Demografischer Wandel in Bisherige Projekte und Ergebnisse ...

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Demografischer Wandel in der Daimler AG – Chancen und Nutzen der betrieblichen Gesundheitsförderung ANDREAS MÜRDTER, DIERK MAUCHER Vor dem Hintergrund des demografischen Wan- dels hat die Daimler AG Herausforderungen für das Unternehmen frühzeitig identifiziert und ent- sprechende Aktivitäten initiiert. Mit detaillierten Alterssimulationen und einem strategischen HR Resource Management werden bei Daimler die Aus- wirkungen des demografischen Wandels transpa- rent dargestellt, um zielgerichtete Maßnahmen ableiten zu können. Ein vorrangiges Handlungsfeld stellt hierbei das Gesundheitsmanagement dar. Der Beitrag gibt einen Einblick in die Methodik zum HR Resource Management und geht auf Aktivitäten der betrieblichen Gesundheitsförderung ein. DEMOGRAFISCHE SITUATION UND HR RESOURCE MANAGEMENT Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/-innen der Daim- ler AG in Deutschland beträgt aktuell 43 Jahre. Detaillierte Alterssimulationen verdeutlichen, dass der Altersdurch- schnitt in den nächsten zehn Jahren auf circa 47 Jahre ansteigen wird. Mit dieser Entwicklung wird sich die Ver- teilung der Altersgruppen im Unternehmen maßgeblich verändern: in zehn Jahren wird annähernd die Hälfte der Mitarbeiter/-innen der Daimler AG 50 Jahre oder älter sein. Mit dem HR Resource Management werden weitergehende, auch qualitative Analysen zu den Kapazitäts- und Alte- rungseffekten des demografischen Wandels durchgeführt. Mit der Simulation von Bestandsstrukturen und Bedarfs- szenarien werden zukünftige Über- und Unterdeckungen auf Tätigkeitsprofilebene identifiziert. Bisher wurde das HR Resource Management an sechs Pro- duktionsstandorten der Daimler AG erfolgreich eingeführt (vgl. Abb.). Mit der Pilotierung in Verwaltungsbereichen und in internationalen Standorten wird der Rollout fort- geführt. So werden die Voraussetzungen geschaffen, Trans- parenz über die zukünftigen Kapazitäts- und Alterungsef- fekte bei Daimler herzustellen. Bezogen auf die Kapazitätseffekte werden insbesondere Maßnahmen zum Recruiting, zur Berufsausbildung, zur Per- sonaleinsatzsteuerung, zur Qualifizierung und zur Perso- nalflexibilität und -anpassung in die Wege geleitet. Mit den Alterseffekten werden hingegen die Auswirkungen analy- siert, die sich durch die Veränderung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter/-innen ergeben. Für Daimler birgt die demografische Entwicklung Chancen, da das Erfahrungswissen der Mitarbeiter/-innen zunimmt. Eine vierjährige wissenschaftliche Studie im LKW-Werk Wörth weist diese positiven Effekte nach. Hierbei wurde das Alter von Arbeitsgruppen in der Produktion mit Qualitäts- kennzahlen verglichen. Es wurde eine signifikant positive Entwicklung der Kennzahlen festgestellt, die sich auf das Erfahrungswissen der Mitarbeiter/-innen zurückführen lässt. Mit dem demografischen Wandel verändert sich aber auch die physische Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter/-innen. Als ein Unternehmen mit einer hohen Anzahl manueller Pro- duktionsarbeitsplätze hat Daimler sich dieser Herausfor- derung zu stellen. Ein priorisiertes Handlungsfeld ist hier- bei das betriebliche Gesundheitsmanagement, das sich verstärkt auf den demografischen Wandel durch Intensi- vierung und Nachhaltigkeit seiner bereits erfolgreichen Aktivitäten einstellt. 42 BWP 3/2011 WEITERE THEMEN THEMEN- SCHWERPUNKT Abbildung Bisherige Projekte und Ergebnisse des HR Resource Management bei Daimler Bisherige Projekte Durchführung des HR Resource Manage- ments in 4 Nutzfahr- zeug- und 2 PKW-Stand- orten in Deutschland Inhalte Durchführung von Simula- tionen zur quantitativen u. qualitativen Belegschafts- und Bedarfsentwicklung Frühzeitige Identifizierung von Kapazitätsdeltas Umsetzung zielgerichteter Maßnahmen Prognostizierung von Effekten, die sich aus der Alterung der Belegschaft ergeben Ergebnisse Initiierung und Umset- zung von zielgerichteten Maßnahmen, z. B. zur • Ausbildungspolitik und Recruiting • Personalentwicklung und Qualifizierung • Förderung der Flexibilität • Steigerung der Leistungsfähigkeiten der Mitarbeiter/-innen Diese Netzpublikation wurde bei der Deutschen Nationalbibliothek angemeldet und archiviert. URN: urn:nbn:de:0035-bwp-11342-0

