouClément CourtinTraudel ReichAsami Yamada

BRATSCHENJano Lisboa, SoloBurkhard Sigl, stv. SoloMax SpengerHerbert StoiberWolfgang StinglGunter PretzelWolfgang BergBeate SpringorumKonstantin SellheimJulio LópezValentin Eichler

VIOLONCELLIMichael Hell, KonzertmeisterFloris Mijnders, SoloStephan Haack, stv. SoloThomas Ruge, stv. SoloHerbert HeimVeit Wenk-WolffSissy SchmidhuberElke Funk-HoeverManuel von der NahmerIsolde Hayer

CHEFDIRIGENT VALERY GERGIEVEHRENDIRIGENT ZUBIN MEHTA

Das Orchester

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Das Orchester Das Orchester

Sven FaulianDavid HausdorfJoachim Wohlgemuth

KONTRABÄSSESławomir Grenda, SoloFora Baltacigil, SoloAlexander Preuß, stv. SoloHolger HerrmannStepan KratochvilShengni GuoEmilio Yepes Martinez Ulrich von Neumann-Cosel

FLÖTENMichael Martin Kofler, SoloHerman van Kogelenberg, SoloBurkhard Jäckle, stv. SoloMartin BeličGabriele Krötz, Piccoloflöte

OBOENUlrich Becker, SoloMarie-Luise Modersohn, SoloLisa OutredBernhard BerwangerKai Rapsch, Englischhorn

KLARINETTENAlexandra Gruber, SoloLászló Kuti, SoloAnnette Maucher, stv. SoloMatthias AmbrosiusAlbert Osterhammer, Bassklarinette

FAGOTTERaffaele Giannotti, SoloJürgen PoppJohannes HofbauerJörg Urbach, Kontrafagott

HÖRNERJörg Brückner, SoloMatias Piñeira, Solo

Ulrich Haider, stv. SoloMaria Teiwes, stv. SoloRobert RossAlois SchlemerHubert PilstlMia Aselmeyer

TROMPETENGuido Segers, SoloBernhard Peschl, stv. SoloFranz UnterrainerMarkus RainerFlorian Klingler

POSAUNENDany Bonvin, SoloMatthias Fischer, stv. SoloQuirin Willert Benjamin Appel, Bassposaune

TUBARicardo Carvalhoso

PAUKENStefan Gagelmann, SoloGuido Rückel, Solo

SCHLAGZEUGSebastian Förschl, 1. SchlagzeugerJörg HannabachMichael Leopold

HARFETeresa Zimmermann, Solo

ORCHESTERVORSTANDStephan HaackMatthias AmbrosiusKonstantin Sellheim

INTENDANTPaul Müller

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Impressum

IMPRESSUM

Herausgeber:Direktion der MünchnerPhilharmonikerPaul Müller, IntendantKellerstraße 481667 MünchenCorporate Design:HEYE GmbHMünchenGraphik: dm druckmedien gmbhMünchenDruck: Gebr. Geiselberger GmbHMartin-Moser-Straße 23 84503 Altötting

TEXTNACHWEISE

Peter Jost und Daniela Ko-reimann schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Stephan Kohler stellte sei-nen Text den Münchner Philharmonikern zum Ab-druck in diesem Pro-grammheft zur Verfügung; er verfasste darüber hin-aus die lexikalischen Anga-ben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Wer-ken. Den Gesangstext des Sopransolos in Mahlers 4. Symphonie zitieren wir in der vom Komponisten redi-gierten Fassung, in der das ›Bairische Volkslied‹ »Der Himmel hängt voll Geigen« von seiner Original-fassung in »Des Knaben Wunderhorn« geringfügig abweicht. Künstlerbiogra-phien (Gergiev, Kühmeier): Nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den Auto-rinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.

BILDNACHWEISE

Abbildungen zu Claude De-bussy: Michael Raeburn and Alan Kendall (Hrsg.), Heritage of Music, Volume IV (Music in the Twentieth Century), Oxford 1989; François Lesure, Claude Debussy (Iconographie musicale IV), Genève 1975. Abbildungen zu Franz Schubert: Joseph Wechs-berg, Schubert – Sein Le-ben, sein Werk, seine Zeit, München 1978; Cedric Du-mont, Franz Schubert – Wanderer zwischen den Zeiten, Braunschweig 1978. Abbildungen zu Gustav Mahler: Gilbert Kaplan (Hrsg.), Das Mahler Album, New York / Wien 1995; Kurt Blaukopf und Zoltán Román, Mahler – Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössi-schen Bildern und Texten, Wien 1976. Künstlerphoto-graphien: Marco Borg-greve (Gergiev); Tina King (Kühmeier).

Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt

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DAS ORCHESTER DER STADT

’16’17