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Demografischer Wandel in der Daimler AG – Chancen und Nutzen der betrieblichen Gesundheitsförderung

ANDREAS MÜRDTER, DIERK MAUCHER

� Vor dem Hintergrund des demografischen Wan-

dels hat die Daimler AG Herausforderungen für das

Unternehmen frühzeitig identifiziert und ent-

sprechende Aktivitäten initiiert. Mit detaillierten

Alterssimulationen und einem strategischen HR

Resource Management werden bei Daimler die Aus-

wirkungen des demografischen Wandels transpa-

rent dargestellt, um zielgerichtete Maßnahmen

ableiten zu können. Ein vorrangiges Handlungsfeld

stellt hierbei das Gesundheitsmanagement dar. Der

Beitrag gibt einen Einblick in die Methodik zum HR

Resource Management und geht auf Aktivitäten der

betrieblichen Gesundheitsförderung ein.

DEMOGRAFISCHE SITUATION UND HR RESOURCE

MANAGEMENT

Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter/-innen der Daim-ler AG in Deutschland beträgt aktuell 43 Jahre. Detail lierteAlterssimulationen verdeutlichen, dass der Altersdurch-schnitt in den nächsten zehn Jahren auf circa 47 Jahreansteigen wird. Mit dieser Entwicklung wird sich die Ver-teilung der Altersgruppen im Unternehmen maßgeblichverändern: in zehn Jahren wird annähernd die Hälfte derMitarbeiter/-innen der Daimler AG 50 Jahre oder älter sein.

Mit dem HR Resource Management werden weitergehende,auch qualitative Analysen zu den Kapazitäts- und Alte-rungseffekten des demografischen Wandels durchgeführt.Mit der Simulation von Bestandsstrukturen und Bedarfs-szenarien werden zukünftige Über- und Unterdeckungenauf Tätigkeitsprofilebene identifiziert.

Bisher wurde das HR Resource Management an sechs Pro-duktionsstandorten der Daimler AG erfolgreich eingeführt(vgl. Abb.). Mit der Pilotierung in Verwaltungsbereichenund in internationalen Standorten wird der Rollout fort-geführt. So werden die Voraussetzungen geschaffen, Trans-parenz über die zukünftigen Kapazitäts- und Alterungsef-fekte bei Daimler herzustellen.

Bezogen auf die Kapazitätseffekte werden insbesondereMaßnahmen zum Recruiting, zur Berufsausbildung, zur Per-sonaleinsatzsteuerung, zur Qualifizierung und zur Perso-nalflexibilität und -anpassung in die Wege geleitet. Mit denAlterseffekten werden hingegen die Auswirkungen analy-siert, die sich durch die Veränderung der Leistungsfähigkeitder Mitarbeiter/-innen ergeben. Für Daimler birgt die demografische Entwicklung Chancen,da das Erfahrungswissen der Mitarbeiter/-innen zunimmt.Eine vierjährige wissenschaftliche Studie im LKW-WerkWörth weist diese positiven Effekte nach. Hierbei wurde dasAlter von Arbeitsgruppen in der Produktion mit Qualitäts-kennzahlen verglichen. Es wurde eine signifikant positiveEntwicklung der Kennzahlen festgestellt, die sich auf dasErfahrungswissen der Mitarbeiter/-innen zurückführen lässt.

Mit dem demografischen Wandel verändert sich aber auchdie physische Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter/-innen. Alsein Unternehmen mit einer hohen Anzahl manueller Pro-duktionsarbeitsplätze hat Daimler sich dieser Herausfor-derung zu stellen. Ein priorisiertes Handlungsfeld ist hier-bei das betriebliche Gesundheitsmanagement, das sichverstärkt auf den demografischen Wandel durch Intensi-vierung und Nachhaltigkeit seiner bereits erfolgreichenAktivitäten einstellt.

42 BWP 3/2011

W E I T E R E T H E M E NT H E M E N -

S C H W E R P U N K T

Abbildung Bisherige Projekte und Ergebnisse des HR ResourceManagement bei Daimler

Bisherige Projekte

Durchführung des HR Resource Ma nage- ments in 4 Nutz fahr-zeug- und 2 PKW-Stand-orten in Deutschland

Inhalte

Durchführung von Simu la -tionen zur quantitativen u. qualitativen Belegschafts-und Bedarfsentwicklung

Frühzeitige Identifizierungvon Kapazitätsdeltas

Umsetzung zielgerichteterMaßnahmen

Prognostizierung vonEffekten, die sich aus der

Alterung der Belegschaftergeben

Ergebnisse

Initiierung und Umset-zung von zielgerichtetenMaßnahmen, z. B. zur• Ausbildungspolitik undRecruiting• Personalentwicklungund Qualifizierung

• Förderung der Flexibilität

• Steigerung der Leistungsfähigkeiten derMitarbeiter/-innen

Diese Netzpublikation wurde bei der Deutschen Nationalbibliothek angemeldet und archiviert. URN: urn:nbn:de:0035-bwp-11342-0

BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT

DER DAIMLER AG

Gemeinsam mit Maßnahmen wie dem fähigkeitsgerechtenEinsatz von Mitarbeiter/-innen im Rahmen des Integrati-onsmanagements, ergonomisch optimierten Arbeitsplätzenund der Identifizierung und Positionierung neuer Work-Life-Balance-Trends spielt die präventive und nachhaltige Stär-kung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsmanagement derDaimler AG eine zentrale Rolle. Bezogen auf die Hand-lungsfelder Prävention, Therapie und Rehabilitation (vgl.Kasten) analysiert, konzipiert und implementiert die betrieb-liche Gesundheitsförderung Maßnahmen für Mitarbeiter/-innen ohne, mit akuten oder bereits chronischen Beschwer-den. Alle Mitarbeiter/-innen des Unternehmens sollen sobefähigt werden, betriebliche und persönliche Gesund-heitspotenziale zu erkennen und entsprechend zu handeln.

In der Gesundheitsmanagementberatung an den Standor-ten in Deutschland ist das Konzept „Gesundheit erleben“in Form eines Portfolios integraler Bestandteil. Ziel ist es,die Mitarbeiter/-innen über qualitätsgesicherte „erleb bare“

Maßnahmen zu einem gesundheitsorientierten Lebensstilzu bewegen und langfristig zu binden. Ein Angebot derBetrieblichen Gesundheitsförderung ist beispielsweise derBereich „Gesundheitstrainings und -kuren für Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter“, bestehend aus medizinischenCheck-ups, Bewegung, Ernährung und Entspannung. Dieangebotenen Maßnahmen sollen der besonderen Bean-spruchung aufgrund von Führungsverantwortung oderwechselnder Lebensrhythmen Rechnung tragen. Außerdemsollen die Mitarbeiter/-innen möglichst frühzeitig Eigen-verantwortung in Bezug auf den Erhalt der Gesundheitübernehmen.

KRAFTWERK MOBIL: EINE INNOVATIVE MASSNAHME

ZUM ERHALT DER INDIVIDUELLEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT

Ausgehend vom Betrieblichen Gesundheitsmanagementwurde ein spezielles Rückentrainingsprogramm entwickelt,das einfach und unkompliziert während der Arbeitszeitwahrgenommen werden kann. Das „Kraftwerk Mobil“ istein mobiles Trainingssystem zur präventiven Stärkung derRücken- und Bauchmuskulatur. Das Kraftwerk Mobil machtregelmäßig an verschiedenen Haltestellen in den Werks-standorten Station. Dort können die Mitarbeiter/-innenarbeitsnah mit minimalem Zeitaufwand und professionel-ler Betreuung durch geschulte Trainer/-innen den erstenSchritt in Richtung eines stabilen und gesunden Rückensvollziehen. Das Kraftwerk startet mit einem Eingangscheck,bei dem die Kraft der Bauch- und Rückenmuskulatur undderen Gleichgewicht getestet wird. Nach Auswertung derTestergebnisse wird ein computergestützter individuellerTrainingsplan für jede Teilnehmerin/jeden Teilnehmererstellt und wöchentlich ein Mal betreut trainiert. Das„Kraftwerk Mobil“ bietet somit eine hervorragende Mög-lichkeit, regelmäßig während der Arbeitszeit aktiv die Mus-kulatur im Rumpfbereich zu stärken und somit langfristigRückenbeschwerden vorzubeugen bzw. zu beseitigen. DieReaktionen der Belegschaft sind durchweg positiv: „Direktam Arbeitsplatz trainieren zu können, ist eine super Sache. Ichhatte schon Rückenprobleme und muss sagen: Nach dem Trai-ning geht’s mir gut …“ meint eine Mitarbeiterin aus demWerk Bremen.Am Beispiel „Kraftwerk Mobil“ lässt sich aufzeigen, dass dieBetriebliche Gesundheitsförderung für die Mitarbeiter/-innen der Daimler AG im Rahmen des demografischenWandels eine wesentliche Investition in die Zukunft bedeu-tet. Sie bietet dem Unternehmen vielseitige Anregungen,die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter/-innen, im Sinn einer zukunftsgerichteten Personalpoli-tik, effektiv und langfristig zu erhalten und zu sichern.Die Rückmeldungen aus den verschiedensten Unterneh-mensbereichen spiegeln den Erfolg der Aktivitäten wider.Alle Aktivitäten des Gesundheitsmanagements der DaimlerAG zielen auf eine nachhaltige Förderung der Leistungs -fähigkeit jedes Einzelnen und die Sicherstellung einer wett-bewerbsfähigen Belegschaft auch in Zukunft. �

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T H E M E N S C H W E R P U N K T

Handlungsfelder der betrieblichen Gesundheitsförderung bei derDaimler AG

Prävention: Angebot von Sensibilisierungsmaßnahmen, um dieGesundheit der Mitarbeiter/-innen zu erhalten bzw. zu fördern. Beispiele: Gesundheitskurse, Marktplatz Gesundheit, Gesundheitstrai-nings, Präventionskuren. Therapie: Angebot gezielter Maßnahmen zur Behandlung von beste-henden Risikofaktoren und Erkrankungen. Ziel der therapeutischenMaßnahmen ist die Beseitigung bzw. die Linderung von Beschwerden,um die körperliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Beispiele: Physiotherapie, Daimler-Rückenprogramme, Raucherentwöh-nung, Sport für Sondergruppen.Rehabilitation: Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeits fähig-keit aufgrund einer Erkrankung.Beispiele: Rehabilitationsnachsorge, arbeitsplatzbezogene Rehabilita tion.

Neben den beschriebenen Handlungsfeldern werden Spezialprogram-me für definierte Zielgruppen angeboten, die einen direkten Arbeits-platzbezug bzw. mit der eigentlichen Tätigkeit eng verbunden sind.

(Foto: Daimler AG, Stuttgart)